Deutscher Bundestag „Pfefferspray“ – Zusammensetzung, Wirkung und gesundheitliche Gefahren Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste © 2010 Deutscher Bundestag WD 9 – 3000-175/10 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 – 3000-175/10 Seite 2 „Pfefferspray“ – Zusammensetzung, Wirkung und gesundheitliche Gefahren Aktenzeichen: WD 9 – 3000-175/10 Abschluss der Arbeit: 14. Oktober 2010 Fachbereich: WD 9: Gesundheit, Familie, Senioren, Frauen und Jugend Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 – 3000-175/10 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einführung 4 2. Wirkstoff, Zusammensetzung, Dosierung 4 2.1. Wirkstoff 4 2.2. Zusammensetzung und Dosierung 4 3. Symptome, Wirkungsdauer, Behandlungsformen 5 3.1. Symptomatik und Wirkungsdauer 5 3.2. Behandlungsformen 6 4. Gesundheitliche Beeinträchtigungen und eventuelle Langzeitfolgen 6 4.1. Gesundheitliche Gefahren durch den Wirkstoff Capsaicin im Allgemeinen 6 4.2. Gefahr bleibender Hornhautschädigungen beim Einsatz von Handabschussgeräten 6 5. Indirekte Gesundheitsgefahren 7 5.1. Indirekte gesundheitliche Gefahren für Personen unter Einfluss von Drogen und Psychopharmaka 7 5.2. Indirekte gesundheitliche Gefahren für Asthmatiker, Allergiker und Personen mit labilem Blutdruck 7 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 – 3000-175/10 Seite 4 1. Einführung Reizstoffsprühgeräte bzw. sogenannte „Pfeffersprays“ sind Hilfsmittel zur Gefahrenabwehr. Durch ihren Einsatz sollen Personen oder Tiere auf Distanz gehalten und gegebenenfalls in ihrer Handlungsfähigkeit eingeschränkt werden. Hierzu wird ein gelöster Reizstoff eingesetzt, der über eine Druckgasdose (Sprühdose) in Form eines Sprühstrahls freigesetzt werden kann.1 2. Wirkstoff, Zusammensetzung, Dosierung 2.1. Wirkstoff Der in Pfefferspray herkömmlich verwendete Reizstoff ist Oleoresin Capsicum (OC). Dabei handelt es sich um einen mittels Lösemittelextraktion aus den trockenen, reifen Früchten von Capsicum (Chilli oder Cayenne-Pfeffer [Capsicum frutescens], Paprika [Capsicum annuum]) gewonnenen Scharfstoff – eine viskose Flüssigkeit mit würzigem Geruch und extrem scharfem, brennenden Geschmack. Der Hauptbestandteil des Scharfstoffes ist Capsaicin (Gruppe der Capsaicinoide).2 2.2. Zusammensetzung und Dosierung Pfefferspray ist aus verschiedenen chemischen Stoffen zusammengesetzt. Neben den Wirkstoffen von Oleoresin Capsicum, namentlich Capsaicin (CAS-Nummer: 404-86-43), Dihydrocapsaicin (CAS-Nummer 19408-84-5) sowie Nordihydrocapsaicin (CAS-Nummer: 28789-35-7) werden den Pfefferspraydosen außerdem Lösungs- (etwa Methanol, Hexan) und Treibmittel (z.B. Propan, Butan ) beigefügt. Die Dosierung des Reizstoffes Capsaicin in Pfeffersprayprodukten variiert je nach Hersteller und Anwendungsbereich. In der Regel weisen Pfeffersprays einen Capsaicingehalt zwischen 1,1 % und etwa 13 % auf. Der durchschnittliche Capsaicingehalt liegt bei etwa 10 %4. 1 Polizeitechnisches Institut (PTI) der Deutschen Hochschule der Polizei (DHPol), Technische Richtlinie zu Reizstoff -Sprühgeräten mit Oleoresin Capsicum (OC) oder Pelargonsäure-vanillylamid (PAVA), Stand: November 2008, Seite 3, im Internet abrufbar unter: http://www.pfa.nrw.de/PTI_Internet/ptiintern .dhpol.local/WG/Regelungen/RSG/TR-RSG_11-08.pdf 2 Vgl. hierzu etwa Buetzer, Peter, Capsaicin – Some like it hot! –, Einführung, im Internet abrufbar unter: http://www.buetzer.info/fileadmin/pb/HTML-Files/Capsaicin.htm (letzter Abruf am 14. Oktober 2010), beigefügt als Anlage 2; Chemie.DE Information Service GmbH, Capsaicin, im