© 2021 Deutscher Bundestag WD 9 - 3000 - 118/20 Studien zu ausgewählten Impfstoffen gegen SARS-CoV-2 Stand: 4. März 2021 Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 118/20 Seite 2 Studien zu ausgewählten Impfstoffen gegen SARS-CoV-2 Stand: 4. März 2021 Aktenzeichen: WD 9 - 3000 - 118/20 Abschluss der Arbeit: 4. März 2021 Fachbereich: WD 9: Gesundheit, Familie, Senioren, Frauen und Jugend Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 118/20 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Vorbemerkung 4 2. Entwicklung von Wirkstoffen und Arzneimitteln 4 3. Zulassung von Arzneimitteln in der Europäischen Union 5 3.1. Anzuwendende Vorschriften 5 3.2. Einzelheiten des Zulassungsverfahrens 6 3.3. Einzelheiten zur bedingten Zulassung 9 4. Zugelassene Impfstoffe 9 4.1. Impfstoffe mit Zulassung durch die Europäische Kommission 9 4.1.1. BNT162b2 / Comirnaty (BioNTech / Pfizer) 10 4.1.1.1. Allgemeines 10 4.1.1.2. Zentrale Herstellerstudien im Vorfeld der Zulassung 10 4.1.1.3. Studien im Hinblick auf die Wirksamkeit bei SARS-CoV-2- Varianten 12 4.1.1.4. Verringerung der Übertragung von SARS-CoV-2 12 4.1.2. mRNA-1273 / COVID-19 Vaccine Moderna (Moderna) 14 4.1.2.1. Allgemeines 14 4.1.2.2. Zentrale Herstellerstudien im Vorfeld der Zulassung 14 4.1.2.3. Wirksamkeit bei Varianten 16 4.1.3. ChAdOx1 nCoV-19 / COVID-19 Vaccine AstraZeneca (AstraZeneca) 16 4.1.3.1. Allgemeines 16 4.1.3.2. Zentrale Herstellerstudien im Vorfeld der Zulassung 17 4.1.3.3. Wirksamkeit bei älteren Personen 18 4.1.3.4. Wirksamkeit bei Varianten 19 4.2. Ausgewählte, in Einzelstaaten zugelassene Impfstoffe 19 4.2.1. Sputnik V (Gamaleya Research Institute of Epidemiology and Microbiology) 20 4.2.2. BBIBP-CorV (Sinopharm) 22 4.2.3. Ad26.COV2.S (Janssen Biotech, Inc. / Johnson & Johnson) 22 5. Untersuchungen im Hinblick auf mögliche Langzeitnebenwirkungen 24 6. Schlussbemerkung 25 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 118/20 Seite 4 1. Vorbemerkung Bei Fragen zur Bewältigung der COVID-19-Pandemie liegt derzeit das Hauptaugenmerk auf der Entwicklung, Erprobung und Zulassung von Impfstoffen gegen das Coronavirus SARS-CoV-2. Weltweit sind nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) mit Stand vom 2. März 2021 258 Impfstoffprojekte in Entwicklung, wovon sich 76 bereits in klinischen Studien befinden.1 Verschiedene Impfstoffe haben in einzelnen Ländern und Regionen bereits eine Zulassung erlangt und können in der Praxis eingesetzt werden. EU-weit hat die Europäische Kommission derzeit für drei Impfstoffprodukte eine bedingte Marktzulassung2 erteilt und zwar für das Produkt Comirnaty von BioNTech / Pfizer sowie für Impfstoffe der Hersteller AstraZeneca und Moderna.3 Zahlreiche weitere Impfstoffe wurden in verschiedenen Ländern zugelassen und befinden sich teilweise auch in der EU im Zulassungsprozess. Die Datenlage zu den einzelnen Impfstoffen befindet sich zum gegenwärtigen Zeitpunkt stark im Fluss. Während zahlreiche Studienergebnisse bereits vorliegen, ist eine Vielzahl weiterer Studien noch nicht abgeschlossen. Die vorliegende Arbeit soll einen Einblick in den typischen Ablauf von Impfstoffentwicklung und Zulassungsverfahren geben und für eine Auswahl von Impfstoffprojekten einen Überblick über die vorliegenden Studien und deren Ergebnisse liefern. 2. Entwicklung von Wirkstoffen und Arzneimitteln Zu Beginn der Entwicklung von neuen Medikamenten und damit auch von Impfstoffen steht in der Regel eine ausgedehnte Forschungsphase, in der zunächst nach einem geeigneten Wirkstoff gesucht wird, der möglichst wenige schädliche Nebenwirkungen hat und der zuverlässig in großen Mengen hergestellt werden kann.4 Um dies zu gewährleisten, werden zahlreiche Labortests durchgeführt, bis der Wirkstoff in die präklinische Entwicklung gegeben werden kann. In diesem 1 Weltgesundheitsorganisation (WHO), Draft landscape and tracker of COVID-19 candidate vaccines, 2. März 2021, Excel-Tabelle als zip-Datei herunterladbar unter: https://www.who.int/publications/m/item/draftlandscape -of-covid-19-candidate-vaccines. Die Übersicht wird jeweils dienstags und freitags um 17 Uhr (Central European Time) aktualisiert. Dieser und alle weiteren Online-Nachweise zuletzt abgerufen am 3. März 2021. 