© 2015 Deutscher Bundestag WD 9 - 3000 - 128/14 Zur Einbeziehung der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung und zur möglichen Förderung der Schulvernetzungsstellen im Rahmen des Präventionsgesetzes (Regierungsentwurf) Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 128/14 Seite 2 Zur Einbeziehung der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung und zur möglichen Förderung der Schulvernetzungsstellen im Rahmen des Präventionsgesetzes (Regierungsentwurf) Aktenzeichen: WD 9 - 3000 - 128/14 Abschluss der Arbeit: 16.02.2015 Fachbereich: WD 9: Gesundheit, Familie, Senioren, Frauen und Jugend Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 128/14 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Rechtliche Zulässigkeit der Beauftragung der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung im Entwurf der Bundesregierung zum Präventionsgesetz 4 1.1. Verletzung des Selbstverwaltungsrechts der GKV? 5 1.1.1. Inhalt, Umfang und Schutz des Selbstverwaltungsrechts der GKV 6 1.1.2. Beschränkung bzw. Verletzung des Selbstverwaltungsrechts der GKV durch die vorgesehene Neuregelung? 9 1.1.3. Verletzung der Finanzautonomie der GKV? 11 1.1.4. Verletzung des Selbstverwaltungsrechts durch die Ausgestaltung der nationalen Präventionskonferenz? 12 1.2. Verfassungsmäßigkeit der Beauftragung der BZgA unter dem Gesichtspunkt der Fremdlasten in der Sozialversicherung 13 1.2.1. Definition versicherungsfremder Leistungen 13 1.2.2. Verfassungsrechtliche Prüfung 14 1.3. Verstoß gegen Subventions- und Vergaberecht 18 2. Zur Förderung der Schulvernetzungsstellen im Rahmen des Präventionsgesetzes (RegE) 19 2.1. Struktur und Aufgabengebiet der Schulvernetzungsstellen – im Vergleich zur BZgA 19 2.2. Zu den rechtlichen Möglichkeiten der Förderung von Schulvernetzungsstellen im Rahmen des Präventionsgesetzes (RegE) 20 2.2.1. Zur Einbeziehung weiterer Akteure in die Prävention in Lebenswelten (§§ 20a ff. SGB V-RegE) im Allgemeinen 20 2.2.2. Zur möglichen Einbeziehung der Schulvernetzungsstellen 20 3. Literaturverzeichnis 21 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 128/14 Seite 4 – Zusammenfassung – Der Regierungsentwurf zum Präventionsgesetz sieht vor, dass der Spitzenverband Bund der Krankenkassen (GKV-Spitzenverband) die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) mit der Unterstützung der Krankenkassen bei der Gesundheitsförderung und der Prävention in Lebenswelten beauftragen wird. Der Gesetzentwurf sieht weiterhin vor, dass dieser Auftrag aus Beitragsgeldern der GKV vergütet wird. Die Höhe der Vergütung ist ebenfalls gesetzlich geregelt. Auch wenn diese gesetzlich vorgeschriebene Beauftragung rechtlichen Bedenken begegnet, sprechen überwiegende Gründe dafür, von der Zulässigkeit der Regelung auszugehen. Zwar beschränkt die Verpflichtung zur Beauftragung der BZgA die Krankenkassen in ihrer Entscheidungsfreiheit . Sie führt jedoch nicht zu einer rechtswidrigen Verletzung des Selbstverwaltungsrechts der GKV. Ferner ist die Verwendung der Versichertenbeiträge für die Beauftragung der BZgA auch unter dem Aspekt der „Fremdlasten in der Sozialversicherung“ als zulässig anzusehen . Im Ergebnis einer summarischen Prüfung ist weiterhin davon auszugehen, dass die Beauftragung der BZgA nicht gegen das Vergaberecht verstößt, da dieses auf gesetzlich vorgeschriebene Vertragsverhältnisse keine Anwendung findet. Wie auch die beigefügte Arbeit WD 5 – 3000 – 246/14 zeigt, unterscheiden Schulvernetzungsstellen sich von ihrer inhaltlichen Aufgabenstellung, ihrer Struktur und Finanzierung wesentlich von der BZgA. Eine Übertragung der im Zusammenhang mit der Beauftragung der BZgA auftretenden Rechtsfragen auf eine etwaige gesetzliche Einbeziehung der Schulvernetzungsstellen in das Präventionsgesetz ist daher nicht möglich. Der Regierungsentwurf sieht aber an verschiedenen Stellen die Einbeziehung weiterer Akteure in die Präventionsarbeit der GKV vor. Auf dieser Grundlage könnte eine Berücksichtigung der Schulvernetzungsstellen bei der weiteren Durchführung des Präventionsgesetzes erfolgen. 1. Rechtliche Zulässigkeit der Beauftragung der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung im Entwurf der Bundesregierung zum Präventionsgesetz Am 29.12.2014 legte die Bundesregierung dem Bundesrat den Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Gesundheitsförderung und der Prävention (Präventionsgesetz – PrävG) vor.1 Darin ist unter anderem vorgesehen, in das Fünfte Buch Sozialgesetzbuch (SGB V)2 einen neuen § 20a einzufügen. Nach dieser Vorschrift des Regierungsentwurfs ist der GKV-Spitzenverband verpflichtet, zur Unterstützung der Krankenkassen bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben zur Gesundheitsförderung und Prävention die BZgA ab 2016 damit zu beauftragen, krankenkassenübergreifende Leistungen zu entwickeln, zu implementieren und wissenschaftlich zu evaluieren (§ 20a Abs. 3 SGB V-RegE). Die Regelung sieht ferner vor, dass die BZgA hierfür von den Kran- 1 BR-Drs. 640/14, abrufbar unter http://www.bundesrat.de/bv.html?id=0640-14 (Stand: 11.02.2015). 2 Das Fünfte Buch Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Krankenversicherung – (Artikel 1 des Gesetzes vom 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477, 2482), das zuletzt durch Artikel 5 des Gesetzes vom 2. Dezember 2014 (BGBl. I S. 1922) geändert worden ist. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 128/14 Seite 5 kenkassen eine pauschale Vergütung erhält, die mindestens einem Viertel des Betrages entspricht , den die Krankenkassen aufgrund einer anderen Vorschrift des Entwurfs (§ 20 Abs. 6 Satz 2 SGB V-RegE) für die Prävention aufzuwenden haben. Bei Umsetzung dieses Vorschlags würde die pauschale Vergütung der BZgA bei den Krankenkassen zu einer finanziellen Belastung in Höhe von 35 Millionen Euro führen.3 Nach § 20e SGB V-RegE wird weiterhin eine Nationale Präventionskonferenz eingesetzt, die als Arbeitsgemeinschaft der jeweiligen Spitzenorganisationen der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV), der gesetzlichen Rentenversicherung, der gesetzlichen Unfallversicherung und der sozialen Pflegeversicherung besteht und eine nationale Präventionsstrategie entwickeln und fortschreiben soll. Die Geschäftsführung liegt bei der BZgA. Nachfolgend werden auftragsgemäß zunächst die rechtlichen Bedenken gegen die Zulässigkeit der dargestellten Regelungen des Regierungsentwurfs erörtert. Ausgewertet wurden in diesem Zusammenhang neben der juristischen Fachliteratur auch Stellungnahmen aus der Fachanhörung des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) zu dem aktuellen Gesetzentwurf sowie Stellungnahmen aus einer Anhörung im Gesundheitsausschuss vom 15.05.2013 zu einem Gesetzentwurf , der in der 17. Wahlperiode als BT-Drs. 17/130804 in den Bundestag eingebracht wurde und der als § 20 Abs. 6 SGB V eine weitgehend gleichlautende Regelung enthielt, die ebenfalls eine Beauftragung der BZgA durch den GKV-Spitzenverband vorsah. Rechtliche Bedenken gegen die gesetzliche Beauftragung und Vergütung der BZgA durch den GKV-Spitzenverband können sich aus sozial-, verfassungs- und vergaberechtlichen Aspekten ergeben . 