Zahlen zur Gesundheitspolitik - Dokumentation - © 2006 Deutscher Bundestag WF IX G - 159/06 Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages Zahlen zur Gesundheitspolitik Dokumentation WF IX G - 159/06 Abschluss der Arbeit: 19.09.2006 Fachbereich IX: Gesundheit, Familie, Senioren, Frauen und Jugend Hinweise auf interne oder externe Unterstützung bei der Recherche bzw. Abfassung des Textes Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Die Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste sind dazu bestimmt, Mitglieder des Deutschen Bundestages bei der Wahrnehmung des Mandats zu unterstützen. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Diese bedürfen der Zustimmung des Direktors beim Deutschen Bundestag. - Zusammenfassung - In den letzten 100 Jahren ist die durchschnittliche Lebenserwartung linear um ca. 2,5 Jahre pro Dekade gestiegen. Zusammen mit dem starken Rückgang der Geburten führt dies zu erheblichen Problemen vor allem im Bereich der Altersversorgung wie auch der Krankenversicherung und Pflegeversicherung. Absolut wird die Zahl der Pflegebedürftigen zunehmen, allerdings unterproportional zu der Zunahme der älteren Bevölkerung, wie die Aufsätze von Winter und Ziegler aufzeigen. Je höher das Bildungs- und/oder Einkommensniveau der betreffenden Personen ist, desto geringer fällt das Risiko einer möglichen Pflegebedürftigkeit aus. - 3 - Inhaltsverzeichnis Seite 1. Fakten 4 2. Winter 5 3. Weiland 14 4. Ziegler 21 5. BKK 22 6. Kosten 26 7. Anlagen 28 - 4 - 1. Fakten Fakten Im vergangenen Jahrhundert ist die fernere Lebenserwartung in Deutschland kontinuierlich gestiegen . Die fernere Lebenserwartung beschreibt, wie viele Lebensjahre eine 60-jährige Person im Durchschnitt noch vor sich hat. Im Jahr 1998/2000 konnten Männer im Durchschnitt noch 19,2 und Frauen noch 23,5 Lebensjahre erwarten. Der Anstieg der ferneren Lebenserwartung ist eine Herausforderung für die sozialen Sicherungssysteme . Da es sich bei den über 60- Jährigen zum Großteil um Rentenbezieher handelt , hat der Anstieg der ferneren Lebenserwartung eine verlängerte Bezugsdauer der Renten und damit steigende Rentenausgaben zur Folge. Der Anstieg der Lebenserwartung in Verbindung mit der anhaltend niedrigen Geburtenrate hat die Alterung der Bevölkerung und damit einen demografischen Umbruch zur Folge. Die Vorausberechnungen des Statistischen Bundesamtes zeigen , dass sich die fernere Lebenserwartung weiter erhöht: Im Jahr 2050 können Männer im Alter von 60 Jahren durchschnittlich noch 23,7 und Frauen 28,2 weitere Lebensjahre erwarten. Datenquelle Statistisches Bundesamt, 10. Koordinierte Bevölkerungsvorausberechnung Begriffe, methodische Anmerkungen oder Lesehilfen Zu unterscheiden ist zwischen der durchschnittlichen Lebenserwartung bei der Geburt, im Alter von null Jahren, und der ferneren Lebenserwartung , zum Beispiel im Alter von 60 Jahren. Die Summe aus erreichtem Alter und fernerer Lebenserwartung erhöht sich mit zunehmendem - 5 - Alter, da die Risiken, früh zu sterben, überwunden sind. Entwicklung der Lebenserwartung Fernere Lebenserwartung im Alter von 60 Jahren , Deutschland 1901 bis 2050 MännerFrauen 1901/1013,1 14,2 1932/3415,1 16,1 1949/5116,2 17,5 West-Deutschland 1960/6215,5 18,5 1970/7215,3 19,1 1980/8216,5 20,8 1991/9317,8 22,1 1996/9818,7 23,1 1998/0019,2 23,5 2035 22,7 27,1 Gesamt-Deutschland 2050 23,7 28,2 Quelle: Statistisches Bundesamt Stand: 11.2004 Quelle: http://www.bpb.de/wissen/YDGMRC,0,Entwicklung_der_Lebenserwartung.html 2. Winter Winter, Maik H.-J. Demographischer Wandel und pflegerische Versorgung im Alter: Zentrale Ressourcen und Herausforderungen Deutsches Ärzteblatt online, 10.03.2006, www.aerzteblatt.de/aufsaetze/0602 Internationale Erfahrungen zeigen, dass eine gezielte Pflegeprävention die Heimeinweisungsrate und die Zahl der Krankenhausaufenthalte nachhaltig reduzieren kann. Nach Max Frisch stammt das Gebot, das Alter zu ehren, aus einer Zeit, in der alte Menschen eine gesellschaftliche Ausnahme waren (1). Man mag dieser kritischen Einschätzung folgen oder auch nicht, fest steht: Niemals zuvor in der Menschheitsgeschichte wurde der Wunsch nach einem möglichst langen Leben so häufig zur individuellen und damit zur sozialen Realität: Seit Jahrzehnten wird die durchschnittliche Lebenszeit immer länger und die Gruppe alter Menschen immer größer. Altern der Gesellschaft: Die stille Revolution Altsein ist folglich nicht länger Einzelschicksal , sondern inzwischen ein Massenphänomen. Dies gilt insbesondere für das ho- - 6 - he Alter, denn die Anzahl der über 80- jährigen Bundesbürger hat in den letzten 47 Jahren um 275 Prozent zugenommen (2). Seit 1964 hat sich zudem die fernere Lebenserwartung 80-Jähriger nahezu verdoppelt und beträgt heute immerhin noch acht Jahre (3). Selbst die Ältesten der Alten werden immer mehr: Während Bundespräsident Lübke 1965 gerade einmal 224 Jubilaren zum 100. Geburtstag gratulieren konnte, sieht sich das Bundespräsidialamt aktuell mit etwa 4 000 dieser Jubilare konfrontiert, und weitere 7 000 Menschen sind sogar noch älter (4). Allen einschlägigen Prognosen zufolge schreitet diese stille Revolution in den nächsten Jahrzehnten weiter voran, und die Lebenserwartung nimmt pro Jahr um drei Monate zu (5). In Deutschland wird sich die Zahl der über 80-Jährigen bis 2050 verdreifachen, sodass dann immerhin mehr als jeder zehnte Bundesbürger (11,3 Prozent) dieser Altersgruppe angehört. Etwa 70 000 Menschen werden über 100 Jahre alt sein, im Jahr 2065 sogar 115 000, das heißt zehnmal mehr als heute (2, 4). Insgesamt erwartet die Mehrzahl der heute Erwachsenen und vor allem der Kinder eine bislang nie da gewesene Lebensspanne: Die Hälfte der bereits 60- Jährigen hat gute Chancen, mindestens 88 Jahre alt zu werden, die Mehrheit der 30- Jährigen kann mit mehr als 95 Jahren rechnen, und jedes zweite Neugeborene wird voraussichtlich die ersten Jahre des nächsten Jahrhunderts erleben (6, 7). Potenziale des Alters Altern heute scheint aber weit mehr zu sein, als rein quantitativer Fortschritt. So gibt es ernstzunehmende Hinweise darauf, dass medizinisch-technische Entwicklungen zusammen mit verbesserten Lebensbedingungen die körperliche und geistige Vitalität im Alter steigern. Wie sonst ist es erklärbar, dass der psychophysische Gesundheitszustand eines aktuell 70-Jährigen im Durchschnitt demjenigen eines 65-Jährigen vor 30 Jahren entspricht, dass nach der deutschen Wiedervereinigung vor allem die Lebenserwartung der hochaltrigen Ostdeutschen schnell auf das Niveau der alten Bundesländer gestiegen ist, dass 60-Jährige bei Marathonläufen heute nicht selten die Spitzenwerte