2 Informationen zur bedingten Marktzulassung finden sich in englischer Sprache bei der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA), Conditional Marketing Authorisation, abrufbar unter: https://www.ema.europa.eu/en/human -regulatory/marketing-authorisation/conditional-marketing-authorisation. 3 Ein Überblick über die zugelassenen Impfstoffe und aktuelle Informationen hierzu finden sich bei EMA, COVID-19 vaccines: authorised, https://www.ema.europa.eu/en/human-regulatory/overview/public-health-threats /coronavirus-disease-covid-19/treatments-vaccines/treatments-vaccines-covid-19-authorised-medicines. 4 Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM), Arzneimittelentwicklung, abrufbar unter: https://www.bfarm.de/DE/Buerger/Arzneimittel/Arzneimittelentwicklung/_node.html; siehe auch Hoerner, Katrin , Jagd nach neuen Wirkstoffen, in: focus online, abrufbar unter: https://www.focus.de/gesundheit/ratgeber /medikamente/forschung/tid-5788/arzneimittelforschung-jagd-nach-neuen-wirkstoffen_aid_56903.html; Verband Forschender Arzneimittelhersteller e. V., So entsteht ein neues Medikament, 7. Februar 2018, abrufbar unter: https://www.vfa.de/de/arzneimittel-forschung/so-funktioniert-pharmaforschung/so-entsteht-ein-medikament .html. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 118/20 Seite 5 Stadium werden Tests an Zellkulturen (In-Vitro-Versuche) sowie Tierversuche (In-Vivo-Versuche ) durchgeführt, bevor der Wirkstoff am Menschen erprobt werden kann.5 Letzteres erfolgt erst im Stadium der klinischen Entwicklung. Bei Impfstoffen dient die sogenannte Phase 1 in der Regel der Verträglichkeitsüberprüfung an sehr wenigen Teilnehmern. In Phase 2 wird in deutlich größeren Gruppen (meist etwa 50 bis 500 Personen) die Immunantwort nach einer oder zwei Dosen analysiert. Dies dient der Dosisoptimierung. In Phase 3 wird in Studien mit in der Regel mehr als 10.000 Teilnehmern mit hohem Ansteckungsrisiko die Schutzwirkung des Impfstoffs analysiert.6 3. Zulassung von Arzneimitteln in der Europäischen Union Bevor ein neuer Impfstoff in der EU in den Verkehr gebracht werden darf, muss er ein Zulassungsverfahren durchlaufen. Erst nach dieser Zulassung kann er vom Hersteller in den Vertrieb gegeben und damit Ärzten und Patienten zur Verfügung gestellt werden. Die in der EU zugelassenen Impfstoffe gegen COVID-19 haben ein reguläres Zulassungsverfahren durchlaufen und eine sogenannte bedingte Zulassung erhalten. Diese richtet sich nach Art. 14 Abs. 7 der Verordnung (EG) Nr. 726/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 zur Festlegung von Gemeinschaftsverfahren für die Genehmigung und Überwachung von Human- und Tierarzneimitteln und zur Errichtung einer Europäischen Arzneimittel-Agentur (VO (EG) Nr. 2004/726)7 sowie den Regelungen der Verordnung (EG) Nr. 507/2006 der Kommission vom 29. März 2006 über die bedingte Zulassung von Humanarzneimitteln, die unter den Geltungsbereich der Verordnung (EG) Nr. 726/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates fallen (VO (EG) Nr. 507/2006).8 3.1. Anzuwendende Vorschriften Rechtsgrundlagen für die Zulassung von Humanarzneimitteln finden sich auf europäischer Ebene in der VO (EG) Nr. 2004/726 sowie in der Richtlinie 2001/83/EG des Europäischen Parlaments 5 Vgl. Haas, Bodo/ Eckstein, Niels, Vom Wirkstoff zum Arzneimittel, 1. Teil: Von der Präklinik zur Phase-I-Studie , in: Deutsche Apotheker Zeitung, 21.Juni 2012, abrufbar unter: https://www.deutsche-apotheker-zeitung .de/daz-az/2012/daz-25-2012/vom-wirkstoff-zum-arzneimittel. 6 Siehe hierzu eingehend Verband forschender Arzneimittelhersteller e. V., Wie Impfstoffe gegen COVID-19 erprobt werden, 23. Februar 2021, abrufbar unter: https://www.vfa.de/de/arzneimittel-forschung/coronavirus/wieimpfstoffe -gegen-covid-19-erprobt-werden. 