Internet abrufbar unter: http://www.chemie.de/lexikon/d/Capsaicin/ (letzter Abruf am 14. Oktober 2010) 3 Die CAS-Nummer ist ein internationaler Bezeichnungsstandard für chemische Stoffe. Detailierte Informationen zu chemischen Stoffen, die mit einer CAS-Nummer versehen sind, sind in der medizinischen Datenbank der amerikanischen Nationalbibliothek „ChemIDplus“ (lite) im Internet abrufbar unter: http://chem.sis.nlm.nih.gov/chemidplus/chemidlite.jsp; speziell für den chemischen Stoff Capsaicin: http://chem.sis.nlm.nih.gov/chemidplus/ProxyServlet?objectHandle=Search&actionHandle=getAll3DMViewFil es&nextPage=jsp%2Fcommon%2FChemFull.jsp%3FcalledFrom%3Dlite&chemid=0000404864&formatType=_3 D 4 Zur Zusammensetzung von Pfefferspray ausführlich Reilly, Christopher A./Crouch, Dennis J./Yost, Garold S. (2001), Quantitative Analysis of Capsaicinoids in Fresh Peppers, Oleoresin Capsicum and Pepperspray Pro- Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 – 3000-175/10 Seite 5 Im Zusammenhang mit der Verwendung von Pfefferspray durch die deutschen Polizeibehörden sieht die Technische Richtlinie zu Reizstoff-Sprühgeräten mit Oleoresin Capsicum des Polizeitechnischen Institutes der Deutschen Hochschule der Polizei einen Reizstoff-Maximalgehalt in Pfefferspraydosen (Gesamt-Nettofüllung) von 0,3 +/- 0,03 Gew.-% vor.5 3. Symptome, Wirkungsdauer, Behandlungsformen 3.1. Symptomatik und Wirkungsdauer Der Einsatz von Pfefferspray gegen Menschen kann folgende Symptome bzw. Wirkungen hervorrufen : Wirkung auf die Haut: Entzündungsreaktion mit intensiver Hautrötung und -schwellung; das Brennen auf der Haut kann bis zu 60 Minuten anhalten. Wirkung auf die Augen: Sofortiger Lidschluss aufgrund heftiger Schmerzen; Schwellungen und Rötung der Augenbindehaut, starker Tränenfluss und temporäre Erblindung bis zu 30 Minuten; Träger von Kontaktlinsen können erweiterte Reaktionen zeigen, weil sich zwischen der Kontaktlinse und der Hornhaut ein Reizstoffdepot entwickeln kann. Wirkung auf die Atemwege: unkontrollierte Hustenanfälle (Atemwegreizungen), Atemnot und Sprechschwierigkeiten zwischen drei und 15 Minuten; Krämpfe im Bereich des Oberkörpers, die den Betroffenen zwingen, sich nach vorne zu krümmen.6 ducts, in: J Forensic Sci 2001; 46 (3), S. 502-509, S. 502, im Internet abrufbar unter: http://www.sabrered.com/PDFs/University-of-UTAH-Study.pdf 5 Polizeitechnisches Institut (PTI) der Deutschen Hochschule der Polizei (DHPol), Technische Richtlinie zu Reizstoff -Sprühgeräten mit Oleoresin Capsicum (OC) oder Pelargonsäure-vanillylamid (PAVA), Stand: November 2008, Seite 11, im Internet abrufbar unter: http://www.pfa.nrw.de/PTI_Internet/ptiintern .dhpol.local/WG/Regelungen/RSG/TR-RSG_11-08.pdf 6 Vgl. hierzu Buetzer, Peter, Capsaicin – Some like it hot! –, Einführung, im Internet abrufbar unter: http://www.buetzer.info/fileadmin/pb/HTML-Files/Capsaicin.htm (letzter Abruf am 14. Oktober 2010), Europäisches Parlament (1998), Scientific and Technological Options Assessment (STOA), An Appraisal of Technologies of Political Control, S. 35-36, im Internet abrufbar unter: http://cryptome.org/stoa-atpc.htm; Europäisches Parlament (2000), Scientific and Technological Options Assessment (STOA), Crowd Control Technologies – An Appraisal of Technologies of Political Control –, Final Study, S. XXii, im Internet abrufbar unter: http://www.europarl.europa.eu/stoa/publications/studies/19991401a_en.pdf; Jesse, Björn (2009), Das Pfefferspray als alltägliches gefährliches Werkzeug, in: Neue Zeitschrift für Strafrecht (NStZ) 2009, S. 364-372, S. 