Deutscher Bundestag Frauenpolitische Implikationen der Finanz- und Wirtschaftskrise Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste © 2011 Deutscher Bundestag WD 9 – 3000-136/11 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 – 3000-136/11 Seite 2 Frauenpolitische Implikationen der Finanz- und Wirtschaftskrise Aktenzeichen: WD 9 – 3000-136/11 Abschluss der Arbeit: 19. Dezember 2011 Fachbereich: WD 9: Gesundheit, Familie, Senioren, Frauen und Jugend Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 – 3000-136/11 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Auswirkungen der Finanz- und Wirtschaftskrise auf den Arbeitsmarkt aus Perspektive der Geschlechter in Deutschland 4 2.1. Entwicklung der Arbeitslosigkeit und Erwerbstätigkeit von Frauen und Männern während der Finanz- und Wirtschaftskrise in Deutschland 5 2.2. Gründe für die unterschiedliche Betroffenheit der Geschlechter durch die Auswirkungen am Arbeitsmarkt aufgrund der Finanzund Wirtschaftskrise 8 2.3. Staatliche Maßnahmen zur Stützung des Arbeitsmarktes und deren Auswirkungen auf die Geschlechter 9 2.4. Meinungsbild zur unterschiedlichen Betroffenheit der Geschlechter aufgrund der Finanz- und Wirtschaftskrise in der Bevölkerung 9 2.5. Ausblick auf die weitere Entwicklung des Arbeitsmarktes unter Berücksichtigung von Geschlechteraspekten 10 3. Betroffenheit von Frauen durch die Finanz- und Wirtschaftskrise auf europäischer Ebene 11 4. Weitere Auswirkungen der Finanz- und Wirtschaftskrise aus frauenpolitischer Perspektive 12 5. Fazit 13 6. Literatur- und Linkverzeichnis 13 6.1. Literatur 13 6.2. Links 15 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 – 3000-136/11 Seite 4 1. Einleitung Viele Länder Europas befinden sich seit einigen Jahren in einer schwierigen wirtschaftlichen Lage . Ausgangspunkt dieser negativen Entwicklung war die im Frühjahr 2007 eingetretene Krise auf dem amerikanischen Immobilienmarkt, die sich zu einer internationalen Finanz- und Wirtschaftskrise ausgeweitet hat. In den Jahren 2008 und 2009 war in allen europäischen Ländern – einschließlich Deutschland – ein Rückgang der Wirtschaftsleistung und ein Anstieg der Arbeitslosigkeit zu verzeichnen. Anders als andere europäische Länder befindet sich Deutschland mittlerweile jedoch wieder in einem Aufschwung. Seit 2010 hat sich die Lage auf dem hiesigen Arbeitsmarkt ebenso wie die Wirtschaftsleistung positiv entwickelt. Auch für das kommende Jahr wird ein Wirtschaftswachstum erwartet. Insofern befindet sich Deutschland gegenwärtig nicht in einer Wirtschaftskrise. Anders sieht die Lage hingegen in weiten Teilen Europas – insbesondere in Südeuropa – aus. Hier hat sich die wirtschaftliche Lage in den vergangenen Jahren kontinuierlich verschlechtert und die Lage am Arbeitsmarkt hat sich weiter zugespitzt.1 Bei der Beantwortung der Frage, inwieweit sich die Finanz- und Wirtschaftskrise speziell auf Frauen ausgewirkt hat, ist insofern zwischen Deutschland und Europa zu unterscheiden. In Bezug auf Deutschland steht hierbei im Mittelpunkt, in welchem Maß die Geschlechter in den Jahren 2008 und 2009 vom Wirtschaftseinbruch betroffen waren, inwieweit sich der anschließende Aufschwung geschlechterspezifisch ausgewirkt hat und ob im Nachgang der Krise Auswirkungen speziell auf Frauen festzustellen waren bzw. ob mit diesen gerechnet werden muss. 2. Auswirkungen der Finanz- und Wirtschaftskrise auf den Arbeitsmarkt aus Perspektive der Geschlechter in Deutschland In der gesamten Europäischen Union (EU) wurden im Zuge der Finanz- und Wirtschaftskrise Arbeitsplätze in zum Teil großer Zahl abgebaut. Dies hat zu einem teilweise starken Anstieg der Arbeitslosigkeit geführt. Auch in Deutschland kam es in den Jahren 2008 und 2009 zu einem Abbau von Arbeitsplätzen. Allerdings fiel dieser im internationalen Vergleich insgesamt relativ gering aus und blieb unter den negativen Erwartungen.2 Während sich in vielen europäischen Ländern der Anstieg der Arbeitslosigkeit bis zum heutigen Tag fortgesetzt hat, konnte die negative Entwicklung in Deutschland gestoppt werden. Mittlerweile befindet sich der deutsche Arbeitsmarkt ebenso wie die deutsche Wirtschaft im Aufschwung. Ob und inwieweit Frauen und Männer vom Rückgang der Beschäftigung und Anstieg der Arbeitslosigkeit während der vergangenen Krise unterschiedlich stark betroffen waren, wird im Folgenden näher untersucht.3 1 Sofern tiefergehende Informationen zur Finanz-und Wirtschaftskrise gewünscht werden, wird empfohlen, sich mit einem entsprechenden Auftrag an den Fachbereich WD 4 – Haushalt und Finanzen – sowie den Fachbereich WD 5 – Wirtschaft und Technologie, Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, Tourismus – zu wenden. 2 BA (2011a), S. 5. 