1.1. Verletzung des Selbstverwaltungsrechts der GKV? In den Gesetzgebungsverfahren sowohl der derzeitigen als auch der vergangenen Wahlperiode wurde von den Fachverbänden und Sachverständigen auf einen möglichen Eingriff in das Selbstverwaltungsrecht der GKV durch die gesetzlich vorgesehene Beauftragung der BZgA hingewiesen . Entsprechende Bedenken wurden insbesondere durch den GKV-Spitzenverband, den Verband der Ersatzkassen e. V. (vdek), die Gewerkschaft ver.di, den AOK-Bundesverband und die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) geäußert.5 So ging der GKV-Spitzenverband davon aus, dass der GKV durch die Regelung die Entscheidungskompetenzen über die Verwendung ihrer Mittel weitgehend entzogen werde: 3 BR-Drs. 640/14, S. 2. 4 Abrufbar unter: http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/17/130/1713080.pdf (Stand: 11.02.2015). 5 Ausschuss für Gesundheit, Ausschuss-Drs. 17(14)0415(9); 17(14)0415 (11); 17(14)0415 (18); 17(14)0415(25); 17(14)0415(32); abrufbar unter http://webarchiv.bundestag.de/cgi/show.php?fileToLoad=3154&id=1223 (Stand: 11.02.2015). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 128/14 Seite 6 „Die GKV kann und muss auch in Zukunft in Eigenregie eine zweckmäßige und wirtschaftliche Verausgabung der Mittel für die Prävention in Lebenswelten sicherstellen. Grundsätzlich sollte in der Prävention die Selbstverwaltungsautonomie der gesetzlichen Krankenkassen gewahrt bleiben und von verpflichtenden Einflussnahmen auf das Satzungsrecht abgesehen werden.“6 Der vdek ging ebenfalls davon aus, dass die Übertragung der Geschäftsführung der Nationalen Präventionskonferenz an die BZgA ebenso wie die weiteren detaillierten Regelungen des Gesetzes einen Eingriff in das Selbstverwaltungsrecht der GKV darstellen.7 Auch die BDA kritisierte, dass die Krankenkassen über die Verwendung der Beitragszahlungen selbst bestimmen können müssten.8 1.1.1. Inhalt, Umfang und Schutz des Selbstverwaltungsrechts der GKV Um zu beantworten, ob die geplante Neuregelung das Selbstverwaltungsrecht der GKV verletzt, bedarf es zunächst der Feststellung von Inhalt, Umfang und Schutz des Selbstverwaltungsrechts der GKV. Wie sich aus § 29 Abs. 1 SGB IV für die Sozialversicherungsträger im Allgemeinen und aus § 4 Abs. 1 SGB V für die GKV im Besonderen ergibt, agieren Sozialversicherungsträger als rechtsfähige Körperschaften des öffentlichen Rechts mit Selbstverwaltung. Auf verfassungsrechtlicher Ebene findet die Organisation der Sozialversicherungsträger als Körperschaften des öffentlichen Rechts in der Kompetenznorm des Art. 87 Abs. 2 GG Erwähnung.9 Die Selbstverwaltung bezeichnet eine selbstständige Wahrnehmung zugeordneter, öffentlicher Aufgaben durch unterstaatliche juristische Personen des öffentlichen Rechts, die im vorgegebenen Rahmen selbstständig, nicht weisungsgebunden und im eigenen Namen handeln.10 Mit der Selbstständigkeit geht die Einräumung von Spielräumen bei der Wahrnehmung der Aufgaben einher.11 Die Selbstverwaltung ist ein tragender Organisationsgrundsatz des Sozialversicherungsrechts .12 Sie gilt in Form der Mitwirkung an Organisation, Kontrolle und Einfluss als Ausgleich 6 Ausschuss für Gesundheit, Ausschuss-Drs. 17(14)0415(18), S. 5. 7 Stellungnahme des vdek zum Referentenentwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Gesundheitsförderung und der Prävention vom 31. Oktober 2014, S. 7, 22 f.; abrufbar unter http://www.vdek.com/politik/stellungnahmen /_jcr_content/par/download_14/file.res/141120_Stellungnahme%20Pr%C3%A4vention_vdek.pdf (Stand: 11.02.2015). 8 Ausschuss für Gesundheit, Ausschuss-Drs. 17(14)0415(9), S. 2. 9 Siehe auch Sodan/Schüffner/Franck, Handbuch des Krankenversicherungsrechts, § 36 Rn. 115. 10 Fuchs/Preis, Sozialversicherungsrecht, § 14, S. 209; SRH/Becker, § 13 Rn. 4 f. 11 SRH/Becker, § 13 Rn. 35. 12 Fuchs/Preis, Sozialversicherungsrecht, § 14, S. 209. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 128/14 Seite 7 und Kompensation für den Freiheitseingriff, der mit der Pflichtmitgliedschaft in der Sozialversicherung einhergeht.13 Formell bedeutet Selbstverwaltung, dass die Sozialversicherungsträger keiner Fachaufsicht unterliegen 14 und die Ausübung ihres Ermessens somit keiner Zweckmäßigkeitskontrolle unterliegt.15 Dem Selbstverwaltungsgedanken entsprechend stehen sie jedoch unter staatlicher Rechtsaufsicht , die sich auf die Beachtung der Gesetze und des sonstigen Rechts, das für die Versicherungsträger maßgebend ist, erstreckt (vgl. § 87 Abs. 1 S. 2 SGB IV).16 Die Rechtsaufsicht für die Krankenkassen auf Bundesebene obliegt gemäß § 90 Abs. 1 S. 1 SGB IV dem Bundesversicherungsamt und für den GKV-Spitzenverband dem BMG, § 217d SGB V. Das Selbstverwaltungsrecht kommt sowohl den einzelnen Krankenkassen als auch in gemeinsamer Form den Kassenverbänden zu.17 In der Ausübung des Selbstverwaltungsrechts sind die Sozialversicherungsträger an Recht und Gesetz gebunden, wie sich im Allgemeinen aus Art. 20 Abs. 3 GG und im Speziellen aus § 29 Abs. 3 SGB IV ergibt. Selbstverwaltung findet somit in dem Rahmen statt, in dem den Sozialversicherungsträgern Aufgaben durch das Sozialversicherungsrecht übertragen werden, und damit nur, soweit sie ausdrücklich gesetzlich vorgesehen ist.18 Dies gilt insbesondere in den Bereichen, in denen auf gesetzlicher Grundlage Satzungen und autonomes Recht erlassen werden können19 (vgl. etwa §§ 11 Abs. 6, 53, 194, 242 SGB V). Ferner ergeben sich Entscheidungsspielräume in der Binnenorganisation der Sozialversicherungsträger.20 Der Schwerpunkt der Selbstverwaltung liegt damit auch laut Bundessozialgericht (BSG) insbesondere bei der internen Organisation, bei der Durchführung der Verwaltung und im Finanzwesen.21 13 Welti, SGb 2011, 485 (488); ders., VSSR 2006, 133 (138 f.). 14 Welti, VSSR 2006, 133 (134). 15 Vgl. zur Abgrenzung von Fach- und Rechtsaufsicht nur die entsprechenden Legaldefinitionen in Art. 109 der bayrischen Gemeindeordnung. 16 Vgl. dazu auch SRH/Becker, § 13 Rn. 42. 17 Welti, SGb 2011, 485 (486). 18 Fuchs/Preis, Sozialversicherungsrecht, § 14, S. 209 f.; SRH/Becker, § 13 Rn. 39 f. 19 Muckel, NZS 2002, 118 (125); SRH/Becker, § 13 Rn. 40. 20 Fuchs/Preis, Sozialversicherungsrecht, § 14, S. 210; Sodan/Schüffner/Franck, Handbuch des Krankenversicherungsrechts , § 36 Rn. 18. 21 BSG, Urteil vom 17. Juli 1985 – 1 RS 6/83 –BSGE 58, 247 Rn. 24; s. a. Fuchs/Preis, Sozialversicherungsrecht, § 14, S. 210. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 128/14 Seite 8 In der rechtswissenschaftlichen Literatur wird beklagt, dass die Spielräume für eigenständige Entscheidungen gerade im Bereich der GKV sehr beschränkt seien.22 Aber auch das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) ist in seinen Entscheidungen zur Grundrechtsfähigkeit der AOK23 und zum Risikostrukturausgleich24 davon ausgegangen, dass die Hauptaufgabe der Sozialversicherungsträger im Vollzug der Sozialgesetzgebung liege und Selbstverwaltung insbesondere bestehe, soweit es um die im Rahmen des Gesetzes bestehende organisatorische Selbstständigkeit gehe.25 Im Übrigen seien die Freiräume sehr begrenzt: „Ganz im Gegenteil ist zu konstatieren, dass den Krankenkassen Selbstverwaltung im Sinne eines Freiraumes für eigenverantwortliches Handeln nur in außerordentlich bescheidenem Umfang eingeräumt ist. […] Die staatliche Regelungsdichte ist derart hoch, dass den Sozialversicherungsträgern eine eigenverantwortliche Gestaltung des Satzungs-, Organisations-, Beitrags- und Leistungsrechts weitgehend verwehrt ist.