Deutscher Bundestag Legalisierung und Entkriminalisierung von Drogen in den USA Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste © 2010 Deutscher Bundestag WD 9 – 3000-221/10 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 – 3000-221/10 Seite 2 Legalisierung und Entkriminalisierung von Drogen in den USA Aktenzeichen: WD 9 – 3000-221/10 Abschluss der Arbeit: 30.03.2011 Fachbereich: WD 9: Gesundheit, Familie, Senioren, Frauen und Jugend Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 – 3000-221/10 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Rechtliche Lage 4 1.1. Tabellarischer Überblick 4 1.2. Historische Entwicklung 5 1.3. Aktuelle Rechtslage 6 1.3.1. Internationale Abkommen 6 1.3.2. Bundesgesetze 6 1.3.3. Rechtslage in ausgewählten Bundesstaaten 7 1.3.4. Rechtsprechung 10 2. Drogenpolitik 11 2.1. Präventive Maßnahmen 12 2.2. Repressive Maßnahmen 12 3. Fazit 13 4. Quellenverzeichnis 14 4.1. Literatur 14 4.2. Internationale Abkommen 14 4.3. Bundesgesetze 14 4.4. Rechtsprechung 15 5. Anlagenverzeichnis 15 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 – 3000-221/10 Seite 4 1. Rechtliche Lage 1.1. Tabellarischer Überblick Gesetz Auf Bundesebene gilt der Controlled Substances Act1 (CSA) von 1970 in der Fassung vom 01.02.2010. In den Bundesstaaten existieren teilweise abweichende Regelungen, denen das Bundesrecht jedoch formell vorgeht. Arten von Drogen Substanzen sind in verschiedene Anhänge des CSA eingeteilt. Zu den Substanzen nach Anhang 1 des CSA gehören unter anderem: Cannabis Heroin LSD Ecstasy (MDMA) Zu den Substanzen nach Anhang 2 des CSA gehören unter anderem Kokain Opium Amphetamine Hinsichtlich der in Anhänge 3-5 erfassten Substanzen , sowie weiterer Substanzen nach den Anhängen 1 und 2 wird auf Anlage 6 zu dieser Arbeit verwiesen. Konsum und Besitz von Drogen Konsum und Besitz von Drogen wird grundsätzlich per Bundesgesetz sanktioniert. Abweichende Regelungen hinsichtlich der medizinischen Verwendung und der Sanktionierung existieren in einzelnen Bundesstaaten. Besitz von Cannabis Abhängig von Grenzwerten wird der Besitz von Cannabis bis zu einer Menge von 30 Gramm mit einer Höchststrafe von USD 500 sowie 30 Tagen Freiheitsstrafe geahndet 1 Controlled Substances Act, im Internet abrufbar unter: http://uscode.house.gov/download/pls/21C13.txt . Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 – 3000-221/10 Seite 5 Handel mit Drogen Die sog. „Federal Trafficking Penalties“ sehen je nach Art und Menge der gehandelten Droge sowie Vorstrafen des Handelnden Strafmaße von Geldstrafe bis zu lebenslanger Freiheitsstrafe vor. Die Strafen können kumulativ verhängt werden. Spritzenaustauschprogramme Keine gesetzliche Grundlage. Seit 2010 staatliche Förderung. Substitutionsprogramme Die Methadonbehandlung in den USA ist grundsätzlich speziellen Einrichtungen vorbehalten 1.2. Historische Entwicklung Den Ausgangspunkt für den Beginn einer nationalen und bundeseinheitlichen Drogenlegislatur bildet der im Jahr 1914 erlassene Harrison Narcotics Act. Vor dem Hintergrund, dass sich die USA bereits 1912 durch das Unterzeichnen der Haager Konvention zu einem harten Vorgehen gegen die Verbreitung von Drogen verpflichteten und dazu eine nationale Gesetzeslage zu schaffen war, die den internationalen