Deutscher Bundestag Verbot von Therapien zur Behandlung von Homosexualität bei Minderjährigen Wissenschaftliche Grundlagen des kalifornischen Therapieverbots sowie Verankerung eines entsprechenden Verbots in Deutschland Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste © 2012 Deutscher Bundestag WD 9 – 3000-126/12 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 – 3000-126/12 Seite 2 Verbot von Therapien zur Behandlung von Homosexualität bei Minderjährigen Wissenschaftliche Grundlagen des kalifornischen Therapieverbots sowie Verankerung eines entsprechenden Verbots in Deutschland Aktenzeichen: WD 9 – 3000-126/12 Abschluss der Arbeit: 24. Oktober 2012 Fachbereich: WD 9: Gesundheit, Familie, Senioren, Frauen und Jugend Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 – 3000-126/12 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Allgemeines 4 2.1. Homosexualität und Krankheit 4 2.2. Behandlung von Homosexualität 5 3. Kalifornisches Gesetz zum Verbot von Therapien gegen Homosexualität 6 3.1. Konkrete Ausgestaltung des Therapieverbots in Kalifornien 7 3.2. Grundlagen für die Einführung des kalifornischen Therapieverbots 8 3.2.1. Grundsätzliche Aussagen des kalifornischen Senats zum Thema Homosexualität 8 3.2.2. Bericht und Stellungnahme der American Psychiatric Association 8 3.2.3. Stellungnahmen weiterer Institutionen und weitere Studien 9 4. Verbot von Therapien zur Behandlung von Homosexualität in Deutschland 11 4.1. Therapieverbot zur Behandlung von Homosexualität in Deutschland nach der aktuellen Rechtslage 12 4.2. Einführung eines Therapieverbots zur Behandlung von Homosexualität in Deutschland 15 5. Literaturverzeichnis 17 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 – 3000-126/12 Seite 4 1. Einleitung Ende September 2012 wurde in Kalifornien ein Gesetz verabschiedet, das die Therapierung Minderjähriger mit dem Ziel, deren sexuelle Orientierung zu ändern, verbietet. Unter dieses Verbot fallen sämtliche Therapieangebote, die auf die Heilung von Homosexualität abzielen. Auch wenn in der medizinischen Fachwelt Homosexualität seit Jahrzehnten nicht mehr als Krankheit definiert wird, existieren weiterhin derartige Therapieangebote. Entsprechende Angebote sind vor allem aus den Vereinigten Staaten von Amerika (USA) bekannt. Aber auch in Deutschland wird zum Teil die Möglichkeit der Heilung von Homosexualität propagiert. Da Behandlungen, die auf eine Änderung der sexuellen Orientierung abzielen, häufig negative Auswirkungen auf die Gesundheit der therapierten Personen haben, wurde in Kalifornien nunmehr die Durchführung derartiger Therapien bei Minderjährigen gesetzlich verboten. Im Folgenden wird das in Kalifornien verabschiedete Gesetz einschließlich der wissenschaftlichen Erkenntnisse bzw. Studien, die zu dessen Verabschiedung geführt haben, dargestellt. Anschließend wird der Frage nachgegangen, ob die Einführung eines entsprechenden Therapieverbots auch in Deutschland grundsätzlich möglich wäre oder ob sich ein derartiges Behandlungsverbot bereits aus den geltenden Regelungen ergibt. 2. Allgemeines 2.1. Homosexualität und Krankheit Der Begriff Homosexualität bezeichnet die sexuelle Orientierung und Aktivität mit Bezug auf Partner des gleichen Geschlechts.1 Homosexualität stellt nach Auffassung der meisten Wissenschaftler im Bereich der Psychologie und Psychiatrie keine psychische Erkrankung dar. Da die früher weit verbreitete Auffassung von Homosexualität als pathologisch zu beurteilende Störung der psychosexuellen Entwicklung durch empirische Daten nicht gestützt wird, ist die Diagnose Homosexualität bereits im Jahr 1974 aus dem DSM 2 und im Jahr 1992 aus dem Krankheitskatalog der World Health Organization (WHO), der sog. ICD3, gestrichen worden.4 Im ICD-105 bzw. in der deutschen Fassung ICD-10-GM6 ist die Diagnose Homosexualität nicht mehr enthalten. Vielmehr ist der Kategorie „psychische Störungen und Verhaltensstörungen in 1 Vergleiche hierzu Pschyrembel Online, Sozialgesetzgebung/Sozialmedizin, Stichwort Homosexualität, im Internet abrufbar unter http://www.degruyter.com/view/sozmed/10689220?rskey=9x6oKn&result=17&q=&dbq_0=- homosexualit%C3%A4t&dbf_0=psy-fulltext&dbt_0=fulltext&o_0=AND&searchwithindbid_1=PSCHYKW&- searchwithindbid_2=natur-online&searchwithindbid_3=sozmed-online&searchwithindbid_4=tw-online&- searchwithindbid_5=hunnius-online&searchwithindbid_6=pflege-online&searchwithindbid_7=ppp-online. 2 Das Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders (Diagnostisches und Statistisches Handbuch Psychischer Störungen, DSM) ist ein nationales Klassifikationssystem in den USA, das von der American Psychiatric Association (APA) erstellt wird. Derzeit gilt der DSM-IV, der auch in einer deutschen Fassung vorliegt. 3 Die Internationale statistische Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme (International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems, ICD) wird von der WHO herausgegeben und stellt ein weltweit anerkanntes Diagnoseklassifikationssystem der Medizin dar. 4 Vergleiche BT-Drs. 16/8022, S. 3. 5 Die ICD-10-WHO in der aktuellsten Fassung 2013 ist im Internet abrufbar unter http://www.dimdi.de/static/de/- klassi/icd-10-who/kodesuche/onlinefassungen/htmlamtl2013/index.htm. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 – 3000-126/12 Seite 5 Verbindung mit der sexuellen Entwicklung und Orientierung“ nunmehr der Hinweis vorangestellt , dass die Richtung der sexuellen Orientierung selbst nicht als Störung anzusehen ist. Es wurde jedoch die sog. ich-dystone Sexualorientierung in diese Kategorie der ICD aufgenommen (F66.1). Diese Störung liegt vor, wenn die Geschlechtsidentität oder sexuelle Ausrichtung (hetero -, homo- oder bisexuell) des Patienten eindeutig ist, dieser jedoch den Wunsch hat, dass diese wegen begleitender psychischer oder Verhaltensstörungen anders wäre und sich möglicherweise einer Behandlung unterzieht, um diese zu ändern. Neben der allgemeinen ICD existiert u.a. die sog. ICD – Classification of Mental and Behavioural Disorders als Spezialausgabe.7 Diese listet die Diagnosen in den Gebieten Psychosomatik, Psychiatrie und Neurologie auf und basiert auf "Kapitel V Psychische und Verhaltensstörungen" der amtlichen ICD-10 der WHO.8 Auch darin ist Homosexualität nicht mehr als eigenständiges Krankheitsbild enthalten.9 2.2. Behandlung von Homosexualität In der Vergangenheit wurde Homosexualität als eigenständige Krankheit nach den bestehenden Diagnoseklassifikationssystemen diagnostiziert und als solche im Rahmen von sog. Reparationsbzw . Konversionstherapien behandelt. Diese zielten darauf ab, die sexuelle Orientierung in Richtung der Heterosexualität zu verändern bzw. homosexuelle