AUSARBEITUNG Thema: Grundinformationen zum privatärztlichen Gebührenrecht nach der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) Fachbereich IX Gesundheit, Familie, Senioren, Frauen und Jugend Abschluss der Arbeit: 24. November 2005 Reg.-Nr.: WF IX - 130/05 Ausarbeitungen von Angehörigen der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung des einzelnen Verfassers und der Fachbereichsleitung. Die Ausarbeitungen sind dazu bestimmt, das Mitglied des Deutschen Bundestages, das sie in Auftrag gegeben hat, bei der Wahrnehmung des Mandats zu unterstützen. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Diese bedürfen der Zustimmung des Direktors beim Deutschen Bundestag. - 2 - 1. Rechtsgrundlagen der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) Der ärztliche Behandlungsvertrag ist in aller Regel kein Werk- sondern ein Dienstvertrag 1. Gemäß § 611 Abs. 1 BGB 2 schuldet der Arzt auf Grund des Behandlungsvertrages die ärztlichen Dienstleistungen, während der Patient zur Zahlung der vereinbarten Vergütung verpflichtet ist. Wird - wie üblich - keine ausdrückliche Vereinbarung über die Vergütung getroffen , fingiert § 612 Abs. 1 BGB die Vergütung als stillschweigend vereinbart. Die Höhe der Vergütung wird durch die zwingend anzuwendende GOÄ als „Taxe“ (§ 612 Abs. 2 BGB) 3 bestimmt. Die GOÄ ist eine von der Bundesregierung mit Zustimmung des Bundesrates erlassene Rechtsverordnung 4. Rechtsgrundlage für den Erlass der GOÄ ist die Bundesärzteordnung (BÄO) i.d.F. der Bekanntmachung vom 16. April 1987 5, die in § 11 bestimmt: „Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Entgelte für ärztliche Tätigkeit in einer Gebührenordnung zu regeln. In dieser Gebührenordnung sind Mindest- und Höchstsätze für ärztliche Leistung festzusetzen. Dabei ist den berechtigten Interessen der Ärzte und der zur Zahlung der Entgelte Verpflichteten Rechnung zu tragen“. Bei Erlass der Gebührenordnung vom 12. November 1982 6, die auch heute noch in wesentlichen Teilen Grundlage der privaten Gebührenberechnung ist, ist in Form von mehreren Verfassungsbeschwerden die Ermächtigungsgrundlage in Bezug auf die Gesetzgebungskompetenz des Bundes in Frage gestellt worden. Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Beschluss vom 12. Dezember 1984 7 die Zuordnung des § 11 BÄO in das Recht der Wirtschaft und damit die Zuständigkeit des Bundes auf der Grundlage von Art. 74 Nr. 11 Grundgesetz (GG) bestätigt. § 11 BÄO genügt auch den Bestimmtheitsanforderungen des Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG 8. 1 BGHZ 76, 259 (261f); Heberer, Das ärztliche Berufs- und Standesrecht, 2. Auflage 2001, S. 158; Uhlenbruck / Laufs, in: Laufs/Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts, 3. Auflage 2002, § 39 Rn. 10; Quaas, in: Quaas / Zuck, Medizinrecht, § 13 Rn. 2 jeweils m.w.N. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) i.F. der Bekanntmachung vom 2. Januar 2002 (BGBl I S. 42, ber. S. 2909 und BGBl I 2003, S. 738), zuletzt geändert durch das Zweite Gesetz zur Neuregelung des Energiewirtschaftsrechts vom 7. Juli 2005 (BGBl I S. 1970, 2012) 3 Vgl. etwa Haberstroh, Grundfragen und aktuelle Probleme des privatärztlichen Gebührenrechts, in: VersR 2000, 538; Spickhoff, Wahlärztliche Leistungen im Krankenhaus: Leistungspflicht und Haftung, in: NZS 2004, 57 jeweils m.w.N. 4 Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) vom 12. November 1982 (BGBl I S. 1522) i.d.F. der Bekanntmachung vom 9. Februar 1996 (BGBl I S. 210), zuletzt geändert durch Art. 17 des Gesetzes über den Beruf der Podologin und des Podologen und zur Änderung anderer Gesetze vom 4. Dezember 2001 (BGBl I S. 3320, 3325); beigefügt als Anlage 1 5 BGBl I S. 1218, zuletzt geändert durch Art. 5 Abs. 15 des Gesetzes vom 15. Dezember 2004 (BGBl I S. 3396) 6 BGBl I S. 1522 7 BVerfGE 68,319ff (beigefügt als Anlage 2); bestätigt durch Beschluss des Bundesverfassungsgericht vom 19. April 1991 - 1 BvR 1301/89, in: NJW 1992 S. 737 8 BVerfGE 68,319ff (beigefügt als Anlage 2) - 3 - 2. Zulässigkeit der grundsätzlichen Bindung des Arztes an eine Gebührenordnung Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die prinzipielle Bindung des Arztes an eine Gebührenordnung bestehen nicht. Die GOÄ und ihre Novellen sind - wie zuvor skizziert - formell ordnungsgemäß zustande gekommen. Die Bindung des Freiberuflers an eine Gebührenordnung stellt auch nicht per se einen unzulässigen Eingriff in seine Berufsfreiheit dar. Durch Gebührenordnungen sollen insbesondere wirtschaftliche Abhängigkeiten vom Auftraggeber durch dessen Einflussnahme auf die Höhe des Entgelts vermieden und eine beamtenähnliche Distanz geschafften werden 9. Ferner sollen Honorar- und Gebührenordnungen von der Notwendigkeit eines „Feilschens“ um das Entgelt befreien; damit sollen Verhaltensweisen, die in der gewerblichen Wirtschaft üblich sind, aus dem Verhältnis Freiberufler-Auftraggeber herausgehalten werden 10. Gebührenordnungen dienen ferner den Interessen des Auftraggebers, der die Angemessenheit des Entgelts für eine freiberufliche Leistung oftmals nicht beurteilen kann. Daneben tritt - zunehmend - der Gedanke, die Finanzierbarkeit des von der entsprechenden Gebührenordnung erfassten und für die Gesellschaft in der Regel besonders wichtigen Leistungsbereichs zu gewährleisten. Letztlich sind Gebührenordnungen bei den freien Berufen an der Nahtstelle zwischen Gesellschaftsbezogenheit dieser Berufe 11 und konkretem Auftraggeberschutz einerseits und Wahrung der (inneren) Weisungsfreiheit des Freiberuflers sowie Wahrung seiner äußeren Freiheit, der wirtschaftlich selbstständigen Stellung, andererseits anzusiedeln. Ihre Existenz wird gelegentlich sogar als selbständiges Merkmal der freien Berufe überhaupt angesehen 12. Zugleich wird aber auch (insbesondere seitens der Bundesregierung 13) zu Recht darauf hingewiesen , dass das Maß der Einwirkung auf die freie Preisgestaltung so gering wie möglich zu halten ist. Dies ergibt sich nicht nur aus dem für die soziale Marktwirtschaft charakteristischen Prinzip der freien Preisbildung 14, sondern insbesondere auch aus deren grundrechtlicher Absicherung in der Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) sowie der Vertrags- und Wettbewerbsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) 15. Der Erhaltung der gebotenen Freiheit dienen u.a. Margenpreisregelungen , durch die lediglich ein Gebührenrahmen für die Honorargestaltung festgelegt wird, während zugleich ein gewisser Freiraum für die Berücksichtigung individueller 9 vgl. Harms, Gebührenwettbewerb unter Architekten und Rechtsanwälten? - Zur Anwendung des GWB auf Freie