Abkommen entsprach, entstand das Bedürfnis für eine einheitliche nationale Regelung. Darüber hinaus ließ sich ein von den USA gefordertes weltweites Vorgehen nur realisieren, wenn die USA zunächst selber vorbildliche und einheitliche Regelungen vorweisen konnten. Inhaltlich bezog sich der Harrison Narcotics Act auf alle Rohstoffe und Weiterverarbeitungen von Opium und Kokain. Dabei wurden unter anderem eine Rezeptpflicht für Endverbraucher eingeführt und der Besitz kontrollpflichtiger Substanzen durch nichtregistrierte Personen als Beweis für einen Gesetzesverstoß für ausreichend erachtet Wichtigste Bestimmung war jedoch die nunmehr geltende obligatorische Registrierung für legale Anwender. Die Einhaltung dieser Regelungen sollte durch Strafvorschriften - Geldstrafe bis USD 2.000, gegebenenfalls kumulativ verhängte Freiheitsstrafe bis 5 Jahren - sichergestellt werden. Die Gesetzgebungskompetenz des Bundes wurde formell aus der Kompetenz des Bundes, den Warenverkehr zwischen den Einzelstaaten zu regeln, hergeleitet. In seiner Anwendung wurde das Gesetz zu einem umfassenden Drogenkontrollgesetz uminterpretiert . Der legale Besitz sollte auf solche Personengruppen beschränkt werden, die aufgrund ihrer beruflichen Qualifikation das Recht besaßen, sich als Besitzer der im Harrison Narcotics Act genannten Substanzen registrieren zu lassen. Im Umkehrschluss bedeutete dies: Nur Inhaber einer Konzession oder Personen, die eine Verfügung seitens eines Konzessionsinhabers vorweisen konnten, waren zum straffreien Besitz von Drogen berechtigt. Der oberste Gerichtshof der USA, der Supreme Court, traf 1919 in der Entscheidung U.S. vs. Webb/Goldbaum eine weitere Entscheidung zugunsten einer strengeren Drogenpolitik in den USA. Die legale Verschreibung von Rauschmitteln an Suchtkranke, um Entzugsleiden zu verhindern, stand nach Ansicht des Gerichts im Widerspruch zum Sinn und Zweck des Harrison Narcotics Act. In Bezug auf Cannabis verabschiedeten in der Folgezeit einige Bundesstaaten gesetzliche Regelungen . Im Zusammenhang mit Berichten über den zunehmenden Konsum von Cannabis passier- Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 – 3000-221/10 Seite 6 te der Marijuana Tax Act den US-Kongress im Oktober 1937. Vom Grundsatz her ebenfalls als Binnenzollgesetz ausgestaltet, erhob das Gesetz eine Steuer in Höhe von USD 1 auf alle Käufer, Verkäufer, Produzenten und Personen, die mit Cannabis Handel trieben oder Cannabis besaßen. Der vordergründige Zweck dieses Gesetzes wird erst bei einem Blick auf die Strafvorschriften deutlich. Wer gegen den Marijuana Tax Act verstieß, musste mit empfindlichen Freiheitsstrafen von bis zu 5 Jahren sowie mit Geldstrafen bis zu USD 2000 rechnen. Eine Steuermarke für den Handel mit Marijuana zu bekommen, wurde durch ein administratives System nahezu unmöglich gemacht. Faktisch war der Handel und Besitz von Marijuana damit illegal. Schließlich ist als weiteres Regelungswerk der Comprehensive Drug Abuse and Control Act von 1970 zu nennen. Dessen wichtigster Bestandteil, der Controlled Substances Act, trat am 1. Mai 1971 in Kraft und beansprucht in seiner aktuellen Fassung bis heute Geltung.2 1.3. Aktuelle Rechtslage 1.3.1. Internationale Abkommen Die USA sind Unterzeichner der Single Convention on Narcotic Drugs aus dem Jahr 1961, der Convention on Psychotropic Substances aus dem Jahr 1971 und der Convention against illicit Traffic in Narcotic Drugs and Psychotropic Substances aus dem Jahr 1988. Als Folge dieser Verträge sind die Unterzeichnerstaaten dazu angehalten, innerstaatliche Regelungen zu schaffen, welche die Zielvorgaben der internationalen Verträge, den nicht-medizinischen Gebrauch von Drogen zu kriminalisieren, umsetzen. 