3 Sofern eine – über die folgende Darstellung hinausgehende – Betrachtung des Arbeitsmarktes gewünscht wird, empfiehlt sich die Erteilung eines entsprechenden Auftrags an den Fachbereich WD 6 – Arbeit und Soziales. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 – 3000-136/11 Seite 5 2.1. Entwicklung der Arbeitslosigkeit und Erwerbstätigkeit von Frauen und Männern während der Finanz- und Wirtschaftskrise in Deutschland Infolge der Finanzkrise war in den Jahren 2008 und 2009 in Deutschland eine Zunahme der Arbeitslosigkeit zu verzeichnen. Trotz des starken Wirtschaftseinbruchs4 betrug diese zwischen dem letzten Quartal 2008 und 2009 weniger als 0,5 Prozent. Dieser Wert war einer der niedrigsten in ganz Europa.5 Trotz dieser insgesamt relativ positiven Entwicklung – gemessen an den negativen Erwartungen und den Entwicklungen im europäischen Ausland – kam es zu einem Beschäftigungsabbau in der genannten Größenordnung. Nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit (BA) sank die Zahl der männlichen Beschäftigten seit Juni 2008 innerhalb eines Jahres um 234.000. Vom Abbau betroffen waren dabei insbesondere Beschäftigte im verarbeitenden Gewerbe sowie in der Zeitarbeit. In diesen Branchen waren auch Frauen vom Beschäftigungsabbau betroffen . 6 Betrachtet man die Entwicklung in den Bereichen Konstruktion und Produktion zwischen dem zweiten Quartal 2008 und dem zweiten Quartal 2010, lässt sich sogar feststellen, dass Frauen in diesen Branchen stärker vom Arbeitsplatzabbau betroffen waren als Männer.7 Auf den gesamten Arbeitsmarkt bezogen stieg die Zahl der beschäftigten Frauen im genannten Zeitraum jedoch um 157.000 an. Zurückzuführen ist dies auf einen Anstieg der Zahl der Beschäftigungsverhältnisse im frauendominierten Dienstleistungsbereich, vor allem im Gesundheits- und Sozialwesen , der den Rückgang der Beschäftigung im verarbeitenden Gewerbe und in der Zeitarbeit überkompensiert hat. Aufgrund dieser positiven Gesamtentwicklung der Arbeitslosenquote von Frauen ging der krisenbedingte Beschäftigungsabbau nach Ansicht der BA ausschließlich zu Lasten der Männer.8 Dieses eindeutige Fazit ist so jedoch nicht nachvollziehbar. Wie die BA selbst in diesem Zusammenhang richtigerweise festgestellt hat, waren auch Frauen vom Beschäftigungsabbau betroffen. Somit wäre die Zahl der insgesamt beschäftigten Frauen ohne diesen krisenbedingten Beschäftigungsabbau höher ausgefallen. Trotz der positiven Gesamtbilanz hinsichtlich der Zahl der weiblichen Beschäftigten bleibt daher festzuhalten, dass auch Frauen vom krisenbedingten Beschäftigungsabbau betroffen waren. Der durch die Finanz- und Wirtschaftskrise hervorgerufene Beschäftigungsabbau war jedoch nur vorübergehend und konnte bereits im Jahr 2010 gestoppt werden. So waren im Juni 2010 insgesamt 27,7 Mio. Menschen – und somit 253.000 mehr als vor der Finanz- und Wirtschaftskrise im Jahr 2008 – sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Auch die Gesamtzahl der erwerbstätigen Menschen erreichte im Jahr 2010 den höchsten bis dato je erreichten Wert. Jahresdurchschnitt- 4 Vergleiche hierzu Schambach (2010), S. 13. 5 Während in Polen, Österreich und Luxemburg die Arbeitslosenquote in demselben Zeitraum ebenfalls lediglich um 0,5 Prozent anstieg, betrug der Anstieg in anderen europäischen Ländern, wie zum Beispiel Estland, bis zu knapp 17 Prozent. Vergleiche hierzu Europarat (2011), S. 9f. 6 BA (2011a), S. 9. 7 Der Arbeitsplatzabbau hat ausgehend von sämtlichen weiblichen bzw. männlichen Beschäftigten prozentual mehr Frauen als Männer betroffen. Aufgrund des weit höheren Anteils männlicher Beschäftigter in diesen Branchen lässt sich die höhere Betroffenheit der Frauen jedoch nicht aus den absoluten Zahlen ablesen und spiegelt sich somit nicht in der Gesamtarbeitslosenzahl wieder. Vergleiche hierzu Leschke/Jepsen (2011), S. 16f. 8 BA (2011a), S. 9. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 – 3000-136/11 Seite 6 lich waren 40,5 Mio. Menschen erwerbstätig.9 Diese positive Entwicklung hat sich auch im Jahr 2011 fortgesetzt. So waren im Oktober 2011 circa 41,5 Mio. Menschen erwerbstätig.10 Vergleicht man die Arbeitslosenquote vom ersten Quartal 2010 mit der Quote des ersten Quartals 2008, so hat sich diese um 0,2 Prozent verringert.11 Der Beschäftigungsaufbau bei den sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungen kam dabei in Deutschland sowohl Männern als auch Frauen zugute, wobei bis zum Juni 2010 letztere in etwas höherem Maß von dieser Entwicklung profitierten . Die Zahl der männlichen Beschäftigten erreichte bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht wieder das Vorkrisenniveau, vielmehr waren 88.000 Männer weniger in Beschäftigung als vor der Krise.12 Betrachtet man hingegen die