Berufe, in: NJW 1976, 1289, 1294. Zu weiteren Gründen für die Existenz (und für die verfassungsrechtliche Zulässigkeit) vgl. den Bericht der Bundesregierung über die Lage der freien Berufe in der Bundesrepublik Deutschland, in: BT-Drs. 8/3139, S. 22; Grote, Wettbewerbsprobleme wirtschaftsberatender Berufe, 1970, S. 23 ff; Taupitz, Die Standesordnungen der freien Berufe, 1991, S. 48, ders, Vertragsfreiheit im privatärztlichen Gebührenrecht, in: MedR, 1996, S. 533, 534 10 Taupitz, Die Standesordnungen der freien Berufe, 1991, S. 48 11 Zur Gesellschaftsbezogenheit der freien Berufe und ihrer Ausrichtung auf soziokulturelle Werte, die von zentraler Bedeutung für das Wertsystem der Gesellschaft sind, vgl. Taupitz, Die Standesordnungen der freien Berufe, 1991, S. 64ff 12 Siehe etwa Mertens, Berufshaftung - Haftungsprobleme alter Professionen, in: VersR 1974, S. 509 ff 13 vgl. Bericht über die Lage der freien Berufe in der Bundesrepublik Deutschland, BT-Drs. 8/3139, S. 22 14 vgl. BT-Drs. 8/3139, S. 22 15 vgl. Tettinger, Zum Tätigkeitsfeld der Bundesrechtsanwaltskammer 1985, S. 140 f - 4 - Besonderheiten erhalten bleibt. Darüber hinaus verfolgen aber auch normativ fixierte Ausnahmeregelungen - wie insbesondere die Ermöglichung einer individuellen Honorarvereinbarung - das Ziel, das Ausmaß staatlicher Preisreglementierung dem Erforderlichkeitsprinzip entsprechend so gering wie möglich zu halten 16. 3. Anwendungsbereich der GOÄ Die GOÄ regelt die Vergütung für die beruflichen Leistungen der Ärzte, die im eigenen Namen tätig werden. Sie gilt damit für sämtliche ärztliche Leistungen, soweit durch Bundesgesetz nicht etwas anderes bestimmt ist (§ 1 Abs. 1 GOÄ). Dies ist insbesondere im Vertragsarztbereich der Fall. Die GOÄ gilt deshalb vor allem für den ärztlichen Honoraranspruch gegenüber Privatpatienten, d.h. solchen Patienten für die kein sonstiger sozialrechtlicher Kostenschuldner existiert. Unerheblich ist insoweit, ob der Patient privat versichert ist oder selbst zahlen muss. Ist der Patient gänzlich unversichert, bleibt er persönlicher Schuldner. Im Einzelfall kann die GOÄ auch Gegenstand des Behandlungsvertrages eines freiwillig Versicherten Kassenpatienten mit dem Arzt sein, wenn der Patient als GKV-Versicherter von der Möglichkeit Gebrauch macht, sich privat behandeln zu lassen oder gem. § 13 Abs. 1 und 2 SGB V 17 anstelle der Sach- oder Dienstleistung Kostenerstattung wählt. Die GOÄ gilt für alle ärztlichen Leistungen im ambulanten und stationären Wahlleistungsbereich . Mit der Novelle vom 18. Dezember 1995 18 sind die Anforderungen an die Geltendmachung ärztlicher Honorarforderungen erheblich verschärft worden 19. Konnte bis dahin der Arzt die Gebühr im Wesentlichen nach billigem Ermessen selbst bestimmen, darf er dies jetzt nur noch im Rahmen der zwingenden Vorschriften der GOÄ. Eine Vergütung erhält der Arzt nur für Leistungen, die nach den Regeln der ärztlichen Kunst für eine medizinisch notwendige ärztliche Versorgung erforderlich sind (§ 1 Abs. 2 Satz 1 GOÄ). Leistungen, die über das Maß einer medizinisch notwendigen ärztlichen Versorgung hinausgehen, darf er nur berechnen , wenn sie auf Verlangen des Zahlungspflichtigen erbracht worden sind (§ 1 Abs. 2 Satz 2 GOÄ). 