7 Verordnung (EG) Nr. 726/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 zur Festlegung von Gemeinschaftsverfahren für die Genehmigung und Überwachung von Human- und Tierarzneimitteln und zur Errichtung einer Europäischen Arzneimittel-Agentur (ABl. L 136, S. 1 ff.) 8 Verordnung (EG) Nr. 507/2006 der Kommission vom 29. März 2006 über die bedingte Zulassung von Humanarzneimitteln , die unter den Geltungsbereich der Verordnung (EG) Nr. 726/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates fallen (ABl. L 92, S. 6 ff.). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 118/20 Seite 6 und des Rates vom 6. November 2001 zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel (RL 2001/83/EG)9. Regelungen zur bedingten Zulassung finden sich in VO (EG) Nr. 507/2006. Wird eine Zulassung im gesamten EU-Wirtschaftsraum angestrebt, ist das zentrale Zulassungsverfahren durchzuführen, welches in der VO (EG) Nr. 726/2004 geregelt ist. Zuständig für das Verfahren ist nach Art. 1 ff. der VO (EG) Nr. 726/2004 die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) mit Sitz in Amsterdam. Hauptaufgabe der EMA ist die wissenschaftliche Evaluierung und Überwachung von Human- und Tierarzneimitteln.10 Die Prüfung der Antragsunterlagen erfolgt gemäß Art. 5 Abs. 2 der VO (EG) Nr. 726/2004 durch den Ausschuss für Humanarzneimittel (Committee for Medicinal Products for Human Use, CHMP) als Teil der EMA. Die Entscheidung über die Erteilung einer Genehmigung für das Inverkehrbringen trifft die Europäische Kommission (Art. 10 VO (EG) Nr. 726/2004). Soll das Arzneimittel nur in einem Mitgliedsstaat zugelassen werden, ist das nationale Zulassungsverfahren durchzuführen, das beispielsweise in Deutschland in §§ 21 ff. Arzneimittelgesetz (AMG) geregelt ist.11 In diesem Fall muss darüber hinaus die Zulassung eines Arzneimittels grundsätzlich in jedem weiteren Mitgliedsstaat erfolgen, in dem das Arzneimittel in Verkehr gebracht werden soll (sogenanntes dezentrales Verfahren, DCP).12 3.2. Einzelheiten des Zulassungsverfahrens Im Rahmen des Zulassungsverfahrens wird geprüft, ob das Arzneimittel wirksam und unbedenklich ist und die erforderliche pharmazeutische Qualität vorliegt. Der Hersteller legt hierzu im zentralen Verfahren nach der Durchführung der klinischen Studien gemäß Art. 3 der VO (EG) Nr. 726/2004 die nach Art. 8 Abs. 3 und Art. 10, 10a, 10b bzw. 11 sowie im Anhang I der RL 2001/83/EG genannten Angaben und Unterlagen vor, die analytische, pharmakologisch-toxi- 9 Richtlinie 2001/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. November 2001 zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel (ABl. L 311, S. 67 ff.). 10 Vgl. die Informationen der Europäischen Union zur Europäischen Arzneimittelagentur, abrufbar unter: https://europa.eu/european-union/about-eu/agencies/ema_de; vgl. weiterhin European Medicines Agency, About Us; abrufbar in englischer Sprache unter: https://www.ema.europa.eu/en/about-us. 11 Siehe hierzu auch Deutscher Bundestag, Wissenschaftliche Dienste, Zur Entwicklung und zum Inverkehrbringen von Arzneimitteln, Sachstand, 29. November 2019, WD 9 – 083/19, abrufbar unter: https://www.bundestag .de/resource/blob/675690/a5c5502310dbf0d861334d28d859bac5/WD-9-083-19-pdf-data.pdf. 12 Vgl. BfArM, DCP, abrufbar unter: https://www.bfarm.de/DE/Arzneimittel/Arzneimittelzulassung/Zulassungsverfahren /DCP/_node.html. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 118/20 Seite 7 kologische und klinische Prüfungen, entsprechende Sachverständigengutachten, aber auch Gebrauchs - und Fachinformationen, Kennzeichnungstexte und Angaben zu den Packungsgrößen enthalten müssen.13 In Art. 6 Abs. 3, Art. 9 Abs. 2 und 3 sowie Art. 10 Abs. 1 und 2 der VO (EG) Nr. 726/2004 ist für die einzelnen Verfahrensschritte, z. B. die Erstellung eines Gutachtens durch den CHMP und die Erstellung eines Entscheidungsentwurfs durch die Kommission, jeweils eine Maximaldauer festgelegt . Die Bewertung eines neuen Arzneimittels durch die EMA erfolgt gemäß Art. 6 Abs. 3 VO (EG) 726/2004 in