Entwicklung bis zum Ende des Jahres 2010, verschiebt sich dieses Bild etwas. So sank die Arbeitslosenzahl der Männer im Jahresverlauf 2010 um 10 Prozent . Die Frauenarbeitslosenzahl reduzierte sich hingegen nur um sechs Prozent. Ebenso wie die Männer stärker vom Beschäftigungsabbau betroffen waren, profitierten sie im Verlauf des Jahres 2010 stärker vom Aufschwung am Arbeitsmarkt. Dennoch lag die saisonbereinigte Arbeitslosigkeit bei Männern Ende des Jahres 2010 immer noch über dem Vorkrisenniveau. Die Arbeitslosigkeit der Frauen unterschritt Ende des Jahres 2010 den Vorkrisenwert.13 Im November 2011 war mit einer Arbeitslosenquote von 6,4 Prozent der niedrigste Novemberwert seit 1991 zu verzeichnen . Die Erwerbslosenquote beträgt derzeit 5,5 Prozent und liegt damit weit unter dem europäischen Durchschnitt von 10,3 Prozent. 14 Insgesamt waren nach den vorliegenden Daten Männer von den Auswirkungen der Krise am Arbeitsmarkt – zumindest unmittelbar und bis zum betrachteten Zeitpunkt – stärker betroffen, während sich die Lage für weibliche Beschäftigte während des bisherigen Krisenverlaufs insgesamt positiv entwickelt hat. Jedoch darf bei dieser Betrachtung die Tatsache, dass auch Frauen in einigen Branchen vom krisenbedingten Beschäftigungsabbau betroffen waren, nicht unberücksichtigt bleiben. Ohne diesen Verlust an Arbeitsplätzen wäre – unter der Annahme, dass der Beschäftigungszuwachs in den frauendominierten Branchen nicht durch die Krise verursacht wurde15 – die Arbeitslosenquote von Frauen noch stärker gefallen. Insofern vermittelt die insgesamt positi- 9 BA (2011a), S. 9. 10 Statistisches Bundesamt (2011b). 11 Damit ist Deutschland das einzige Land innerhalb der Europäischen Union, das im Jahr 2010 eine geringere Arbeitslosenquote aufweist als vor der Krise. Selbst in den Ländern, die einen ähnlich geringen Anstieg der Arbeitslosigkeit vom Jahr 2008 zum Jahr 2009 zu verzeichnen hatten wie Deutschland, konnte die Arbeitslosenquote nicht auf bzw. unter das Vorkrisenniveau gesenkt werden. Vergleiche hierzu Europarat (2011), S. 9f. 12 BA (2011a), S. 9. 13 BA (2011b), S. 17. 14 FAZ (2011). Zu Unterschieden zwischen der Arbeitslosen- und der Erwerbslosenquote vergleiche Statistisches Bundesamt (2011b). 15 Diese Annahme erscheint insofern gerechtfertigt, da stets von einer relativ geringen Beeinflussung der frauentypischen Branchen durch die Konjunktur ausgegangen wird. Dies nur auf einen möglichen Beschäftigungsabbau, nicht aber auf einen Zuwachs an Arbeitsplätzen zu beziehen, wäre aus Sicht der Verfasserin nicht nachvollziehbar . Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 – 3000-136/11 Seite 7 ve Entwicklung der Frauenarbeitslosigkeit auf den ersten Blick fälschlicherweise den Eindruck, Frauen wären von der Krise am Arbeitsmarkt nicht betroffen gewesen.16 Darüber hinaus ist im Hinblick auf die geschlechterspezifischen Auswirkungen der Finanz- und Wirtschaftskrise nicht nur die reine Arbeitslosenquote von Bedeutung. Vielmehr ist auch die Auswirkung der Krise auf die Gleichstellung der Geschlechter am Arbeitsmarkt interessant. Diesbezüglich ist ein genauerer Blick auf die Art des Beschäftigungsverhältnisses notwendig. So befindet sich die Hälfte aller Frauen in atypischen Arbeitsverhältnissen, wohingegen dies nur auf 20 Prozent der erwerbstätigen Männer zutrifft. Insgesamt sind 37 Prozent aller Beschäftigungsverhältnisse atypisch. Zu den atypischen Beschäftigungen zählen dabei Teilzeitbeschäftigungen, befristete Beschäftigungen und die sog. Leiharbeit. Nur in der letzten Kategorie übersteigt der Männeranteil mit 73 Prozent den Frauenanteil, wobei diese Beschäftigungsart insgesamt nur zwei Prozent der atypischen Beschäftigung ausmacht. Demgegenüber sind 84 Prozent der Teilzeitbeschäftigten und 75 Prozent der Mini- und Midijobber17 Frauen.18 Auch bei den befristeten Beschäftigungen sind Frauen überproportional betroffen.19 Atypische Beschäftigungen werden wie folgt beschrieben: Sie sind gekennzeichnet durch eine unterdurchschnittliche, teilweise prekäre, Entlohnung und eine schlechte Qualität der Beschäftigungsverhältnisse, verbunden mit einer geringen Planungssicherheit und einem hohem Arbeitslosigkeitsrisiko. Die Löhne seien häufig nicht armutsverhindernd und führten oftmals – wenn überhaupt – nur zu geringen Ansprüchen aus der Sozialversicherung bei Arbeitslosigkeit und Alter. Darüber hinaus bestünden Benachteiligungen für atypisch beschäftigte Männer und Frauen beim Zugang zu Beförderungen und höherer Qualifikation.20 Im Jahr 2008 seien knapp 50 Prozent der Teilzeitbeschäftigten weder geringfügig noch befristet beschäftigt und damit vollständig in die sozialen Sicherungssystem integriert gewesen.21 Die übrigen 50 Prozent sind demnach nur zum Teil über die sozialen Sicherungssys- 16 Unabhängig davon besteht zum Teil die Befürchtung, dass Frauen im Nachgang der Krise durch Sparmaßnahmen überproportional betroffen sein werden. Hierzu vergleiche Gliederungspunkt 2.5. 