der Olympioniken von vor 70 Jahren erreichen, dass 37 000 Rentner in Deutschland studieren und fast ein Viertel der Älteren das Internet nutzt (3). Die verlängerte Lebenszeit geht also, wenn auch nicht in allen, so doch in vielen Fällen mit einem Gewinn an Lebensqualität sowie an „gesunden Jahren“ einher. Fragt man die Betroffenen selbst, so geben rund 80 Prozent aller über 60-Jährigen an, keine gesundheitlichen Beschwerden zu haben (8). Jeder zweite Mann und zwei von fünf Frauen sind mit ihrer Gesundheit sehr zufrieden oder zufrieden, selbst wenn sie bereits zwischen 70 und 79 Jahre alt sind. Zwei Drittel der über 70- Jährigen meinen, gesünder zu sein als ihre Altersgenossen, und ebenso viele sind der Ansicht, ihr Leben selbstbestimmt und unabhängig zu gestalten. Andere Erhebungen zeigen, dass der größere Teil alter Menschen auch seine sozialen Beziehungen, seine finanzielle Situation sowie das Leben insgesamt überwiegend positiv bewertet. Tendenziell ist das Selbstbild im Alter eher aktivitätsbetont als vom Nichtstun gekennzeichnet. So machen beispielsweise 40 Prozent aller über 70-Jährigen mindestens einmal pro Jahr eine längere Reise und auch jenseits von 85 Jahren orientiert sich das Leben mehr an der Gegenwart als an der Vergangenheit (9, 10). Einerseits gibt es also gute Gründe, das Altern der Gesellschaft als zivilisatorische Errungenschaft anzuerkennen und als solche zu begrüßen; erweist es sich doch für den Einzelnen, aber auch für das Gemeinwesen an vielen Stellen als Zugewinn. Dabei ist das umfängliche ehrenamtliche Engagement Älterer nur ein Beleg für ihre ungebrochen hohe Bereitschaft, andere Menschen instrumentell, finanziell und emotional zu unterstützen . Jährlich erbringen Rentner in Familie und Ehrenamt Leistungen im Umfang von mehreren Milliarden Euro. Alles freiwillig und alles kostenfrei. Dabei ist davon auszugehen, dass zahlreiche Leistungen für die Allgemeinheit ohne dieses kostenfreie Engagement kaum aus staatlichen Mitteln finanzierbar wären und folglich entfielen. - 7 - Andererseits ist das Alter eines der letzten gesellschaftlichen Tabus und wird nach wie vor als Bedrohung oder Last erlebt. Infolgedessen trägt unser Umgang mit dem eigenen Altwerden, aber auch mit der Gruppe der Alten vielfach paradoxe Züge Paradoxien im Umgang mit dem Alter(n) Die meisten von uns wollen zwar möglichst lange leben, aber keiner will alt sein. In der alternden Gesellschaft ist inzwischen eine boomende Anti-aging-Industrie entstanden, deren Produkte sich einer wachsenden Nachfrage erfreuen. Seit kurzem kann man auch in den ersten deutschen Fußgängerzonen nicht nur einen „coffee to go“ bekommen, sondern ebenso „botox to go“ erwerben. Gleichzeitig gelten alte Menschen als schwierige Kunden, vor allem dann, wenn sie so genannten altersgerechten Erzeugnissen oder Dienstleistungen eine Absage erteilen und sich so dem Stigma entziehen, alt zu sein. Die Autorin Elisabeth Niejahr sieht in diesem Verhalten sowie in der Tatsache, dass sich die meisten Älteren deutlich jünger fühlen, gar Anzeichen für einen umfassenden Realitätsverlust in der alten Bevölkerung. Demnach ist die Auseinandersetzung mit dem Alter häufig von Selbstbetrug geprägt und beispielsweise die Wohnsituation alter Menschen eher vom Glauben an die individuelle Selbstständigkeit gekennzeichnet als durch ihr tatsächliches Vorhandensein (11). Wer ehrlich ist, kommt, wie schon Max Frisch, nicht umhin zuzugeben, dass in Verbindung mit dem Alter, wenn überhaupt, überwiegend das „Noch“ betont und gepriesen wird: Da hat sich jemand trotz seiner Jahre noch gut gehalten, ist trotz seines Alters noch recht gut beieinander oder noch bei guter Gesundheit. Weitaus seltener werden hingegen Vorzüge oder Zugewinne des Alters bemerkt (1). Ähnliches gilt für weite Teile der Politik, Medien sowie der Wirtschaft. Nach jahrzehntelanger Ignoranz (7) wird die Alterung der Bevölkerung hier nunmehr als „Deformation “ und „Veralterung“ der Gesellschaft, als „Methusalem-Komplott“ oder „demographische Zeitbombe“ wahrgenommen (12, 13, 4). Die daraus resultierenden Reaktionen sind ebenfalls nicht frei von teils auffälligen Widersprüchen: Während zum Beispiel das Renteneintrittsalter erhöht wird, verharrt die Quote älterer sowie nachberuflicher Arbeitnehmer in Deutschland auf dem weltweit fast niedrigsten Niveau (2, 14), und während es einer kleinen Gruppe von – vor allem – Männern jenseits des 65. Lebensjahres gelingt, Schlüsselpositionen in Politik und Wirtschaft beizubehalten, haben 70-Jährige bei einigen Geldinstituten, trotz Sicherheiten, bereits Schwierigkeiten, einen Kredit zu erhalten (11), während Deutschland bereits heute den dritthöchsten Anteil über 60- Jähriger und die viertälteste Bevölkerung der Welt aufweist (2), bleiben die Ausgaben für Demographie-, Alters- und Versorgungsforschung hinter allen internationalen Standards zurück; während die Generation der Babyboomer die Gruppe der Alten in absehbarer Zeit deutlich vergrößern wird, ist es bisher weder gelungen, ein tragfähiges Gesellschaftskonzept der Zukunft zu entwickeln und einen Schutz vor Altersdiskriminierung zu etablieren noch die Geburtenraten zu steigern sowie gezielte Zuwanderung zu befördern (11, 7). In Bezug auf die sozialen Sicherungssysteme fällt auf, dass ihre Zukunftsfähigkeit vorrangig unter dem Aspekt der Belastungen durch die steigende Zahl alter Menschen diskutiert wird. Gleichzeitig geht jedoch eine der Hauptgefährdungen dieser Systeme von der angespannten Arbeitsmarktsituation und der eklatanten Schrumpfung der jungen Bevölkerung aus. Die Geburtenzahlen in Deutschland befinden sich seit Jahren im freien Fall, sodass sich innerhalb einer Generation die Zahl der Nachkommen inzwischen halbiert. Jüngste Umfragen verdeutlichen, vor allem unter jungen Männern, einen noch geringer ausgeprägten Kinderwunsch als bereits vermutet. Zumindest in dieser Hinsicht sind eher die heute Jungen dabei, den Generationenvertrag aufzukündigen als die Alten. Das immer wieder beschworene Horrorszenarium eines drohenden Krieges der Generationen ist allerdings wissenschaftlich kaum belegbar. Im Familienverband - 8 - jedenfalls scheint das Miteinander der Generationen zu funktionieren, und die Alten sind dabei keineswegs nur Hilfeempfänger: Im Durchschnitt verschenkt zum Beispiel jeder Rentner pro Monat 300 Euro an seine Kinder oder Enkel, und auch noch fast jeder Dritte über 70-Jährige überlässt seinen Nachkommen diese Summe. Insgesamt schenken über 65-Jährige ihren Kindern heute fünfmal so viel Geld wie sie von ihnen zurückgeschenkt bekommen und werden bis 2010 rund 2,2 Billionen Euro vererben. Darüber hinaus betreuen