366; Travis, Jeremy/Edwards, Steven M./Granfield, John/Onnen, Jamie (1997), Evaluation of Pepper Spray, in: National Institute of Justice – Research in Brief –, S. 2, im Internet abrufbar unter: http://www.ncjrs.gov/pdffiles/162358.pdf; Wright, Steve (2001), Pfefferspray “gefährdet die Gesundheit” – Vermarktung, Einsatz und gesundheitliche Risiken –, in: Bürgerrechte & Polizei/CILIP 69 (2/2001), im Internet abrufbar unter: http://www.cilip.de/ausgabe/69/pepper.htm Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 – 3000-175/10 Seite 6 3.2. Behandlungsformen Auf den Sicherheitsdatenblättern von Pfefferspray-Herstellern bzw. Lieferanten des Wirkstoffes Oleoresin Capsicum werden in der Regel folgende Erste-Hilfe-Maßnahmen für den Fall einer Exposition mit Pfefferspray empfohlen: Bei Hautkontakt: Betroffene Hautpartie zehn Minuten oder länger mit fließendem Wasser und Seife waschen und abspülen; benetzte Kleidungsstücke entfernen und bei anhaltenden Symptomen einen Arzt aufsuchen. Bei Augenkontakt: Sofortiges, zehn bis 15-minütiges Ausspülen des Auges und anschließende Untersuchung durch einen Facharzt. Bei Inhalation: Sofortige Zufuhr von frischer Luft; bei Bewusstlosigkeit der betroffenen Person Überprüfung der Atmung und, falls notwendig, Einleitung einer künstlichen Beatmung. Bei Verschlucken: Sofortiges Ausspülen des Mundes und anschließendes Aufsuchen eines Arztes oder Krankenhauses.7 4. Gesundheitliche Beeinträchtigungen und eventuelle Langzeitfolgen 4.1. Gesundheitliche Gefahren durch den Wirkstoff Capsaicin im Allgemeinen In geringen Dosen steigert Capsaicin die Salzsäure-Sekretion im Magen. Eine kontinuierliche Überdosierung von Capsaicin kann chronische Gastritis sowie Nieren- und Leberschädigungen bewirken. Eine längere Einwirkung kann Nekrosen und Geschwüre auf der Haut verursachen. Bei intravenöser und intraperitonealer Applikation ist Capsaicin hochgiftig.8 4.2. Gefahr bleibender Hornhautschädigungen beim Einsatz von Handabschussgeräten Einer im Jahre 2005 in der Schweiz veröffentlichten Analyse zufolge kann die Exposition mit Pfefferspray bzw. mit dem Wirkstoff Capsaicin jedenfalls dann bleibende Schädigungen der Hornhaut (schwere neurotrophe Oberflächenkeratitis mit diffuser Sensibilitätsminderung und stromale Narben) verursachen, wenn der Abschuss aus kurzer Distanz und mit einer hohen Austriebswucht vorgenommen wird. Dies ist der Fall insbesondere beim Einsatz sogenannter pyrotechnischer Handabschussgeräte. Im Hinblick auf konventionelle Sprühdosen heben die Autoren jedoch ausdrücklich hervor, dass der Sprühnebel bzw. -strahl (wobei auf einen Sprühstrahl nicht ausdrücklich Bezug genommen wird – es wird vielmehr von „Sprühnebel“ bzw. von „konventionellen Sprühgeräten“ gespro- 7 Vgl. etwa die Sicherheitsdatenblätter von DEF-TEC – Defence Technologie GmbH –, Sicherheitsdatenblatt MK-3 Pfefferspray 50ML (2008), Ziffer 4., im Internet abrufbar unter: http://www.deftec.de/fileadmin/user_upload/Bilder/Datenblaetter_deutsch/MK-3.pdf; ERAMEX Aromatics GmbH, Sicherheitsdatenblatt für das Produkt Capsicum Oleoresin 6,6 % (2004), Ziffer 4., im Internet abrufbar unter: http://new.eramex.com/fileadmin/templates/sdb/SDB_Capsicum_Oleoresin_6k6p.pdf 8 Menzel, Michael/Hartmann-Schreier, Jenny (2008), Capsaicin, in: Thieme RÖMPP Online, Online-Enzyklopädie für Chemie, unter Eingabe des Begriffes „Capsaicin“ im Internet abrufbar unter: http://www.roempp.com/prod/ Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 – 3000-175/10 Seite 7 chen) in der Regel zwar eine Reizung, nicht aber – wie bei der