17 Bei den sog. Minijob handelt es sich um Beschäftigungen, für die maximal 400 Euro Entgelt im Monat gezahlt werden. Diese sind sozialversicherungsfrei. Die sog. Midijobs sind Beschäftigungen, für die ein Entgelt über 400 Euro gezahlt wird, das jedoch 800 Euro im Monat nicht übersteigt. Bei diesen sog. Gleitzonenfällen besteht zwar Sozialversicherungspflicht, allerdings bestehen Besonderheiten hinsichtlich der Beitragstragung. 18 Circa 32,2 Prozent der teilzeitbeschäftigen Männer und 18,4 Prozent der abhängig erwerbstätigen Frauen arbeiteten im Jahr 2010 in Teilzeit, weil eine Vollzeitbeschäftigung nicht zu finden ist. Auch wenn der prozentuale Anteil der unfreiwillig Teilzeitbeschäftigten bei den Männern deutlich höher war bei den Frauen, standen – aufgrund des weitaus höheren Frauenanteils bei den Teilzeitbeschäftigungen – 1.385.000 aufgrund fehlender Vollzeitstellen unfreiwillig teilzeitbeschäftigten Frauen lediglich 539.000 aus demselben Grund unfreiwillig teilzeitbeschäftigte Männern gegenüber. Darüber hinaus waren 47,6 Prozent bzw. 3.576.000 Frauen aus persönlichen oder familiären Verpflichtungen teilzeitbeschäftigt. Es ist davon auszugehen, dass ein Teil davon aufgrund mangelnder Betreuungsmöglichkeiten für Kinder oder pflegebedürftige Angehörige unfreiwillig teilzeitbeschäftigt war. Bei den Männern waren familiäre oder persönliche Verpflichtungen nur in 7,1 Prozent der Fälle ursächlich für die ausgeübte Teilzeittätigkeit. Vergleiche hierzu Statistisches Bundesamt (2011a), S.62ff. Zu weiteren Informationen bezüglich der Gründe für eine Teilzeitbeschäftigung vergleiche Statistisches Bundesamt (2009). 19 Kuhl (2010), S. 26. 20 So zum Beispiel Kuhl (2010), S. 26. 21 Wobei das geringe Einkommen auch für diese Personen mit Nachteilen zum Beispiel im Hinblick auf die Altersversorgung verbunden sein kann, insbesondere, wenn die Teilzeitbeschäftigung dauerhaft ausgeübt wird. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 – 3000-136/11 Seite 8 teme abgesichert. Darüber hinaus bestritten 60 Prozent der Teilzeitbeschäftigten den überwiegenden Lebensunterhalt aus der eigenen Erwerbstätigkeit.22 Der Anstieg der Erwerbstätigkeit bei Frauen während der Krise ist überwiegend auf einen Anstieg der Teilzeitbeschäftigungen zurückzuführen. Im ersten Quartal 2009 lag die Frauenerwerbstätigkeit insgesamt 1,7 Prozent über dem Vorjahreswert. Während jedoch die Zahl der Teilzeitbeschäftigungen von Frauen um 3,8 Prozent anstieg, konnte bei den Vollzeitbeschäftigungen lediglich ein Anstieg in Höhe von 0,6 Prozent festgestellt werden.23 Die Zahl der durchschnittlich geleisteten Wochenarbeitsstunden der erwerbstätigen Frauen sank von 28 Stunden im Jahr 2008 auf 27,3 Stunden im Jahr 2010. Auch bei den Männern kam es zu einer Reduzierung der durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitszeit von 38 auf 36,7 Stunden.24 Damit sank die Wochenarbeitszeit bei den Männern stärker, allerdings von einem wesentlich höheren Niveau ausgehend. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass es sich oftmals nur um eine vorübergehende Reduzierung der Arbeitszeit im Zusammenhang mit der Kurzarbeit handelt. Mit Ablauf der maximalen Bezugsdauer des Kurzarbeitergeldes von zwei Jahren wird die Arbeitszeit in den meisten Fällen wieder angehoben werden. Da der größte Teil der Kurzarbeiter männlich ist, wird dies zu einem Anstieg der durchschnittlichen Wochenarbeitszeit insbesondere bei den Männern führen.25 2.2. Gründe für die unterschiedliche Betroffenheit der Geschlechter durch die Auswirkungen am Arbeitsmarkt aufgrund der Finanz- und Wirtschaftskrise Den vorliegenden Zahlen zur Entwicklung des Arbeitsmarktes zufolge waren Männer von der Krise am Arbeitsmarkt in den Jahren 2008 und 2009 in stärkerem Maß betroffen als Frauen. Ursächlich hierfür war im Hinblick auf die Geschlechter der stark segregierte Arbeitsmarkt. So sind in bestimmten Branchen überwiegend Männer beschäftigt, während andere Wirtschaftsbranchen frauendominiert sind. Zu den typischen Männerbranchen zählen vor allem das Baugewerbe, der Bergbau, die Ver- und Entsorgungswirtschaft sowie das verarbeitende Gewerbe. Im Gegensatz dazu sind Frauen überwiegend in den Bereichen Gesundheit und Sozialwesen, in den sonstigen Dienstleistungen und privaten Haushalten, im Bereich Erziehung und Unterricht sowie in der öffentlichen Verwaltung vertreten.26 Die männerdominierten Branchen werden als konjunkturreagible Branchen betrachtet, in denen der Beschäftigungsstand stark vom Verlauf der Konjunktur abhängt. Auf diese Branchen wirken sich Einbrüche in der Konjunktur zuerst in Form eines Beschäftigungsabbaus aus. Bei den frauendominierten Branchen handelt es sich hingegen nach überwiegender Ansicht um weniger konjunkturreagible Branchen, die von Einbrüchen in der Konjunktur in wesentlich geringerem Maß betroffen sind.27 22 Vergleiche hierzu Statistisches Bundesamt (2009), S. 4. 