1.3.2. Bundesgesetze Der Controlled Substances Act (CSA) von 1970, in der Fassung vom 01.02.2010, stellt auf Bundesebene das mit Abstand wichtigste Regelwerk im Zusammenhang mit der US-Drogenlegislatur dar und dient hauptsächlich der Umsetzung der Vorgaben aus der Single Convention on Narcotic Drugs und der Convention on Psychotropic Substances. Dieses Gesetz ersetzte bei seiner Einführung mehr als 50 Einzelgesetze und umfasst 5 Anhänge3, welche die verschiedenen Rauschgifte klassifizieren. Sowohl die Food and Drug Administration (FDA) als auch die Drug Enforcement Administration (DEA) können den 5 Anhängen des CSA Substanzen hinzufügen oder Substanzen entfernen. Darüber hinaus ist auch der US Kongress berechtigt solche Handlungen vorzunehmen. Die 1973 gegründete Drogenkontrollbehörde DEA überwacht die Einhaltung der Vorschriften aus dem CSA und sichert deren Vollzug. Die Herstellung und Verteilung der in den Anhängen 1 bis 5 genannten Substanzen ist grundsätzlich verboten. Cannabis ist als Substanz, der keinerlei medizinische oder therapeutische Wirkung beigemessen wird, nach Anhang 1 des CSA klassifiziert. Die Anhänge 2 bis 5 umfassen solche Substanzen, denen medizinische oder therapeutische Wirkungen zugeschrieben werden, die jedoch eine hohe Suchtgefahr bergen. Diesbezüglich ist neben Kokain auch Opium als Substanz nach Anhang 2 des CSA zu nennen. 2 Vgl. hierzu näher unten zu Gliederungspunkt 1.3.2. 3 Vollständiger Überblick, vgl. Anlage 6. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 – 3000-221/10 Seite 7 1.3.3. Rechtslage in ausgewählten Bundesstaaten Die rechtliche Situation in den einzelnen Bundesstaaten ist insbesondere hinsichtlich der medizinischen Verwendung von Cannabis sowie der Strafvorschriften für Besitz und Konsum von Cannabis unterschiedlich. So haben bis heute in den USA insgesamt 15 Bundesstaaten den medizinischen Gebrauch von Cannabis zu therapeutischen Zwecken legalisiert. Vor dem Hintergrund , dass auch in den USA Bundesrecht höherrangig als das Recht der Einzelstaaten ist und diesem daher vorgeht, stellt sich die Frage, welche Bedeutung derartigen einzelstaatlichen Regelungen überhaupt zukommen kann. Zu unterscheiden sind insofern solche Regelungen, die den medizinischen Gebrauch von Cannabis zu therapeutischen Zwecken erlauben und solchen, die den persönlichen Gebrauch von Cannabis in geringen Mengen entkriminalisieren. Beides ist grundsätzlich unter Strafandrohung durch Bundesgesetz verboten. Gleichwohl existieren in einzelnen Bundesstaaten Vorschriften, die die medizinische Verwendung von Cannabis zulassen oder Cannabis entkriminalisieren. Entkriminalisiert meint, dass für den Besitz von Cannabis bei einem erstmaligen Verstoß keine Freiheitsstrafe verhängt wird und keine Vorstrafen in das Vorstrafenregister eingetragen werden, sofern nur eine kleine Menge für den