“26 Auf finanzieller Ebene steht die Trennung des Vermögens der Sozialversicherungsträger vom allgemeinen Staatshaushalt im Zentrum ihrer Unabhängigkeit, vgl. §§ 67 ff. SGB IV .27 Ein konkreter Bestand von Selbstverwaltungsaufgaben ist verfassungsrechtlich jedoch nicht vorgegeben .28 Daher kommt dem Gesetzgeber hinsichtlich der Überlassung von Selbstverwaltungsspielräumen oder der Rücknahme bereits übertragener Aufgaben ein erheblicher Gestaltungsspielraum zu.29 Dies bekräftigte auch das BVerfG in seinem Urteil zum „Risikostrukturausgleich“: „Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist dem Grundgesetz eine Verfassungsgarantie des bestehenden Systems der Sozialversicherung oder doch seiner tragenden Organisati- 22 Fuchs/Preis, Sozialversicherungsrecht, § 14, S. 210; Sodan/Schüffner/Franck, Handbuch des Krankenversicherungsrechts , § 36 Rn. 29. 23 BVerfG, Beschluss vom 09. April 1975 – 2 BvR 879/73 – BVerfGE 39, 302. 24 BVerfG, Beschluss vom 9. 6. 2004 – 2 BvR 1248/03 u.a. – NZS 2005, 139 ff. 25 BVerfG, Beschluss vom 09. April 1975 – 2 BvR 879/73 – BVerfGE 39, 302 Rn.; BVerfG, Beschluss vom 9. 6. 2004 – 2 BvR 1248/03 u.a. – NZS 2005, 139 Rn. 6. 26 BVerfG, Beschluss vom 9. 6. 2004 – 2 BvR 1248/03 u.a. – NZS 2005, 139, Rn. 14. 27 SRH/Becker, § 13 Rn. 45. 28 Fuchs/Preis, Sozialversicherungsrecht, § 14, S. 209; SRH/Becker, § 13 Rn. 12, 39. 29 Sodan/Schüffner/Franck, Handbuch des Krankenversicherungsrechts, § 36 Rn. 27; SRH/Becker, § 13 Rn. 12; Welti, SGb 2011, 485 (488); siehe auch die Ausführungen des BVerfG zum „weitreichenden sozialpolitischen Gestaltungsspielraum“ des Gesetzgebers, Beschluss vom 9. 6. 2004 – 2 BvR 1248/03 u.a. – NZS 2005, 139, Rn. 12. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 128/14 Seite 9 onsprinzipien nicht zu entnehmen. Sozialpolitische Entscheidungen des Gesetzgebers sind hinzunehmen , solange seine Erwägungen weder offensichtlich fehlsam noch mit der Wertordnung des Grundgesetzes unvereinbar sind.“30 Dementsprechend gibt es auch keinen Schutz vor derartigen Beschneidungen durch den Gesetzgeber , sondern allein vor Übergriffen der Aufsichtsbehörden in gesetzlich zugesicherte Kompetenzbereiche .31 Das BVerfG betont also, dass es keine verfassungsrechtlich verankerte Bestandsgarantie der existierenden Sozialversicherungsträger und ihrer organisatorischen Ausgestaltung gebe.32 Im Schrifttum wird davon ausgegangen, dass zumindest das Selbstverwaltungsrecht als solches rechtlich geschützt sei.33 Zwar sei eine weitgehende Aufgabenbeschneidung durch den Gesetzgeber möglich – eine Mitwirkung müsse jedoch weiterhin stattfinden.34 So frei der Gesetzgeber in der Ausgestaltung im Übrigen auch sei, müsse er den Sozialversicherungsträgern jedenfalls ein „Mindestmaß an Eigenverantwortung“ überlassen.35 Dieses Recht wird zum Teil einfachgesetzlich aus § 29 SGB IV bzw. § 4 SGB hergeleitet36 und zum Teil als verfassungsrechtlich in der Kompetenznorm des Art. 87 Abs. 2 GG verankert angesehen.37 1.1.2. Beschränkung bzw. Verletzung des Selbstverwaltungsrechts der GKV durch die vorgesehene Neuregelung? Für die Annahme einer Beschränkung des Selbstverwaltungsrechts durch die Gesetzesnovelle spricht, dass die Regelung des § 20a SGB V-RegE zu einem Kontrahierungszwang38 des GKV-Spitzenverbands mit der BZgA führt. Dieser ergibt sich aus § 20a Abs. 3 SGB V-RegE, der eine Beauftragung der BZgA durch den GKV- Spitzenverband zur Unterstützung der Krankenkassen bei der Wahrnehmung ihrer Präventionsaufgaben vorsieht, die – wie bereits dargelegt – pauschal in Höhe von mindestens einem Viertel 30 BVerfG, Beschluss vom 9. 6. 2004 – 2 BvR 1248/03 u.a. – NZS 2005, 139, Rn. 12. 31 Sodan/Schüffner/Franck, Handbuch des Krankenversicherungsrechts, § 36 Rn. 119 f. 32 BVerfG, Beschluss vom 09. April 1975 – 2 BvR 879/73 – BVerfGE 39, 302, Rn. 73 f. S. dazu auch SRH/Becker, § 13 Rn. 11; Sodan/Schüffner/Franck, Handbuch des Krankenversicherungsrechts, § 36 Rn. 116. 33 SRH/Becker, § 13 Rn. 12; zum Schutz des Selbstverwaltungsrechts der Krankenkassen Sodan/Schüffner/Franck, Handbuch des Krankenversicherungsrechts, § 36 Rn. 118. 34 SRH/Becker, § 13 Rn. 12. 35 SRH/Becker, § 13 Rn. 12. 36 Sodan/Schüffner/Franck, Handbuch des Krankenversicherungsrechts, § 36 Rn. 118. 37 SRH/Becker, § 13 Rn. 12. 38 Mit diesem Begriff wurde die Regelung auch von Prof. Dr. Raimund Geene (Professur für Kindergesundheit, Hochschule Magdeburg-Stendal) in der öffentlichen Anhörung am 10.05.2013 vor dem Gesundheitsausschuss bezeichnet, Ausschuss-Drs. 17(14)0415(36), S. 8. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 128/14 Seite 10 des Betrags vergütet werden soll, den die Krankenkassen laut SGB V für Leistungen zur Gesundheitsförderung und Prävention aufzuwenden haben. Da damit Auftragnehmer, Auftragsinhalt und Auftragssumme für den GKV-Spitzenverband gesetzlich vorgeschrieben sind, führt die Regelung zu einem weitreichenden Kontrahierungszwang und damit auch zu einer Beschränkung der Selbstverwaltungsfreiheit der GKV. Diese Beschränkung wird auch nicht dadurch aufgehoben, dass der GKV-Spitzenverband in den Details der Vereinbarung frei ist (vgl. § 20a Abs. 4 S. 1 SGB V-RegE: „Das Nähere über die Beauftragung […] vereinbaren der Spitzenverband Bund der Krankenkassen und die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung […].“). Denn die Regelung sieht vor, dass die BZgA Präventionsleistungen auch ohne Vorliegen eines Auftrags auf Kosten des GKV-Spitzenverbandes erbringt, wenn eine Vereinbarung bis zum Ablauf einer gesetzlich bestimmten Frist nicht geschlossen wird (vgl. § 20a Abs. 4 S. 2 SGB V-RegE). Überwiegende Gründe sprechen aber dagegen, dass die vorgesehene Regelung das Selbstverwaltungsrecht der GKV in rechtswidriger Weise verletzt. Soweit der Handlungsspielraum des GKV- Spitzenverbands und der Krankenkassen durch den Kontrahierungszwang eingeschränkt wird, geschieht dies im zulässigen Rahmen. So besteht, wie bereits dargelegt, kein Bestandsschutz hinsichtlich vorhandener Handlungsspielräume, soweit die diesen Spielraum einschränkenden Gesetze nicht „offenbar fehlsam“ oder mit dem Grundgesetz unvereinbar sind. Zwar hat der GKV-Spitzenverband die Eignung der BZgA für die Unterstützung lokaler Präventionsvorhaben im Rahmen des Gesetzgebungsprozesses der letzten Wahlperiode in Zweifel gezogen .39 Daneben wies auch Prof. Dr. Raimund Geene als Sachverständiger vor dem Gesundheitsausschuss darauf hin, dass die Art der Durchführung des Auftragsverhältnisses zwischen dem GKV-Spitzenverband und der BZgA, einer bundesunmittelbaren, der Fachaufsicht des BMG unterstehenden Bundesoberbehörde, insgesamt unklar sei.40 Die Erläuterung in der Begründung des Gesetzentwurfs,41 dass der Auftraggeber berechtigt sei, die Ausführung des Auftrags jederzeit zu prüfen und die BZgA an seine Auffassung zu binden, sei insoweit ungenügend: „Zwar kann die BZgA als Bundesoberbehörde mit einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft eng kooperieren, eine Bindung kann allerdings keinesfalls grundsätzlich, sondern allenfalls einzeln und projektbezogen erfolgen.