© 2015 Deutscher Bundestag WD 9 - 3000 – 125/14 Die besondere Besteuerung von Lebens- und Genussmitteln als Steuerungsinstrument der Volksgesundheit - Folgenabschätzungen Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 – 125/14 Seite 2 Aktenzeichen: WD 9 - 3000 – 125/14 Abschluss der Arbeit: 3. März 2015 Fachbereich: WD 9: Gesundheit, Familie, Senioren, Frauen und Jugend Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 – 125/14 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Gesundheitliche und wirtschaftliche Folgen extremen Übergewichts (Adipositas) 4 2.1. Adipositas als gesundheitliches Risiko 4 2.2. Verbreitung von Adipositas 5 2.3. Direkte und indirekte Kosten von Adipositas 6 3. Studien und Einschätzungen zu den Effekten einer Besteuerung von bestimmten Lebensmitteln, Lebensmittelbestandteilen oder Getränken 7 3.1. Grundsätzlich positive Einschätzungen 8 3.1.1. Effertz und Adams 8 3.1.2. Andreyeva 8 3.1.3. Briggs 9 3.1.4. Comans 9 3.1.5. Kristensen 9 3.1.6. Lin, Biing-Hwan 10 3.1.7. Powell 10 3.1.8. Mytton 10 3.2. Grundsätzlich negative Einschätzungen 11 3.2.1. Lehnert 11 3.2.2. Edwards 11 3.2.3. Kampits 11 3.2.4. Thiele 12 3.2.5. Voit 12 3.3. Rahmenbedingungen für eine effiziente Besteuerung bestimmter Lebensmittel und Getränke 13 4. Besteuerung von Lebensmitteln in ausgewählten Ländern 14 4.1. Dänemark 14 4.2. Finnland 14 4.3. Frankreich 15 4.4. Mexiko 16 4.5. Ungarn 17 4.6. Norwegen 17 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 – 125/14 Seite 4 1. Einleitung Übergewichtigkeit als Folge eines veränderten Ernährungsverhaltens stellt in vielen Industrieund Schwellenländern ein gravierendes gesundheitliches und wirtschaftliches Problem dar.1 Im Kern lassen sich zur Bekämpfung von Übergewicht die folgenden vier Ansätze unterscheiden, wobei diese in den unterschiedlichen Strategien in vielen Fällen komplementär diskutiert werden : • Verhaltensänderung durch Aufklärung, • Kennzeichnung von Übergewicht verursachenden Lebensmitteln oder Getränken, • Werbeeinschränkung beziehungsweise –verbot dieser Lebensmittel oder Getränke, • Besondere Besteuerung dieser Lebensmittel oder Getränke. Auftragsgemäß wird im Folgenden eine Auswahl von Studien oder Einschätzungen vorgestellt, die die Besteuerung von besonders kalorienhaltigen Nahrungsmitteln oder Getränken in den Fokus ihrer Betrachtungen ziehen. 2. Gesundheitliche und wirtschaftliche Folgen extremen Übergewichts (Adipositas) 2.1. Adipositas als gesundheitliches Risiko Adipositas wird als eine über das Normalmaß hinausgehende Vermehrung des Körperfetts definiert .2 Als eine Berechnungsgrundlage zur Ermittlung eines Übergewichts hat sich der so genannte Body-Maß-Index (BMI) etabliert. Der BMI wird errechnet, indem man das Körpergewicht (in Kilogramm) durch das Quadrat der Körpergröße (in Metern) teilt. Insbesondere wirkt auch die im Bauchhöhenbereich abgelagerte (viszerale) Fettmasse gesundheitsgefährdend. Weil die individuelle Verteilung des eingelagerten Fetts im Körper nicht durch den BMI dargestellt werden kann, werden auch andere Berechnungsgrundlagen wie der APSI (A Body Shape Index) diskutiert . Bei APSI werden sowohl das jeweilige Alter als auch der Bauchumfang als weitere Parameter einberechnet.3 Nach Darstellung der Deutschen Adipositas Gesellschaft (DAG) entstehen durch eine Adipositas- Erkrankung kardiovaskuläre Risikofaktoren (Faktoren, die das Schlaganfalls-, Herzinfarkt- oder 1 So wird extreme Übergewichtigkeit (Adipositas) selbst unter anderem von der World Health Organization (WHO) als Krankheit mit einem epidemischen Charakter eingestuft. 2 Definition nach Deutsche Adipositas Gesellschaft (DAG) http://www.adipositas-gesellschaft.de/index .php?id=39 (Stand 28. Januar 2015). 3 Informationen zum APSI: Zentrum für Endokrinologie und Stoffwechsel Nymphenburg, Ein neues Maß für Gesundheitsrisiken durch Übergewicht – der A Body Shape Index, eingestellt auf: http://zes-muc.de/absi.html (Stand 21. Januar 2015). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 – 125/14 Seite 5 Arterioskleroserisiko fördern). Ebenso werde das Risiko erhöht, an einer Stoffwechselstörung zu erkranken. Auch litten an Adipositas Erkrankte – und hier vor allem Jugendliche – unter psychosozialen Problemen, so beispielsweises unter Stigmatisierung oder Diskriminierung.4 Die Ursachen für eine Adipositas-Erkrankung sind vielschichtig. So wird davon ausgegangen, dass sowohl individuell-genetische Prädispositionen als auch Umweltbedingungen, der Umfang und die Art der Vermarktung beziehungsweise die Preisgestaltung von Übergewicht fördernden Lebensmitteln oder Getränken sowie Essnormen in der Familie oder Kultur eine besondere Rolle spielen.5 