23 Schambach (2010), S. 69. 24 Statistisches Bundesamt (2011a), S. 118. Einen Überblick über die Wirkung der einzelnen Konjunkturmaßnahmen aus Sicht der Geschlechter bieten Kuhl (2010) sowie Schambach (2010). 25 Vergleiche hierzu auch Schambach (2010), S. 47ff und S. 70. 26 Schambach (2010), S. 19 sowie BA (2011a), S. 10 27 BA (2011a), S. 3. Es wird jedoch befürchtet, dass Frauen von Sparmaßnahmen infolge der Krise überproportional betroffen sein werden. Vergleiche hierzu Gliederungspunkt 2.5. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 – 3000-136/11 Seite 9 2.3. Staatliche Maßnahmen zur Stützung des Arbeitsmarktes und deren Auswirkungen auf die Geschlechter Zur Stützung der Konjunktur wurden im Verlauf der Krise verschiedene Maßnahmen ergriffen, die zum Teil direkt auf die Stabilisierung der Beschäftigung ausgerichtet waren. Untersuchungen haben ergeben, dass die Konjunkturprogramme überwiegend den Branchen zu Gute gekommen sind, in denen hauptsächlich Männer beschäftigt sind.28 Dennoch kam es zu einem Rückgang der Beschäftigung in den geförderten männerdominierten Branchen, während die Beschäftigung in frauendominierten Branchen auch ohne stützende Maßnahmen zugenommen hat. Insofern ist der insgesamt moderate Rückgang der Beschäftigung in der Krise unter anderem auf die Entstehung neuer Beschäftigungsverhältnisse in frauendominierten und konjunkturunabhängigen Wirtschaftszweigen zurückzuführen, wobei es sich bei diesen ggf. um Teilzeit- und geringfügige Beschäftigungen handelt.29 2.4. Meinungsbild zur unterschiedlichen Betroffenheit der Geschlechter aufgrund der Finanzund Wirtschaftskrise in der Bevölkerung Einer Online-Erhebung des Projekts LohnSpiegel zufolge bestehen keine eindeutigen Unterschiede in der Krisenbetroffenheit von Männern und Frauen. Im Rahmen der Erhebung wurde nach den Auswirkungen der Krise auf die Zahl der Beschäftigten, die Höhe des Einkommens und die Arbeitsbedingungen gefragt. Hinsichtlich des letzten Punktes wurde dabei auf den Leistungsdruck , das Betriebsklima sowie die Aufstiegsmöglichkeiten abgestellt. Von Männern wurde dabei häufiger ein Belegschaftsabbau genannt als von Frauen. Auch negative Auswirkungen auf das Einkommen wurden von den Männern etwas häufiger konstatiert. Im Hinblick auf die Arbeitsbedingungen haben jedoch Frauen deutlich häufiger eine Verschlechterung angegeben.30 Einige Quellen sprechen davon, dass Frauen sich „eher als Gewinner der Krise“ sehen.31 In diesem Zusammenhang wird auf eine repräsentative Umfrage des Wissenschaftszentrums Berlin und des Instituts für angewandte Sozialwissenschaft verwiesen, die erstmalig im Jahr 2007 durchgeführt und im Jahr 2009 wiederholt wurde. Die gestellten Fragen bezogen sich dabei unter anderem auf die gefühlte Sicherheit bezüglich des eigenen Arbeitsplatzes, aber auch auf die Befürchtungen , die im Zusammenhang mit der Finanz- und Wirtschaftskrise bestehen. Befragt wurden diesbezüglich junge Frauen und Männer im Alter von 17 bis 29 Jahren. Im Jahr 2009 gab der überwiegende Teil der Befragten - 72 Prozent der Frauen und 76 Prozent der Männer und damit in etwa ebenso viele wie im Jahr 2007 – an, dass ihre Arbeitsstelle sicher sei. Dennoch fühlte sich ein Großteil der Männer (74 Prozent) und Frauen (86 Prozent) von Massenarbeitslosigkeit bedroht . Die diesbezüglich ermittelten Werte lagen deutlich über denen der ersten – vor der Krise durchgeführten – Umfrage. Darüber hinaus hatten mit 78 Prozent der Frauen sowie 67 Prozent der Männer die meisten der Befragten Angst vor den Folgen der Wirtschaftskrise. Mehr als drei Viertel der Befragten befürchteten, selbst arbeitslos oder arm zu werden. Frauen hatten häufiger 28 Vergleiche hierzu Schambach (2011), S. 64 ff, sowie Kuhl (2010), S. 45 ff. 29 Schambach (2010), Auf einen Blick. 30 Zu den Einzelheiten vergleiche Bispinck u.a. (2010), S. 9f. 31 Vergleiche hierzu zum Beispiel http://www.brigitte.de/gesellschaft/politik-gesellschaft/frauen-auf-dem-sprung- 2009-pm-1034513/ sowie http://www.sueddeutsche.de/karriere/folgen-der-wirtschaftskrise-kompromisslosefrauen -1.41001. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 – 3000-136/11 Seite 10 Angst vor Arbeitslosigkeit und Armut, jedoch teilte auch der überwiegende Teil der Männer diese Sorge. Insgesamt scheint der überwiegende Teil der Befragten eine Vielzahl an Sorgen im Zusammenhang mit der Finanz- und Wirtschaftskrise zu haben, obwohl der eigene Arbeitsplatz häufig als sicher empfunden wird.32 Möglicherweise beruht die Einschätzung, Frauen sähen sich als Gewinnerinnen der Krise, auf dieser festgestellten Diskrepanz zwischen der Einschätzung der persönlichen Situation und der Gesamtsituation.33 2.5. Ausblick auf die weitere Entwicklung des Arbeitsmarktes unter Berücksichtigung von Geschlechteraspekten Von der Krise auf dem deutschen Arbeitsmarkt in den Jahren 2008 und 2009 waren insbesondere männertypische Berufszweige und somit überwiegend Männer betroffen. Der Beschäftigungsstand von Frauen ist trotz Arbeitsplatzabbaus in einzelnen Branchen insgesamt auch während der Krise gestiegen. Insgesamt kam es zu einem Anstieg der Arbeitslosenquote. Wie zuvor dargestellt 34 wurde der krisenbedingte Arbeitsplatzverlust bereits wieder kompensiert. Von dieser Entwicklung haben zunächst die Frauen etwas stärker profitiert. Im Verlauf des Jahres 2010 hat sich diese Tendenz umgekehrt. Bezogen auf das gesamte Jahr 2010 sank die Arbeitslosenquote von Männern stärker als die der Frauen.35 Erwartet bzw. befürchtet wird jedoch zum Teil, dass die frauentypischen Branchen trotz der bereits erfolgten Erholung auf dem Arbeitsmarkt und der derzeit durchweg positiven Aussichten für die deutsche Wirtschaft mittelbar von der Finanz- und Wirtschaftskrise erfasst werden. Vertreter diese Ansicht argumentieren damit, dass aufgrund von Steuermindereinnahmen und nachlassender Binnennachfrage Sparmaßnahmen beim Staatshaushalt erforderlich seien. Dies sei bereits bei früheren Krisen der Fall gewesen.36 Allerdings ist hierbei zu beachten, dass der Einbruch von Steuereinnahmen und das Nachlassen der Binnennachfrage zum Teil mit einer steigenden Arbeitslosigkeit in Zusammenhang gebracht werden.37 Allerdings ist derzeit ein Absinken der Arbeitslosenquote in Deutschland feststellbar und ein Ansteigen der Arbeitslosigkeit wird in naher Zukunft nicht erwartet. Ein Absinken der Steuereinnahmen und der Binnennachfrage scheint somit ebenfalls nicht unmittelbar zu drohen. Dennoch darf im Zuge dieser Betrachtungen nicht vernachlässigt werden, dass die Krise mit steigenden Ausgaben und sinkenden Einnahmen verbunden war. Insofern erscheint es durchaus gerechtfertigt, für die Zukunft von einem erhöhten Spardruck auf die öffentlichen Haushalte auszugehen.38 Entsprechende Einsparungen würden sich insbesondere auf die öffentliche Verwaltung sowie den Bildungsbereich auswirken. Somit 32 Zu Einzelheiten vergleiche den Text der Studie, im Internet abrufbar unter http://www.thwildau .de/fileadmin/dokumente/familie/dokumente/brigitte-studie.pdf. 33 Da die befragten Männer ähnliche Angaben gemacht haben, würden sich dieser Argumentation zufolge dann auch die Männer als Gewinner der Krise ansehen. 34 Vergleiche hierzu Gliederungspunkt 2.1. 35 Inwieweit sich diese Entwicklung fortgesetzt hat und der Anteil der Männer an den neu eingestellten Beschäftigten weiterhin über dem der Frauen lag, ist nicht bekannt. 36 Vergleiche hierzu Schambach (2010), S. 69, 73 sowie Europäische Kommission (2010), S. 4, aber auch Leschke/Jepsen (2011), S. 17. 37 So Schambach (2010), S. 69. 38 Dies gilt insbesondere unter Berücksichtigung der im Grundgesetz verankerten Schuldenbremse. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 – 3000-136/11 Seite 11 wären Branchen betroffen, in denen überwiegend Frauen beschäftigt sind. Insofern könnte mit einem Anstieg der Frauenarbeitslosigkeit zu rechnen sein.39 Da für den Dienstleistungsbereich keine stützenden Maßnahmen geplant bzw. angekündigt sind, könnten im Ergebnis Frauen in stärkerem Maß betroffen sein.40 Hinzu kommt, dass es für Frauen nach einem Arbeitsplatzverlust schwieriger ist, eine neue Beschäftigung zu finden als für Männer. Das Risiko, keinen anderen Arbeitsplatz zu finden, ist für Frauen höher.41 Dies spiegelt sich auch in der Dauer der Arbeitslosigkeit wider, die trotz leichter Angleichung während der Krise bei Frauen im Durchschnitt fünf Wochen länger ist als bei Männern .42 3. Betroffenheit von Frauen durch die Finanz- und Wirtschaftskrise auf europäischer Ebene Wie bereits dargestellt, hat die Finanz- und Wirtschaftskrise in allen europäischen Ländern zu einem Anstieg der Arbeitslosigkeit geführt, der jedoch unterschiedlich stark ausfiel. Während in einigen Ländern – wie in Deutschland – eine relativ geringe Zahl an Beschäftigungsverhältnissen während der Finanz- und Wirtschaftskrise abgebaut wurde, kam es in anderen Ländern zu einem massiven Anstieg der Arbeitslosigkeit von bis zu mehr als 16 Prozent. Im Gegensatz zu Deutschland konnte bis zu Beginn des Jahres 2010 in keinem anderen europäischen Land die durch die Krise verursachte Arbeitslosigkeit abgebaut werden. 