“42 In diesem Zusammenhang wurde auch auf ein Missverhältnis zwischen dem geplanten Auftragsvolumen von 35 Millionen Euro und dem bisherigen Haushalt der BZgA hingewiesen .43 39 Vgl. etwa die Stellungnahme des GKV-Spitzenverbands zum PrävG a.F. im Ausschuss für Gesundheit, Ausschuss -Drs. 17(14)0415 (18), S. 18. 40 Ausschuss für Gesundheit, Ausschuss-Drs. 17(14)0415(36), S. 8. 41 Vgl. die entsprechende Formulierung im aktuellen Gesetzentwurf, BR-Drs. 640/14, S. 43. 42 Ausschuss für Gesundheit, Ausschuss-Drs. 17(14)0415(36), S. 8. Ähnlich die Stellungnahme des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), Ausschuss-Drs. 17(14)0415(28), S. 6. 43 Stellungnahme des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), Ausschuss-Drs. 17(14)0415(28), S. 6. Danach betrug der Haushalt der BZgA im Jahr 2014 knapp 31 Millionen Euro. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 128/14 Seite 11 Trotz dieser Einwände ist die Beauftragung einer schon bisher ausschließlich mit gesundheitlicher Aufklärung und Vorbeugung befassten Bundesanstalt, so wie sie jetzt vorgesehen ist, zumindest nicht „offenbar fehlsam“. Offen bleibt jedoch, ob durch die spätere konkrete Ausgestaltung der Beauftragung die Grenze zur Verletzung des Selbstverwaltungsrechts überschritten wird. Da das Selbstverwaltungsrecht lediglich im Hinblick auf Kompetenzüberschreitungen der Aufsichtsbehörde geschützt wird und nicht im Hinblick auf gesetzgeberisches Handeln (wie z. B. die Verabschiedung des geplanten PrävG), verletzt die Neuregelung das Selbstverwaltungsrecht der GKV nicht. Durch die Regelung kommt es auch nicht zu einer vollständigen Aufhebung der Garantie der Selbstverwaltung als solcher. Denn obwohl es durch Einführung des § 20a SGB V-RegE zu einer Einschränkung der Handlungsfreiheit kommt, verbleiben der GKV innerhalb der gesetzlichen Vorgaben Ausgestaltungsspielräume. So legt der GKV-Spitzenverband nach § 20 Abs. 2 S. 1 SGB V-RegE etwa die Handlungsfelder und Kriterien der Leistungen zur Prävention und Gesundheitsförderung , die der Beauftragung der BZgA zugrunde liegen, selbst fest. Damit ist der GKV-Spitzenverband in der inhaltlichen Ausgestaltung des Auftragsverhältnisses zumindest in Teilen frei. 1.1.3. Verletzung der Finanzautonomie der GKV? Das Selbstverwaltungsrecht der Sozialversicherungsträger schützt auch die Trennung ihres Vermögens vom Staatshaushalt, vgl. §§ 67 ff. SGB IV.44 Die Verletzung dieser Finanzautonomie und des Haushaltsrechts der GKV durch die Beauftragung der BZgA wurde im Gesetzgebungsverfahren der vergangenen Wahlperiode vom Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) und der Gewerkschaft ver.di ausdrücklich moniert.45 Hinsichtlich einer entsprechenden Verletzung muss jedoch gelten, was bereits zum Selbstverwaltungsrecht der GKV im Allgemeinen ausgeführt worden ist: So ist auch die Finanzautonomie einer Selbstverwaltungskörperschaft nur im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben gewährleistet. Diese Autonomie wird durch die hier in Frage stehende Regelung zwar zu Lasten der GKV verkürzt, nicht aber vollständig aufgehoben. Eine andere Bewertung kann sich auch bei Untersuchung der gesetzlichen Regelungen zum Haushalts- und Rechnungswesen nicht ergeben. So obliegt es gemäß § 67 SGB IV zwar den Sozialversicherungsträgern selbst, einen Haushaltsplan mit allen Ausgaben und Einnahmen zu erstellen . Aus der Regelung ergibt sich jedoch nicht, dass etwa über jede Verwendung der Ausgaben frei bestimmt werden könnte. Dementsprechend finden sich im SGB V schon bisher verschiedene gesetzliche Festlegungen, für welche Zwecke die GKV Teile ihrer Beiträge zu verwenden hat: So sieht etwa die Regelung des § 65b SGB V vor, dass der GKV-Spitzenverband solche Einrichtungen finanziell fördert, die Verbraucherinnen und Verbraucher in gesundheitlichen und gesundheitsrechtlichen Fragen kostenfrei informieren und beraten (Abs. 1 S. 1). Wie im Rahmen der geplanten gesetzlichen Beauftragung der BZgA ist auch in diesem Kontext die konkrete Fördersumme gesetzlich vorgeschrieben 44 SRH/Becker, § 13 Rn. 45. 45 Ausschuss für Gesundheit, Ausschuss-Drs. 17(14)0415(28), S. 7; 17(14)0415(32), S. 5. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 128/14 Seite 12 (Abs. 2 S. 1), ohne dass es dadurch zu einer Beeinträchtigung der Finanzautonomie der GKV kommt. 1.1.4. Verletzung des Selbstverwaltungsrechts durch die Ausgestaltung der nationalen Präventionskonferenz ? Auch durch die geplante Ausgestaltung der nationalen Präventionskonferenz wird das Selbstverwaltungsrecht der GKV nicht verletzt. Zwar sieht § 20d SGB V-RegE vor, dass die Krankenkassen die sog. nationale Präventionsstrategie gemeinsam mit den Trägern der gesetzlichen Rentenversicherung, der Unfallversicherung und der Pflegekassen im Rahmen der nationalen Präventionskonferenz (§ 20e SGB V-RegE) entwickeln und fortschreiben. Dies führt aber nicht dazu, dass andere Sozialversicherungsträger ohne eigene finanzielle Beteiligung über die Verwendung der Beitragsgelder der GKV mitbestimmen dürfen.46 Denn im Rahmen der nationalen Präventionskonferenz wird nicht durch andere Sozialversicherungsträger über die Verwendung der Beitragsgelder allein der GKV entschieden. Vielmehr verfolgen die weiteren beteiligten Sozialversicherungsträger ausweislich des Gesetzentwurfs ebenfalls präventive Ziele und tragen auch finanziell zur Umsetzung der nationalen Präventionsstrategie bei.47 Dementsprechend wird in der Begründung des Gesetzentwurfs ausdrücklich darauf hingewiesen , dass die Leistungs- und Finanzverantwortung der jeweiligen Träger durch die Regelung unberührt bleibt.48 Die (finanzielle) Beteiligung weiterer Sozialversicherungsträger an der Umsetzung der nationalen Präventionsstrategie ergibt sich auch aus der ebenfalls im PrävG-RegE vorgesehenen Änderung des SGB XI. So sollen nach Art. 6 des PrävG-RegE auch die Pflegekassen zu erhöhten Präventionsausgaben und -aufgaben verpflichtet werden, mit denen sie sich an der nationalen Präventionsstrategie beteiligen.49 Der Gesetzgeber hat also für den Bereich der Pflegekassen dafür gesorgt, dass diese auch einen (finanziellen) Beitrag leisten. Somit kommt es nicht zu einer Entscheidung anderer Sozialversicherungsträger über die Verwendung der Beiträge der GKV. Vielmehr ist ein Verfahren vorgesehen, in dem sich die Sozialversicherungsträger untereinander abstimmen. Allein eine gewisse Vorfestlegung, die in der Natur einer gegenseitigen Abstimmung liegt, vermag eine Beeinträchtigung des Selbstverwaltungsrechts der GKV nicht zu begründen. 46 So aber Stellungnahme des vdek zum Referentenentwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Gesundheitsförderung und der Prävention vom 31. Oktober 2014, S. 22; abrufbar unter http://www.vdek.com/politik/stellungnahmen /_jcr_content/par/download_14/file.res/141120_Stellungnahme%20Pr%C3%A4vention_vdek.pdf (Stand: 11.02.2015). 47 BR-Drs. 640/14, S. 37. 48 BR-Drs. 640/14, S. 37. 