Verwendung von Handabschussgeräten – eine persistierende Schädigung der Hornhaut hervorruft.9 5. Indirekte Gesundheitsgefahren 5.1. Indirekte gesundheitliche Gefahren für Personen unter Einfluss von Drogen und Psychopharmaka Indirekte gesundheitliche Gefahren beim Einsatz von Pfefferspray bestehen insbesondere für solche Personen, die unter Drogeneinfluss stehen oder Psychopharmaka eingenommen haben. So beschrieb das US-amerikanische Justizministerium im Jahre 2003 zahlreiche Todesfälle im Zusammenhang mit dem Einsatz von Pfefferspray (insbesondere) gegen (inhaftierte) Personen, die unter unmittelbarem Drogeneinfluss standen.10 Nach Angaben von Spiegel-Online ereigneten sich im Jahre 2009 in Deutschland mindestens drei Todesfälle nach einem Polizeieinsatz mit Pfefferspray. Alle Todesopfer standen während der Exposition mit Pfefferspray unter dem Einfluss von Drogen oder Psychopharmaka.11 5.2. Indirekte gesundheitliche Gefahren für Asthmatiker, Allergiker und Personen mit labilem Blutdruck Eine erhöhte Gefahr indirekter gesundheitlicher Folgen besteht schließlich auch bei Asthmatikern , Allergikern und bei blutdrucklabilen Personen bzw. bei arterieller Hypertonie.12 Gemäß der bereits genannten Studie des US-Justizministeriums resultierten zwei Todesfälle im Zusammenhang mit dem Einsatz von Pfefferspray aus der Kombination von eingesetztem Pfefferspray und – im Nachhinein festgestelltem – Asthma bzw. einer anderen Atemwegserkrankung. Obgleich in einem Fall unklar blieb, wie die Auseinandersetzung im einzelnen vonstatten ging und wie viel Pfefferspray gegen das Opfer eingesetzt wurde, stellte sich bei der Autopsie des Opfers ein Zusammenhang zwischen Asthma und dem Einsatz von Pfefferspray heraus. Bei dem zweiten Todesopfer wurden zwar keine Anzeichen von Asthma gefunden; die Autopsie ergab 9 Kniestedt, Christoph/Fleischhauer, J./Stürmer, Jörg/Thiel, M. A. (2005), Pfeffersprayverletzungen des vorderen Augensegments, in: Klinisches Monatsblatt für Augenheilkunde 2005, 222: S. 267-270, im Internet abrufbar unter : https://www.thieme-connect.com/ejournals/pdf/klimo/doi/10.1055/s-2005-857978.pdf 10 Hierzu ausführlich Ashcroft, John/Daniels, Deborah J./Hart, Sarah V. (2003), U.S. Department of Justice – Research for Practice –, The Effectiveness and Safety of Pepper Spray, im Internet abrufbar unter: http://www.ncjrs.gov/pdffiles1/nij/195739.pdf 11 Vgl. Spiegel-Online, Todesfälle nach Pfefferspray-Einsatz – Mögliche Wechselwirkung mit Drogen –, Artikel vom 26. Dezember 2009, im Internet abrufbar unter: http://www.spiegel.de/panorama/justiz/0,1518,668996,00.html 12 Vgl. etwa Buetzer, Peter, Capsaicin – Some like it hot! –, Einführung, im Internet abrufbar unter: http://www.buetzer.info/fileadmin/pb/HTML-Files/Capsaicin.htm (letzter Abruf am 14. Oktober 2010), beigefügt als Anlage 2; Wright, Steve (2001), Pfefferspray “gefährdet die Gesundheit” – Vermarktung, Einsatz und gesundheitliche Risiken –, in: Bürgerrechte & Polizei/CILIP 69 (2/2001), (Druck-)S. 4, im Internet abrufbar unter: http://www.cilip.de/ausgabe/69/pepper.htm Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 – 3000-175/10 Seite 8 jedoch, dass das Opfer im Vorfeld der Exposition an einer Atemwegerkrankung litt, die in Kombination mit dem Reizstoff zu einem tödlichen Bronchospasmus geführt haben könnte.13 13 Ashcroft, John/Daniels, Deborah J./Hart, Sarah V. (2003), U.S. Department of Justice – Research for Practice –, The Effectiveness and Safety of Pepper Spray, S. 9-10, im Internet abrufbar unter: http://www.ncjrs.gov/pdffiles1/nij/195739.pdf