2.2. Verbreitung von Adipositas Schätzungen zufolge ist – wenn der BMI bei der Berechnung zugrunde gelegt wird - derzeit ein Drittel der Weltbevölkerung übergewichtig oder adipös. Das Statistische Bundesamt stellt fest, dass die Weltgesundheitsorganisation (WHO) Erwachsene mit einem BMI über 25 als übergewichtig und mit einem Wert über 30 als stark übergewichtig einstuft. Die OECD definiert eine vorliegende Adipositas-Erkrankung für den Fall, dass ein BMI-Wert von über 30 vorliegt. Die Deutsche Adipositas-Gesellschaft differenziert weitere Krankheitsbilder. So wird ein BMI-Wert zwischen 25 und 30 als prä-adipös bezeichnet.6 Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes7 waren im Jahr 2013 52 Prozent der erwachsenen Bevölkerung (62 Prozent der Männer und 43 Prozent der Frauen) in Deutschland übergewichtig 4 Krause, L. (u.a.), Gesundheitsbezogene Lebensqualität von übergewichtigen und adipösen Jugendlichen. In Bundesgesundheitsblatt . 2014, Ausg. 57, S. 445-454. In der Studie wird auch nachgewiesen, dass der jeweilige soziale Status keinen oder (vor allem bei Jungen aus höheren Bildungsschichten und hier einen negativen) nur einen geringen signifikanten Einfluss auf das Wohlbefinden hat. Geschlussfolgert wird hier, dass Präventionsmaßnahmen möglichst früh beginnen sollen. Die Zusammenfassung des Beitrags sowie eine Verlinkung zum vollständigen Text ist eingestellt auf: http://link.springer.com/article/10.1007%2Fs00103-014-1943-2 (Stand 4. Februar 2015). 5 Effertz, Tobias, Adams, Michael, Effektive Prävention von Adipositas durch Kindermarketingverbote und Steuerstrukturänderungen , in: Prävention und Gesundheit X, 2014. Der Aufsatz ist eingestellt auf: http://download .springer.com/static/pdf/547/art%253A10.1007%252Fs11553-014-0464- z.pdf?auth66=1423035900_2ea6c0ff27729c95581eb71af6b162b2&ext=.pdf (Stand 4. Februar 2015). 6 Angaben nach: Deutsche Adipositas-Gesellschaft, eingestellt auf: http://www.adipositas-gesellschaft.de/index .php?id=39 (Stand 29. Januar 2015). 7 Statistisches Bundesamt (DESTATIS), Jeder zweite Erwachsene in Deutschland hat Übergewicht, Pressemitteilung vom Nr. 386 vom 05.11.2014, eingestellt auf https://www.destatis.de/DE/PresseService/Presse/Pressemitteilungen /2014/11/PD14_386_239.html (Stand 12. Januar 2015). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 – 125/14 Seite 6 sowie 16 Prozent (17 Prozent der Männer und 14 Prozent der Frauen) stark übergewichtig. Hinsichtlich der schichtspezifischen Verteilung sei auffallend, dass Übergewicht oder Adipositas in Deutschland nicht mit einem niedrigen sozialen Status beziehungsweise Einkommen korreliere.8 2.3. Direkte und indirekte Kosten von Adipositas Die Berechnung der durch Krankheiten entstehenden finanziellen Belastung der Allgemeinheit setzt sich aus direkten und indirekten Kosten zusammen. Die direkten Kosten bezeichnen nach Darstellung der DAG9 die Kosten einer Behandlung von Adipositas beziehungsweise durch Adipositas hervorgerufenen anderen Erkrankungen. Indirekte Kosten umfassten beispielsweise den Verlust von Lebensqualität und den Produktivitätsverlust durch eine krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit beziehungsweise durch eine vorzeitige Verrentung.10 Unter Berufung auf eine Studie aus dem Jahr 2008 und einer Studie der WHO geht die DAG davon aus, dass sich die direkten Behandlungskosten im Jahr 2003 für Adipositas auf 85,71 Mio. Euro belaufen haben. Für Folgeerkrankungen , die auf Adipositas zurückgeführt werden (assoziierte Komorbitäten), gibt die DAG 11,3 Mrd. Euro als Kosten an. Die indirekten Kosten betrügen 1,4 bis 1,6 Mrd. Euro. Andere Schätzungen gehen von allein direkten Kosten im Jahr 2002 in Höhe von ca. 4,9 Mrd. Euro aus. Dies habe 2,1 Prozent der gesamten Gesundheitsausgaben in Deutschland im Jahr 2002 entsprochen .11 8 Kuntz, Benjamin, Lampert, Thomas, Sozioökonomische Faktoren und Verbreitung von Adipositas, in: Deutsches Ärzteblatt, 2010, Ausg. 107 (30), S. 517-522. Die Autoren weisen darauf hin, dass dieses Phänomen in allen Ländern mit einem „westlichen Lebensstil“ erkennbar ist. Der Beitrag ist eingestellt auf: http://www.aerzteblatt .de/archiv/77670/Soziooekonomische-Faktoren-und-Verbreitung-von-Adipositas (Stand 4. Februar 2015). 9 Siehe zu den folgenden Angaben: http://www.adipositas-gesellschaft.de/index.php?id=42 (Stand 28. Januar 2015). 10 Eine detaillierte Darstellung der durch Adipositas in Deutschland entstehenden Kosten bieten A. Mühlbacher, S. Bethge, S. Gräber, Gesundheitsökonomische Betrachtung der Adipositas, herausgegeben vom Innovationszentrum Technologien für Gesundheit und Ernährung (IGE), Berlin Dezember 2011, S. 46 ff.. Die Studie ist eingestellt auf http://www.ige.tu-berlin.de/fileadmin/fg176/IGE_Printreihe/Muehlbacher-Epidemiologie-Adipositas -2011.pdf (Stand 19. Januar 2015). 