einer Zeitspanne von bis zu 210 Tagen Untersuchungszeit, die nach Art. 7 c) VO (EG) Nr. 726/2004 unterbrochen werden kann, um während der Untersuchung aufgeworfene Fragen zu klären und Unterlagen zu vervollständigen. Die maximale Dauer einer solchen Unterbrechung hängt davon ab, wie lange der Antragsteller für eine Antwort nach seiner Auffassung benötigt; sie muss aber mit dem CHMP abgestimmt werden.14 Auf Antrag kann die Untersuchungszeit nach Art. 14 Abs. 9 VO (EG) Nr. 726/2004 auf 150 Tage reduziert werden, wenn ein besonderes öffentliches Interesse an der Zulassung besteht (beschleunigtes Beurteilungsverfahren ).15 Eine erste Unterbrechung erfolgt ggf. nach maximal 120 Tagen.16 Ihr geht eine individuelle Überprüfung der vorgelegten Unterlagen und Pläne durch die Berichterstatter beim CHMP voraus. Wenn es für notwendig befunden wird, kann eine Inaugenscheinnahme der Produktionsräume oder der Örtlichkeiten von klinischen und präklinischen Studien durchgeführt werden. Wenn alle Berichte konsolidiert und überprüft wurden, wird ein Gesamtbericht erstellt, der einen Überblick über alle relevanten Informationen bietet und der eine Liste offener Punkte und Fragen enthält , die der Antragsteller während der Unterbrechung aufklären kann. Diese Unterbrechung dauert in der Regel drei bis sechs Monate.17 Anschließend werden die nachgereichten neuen Unterlagen überprüft und auch durch den Ausschuss für Risikobewertung im Bereich der Pharmakovigilanz (Pharmacovigilance Risk Assessment Committee, PRAC) beim CHMP diskutiert. Hierbei kann die Durchführung von Sicherheitsüberprüfungen nach der Zulassung gefordert werden. Spätestens am 180. aktiven Untersuchungstag nach der Antragstellung erfolgt gegebenenfalls eine zweite Unterbrechung, in der der 13 Detaillierte Informationen zum Zulassungsverfahren finden sich in englischer Sprache in: EMA, From laboratory to patient: the journey of a medicine assessed by EMA, abrufbar unter: https://www.ema.europa .eu/en/documents/other/laboratory-patient-journey-centrally-authorised-medicine_en.pdf. 14 EMA, From laboratory to patient: the journey of a medicine assessed by EMA, S. 17. 15 Siehe auch Erwägungsgrund (33) der VO (EG) Nr. 726/2004. Nähere Informationen zum beschleunigten Beurteilungsverfahren ist in englischer Sprache abrufbar unter: EMA, Accelerated Access, https://www.ema.europa .eu/en/human-regulatory/marketing-authorisation/accelerated-assessment. 16 EMA, From laboratory to patient: the journey of a medicine assessed by EMA, S. 19. 17 EMA, From laboratory to patient: the journey of a medicine assessed by EMA, S. 17, 19. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 118/20 Seite 8 Antragsteller die verbliebenen Probleme abarbeiten soll. Diese weitere Unterbrechung dauert in der Regel ein bis drei Monate.18 Im Anschluss können weiterhin bestehende Fragen in einer mündlichen Anhörung geklärt und weitere Experten hinzugezogen werden. Nach spätestens 210 Tagen im aktiven Prüfungsverfahren schließt der CHMP seine Meinungsbildung ab. In der Regel erfolgt eine einstimmige Entscheidung ; eine Mehrheitsentscheidung ist allerdings ausreichend.19 Insgesamt dauert das Beurteilungsverfahren für gewöhnlich etwa ein Jahr.20 Die Zulassung ist gemäß Art. 12 Abs. 1 VO (EG) Nr. 726/2004 zu versagen, wenn die Überprüfung der vorgelegten Unterlagen ergibt, dass der Antragsteller die Qualität, die Sicherheit oder die Wirksamkeit des Arzneimittels nicht angemessen oder ausreichend nachgewiesen hat. Eine Zulassung unter besonderen Bedingungen oder Auflagen kann nach Art. 14 Abs. 7 und 8 der VO (EG) Nr. 726/2004 erfolgen. In diesen Fällen kann der Antragsteller innerhalb von fünfzehn Tagen nach Bekanntgabe der Entscheidung unter Angabe spezifischer Gründe eine erneute Beurteilung verlangen. Neue Erkenntnisse und Unterlagen dürfen zu diesem Zeitpunkt allerdings nicht mehr eingeführt werden.21 Die erneute Untersuchung beschränkt sich auf die vom Antragsteller vorgebrachten Aspekte und ist nach maximal 60 Tagen abzuschließen (vgl. Art. 9 