Neigungen zu reduzieren. Diese häufig in den 60er und 70er Jahren angebotenen Therapien werden heute aufgrund wissenschaftlicher Untersuchungen in der medizinischen Fachwelt weitgehend abgelehnt. So gibt es bisher keine wissenschaftlich validen Nachweise für die Wirksamkeit derartiger Therapien, während andererseits negative und schädliche Effekte der Behandlungen auf die therapierten Personen nachgewiesen wurden. Zu diesen zählen neben Ängsten u.a. soziale Isolation, Depressionen und erhöhte Suizidalität.10 Unabhängig davon sind insbesondere in den USA entsprechende Therapien weiterhin relativ verbreitet.11 Auch in Deutschland wird teilweise die Ansicht vertreten, dass Therapiemöglichkeiten zur Behandlung von Homosexualität bestehen. Dies wird zum Beispiel durch den Bund Katholischer Ärzte (BKÄ) propagiert.12 Zur Behandlung von Homosexualität stünden nach Angaben 6 In Deutschland gilt eine modifizierte Version der WHO-ICD, die sog. GM-Fassung (German Modification). Die aktuellste Version der ICD-10-GM stammt aus dem Jahr 2012 und ist im Internet abrufbar unter http://www.dimdi.de/static/de/klassi/icd-10-gm/. 7 Die ICD-10 Classification of Mental and Behavioural Disorders ist im Internet abrufbar unter http://www.who.- int/classifications/icd/en/bluebook.pdf. 8 Vergleiche hierzu http://www.dimdi.de/static/de/klassi/icd-10-who/index.htm. 9 Vergleiche hierzu ICD-10- Classification of Mental and Behavioural Disorders, S. 11. 10 Vergleiche hierzu eine Antwort der Bundesregierung auf eine kleine Anfrage zum Thema Antihomosexuelle Seminare und pseudowissenschaftliche Therapieangebote religiöser Fundamentalisten, BT-Drs. 16/8022, S. 3. 11 Vergleiche hierzu zum Beispiel http://www.ksta.de/panorama/homosexualitaet-kalifornien-verbietet-- schwulentherapie-,15189504,20298688.html. 12 Nach Auskunft ggü. der Verfasserin bemüht sich der BKÄ derzeit, für den Begriff Behandlung einen geeigneteren Begriff zu finden, der weder diskriminiere noch verharmlose oder relativiere. Gleichwohl werden auf der Internetseite des BKÄ weiterhin – auch als solche bezeichnete – Behandlungs- bzw. Therapiemöglichkeiten aufgezeigt , vergleiche hierzu http://www.bkae.org/index.php?id=439&L=de. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 – 3000-126/12 Seite 6 des BKÄ neben der Psychotherapie die geistliche Seelsorge sowie Entgiftungs- und Konstitutionsbehandlung mit homöopathischen Mitteln zur Verfügung. Neben der Benennung dieser Therapiemöglichkeiten bietet der BKÄ Hilfe bei der Suche nach einem Therapeuten an.13 Auch das Deutsche Institut für Jugend und Gesellschaft (DIJG) vertritt die Auffassung, Homosexualität sei als ein Symptom mit verschiedenen psychologischen Ursachen behandelbar.14 Es spricht sich daher für Therapien aus, die auf die Änderung der sexuellen Orientierung zielen. Hierbei verweist das Institut auf das Recht zur Selbstbestimmung und Therapie, wonach jeder das Recht habe, eine ungewollt bestehende Homosexualität behandeln zu lassen.15 Überwiegend wird jedoch die Auffassung vertreten, dass Homosexualität weder einer Therapie bedarf noch einer Therapie zugänglich sei. Sofern bestimmte Organisationen oder Gruppierungen weiterhin Konversionstherapien anböten, könnte dies auf unterschiedliche, meist religiöse oder weltanschauliche Motive ohne empirisch-wissenschaftlichen Ansatz zurückgeführt werden.16 Auch wenn Homosexualität an sich mittlerweile nicht mehr als Krankheit eingestuft wird und sich eine Behandlung von daher erübrigt, bedeutet dies nicht, dass homosexuelle Personen keine psychotherapeutische Behandlung in Anspruch nehmen können. Im Gegensatz zu den früher praktizierten Behandlungen handelt es sich bei diesen jedoch um sog. affirmative Therapien mit dem Ziel einer unterstützenden therapeutischen Begleitung der Entwicklung der sexuellen Identität , der Integration der sexuellen Orientierung in das Selbstbild und der Stärkung des Selbstwertgefühls des Patienten. Anders als bei den Konversionstherapien konnte für diese Therapieformen ein Nutzen hinsichtlich einer geringeren Anfälligkeit bezüglich psychischer Erkrankungen nachgewiesen werden.17 3. Kalifornisches Gesetz zum Verbot von Therapien gegen Homosexualität Am 30. September 2012 hat der kalifornische Gouverneur ein Gesetz zum Verbot von Therapien zur Änderung der sexuellen Orientierung (sexual orientation change efforts, SOCE) unterzeichnet . Mit dem Senate Bill No. 1172 - Sexual orientation change efforts (SB 1172)18 wird der sog. Business and Professions Code (BPC)19 zum 1. Januar 2013 um Art. 15 Chapter 1 Division 2 er- 13 Der BKÄ hat im Zuge einer Umfrage eine Liste von Therapeuten ermittelt, die grundsätzlich zur Behandlung der Homosexualität (mit dem Ziel der Änderung der sexuellen Orientierung) bereit sind, vergleiche hierzu http://www.bkae.org/index.php?id=990&L=de. 14 Vergleiche hierzu eine Broschüre des DIJG hinsichtlich bestehender „geläufiger Irrtümer über Homosexualität“, im Internet abrufbar unter http://www.dijg.de/fileadmin/pdf/HSFlyer2010.pdf. 15 Vergleiche hierzu die Stellungnahme des DIJG zum Thema Homosexualität, im Internet abrufbar unter http://www.dijg.de/homosexualitaet/stellungnahme-dijg/. 16 So zum Beispiel die Bundesregierung in einer Antwort auf eine kleine Anfrage zum Thema Antihomosexuelle Seminare und pseudowissenschaftliche Therapieangebote religiöser Fundamentalisten, vergleiche hierzu BT- Drs. 16/8022, S. 3. 17 Vergleiche hierzu BT-Drs. 16/8022, S. 3. 18 Der Gesetzestext im Original ist im Internet abrufbar unter http://leginfo.legislature.ca.gov/faces/billNavClient.- xhtml?bill_id=201120120SB1172. 19 Der BPC enthält – neben einer Vielzahl weiterer Regelungen – Zulassungsvoraussetzungen für verschiedene medizinische Berufe. Eine aktuelle Fassung des BPC ist im Internet abrufbar unter http://www.leginfo.ca.- gov/.html/bpc_table_of_contents.html (Stand 12. Oktober 2012). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 – 3000-126/12 Seite 7 weitert. Das vom kalifornischen Senat verabschiedete SB 1172 ist in zwei Sektionen untergliedert : SB 1172 Section 1 enthält Auszüge aus Stellungnahmen verschiedener Institutionen zum Thema Homosexualität im Allgemeinen und deren Definition als Krankheit im Speziellen bzw. kurze Zusammenfassungen wissenschaftlicher Erkenntnisse zu diesem Thema. Den zitierten Aussagen schließt sich der kalifornische Senat uneingeschränkt an. SB 1172 Section 2 hingegen enthält das eigentliche Behandlungsverbot und regelt dessen Verankerung im BPC. Im Folgenden werden zunächst die konkreten Regelungen des Therapieverbots in SB 1172 Section 2 bzw. Art. 15 BPC zukünftige Fassung (z.F.) dargestellt, bevor im Anschluss auf die für den kalifornischen Senat ausschlaggebenden Erkenntnisse zum Thema Behandlung von Homosexualität (Section 1) eingegangen wird. 3.1. Konkrete Ausgestaltung des Therapieverbots in Kalifornien Gemäß Art. 15 BPC z.F. dürfen sog. „mental health provider“ unter keinen Umständen Personen im Alter von unter 18 Jahren einer Behandlung, die auf die Änderung der sexuellen Orientierung abzielt (SOCE), unterziehen. Das Verbot besteht insofern unabhängig davon, ob der unter 18- jährige Patient eine entsprechende Behandlung – aus welchen Gründen auch immer – selbst wünscht. Für Patienten, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, gilt das Therapieverbot nicht. Insofern handelt es sich nicht um ein generelles Verbot von Therapien, die auf die Änderung der sexuellen Orientierung abzielen. Der Begriff „mental health provider“ wird ebenso wie der Begriff „sexual orientation change efforts“ in Art. 15 PBC z.F. definiert. Das Behandlungsverbot gilt danach nicht nur für Psychiater und Psychologen, sondern auch für Ehe- und Familientherapeuten, Sozialarbeiter sowie sämtliche andere, nach kalifornischem Recht als „mental health professional“ zugelassene Personen.20 Dies gilt auch für Auszubildende und Praktikanten. Zu den verbotenen Behandlungsmethoden zählen dabei sämtliche Praktiken, die auf die Änderung der sexuellen Orientierung abzielen. Unter diesen Begriff fallen auch sämtliche Bestrebungen, die die Eliminierung bzw. Abschwächung sexueller oder romantischer Gefühle gegenüber Individuen des eigenen Geschlechts zum Ziel haben. Im Gegensatz dazu fallen Therapien, die der Akzeptanz und der Unterstützung von Personen bei der Identifikation mit ihrer jeweiligen sexuellen Orientierung sowie deren sozialer Integration dienen und nicht auf eine Veränderung der sexuellen Orientierung abzielen, nicht unter das Behandlungsverbot. Ein Verstoß gegen das Behandlungsverbot stellt ein unprofessionelles Verhalten dar, das durch die jeweilige Zulassungsbehörde zu ahnden ist. Konkretere Vorgaben hinsichtlich einer Ahndung lassen sich dem Gesetz nicht entnehmen.21 20 Eine entsprechende Auflistung kann dem Gesetzestext entnommen werden. Die in den USA verwendeten Berufsbezeichnungen stimmen, ebenso wie die Zugangsvoraussetzungen für die einzelnen Berufe, nicht zwangsläufig mit den in Deutschland üblichen Berufsbezeichnungen überein. 21 Inwieweit konkretere Regelungen sich möglichweise aus bestimmten berufsrechtlichen Vorgaben (zum Beispiel aus dem BPC) ergeben, wurde im Rahmen dieser Ausarbeitung nicht betrachtet. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 – 3000-126/12 Seite 8 3.2. Grundlagen für die Einführung des kalifornischen Therapieverbots Section 1 des nunmehr in Kalifornien verabschiedeten Gesetzes enthält grundsätzliche Aussagen und Erkenntnisse zum Thema Homosexualität, Krankheit und Therapiemöglichkeiten, die dem eigentlichen Gesetzestext vorangestellt sind. Neben einer grundsätzlichen Positionierung des kalifornischen Gesetzgebers zum Themenkomplex Behandlung Homosexueller zitiert dieser auszugsweise Stellungnahmen bzw. Untersuchungen ausgewählter amerikanischer Organisationen und Wissenschaftler. Den darin dargelegten Aussagen schließt sich der Senat uneingeschränkt an. Es ist davon auszugehen, dass die zitierten Veröffentlichungen die Grundlage für die Entscheidung des kalifornischen Senats zur Verabschiedung des Therapieverbots darstellen. Nachfolgend werden die wesentlichsten Aussagen von SB 1172 Section 1 zusammengefasst.22 3.2.1. Grundsätzliche Aussagen des kalifornischen Senats zum Thema Homosexualität Der kalifornische Senat positioniert sich zunächst grundsätzlich zum Thema Homo- und Bisexualität . Er konstatiert, dass weder Homo- noch Bisexualität ein Leiden oder Defizit, eine Krankheit, (Funktions-)Störung oder Unzulänglichkeit darstellen. Dies sei in den USA seit fast 40 Jahren von den größten Fachverbänden im Bereich der Psychiatrie/Psychologie23 anerkannt.24 Darüber hinaus habe Kalifornien ein zwingendes Interesse daran, das physische und psychische Wohlergehen Minderjähriger sicherzustellen und diese vor ernsthaften Schäden durch SOCE zu schützen .25 Das verabschiedete Gesetz solle jedoch in keinster Weise Minderjährige, die das 12. Lebensjahr beendet haben, von der Zustimmung zu anderen psychologischen Behandlungen und Beratungsangeboten abhalten, sofern diese den gesetzlichen Bestimmungen entsprechen und nicht auf die Änderung der sexuellen Orientierung abzielen.26 3.2.2. Bericht und Stellungnahme der American Psychiatric Association Die American Psychiatric Association (APA) – die sich bereits in der Vergangenheit in mehreren Stellungnahmen mit dem Thema Behandlung von Homosexualität auseinandergesetzt hatte – berief im Jahr 2007 eine Task-Force (TF) zu dieser Thematik ein. Aufgabe dieser TF war die Auswertung durchgeführter Studien zu den Wirkungen von SOCE sowie die Überarbeitung und Aktualisierung der im Jahr 1998 von der APA veröffentlichten Resolution on Appropriate Therapeutic Responses to Sexual Orientation.27 Im Rahmen ihres Arbeitsauftrags untersuchte die TF die Wirksamkeit und die Vorteile von SOCE. Darüber hinaus setzte sie sich mit der Frage auseinander, ob SOCE schädlich für die Pati- 22 Sofern mehrere Stellungnahmen oder Veröffentlichungen einer Organisation in diese Aufstellung aufgenommen wurden, werden diese jeweils gemeinsam betrachtet. 23 Der Gesetzestext spricht von mental health practitioners and researchers. 24 Vergleiche hierzu SB 1172 Section 1 a). 25 Vergleiche hierzu SB 1172 Section 1 n). 26 Vergleiche hierzu SB 1172 Section 1 o). 27 Die Resolution on Appropriate Therapeutic Responses to Sexual Orientation der APA in der Fassung aus dem Jahr 2000 ist im Internet abrufbar unter http://www.apa.org/pi/lgbt/resources/therapeutic-response.pdf. Der Text der Fassung aus dem Jahr 1998 liegt nicht vor. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 – 3000-126/12 Seite 9 enten sind. Dafür wertete die TF 83 Studien aus den Jahren 1960 bis 2007 aus, von denen die meisten bereits aus der Zeit vor dem Jahr 1978 und nur wenige aus den letzten zehn Jahren dieses Zeitraums stammten. Die TF stellte dabei schwerwiegende methodologische Probleme in der Forschung zu SOCE fest. So entsprachen ihrer Ansicht nach nur die wenigsten Studien den Mindestanforderungen , die an wissenschaftliche Auswertungen zu stellen seien. Wenige Studien, ausnahmslos zwischen 1969 und 1978 durchgeführt, isolierten und kontrollierten als sog. tatsächliche Experimente bzw. Quasi-Experimente Faktoren, die sich auf eine Änderung der sexuellen Orientierung auswirken könnten. Lediglich eine dieser Studien habe dabei Menschen, deren Homosexualität durch SOCE behandelt wurde, mit Menschen, die nicht behandelt wurden, verglichen . Neuere Forschungsergebnisse aus den Jahren 1999 bis 2007 wiesen einen methodologischen Standard auf, der eine Aussage über die Wirksamkeit oder Sicherheit von SOCE nicht zulasse . Bei den wenigen hochwertigen aktuellen Studien handele es sich um qualitative Studien28, die zwar beim Verständnis der mit SOCE behandelten Personen helfen, jedoch nicht die zu einer Einschätzung der Wirksamkeit und Sicherheit von SOCE erforderlichen Informationen lieferten. Aus diesen Gründen unterstützt die TF die Aussage nicht, aktuelle SOCE seien effektiv. Die wissenschaftlich stichhaltigen Forschungsergebnisse lassen nach Ansicht der TF darauf schließen, dass eine Reduzierung der gleichgeschlechtlichen oder ein Anstieg der gegengeschlechtlichen Anziehung sehr unwahrscheinlich sei. Vielmehr seien Belege dafür gefunden worden, dass Patienten durch SOCE Schaden erleiden können. Zu den negativen Nebenwirkungen zählen dabei u.a. der Verlust sexueller Gefühle, Depression, Suizidalität und Ängste. Hohe Therapieabbruchraten wurden darüber hinaus als Zeichen dafür gewertet, dass Patienten die Art der Behandlung möglicherweise als schädlich empfunden haben. Dasselbe gelte auch für Kinder und Jugendliche. So lägen keine Belege für einen Einfluss von SOCE bei Kindern und Jugendlichen auf deren sexuelle Orientierung im Erwachsenenalter vor und auch in Bezug auf diese Altersgruppe bestehe die Befürchtung, dass entsprechende Behandlungen negative Auswirkungen haben könnten. In einer dem Untersuchungsbericht der TF beigefügten Resolution empfiehlt die APA deshalb, SOCE zu vermeiden und psychologische Betreuung in Anspruch zu nehmen, die soziale Unterstützung und korrekte Informationen zum Thema sexuelle Orientierung und Sexualität bietet.29 3.2.3. Stellungnahmen weiterer Institutionen und weitere Studien Die American Psychiatric Association (PA30) hat im Jahr 2000 ein Positionspapier zur Behandlung von Homosexualität veröffentlicht.31 Darin stellt die PA fest, dass die Therapien zur Heilung 28 In qualitativen Studien werden nicht standardisierte Daten erhoben und ausgewertet. 29 Vergleiche hierzu SB 1172 Section 1 c). Der Originaltext findet sich zum einen im Anhang des von der APA veröffentlichten Untersuchungsberichts, ist darüber hinaus auch separat im Internet abrufbar unter http://www.apa.org/about/policy/sexual-orientation.aspx. 30 Die American Psychiatric Association benutzt ebenso wie die American Psychological Association die Abkürzung APA. Um Missverständnisse zu vermeiden, wird daher im Rahmen dieses Textes die Abkürzung PA gewählt . In den berücksichtigten Originaltexten wird jedoch jeweils die Abkürzung APA verwendet. Bei der Lektüre dieser Unterlagen ist daher genau zu beachten, um welche der beiden Organisationen es sich tatsächlich handelt. 31 Der Originaltext ist im Internet abrufbar unter http://www.dayagainsthomophobia.org/IMG/pdf/- 2000COPPStatement.pdf. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 – 3000-126/12 Seite 10 von Homosexualität auf Theorien beruhen, deren wissenschaftliche Gültigkeit fragwürdig sei. Berichte über einzelne „Heilungsfälle“ würden durch Berichte über – aufgrund der Behandlung aufgetretene – Schädigungen kompensiert. Den Therapeuten, die entsprechende Behandlungen anbieten, sei es in den letzten 40 Jahren nicht gelungen, den Erfolg dieser Behandlungen nachzuweisen . Die PA lehnt daher die Anwendung von SOCE ab und weist darauf hin, dass die Anwendung reparativer Therapien mit großen Risiken für die Patienten verbunden sei. Als mögliche Nebenwirkungen werden dabei u.a. Depression, Ängste und selbstzerstörerisches Verhalten, das durch die – von den behandelnden Personen – fälschlicherweise kommunizierten negativen Folgen von Homosexualität verstärkt werden könne, benannt. Viele Patienten haben nach Angaben der PA von entsprechenden Darstellungen ihrer Therapeuten berichtet.32 Die American School Counselor Association hat eine Stellungnahme zur Behandlung von Jugendlichen , die nicht heterosexuell sind, durch Schulberater (sog. school counselor33) veröffentlicht . Darin ist u.a. festgehalten, dass es nicht zur Aufgabe von Schulberatern gehört, auf die Änderung der sexuellen Orientierung von Schülern hinzuwirken. Vielmehr ist – unter Berücksichtigung der Tatsache, dass Homosexualität keine Krankheit darstellt – u.a. darauf hinzuwirken, dass die Jugendlichen ihre sexuelle Identität akzeptieren und soziale Akzeptanz erfahren.34 Bereits im Jahr 1993 hat die American Academy of Pediatrics ihre ablehnende Haltung zu SOCE publiziert. So sah sie aufgrund der möglichen schädlichen Auswirkungen auf die Patienten und der kaum bzw. nicht vorhandenen Behandlungserfolge SOCE als kontraindiziert an.35 Ein Jahr später positionierte sich auch der American Medical Association (AMA) Council on Scientific Affairs zur Behandlung von Homosexualität und sprach sich dabei sowohl gegen die Durchführung von Verhaltenstherapien homosexueller Männer und Frauen als auch deren medikamentöse Behandlung aus.36 Die National Association of Social Workers stellte in einem im Jahr 1997 veröffentlichten Statement zum einen fest, dass die Hauptmotivation für homo- und bisexuelle Menschen zur Durchführung von SOCE in der sozialen Stigmatisierung ihrer sexuellen Orientierung liege. Zum anderen konstatierte sie darin den fehlenden Wirksamkeitsnachweis entsprechender Therapien und deren mögliche schädliche Nebenwirkungen.37 Auch der Governing Council der American Counseling Association distanzierte sich im April 1999 von der Deklarierung reparativer Therapien als Heilmittel gegen Homosexualität.38 32 Vergleiche hierzu SB 1172 Section 1 d). 33 Dies sind Personen, die als Berater für die Schüler in Schulen tätig sind. Welche Qualifikation diese Berater vorweisen müssen, ist nicht bekannt. Daher wurde für diese Ausarbeitung der Begriff Schulberater dem Begriff Schulpsychologe vorgezogen. 34 Vergleiche hierzu SB 1172 Section 1 e). Der Originaltext ist im Internet abrufbar unter http://www.schoolcounselor .org/files/PositionStatements.pdf. 35 Vergleiche hierzu SB 1172 Section 1 f). 36 Vergleiche hierzu SB 1172 Section 1 g). 37 Vergleiche hierzu SB 1172 Section 1 h). 38 Vergleiche hierzu SB 1172 Section 1 i). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 – 3000-126/12 Seite 11 Die American Psychoanalytic Association lehnt in einer Stellungnahme vom Juni 2012 die Anwendung derartiger Therapien unter Verweis auf deren negative Auswirkungen auf die Patienten ab. Sie betont darüber hinaus, dass sämtliche Anstrengungen zur Änderung der sexuellen Orientierung gegen die grundlegenden Prinzipien der psychoanalytischen Behandlung verstoßen.39 Ebenfalls im Jahr 2012 verwies die American Academy of Child Adolescent Psychiatry (AACAP) auf die fehlende Wirksamkeit von SOCE. Dies gelte auch für die Personen, die bereits im Kindesalter zur Vermeidung von Homosexualität im Erwachsenenalter entsprechenden Therapien unterzogen wurden. So sei bisher nicht belegt, dass SOCE Einfluss auf die spätere sexuelle Orientierung haben, jedoch könne die Therapierung vielfältige negative Auswirkungen auf die behandelten Patienten haben. Daher spricht sich auch die AACAP gegen SOCE aus.40 Auch die Pan American Health Organization machte im Jahr 2012 auf den fehlenden Wirksamkeitsnachweis von SOCE sowie deren negative Auswirkungen aufmerksam.41 Der kalifornische Senat bezog sich zudem auf eine Studie von Caitlin Ryan, die die Auswirkungen familiärer Ablehnung aufgrund der sexuellen Orientierung auf Minderjährige untersuchte. Ihrer im Jahr 2009 veröffentlichten Studie nach reichen diese von einer erhöhten Selbstmordrate, über Depressionen bis hin zu erhöhtem Drogenmissbrauch und ungeschütztem Geschlechtsverkehr im Vergleich zu homo- und bisexuellen Minderjährigen, die aufgrund ihrer sexuellen Orientierung keine familiäre Ablehnung erfahren .42 Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass Homosexualität in den USA von der Fachwelt übereinstimmend nicht als Krankheit eingestuft wird und eine Behandlung sich insofern erübrigt. Es besteht darüber hinaus Konsens, dass keine wissenschaftlichen Belege für die Wirksamkeit von SOCE vorliegen, entsprechende Behandlungen sich jedoch negativ auf die Patienten auswirken können und daher unterbleiben sollen. Durch das nunmehr in Kalifornien verabschiedete Verbot von SOCE sollen Minderjährige vor diesen Auswirkungen geschützt werden. 4. Verbot von Therapien zur Behandlung von Homosexualität in Deutschland In Deutschland gibt es – ebenso wie in den USA – Organisationen und Personen, die Therapien zur Behandlung von Homosexualität bzw. entsprechende Beratungen anbieten. Diese zielen – auch wenn die Anbieter die Verwendung des Begriffs Krankheit im Zusammenhang mit der Homosexualität zum Teil zu vermeiden suchen – auf eine Heilung von Homosexualität bzw. auf die Abkehr von dieser sexuellen Orientierung hin zur Heterosexualität ab. In Anbetracht des kürzlich in Kalifornien verabschiedeten Verbots der Durchführung derartiger Therapien an Minderjährigen zum Schutz dieser Personengruppe vor negativen Behandlungsfolgen stellt sich die Frage, ob und inwieweit ein der kalifornischen Regelung entsprechendes Therapieverbot im deutschen Recht verankert werden kann. Sofern im Folgenden von der „Behandlung der Homosexualität“ gesprochen und ein Verbot entsprechender Therapien thematisiert wird, bezieht sich dies stets auf die Behandlungen, die auf 39 Vergleiche hierzu SB 1172 Section 1 j). 40 Vergleiche hierzu SB 1172 Section 1 k). 41 Vergleiche hierzu SB 1172 Section 1 l). Der Originaltext ist in englischer Sprache im Internet abrufbar unter http://new.paho.org/hq/index.php?option=com_content&view=article&id=6803&Itemid=1926. 42 Vergleiche hierzu SB 1172 Section 1 m). Der Originalartikel ist im Internet abrufbar unter http://pediatrics.- aappublications.org/content/123/1/346.full.pdf+html. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 – 3000-126/12 Seite 12 eine Änderung der sexuellen Orientierung abzielen. Die entsprechenden Ausführungen beziehen sich weder auf die Behandlung der ich-dystonen Störung an sich noch auf ein Verbot dieser Therapien . Den Betrachtungen über eine mögliche Verankerung eines Verbots zur Behandlung von Homosexualität werden Ausführungen zur derzeitigen Rechtslage hinsichtlich eines Therapieverbots vorangestellt. 4.1. Therapieverbot zur Behandlung von Homosexualität in Deutschland nach der aktuellen Rechtslage In Deutschland existiert derzeit keine gesetzliche Regelung, die die Behandlung homosexueller Personen mit dem Ziel der Änderung der sexuellen Orientierung explizit verbietet – auch nicht für den Personenkreis der Kinder und Jugendlichen. Fraglich ist jedoch, ob entsprechende Therapie -/Beratungsangebote dennoch gegen bestimmte (berufs-)rechtliche Normen verstoßen und sich aus diesen insofern ein Behandlungsverbot ergibt. Diesbezüglich werden unterschiedliche Ansichten vertreten. Während einerseits die Auffassung besteht, aus den geltenden (gesetzlichen) Regelungen lasse sich kein Therapieverbot ableiten43, wird andererseits die Ansicht vertreten, dass die einschlägigen Regelungen – zumindest für bestimmte Anbieter psychotherapeutischer Behandlungen – sehr wohl ein entsprechendes Verbot bereits enthalten.44 Insbesondere in Bezug auf berufsrechtliche Vorschriften ist insofern zunächst der Personenkreis, der entsprechende Behandlungen anbieten und durchführen darf, zu klären. Dieser ist abhängig davon, um welche Art der Behandlung es sich jeweils handelt. Zu unterscheiden ist hierbei zwischen einer (psychologischen) Beratung zur psychischen Gesundheit, Sexualität und anderen innerpsychischen Dimensionen sowie einer psychotherapeutischen Behandlung. Für die Durchführung einer Psychotherapie ist eine staatliche Erlaubnis zur Ausübung der Heilkunde erforderlich . Bei dieser kann es sich entweder um die Approbation als Psychologischer Psychotherapeut oder Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut45 nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Psychotherapeutengesetz (PsychThG46) oder um eine nach dem Heilpraktikergesetz (HPG47) erteilte Erlaubnis48 handeln.49 43 Diese Auffassung wird zum Beispiel vom BKÄ vertreten, Auskunft ggü. der Verfasserin. Aber auch aus Sicht der Bundesregierung sei – auch wenn sie keine Beurteilung bestimmter Therapieverfahren vornehmen könne – bei den aus allgemein zugänglichen Quellen bekannten Angeboten ein Verstoß gegen rechtliche Vorschriften nicht erkennbar, vergleiche hierzu BT-Drs. 16/8022, S. 8f. 44 Diese Auffassung wird zum Beispiel vom Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen e.V. (BDP) vertreten, Auskunft ggü. der Verfasserin. 45 Die Approbation ist Voraussetzung für die kassenärztliche Zulassung, die wiederum zur Niederlassung an einem bestimmten Ort und zur Abrechnung der Leistungen über die gesetzlichen Krankenkassen berechtigt. Sofern eine entsprechende Approbation vorliegt, darf die Berufsbezeichnung "Psychotherapeut" geführt werden. 46 Gesetz über die Berufe des Psychologischen Psychotherapeuten und des Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten (Psychotherapeutengesetz) vom 16. Juni 1998 (BGBl. I S. 1311), zuletzt geändert durch Artikel 34a des Gesetzes vom 6. Dezember 2011 (BGBl. I S. 2515). 