11 Lehnert, T. (u.a.), Gesundheitssteuern auf Lebensmittel. Eine Maßnahme zur Förderung der Gesundheit in Deutschland?, in: Bundesgesundheitsblatt 2013, Ausg. 56, S. 562. Berücksichtigt wurden hierbei als Folgen von Adipositas Endokrinologische Erkrankungen, Herz-/Kreislauferkrankungen, Erkrankungen des Verdauungssystems und Krebserkrankungen. Die Zusammenfassung des Beitrags sowie eine Verlinkung zum vollständigen Text ist eingestellt auf: http://link.springer.com/article/10.1007%2Fs00103-012-1644-7 (Stand 4. Februar 2015). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 – 125/14 Seite 7 3. Studien und Einschätzungen zu den Effekten einer Besteuerung von bestimmten Lebensmitteln , Lebensmittelbestandteilen oder Getränken Die WHO hält die Besteuerung von beispielsweise stark gesüßten Getränken, Fetten oder besonders kalorienhaltigen Lebensmitteln für eine sinnvolle Maßnahme zur Veränderung des Konsumverhaltens : “Public policies can influence prices through taxation, subsidies or direct pricing in ways that encourage healthy eating and lifelong physical activity.”12 Die Forderung nach einer Konsumsteuerung ist auch in den Aktionsplan der WHO für eine globale Strategie zur Verhütung und Kontrolle nicht übertragbarer Krankheiten aufgenommen worden . So fordert die WHO von ihren Mitgliedstaaten: “to develop a national policy framework taking into account several policy instruments such as healthy public policies creating a conducive environment for healthy lifestyles; fiscal and taxation policies towards healthy and unhealthy goods and services; and public media policies empowering the community”13. Allerdings gibt es in der wissenschaftlichen Literatur unterschiedliche Einschätzungen hinsichtlich der Effizienz einer solchen Besteuerung. Einschlägige und belastbare Untersuchungen zu einem veränderten Konsumverhalten in Ländern der Europäischen Union, in denen eine Besteuerung bestimmter Lebensmittel, Lebensmittelbestandteile oder Getränke eingeführt wurde, liegen noch nicht vor, was unter Umständen darauf zurückzuführen ist, dass die Einführung der Besteuerung noch nicht lange zurückliegt und deshalb auch die Untersuchungszeiträume zu kurz sind. Der folgende Überblick zu Studien, die im Zusammenhang mit der Frage nach der Effektivität einer Besteuerung bestimmter Nahrungsmittel oder Getränke zum Gegenstand haben, ist untergliedert nach zusammenfassenden Darstellungen, grundsätzlich positiven Einschätzungen und grundsätzlich negativen Einschätzungen. 12 WHO, Global Strategy on Diet, Physical Activity and Health, Genf 2004, S.8, eingestellt auf: http://www.who.int/dietphysicalactivity/strategy/eb11344/strategy_english_web.pdf (Stand 4. Februar 2015). 13 WHO, 2008-2013, Action Plan for the Global Strategy for the Prevention and Control of Noncommunicable Diseases , S. 32. Eine Verlinkung zum Action Plan ist eingestellt auf: http://www.who.int/nmh/publications /9789241597418/en/ (Stand 4. Februar 2015). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 – 125/14 Seite 8 3.1. Grundsätzlich positive Einschätzungen 3.1.1. Effertz und Adams Wie auch andere Befürworter einer Besteuerung von kalorienreichen Lebensmitteln oder Getränken gehen die Autoren, die sich mit hierzu vorliegenden Studien befasst haben, von der Annahme aus, dass eine Reduktion von Zucker oder Fetten in der Nahrung grundsätzlich positive Effekte auf die Gesundheit nach sich ziehe. Im Rahmen ihrer Auswertung, beispielsweise zu der Frage, inwieweit der Alkohol- und Tabakkonsum über eine Produktverteuerung durch Steuern oder Abgaben verändert wurde, schlussfolgern die Autoren14, dass auch eine Besteuerung von bestimmten ungesunden Lebensmitteln – neben einer Einschränkung der Bewerbung solcher Produkte für die Zielgruppe der Kinder – ein effektives Instrument zur Bekämpfung von Adipositas sein kann. Effertz und Adam schätzen es als belegt ein, dass es einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen Preisgestaltung und Verbrauch gebe. So sei nachgewiesen, dass eine einprozentige Erhöhung der Preise in der Regel zu einem Rückgang der Nachfrage von bis zu einem Prozent führe. Dieser Zusammenhang wird als Preiselastizität15 bezeichnet.16 Um diese Effekte zu erreichen, schlagen die Autoren eine Änderung des Umsatzsteuergesetzes vor.17 3.1.2. Andreyeva In einigen Bundestaaten der USA sind in der Vergangenheit unterschiedliche Besteuerungssysteme bestimmter Nahrungsmittel etabliert worden. Aus Auswertungen dieser Regelungen schließen Andreyeva, Tatiana u.a., dass derartige Besteuerungen grundsätzlich positive Auswirkungen auf das Konsumverhalten hin zu gesünderen Lebensmitteln hätten. Sie schlagen auch vor, dass die durch eine Besteuerung zusätzlich erzielten Steuereinnahmen für Präventionsmaßnahmen eingesetzt werden sollten.18 14 Effertz, Tobias und Adams, Michael,a.a.O., S. 1 ff.... Dort sind auch die Änderungsvorschläge zum Umsatzsteuergesetz aufgeführt. 