4. Regelungen der Gebührenordnung im Einzelnen 4.1. Die Vergütungsarten (§§ 3, 4, 6 - 10 GOÄ) Als Vergütungen stehen dem Arzt Gebühren, Entschädigungen und Ersatz von Auslagen zu (§ 3 GOÄ). Andere Vergütungsformen sind nicht zulässig. Gebühren sind die Vergütungen für die im Gebührenverzeichnis der GOÄ genannten ärztlichen Leistungen (§ 4 Abs. 1 GOÄ). 16 vgl. Taupitz, Vertragsfreiheit im privatärztlichen Gebührenrecht, in: MedR 1996, 533, 534 17 Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) Gesetzliche Krankenversicherung vom 20. Dezember 1988 (BGBl I S. 2477, ber. S. 2482), zuletzt geändert durch Art. 3a des Vierzehnten Gesetzes zur Änderung des Arzneimittelgesetzes vom 29. August 2005 (BGBl I 2570) 18 Vierte Verordnung zur Veränderung der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) vom 18. Dezember 1995, BGBl I S. 1861 19 vgl. dazu Taupitz, MedR 1996, 533 ff - 5 - Jede Gebühr setzt sich aus dem ärztlichen Honorar, dem Ersatz der allgemeinen Praxiskosten sowie den besonderen mitabgegoltenen Kosten (§ 4 Abs. 3 GOÄ) zusammen. Aus der gesetzlichen Definition der Gebühren in § 4 Abs. 1 GOÄ folgt, dass für die beruflichen Leistungen des Arztes andere als die im Gebührenverzeichnis enthaltenen Leistungspositionen nicht berechnet werden dürfen. Dies gilt auch für selbstständige ärztliche Leistungen, die in das Gebührenverzeichnis nicht aufgenommen sind und die nach § 6 Abs. 2 GOÄ nur „entsprechend “ einer nach Art, Kosten und Zeitaufwand gleichwertigen Leistung des Gebührenverzeichnisses berechnet werden können. Insoweit ist das Gebührenverzeichnis auch für die Analogbewertungen ein abschließender Katalog ansatzfähiger Gebührenpositionen für ärztliche Leistungen. Entschädigungen sind nach § 7 GOÄ das Wegegeld (§ 8 GOÄ) und die Reiseentschädigung (§ 9 GOÄ) bei Besuchen des Patienten. Neben den Gebühren kann der Arzt die in § 10 GOÄ aufgeführten Auslagen (Sachkosten) ersetzt verlangen. 4.2. Die Bemessung der Gebühren für Leistungen des Gebührenverzeichnisses (§ 5 GOÄ) Entsprechend der Ermächtigungsgrundlage zum Erlass der GOÄ in § 11 Bundesärzteordnung (BÄO) gibt die Gebührenordnung in § 5 einen Gebührenrahmen mit Mindest- und Höchstsätzen für ärztliche Leistungen vor. Zugleich werden Gebührenbemessungskriterien vorgegeben, die eine individuell abgestufte Gebührenberechnung innerhalb des vorgegebenen Gebührenrahmens ermöglichen. Im Einzelnen gilt hier folgendes: Die Höhe der einzelnen Gebühr bemisst sich im Regelfall nach dem 1 bis 2,3-fachen des Gebührensatzes (§ 5 Abs. 2 Satz 4, erster Halbsatz GOÄ), wobei sich der sog. Gebührenrahmen nach § 5 Abs. 1 Satz 1 GOÄ (einfacher bis 3,5-facher Gebührensatz) für hauptsächlich medizinisch-technische Leistungen auf das höchstens 2,5-fache reduziert und an die Stelle des 2,3-fachen der 1,8-fache Gebührensatz tritt (§ 5 Abs. 3 GOÄ). Gebührensatz ist gemäß § 5 Abs. 1 Satz 2 GOÄ der Betrag, der sich ergibt, wenn die Punktzahl der einzelnen Leistung des Gebührenverzeichnisses mit dem Punktwert, der in § 5 Abs. 1 Satz 3 GOÄ normativ auf 5,82873 Cent festgelegt wurde 20, vervielfacht wird. Der Gebührensatz drückt damit die wirtschaftliche Bewertung der ärztlichen Leistung aus. Diese „Werte“ gibt die GOÄ - entstehungsgeschichtlich angeknüpft an die Einheitlichen Bewertungsmaßstäbe aus dem Bereich der GKV - in dem ihr als Anlage beigegebenen Gebührenverzeichnis auf der Grundlage dortiger Punktzahlen