47 Gesetz über die berufsmäßige Ausübung der Heilkunde ohne Bestallung (Heilpraktikergesetz) in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 2122-2, veröffentlichten bereinigten Fassung, zuletzt geändert durch Artikel 15 des Gesetzes vom 23. Oktober 2001 (BGBl. I S. 2702). 48 Eine Erlaubnis nach dem HPG berechtigt lediglich zur privaten Abrechnung der Leistungen. Eine Abrechnung mit den gesetzlichen Krankenkassen ist nicht möglich. Sofern ausschließlich die Erlaubnis nach dem HPG vorliegt , darf die Berufsbezeichnung "Psychotherapeut" nicht geführt werden. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 – 3000-126/12 Seite 13 Psychotherapie im Sinne des PsychThG ist dabei jede mittels wissenschaftlich anerkannter psychotherapeutischer Verfahren vorgenommene Tätigkeit zur Feststellung, Heilung oder Linderung von Störungen mit Krankheitswert, bei denen Psychotherapie indiziert ist (§ 1 Abs. 3 Satz 1 PsychThG). Da Homosexualität nach der Definition des WHO keine Krankheit darstellt und als solche insofern nicht diagnostiziert werden kann50, dürfte die Behandlung der Homosexualität als eigenständige psychische Störung im Rahmen einer Psychotherapie durch einen approbierten Psychotherapeuten nicht möglich sein. Unabhängig davon hat jede Person, die unter ihrer sexuellen Orientierung leidet, das Recht, sich in psychologische Behandlung zu begeben. Nach dem geltenden ICD-10 müsste in diesen Fällen jedoch die sog. ich-dystone Störung diagnostiziert und behandelt werden. Eine Behandlung der Homosexualität mit dem Ziel, diese zu heilen bzw. zu beseitigen, könnte darüber hinaus gegen ethische Verpflichtungen der Psychotherapeuten verstoßen. So enthält die Muster-Berufsordnung (MBO-Pt51), die als Orientierung für die Berufsordnungen der jeweiligen Bundesländer dient, bestimmte Berufspflichten.52 Nach § 3 Abs. 2 MBO-Pt haben Psychotherapeuten bei der Berufsausübung die international anerkannten ethischen Prinzipien zu beachten. Sie müssen demnach die Autonomie der Patienten respektieren, Schaden vermeiden, Nutzen mehren und Gerechtigkeit anstreben. Das Prinzip der Schadenvermeidung umfasst dabei auch die Unterlassung von Handlungen mit (möglicherweise) schädigender Wirkung sowohl an der Psyche (z.B. Entmutigung) als auch am Körper (z.B. das Symptom der Selbstverletzung auslösende Intervention). Auch materielle Schäden durch die Therapie sollen vermieden werden. Psychotherapeuten unterliegen somit der Pflicht zur Prüfung ihrer Interventionen auf mögliche schädigende Wirkungen.53 Da bisher der Erfolg entsprechender Therapien im Gegensatz zu deren möglichen negativen Auswirkungen nicht nachgewiesen ist, scheint die Anwendung dieser Therapien sowohl gegen das Prinzip des Nutzens als auch das der Schadensvermeidung zu verstoßen. Ein Verstoß gegen ethische Verpflichtungen liegt zum Beispiel aus Sicht des Berufsverbandes Deutscher Psychologinnen und Psychologen e.V. (BDP) vor, der in diesem Zusammenhang auf seine Berufsordnung – insbesondere auf deren Präambel – verweist.54 Darin seien sowohl die Achtung der Würde und Integrität des Individuums (Abs. 1), der Schutz und das Wohl der Menschen (Abs. 2) als auch der Schutz der Rechte der beruflich anvertrauten Personen (Abs. 3) als Grundsätze psychotherapeutischen Verhaltens festgelegt. Darüber hinaus bestehe die Verpflichtung , auf der Basis von zuverlässigem und validem, wissenschaftlich fundiertem Wissen zu arbeiten (Abs. 5). Da weder Homo- noch Bisexualität als krankheitswertige Störung definiert sei, sei 49 Vergleiche hierzu Ausführung des BDP, im Internet abrufbar unter http://www.bdp-verband.org/psychologie- /faq_titelanerkennung.shtml#27. 50 Vergleiche hierzu Gliederungspunkt 2.1. 51 Die Musterberufsordnung der Psychotherapeuten ist im Internet abrufbar unter http://www.bptk.de/fileadmin/- user_upload/Recht/Satzungen_und_Ordnungen/Musterberufsordnung_der_BPtK_20071110.pdf. 52 Bei Verstößen gegen die Berufsordnung ist die Durchführung berufsrechtlicher Verfahren nach den Heilberufsund Kammergesetzen der Länder möglich. 53 Stellpflug/Berns (2008), Rn. 40. 54 Vergleichbare oder ähnliche Regelungen haben sich die Psychotherapeutenkammern der Länder gegeben. In diesen sind Psychologen Pflichtmitglieder, sofern sie Psychotherapie nach dem Psychotherapeutengesetz ausüben . Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 – 3000-126/12 Seite 14 eine Behandlung homo- oder bisexueller Menschen allein aufgrund ihrer sexuellen Orientierung nicht angezeigt. Hinzu komme, dass es kein Therapieverfahren gibt, das sich „nach dem jeweiligen wissenschaftlichen Stand“ als die „bestmögliche Behandlung“ von Homosexualität bezeichnen ließe.55 Andererseits wird mit der Therapiefreiheit der Psychotherapeuten, die durch Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG und Art. 12 Abs. 1 S. 1 GG geschützt ist, argumentiert. So werde das Ziel der Therapie grundsätzlich zwischen dem Therapeuten und den Patienten vereinbart. Insofern sei auch eine Therapie , die auf die Heilung der Homosexualität abstelle, verfassungsrechtlich zulässig.56 Das DIJG verweist in diesem Zusammenhang auf einen Beschluss des Petitionsausschusses zu einer Petition , mit der 154 Ärzte die Würdigung von Therapien zur Behandlung von Homosexualität durch die Bundesregierung erreichen wollten, in dem der Petitionsausschuss ebenfalls auf die verfassungsrechtlich geschützte Therapiefreiheit der Therapeuten verweist. Allerdings stellt der Petitionsausschuss keinen Zusammenhang zwischen der Therapiefreiheit und der rechtlichen Zulässigkeit von Therapien zur Behandlung von Homosexualität her. Da die Petition jedoch für sachlich unbegründet angesehen und das Verfahren abgeschlossen wurde, ohne dem Anliegen des Petenten zu entsprechen, liegt die Vermutung nahe, dass der Verweis auf die Therapiefreiheit aus Sicht des Petitionsausschusses nicht zu einer derartigen Schlussfolgerung führt.57 Teilweise wird darüber hinaus argumentiert, dass eine Behandlung auch dann möglich sei, wenn keine definierte Krankheit vorliege.58 Psychotherapie im Sinne des HPG ist jede berufs- oder gewerbsmäßig vorgenommene Tätigkeit zur Feststellung, Heilung oder Linderung von Krankheiten, Leiden oder Körperschäden bei Menschen , auch wenn sie im Dienste von anderen ausgeübt wird (§ 1 Abs. 2 HPG). Homosexualität an sich stellt keine Krankheit dar. Jedoch gibt es durchaus Patienten, die unter ihrer Homosexualität leiden und diese daher behandeln lassen wollen. Nach den Vorgaben der WHO liegt in diesen Fällen eine ich-dystone Störung vor, deren Behandlung auch im Rahmen des HPG möglich ist (s.o.). Heilpraktiker dienen nach Art. 1 der Berufsordnung für Heilpraktiker (BOH59) der Gesundheit des Menschen. Aufgrund der möglichen negativen Auswirkungen einer Therapie, die auf die Behandlung der Homosexualität hinwirkt, erscheint es zumindest fraglich, ob die Durchführung entsprechender Therapien mit den berufsrechtlichen Vorgaben vereinbar ist. Im Gegensatz zur psychotherapeutischen Behandlung ist die Durchführung einer (psychologischen ) Beratung grundsätzlich nicht an das Vorhandensein einer speziellen Qualifikation des Beraters gebunden, so dass aufgrund der fehlenden gesetzlichen Regelung jede Person eine sol- 55 Auskunft des BDP ggü. der Verfasserin. 