15 Die Preiselastizität gibt an, welche Veränderungen einer Angebots- beziehungsweise Nachfragemenge nach einer Preisänderung eintreten. 16 Auch eine Reihe weiterer Wissenschaftler leiten die Prognose einer Konsumveränderung aus dieser zu erwartenden und aus ihrer Sicht wahrscheinlichen Preiselastizität ab. 17 Herr Dr. Effertz steht nach eigener Angabe für weitere Rückfragen gern persönlich zur Verfügung: effertz@uni-hamburg.de. 18 Andreyeva, Tatiana (u.a.), Estimating the potential of taxes on sugar-sweetened beverages to reduce consumption and generate revenue, in: Preventive Medicine, Ausg. 52 (2011), S. 413-416, eingestellt auf: http://www.yaleruddcenter.org/resources/upload/docs/what/economics/ssbtaxespotential_pm_6.11.pdf (Stand 4. Februar 2015). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 – 125/14 Seite 9 3.1.3. Briggs Auf der Basis einer Analyse des Konsumverhaltens in Irland im Hinblick auf gesüßte Getränke prognostizieren Briggs19 u.a., dass eine zehnprozentige Besteuerung von gesüßten Getränken dort zu einer Reduktion der Übergewichtigen von ca. 10.000 und zu einem Rückgang der an Adipositas Erkrankten um 14.000 Personen führen könnte. Angesichts der Zahl der Gesamtbevölkerung von 4,6 Millionen (2013) sei dies zunächst nur ein prozentual geringer Rückgang. Da aber insbesondere der Konsum gesüßter Getränke in Irland vor allem bei jungen Menschen festzustellen sei, sei langfristig ein höherer prozentualer Rückgang der durch Übergewicht oder Adipositas hervorgerufenen Folgeerkrankungen an der Gesamtbevölkerung absehbar. 3.1.4. Comans Auch Comans, Tracy u.a.20 folgern aus ihren Erkenntnissen, dass eine Besteuerung bestimmter Lebensmittel zu einer Konsumveränderung führen könne. Allerdings müssten derartige Besteuerungen durch andere Maßnahmen flankiert werden. Zentrales Ziel müsse eine breite gesellschaftliche Akzeptanz der Maßnahmen sein. Hierzu solle gesundheitliche Aufklärung geleistet und unterstrichen werden, dass die Sonderbeteuerung ausschließlich das Ziel hat, Gesundheit zu fördern und zu sichern. Des Weiteren sollten diese Besteuerungen transparent und leicht verständlich sein. Die erzielten höheren Steuereinnahmen sollten für Maßnahmen zur Förderung der öffentlichen Gesundheit mit dem Ziel einer gesunden Ernährung verwendet werden. 3.1.5. Kristensen Kristensen u.a.21 kommen zu dem Ergebniss, dass eine Besteuerung bestimmter Lebensmittel positive Effekte auf eine Konsumveränderung haben könnte. Gleichwohl fordern sie tiefergehende wissenschaftliche Forschungen zu der Frage, welche Produktsubstitutionen mit welchen Folgen für den Fall einer derartigen Besteuerung eintreten könnten. 19 Briggs, Adam (u.a.), The potential impact on obesity of a 10% tax on sugar-sweetened beverages in Ireland, an effect assessment modelling study, 344:e2931, eingestellt auf: http://www.biomedcentral.com/1471- 2458/13/860 (Stand 4. Februar 2015). Eine Studie von Briggs (u.a.), in der eine Projektion der Folgen einer 20- prozentigen Sondersteuer für gesüßte Getränke in Großbritannien angenommen wird, kommt zu vergleichbaren Ergebnissen: Briggs, Adam, Overall and income specific effect on prevalence of overweight and obesity of 20% sugar sweetened drink tax in UK: economic and comparative risk assessment modelling study, in: BMJ Ausgabe 2013, S. 347 ff., eingestellt auf: http://www.bmj.com/content/347/bmj.f6189 (Stand 4. Februar 2015). 20 Comans, Tracy A. (u.a.), The cost-effectiveness and consumer acceptability of taxation strategies to reduce rates of overweight and obesity among children in Australia: study protocol, in: BMC Public Health 2013, Aug. 13:1182, eingestellt auf: http://www.biomedcentral.com/1471-2458/13/1182 (Stand 4. Februar 2015). Zielgruppe der Studie waren Kinder in Australien. Zu vergleichbaren Ergebnissen kommen Lavin, Rachel und Timpson, Hannah, in ihrer Studie Exploring the Acceptability of a Tax on Sugar-Sweetened Beverages, des Centre for Public Health der Liverpool John Moores University, Liverpool 2013, eingestellt auf: http://www.cph.org.uk/wp-content/uploads/2013/11/SSB-Insight- Report-September-2013.pdf (Stand 4. Februar 2015). 21 Kristensen (u.a.), Reducing Childhood Obesity trough U.S. Deferal Policiy, in: American Journal of Preventive Medicine, Ausg. 2014;47(5), S. 602-612 (Stand 19. Dezember 2014). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 – 125/14 Seite 10 3.1.6. Lin, Biing-Hwan Biing-Hwan Ling u.a.22 untersuchen in einer Modellstudie, in welchem Maße Gewichtsveränderungen bei Personen unterschiedlicher Alters- und Einkommenskohorten zu Tage treten, wenn eine Verteuerung – beispielsweise durch eine entsprechende Besteuerung gesüßter Getränke – angesetzt wird. Im Ergebnis prognostizieren sie positive Effekte, wobei die Veränderungen nach ihrer Einschätzung beispielsweise nicht linear verlaufen werden, sondern sich die individuelle Konsumveränderung nach Einführung derartiger Besteuerungen differenziert entwickeln wird. Allerdings weisen auch sie auf die Notwendigkeit weiterer – bisher nicht vorliegender – Untersuchungen hin, so beispielsweise zu der Frage, ob es eine Korrelation zwischen einer Reduktion des Konsums gesüßter Getränke und anderer Lebensmittel – und zwar nicht nur Getränke – gibt. Einen wichtigen weiteren Forschungsgegenstand stelle auch die Frage dar, wie sich Konsumveränderungen vor dem Hintergrund unterschiedlicher Konsumlevels entwickeln, also, ob sich bei einer entsprechenden Besteuerung ein bis dahin intensiver Konsum anders entwickele als ein bis dahin nicht-intensiver Konsum gesüßter Getränke. 3.1.7. Powell Powell, Lisa M. u.a. untersuchen, ob, und wenn ja, welche Unterschiede es hinsichtlich des Konsumverhaltens zwischen einer höheren Besteuerung von stark kalorienhaltigen Lebensmitteln – und hier insbesondere fast food – einerseits und gesüßten Getränken andererseits gibt. Sie stellen fest, dass die Erwerbssituation und somit die Rahmenbedingungen für eine Besteuerung sehr unterschiedlich sind. So würden in fast-food-Restaurants häufig auch Produkte mit einem geringeren Kalorienanteil wie beispielsweise Salate angeboten. Vor diesem Hintergrund sei es hinsichtlich der Praktikabilität vergleichsweise einfacher, bestimmte Getränkegruppen zu identifizieren und zu besteuern. Ein Augenmerk sollte auch auf die Frage gelegt werden, wie sich das Verhältnis der Preise durch eine Besteuerung stark kalorienhaltiger Lebensmittel und Getränke zu kalorienarmen Produkten wie Salaten und Obst entwickelt. Hierbei sei zu untersuchen, ob positive Effekte, die durch eine Besteuerung entstehen, nicht durch eine stärkere Preisentwicklung bei anderen gesünderen Produkten wieder aufgehoben werden. 3.1.8. Mytton Mytton, Oliver T. u.a.23 gehen davon aus, dass die Besteuerung ungesunder Lebensmittel und Getränke dann eine positive Wirkung auf das Konsumverhalten entfaltet, wenn ein produktspezifischer Steuersatz von mindestens 20 Prozent auf den Kaufpreis erhoben werde. Sie räumen ein, dass durch eine solche Besteuerung insbesondere untere Einkommensgruppen belastet würden. Gleichwohl seien die zu erwartenden positiven Effekte in diesen Gruppen besonders hoch, da auch der Anteil des Konsums ungesunder Produkte dort vergleichsweise hoch sei. 22 Lin, Biing-Hwan, Measuring weight outcomes for obesity intervention strategies: The case of sugar-sweetened beverage tax, in: Economics and Human Biology, Ausg. 9 (2011), S. 329-341, eingestellt auf: http://heartland .org/sites/default/files/20110114_economicsandhumanbiology9_4_329-341_lin.pdf (Stand 4. Februar 2015). 23 Siehe Mytton, Oliver T., Taxing unhealthy food and drinks to improve health, in: British Medical Journal, Ausg., 15. Mai 2012, S. 344 ff., eingestellt auf: http://www.commed.vcu.edu/Chronic_Disease/Obesity /2013/bmjFoodTaxes.pdf (Stand 4. Februar 2015). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 – 125/14 Seite 11 3.2. Grundsätzlich negative Einschätzungen 3.2.1. Lehnert Eine Zusammenfassung von Forschungsergebnissen bieten Lehnert, T. u.a.24 Sie unterscheiden bei ihrer Darstellung methodisch zwischen Experimentellen Untersuchungen, Beobachtungsstudien und Modellierungen. Sie kommen unter anderem zu dem Schluss, dass „aufgrund der heterogenen Ergebnisse in der internationalen Literatur und der unzureichenden empirischen Evidenz zum Einfluss von Preisänderungen auf mit Malnutrition (Mangelernährung , d.V.) im Zusammenhang stehende gesundheitliche Endpunkte in Deutschland, (scheint) hier eine entsprechende fiskalische Intervention zu diesem Zeitpunkt nur schwer zu rechtfertigen“25 sei. Weiterhin sei eine Übertragung der internationalen Literatur auf den deutschen Kontext problematisch. 3.2.2. Edwards Auch unter Bezugnahme auf die Arbeiten von Tatiana Andreyeva (s. hierzu bspw. Kap. 2.2.2) äußert Ryan D. Edwards26 seine Skepsis, ob die vorliegenden wissenschaftlichen Erkenntnisse ausreichen , um die Einführung von Sondersteuern für bestimmte Nahrungsmittel empfehlen zu können . Nach seiner Ansicht müsse bei einer umfassenden Betrachtung möglicher Folgen einer Sonderbesteuerung auch untersucht werden, welches Substitutionsverhalten Konsumenten nach der Einführung einer Sonderbesteuerung an den Tag legen, also, ob sie auf Nahrungsmittel oder Getränke ausweichen, die nicht einer Besteuerung unterliegen, die gleichwohl aber auch negative gesundheitliche Folgen nach sich ziehen können. 