und Punktwerte an 21. Die im Gebührenverzeichnis festgehaltenen Beträge markieren allerdings nur den ersten Schritt zur Ermittlung des konkreten Wertes der jeweiligen ärztlichen Leistung. Der „wirkli- 20 Art. 17 des Gesetzes über den Beruf der Podologin und des Podologen und zur Änderung anderer Gesetze vom 4. Dezember 2001 (BGBl I S. 3320, 3325) 21 Die Punktzahlen kennzeichnen das Gewicht der Leistung im Spektrum der Gesamtheit der ärztlichen Leistungen; wird mit ihnen der Punktwert multipliziert, ergibt dies den einfachen Gebührensatz. - 6 - che“ Wert ist vom Arzt durch „ermessensgesteuerte Multiplikation“ zu bestimmen. Insoweit obliegt dem Arzt, die „Regelspanne“ auszufüllen und innerhalb des vorgegebenen äußeren Rahmens vom einfachen bis zum 3,5-fachen Satz (§ 5 Abs. 1 Satz 1 GOÄ) die konkret zu veranschlagenden Gebühren „unter Berücksichtigung der Schwierigkeit und des Zeitaufwandes der einzelnen Leistung sowie der Umstände bei der Ausführung nach billigem Ermessen zu bestimmen“ (§ 5 Abs. 2 Satz 1 GOÄ). Dabei belässt es die GOÄ aber nicht, sondern beschränkt den in § 5 Abs. 1 Satz 1 GOÄ vorgegebenen Rahmen für die dem Arzt eröffnete Ermessensausübung bei zur ärztlichen Routine gehörenden Leistungen auf den 2,3-fachen Satz. Einen höheren Faktor als 2,3 darf der Arzt nur ansetzen, wenn Besonderheiten in den zitierten Bemessungskriterien - Schwierigkeit, Zeitaufwand, Umstände der Ausführung - dies rechtfertigen (§ 5 Abs. 2 Satz 4, zweiter Halbsatz GOÄ). In diesem Fall trifft den Arzt eine besondere Begründungspflicht (§ 12 Abs. 3 Satz 1 und 2 GOÄ). Die absolut herrschende Praxis (bei Ärzten, Privatpatienten, Versicherern und Beihilfebehörden ) folgert aus dem Zusammenspiel des § 5 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 4 GOÄ, die Regelspanne führe für den „Normalbereich“ zu einem „Regelsatz“: ärztliche Leistungen in Fällen, in denen der Arzt keine Besonderheiten sehe, rechtfertigten danach eine (nicht mehr zu begründende) „Mittelgebühr“ in Höhe des 2,3-fachen bzw. bei medizinisch-technischen Leistungen des 1,8-fachen Gebührensatzes 22. Die überwiegende Rechtsprechung hat sich dieser Auffassung angeschlossen: danach darf der Arzt im Rahmen des privatärztlichen Behandlungsvertrages ohne nähere Begründung mit dem „Schwellenwert“ des 2,3-fachen Gebührensatzes liquidieren 23. Bei der Frage, wie der Rahmen zu bestimmen ist, geht die Rechtssprechung von einem Regel- Ausnahme-Verhältnis zwischen der „Regelspanne“ und dem „Überschreitungsbereich“ des § 5 Abs. 2 Satz 4 GOÄ aus 24. Danach müssen Besonderheiten der Bemessungskriterien die Überschreitung der Regelspanne rechtfertigen. Auf dieser Grundlage ist die große Mehrzahl aller Behandlungsfälle, und zwar auch solche, die überdurchschnittlich aufwendig oder schwierig, allerdings nicht durch „ungewöhnliche Besonderheiten“ gekennzeichnet sind, der Regelspanne zuzuordnen 25. Ob ein Fall „ungewöhnliche Besonderheiten“ aufweist, die ein Überschreiten des Schwellenwertes rechtfertigen, steht nicht im Ermessen des Arztes, sondern ist rechtlich voll nachprüfbar. Die Möglichkeit zur Überschreitung der Regelspanne hat nach dem sachlichen Zusammenhang der Bestimmungen des § 5 Abs. 2 Satz 4 GOÄ den Charakter einer Ausnahme und setzt voraus, dass Besonderheiten gerade bei der Behandlung des betref- 22 Dementsprechend wurden im Jahre 1996 87,5% aller ambulant erbrachten persönlichen ärztlichen Leistungen mit dem 2,3-fachen Gebührensatz in Rechnung gestellt; vgl. die Nachweise bei Haberstroh, VersR 2000, 538, 539 in Fußnote 10 23 Herrschende Meinung, vgl. u.a. Amtsgericht (AG) Hildesheim, Urteil vom 28. Februar 1997 - 43 C 6/97 - , in: in: MedR 1997, 323; Landgericht (LG) Bochum, Urteil vom 4. März 2002 - 6 S 11/01 - , in: MedR 2002, 639; Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Randnr. 