49 BR-Drs. 640/14, S. 13. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 128/14 Seite 13 Eine rechtswidrige Verletzung des Selbstverwaltungsrechts bzw. der Finanzautonomie kann daher ausgeschlossen werden. 1.2. Verfassungsmäßigkeit der Beauftragung der BZgA unter dem Gesichtspunkt der Fremdlasten in der Sozialversicherung Die verfassungsrechtliche Zulässigkeit der Beauftragung der BZgA könnte fraglich sein, soweit diese als zweckfremde Verwendung von Versicherungsbeiträgen anzusehen wäre. Entsprechende Zweifel wurden im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens der vergangenen Wahlperiode laut. Im Zentrum der Kritik stand damals, dass die Präventionsmaßnahmen keinen Bezug zum Versicherungsverhältnis aufwiesen50 und mit der Beauftragung der BZgA gesamtgesellschaftliche Aufgaben aus Sozialversicherungsbeiträgen finanziert würden, obwohl für diese Steuermittel zur Verfügung stünden.51 1.2.1. Definition versicherungsfremder Leistungen In der Fachliteratur werden die Termini „versicherungsfremde Leistungen“52 und „Fremdlasten“ synonym verwendet.53 Von den Begriffen erfasst sind Leistungen der Sozialversicherung, die Interessen befriedigen, welche außerhalb der Solidargemeinschaft der Beitragszahler bestehen und Risiken abdecken, welche außerhalb der Zuordnung zur Sozialversicherung liegen.54 Dies ist insbesondere bei Leistungen der Fall, die Dritten oder der Allgemeinheit zugutekommen.55 Da die solidarische Umverteilung in der Natur der Sozialversicherung liegt, muss zwischen individuellen Versicherungsbeiträgen und Versicherungsleistungen jedoch keine strenge Äquivalenz bestehen.56 Als versicherungsfremd sind daher nur diejenigen Lasten einzuordnen, die weder durch den individuellen Risikoausgleich noch durch den gemeinschaftlichen Solidarausgleich 50 Stellungnahme der Bundesvereinigung deutscher Arbeitgeberverbände, Ausschuss für Gesundheit, Ausschuss- Drs. 17(14)0415(9), S. 1. 51 Stellungnahme des Sozialverbands Deutschland e. V., Ausschuss für Gesundheit, Ausschuss- Drs. 17(14)0417(10), S. 2. Auch jüngste Stellungnahmen der Bundesregierung lassen erkennen, dass sie die Gesundheitsförderung nach dem Settingansatz als eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe versteht, vgl. BT-Drs. 18/1253, S. 33. 52 In § 221 Abs. 1 SGB V wird der Begriff der „versicherungsfremden Leistungen“ verwendet, aber nicht definiert. Auch die Gesetzgebungsmaterialien enthalten keine Definition, vgl. Becker/Kingreen/Rixen, SGB V, § 221 Rn. 3, KassKomm/Peters, SGB V, § 221 Rn. 5. Siehe zur fehlenden gesetzlichen Definition auch BSG, Urteil vom 02. September 2009 – B 12 KR 4/08 R – BSGE 104, 143 Rn. 17. 53 Butzer, Fremdlasten in der Sozialversicherung, S. 39. 54 Leisner, NZS 1996, 97 (100); Rolfs, NZS 1998, 551 (554); siehe auch Becker/Kingreen/Rixen, SGB V, § 221 Rn. 4. 55 Rolfs, NZS 1998, 551 (554 f.). 56 Rolfs, NZS 1998, 551 (555). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 128/14 Seite 14 legitimiert werden57 und die den Sozialversicherungsträgern als Leistungsverpflichtung ohne finanzielle Kompensation durch den Gesetzgeber übertragen werden.58 Als klassische Fremdlasten in der GKV werden die Leistungen rund um die künstliche Befruchtung (§ 27a SGB V), Schwangerschaftsabbruch und Sterilisation (§ 24b SGB V), die Erstattung von Fahrtkosten (§ 60 SGB V) sowie die Einbeziehung Dritter in den Versicherungsschutz genannt .59 Vorliegend steht zwar nicht die Aufgabe der Prävention als versicherungsfremde Leistung in Frage, sondern ihre konkrete Ausgestaltung durch die Beauftragung der BZgA. In der Literatur werden neben konkreten Leistungen jedoch auch besondere Ausgestaltungsweisen derselben als Fremdlasten anerkannt; so etwa die Kostentragung für die Errichtung und den Betrieb krankenhausbezogener Ausbildungsstätten.60 1.2.2. Verfassungsrechtliche Prüfung Grundlage der verfassungsrechtlichen Relevanz von Fremdlasten ist der Umstand, dass der Sozialversicherungsbeitrag als Sonderlast einer besonderen Legitimation bedarf.61 Von besonderer Bedeutung ist in diesem Zusammenhang der allgemeine Gleichheitssatz, Art. 3 Abs. 1 GG. Dieser wird durch die Erhebung von Sozialversicherungsbeiträgen berührt: So besteht (unter anderem) eine rechtfertigungsbedürftige Ungleichbehandlung der Beitragszahler in der Sozialversicherung gegenüber denjenigen Staatsbürgern, die keine Sozialversicherungsbeiträge erbringen müssen.62 Dieser Aspekt wird unter dem Stichwort der „Belastungsgleichheit“63 diskutiert , dem ein Belastungsvergleich der Sozialversicherten mit der Gesamtheit der Steuerpflichtigen zugrunde liegt.64 Grundsätzlich muss der Gesetzgeber daher rechtfertigen, weshalb die Sozialversicherten und nicht die Allgemeinheit mit der finanziellen Verantwortung für eine Aufgabe belastet werden. 57 Rolfs, NZS 1998, 551 (556). 58 Butzer, Fremdlasten in der Sozialversicherung, S. 98. 59 Butzer, Fremdlasten in der Sozialversicherung, S. 66 f. m. w. N. 60 Butzer, Fremdlasten in der Sozialversicherung, S. 67. 61 Hoehl, NZS 2007, 293 (295). 62 Butzer, Fremdlasten in der Sozialversicherung, S. 333. 63 Rolfs, NZS 1998, 551 (552). 64 Rolfs, NZS 1998, 551 (553). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 128/14 Seite 15 In seinem Urteil vom 29.01.1998 zur Finanzierung versicherungsfremder Leistungen mit Rentenversicherungsbeiträgen im Rahmen der Herstellung der deutschen Einheit65 hat das BSG eine Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes abgelehnt und dies auf die Kompetenznorm des Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG (konkurrierende Gesetzgebungskompetenz des Bundes für die Sozialversicherung ) gestützt. Die Ungleichbehandlung der Beitragszahler gegenüber der Allgemeinheit der Steuerpflichtigen sei gerechtfertigt, soweit sich der Gesetzgeber bei der Aufgabenzuweisung und Finanzierung innerhalb der ihm von Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG gesetzten Grenzen bewege: „Wenn der Gesetzgeber die Kompetenz hat, die Sozialversicherung zu regeln und Beiträge zu erheben, so ist er damit auch befugt, die Beitragszahler in der Sozialversicherung anders als die Mitglieder der Gesamtgesellschaft zu behandeln. Für einen weitergehenden Vergleich der Belastung dieser beiden Gruppen ist Art. 3 Abs. 1 GG kein Maßstab.“66 Eine inhaltliche Prüfung wurde also vom Gericht nicht vorgenommen.67 Vorliegend kann die im PrävG-RegE vorgesehene Neuregelung ebenfalls auf Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG gestützt werden68, da diese dem Strukturtypus „Sozialversicherung“69 entspricht. Auch die Beauftragung der BZgA mit Präventionsleistungen zugunsten gesetzlich Versicherter betrifft die Erfüllung der gesetzlich der GKV zugeschriebenen Aufgaben. Der Einwand, Prävention sei keine Aufgabe der GKV, sondern der gesamten Gesellschaft,70 ist hingegen nach Maßgabe des BSG für die Beurteilung der Gesetzgebungskompetenz unerheblich: „Es gibt verfassungsrechtlich keinen Maßstab für die Unterscheidung, was (Finanzierungs-)Aufgabe der Gesamtgesellschaft ist und was vom Gesetzgeber zulässigerweise der Sozialversicherung als eigene Aufgabe zur Finanzierung durch Beiträge zugewiesen wird. […] Eine Abgrenzung zwi- 65 BSG, Urteil vom 29. Januar 1998 – B 12 KR 35/95 R – BSGE 81, 276. 