persönlichen Gebrauch vorliegt. Derartige Verstöße werden ähnlich wie ein leichter Verstoß gegen Straßenverkehrsvorschriften behandelt. Grundsätzlich bleibt die Verwendung von Cannabis jedoch rechtswidrig. Streng zu trennen ist dieser Begriff von der Legalisierung. Legalisierung bedeutet, dass der Besitz und der Konsum von Cannabis rechtlich erlaubt wird. Cannabis ist in folgenden Bundesstaaten entkriminalisiert: Alaska, Kalifornien, Colorado, Maine, Massachusetts, Minnesota, Mississippi, Nebraska, Nevada, New York, North Carolina, Ohio, Oregon. Die medizinische Verwendung von Cannabis zu therapeutischen Zwecken meint hingegen, dass der Betroffene an einer bestimmten schwerwiegenden Krankheit leidet, zu deren Behandlung die Verwendung von Cannabis medizinisch indiziert ist. Zu derartigen Krankheiten gehören unter anderem schwere Krebsleiden und AIDS, bei denen Cannabis als Appetitanreger verwendet werden kann. Die medizinische Verwendung von Cannabis ist mittlerweile in folgenden US- Bundesstaaten erlaubt: Alaska, Arizona, Kalifornien, Colorado, Hawaii, Maine, Michigan, Montana, Nevada, New Jersey, New Mexico, Oregon, Rhode Island, Vermont, Washington, District of Columbia. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 – 3000-221/10 Seite 8 Exemplarisch werden im Folgenden die gesetzlichen Vorschriften in Bezug auf Cannabis in den Bundesstaaten Kalifornien, New York und Texas dargestellt4: Kalifornien Besitz Ordnungswidrigkeit/Vergehen/Verbrechen Freiheitsstrafe Geldstrafe 28,5 Gramm oder weniger Ordnungswidrigkeit Keine USD 100 (Geldbuße) Mehr als 28,5 Gramm Vergehen 6 Monate USD 500 Anbau Beliebige Menge Verbrechen 16-36 Monate keine Verkauf Schenkung von weniger als 28, 5 Gramm Vergehen Keine USD 100 Beliebige Menge Verbrechen 2-4 Jahre keine Beliebige Menge an einen Minderjährigen über 14 Jahren Verbrechen 3-5 Jahre keine Beliebige Menge an einen Minderjährigen unter 14 Jahren Verbrechen 3-7 Jahre Keine Besonderheiten Jede Verurteilung einer Person unter 21 Jahren führt zu einem einjährigen Fahrverbot 4 Für einen Gesamtüberblick, vgl. The National Organization for the Reform of Marijuana Laws (NORML), State By State Laws, im Internet abrufbar unter: http://norml.org/index.cfm?Group_ID=4516 . Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 – 3000-221/10 Seite 9 New York Besitz Ordnungswidrigkeit/Vergehen/Verbrechen Freiheitsstrafe Geldstrafe 25 Gramm oder weniger (erster Verstoß) Sog. „civil citation“ (Vorladung), wird als Ordnungswidrigkeit behandelt keine USD 100 (Geldbuße) 25 Gramm oder weniger (zweiter Verstoß) Sog. „civil citation“ (Vorladung), wird als Ordnungswidrigkeit behandelt keine USD 200 (Geldbuße) 25 Gramm oder weniger (dritter Verstoß) Vergehen 5 Tage und/oder Geldstrafe USD 250 25 Gramm bis zu 2 Unzen Vergehen 3 Monate USD 500 Mengen ab 8 Unzen Verbrechen der Klasse E, D oder C (Je nach Menge) 1-15 Jahre USD 5.000 Verkauf oder Anbau Schenkung von 2 Unzen oder weniger Vergehen der Klasse B 3 Monate und/oder Geldstrafe USD 500 Verkauf von bis 24 Gramm Vergehen der Klasse A 1 Jahr und/oder Geldstrafe USD 1.000 25 Gramm bis 10 Pfund Verbrechen der Klasse E, D oder C (Je nach Menge) 1-7 Jahre, bei erstem Verstoß Bewährung möglich USD 5.000 Mengen ab 10 Pfund Verbrechen der Klasse C 1-15 Jahre