92 24 vgl. Haberstroh, VersR 2000, 538, 539 mit weiteren Nachweisen 25 Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 17. Februar 1994 - 2 C 10/92, in: NJW 1994, S. 3023, 3024 - 7 - fenden Patienten als einem Abweichen von der großen Mehrzahl der Behandlungsfälle aufgetreten sind 26. 4.3. Bemessung der Gebühren bei Versicherten des Standardtarifs der Privaten Krankenversicherung (§ 5 b GOÄ) Mit dem zum 1. Januar 2000 in Kraft getretenen GKV-Gesundheitsreformgesetz 2000 27 ist zugleich eine Änderung der GOÄ erfolgt und in Kraft getreten. Eingeführt wurde die Bestimmung des § 5 b GOÄ, der die Erstattungsbedingungen des Standardtarifs in der GOÄ verankert. Danach dürfen Ärzte für Leistungen bei Versicherten, die in einem brancheneinheitlichen Standardtarif nach § 257 Abs. 2 a SGB V versichert sind, Gebühren nur bis zum 1,7-fachen Steigerungsfaktor des in § 5 Abs. 1 verankerten Gebührenrahmens (1-fach bis 3,5- fach) berechnen; für die Leistungen der Abschnitte A, E, O (hauptsächlich medizinischtechnische Leistungen), ist der Steigerungsfaktor auf das 1,3-fache des in § 5 Abs. 3 aufgeführten Gebührenrahmens (1-fach bis 2,5-fach) und für Leistungen des Abschnittes M auf das 1,1-fache des in § 5 Abs. 4 genannten Gebührenrahmens (1-fach bis 1,3-fach) begrenzt worden . 4.4. Honorarvereinbarung (§ 2 GOÄ) Die zwingende Bindung der Vertragparteien an die GOÄ kommt schließlich auch darin zum Ausdruck, dass eine abweichende Vereinbarung lediglich hinsichtlich der Höhe der Vergütung zugelassen ist (§ 2 Abs. 1 Satz 1 GOÄ) 28. Es besteht also keine Möglichkeit, die GOÄ gänzlich abzubedingen. Honorarabreden erlauben nur eine von § 5 GOÄ abweichende Vervielfachung des Gebührensatzes (des sog. Multiplikators) 29. Eine abweichende Punktzahl oder ein abweichender Punktwert (damit also ein abweichender Gebührensatz) kann nicht vereinbart werden. Danach bleibt das Gebührenverzeichnis der GOÄ mit seinen einzelnen Positionen (einschließlich der Regelungen zur Fälligkeit der Vergütung und zur Rechnungserteilung in § 12 GOÄ) unveränderbar Grundlage der Arztrechnung. Insbesondere ist die Vereinbarung eines Pauschalhonorars unzulässig, das ohne Rücksicht auf die Einzelpositionen des Gebührenverzeichnisses und der Zahl der erbrachten Einzelleistungen zu zahlen wäre 30. Die Vereinbarung eines Pauschalhonorars, selbst wenn es auf der Basis der geltenden GOÄ 26 Bundesverwaltungsgericht a.a.O. 27 Gesetz zur Reform der gesetzlichen Krankenversicherung ab dem Jahr 2000 (GKV- Gesundheitsreformgesetz 2000) vom 22. Dezember 1999 (BGBl I S. 2626) 28 Als Berufsausübungsregelung im Sinne der Rechtssprechung des Bundesverfassungsgerichts zu Art. 12 Abs. 1 GG ist § 2 Abs. 1 i.V.m. § 12 GOÄ durch vernünftige Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt, vgl. hierzu Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 19. April 1991 - 1 BvR 1301 / 89, in: NJW 1992 S. 737 29 vgl. Haberstroh, VersR 2000, 538, 544; Deutsch / Spickhoff, Medizinrecht, Randnr. 