Abs. 2 VO (EG) Nr. 726/2004). Auf der Basis der abschließenden Beurteilung durch den CHMP, die gemäß Art. 9 Abs. 3 VO (EG) Nr. 726/2004 durch die EMA innerhalb von fünfzehn Tagen übermittelt wird, entscheidet schließlich die Europäische Kommission rechtlich bindend über die Erteilung einer Zulassung für den europäischen Binnenmarkt. Diese Entscheidung erfolgt innerhalb von 67 Tagen nach Übermittlung des Votums der EMA. Genehmigte Arzneimittel werden dann in das Arzneimittelregister der Gemeinschaft aufgenommen (vgl. Art. 10, 13 Abs. 1 VO (EG) Nr. 726/2004). Die Zulassung wird zunächst für den Einsatz bei erwachsenen Patienten erteilt.22 Die tatsächliche Markteinführung und die hierzu erforderlichen Entscheidungen über Preisgestaltung und Erstattung erfolgen auf nationaler Ebene. Die für diesen Prozess benötigte Zeit divergiert zwischen den verschiedenen Mitgliedsstaaten stark, wobei die Markteinführung in Deutschland im europäischen Vergleich statistisch die geringste Zeit in Anspruch nimmt.23 18 EMA, From laboratory to patient: the journey of a medicine assessed by EMA, S. 17, 20. 19 EMA, From laboratory to patient: the journey of a medicine assessed by EMA, S. 15, 21. 20 EMA, From laboratory to patient: the journey of a medicine assessed by EMA, S. 17. 21 EMA, From laboratory to patient: the journey of a medicine assessed by EMA, S. 21. 22 Verband Forschender Arzneimittelhersteller e. V., So entsteht ein neues Medikament, 7. Februar 2018, abrufbar unter: https://www.vfa.de/de/arzneimittel-forschung/so-funktioniert-pharmaforschung/so-entsteht-ein-medikament .html. 23 IQVIA, EFPIA Patient W.A.I.T. Indicator 2018 survey, insbesondere S. 13 ff., April 2019, in englischer Sprache abrufbar unter: https://www.efpia.eu/media/412747/efpia-patient-wait-indicator-study-2018-results-030419.pdf. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 118/20 Seite 9 3.3. Einzelheiten zur bedingten Zulassung Die bedingte Zulassung nach der VO (EG) Nr. 507/2006 kommt nach Erwägungsgrund 2 der Verordnung dann in Betracht, wenn dies zur Schließung medizinischer Versorgungslücken und im Interesse der öffentlichen Gesundheit erforderlich ist. Sie ermöglicht die Zulassung auf der Grundlage weniger umfangreicher Daten als dies normalerweise der Fall ist und gilt zunächst für ein Jahr (vgl. Art. 6 Abs. 1 VO (EG) Nr. 507/2006). Gerade Arzneimittel, die zur Vorbeugung von lebensbedrohlichen Krankheiten bestimmt sind oder die in Krisensituationen gegen eine Bedrohung der öffentlichen Gesundheit eingesetzt werden sollen, kommen nach Art. 2 Nr. 1 und 2 VO (EG) Nr. 507/2006 für eine bedingte Zulassung in Frage. Der Nutzen für die öffentliche Gesundheit , den die sofortige Verfügbarkeit des Arzneimittels auf dem Markt mit sich bringt, muss dabei das Risiko aufgrund noch fehlender zusätzlicher Daten überwiegen, vgl. Art. 4 Abs. 1 a) VO (EG) Nr. 507/2006. Eine bedingte Zulassung soll aber nur dann in Frage kommen, wenn lediglich der klinische Teil der Antragsunterlagen weniger umfangreich ist als üblich, vgl. Art. 4 Abs. 1 sowie Erwägungsgrund 4, VO (EG) Nr. 507/2006. Die Zulassung steht unter der Bedingung, dass der Zulassungsinhaber bestimmte weitere Studien einleiten oder abschließen muss, um nachzuweisen, dass das Nutzen-Risiko-Verhältnis positiv ist und um offene Fragen zu beantworten, Art. 5 Abs. 1 VO (EG) Nr. 507/2006. Es handelt sich ausdrücklich nicht um eine Ausnahmezulassung nach Art. 14 Abs. 8 VO (EG) Nr. 726/2004 (Erwägungsgrund 6, VO (EG) Nr. 507/2006). 4. Zugelassene Impfstoffe Weltweit haben bereits zahlreiche COVID-19-Impfstoffe eine Zulassung erlangt. Häufig finden zwischen der für die Zulassung zuständigen Stelle und den Herstellern von Arzneimitteln bereits im Vorfeld Absprachen statt, bei denen der Hersteller im Hinblick auf die Zulassungsvoraussetzungen beraten wird und so entscheiden kann, ob ein Zulassungsantrag erfolgversprechend ist. Im Folgenden soll ein Überblick über einige bereits zugelassene Impfstoffe gegeben werden und es werden in diesem Zusammenhang ausgewählte Studien vorgestellt. Da alle Impfstoffe erst seit vergleichsweise kurzer Zeit zugelassen sind, handelt es sich bei den bisher vorliegenden Studien größtenteils um Untersuchungen des jeweiligen Herstellers im Rahmen der Impfstoffentwicklung und des Zulassungsverfahrens. Erst nach der Zulassung besteht die Möglichkeit von Beobachtungsstudien durch andere Institutionen. 