66 BSG, Urteil vom 29. Januar 1998 – B 12 KR 35/95 R – BSGE 81, 276, Rn. 35. 67 Kritisch Rolfs, NZS 1998, 551 (553): „Die Art. 70 ff. GG […] entbinden aber […] nicht von der Einhaltung der Verfassung im übrigen; natürlich muss jedes Bundesgesetz sich an den Grundrechten, auch an Art. 3 I GG, messen lassen. […] Allein die Tatsache, dass der Bund durch Art. 74 I Nr. 12 GG befugt ist, dem Versicherten Beitragspflichten zur Sozialversicherung aufzuerlegen, gestattet ihm nicht, dies in gleichheitswidriger Weise zu tun.“; siehe auch Butzer, Fremdlasten in der Sozialversicherung, S. 20 m. w. N. In seinem Urteil vom 11. Oktober 2011 befasste sich das BSG hingegen kurz mit der materiellen Begründung und Verhältnismäßigkeit der Beitragspflicht , BSG, Urteil vom 11. Oktober 2001 - B 12 KR 19/00 R - juris, Rn. 25. Siehe dazu auch Bieback, in: FS 50 Jahre BSG, S. 117 (132). 68 So auch die Begründung zum Präv-RegE, BR-Drs. 640/14, S. 22. 69 Vgl. dazu Butzer, Fremdlasten in der Sozialversicherung, S. 643. 70 Siehe etwa die Stellungnahme des vdek zum Referentenentwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Gesundheitsförderung und der Prävention vom 31. Oktober 2014, S. 6; abrufbar unter http://www.vdek.com/politik/stellungnahmen /_jcr_content/par/download_14/file.res/141120_Stellungnahme%20Pr%C3%A4vention_vdek.pdf (Stand: 11.02.2015). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 128/14 Seite 16 schen den Aufgaben der Sozialversicherung und den Aufgaben der Gesamtgesellschaft ist verfassungsrechtlich nicht im Einzelnen vorgegeben, sondern politischer Natur und vom Gesetzgeber zu treffen.“71 Auch das BVerfG hat sich bereits mit der Belastungsgleichheit der Bürger in Zusammenhang mit der Sozialversicherungspflicht auseinandergesetzt. Es geht davon aus, dass der Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG einen „sachlich einleuchtenden Grund“ dafür verlange, dass die Sozialversicherungspflichtigen im Unterschied zu den übrigen Staatsbürgern über die allgemeine Steuerpflicht hinaus zu einer Abgabe herangezogen werden. Dies gelte insbesondere dann, wenn die Abgabe weder dem Beitragszahler selbst noch seiner Gruppe zugutekommt und ihm vielmehr als fremdnützige Abgabe auferlegt wird, die sozialen Ausgleich und Umverteilung zum Ziel hat und herstellt.72 Die besondere Rechtfertigung der Ungleichbehandlung kann sich laut BVerfG bei fremdnützigen Sozialversicherungsbeiträgen aus „spezifischen Solidaritätsbeziehungen und Verantwortlichkeitsbeziehungen zwischen Zahlungsverpflichteten und Versicherten“ ergeben.73 Auch wenn eine versicherungsmathematische Äquivalenz zwischen den entrichteten Beiträgen und der Höhe der Leistungen nicht erreicht werden könne, so liege ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG jedenfalls dann vor, wenn für Äquivalenzabweichungen bei Versichertengruppen mit gleicher Beitragsleistung ein hinreichender sachlicher Grund nicht ersichtlich sei.74 Für die verfassungsrechtliche Zulässigkeit entsprechender Beitragserhebungen ist mit dem BVerfG somit ein sachlich einleuchtender Grund,75 etwa in Form eines Solidaritäts- und Verantwortlichkeitsbezugs zwischen Beitragszahler und Versichertem, erforderlich. Auch in der Literatur wird die Bedeutung einer spezifischen Verantwortung der Beitragszahler für die Rechtfertigung der Lastenauferlegung betont.76 Die Beitragserhebung sei nur gerechtfertigt, soweit die Solidargemeinschaft der Versicherten in einer besonderen Verantwortungsbeziehung zu dem die Leistungspflicht auslösenden Risiko stehe.77 Fremdnützige Beitragslasten könnten nur durch den sozialen Ausgleich gerechtfertigt werden, soweit eine „besondere Verpflichtung zu wechselseitiger Solidarität“ bestehe.78 Dafür müsse die Beitragspflicht eine homogene, abgrenzbare Gruppe treffen. Dieser Gruppe müsse zudem eine persönliche Verantwortung für die 71 BSG, Urteil vom 29. Januar 1998 – B 12 KR 35/95 R – BSGE 81, 276, Orientierungssätze 1 und 2, vgl. auch Rn. 29, 31. 72 BVerfG, Beschluss vom 08. April 1987 – 2 BvR 909/82 et al. – BVerfGE 75, 108. 73 BVerfG, Beschluss vom 08. April 1987 – 2 BvR 909/82 et al. – BVerfGE 75, 108. 74 BVerfG, Beschluss vom 11. Januar 1995 – 1 BvR 892/88 – BVerfGE 92, 53. 75 Siehe dazu auch Rolfs, NZS 1998, 551 (553). 76 Rolfs, NZS 1998, 551 (552). 77 Rolfs, NZS 1998, 551 (558). 78 Butzer, Fremdlasten in der Sozialversicherung, S. 572. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 128/14 Seite 17 Aufgabe zukommen, die stärker als die der Gesamtbevölkerung sei. Schließlich müsse die Übertragung der Aufgabe dem Grundsatz der Subsidiarität gerecht werden. Es müssten daher Gründe dafür vorliegen, warum die Aufgabe nicht dem Individuum oder der Gesamtgesellschaft übertragen werde.79 Unter den genannten Voraussetzungen ist eine Bewertung der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der Erhebung von Beiträgen, soweit diese zur Finanzierung der Beauftragung der BZgA verwendet werden, möglich: Wie dargestellt, erfordert die mit einer Ungleichbehandlung einhergehende Beitragserhebung nach der Rechtsprechung des BVerfG einen sachorientierten Grund sowie einen gewissen Solidaritäts - und Verantwortlichkeitsbezug. Für das Vorhandensein nachvollziehbarer, sachorientierter Gründe sprechen sowohl die direkt der Versichertengemeinschaft zukommenden Vorteile der Präventionsarbeit als auch die Expertise der BZgA in der Präventionsarbeit.80 Ein Solidaritätsund Verantwortlichkeitsbezug ergibt sich aus dem Interesse der Gemeinschaft der Krankenversicherten an der Gesunderhaltung ihrer Mitglieder. Auch bei Zugrundelegung der Anforderungen, die in der Fachliteratur genannt werden, bewegt sich die gesetzliche Beauftragung der BZgA in den Grenzen der verfassungsgemäßen Wahrung der Beitragsgleichheit. Jedenfalls wenn die konkrete Ausgestaltung der Präventionsarbeit der BZgA sich gezielt an gesetzlich Krankenversicherte richtet, ist die Beauftragung nicht als verfassungswidrige Fremdlast zu qualifizieren. Die Gruppe der gesetzlich krankenversicherten Bürger stellt eine gegenüber der Allgemeinheit abgrenzbare, homogene Gruppe dar. Auch die besondere persönliche Verantwortung der Gruppe der gesetzlich Krankenversicherten für die Präventionsaufgaben zugunsten gesetzlich Versicherter kann wie dargestellt begründet werden: So besteht gerade im Rahmen einer solidarisch ausgestalteten Pflichtversicherung ein Interesse jedes Einzelnen an der Gesunderhaltung aller Mitglieder . Steigende Kosten für besonders kranke Mitglieder, die durch Prävention hätten verhindert werden könnten, wirken sich in einem solidarischen System direkt zu Lasten aller Mitglieder aus. Insofern besteht auch das erforderliche sachliche Interesse der finanziell belasteten Gruppe zur Prävention in Lebenswelten, jedenfalls sofern sich diese gezielt an gesetzlich Krankenversicherte richtet, wie dies in § 20a Abs. 3 Satz 1 SGB V-RegE vorgesehen ist. Es ist dieses besondere Interesse der Versichertengemeinschaft, das auch bei Beachtung des Subsidiaritätsprinzips eine Beauftragung der BZgA zur Ausgestaltung der Prävention in Lebenswelten zulässig erscheinen lässt: Zwar ist Prävention auch eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Dies widerspricht jedoch nicht einer Zuweisung dieser Aufgabe zur GKV, soweit es um ihre eigenen Versicherten geht. Insofern bleibt insbesondere die konkrete Ausgestaltung der Präventionsarbeit der BZgA für die GKV in der Praxis abzuwarten: Auch wenn die BZgA bislang vornehmlich mit Kampagnen der Gesundheitsaufklärung für die Allgemeinheit öffentlich in Erscheinung 79 Zum Ganzen Butzer, Fremdlasten in der Sozialversicherung, S. 354-574. 