93 30 Kraemer, Die Novellierung der Gebührenordnung für Ärzte, in: NJW 1996, 764f; Taupitz, MedR 1996, 533, 535 f - 8 - ermittelt wurde, ist auch dann nicht zulässig, wenn es sich um eine in der GOÄ nicht erwähnte (neue oder völlig andersartig durchgeführte) Leistung handelt31 . 5. Anlagenverzeichnis Text der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) vom 12. November 1982 (BGBl I S. 1522) i.d.F. der Bekanntmachung vom 9. Februar 1996 (BGBl I S. 210), zuletzt geändert durch Art. 17 des Gesetzes über den Beruf der Podologin und des Podologen und zur Änderung anderer Gesetze vom 4. Dezember 2001 (BGBl I S. 3320, 3325), in: Das Deutsche Bundesrecht, Loseblattwerk, Ordnungsziffer I K 9b, Baden-Baden 2005 - Anlage 1 - Beschluss des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 12. Dezember 1984, in: Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE), hrsg. von den Mitgliedern des Bundesverfassungsgerichts, Band 68, S. 319 - 334 - Anlage 2 - 6. Literaturverzeichnis Deutsch, Erwin / Spickhoff, Andreas, Medizinrecht: Arztrecht, Arzneimittelrecht, Medizinprodukterecht und Transfusionsrecht, 5. Auflage, Berlin / Heidelberg / New York 2003 Grote, Helga, Wettbewerbsprobleme wirtschaftsberatender Berufe, Abhandlungen zur Mittelstandsforschung , Nr. 43, hrsg. vom Institut für Mittelstandsforschung, Köln und Opladen 1970 Haberstroh, Dieter, Grundfragen und aktuelle Probleme des privatärztlichen Gebührenrechts, in: Versicherungsrecht (VersR), Zeitschrift für Versicherungsrecht, Haftungs- und Schadensrecht , 2000, S. 538 - 548 Harms, Wolfgang, Gebührenwettbewerb unter Architekten und Rechtsanwälten? - Zur Anwendung des GWB auf Freie Berufe, in: Neue Juristische Wochenschrift (NJW), Zeitschrift, 1976, S. 1289 - 1296 Heberer, Jörg, Das ärztliche Berufs- und Standesrecht, 2. Auflage, Landsberg / Lech 2001 Kraemer, Hans-Joachim, Die Novellierung der Gebührenordnung für Ärzte, in: Neue Juristische Wochenschrift (NJW), Zeitschrift, 1996, S. 764 - 765 31 vgl. Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 23. Juli 1998 - B 1 KR 3/97 R - , in: NJW, 1999, 1813f - 9 - Laufs, Adolf / Uhlenbruck, Wilhelm, Handbuch des Arztrechts, 3. Auflage, München 2002 Mertens, Hans-Joachim, Berufshaftung - Haftungsprobleme alter Professionen, in: Versicherungsrecht (VersR), Juristische Rundschau für die Individualversicherung, 1974, S. 509 - 520 Quaas, Michael / Zuck, Rüdiger, Medizinrecht, München 2005 Spickhoff, Andreas, Wahlärztliche Leistungen im Krankenhaus: Leistungspflicht und Haftung , in: Neue Zeitschrift für Sozialrecht (NZS), 2004, S. 57 - 63 Taupitz, Jochen, Die Standesordnungen der freien Berufe: Geschichtliche Entwicklung, Funktionen, Stellung im Rechtssystem, Berlin / New York 1991 Taupitz, Jochen, Vertragsfreiheit im privatärztlichen Gebührenrecht, in: Medizinrecht (MedR), Zeitschrift, 1996, S. 533 - 541 Tettinger, Peter J., Zum Tätigkeitsfeld der Bundesrechtsanwaltskammer, Schriftenreihe der Bundesrechtsanwaltskammer, Band 7, München 1985 Unterrichtung durch die Bundesregierung, Bericht der Bundesregierung über die Lage der freien Berufe in der Bundesrepublik Deutschland, in: BT-Drucksache 8/3139