56 So argumentiert zum Beispiel das DIJG mit der Therapiefreiheit der Therapeuten, Auskunft ggü. der Verfasserin. 57 Petition aus dem Jahr 2008. Der Petitionstext einschließlich einer Stellungnahme des Bundesministeriums für Gesundheit sowie dem Beschluss des Petitionsausschuss wurde der Verfasserin durch das DIJG zur Verfügung gestellt. 58 Auskunft des BKÄ ggü. der Verfasserin. 59 Die BHO ist die Berufsordnung der Deutschen Heilpraktikerverbände (DDH) und als solche nicht für alle Heilpraktiker rechtsverbindlich. Sie besitzt lediglich als vereinsinternes Recht für die Mitglieder Gültigkeit. Die BHO ist im Internet abrufbar unter http://www.therapie.de/fileadmin/dokumente/berufsrecht/Berufsordnung_- fuer_Heilpraktiker.pdf. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 – 3000-126/12 Seite 15 che Beratung anbieten und durchführen kann.60 Mangels berufsrechtlicher Vorgaben besteht daher kein entsprechendes berufsrechtliches Therapieverbot im Hinblick auf die Behandlung von Homosexualität. Dennoch wird teilweise die Auffassung vertreten, dass sich sämtliche Dienstleister , die entsprechende Beratungen anbieten, an den Qualitätsvorgaben für die Heilkunde messen lassen müssen. Begründet wird dies mit der im Falle einer Therapie der Homosexualität angestrebten „Heilung“, die vermuten lasse, dass sowohl der Dienstleister als auch der Klient von einer Erkrankung bzw. psychischen Störung ausgehen. Der Dienstleister müsse den Klienten über die Ineffektivität einer therapeutischen Maßnahme – in diesem Fall hinsichtlich der Behandlung der Homosexualität – und über mögliche negative Folgen informieren. Bei einer anschließenden informierten Entscheidung des Klienten für die Behandlung sei der Dienstleister aufgrund seiner ethischen Verpflichtungen gefordert, die Behandlung abzulehnen.61 Zusammenfassend ist festzustellen, dass unterschiedliche Auffassungen hinsichtlich der Zulässigkeit der Behandlung von Homosexualität bestehen. Zum Teil wird die Ansicht vertreten, dass derartige Therapien gegen die Vorgaben zur Ausübung von Heilkunde im Sozialgesetzbuch (SGB)62, den Ethischen Richtlinien für Psychologen, den Berufsordnungen für Psychotherapeuten und in diesem Zusammenhang auch gegen das HPG verstoßen und eine Behandlung im Sinne einer Heilbehandlung durch eine zur Heilkunde berechtigte Person daher nicht vereinbar mit bestehenden Gesetzen und ethischen Richtlinien ist.63 Teilweise besteht jedoch auch die Auffassung , die verfassungsrechtlich geschützte Therapiefreiheit der Therapeuten beziehe sich auch auf Behandlungen mit dem Ziel der Änderung der sexuellen Orientierung.64 4.2. Einführung eines Therapieverbots zur Behandlung von Homosexualität in Deutschland Die Verankerung eines Verbots von Therapien, die auf die Änderung der sexuellen Orientierung zielen, wirft bestimmte verfassungsrechtliche Fragestellungen auf, die im Folgenden zumindest kurz thematisiert werden.65 Die zugrundeliegenden Betrachtungen unterscheiden sich in Abhängigkeit davon, ob das Therapieverbot – analog zur kalifornischen Regelung – ausschließlich für Personen unter 18 Jahren oder auch für bereits volljährige Personen gelten soll. Hierbei sind ei- 60 Auskunft des BDP ggü. der Verfasserin. 61 Auskunft des BDP ggü. der Verfasserin. 62 An dieser Stelle wird vermutlich auf § 27 Abs. 1 SGB V Bezug genommen, wonach Versicherte der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) Anspruch auf Krankenbehandlung haben, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Der BDP vertritt die Auffassung, dass Therapien zur Behandlung von Homosexualität nicht zu Lasten der GKV abgerechnet werden dürfen, Auskunft ggü. der Verfasserin. Der Frage der Kostenerstattung durch die GKV wurde im Rahmen dieser Ausarbeitung nicht näher betrachtet. 63 Auskunft des BDP ggü. der Verfasserin. 64 So zum Beispiel das DIJG ggü. der Verfasserin. Aus Sicht der Bundesregierung sei – auch wenn sie keine Beurteilung bestimmter Therapieverfahren vornehmen könne – bei den aus allgemein zugänglichen Quellen bekannten Angeboten ein Verstoß gegen rechtliche Vorschriften nicht erkennbar, vergleiche hierzu BT-Drs. 16/8022, S. 8f. 65 Eine ausführliche grundrechtliche Prüfung war aufgrund des Zeithorizonts im Rahmen dieser Ausarbeitung nicht möglich und liegt zudem nicht in der Zuständigkeit des Fachbereichs WD 9. Diesbezüglich ist ggf. der zuständige Fachbereich WD 3 – Verfassung und Verwaltung zu kontaktieren. Ggf. bestehen über die thematisierten Fragestellungen hinaus weitere verfassungsrechtlich relevante Probleme; in diesem Zusammenhang wird ebenfalls auf den Fachbereich WD 3 verwiesen. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 – 3000-126/12 Seite 16 nerseits die Grundrechte der behandelten Personen, andererseits die der behandelnden Personen zu betrachten. Sofern sich das Therapieverbot ausschließlich auf Kinder und Jugendliche vor Vollendung des 18. Lebensjahres beziehen soll, steht im Kern die Frage, inwieweit durch dieses das in Art. 6 Abs. 2 GG statuierte Elternrecht unzulässig eingeschränkt würde. Das natürliche Recht der Eltern auf Pflege und Erziehung der Kinder umfasst u.a. auch die Sorge für die Gesundheit des Kindes.66 Insofern liegt die Entscheidung über durchgeführte Therapien grundsätzlich bei den Eltern. Im Hinblick auf Therapien, die auf eine Änderung der sexuellen Orientierung abzielen, steht dieses Recht im Konflikt zum Recht des Kindes auf sexuelle Selbstbestimmung nach Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz (GG67). Für die Beurteilung, welches dieser beiden Rechte überwiegt, ist auch das Kindeswohl heranzuziehen, das als „oberste Richtschnur68“ das Elternrecht begrenzt. Unter dem Kindeswohl wird dabei die gesunde körperliche und seelische Entwicklung des Kindes verstanden, wobei es sich hierbei um einen unbestimmten Rechtsbegriff handelt, der der Konkretisierung bedarf. Diese kann im Einzelfall problematisch sein. Sofern eine Kollision von Kindeswohl und Elternrecht vorliegt, haben die Kindesinteressen – zumindest im Einzelfall – Vorrang.69 Aufgrund der bisher nicht nachgewiesenen Wirkung von SOCE sowie deren möglichen negativen Folgen für die Gesundheit der Patienten scheint das Kindeswohl durch die Anwendung entsprechender Therapien zumindest gefährdet. Fraglich ist