Keine Angabe Verkauf an Minderjährige Verbrechen der Klasse D 1-7 Jahre USD 5.000 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 – 3000-221/10 Seite 10 Texas Besitz Ordnungswidrigkeit/Vergehen/Verbrechen Freiheitsstrafe Geldstrafe 2 Unzen oder weniger Vergehen der Klasse B 180 Tage USD 2.000 Bis zu 4 Unzen Vergehen der Klasse A 1 Jahr USD 4.000 4 Unzen bis 2000 Pfund Verbrechen des zweiten oder dritten Grades (Je nach Menge) 180 Tage bis 20 Jahre USD 10.000 Mehr als 2000 Pfund Verbrechen 5-99 Jahre USD 50.000 Verkauf Schenkung einer Menge bis zu einer Viertelunze Vergehen der Klasse B 180 Tage USD 2.000 Verkauf einer Menge bis zu einer Viertelunze Vergehen der Klasse A 1 Jahr USD 4.000 Menge bis 5 Pfund Verbrechen 180 Tage bis 2 Jahre USD 10.000 Menge bis 2.000 Pfund Verbrechen ersten oder zweiten Grades 2-99 Jahre USD 10.000 Menge ab 2.000 Pfund Verbrechen 10-99 Jahre, wobei 10 Jahre das Mindeststrafmaß darstellt USD 100.000 Verkauf an Minderjährige Verbrechen 2-20 Jahre USD 10.000 1.3.4. Rechtsprechung Der US-Supreme Court entschied im Jahr 2001 in der Entscheidung United States v. Oakland Cannabis Buyers‘ Cooperative, die Abgabe von Cannabis zu medizinischen Zwecken stehe im Widerspruch zum Controlled Substances Act. Das amerikanische Bundesrecht erkenne keinen Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 – 3000-221/10 Seite 11 medizinischen Nutzen im Hinblick auf Cannabis an. Daher sei die Berufung auf „medizinische Notwendigkeit“ vor den US-Bundesgerichten für Hersteller und Vertreiber von Cannabis zu medizinischen Zwecken ausgeschlossen. Auf die jeweiligen einzelstaatlichen Vorschriften, die den medizinischen Gebrauch von Cannabis zuließen, komme es nicht an. In der Entscheidung des US-Supreme Courts in der Sache Gonzales v. Raich aus dem Jahre 2005 bestätigte das Gericht die Bundeskontrolle über den legalen Status von Cannabis, ohne dabei die gesetzlichen Regelung einzelner Bundesstaaten zum legalen medizinischen Gebrauch von Cannabis aufzuheben. Dadurch besteht ein Widerspruch zwischen den einzelstaatlichen Regelungen, nach denen Cannabis unter bestimmten Voraussetzungen als legal bzw. entkriminalisiert eingestuft wird und der Bundesgesetzgebung nach der Cannabis in allen 50 Bundesstaaten als illegal eingestuft wird. 2. Drogenpolitik Im Oktober 2009 vollzog die Regierung der Vereinigten Staaten einen Paradigmenwechsel in der Drogenpolitik, indem die Strafverfolgungsbehörden durch Generalbundesanwalt Eric Holder Jr. offiziell angewiesen wurden, auf eine Strafverfolgung zu verzichten, wenn es eine einzelstaatliche Rechtsgrundlage für den medizinischen Gebrauch von Cannabis gibt und der Konsument im Einklang mit dieser einzelstaatlichen Regelung Cannabis konsumiert. Insbesondere im Licht der teilweise widersprüchlichen Regelungen auf Bundesebene und in den einzelnen Bundesstaaten bezüglich der medizinischen Verwendung von Cannabis, wurde damit Klarheit insofern geschaffen , als dass zwar – nach wie vor - die Vorschriften auf Bundesebene Vorrang vor solchen auf bundesstaatlicher Ebene haben, jedoch die Bundesbehörden nicht mehr einschreiten, sofern im jeweiligen Bundesstaat die medizinische Verwendung von Cannabis zugelassen ist und der Betroffene im Einklang mit der Regelung des jeweiligen Bundesstaates