80 In der Begründung des Gesetzentwurfs wird ebenfalls ausdrücklich davon ausgegangen, dass die Beauftragung der BZgA geeignet sei, die Krankenkassen bei der Verminderung sozial bedingter Ungleichheiten und bei der Bezugnahme auf vulnerable Gruppen zu unterstützen, vgl. den Gesetzentwurf zum PrävG, BR-Drs. 640/14, S. 36. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 128/14 Seite 18 getreten ist,81 spricht dies nicht gegen eine zukünftige Konzentration auf die Belange gesetzlich Versicherter bei der Erfüllung der vertraglich vereinbarten Präventionsleistungen für die GKV. Bei einem entsprechenden Zuschnitt kann die Beauftragung der BZgA auch den in der Fachliteratur geforderten, verfassungsrechtlichen Anforderungen gerecht werden. Überwiegende Gründe sprechen deshalb dafür, nicht von einem mit der Regelung einhergehenden Verstoß gegen den Grundsatz der Belastungsgleichheit, so wie er von Art. 3 Abs. 1 GG geschützt wird, auszugehen. Neben der zentral diskutierten Betroffenheit des Gleichheitssatzes durch die zweckwidrige Verwendung zwangsweise erhobener Sozialversicherungsbeiträge wird in Literatur und Rechtsprechung auch der Eingriff in weitere Grundrechte bedacht. So begründe die zwangsweise Erhebung von Sozialversicherungsbeiträgen einen Eingriff in die durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützte Eigentumsgarantie82 und in die von Art. 2 Abs. 1 GG geschützte allgemeine Handlungsfreiheit83 sowie durch die mittelbare Belastung der Berufstätigkeit durch Sozialversicherungsbeiträge in die von Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsfreiheit.84 Da es auch für die Rechtfertigung dieser Eingriffe eines legitimen Zweckes bedarf, in dessen Sinne die jeweilige Freiheit auf verhältnismäßige Art und Weise eingeschränkt werden darf, kann auf die bisherigen Darlegungen verwiesen werden. Soweit die Beauftragung der BZgA dem Wohl der Versicherten und der Solidarität in der Versichertengemeinschaft dient, lässt sich der mit der Beitragserhebung einhergehende Eingriff auch in andere Grundrechte rechtfertigen. 1.3. Verstoß gegen Subventions- und Vergaberecht In ihren Stellungnahmen zu dem PrävG-RegE wurden auch Zweifel an der subventions- und vergaberechtlichen Zulässigkeit der gesetzlichen Beauftragung der BZgA ohne öffentliche Ausschreibung geäußert.85 Nach summarischer Prüfung dürften diese Bedenken jedoch unbegründet sein. Zwar können nach § 69 Abs. 2 SGB V die vergaberechtlichen Vorschriften des Vierten Teils des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) auch auf die Rechtsbeziehungen der Krankenkassen zu Leistungserbringern und ihren Verbänden anwendbar sein. Die Beauftragung der BZgA unterfällt jedoch keinen vergaberechtlichen Vorgaben. Gemäß § 97 Abs. 1 des Gesetzes 81 Siehe zur bisherigen Arbeit der BZgA: http://www.bzga.de/themenschwerpunkte/ (Stand: 11.02.2015). Siehe im Übrigen auch unter 2.1. 82 Butzer, Fremdlasten in der Sozialversicherung, S. 347. 83 Butzer, Fremdlasten in der Sozialversicherung, S. 340; siehe auch BSG, Urteil vom 17. Dezember 1985 – 12 RK 38/83 – SozR 2200 § 1385 Nr 16. 84 Butzer, Fremdlasten in der Sozialversicherung, S. 351. 85 Stellungnahme des vdek zum Referentenentwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Gesundheitsförderung und der Prävention vom 31. Oktober 2014, S. 17; abrufbar unter http://www.vdek.com/politik/stellungnahmen/_jcr_content /par/download_14/file.res/141120_Stellungnahme%20Pr%C3%A4vention_vdek.pdf (Stand: 11.02.2015); Stellungnahme des GKV-Spitzenverbandes zum Referentenentwurf eines Gesetztes zur Stärkung der Gesundheitsförderung und der Prävention vom 21.11.2014, S. 27. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 128/14 Seite 19 gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) sind öffentliche Aufträge vom Vergaberecht erfasst. Diese werden in § 99 Abs. 1 GWB als entgeltliche Verträge von öffentlichen Auftraggebern mit Unternehmen definiert. Mit der BZgA wird durch die Regelung des PrävG-RegE jedoch kein Unternehmen , sondern eine obere Bundesbehörde beauftragt. Institutionen, die allein der hoheitlichen Aktivität des Staates zuzurechnen sind, sind von dem Unternehmensbegriff des § 99 Abs. 1 GWB nicht erfasst.86 Auch die Tatsache, dass die Beauftragung der BZgA gesetzlich zwingend vorgeschrieben ist, steht der Anwendung des Vergaberechts entgegen: Leistungsbeziehungen, bei denen die Krankenkassen ihren Vertragspartner nicht frei auswählen können oder bei denen ein gesetzlicher Abschlusszwang besteht, sollen vom Anwendungsbereich des Vergaberechts ausgeschlossen sein.87 2. Zur Förderung der Schulvernetzungsstellen im Rahmen des Präventionsgesetzes (RegE) 2.1. Struktur und Aufgabengebiet der Schulvernetzungsstellen – im Vergleich zur BZgA Dem zweiten Teil dieser Arbeit liegt die Frage zugrunde, inwieweit es rechtlich möglich ist, mit dem Präventionsgesetz Schulvernetzungsstellen zu fördern. Wie sich aus der beigefügten Dokumentation (WD 5 – 3000 – 246/14) ergibt, beschränkt sich der Aufgabenkreis der Schulvernetzungsstellen in thematischer Hinsicht auf die Entwicklung und die Verbesserung einer gesunden Schul- und Kitaverpflegung. Die Trägerschaft der Schulvernetzungsstellen, die eine der Initialmaßnahmen des nationalen Aktionsplans IN FORM darstellen, liegt jeweils auf Landesebene, d. h. teilweise beim zuständigen Landesministerium, teilweise bei privaten Trägern. Für überregionale Fragen wurde ein Sprechergremium eingerichtet, das derzeit aus acht Personen besteht.88 Die Vernetzungsstellen werden vom Bund und den Ländern gemeinsam finanziell gefördert. Die Bundesförderung betrug 2012 1,1 Millionen Euro, 2013 ca. eine Million Euro. Sie soll nach derzeitigem Stand bis September 2017 auslaufen. Demgegenüber handelt es sich bei der BZgA um eine bundesunmittelbare, der Fachaufsicht des BMG unterstehenden Bundesoberbehörde. Gemäß dem Errichtungserlass vom 20.7.1967 hat die BZgA insbesondere die Aufgabe der Erarbeitung von Grundsätzen und Richtlinien für Inhalte und Methoden der praktischen Gesundheitserziehung, der Ausbildung und Fortbildung der auf dem Gebiet der Gesundheitserziehung und -aufklärung tätigen Personen sowie der Koordinierung und Verstärkung der gesundheitlichen Aufklärung und Gesundheitserziehung im Bundesgebiet.89 Sie erfüllt ihren Auftrag auch durch Maßnahmen der Evaluation und Qualitätssicherung. Die Ausgaben der BZgA im Jahr 2013 beliefen sich auf ca. 26 Millionen Euro.90 86 Vgl. etwa Loewenheim/Meessen/Riesenkampff/Bungenberg, Kartellrecht, § 99 GWB Rn. 7. 87 Spickhoff/Nebendahl, Medizinrecht, § 69 SGB V Rn. 35; Becker/Kingreen/Becker/Kingreen, § 69 SGB V Rn. 55. 