mehr als drei Viertel der 69-Jährigen und Jüngeren ihre Enkelkinder und selbst unter den 79- bis 85-Jährigen sind es 16 Prozent. Schließlich werden immer noch 90 Prozent aller gegenseitigen Hilfen in der engeren Verwandtschaft erbracht (10, 2, 3). Die Kritik an der geringen Wahrnehmung der Potenziale des Alters kann allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass eine Gesellschaft des langen Lebens mit zahlreichen Risiken konfrontiert ist. Risiken des langen Lebens Die allgemeine Lebenszeitverlängerung erhöht unweigerlich die Möglichkeiten einer Manifestation vormals latenter chronischer Krankheiten und lässt degenerative Prozesse an Bedeutung gewinnen. Jeder fünfte über 65- Jährige leidet an einer dauerhaften Krankheit oder Behinderung und fast immer, wenn es nach dem 65. Lebensjahr zu einer Erkrankung kommt, ist diese chronischer Natur (15, 16). Mit steigendem Alter ist das Krankheitsgeschehen zudem durch das Phänomen der Multimorbidität gekennzeichnet, denn jeder dritte über 70-Jährige hat fünf verschiedene Erkrankungen (10) und somit ein deutlich erhöhtes Risiko, funktionell erheblich beeinträchtigt zu sein. Zugleich gelingt es offenbar immer besser, das Auftreten starker gesundheitlicher Belastungen in das hohe Alter zu verschieben, sodass die Risiken des langen Lebens vor allem jenseits des achten Lebensjahrzehntes kumulieren. Die Pflegequote im Alter liefert dafür einen eindrucksvollen Beweis; zeigt sie doch zunächst, dass bereits heute mehr als ein Drittel der rund zwei Millionen Leistungsempfänger 85 Jahre alt sind oder älter. Darüber hinaus gelten gerade einmal 2,8 Prozent aller 65- bis 70-jährigen Bundesbürger als pflegebedürftig im Sinne des Gesetzes. Unter den 80- bis 85-Jährigen trifft dies hingegen auf jeden fünften (20 Prozent) zu und bei den über 95-Jährigen sogar auf 55 Prozent. Bei sehr alten Menschen nimmt zudem die Schwere der Pflegeabhängigkeit tendenziell zu, das heißt, in den höheren Altersjahrgängen werden häufiger die Pflegestufen II und III vergeben. In diesem Kontext ist zu bedenken, dass die Anzahl der über 80-jährigen Pflegebedürftigen kontinuierlich zunimmt. Seit 1999 ist beispielsweise allein die Gruppe der 80- bis 85-jährigen Leistungsempfänger um 22 Prozent gewachsen (17). Insgesamt stellen alte Frauen und Männer eine zunehmend bedeutsamer werdende Nutzergruppe von Gesundheits- und Pflegeleistungen dar. Folglich kommt es, neben der Pflege, auch in allen anderen Leistungsbereichen inzwischen zu einer Geriatrisierung des Systems. Derzeit dienen zum Beispiel bereits zwei von fünf Krankenhausbetten der Behandlung älterer Menschen (18), und fast die Hälfte aller ambulanten Arztkontakte entsteht durch die Gruppe der über 60-Jährigen (19). In Bezug auf die Pflegeversicherung gehen alle einschlägigen Prognosen, wenn auch in unterschiedlichem Maß, von einem weiteren Anstieg der Leistungsempfänger aus, sodass in den nächsten 25 Jahren die Dreimillionengrenze überschritten werden könnte (17). Angesichts solcher Entwicklungen lässt der Blick in die einzelnen Pflegesektoren sehr schnell erkennen, dass die Akteure der pflegerischen Versorgung an vielen Stellen nur unzureichend auf die Alterung der Bevölkerung vorbereitet sind. Dies gilt sowohl für die quantitativen Ressourcen der Pflege als auch für ihre Qualität. Familie Einerseits ist der größte Pflegedienst der Nation nach wie vor die Familie, denn die überwiegende Mehrheit der Pflegebedürftigen wird zu Hause betreut, fast die Hälfte - 9 - sogar ausschließlich durch Angehörige (17). Andererseits gibt es gute Gründe, die Tragfähigkeit dieser zentralen Ressource nicht zu überschätzen. Erstens kann nach gegenwärtigem Bevölkerungsstatus maximal ein Drittel aller Erwerbstätigen im Fall von Pflegebedürftigkeit mit der Unterstützung durch eigene Kinder rechnen (20). Veränderte Paarbeziehungen sowie das Phänomen der Patchwork- oder Einkindfamilien konfrontieren junge Menschen zudem immer häufiger mit mehreren gleichzeitig pflegebedürftigen alten Angehörigen. Zweitens geht der Anteil alter Menschen, deren Pflege ausschließlich auf dem Engagement von Angehörigen basiert, seit längerem spürbar zurück, und die Nachfrage nach professioneller Hilfe steigt (17, 20). Drittens lebt die Hochrisikogruppe für Pflegebedürftigkeit, das heißt über 80-jährige Frauen, zu mehr als zwei Dritteln allein, und die Alterung der Bevölkerung selbst setzt der familialen Pflege Grenzen. Zukünftig werden pflegende Angehörige, so überhaupt vorhanden, selbst immer älter und damit gesundheitlich beeinträchtigt sein. Viertens nehmen insbesondere die pflegerischen Bedarfslagen zu, die rein familiale Pflegemöglichkeiten vergleichsweise schnell erschöpfen, wie etwa im Fall demenzieller Erkrankungen (21). Über die Qualität der Pflege, die ausschließlich im Familienkreis erbracht wird, gibt es derzeit nur wenige wissenschaftlich fundierte Erkenntnisse. Bekannt ist, dass in den vorgeschriebenen Pflegeberatungseinsätzen durch professionelle Pflegekräfte häufig verwaltungsbezogene Probleme oder Fragen nach weiteren Leistungen der Pflegekasse im Vordergrund stehen. Des Weiteren zeigt es sich, dass drei Viertel aller pflegenden Angehörigen sich ihre Kenntnisse selbst beigebracht haben, 40 Prozent sich über Bücher informieren und 30 Prozent Tipps aus dem Bekanntenkreis erhalten. Lediglich zehn Prozent besuchen einen Pflegekurs, wobei eine solche Unterweisung vor allem dann als hilfreich erlebt wird, wenn sie als zugehende Maßnahme angeboten wird, das heißt in den eigenen vier Wänden stattfindet, sodass individuelle Gegebenheiten der Pflegesituation direkt berücksichtigt werden können. Fest steht ferner, dass eine alleinige Pflegeberatung Pflegemängel oder eine Vernachlässigung des Pflegeabhängigen oftmals nicht beheben kann, es jedoch nur in Extremfällen zu einer Unterbindung der, keinesfalls immer defizitfreien, familialen Pflege kommt. Von daher empfiehlt beispielsweise der Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen, über die Einführung weitergehender sanktionierender Maßnahmen nachzudenken (22). Ambulante Pflegedienste Zur Unterstützung pflegender Angehöriger oder zur vollständigen Sicherung der Pflege in der häuslichen Umgebung gibt es in Deutschland rund 11 000 ambulante Pflegedienste (17). Ihr Leistungsangebot wird insgesamt als recht homogen charakterisiert mit der Folge, dass in einigen Bereichen bereits regionale Überkapazitäten existieren; in anderen hingegen nach wie vor deutliche Versorgungslücken bestehen (22). Dabei gilt insbesondere die bedarfsgerechte gerontopsychiatrische ambulante Pflege hierzulande als gering ausgeprägt und führt zu