handelt. Im Mai 2010 stellte die US-Amerikanische Regierung zudem einen 5-Jahresplan zur Bekämpfung des Drogenmissbrauchs vor. Unter Abkehr von der strengen „zero tolerance“ Politik der Bush- Administration setzt die Obama-Administration im Wesentlichen auf 4 Säulen: verstärkte Prävention auf lokaler Ebene, eine Ausweitung der Behandlung Suchtkranker, strengere Durchsetzung geltender Vorschriften gegen Drogenmissbrauch und schließlich internationale Kooperation im Kampf gegen Drogenmissbrauch. Konkret beinhaltet diese neue Strategie folgende Zielsetzungen : eine 15-prozentige Reduzierung der Anzahl Jugendlicher, die Drogen zu sich nehmen eine 10-prozentige Reduzierung der Anzahl junger Erwachsener, die Drogen zu sich nehmen eine 15-prozentige Reduzierung chronischer Drogennutzer eine 15-prozentige Reduzierung von Drogenmissbrauch als Todesursache eine 10-prozentige Reduzierung von Fahrten unter dem Einfluss von Rauschmitteln. Diese Ziele sollen unter anderem dadurch erreicht werden, dass die entsprechenden Budgets, insbesondere solche zur Finanzierung präventiver Programme, ausgeweitet werden. Ferner sollen Programme, die der Behandlung von Suchtkranken dienen, ausgeweitet werden. Schließlich soll auch der Handel mit Drogen stärker als bislang bekämpft werden. Insgesamt ist die Tendenz erkennbar , präventive Maßnahme stärker als bislang zu fördern sowie die Behandlung und Wieder- Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 – 3000-221/10 Seite 12 eingliederung Suchtkranker in die Gesellschaft zu ermöglichen, anstelle einer repressiv ausgerichteten Politik, die auf einer bloßen Strafverfolgung beruht. 2.1. Präventive Maßnahmen Die Vergabe von Spritzbestecken beziehungsweise Nadelaustauschprogramme wurden in großen Teilen der USA lange nicht unterstützt. Teilweise waren derartige Programme gesetzeswidrig , oder aber sie wurden in den betroffenen Bundesstaaten abgelehnt. Im Jahr 2010 wurde die staatliche Förderung von Nadelaustauschprogrammen etabliert. Insgesamt existierten im Jahr 2007 in 36 der 50 Bundesstaaten der USA 185 Nadelaustauschprogramme. Der Zugang zu diesen Programmen wird allerdings häufig dadurch erschwert, dass die entsprechenden Einrichtungen am Stadtrand liegen und sich Betroffene zunächst auf Wartelisten registrieren lassen müssen. Die Anzahl der in den USA im Rahmen von Nadelaustauschprogrammen ausgetauschten Spritzen lag im Jahr 2007 bei knapp 22,5 mio bei damals 118 vorhandenen Programmen. Substitutionsprogramme, bei denen die Vergabe von Methadon an Heroinabhängige betrieben wird, erreichen nur rund ein Fünftel der Betroffenen. Die Zahl der Heroinabhängigen wird unterschiedlichen Angaben zufolge auf etwa 500.000 bis 800.000 geschätzt. Von den Betroffenen befinden sich etwa 115.000 in Behandlung. Allein im Bundesstaat New York nehmen etwa 40.000 Betroffene an Substitutionsprogrammen teil. Die insgesamt niedrige Quote ist Resultat der benutzerunfreundlichen Gestaltung der Programme und der Tatsache, dass nur wenigen Ärzten die Verabreichung von Methadon gestattet wird. 2.2. Repressive Maßnahmen Wie oben dargestellt, steht der Besitz, der Handel und der Konsum von Drogen in den USA grundsätzlich unter Strafandrohung. Auf Bundesebene existieren hohe Strafandrohungen für den Besitz bestimmter