88 https://www.in-form.de/vns-portal/in-form-vns/alles-ueber-die-vns/vns-sprechergremium.html (28.01.15). 89 Vgl. die Webseite der BZgA unter http://www.bzga.de/bot_aufgaben.html (11.02.2015). 90 Vgl. die Unterrichtung durch den Bundesrechnungshof vom 1.12.2014, BT-Drs. 18/3300, S. 267. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 128/14 Seite 20 2.2. Zu den rechtlichen Möglichkeiten der Förderung von Schulvernetzungsstellen im Rahmen des Präventionsgesetzes (RegE) 2.2.1. Zur Einbeziehung weiterer Akteure in die Prävention in Lebenswelten (§§ 20a ff. SGB V-RegE) im Allgemeinen Der BZgA kommt im Entwurf des Präventionsgesetzes eine zentrale Rolle bei der Entwicklung, der Implementierung und der wissenschaftlichen Evaluation kassenübergreifender Leistungen zur Prävention in Lebenswelten zu (vgl. § 20a Abs. 3 SGB V-RegE). Bei der Beauftragung der BZgA sind die nach § 20 Abs. 2 Satz 1 SGB V-RegE festgelegten Handlungsfelder zu berücksichtigen . Wie sich aus § 20 Abs. 3 SGB V-REgE ergibt, muss der GKV-Spitzenverband dabei verschiedene gesetzlich vorgegebene Gesundheitsziele verfolgen. Dies sind neben der gesunden Ernährung z. B. auch die Reduktion des Tabakkonsums, die Förderung von Bewegung oder die Eindämmung und die Früherkennung depressiver Erkrankungen. Der Gesetzentwurf sieht an verschiedenen Stellen die Einbeziehung weiterer Akteure vor. So soll die BZgA nach § 20a Abs. 3 Satz 3 SGB V-RegE im Rahmen des Auftrags geeignete Kooperationspartner heranziehen. Zudem wird die Nationale Präventionskonferenz nach § 20e Abs. 2 SGB V- RegE durch ein jährliches Präventionsforum beraten, dem Vertreter einschlägiger Organisationen und Verbände angehören. Das Forum wird von der Bundesvereinigung für Prävention und Gesundheitsförderung e. V. durchgeführt. Auf Landesebene haben die Landesverbände der Krankenkassen nach § 20f Abs. 2 SGB V-RegE (zusammen mit den Trägern der gesetzlichen Rentenund Unfallversicherung sowie mit den zuständigen Landesstellen) Festlegungen über die Mitwirkung weiterer für die Gesundheitsförderung und Prävention relevanter Einrichtungen und Organisationen zu treffen. 2.2.2. Zur möglichen Einbeziehung der Schulvernetzungsstellen Sowohl mit Rücksicht auf die inhaltliche Aufgabenstellung (Schul- und Kitaverpflegung) als auch auf die dezentrale Organisationsstruktur (Nebeneinander verschiedener Träger auf Landesebene ) erscheinen die Schulvernetzungsstellen nicht als Auftragspartner für eine umfassende bundesweite Entwicklung, Implementierung und wissenschaftliche Evaluation kassenübergreifender Leistungen nicht geeignet. Der in § 20a Abs. 3 SGB V-RegE umrissene Auftragsinhalt setzt nach seiner Gesamtkonzeption die Beauftragung einer thematisch weit aufgestellten Institution voraus, die bundesweit tätig werden kann. Von daher ist es kaum vorstellbar, dass den Schulvernetzungsstellen im Präventionsgesetz eine vergleichbare Stellung eingeräumt werden könnte wie der BZgA. Darüber hinaus sind die Schulvernetzungsstellen und die BZgA hinsichtlich ihrer Struktur sowie ihrer Aufgabenbereiche nicht vergleichbar, sodass die bei der vertraglichen Verpflichtung der BZgA gemäß § 20a SGB V-RegE auftretenden Rechtsfragen nicht ohne Weiteres auf eine mögliche Einbeziehung der Schulvernetzungsstellen in das Präventionsgesetz übertragen werden könnten. Dies gilt insbesondere deshalb, weil im Rahmen der Prüfung einzelner Rechtsfragen im ersten Teil dieser Arbeit wiederholt die Frage der konkreten Eignung der BZgA für die für die Übernahme der beauftragten Leistung eine Rolle spielt. Andererseits ergeben sich nach dem vorliegenden Gesetzentwurf verschiedene Anknüpfungspunkte für eine Einbeziehung von Schulvernetzungsstellen (vgl. hierzu unter 2.1). In der Begründung des Regierungsentwurfs wird denn auch an verschiedenen Stellen darauf hingewiesen, dass erfolgreiche Projekte des Aktionsplans IN FORM bei der Umsetzung des Gesetzes berücksichtigt Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 128/14 Seite 21 werden sollten, insbesondere als Kooperationspartner der BZgA nach § 20a Abs. 3 Satz 3 SGB V- Reg-E. In der hier zugrundeliegenden Fragestellung wird auf eine mögliche Förderung der Schulvernetzungsstellen im Rahmen des Präventionsgesetzes abgestellt. Bei der Einbeziehung der BZgA gemäß § 20a SGB V-RegE handelt es sich um ein entgeltliches Auftragsverhältnis. Mit dem Begriff der Förderung wird hingegen in der Regel ein anderer Sachverhalt beschrieben: Gemeint ist damit die Vergabe von Zuwendungen zur Deckung von Ausgaben des Zuwendungsempfängers für einzelne abgegrenzte Vorhaben (Projektförderung) oder zur Deckung der gesamten Ausgaben oder eines nicht abgegrenzten Teils der Ausgaben des Zuwendungsempfängers (institutionelle Förderung ).91 Zuwendungen werden dem Empfänger zur Erfüllung seiner eigenen Aufgaben gewährt, an deren Förderung der Bund jedoch ein erhebliches Interesse hat.92 Während es bei der Beauftragung der BZgA in § 20a SGB V RegE um die Erfüllung krankenkasseneigener Aufgaben geht, zielt die Zuwendung auf die Förderung fremder Aufgaben ab. Die Vergabe ist mit bestimmten Bedingungen oder Auflagen verbunden, ohne dass die Geldleistung ein Entgelt für eine Leistung des Empfängers darstellt.93 Nach geltendem Recht ist der GKV-Spitzenverband z. B. gemäß § 65b SGB V verpflichtet, Einrichtungen zur Verbraucher- und Patientenberatung jährlich in gesetzlich vorgeschriebener Höhe aus Beitragsgelder zu fördern. Das SGB V enthält also schon jetzt einen Fördertatbestand . Ob eine entsprechende Förderung von Schulvernetzungsstellen rechtlich möglich wäre, bedürfte einer gesonderten Prüfung auf der Grundlage eines konkreten Entwurfs einer Regelung . 3. Literaturverzeichnis Baron von Maydell, Bernd/Ruland, Franz/Becker, Ulrich (Hrsg.): Sozialrechtshandbuch, 5. Auflage , Baden-Baden 2012. (zit. SRH/Bearbeiter) Becker, Ulrich/Kingreen, Thorsten (Hrsg.): SGB V. Gesetzliche Krankenversicherung. Kommentar , 4. Auflage, München 2014. (zit. Becker/Kingreen/Bearbeiter, SGB V) Butzer, Hermann: Fremdlasten in der Sozialversicherung. Zugleich ein Beitrag zu den verfassungsrechtlichen Vorgaben für die Sozialversicherung, Tübingen 2001. Fuchs, Maximilian/Preis, Ulrich: Sozialversicherungsrecht. Lehrbuch für Studium und Praxis, 2. Auflage, Köln 2009. 91 Vgl. Allgemeine Verwaltungsvorschriften zur Bundeshaushaltsordnung (VV-BHO) vom 14. März 2001 (GMBl. 2001, S. 307), 2. zu § 23 BHO. 92 Vgl. Anlage VV Nr. 1.2.4 zu § 23 BHO. 93 Vgl. Anlage VV Nr. 1.2.4 zu § 23 BHO. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 128/14 Seite 22 Hoehl, Stefan: Zum Rechtsweg gegen einen um den Aussteuerungsbetrag (§ 46 Abs. 4 SGB II) überhöhten Arbeitslosenversicherungsbeitrag (§ 341 SGB III), in: Neue Zeitschrift für Sozialrecht 2007, 293 ff. Leisner, Walter: Fremdlasten der Sozialversicherung – ein schwerwiegender Verfassungsverstoß, in: Neue Zeitschrift für Sozialrecht 1996, 97 ff. Leiterer, Stephan (Hrsg.): Kasseler Kommentar. Sozialversicherungsrecht, Loseblatt, 83. Ergänzungslieferung , München 2014. (zit. KassKomm/Bearbeiter). Loewenheim, Ulrich/ Meessen, Karl/ Riesenkampff, Alexander (Hrsg.): Kartellrecht. Kommentar, 2. Auflage, München 2009. (zit. 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