4.1. Impfstoffe mit Zulassung durch die Europäische Kommission Die Europäische Kommission hat bisher für drei bereits genannte Impfstoffprodukte verschiedener Hersteller eine bedingte Marktzulassung mit der Verpflichtung zur Durchführung weiterer bzw. zur Fortführung begonnener Studien erteilt.24 24 Siehe bereits Vorbemerkung, mit Verweis auf die Übersichtsseite der EMA zu zugelassenen Impfstoffen gegen COVID-19, abrufbar unter: https://www.ema.europa.eu/en/human-regulatory/overview/public-health-threats /coronavirus-disease-covid-19/treatments-vaccines/treatments-vaccines-covid-19-authorised-medicines. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 118/20 Seite 10 4.1.1. BNT162b2 / Comirnaty (BioNTech / Pfizer) 4.1.1.1. Allgemeines Der Impfstoff der Hersteller BioNTech SE und Pfizer, Inc. wurde unter dem Namen BNT162b2 entwickelt und unter dem Namen Cocrmimirnaty25 in den Verkehr gebracht. Die bedingte Marktzulassung durch die EU-Kommission erfolgte am 21. Dezember 2020.26 Es handelt sich um einen Impfstoff auf der sogenannten mRNA-Plattform. mRNA steht für messenger Ribonucleic Acid, also Boten-RNA.27 Die mRNA-Moleküle enthalten Erbinformationen, die von körpereigenen Zellen als Bauplan für bestimmte Antigene verwendet werden. Nachdem diese genetische Information durch die Impfung in einige wenige Körperzellen des Geimpften gelangt sind, werden sie (wie auch die genetische Information des Menschen) in den Zellen abgelesen und die entsprechenden Oberflächenstrukturen (Proteine) des Virus werden hergestellt. Das Immunsystem reagiert auf diese gebildeten Proteine und bildet Abwehrstoffe (u. a. Antikörper) dagegen.28 4.1.1.2. Zentrale Herstellerstudien im Vorfeld der Zulassung Am 29. April 2020 begann die Durchführung klinischer Studien für die Impfstoffkandidaten BNT162b1 und BNT162b2 (Comirnaty) durch BioNTech als regulatorischem Sponsor und Pfizer als Verantwortlichem für das Studiendesign unter dem Titel „A phase 1/2/3, placebo-controlled, randomized, observer blind, dose finding study to evaluate the safety, tolerability, immunogenicity and efficacy of SARS-CoV-2 RNA-vaccine candidates against COVID-19 in healthy individuals “ und unter der NCT-Nummer NCT04368728. Die Studie läuft weiterhin und befindet sich derzeit in Phase 3. Ein Überblick über die Stammdaten der Studie findet sich bei dem von der U.S. National Library of Medicine geführten Portal clinicaltrials.gov, einer Datenbank für privat und öffentlich finanzierte klinische Studien weltweit; abrufbar unter: https://clinicaltrials .gov/ct2/show/NCT04368728. Phase 1 der Studie diente in erster Linie der Auswahl des besser geeigneten Impfstoffkandidaten im Hinblick auf Sicherheit und Verträglichkeit sowie geeignete Immunreaktion. Das Ergebnis 25 Produktinformationen des Herstellers zum Impfstoff sind in 24 Sprachen abrufbar unter: https://www.ema.europa .eu/en/medicines/human/EPAR/comirnaty#product-information-section; das dort verfügbare PDF-Dokument wird regelmäßig aktualisiert, weshalb ein Verweis auf die Übersichtsseite angegeben wurde. 26 Informationen zur Zulassung sowie weitere Dokumente zum Produkt Comirnaty finden sich bei EMA, Comirnaty, zuletzt aktualisiert am 25. Februar 2021, abrufbar unter: https://www.ema.europa.eu/en/medicines /human/EPAR/comirnaty; Einzelheiten zu den Bedingungen der Zulassung, insbesondere zum Zeitplan weiterer durchzuführender Studien, finden sich in der Produktinformation in Anhang II, Abschnitt E. (derzeit S. 19 der deutschen Fassung, abrufbar unter: https://www.ema.europa.eu/en/documents/product-information/comirnaty -epar-product-information_de.pdf). 