43 Insofern befindet sich Europa derzeit in einer Finanz- und Wirtschaftskrise. Nach Angaben der Europäischen Kommission hat die Krise in Europa bislang insbesondere die Industrie und das Baugewerbe und damit hauptsächlich männerdominierte Branchen schwer getroffen. Daher ist die Männerarbeitslosigkeit in wesentlich größerem Ausmaß gestiegen als die Arbeitslosigkeit von Frauen. Während die Arbeitslosenquote in der Europäischen Union bei Männern von 6,4 Prozent im Mai 2008 auf 9,3 Prozent im September 2009 angestiegen ist, stieg diese bei Frauen im selben Zeitraum ‚lediglich‘ von 7,4 Prozent auf 9 Prozent.44 Hierbei ist jedoch zu berücksichtigen, dass es sich zwar bei den Frauen um einen geringeren Anstieg gehandelt hat, die Arbeitslosenquote aber nur leicht unter der Quote der arbeitslosen Männer liegt, da vor der Krise deutlich mehr Frauen als Männer arbeitslos waren. Während zu Beginn der Krise die Arbeitslosenquote von Männern schneller als die der Frauen angestiegen ist, steigen die Quoten beider Geschlechter seit Ende 2009 bzw. Anfang 2010 in gleichem Tempo an. Zurückzuführen ist dies auf die Verlagerung der Krise auf Branchen, in denen ein ausgewogeneres Verhältnis zwischen weiblichen und männlichen Beschäftigten besteht. Nach Ansicht der Europäischen Kommission ist zu befürchten, dass die krisenbedingten Haushaltskürzungen zu einer massiven Strei- 39 So zum Beispiel Europäische Kommission (2010), S. 4. 40 Schambach (2010), S. 69, 73. 41 Europäische Kommission (2010), S. 4. 42 BA (2011a), S. 18. 43 Vergleiche hierzu Europarat (2011), S. 9. Einen Überblick über den Arbeitsmarkt im europäischen Vergleich bietet auch BA (2011a), S. 19ff. Einen detaillierten Vergleich der Lage in Deutschland, Dänemark und dem Vereinigten Königreich Großbritannien bietet Leschke/Jepsen (2011). 44 Europäische Kommission (2010), S. 4. Angaben zu Jahresdurchschnittswerten finden sich darüber hinaus bei BA (2011b), S. 98f. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 – 3000-136/11 Seite 12 chung von Arbeitsplätzen führen werden, von denen überwiegend Frauen betroffen sein werden. Darüber hinaus sei aufgrund der Erfahrungen aus früheren Wirtschaftskrisen damit zu rechnen, dass die Beschäftigungsquote von Männern nach der Krise schneller wieder ansteigen werde. Demgegenüber weisen Frauen ein höheres Risiko auf, nach dem Verlust des Arbeitsplatzes keine neue Beschäftigung zu finden. 45 Außerdem bestünde die Gefahr, dass sich die negative Situation der Frauen am Arbeitsmarkt aufgrund der Krise verschlechtert. Häufig würden Maßnahmen zur Förderung der Gleichstellung von Frauen in Krisenzeiten ausgesetzt und so die Situation von Frauen verschlechtert. Frauenspezifische Probleme wie der überdurchschnittlich hohe Frauenanteil an den Nichterwerbstätigen oder den Teilzeitarbeitslosen würden oftmals aus dem Blickfeld der Politik geraten. Auch der mit 31,1 Prozent im Vergleich zu 7,9 Prozent wesentlich höhere Anteil teilzeitbeschäftigter Frauen sei problematisch. Insgesamt befinden sich Frauen häufiger in prekären Arbeitsverhältnissen als Männer, da Frauen weiterhin hauptsächlich in traditionell weiblichen und oft schlechter bezahlten Branchen tätig sind.46 4. Weitere Auswirkungen der Finanz- und Wirtschaftskrise aus frauenpolitischer Perspektive Es ist denkbar, dass neben dem Arbeitsmarkt andere Lebensbereiche von der Finanz- und Wirtschaftskrise beeinflusst werden. Diese können sich ihrerseits auf die Gleichstellung der Frau auf dem Arbeitsmarkt auswirken. Inwieweit Frauen von diesen Auswirkungen ggf. stärker betroffen sind als Männer, wird im Folgenden thematisiert. So wird zum Beispiel die Gefahr gesehen, dass aufgrund von Geldmangel in Folge der Krise der Ausbau der Krippen nicht weiter oder in geringerem Maß vorangebracht wird.47 Da Frauen auch heutzutage noch den überwiegenden Teil der Kinderbetreuung übernehmen und hauptsächlich Frauen dafür – zumindest für eine gewisse Zeit – aus dem Berufsalltag aussteigen, würde sich eine Kürzung der finanziellen Mittel für den Ausbau der Kinderbetreuungskapazitäten aller Wahrscheinlichkeit nach in wesentlich höherem Maß auf Frauen auswirken. Je stärker der Ausbau eingeschränkt würde und je länger der berechnete Bedarf an Kinderbetreuungsplätzen48 nicht gedeckt werden kann, desto mehr Frauen wären umso länger gezwungen, auf eine Erwerbstätigkeit zu verzichten. Dies würde die angestrebte Verbesserung der Zugangschancen für Frauen auf den Arbeitsmarkt verzögern und die Abhängigkeit von Frauen von staatlichen Leistungen oder dem Einkommen des Mannes oder anderer Familienangehöriger erhöhen. Bei fehlender eigener Erwerbstätigkeit können nur geringe Ansprüche aus der Sozialversicherung erworben werden, was wiederum einen