nachweisbaren Defiziten in der Unterstützung demenziell Erkrankter (2). Die Befunde der ersten bundesweiten Studie zur Qualität der ambulanten Pflege verdeutlichen eine auffallend große Schwankungsbreite zwischen den einzelnen Diensten, die bereits auf struktureller Ebene beginnt. Demnach sind zwar zwei Drittel aller ambulant Pflegenden Fachkräfte, aber jeder vierte Dienst arbeitet überwiegend mit Hilfskräften (24). Die sozialgesetzgeberische Unterscheidung zwischen so genannter Grund- und Behandlungspflege führt dabei häufig zu dem Phänomen, dass Hilfskräfte die Pflege übernehmen und Fachkräfte sich auf die Mitwirkung bei der medizinischen Behandlung konzentrieren (25). Eine solche Ausgliederung direkter Pflegeleistungen aus dem Aufgabenspektrum des qualifizierten Personals ist jedoch keinesfalls zu rechtfertigen. Sie trägt mit dazu bei, dass es immer wieder zu erheblichen Mängeln in der grundpflegeri- - 10 - schen Versorgung kommt, etwa im Sinne einer Fehlernährung der Pflegebedürftigen oder der Dekubitusentwicklung (2). Tendenziell liefern kleinere Dienste offenbar eine bessere Qualität als große, und privat betriebene Unternehmen sind besser als die freigemeinnützige Konkurrenz. In Deutschland werden darüber hinaus ostdeutsche Pflegedienste besser bewertet als westdeutsche. Zentrale Qualitätsdefizite werden in der Kommunikation und Koordination der Arbeit gesehen, im Zeitmangel, in der Einsatzplanung, die in 30 Prozent der Fälle überhaupt nicht existiert, sowie bei der Realisierung des Pflegeprozesses. Mehr als jeder zweite ambulante Pflegedienst muss sich mit Beschwerden seiner Klienten auseinander setzen. Sie beklagen in erster Linie die Unpünktlichkeit der Pflegenden, den häufigen Personalwechsel , das geringe Zeitbudget sowie die mangelnde Sorgfalt und Freundlichkeit der Pflegenden (24). Dies ist umso beachtenswerter, da pflegewissenschaftliche Untersuchungen wiederum zeigen, dass vor allem die emotionale und soziale Unterstützung für Pflegebedürftige von großer Bedeutung ist; oftmals sogar von größerer Bedeutung als die Pflegeleistungen an sich (22). Die gesundheitspolitische Maxime „ambulant vor stationär“, die Einführung der DRGs im Krankenhaussektor sowie die zu erwartenden frühzeitigen Entlassungen von Krankenhauspatienten verweisen unter anderem auf einen steigenden Bedarf ambulanter pflegerischer Versorgung. Bereits heute bescheinigen Wirtschaftsexperten diesem Pflegebereich ein Wachstum von 50 Prozent bis 2020 und prognostizieren für 2050 56 Prozent mehr Pflegefälle (26). Demgegenüber zeigen andere Erhebungen, dass es in ambulanten Diensten etwa 16 000 freie Arbeitsplätze gibt, für die kein geeignetes Personal gefunden werden kann. Infolgedessen bezeichnet ein Drittel der Leitungen die Personalsituation in ihrem Unternehmen als angespannt (27). Aus Sicht ambulant Pflegender stellen wiederum Zeitdruck, die Versorgung Demenzkranker und Sterbender, teilweise aber auch die Monotonie der Arbeit sowie fachliche Unterforderungen die Hauptbelastungen dar (2). Altenheime Der dritte Versorgungsbereich Pflegebedürftiger, die stationäre Langzeitpflege, rückt derzeit immer stärker und in mehrfacher Hinsicht ins öffentliche, pflegefachliche und gesellschaftspolitische Bewusstsein: Erstens ist der Heimsektor seit mehreren Jahren durch eine beständige Expansion gekennzeichnet, sodass seit 1998 allein mehr als 1 000 neue Heime mit einem Versorgungsvertrag nach SGB XI entstanden sind und pro Jahr etwa 160 hinzukommen (17). Zweitens gehen verschiedene Prognosen übereinstimmend davon aus, dass die Nachfrage nach stationärer Langzeitpflege weiterhin steigen und in der Geschichte der Bundesrepublik nie gekannte Ausmaße annehmen wird. Berechnungen zufolge werden jährlich etwa 10 000 neue Heimplätze benötigt, und die Zahl der Bewohner wird bis 2020 um mehr als die Hälfte zunehmen (26). Drittens hat sich die Bewohnerschaft in letzten Jahren stark verändert, wobei insbesondere demenzielle Erkrankungen zugenommen haben. Infolgedessen ist der überwiegende Teil der Heime inzwischen zu Versorgungseinrichtungen für Demenzkranke geworden, in denen auch alte Menschen mit ausschließlich körperlichen Einbußen betreut werden (21). Viertens sind Altenheime, trotz nachweislicher Innovationen, aufgrund gravierender Betreuungsmängel in die Schlagzeilen geraten. Folglich sehen sie sich mit anhaltender Kritik konfrontiert bis hin zu Forderungen, sie langfristig aufzulösen (28). Begründet werden solche Forderungen auch damit, dass gesetzliche Vorgaben, wie die 50- prozentige Fachkraftquote und die Verpflichtung zur aktivierenden Pflege nach wie vor keine allgemeingültigen Standards sind und immer wieder unterlaufen werden. Bundesweit verfügen etwa 48 Prozent der Pflegenden in den Heimen über eine Fachausbildung (17). Allerdings zeigt ihr Anteil große regionale Unterschieden und fast jeder fünf- - 11 - te in der Pflege Tätige hat keinen Berufsabschluss oder ist Auszubildender (29). Die häufigsten Qualitätsdefizite sind die unzulängliche Umsetzung des Pflegeprozesses und eines Pflegekonzeptes sowie das Phänomen der passivierenden Pflege. Darüber hinaus werden auch hier die Dekubitusprophylaxe, Inkontinenzversorgung und der Ernährungszustand der Bewohner kritisiert (30). Angesichts der gewandelten Versorgungsbedarfe in den Heimen bleibt schließlich kritisch zu hinterfragen, inwieweit das praktizierte Modell der freien Arztwahl, nicht durch eine beständige medizinische Präsenz im Sinne eines 24-Stunden-Heimarztdienstes ergänzt werden sollte (2). Häufig übersehen wird schließlich die Tatsache, dass die stationäre Langzeitpflege wie kein anderer Pflegebereich zukünftig Chancen bietet, in spürbarem Umfang qualifizierte Arbeitsplätze zu schaffen. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) geht dabei von 160 000 zusätzlichen Stellen bis 2020 aus beziehungsweise weiteren 280 000 bis 2050. Die Erschließung dieses Potenzials ist unter anderem jedoch an einen Konsens über die weitere Finanzierung von Pflegebedürftigkeit gebunden sowie an eine deutliche Aufwertung pflegerischer Tätigkeiten (26), denn bereits heute existieren 14 000 zu besetzende Stellen in der stationären Altenhilfe (27). In diesem Kontext verweist auch die vierte Altenberichtskommission der Bundesregierung darauf, dass es vor allem in Großstädten immer weniger gelingt, qualifiziertes Personal für die Heime zu rekrutieren und hier bereits ein deutlicher Personalmangel besteht, der unter Umständen nicht auf den stationären Sektor beschränkt bleibt. Die Gründe dafür werden in einem Kontinuum negativer Effekte gesehen, das heißt, die belastenden Arbeitsbedingungen, (wie zum Beispiel hoher Zeitdruck, geringe individuelle Entwicklungsmöglichkeiten, ausgeprägte Organisationshierarchien, niedriger sozialer Berufsstatus sowie starke psychophysische Beanspruchungen) führen bei einem Teil der Mitarbeiter zu Überlastungen und so zum Bestreben, den Heimbereich schnellstmöglich zu verlassen. Zusammen mit den Rekrutierungsproblemen erschwert diese Tendenz wiederum die Arbeitssituation für das verbliebene Personal. Von daher wird empfohlen, den entstehenden Qualitätsdefiziten mit neuen Konzepten zu begegnen, die neben den Wohnstrukturen ebenso die Personal- und Bildungsstrukturen berücksichtigen (2). In den gesellschaftlichen Diskursen ist ein Leben im Heim nach wie vor Gegenstand unterschiedlichster Vorurteile und Stigmatisierungen. Dabei erscheint es vielfach als letzter Ausweg in einer vermeintlichen Katastrophe, in der das Schicksal, wenn nicht alle seine Drohung, so doch die meisten, auf einmal wahr gemacht hat. Solchen Vorstellungen gilt es insbesondere dort entgegenzutreten, wo sich zeigt, dass ein Umzug ins Heim auch Ausdruck einer selbstbestimmten Entscheidung sein kann und einem Verbleib in der ambulanten Pflege vorgezogen wird, vor allem dann, wenn sie als defizitär erlebt wird und einzig auf körperliche Bedürfnisse ausgerichtet ist. Zusammenfassend ist festzustellen, dass der demographische Wandel zweifelsohne das Gesundheitsniveau beziehungsweise das Krankheitsgeschehen im Alter verändert. Dieser Prozess wird sich auch in Zukunft fortsetzen, wobei es derzeit noch sehr schwierig ist, alle Konsequenzen verlässlich vorherzusagen, die er für den Einzelnen und für die Gesellschaft mit sich bringt. Ausblick Unabhängig davon dürfen wir indes sicher sein, dass die Alten der Zukunft andere sein werden als die heute Alten, denn die so genannten pflegenahen Jahrgänge (die 50- bis 60-Jährigen) unterscheiden sich deutlich von der Generation ihrer Eltern. Die jungen oder neuen Alten haben überwiegend andere Leben gelebt, verfügen über andere Bildungsabschlüsse , über andere finanzielle Ressourcen und werden unter Umständen andere Ansprüche an ihre pflegerische Versorgung stellen, vielleicht aber auch andere Mechanismen im Umgang mit gesundheitlichen Einbußen entwickeln, soziale Beziehungen anders gestalten und sogar bereit sein, größere Eigenleistungen in Bezug auf - 12 - ihre Versorgung zu erbringen. Sicher ist es auch, dass den immer lauter werdenden Forderungen nach einer stärkeren Steuerung des Versorgungsgeschehens hierzulande eine ausgesprochene Intransparenz der Versorgungsrealitäten in der Pflege gegenübersteht. Dabei scheitert eine Weiterentwicklung und Nutzbarmachung der (vergleichsweise jungen) Versorgungs- und Pflegeforschung für die Pflegepraxis in vielen Fällen weniger am Mangel an wissenschaftlicher Expertise als vielmehr an Fragen der Forschungsförderung. Ebenso sicher ist es aber heute bereits, dass der Pflegebedürftigkeit im Alter nachweislich vorgebeugt werden kann, wenngleich aktuelle Diskussionen um effektivere Präventionsmaßnahmen diese Tatsache häufig vernachlässigen. Der Sachverständigenrat des Bundesgesundheitsministeriums weist seit langem darauf hin, dass Pflege in Deutschland überwiegend den Charakter kompensatorischer Grund- und Behandlungspflege besitzt. Die präventiven Potenziale der Pflege spielen hingegen kaum eine Rolle. Internationale Erfahrungen, vor allem im skan-dinavischen Raum, zeigen jedoch, dass eine gezielte Pflegeprävention beispielsweise die Heimeinweisungsrate, Krankenhausaufenthalte und letztlich auch die Sterblichkeit nachhaltig reduzieren kann. Die größten Effekte wurden dort erzielt, wo Pflegeprävention als gemeindenahes und zugehendes Angebot stattfand, das heißt in Form von präventiven Hausbesuchen durch speziell geschultes Fachpersonal. Eine Stärkung der präventiven Möglichkeiten der Pflege würde allerdings voraussetzen, entsprechende Anreize dafür im System zu verankern (22). Bislang ist die Verzögerung von Pflegebedürftigkeit oder ihre Verbesserung durch Aktivierung aus Sicht der Leistungserbringer wirtschaftlich eher kontraproduktiv. Erschwerend hinzu kommen die starke Segmentierung des Systems, bei der Pflege an letzter Stelle rangiert , und die insgesamt große Unübersichtlichkeit des Leistungsangebotes. Sie stehen nicht nur den präventiven Möglichkeiten der Pflege entgegen, sondern auch den komplexen Bedarfen Pflegebedürftiger. Viel zu häufig noch führt eine mangelnde Versorgungskoordination in der Pflege zu vermeidbarer Inanspruchnahme vergleichsweise teurer medizinischer Leistungen (18). Eine der elementarsten Herausforderungen einer alternden Gesellschaft besteht jedoch in der Sicherstellung der personellen Ressourcen für die Pflege. Mehr denn je wird es in Zukunft deshalb darauf ankommen, zum einen eine ausreichende Anzahl junger Menschen für die medizinischen, pflegerischen und therapeutischen Berufe zu gewinnen. Selbst wenn die Ausbildungsnachfrage in diesen Bereichen ungebrochen sein mag, ist die personelle Versorgungslage in manchen Gegenden bereits besorgniserregend und einzig mit der Schaffung von 1-Euro-Jobs nicht zu beheben. Zum anderen wird es darum gehen müssen, den Nachwuchs auch adäquat zu qualifizieren und auf die veränderten Nutzerrealitäten vorzubereiten. Inwieweit die jüngst eingeleiteten Ausbildungsreformen in Medizin und Pflege dazu geeignet sind, den steigenden Bedarf an geriatrischgerontologischer Expertise zu vermitteln, bleibt abzuwarten (31). Mit Spannung abzuwarten bleibt schließlich, wann es gelingt, den dringend notwendigen gesellschaftlichen Konsens darüber herzustellen, was zukünftig an pflegerischer Versorgung notwendig, wünschenswert und machbar sein wird. Hier sind alle Beteiligten gleichermaßen gefordert zu bekunden, auf welche Errungenschaften oder Privilegien der Vergangenheit sie bereit sind zu verzichten, welche sie für unentbehrlich betrachten und wie das Leistungsniveau der Zukunft gestaltet und finanziert werden kann. Ein zentraler Leitgedanke könnte dabei vom ehemaligen Bundespräsidenten Gustav Heinemann stammen, der sinngemäß gemeint haben soll: „In einer sich (schnell) verändernden Welt, kann nur bewahren, wer zu ändern bereit ist. Wer nicht verändern will, wird (am Ende) auch das verlieren, was er bewahren wollte.“ - 13 - Literatur 1. Frisch M: Tagebuch 1966–1971. Frankfurt am Main: Suhrkamp 1979. 2. Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMSFSJ): Vierter Bericht zur Lage der älteren Generation in der Bundesrepublik: Risiken, Lebensqualität und Versorgung Hochaltriger – unter besonderer Berücksichtigung demenzieller Erkrankungen , Berlin 2002. 