Drogen. Bei der Strafzumessung wird den Bundesstaaten ein Ermessensspielraum eröffnet. Die Folge dieser Vorgehensweise ist eine uneinheitliche Strafzumessung zwischen den Bundesstaaten. Zu den bundeseinheitlichen Strafen für den Handel mit unerlaubten Substanzen , den sog. „Federal Trafficking Penalties“5 lässt sich exemplarisch folgender Überblick erstellen: Art der Droge Menge Strafmaß bei erstmaligem Verstoß Kokain 500 bis 4999 Gramm Gemisch 5-40 Jahre, wobei das Mindeststrafmaß 5 Jahre nicht unterschreiten darf, Geldstrafe bis zu USD 2.000.000 Heroin 100 bis 999 Gramm Gemisch 5-40 Jahre, wobei das Mindeststrafmaß 5 Jahre nicht unterschreiten darf, Geldstrafe bis 5 Vollständiger Überblick, vgl. Anlage 2. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 – 3000-221/10 Seite 13 zu USD 2.000.000 LSD 1 bis 9 Gramm 5-40 Jahre, wobei das Mindeststrafmaß 5 Jahre nicht unterschreiten darf, Geldstrafe bis zu USD 2.000.000 Cannabis 1-49 Pflanzen, weniger als 50 Kilogramm Gemisch 5 Jahre Höchststrafe, Geldstrafe bis zu USD 250.000 Cannabis 50-1000 Kilogramm Gemisch Je nach Quantität: Nicht mehr als 20 Jahre (bis 99 Kg) Nicht weniger als 5 Jahre , Höchststrafmaß 40 Jahre (bis 999 Kg) 10 Jahre bis lebenslange Haftstrafe (ab 1000 Kg) Zusätzlich Geldstrafen bis USD 4.000.000 3. Fazit Insgesamt lässt sich nach dem konsequent repressiv ausgerichteten Vorgehen der US-Regierung gegen Drogen in der Vergangenheit gegenwärtig zumindest eine Tendenz dahingehend feststellen , präventive Gesichtspunkte stärker als bislang zu fördern. Insbesondere die Anerkennung abweichender Vorschriften zum Konsum von Cannabis in einzelnen Bundesstaaten sowie die Einrichtung und Förderung von Therapieprogrammen für Suchtkranke verdeutlichen diesen Aspekt . Nach wie vor geht das höherrangige Bundesrecht jedoch den Vorschriften einzelner Bundesstaaten vor, so dass sich formell gesehen an der Rechtslage nichts geändert hat und weiterhin harte Strafen für Drogenbesitz und Drogenhandel bestehen. Aspekte der Entkriminalisierung werden, insbesondere vor dem Hintergrund überfüllter Gefängnisse in den USA, von einigen US- Bundesstaaten aufgegriffen. Im Hinblick auf die Legalisierung von Drogen besteht jedoch weiterhin große Skepsis in Politik und Bevölkerung. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 – 3000-221/10 Seite 14 4. Quellenverzeichnis 4.1. Literatur Briesen, Detlef (2005). Drogenkonsum und Drogenpolitik in den USA – Ein historischer Vergleich , Frankfurt/New York, 2005, Campus Verlag Kurzer, Kristina (2005). Sucht– und Drogenpolitik im internationalen Vergleich, Dissertation, Fachbereich Rechtswissenschaften der Universität Bremen Carrie Johnson (2009). U.S. eases stance on medical marijuana, The Washington Post, im Internet abrufbar unter: http://www.washingtonpost.com/wpdyn /content/article/2009/10/19/AR2009101903638.html IACM Information vom 01. Oktober 2008, im Internet abrufbar unter: http://www.cannabismed .org/index.php?tpl=page&id=49&lng=de Centers for Disease Control and Prevention (2007), Syringe Exchange Programs, im Internet abrufbar unter: http://www.cdc.gov/mmwr/preview/mmwrhtml/mm5644a4.htm The White House, President Obama releases National strategy to reduce drug use and its consequences , Pressemittelung vom 11.Mai 2010, im Internet