3.2.3. Kampits Peter Kampits27 diskutiert in einem Interview die philosophischen Implikationen der Autonomie des Einzelnen im Kontext der Gesundheitsvorsorge. Einer Besteuerung bestimmter Lebensmittel oder Getränke steht er kritisch gegenüber. Er führt das aus: 24 Siehe Lehnert (u.a.), a.a.O., S. 562 ff. 25 ebd., S. 568. 26 Edwards, Ryan D., Commentary: Soda taxes, obesity, and the shifty behavior of consumers, in: Preventive Medicine , Ausg. 52 (2011), S. 417-418, eingesetllt auf: http://qcpages.qc.cuny.edu/~redwards/Papers/edwards-comment -10-657R1.pdf (Stand 4. Februar 2015). 27 Kampits, Peter, Autonomie des Einzelnen herausfordern, in: „ernährung heute”, Ausg. 2, 2012, S. 9. Kampits ist Philosoph und u.a. Vorsitzender des Wiener Beirats für Bio- und Medizintechnik. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 – 125/14 Seite 12 „… Besser wäre es, die Steuern auf Bioprodukte zu senken, um Lebensmittel mit einem finanziellen Anreiz auszustatten. … Ethisch wäre nicht eine Regelung durch steuerliche Maßnahmen , sondern durch Erziehung und Aufklärung vorzuziehen, da damit auch die Autonomie des Einzelnen stärker herausgefordert würde.“ 3.2.4. Thiele In einem Beitrag aus dem Jahr 2012 stellt Silke Thiele28 die Frage nach den möglichen gesundheitlichen Effekten einer Fettsteuer. Sie kommt zu dem Ergebnis, dass sich der Konsum nach Einführung einer Fettsteuer, wenn auch nur in einem geringen Umfang, zugunsten weniger fetthaltiger Produkte verschieben würde. Hinsichtlich der Auswirkungen auf die Frage, ob dies auch zu einer verbesserten allgemeinen Gesundheitssituation führen wird, verweist sie darauf, dass durch eine Verminderung der Zunahme von Fetten auch eine Reduktion der Aufnahme von Vitamin D einhergehen könnte. Abschließend kommt sie zu dem Fazit, dass zum einen eine Fettsteuer zielgerichtet zu sein scheint, andererseits aber die gesundheitlichen Effekte noch nicht abschließend eingeschätzt werden könnten. Nicht zuletzt auch wegen fehlender Analysen, welche Folgen derartige Steuern für das Wohlfahrtssystem insgesamt haben könnten – und hier insbesondere im Hinblick auf eine stärkere Belastung unterer Einkommensgruppen –, könne eine Fettsteuer derzeit nicht als eine geeignete Maßnahme zur Reduzierung von Übergewicht angesehen werden. 3.2.5. Voit In der Aufsatzsammlung von Wolfgang Voit29 u.a. werden zunächst Theorien diskutiert, mit denen man sich dem Phänomen Übergewicht / Adipositas analytisch besser nähern kann. So wird gefordert, dass über die Frage einer persönlichen Energiebilanz – also dem Verhältnis von Energiezufuhr und Energieverbrauch - hinaus eine Zahl weiterer Paradigmen wie individuelle genetische Konditionierungen sowie soziologische und kulturelle Rahmenbedingungen in Studien mit einbezogen werden müssen.30 28 Thiele, Silke, Potentielle Effekte einer Fettsteuer, in: „ernährung heute“, Ausg. 2_2012, S. 3-6. Diese Position unterstreicht sie in dem Beitrag „Einführung der Fettsteuer in Dänemark: Welche Effekte wären für Deutschland zu erwarten, in: DMW – Die Milchwirtschaft, Aus. 7/2012. 29 Voit, Wolfgang (u.a.), Informierte Selbstbestimmung als Ziel staatlicher Adipositasprävention. Das Leitbild des „mündigen Verbrauchers“ im Spiegel von Recht und Ethik, erschienen in der Reihe Marburger Schriften zum Gesundheitswesen, Band 16, Marburg 2011. In dieser Sammlung ist eine explizite Auseinandersetzung mit einer möglichen Besteuerung bestimmter Lebensmitte beziehungsweise Getränke nicht enthalten. Dem Duktus der Aufsätze ist aber zu entnehmen, dass eine Prävention mit möglichst großen individuellen Handlungsoptionen das Leitbild ist. 30 Ried, Jens, Adipositasprävention als normatives Konfliktfeld: Ein sozialethischer Grundriss, in: Voit, Wolfgang (u.a.), a.a.O. S. 18 ff. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 – 125/14 Seite 13 Das Heranziehen von Studien aus dem Bereich der besonderen Besteuerung von Tabak und Alkohol sei nicht zielführend, da Ernährung im Gegensatz zum Tabak- oder Alkoholkonsum lebensnotwendig sei und daher anderen Bedingungen unterliege.31 3.3. Rahmenbedingungen für eine effiziente Besteuerung bestimmter Lebensmittel und Getränke Einen Überblick zu Themenstellungen, die im Zusammenhang mit der Kennzeichnung oder der Besteuerung bestimmter Nahrungsmittel stehen, bietet die Zusammenfassung verschiedener Autoren eines Symposiums mit dem Titel „Food Summer School“ der Hochschule für Angewandte Wissenschaften (HAW), Hamburg, die vom 3. bis 4. Juli 2013 stattfand.32 Zu einem nicht abschließenden Ergebnis kommt York Zöllner. Er zeigt aber einer Reihe von Rahmenbedingungen auf, unter denen eine Besteuerung bestimmter Lebensmittel sinnvoll sein könnte. Hierzu zählen nach seiner Einschätzung unter anderem die Belegbarkeit der Lenkungswirkung, die flächendeckende Einführung in einem Wirtschaftsbinnenraum, die ständige Überprüfung der Besteuerung nach ernährungswissenschaftlichen Erkenntnissen , die Prüfung der Konsistenz / Inkonsistenz einer Besteuerung mit anderen wirtschaftspolitischen Maßnahmen (beispielsweise eine Subvention eines Nahrungsmittels auf dem Agrarmarkt und dessen anschließende spezifische Besteuerung), die wissenschaftliche Untersuchung des Kompensationsverhaltens der Verbraucher, die Einbindung einer Besteuerung in eine ernährungspolitische Gesamtstrategie.33 31 Ried, Jens, a.a.O., S. 22. 32 Fritsche, Jan, und Holle, Martin, Lebensmittelverbraucherinformation: Gesetzgebung, Instrumente und Auswirkung auf das Markt- und Ernährungsverhalten, Food Science Summer School der Hochschule für Angewandte Wissenschaften (HAW) Hamburg vom 3. bis 4. Juli 2013, November 2o13, eingestellt auf: http://download.springer .com/static/pdf/857/art%253A10.1007%252Fs00003-013-0844- x.pdf?auth66=1423039396_d216f015fa66108b277a2182919828e2&ext=.pdf (Stand 4. Februar 2015) 33 Zöllner, York, Steuern zur Steuerung von Ernährungsverhalten, in: Fritsche, Jan und Holle, Martin, a.a.O., S. 10. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 – 125/14 Seite 14 4. Besteuerung von Lebensmitteln in ausgewählten Ländern Im Folgenden werden die Regelungen und Erfahrungen in ausgewählten Ländern dargestellt, in denen Steuern auf Lebensmittel, Lebensmittelbestandteile oder Getränke mit dem Ziel einer Konsumänderung eingeführt wurden.34 Die Darstellung über Art und Umfang der jeweiligen Regelungen erfolgt durch den Sachstand des Fachbereichs WD435, auf den an dieser Stelle inhaltlich Bezug genommen wird. 4.1. Dänemark In Dänemark wurde im Oktober 2011 mit dem „Gesetz zur Abgabe auf gesättigte Fette in bestimmten Lebensmitteln“ eine Abgabe auf solche Lebensmittel eingeführt, die mehr als 2,3 Prozent dieser Fette enthielten.36 Das Gesetz wurde zum 31. Dezember 2012 wieder aufgehoben. 4.2. Finnland In Finnland werden bestimmte Lebensmittelgruppen, wie Süßigkeiten, kakaohaltige Produkte, Eis, alkoholfreie Getränke gesondert besteuert. Diese Verbrauchssteuer auf Softdrinks liegt derzeit bei 7,5 Cent pro Liter. Seit 2014 werden auch alkoholfreie Getränke, die Zucker enthalten, höher als zuckerfreie Getränke besteuert. Weiterhin wurde 2011 eine Steuer auf Süßwaren eingeführt. 34 Die folgenden Angaben sind entnommen aus: Hans-Henner Becker, Einzelfragen zur Besteuerung bestimmter Lebensmittel oder Getränke, Sachstand, Wissenschaftlicher Dienst des Deutschen Bundestages (WD9-3000- 116/14). Einschlägige und belastbare Untersuchungen zu einem veränderten Konsumverhalten in den oben genannten Ländern, in denen die Besteuerung von bestimmten Lebensmitteln, Lebensmittelbestandteilen oder Getränken eingeführt wurde, liegen noch nicht vor, was unter Umständen darauf zurückzuführen ist, dass die Einführung der Besteuerung noch nicht lange zurückliegt und deshalb auch die Untersuchungszeiträume zu kurz sind. Auch aus diesem Grund wurden die Botschaften der oben genannten Länder um Informationen zu diesem Thema und den anderen Fragestellungen gebeten. 35 Mucha, Roswitha, (WD 4 - 3000 – 234/14). 36 Mucha, Roswitha, a.a.O., S. 7. 38 Email der dänischen Botschaft vom 8. Dezember 2014. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 – 125/14 Seite 15 Gegenwärtig werden Süßigkeiten, Schokoladenprodukte und Eis mit 95 Cent pro Kilogramm besteuert .39 4.3. Frankreich In Frankreich trat am 1. Januar 2012 eine Sondersteuer (§ 1613 ter Code général des impôts) auf Getränke mit Zuckerzusatz in Kraft. Der Steuersatz beträgt 7,45 Cent pro Liter. Weiterhin unterliegen auch Getränke mit geringem Alkoholgehalt (weniger als 1,2 Prozent) und Biere (0,5 Prozent ) dieser Steuer.41 In einem Bericht im Auftrag der Arbeitsgruppe „Bewertung und Kontrolle der Sozialen Sicherheit “ und des Sozialausschusses des französischen Senats zu dem Thema Besteuerung und Öffentliche Gesundheit vom 26. Februar 2014 wird auch zu der Frage der Effektivität bestehender Besteuerungen von Getränken im Hinblick auf ein verändertes Verbraucherverhalten Stellung genommen . Es wird festgestellt, dass die seit 2012 geltenden Regelungen zur Besteuerung gezuckerter beziehungsweise gesüßter Getränke