3. Kuenheim H v: Wie man in Deutschland alt wird. In: Sommer T (Hrsg.): Leben in Deutschland. Anatomie einer Nation. Köln: Kiepenheuer & Witsch 2004; 313–328. 4. Schirrmacher F: Das Methusalem-Komplott. München: Blessing 2004. 5. Oeppen J, Vaupel J: Broken Limits of Life Expectancy. Science 2002, Vol. 296, 1029–1031. 6. Vaupel J: Setting the Stage. A Generation of Centenarians? Washington Quarterly 2003; 23: 3, 197. 7. Vaupel J: Deutschlands größte Herausforderung. Wider die demografische Ignoranz: Unsere Lebensläufe und die unserer Kinder werden sich ändern, weil das Laben länger dauern wird. Frankfurter Allgemeine Zeitung 2004; 84: 41. 8. Statistisches Bundesamt: Pressemitteilung vom 29. September 2004: Vier von fünf ab 60 fühlen sich gesund. Wiesbaden 2004. 9. Robert Koch-Institut: Gesundheitsberichterstattung des Bundes, Heft 10: Gesundheit im Alter. Berlin 2002. 10. Mayer KU, Baltes PB: Die Berliner Altersstudie. Berlin: Akademie Verlag 1996. 11. Niejahr E: Alt sind nur die anderen. So werden wir leben, lieben und arbeiten. Berlin : Fischer 2004. 12. Miegel M: Die deformierte Gesellschaft – Wie die Deutschen ihre Wirklichkeit verdrängen . München, Berlin: Ullstein 2002. 13. Cirkel M, Hilbert J, Schalk C: Produkte und Dienstleistungen für mehr Lebensqualität im Alter. Expertise im Rahmen des fünften Berichtes zur Lage der älteren Generation des BMFSFJ. Gelsenkirchen: Institut Arbeit und Technik 2004. 14. Bertelsmann Stiftung/Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (Hrsg.): Erfolgreich mit älteren Arbeitnehmern. Strategien und Beispiele für die betriebliche Praxis. Gütersloh: 2003. 15. 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So bleibt mehr Zeit für die Enkelkinder , für eine aktive Freizeitgestaltung oder für ein stärkeres bürgerschaftliches Engagement . Die Verlängerung der Lebenserwartung bringt gleichzeitig einen demografischen Wandel mit sich. Der Anteil der Älteren an der Gesamtgesellschaft wird weiter zunehmen. So werden in Deutschland im Jahr 2050 fast 40 Millionen Menschen 60 Jahre und älter sein. Dies stellt für die Gesellschaft eine große Herausforderung dar. Aufgabe des Gesundheitssystems muss es sein, älteren Menschen möglichst lange ihre Mobilität zu sichern , damit sie ein selbständiges Leben führen können und nicht frühzeitig auf fremde Hilfe und Pflege angewiesen sind. So ließen sich langfristig auch die Pflegekassen entlasten . Gesund alt werden – eine Herausforderung für die Zukunft Mit zunehmendem Alter lässt meist auch die körperliche und geistige Mobilität nach, der Organismus wird anfälliger für Krankheiten. Andererseits sind ältere Menschen aufgrund ihrer langen Erfahrung oft aber besser in der Lage, die psychischen Anforderungen und Belastungen des Alltags zu bewältigen. Die Chancen für ein gesundes Altern werden durch eine präventive Gesundheitsvorsorge weiter erhöht. Diesen Ansatz verfolgt die BKK verstärkt mit gezielten eigenen Programmen. Gesundes Älterwerden ist aber nicht nur eine Frage der körperlichen Fitness. Wichtig für das Wohlbefinden im Alter sind gerade auch soziale Teilhabe und Aktivität. Prävention und Gesundheitsförderung können in dieser Lebensphase ein aktives, sinnerfülltes Leben unterstützen. Doch die Zielgruppe der Älteren wird von den bestehenden Angeboten bisher nur schwer erreicht. Eine erfolgreiche Gesundheitsförderung muss konkrete Maßnahmen anbieten, die an den spezifischen Problemen von Senioren ansetzen. Sie muss denjenigen entgegen gehen, die selber nicht mehr so gut gehen können, die nicht über das Wissen oder die Eigeninitiative verfügen, vorhandene Angebote zu nutzen. Mobilität fördern, Lebensfreude erhalten Die Betriebskrankenkassen stellen sich dieser Herausforderung im Rahmen der im Jahr 2003 vom BKK Bundesverband ins Leben gerufenen Initiative „Mehr Gesundheit für alle“. Die unter diesem Dach zusammengefassten Angebote der Gesundheitsförderung orientieren sich an der jeweiligen Lebenswelt der Betroffenen. Hier werden gezielt auch ältere Menschen angesprochen, die u.a. zu mehr altersgerechter Bewegung motiviert werden, damit sie möglichst lange aktiv ihr Leben genießen können. Bewegung regt nicht nur den Stoffwechsel an, beugt Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Osteoporose vor, sondern hilft auch bei Gelenkbeschwerden. Außerdem machen sportliche Aktivitäten geistig flexibler und fördern das allgemeine Wohlbefinden. Und Lebensfreude wiederum ist die beste Medizin für alte wie für junge Menschen. - 24 - Ältere Menschen leben oft allein. Fast die Hälfte der Haushalte, in denen über Sechzigjährige leben, sind Ein-Personen-Haushalte. Der Anteil nimmt im Alter weiter zu und ist bei Frauen aufgrund der Lebenserwartung erheblich höher als bei Männern. Oft haben sie wenig Kontakt zu Nachbarn und Bekannten und können sich kaum noch alleine versorgen. Wer in seiner Bewegungsfähigkeit eingeschränkt ist, wird so zunehmend auch aus dem sozialen Leben ausgeschlossen. Die Folge ist oft Einsamkeit. Einbußen bei der Gesundheit und eingeschränkte Selbständigkeit sind in drei Viertel der Fälle der Grund, weshalb ältere Menschen in ein Heim gehen. Eine Steigerung der körperlichen Mobilität ist daher ein aktiver Beitrag zu mehr Lebensqualität und Lebensfreude . Eine verbesserte Bewegungsfähigkeit beugt außerdem einem im Alter erhöhten Sturzrisiko vor. Ein Sturz hat zum Teil weitreichende Konsequenzen. Ein Fünftel derer, die sich im Alter eine schwere Sturzverletzung zuziehen, muss in ein Pflegeheim ziehen , weil die eigenständige Versorgung nicht mehr gewährleistet ist. Hier ist die Situation aber kaum besser. Etwa die Hälfte der Heimbewohner stürzt mindestens einmal im Jahr. Gefährdet sind vor allem Menschen mit Geh- und Gleichgewichtsstörungen, Muskelschwäche oder häufigen Schwindelanfällen. Bei den Projekten der Initiative „Mehr Gesundheit für alle“ kommt es darauf an, mit allen beteiligten Akteuren speziell auf die Betroffenen zugeschnittene Angebote zu erarbeiten . Dabei wird bewusst an vorhandene Strukturen angeknüpft. So können wertvolle Erfahrungen einbezogen sowie existierende Projekte weiterentwickelt und ausgeweitet werden. Langfristig sorgen die Projekte der BKK für mehr Mobilität und Lebensfreude im Alter. Sie tragen außerdem wesentlich dazu bei, dass das Gesundheitssystem finanzierbar bleibt und bilden so einen Beitrag zu mehr Generationengerechtigkeit. „Wir haben eine zunehmende Langlebigkeit, freuen wir uns darüber. Doch Langlebigkeit verpflichtet – jeden Einzelnen und die Gesellschaft – alles zu tun, um gesund und kompetent alt zu werden!“ Prof. Ursula Lehr, Bundesministerin a. D. „Prävention bedeutet auch Vermeidung von Pflegebedürftigkeit. Daher brauchen wir spezielle Angebote für Ältere.