abrufbar unter: http://www.whitehouse.gov/the-press-office/president-obama-releases-national-strategy-reducedrug -use-and-its-consequences Schaffer Library of Drug Policy, Drug Law Timeline – Significant Events in the History of our Drug Laws, im Internet abrufbar unter: http://www.druglibrary.org/schaffer/history/drug_law_timeline.htm 4.2. Internationale Abkommen International Narcotics Control Board (INCB), Single Convention on Narcotic Drugs, 1961, im Internet abrufbar unter: http://www.incb.org/pdf/e/conv/convention_1961_en.pdf International Narcotics Control Board (INCB), Convention on Psychotropic Substances, 1971, im Internet abrufbar unter: http://www.incb.org/incb/convention_1971.html United Nations Office on Drugs and Crime (UNODC), Convention against illicit Traffic in Narcotic Drugs and Psychotropic Substances, 1988, im Internet abrufbar unter: http://www.incb.org/pdf/e/conv/1988_convention_en.pdf 4.3. Bundesgesetze Van Dusen, Virgil/Spies, Alan R. (Februar 2007). Pharmacy Times, An Overview and Update of the Controlled Substances Act of 1970, im Internet abrufbar unter: http://www.pharmacytimes.com/publications/issue/2007/2007-02/2007-02-6309 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 – 3000-221/10 Seite 15 U.S. Drug Enforcement Administration (DEA), Federal Trafficking Penalties, im Internet abrufbar unter: http://www.justice.gov/dea/agency/penalties.htm Online Library of Drug Policy, The Marihuana Tax Act, mit Anmerkungen, im Internet abrufbar unter: http://www.druglibrary.org/schaffer/hemp/taxact/mjtaxact.htm 4.4. Rechtsprechung Supreme Court Of The United States (US-Supreme Court), Gonzales, Attorney General, ET Al. v. Raich ET AL., Urteil vom 6. Juni 2005, im Internet abrufbar unter: http://www.supremecourt.gov/opinions/04pdf/03-1454.pdf Supreme Court Of The United States (Us-Supreme Court), United States v. Oakland Cannabis Buyers‘ Cooperative and Jeffrey Jones, mündliche Stellungnahme vom 28 März 2001, im Internet abrufbar unter: http://www.supremecourt.gov/oral_arguments/argument_transcripts/00-151.pdf 5. Anlagenverzeichnis Kurzer, Kristina (2005). Sucht– und Drogenpolitik im internationalen Vergleich, Dissertation, Fachbereich Rechtswissenschaften der Universität Bremen, Auszug, hier: S.1 bis 9 und 357 bis 370 - Anlage 1 - U.S. Drug Enforcement Administration (DEA), Federal Trafficking Penalties, im Internet abrufbar unter: http://www.justice.gov/dea/agency/penalties.htm - Anlage 2 – The National Organization fort he Reform of Marijuana Laws (NORML), California Marijuana Penalties, im Internet abrufbar unter: http://norml.org/index.cfm?Group_ID=4525&wtm_view=penalties - Anlage 3 - The National Organization fort he Reform of Marijuana Laws (NORML), New York Marijuana Penalties, im Internet abrufbar unter: http://norml.org/index.cfm?wtm_view=penalties&Group_ID=4554 - Anlage 4 - The National Organization fort he Reform of Marijuana Laws (NORML), Texas Marijuana Penalties , im Internet abrufbar unter: http://norml.org/index.cfm?wtm_view=penalties&Group_ID=4566 - Anlage 5 - Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 – 3000-221/10 Seite 16 U.S. Drug Enforcement Administration (DEA), Drug Scheduling, im Internet abrufbar unter: http://www.justice.gov/dea/pubs/scheduling.html - Anlage 6 -