in Frankreich erkennbare Effekte auf den Getränkemarkt gehabt haben. Diese Steuern seien teilweise auf die Verkaufspreise umgelegt worden, wobei im Bereich der niedrigpreisigen Getränke kaum Spielraum für eine Überwälzung auf den Kunden möglich gewesen sei. In dem Bericht wird aber auch hervorgehoben, dass es schwierig sei, einen eindeutigen unmittelbaren Zusammenhang zwischen der bezeichneten Besteuerung und einem veränderten Konsumverhalten abzuleiten, da beispielsweise in den vergangenen Jahren die Ausgaben der Haushalte in Frankreich für Lebensmittel insgesamt zurückgegangen seien. Auch sei zum Zeitpunkt der Einführung der Steuer im Jahr 2012 von staatlicher Seite keine Evaluierung vorgesehen worden. Gleichwohl gebe es zwei Studien zum Thema. Zu einem handele es sich um die Untersuchung 39 Mucha, Roswitha, a.a.O., S. 9. 41 Mucha, Roswitha, a.a.O., S. 14. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 – 125/14 Seite 16 „Die Soda-Steuer, ein Jahr danach“ des Instituts „Kantar Worldpanel“, auf die sich die Gewerkschaft für den Bereich Erfrischungsgetränk, stützt. Die Gewerkschaft stellt dazu fest, dass sich der durchschnittliche Kalorienverbrauch seit Einführung der Steuer um drei Kalorien reduziert habe. In einer weiteren, von den Autoren Bonnet und Réquillart erstellten Studie wird davon ausgegangen , dass sich der Konsum von Softdrinks nach der Einführung einer Besteuerung um bis zu 3,4 l pro Person im Jahr reduzieren werde. Die Arbeitsgruppe des französischen Senats kommt zu dem Schluss, dass die bisher erkennbaren Ergebnisse im Vergleich zu den festzustellenden Mehrkosten für diejenigen Unternehmen, deren Produktion ausschließlich in Frankreich stattfindet, als eher gering erscheinen. Gleichwohl sei aber die Signalwirkung hinsichtlich der Gefahren, die von einem exzessiven Konsum gesüßter Getränke ausgehen, nicht zu unterschätzen. Eine Zielformulierung, um welchen Faktor sich der Verbrauch von gesüßten Getränken in Frankreich nach Einführung der betreffenden Steuer reduzieren soll, wurde vom Gesetzgeber nicht vorgenommen . Nach Angaben der französischen Botschaft werden die aus den Steuereinnahmen für gesüßte Getränke erzielten Mehreinnahmen (2012: 351 Millionen € / 2013: 288 Millionen €) für die Mitfinanzierung der Kranken- und Mutterschaftsversicherung der Selbständigen in landwirtschaftlichen Berufen verwendet. 4.4. Mexiko Mexiko führte im Januar 2014 eine Sondersteuer auf kalorienreiche Lebensmittel ein (IEPS - Ley del Impuesto Especial sobre Producción y Servicios). Hierbei wird ein Steuersatz von 8 Prozent je verkaufter Einheit erhoben. Beim Zwischenhandel sowie Import kommt ein Steuersatz von 10 Prozent zur Anwendung. Diese beiden Steuersätze gelten unter anderem für Süßwaren, Pudding, Süßigkeiten aus Obst, Gemüse oder Milch, Fertiglebensmittel auf Getreidebasis, Frucht- und Wassereis sowie Erfrischungsgetränke. Als kalorienreich gilt ein Lebensmittel mit mehr als 275 kcal pro 100 Gramm. Bei zuckerhaltigen Getränken wird ein Peso (0,06 €) pro Liter als zusätzliche Abgabe erhoben.42 42 Mucha, Roswitha, a.a.O., S. 8. Eine Antwort der Botschaft Mexikos zu den Fragen nach einer möglichen zweckgebundenen Verwendung der Mittel lag zum Abgabetermin noch nicht vor. Sie ist aber von dort avisiert und wird nach Eingang nachgereicht. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 – 125/14 Seite 17 4.5. Ungarn Seit 2011 gilt in Ungarn eine Steuer auf einzelne verarbeitete Lebensmittel mit hohem Zucker-, Salz- und Koffeingehalt und hier insbesondere von kohlensäure- und zuckerhaltigen Getränken.44 4.6. Norwegen Norwegen hat eine "Süßwarensteuer" - die Höhe der Abgabe auf Schokolade und Zuckerwaren beträgt 18,91 NOK je kg. Außerdem wird auf zuckerhaltige, alkoholfreie Getränke eine besondere Abgabe in Höhe von 3,12 NOK je Liter erhoben, und für Sirup zur Herstellung dieser Getränke beträgt die Abgabe 19,03 NOK je Liter. In der Folge sei es beispielsweise in den Jahren 2001 bis 2008 zu einem signifikanten Rückgang des Konsums von Limonaden (Halbierung des wöchentlichen Verbrauchs) und Soft-Drinks (Reduzierung um ca. 30 Prozent in Bezug auf den wöchentlichen Verbrauch) gekommen.46 Erwähnenswert ist im Hinblick auf privatwirtschaftliche Ansätze einer Konsumsteuerung eine Maßnahme von norwegischen Supermarktketten, die – unabhängig von der geltenden Gesetzgebung – Kunden die Mehrwertsteuer erstatten, wenn sie sich für besonders ausgewiesene gesunde Nahrungsmittel entscheiden.47 44 Mucha, Roswitha, a.a.O., S. x. 46 Lavin, Rachel / Timpson, Hannah, a.a.O., S. 9. (siehe Fußnote 21). 47 Siehe hierzu: http://www.a-lohas.de/blog/gesunde-lebensmittel-ohne-mehrwertsteuer/#.VLUyUPmHiFw (28. Januar 2015).