“ Wilhelm Schmidt, Bundesvorsitzender der AWO Die Visionäre. Gesund älter werden im Stadtteil Katernberg ist eine ehemalige Bergarbeitersiedlung im Norden Essens. Wie im gesamten Ruhrgebiet hat die Schließung der Zechen die Struktur des zuvor von der Montanindustrie geprägten Stadtteils stark verändert. Seit einigen Jahren leben hier fast nur noch ältere Menschen. Viele von ihnen sind Migranten, die zum Arbeiten nach Deutschland gekommen waren. Die ehemaligen Bergarbeiter sind in ihrem Stadtteil geblieben und dieser ist mit ihnen gealtert. Immer mehr Menschen können ihre Wohnungen kaum noch verlassen. Besorgungen im Laden um die Ecke oder ein Café-Besuch zum Plausch mit dem Nachbarn sind oft nicht mehr möglich. Viele sind daher im Alter sozial isoliert und gleichzeitig auf Hilfe von außen angewiesen. Die BKK Verantwortlichen wollen sich damit nicht abfinden. Sie stellen sich vor, wie es wäre, wenn aus Katernberg wieder ein lebendiger, sozialer Stadtteil würde, wo auch über Achtzigjährige ein selbstbestimmtes und aktives Leben führen können. Sie wünschen sich, dass Senioren ihre Nachbarn und Bekannten in der vertrauten Umgebung - 25 - treffen, gemeinsam spazieren gehen, plaudern und lachen könnten und so nicht nur körperlich fitter, sondern auch weniger einsam wären. Carsten Gräf, Projektleiter von „Gesund älter werden im Stadtteil“, hat sich seit dem eigenen Sportstudium Gesundheitsförderung zur Aufgabe gemacht. Und er weiß auch schon, wie er diese BKK Vision gemeinsam mit der Landesregierung NRW und gefördert durch die Robert Bosch Stiftung in die Tat umsetzen kann. Das Schwierigste ist, die älteren Menschen zu erreichen und zu mehr altersgerechter Bewegung wie Wandern , Walking oder Schwimmen zu motivieren. „Am wichtigsten ist es, die richtigen Leute an einen Tisch zu bringen, um diese gesamtgesellschaftliche Aufgabe zu lösen“, so Gräf. Eine Schlüsselposition in diesem innovativen Projekt haben die Stadtteil- und Quartiersmanager des Bund-Länder-Programms „Soziale Stadt“, das in NRW vom Ministerium für Bauen und Verkehr koordiniert wird. Diese Quartiersmanager können gezielt Ältere und sozial Benachteiligte in ihren Wohngebieten ansprechen. Durch die Zusammenarbeit mit Sportvereinen, Wohlfahrtsträgern und Ärzten werden so auch Menschen erreicht, die bisher nicht von der klassischen Gesundheitsförderung profitieren konnten. „Gesund älter werden im Stadtteil“ knüpft an vorhandene Initiativen in den Stadtteilen an und ruft neue ins Leben. Der speziellen Lebenssituation in unterschiedlichen Vierteln kann so Rechnung getragen werden. An dem Modellprojekt nehmen in NRW zunächst Stadtteile aus Essen, Duisburg, Gelsenkirchen, Hamm, Herne, Aachen, Wuppertal, Bergheim und Bottrop teil. Der Landessportbund NRW hat mit dem Programm „Mit Haltung in eine neue Lebensphase “ sehr gute Anregungen für die Gestaltung und langfristige Umsetzung des Projekts gegeben. Nun werden im gewohnten Umfeld vertraute Akteure und Strukturen miteinander vernetzt, um einen nachhaltigen Erfolg zu sichern. „Ältere Menschen sollen so lange wie möglich selbständig bleiben. Unser Kooperationsprojekt mit der BKK ,Gesund älter werden im Stadtteil‘ soll dazu einen entscheidenden Beitrag leisten.“ Oliver Wittke, Minister für Bauen und Verkehr NRW Die Mobilmacher. Sturzprävention in Altenheimen Im Garten und auf den Fluren des Altenheimes der Diakonie in Mönchengladbach sind erstaunlich viele Bewohner unterwegs. Und wenn wieder einmal ein Ausflug in die Region ansteht, sind auch die über Neunzigjährigen mit dabei. Viele Heimbewohner sind selbstbewusster geworden, weil sie wieder gelernt haben, sich sicher zu bewegen. Seit November 2004 nehmen sie an einem Projekt der Ärztekammer Nordrhein, des BKK Bundesverbandes und des BKK Landesverbandes Nordrhein-Westfalen zur „Sturzprävention in stationären Alten- und Pflegeheimen“ teil. Nahezu jeder zweite Heimbewohner stürzt mindestens einmal im Jahr. Eine Modellstudie des geriatrischen Zentrums Ulm/Alb-Donau hat gezeigt, dass ein spezielles Kraftund Balancetraining die Anzahl der Stürze um 40 Prozent und die Häufigkeit von Hüftfrakturen um etwa ein Drittel senken kann. Ein Pilotprojekt der BKK Bosch kann ähnliche Erfolge vorweisen. Weil sie „möglichst lange rüstig bleiben“ wolle, wie eine neunzigjährige Teilnehmerin erklärt, wird nun u. a. in Mönchengladbach einmal wöchentlich trainiert. Die Stimmung ist stets gut. Die Übungen mit Hanteln, Tüchern und Luftballons werden von rhythmischer Musik begleitet. Zusammen mit der Krankengymnastin Lydia Schwan sind die - 26 - Teilnehmer konzentriert bei der Sache. Gerne nutzen die Senioren aber auch die Gelegenheit , um sich vor und nach den Treffen auszutauschen, von ihren Enkelkindern oder von Neuigkeiten im Heim zu erzählen. Der damit verbundene Spaß ist ein kalkulierter Nebeneffekt. Die Teilnehmenden sind vor allem Frauen. Das liegt zum einen an der längeren Lebenserwartung , zum anderen sind Frauen häufiger von Osteoporose betroffen und haben daher schwerer unter Sturzfolgen zu leiden. Darum zeigt ihnen Lydia Schwan, wie sie Verletzungen durch das richtige Tragen von Hüftprotektoren vorbeugen können. Auch wenn einige zunächst noch skeptisch sind, können Betreuer und Ärzte die Betroffenen gemeinsam mit den Angehörigen jedoch meist überzeugen. Schließlich liegen die Erfolge auf der Hand. Eine Hamburger Studie belegt, dass bei Stürzen mit Protektoren das Risiko einer Hüftfraktur um 43 Prozent gesenkt werden kann. Das Projekt zur Sturzprävention erhöht dabei nicht nur die Selbständigkeit und Mobilität der Heimbewohner, sondern reduziert auch Kosten für die stationäre Behandlung und Pflege. Die jährlichen 120.000 Hüftfrakturen in Deutschland verursachen Behandlungskosten von rund einer Milliarde Euro. Etwa ein Fünftel der Gestürzten erlangt danach die volle Beweglichkeit nie mehr zurück. Aus Angst, erneut zu stürzen, verlieren viele an Selbstvertrauen. Der Pflegebedarf und mit ihm die gesellschaftlichen Folgekosten erhöhen sich weiter. Das Projekt zur Sturzprävention zeigt beispielhaft, wie sinnvoll sich Verbesserung der Lebensqualität und Wirtschaftlichkeit vereinbaren lassen. Die Seniorinnen und Senioren in Mönchengladbach kümmern sich derweil nicht um solche Rechenspiele. Sie erfreuen sich vielmehr einer neu gewonnenen Mobilität und planen schon den nächsten Ausflug ins Grüne. „Auch im Alter können und müssen Gesundheit und Selbständigkeit trainiert werden.