jedoch, inwieweit dies die Verankerung eines gesetzlichen Therapieverbots und damit eine über den Einzelfall hinausgehende grundsätzliche Einschränkung des Elternrechts nach Art. 6 Abs. 2 GG rechtfertigt. Eine entsprechende Einschätzung ist ohne eine genauere verfassungsrechtliche Prüfung des Sachverhalts nicht möglich. Hinsichtlich eines – über die zukünftig in Kalifornien geltende Regelung hinausgehenden – Therapieverbots für Personen, die das 18. Lebensjahr bereits vollendet haben, ist die Betrachtung des Elternrechts aufgrund der Volljährigkeit der Patienten hinfällig. Für diesen Personenkreis stellt sich vielmehr die Frage, ob ein Therapieverbot im Einklang mit dem sich aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG ergebenden Recht auf sexuelle Selbstbestimmung des Einzelnen steht. Teilweise wird die Auffassung vertreten, dass dies nicht der Fall ist und das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung der Verankerung eines Therapieverbots aus verfassungsrechtlicher Sicht entgegenstünde .70 Fraglich ist in diesem Zusammenhang, ob der Schutz des einzelnen Patienten durch den Staat einen Eingriff in das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung dahingehend rechtfertigt, dass dem Patienten die Durchführung bestimmter Therapien untersagt wird. Auch diese Frage ist gesondert im Rahmen einer ausführlichen Prüfung der verfassungsrechtlichen Vorgaben vorzunehmen . 66 Vergleiche hierzu Uhle in: Epping/Hillgruber, Kommentar Art. 62 GG, Rn. 52. 67 Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 100- 1, veröffentlichten bereinigten Fassung, zuletzt geändert durch Artikel 1 des Gesetzes vom 11. Juli 2012 (BGBl. I S. 1478). 68 Vergleiche hierzu Uhle in: Epping/Hillgruber, Kommentar Art. 62 GG, Rn. 46. 69 Vergleiche hierzu Uhle in: Epping/Hillgruber, Kommentar Art. 62 GG, Rn. 54f. 70 So zum Beispiel die Evangelische Allianz Deutschland (ead), Auskunft ggü. der Verfasserin. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 – 3000-126/12 Seite 17 Unabhängig davon, ob ein Therapieverbot aus verfassungsrechtlicher Sicht unzulässig in die Rechte der Patienten eingreift, ist zu prüfen, ob durch ein derartiges Verbot die Rechte der behandelnden Personen ungerechtfertigt beschränkt werden. Im Mittelpunkt dieser Überlegungen steht die sog. Therapiefreiheit, die sich aus Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG (Freiheit der Wissenschaft) sowie Art. 12 Abs. 1 S. 1 GG (Berufsfreiheit) ergibt.71 Teilweise wird die Ansicht vertreten, dass ein Verbot von auf die Änderung der sexuellen Orientierung zielenden Behandlungen gegen diese Therapiefreiheit und somit gegen das Grundgesetz verstoße.72 Wie bereits dargestellt, kann die Frage der Verfassungsmäßigkeit eines Therapieverbots zur Behandlung von Homosexualität im Rahmen dieser Ausarbeitung nicht abschließend beantwortet werden. Sofern ein solches Verbot für zulässig gehalten wird, stellt sich die Frage, in welcher gesetzlichen Grundlage die Verankerung eines derartigen Therapieverbots möglich ist. Die Beantwortung dieser Frage hängt jedoch von der konkreten Ausgestaltung eines möglichen Verbots entsprechender Therapien ab. Sofern die Anwendung von SOCE grundsätzlich verboten werden soll, scheiden bestimmte Gesetze aufgrund des großen Personenkreises, der entsprechende Therapien bzw. Beratungen anbieten könnte, von vornherein aus. So reicht zum Beispiel die Verankerung im Sozialgesetzbuch nicht aus, da dieses sich lediglich auf den Bereich der Gesetzlichen Krankenversicherung und damit auf die Frage der Kostenübernahmemöglichkeit für entsprechende Therapien bezieht. Beratungen bzw. Behandlungen, die nicht zu Lasten der GKV durchgeführt werden, wären von einem im SGB verankerten Behandlungsverbot nicht erfasst. Hierzu stellt auch die explizite Verankerung in berufsrechtlichen Vorschriften keine Alternative dar, da diese jeweils nur für bestimmte Berufsgruppen und nicht für sämtliche mögliche Anbieter gelten. Denkbar wäre hingegen zum Beispiel die Verankerung eines Therapieverbots im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG73). So könnte nach Ansicht des BDP überlegt werden, darin eine Regelung zum Schutz vor Eingriffen in die sexuelle Orientierung durch psychologische Laien zu verankern.74 Inwieweit eine Verankerung im AGG tatsächlich verfassungsrechtlich möglich und im Sinne eines grundsätzlich bestehenden Therapieverbots sinnvoll wäre, kann aus den o.a. Gründen im Rahmen dieser Ausarbeitung nicht betrachtet werden.75 5. Literaturverzeichnis American Psychological Association (2009), Appropriate Therapeutic Responses to Sexual Orientation Report of the American Psychological Association Task Force, im Internet abrufbar unter http://www.apa.org/pi/lgbt/resources/therapeutic-response.pdf. Epping/Hillgruber (Hrsg.) (2012), Beck’scher Online-Kommentar GG, Edition 15, Stand 1. Juli 2012, im Internet abrufbar unter http://beck-online.beck.de/Default.aspx?vpath=bibdata\komm\- beckok_verfr_15\gg\cont\beckok.gg.a6.htm. 71 So auch die Bundesregierung in einer Antwort auf eine kleine Antwort zu diesem Thema auf die Therapiefreiheit der Psychotherapeuten, vergleiche hierzu BT-Drs. 16/8022, S. 8f. Allerdings weist sie in demselben Zusammenhang auf die berufsrechtlichen Verpflichtungen von Psychotherapeuten hin. 72 So zum Beispiel das DIJG, Auskunft ggü. der Verfasserin. 73 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz vom 14. August 2006 (BGBl. I S. 1897), zuletzt geändert durch Artikel 15 Absatz 66 des Gesetzes vom 5. Februar 2009 (BGBl. I S. 160). 74 Auskunft ggü. der Verfasserin. 75 Vergleiche hierzu Fn. 65. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 – 3000-126/12 Seite 18 Internationale statistische Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme (ICD-10 WHO), deutsche Fassung, im Internet abrufbar unter http://www.dimdi.de/static/- de/klassi/icd-10-who/kodesuche/onlinefassungen/htmlamtl2013/index.htm. ICD-10 Classification of Mental and Behavioural Disorders, im Internet abrufbar unter http://www.who.int/classifications/icd/en/bluebook.pdf. Musterberufsordnung der Psychotherapeuten, im Internet abrufbar unter http://www.bptk.de/- fileadmin/-user_upload/Recht/Satzungen_und_Ordnungen/Musterberufsordnung_der_BPtK_- 20071110.pdf. Senate Bill No. 1172, Sexual orientation change efforts, im Internet abrufbar unter http://leginfo.- legislature.ca.gov/faces/billNavClient.xhtml?bill_id=201120120SB1172. Stellpflug, Martin H./Berns, Inge (2008), Musterberufsordnung für die Psychologischen Psychotherapeuten und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten – Text und Kommentierung, Psychotherapeutenverlag , 2. Auflage 2008, Heidelberg/München/Landsberg/Berlin.