Anstieg der Armut – auch im Alter – von Frauen zur Folge haben kann. In- 45 Europäische Kommission (2010), S. 4f. 46 Europäische Kommission (2010), S. 4f. 47 Vergleiche hierzu http://www.fr-online.de/wirtschaft/wirtschaftskrise-frauen-besonders-starkbetroffen ,1472780,3215898.html. 48 Im Zuge der Einführung des Rechtsanspruchs auf Kinderbetreuung ab dem vollendeten ersten Lebensjahr zum 1. August 2013 wurde davon ausgegangen, dass mindestens 35 Prozent der Eltern von Kindern im Alter zwischen einem und drei Jahren einen Betreuungsplatz benötigen bzw. wünschen. Das Betreuungsangebot soll daher entsprechend ausgeweitet werden. Vergleiche hierzu http://www.bmfsfj.de/BMFSFJ/kinder-undjugend ,did=150320.html. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 – 3000-136/11 Seite 13 wieweit der Ausbau der Kinderbetreuung tatsächlich durch die Krise in den Jahren 2008 und 2009 negativ beeinflusst wird, bleibt abzuwarten. Im Zweifelsfall wird es schwer feststellbar sein, inwieweit die vergangene Krise für finanzielle Einschnitte beim Ausbau der Kinderbetreuung verantwortlich ist. Ein teilweise ebenfalls in diesem Zusammenhang betrachteter Aspekt ist die Vermögensverteilung . So besteht zum Teil die Auffassung, dass in einer Finanz- und Wirtschaftskrise die Löhne sinken, Vermögen jedoch zunehmen. Dabei seien jedoch hauptsächlich die Männer, die auf den Finanzmärkten aktiv sein können, vermögend.49 Zu diesem Sachverhalt liegen jedoch weder für Deutschland noch für das europäische Ausland Zahlen vor.50 Da das Einkommen von Frauen im Vergleich zum Einkommen der Männer jedoch häufig (wesentlich) niedriger ist und Frauen sich zudem öfter in atypischen Beschäftigungsverhältnissen befinden, ist ein derartiger Zusammenhang zumindest vorstellbar. 5. Fazit Von der Krise in den Jahren 2008 und 2009 waren in Deutschland sowohl Männer als auch Frauen betroffen, nach der derzeitigen Datenlage Männer jedoch in stärkerem Maß als Frauen. Insgesamt konnte – durch einen Anstieg der Zahl der Beschäftigungsverhältnisse in den weniger konjunkturabhängigen Branchen – eine positive Entwicklung der Frauenarbeitslosenquote während der Krise verzeichnet werden. Auch wenn sich Deutschland den aktuellen Daten zufolge derzeit nicht mehr in einer Krise befindet, ist es nicht ausgeschlossen, dass sich die vergangene Krise mittelbar weiterhin auswirkt. So wird zum Teil damit gerechnet, dass Frauen von zukünftigen Sparmaßnahmen zum Ausgleich der krisenbedingten Konjunkturmaßnahmen überproportional betroffen sein werden. Darüber hinaus wird auf europäischer Ebene die Gefahr gesehen, dass im Zuge der aktuellen Finanzkrise Mittel für die Gleichstellung der Frau zum Beispiel auf dem Arbeitsmarkt gekürzt oder gänzlich gestrichen werden. Inwieweit und in welcher Form Frauen in Deutschland in den nächsten Monaten aufgrund der vergangenen Finanz- und Wirtschaftskrise bzw. der aktuellen Krise in anderen europäischen Staaten tatsächlich von einem Beschäftigungsabbau betroffen sein werden, bleibt jedoch abzuwarten. Eine verlässliche Aussage diesbezüglich kann zum jetzigen Zeitpunkt nicht getroffen werden. 6. Literatur- und Linkverzeichnis 6.1. Literatur Bispinck, Reinhard u.a. (2010), Auswirkungen der Wirtschaftskrise auf die Beschäftigten – Ergebnisse der Online-Erhebung des Projekts LohnSpiegel, März 2010, im Internet abrufbar unter http://www.boeckler.de/pdf/p_wsi_report_2_10.pdf. 49 Vergleiche hierzu http://www.gwi-boell.de/web/denkraeume-feministische-perspektive-auf-die-finanzkrise- 900.html. 50 Hinsichtlich der Entwicklung der Löhne vergleiche zum Beispiel http://www.diw.de/documents/publikationen- /73/diw_01.c.388567.de/11-45-1.pdf. Eine zusammenfassende Darstellung der Lohnentwicklung war im Rahmen dieser Ausarbeitung nicht möglich. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 – 3000-136/11 Seite 14 Bundesagentur für Arbeit (BA) (2011a), Arbeitsmarktberichterstattung: Frauen und Männer am Arbeitsmarkt, Nürnberg 2011, im Internet abrufbar unter http://statistik.arbeitsagentur.de/- Statischer-Content/Arbeitsmarktberichte/Berichte-Broschueren/Arbeitsmarkt/Generische- Publikationen/Frauen-Maenner-Arbeitsmarkt-2011-07.pdf. Bundesagentur für Arbeit (BA) (2011b), Amtliche Nachrichten der Bundesagentur für Arbeit – Arbeitsmarkt 2010, 58. Jahrgang, Sondernummer 2, Nürnberg, Juni 2011, im Internet abrufbar unter http://statistik.arbeitsagentur.de/Statischer-Content/Arbeitsmarktberichte- /Jahresbericht-Arbeitsmarkt-Deutschland/Generische-Publikationen/Arbeitsmarkt-2010.pdf. Europarat (2011), Anti-crisis measures – Safeguarding jobs and social security in Europe, Committee of Experts on Social Security (CS-SS), Strasbourg, Januar 2011, [P 5134840]. 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