“ Prof. Stefan Görres, Institut für angewandte Pflegeforschung, Universität Bremen Quelle: http://www.bkk.de/bkk/content/show.php3?id=1000000416&nodeid=747 6. Kosten Pflege kostet durchschnittlich über 176.000 Euro Das Pflegerisiko wird von den Deutschen unterschätzt. Ein heute 50-jähriger Mann hat eine durchschnittliche Lebenserwartung von 90 Jahren, eine Frau von 94 Jahren. Die Wahrscheinlichkeit pflegebedürftig zu werden, ist hoch: Sie liegt bei den 85 bis 90- Jährigen bei 38 Prozent, bei den über 90-Jährigen bei 61 Prozent. Bei Frauen ist das Pflegerisiko durch die höhere Lebenserwartung weit höher. An Demenz wird in diesen Altersklassen etwa jeder Dritte leiden. Pflege ist damit keine Ausnahmeerscheinung, sondern eher der Regelfall. Zu diesen Ergebnissen kommt die "Risikoanalyse Armutsfalle Pflege" vom Deutschen Ring. Damit einher gehen erhebliche Kosten: Mehr als 176.000 Euro sind es im Schnitt (durchschnittliche Pflegedauer: 53 Monate, Pflegestufe III). Davon trägt die gesetzliche Pflegeversicherung lediglich 75.000 Euro. Die verbleibenden rund 101.000 Euro sind aus dem eigenen Portemonnaie zu zahlen. Demenzkranke erhalten - so lang keine körperlichen Gebrechen vorliegen - gar keine Leistungen aus der gesetzlichen Pflegeversiche- - 27 - rung, so dass die gesamten 176.000 Euro aus eigener Kraft aufzubringen sind. Ein derartiger Betrag ist für die meisten Seniorenhaushalte kaum zu finanzieren. Menschen mit einem hohen Pflegerisiko - das heißt ab 85 Jahre - haben im Schnitt ein Vermögen von nur noch 34.000 Euro. Der Rest wurde bereits im Ruhestand aufgezehrt. Zwei von drei Senioren verfügen über ein Haushaltsnettoeinkommen von weniger als 2.700 Euro, so dass die Pflegekosten häufig nicht aus dem laufenden Einkommen bezahlt werden können. Neben der Weiterführung des eigenen Haushalts können sich 88 Prozent der Betroffenen keine häusliche Pflege leisten - selbst bei der Pflegestufe I, schon gar nicht bei der Pflegestufe III. In dieser Situation springt das Sozialamt ein, prüft dann aber, inwiefern enge Familienangehörige zur Pflegefinanzierung herangezogen werden können. 38 Prozent der vollstationär gepflegten Menschen sind sozialhilfeabhängig. Der Deutsche Ring bietet seit Juli 2006 eine Pflegerente an, mit der dieser Notstand verhindert werden kann. Private Pflegerente ermöglicht optimale Pflege und schützt Vermögen Daher hat u.a. die Deutscher Ring Lebensversicherungs-AG eine Pflegerentenversicherung speziell für Menschen entwickelt, die sich erst in der zweiten Lebenshälfte ihres Pflegerisikos bewusst werden. Die Versicherung für eine lebenslange Rente bei Pflegebedürftigkeit lässt sich im Alter zwischen 40 und 75 Jahren abschließen. Die Beiträge können wahlweise fortlaufend oder als Einmalbeitrag geleistet werden. Preisbeispiele: Für 1.000 Euro monatlicher Pflegerente im Modell Komfort zahlt ein 50jähriger Mann einen Monatsbeitrag von 40,42 Euro, eine gleichaltrige Frau für das Modell Elementar 36,65 Euro. Die RingPflegeRente zeichnet sich durch eine verbraucherfreundliche Definition der Pflegebedürftigkeit aus. "Denn als einziger Versicherer in Deutschland leisteten wir bei der Feststellung der Pflegebedürftigkeit nach einer von zwei unterschiedlichen Pflegedefinitionen ", erläutert Wolfgang Fauter, Vorstandsvorsitzender der Deutscher Ring Versicherungen. Für die Feststellung der Pflegebedürftigkeit genügt, dass eins der beiden Kriterien erfüllt ist: entweder nach der gängigen gesetzlichen Einstufung (Pflegestufen II und III) oder den international üblichen Activities of daily living (ADL). Die Einstufung muss nicht durch den medizinischen Dienst der Krankenkassen, sondern kann durch den Hausarzt erfolgen. Anders als in der gesetzlichen Pflegeversicherung ist die Pflegebedürftigkeit infolge Demenz im Modell Komfort mitversichert. Die Pflegerente kommt auch Familien zu Gute, die ihre Angehörigen daheim versorgen, denn entgegen der landläufigen Einschätzung ist auch die Pflege zu Hause sehr teuer. Besonders dann, wenn die pflegende Person auf eine Teilzeitstelle wechseln muss oder wenn Pflegedienste täglich zur Unterstützung hinzugezogen werden. Die Betreuung ist für die Angehörigen ein erheblicher Kraftakt - körperlich und seelisch. Vor allem, wenn die Pflegesituation über Jahre anhält oder geistige Verwirrung den Umgang mit dem Hilfsbedürftigen erschwert. Angesichts der demografischen Entwicklung ist fraglich, ob diese Betreuungsleistung von den Familien weiterhin erbracht werden kann: Bis zum Jahr 2030 steigt die Zahl der Pflegebedürftigen drastisch an, und die Zahl der 20- bis 64-jährigen potentiellen Beitragszahler sinkt. Dadurch wird sich die Zahl der Pflegebedürftigen bis zum Jahr 2030 nahezu doppeln. Dies wird dazu führen, dass immer seltener das Versprechen gegeben werden kann: "Oma, Du kommst nicht ins Heim. Wir sorgen für Dich." - vor allem dann, wenn die persönliche Pflegeleistung auch noch mit hohen finanziellen Bür- - 28 - den für den ambulanten Pflegedienst verbunden ist. Hier können die Menschen nun mit der Pflegerente vorsorgen und frühzeitig ihre Familie entlasten. Erschwerend kommt hinzu, dass die bisherigen Zuschüsse der gesetzlichen Pflegeversicherung mittelfristig unsicher sind. Die Ausgaben der gesetzlichen Pflegeversicherung vervierfachen sich bis zum Jahr 2030 auf 66 Milliarden Euro. Dies ergibt eine aktuelle Prognos-Analyse. Gerade Frauen sind von dieser Entwicklung besonders betroffen. Sie haben eine höhere Lebenserwartung und sind damit im Alter wesentlich öfter auf Pflege angewiesen. Gleichzeitig ist ihr monatliches Nettoeinkommen rund 20 Prozent niedriger als das gleichaltriger Männer. Sie sind damit einem höheren Pflegerisiko bei geringerem Einkommen ausgesetzt. Da 65 Prozent der über 75-Jährigen alleine leben - der Ehemann ist oftmals, nachdem er von der Frau gepflegt wurde, bereits verstorben - gibt es im Pflegefall keine Hilfe im direkten Umfeld. Wenn in dieser Situation nicht die Familie mit eigenem Engagement unter die Arme greift, müssen sehr schnell - kostenintensive - ambulante Pflegedienste beauftragt werden. Auf diese Hilfe wird oftmals zu lange verzichtet , weil das nötige Geld nicht verfügbar ist. Die Folge: Der Gesundheitszustand leidet, die Wohn- und Lebenssituation verschlechtert sich deutlich, und der Gang ins Heim erfolgt schneller als gewünscht, als es bei professioneller Pflege nötig gewesen wäre. Quelle: http://www.krankenkassenratgeber.de/news-details/krankenversicherung/pflegekostet -durchschnittlich-ueber-176.000-euro/2006-07-26/8712/?year=&month= 7. Anlagen Dateiname Inhalt SynopseZurPflegeversicherung.pdf Synopse zur Pflegeversicherung Zusammenhang-Einkommen- Lebenserwartung.pdf Lauterbach, K.W., Lüngen, M., Stollenwerk, B., Gerber, A., Klever-Deichert, Zum Zusammenhang zwischen Einkommen und Lebenserwartung