27 Vgl. Bundesinstitut für Impfstoffe und biomedizinische Arzneimittel (Paul-Ehrlich-Institut, PEI), Wie funktionieren mRNA-Impfstoffe und was sind ihre Vorteile?, 30. Juli 2020, abrufbar unter: https://www.pei.de/Shared- Docs/FAQs/DE/coronavirus/coronavirus-wie-funktionieren-rna-impfstoffe-vorteile.html. 28 Vgl. PEI, Welche Impfstoffkonzepte werden bei der Entwicklung eines Impfstoffs gegen SARS-CoV-2 verfolgt?, 3. April 2020, abrufbar unter: https://www.pei.de/SharedDocs/FAQs/DE/coronavirus/coronavirus-impfstoffkonzepte .html. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 118/20 Seite 11 hierbei war die Weiterverfolgung des Impfstoffkandidaten BNT162b2. Am 14. Oktober 2020 wurden - nach der üblichen Veröffentlichung auf einem Preprint-Server zum Zweck der Peer Review - erste Ergebnisse aus Phase 1 der Studie auf der Website des New England Journal of Medicine (NEJM) veröffentlicht, Walsh, Edward/ Frenck, Robert et al., Safety and Immunogenicity of Two RNA-Based Covid-19 Vaccine Candidates, 14. Oktober 2020, abrufbar unter: https://www.nejm.org/doi/10.1056/NEJMoa2027906, mit Studienprotokoll https://www.nejm.org/doi/suppl/10.1056/NEJMoa2027906/suppl_file/nejmoa2027906_protocol .pdf. 195 Personen im Alter von 18 bis 55 bzw. 65 bis 85 Jahren hätten in den USA an Phase 1 der Studie teilgenommen. Es seien 13 randomisierte Gruppen mit jeweils 15 Teilnehmern gebildet worden . Von diesen hätten jeweils 12 einen Impfstoff und 3 ein Placebo erhalten. Die Gruppen seien nach dem verwendeten Impfstoffkandidaten, dem Alter der Teilnehmer sowie der jeweiligen Dosis (10, 20, 30 oder 100 µg) ausgewählt worden. Bis auf eine Gruppe hätten alle Teilnehmer jeweils zwei Dosen der Impfung erhalten; die verbleibende Gruppe habe eine Dosis von 100 µg des Impfstoffkandidaten BNT162b1 erhalten. Während beide Impfstoffkandidaten in allen Altersgruppen geeignet gewesen seien, eine hinreichende Immunreaktion auszulösen, seien bei dem Kandidaten BNT162b2 besonders bei älteren Teilnehmern deutlich weniger häufig systemische Reaktionen wie Fieber oder Schüttelfrost aufgetreten, die zudem weniger schwerwiegend ausgefallen seien. Ergebnisse von Phase 2/3 der Studie wurden am 10. Dezember 2020 auf der Website des NEJM veröffentlicht, Polack, Fernando/ Thomas, Stephen et al. Safety and Efficacy of the BNT162b2 mRNA Covid-19 Vaccine, 10. Dezember 2020, abrufbar unter: https://www.nejm.org/doi/10.1056/NEJMoa2034577. Es sei festgestellt worden, dass bei der Verabreichung von zwei Dosen von BNT162b2 ein 95-prozentiger Schutz gegen COVID-19 bei Personen im Alter von 16 Jahren und älter erreicht worden sei und die Impfstoffsicherheit über einen Zeitraum von zwei Monaten vergleichbar mit anderen Impfstoffen gegen virale Erkrankungen sei. An der Studie hätten zwischen dem 27. Juli und dem 14. November 2020 an 152 weltweiten Studienorten 43.448 Personen im Alter von 16 Jahren oder älter teilgenommen, die jeweils im Abstand von 21 Tagen zwei Impfdosen erhalten hätten. 21.720 Personen seien mit jeweils 30 µg BNT162b2 geimpft worden und 21.728 hätten ein Placebo erhalten. Unter den Teilnehmern, die zwei Dosen von BNT162b2 erhalten hätten, seien acht Fälle von COVID-19 mehr als sieben Tage nach der zweiten Dosis aufgetreten; unter den Teilnehmern der Kontrollgruppe sei dies bei 162 Personen der Fall gewesen. Nach der ersten Dosis sei in der BNT162b2-Gruppe ein schwerwiegender Fall von COVID-19 aufgetreten; in der Kontrollgruppe seien es neun schwerwiegende Fälle gewesen. Typischerweise seien nach der Impfung kurzzeitig leichte bis moderate Schmerzen an der Einstichstelle, Müdigkeit und Kopfschmerzen aufgetreten. Schwerwiegende unerwünschte Ereignisse seien mit geringer und in beiden Gruppen ähnlicher Inzidenz aufgetreten. Im Zeitraum der Studie sei es zu zwei Todesfällen in der BNT162b2-Gruppe gekommen, die nicht auf den Impfstoff oder COVID-19 zurückzuführen gewesen seien. In der Kontrollgruppe seien vier Teilnehmer ohne Zusammenhang mit COVID-19 verstorben. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 118/20 Seite 12 4.1.1.3. Studien im Hinblick auf die Wirksamkeit bei SARS-CoV-2-Varianten Aktueller Schwerpunkt in der Berichterstattung sind die Mutationen von SARS-CoV-2, die zu neuen Virus-Varianten führen, die möglicherweise ansteckender sein könnten als die bisher aufgetretenen . Besonders im Fokus steht dabei die sowohl in Großbritannien als auch in Südafrika aufgetretene Linie B.1.1.7 mit verschiedenen Mutationen im Spike-Protein. Erste Studienergebnisse von Januar 2021 zeigen offenbar, dass BNT162b2 auch gegenüber Varianten mit der Mutation N501Y des Spike-Protein gleichermaßen Wirksamkeit besitzt, Xie, Xuping / Zou, Jing et al., Neutralization of N501Y mutant SARS-CoV-2 by BNT162b2 vaccine-elicited sera, in: bioRxiv.org, 7. Januar 2021, https://www.biorxiv.org/content /10.1101/2021.01.07.425740v1.full. (Es handelt sich um eine Veröffentlichung als Preprint, die noch nicht durch Peer Review zertifiziert wurde.) Eine weitere Studie, ebenfalls ein Preprint von Januar 2021, kommt zu dem Ergebnis, dass eine Wirksamkeit aufgrund vorliegender Daten, Tests mit Immunsera von Teilnehmern der Phase 1/2-Studie, bekannter Eigenschaften des Impfstoffes und des Virus auch im Hinblick auf B.1.1.7 wahrscheinlich sei, Muik, Alexander/ Wallisch, Ann-Kathrin et al. Neutralization of SARS-CoV-2 lineage B.1.1.7 pseudovirus by BNT162b2 vaccine-elicited human sera, in: biorxiv.org, 19. Januar 2021, abrufbar unter: https://www.biorxiv.org/content/10.1101/2021.01.18.426984v1.full. 4.1.1.4. Verringerung der Übertragung von SARS-CoV-2 Jüngste Veröffentlichungen lassen vermuten, dass eine Impfung mit BNT162b2 nicht nur die Erkrankung mit COVID-19 bzw. einen schweren Verlauf der Erkrankung verhindern kann, sondern auch eine Übertragung von SARS-CoV-2 zumindest deutlich reduzieren könnte, da auch asymptomatische Infektionen mit SARS-CoV-2 vermieden würden. Ergebnisse einer Studie, die Daten der größten israelischen Krankenversicherung Clalit Healthcare Services (CHS) auswertet, wurden am 24. Februar 2021 auf der Website des NEJM veröffentlicht , Dagan, Noa/ Barda, Noam et al., BNT162b2 mRNA Covid-19 Vaccine in a Nationwide Mass Vaccination Setting, nejm.org, 24. Februar 2021, abrufbar unter: https://www.nejm.org/doi/full/10.1056/NEJMoa2101765. Daten aller bei CHS versicherten Personen, die vom 20. Dezember 2020 bis zum 1. Februar 2021 mit BNT162b2 geimpft wurden, seien anhand von demographischen und klinischen Charakteristika einem nichtgeimpften Gegenpart einer Kontrollgruppe zugeordnet worden. Dokumentiert worden seien nachgewiesene Infektionen mit SARS-CoV-2, symptomatische Fälle von COVID-19, Krankenhauseinweisungen, schwere Verläufe und Todesfälle. Jede der beiden Gruppen habe aus 596.618 Personen bestanden. Die geschätzte Wirksamkeit der Impfung im Hinblick auf die Vermeidung von mit PCR-Test nachweisbaren Infektionen habe zwischen 14 und 20 Tagen nach der ersten Dosis bei 46 Prozent gelegen; sieben Tage nach der zweiten Dosis lag sie offenbar bei 92 Prozent. Eine weitere Studie aus Israel untersuchte das Personal des Sheba Medical Center, Israels größtem Krankenhaus mit 9.647 Mitarbeitern im Gesundheitsbereich. Ergebnisse erschienen am 18. Februar 2021 auf der Website der Fachzeitschrift The Lancet, Amit, Sharon/ Regev-Yochay, Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 118/20 Seite 13 Gili, Early rate reductions of SARS-CoV-2 infection and COVID-19 in BNT162b2 vaccine recipients , thelancet.com, 18. Februar 2021, abrufbar unter: https://www.thelancet.com/journals /lancet/article/PIIS0140-67362100448-7/fulltext. Daten von 9.109 impfberechtigten Krankenhausmitarbeitern seien nachträglich analysiert und geimpfte mit ungeimpften Personen verglichen worden. Symptome wären im Vorfeld täglich erfasst und Tests jeweils noch am selben Tag durchgeführt worden. Bis zum 24. Januar 2021 hätten 79 Prozent der Mitarbeiter die erste Impfdosis erhalten und 66 Prozent bereits die zweite Dosis. Unter allen in der Studie erfassten Mitarbeitern seien zwischen dem 19. Dezember 2020 und dem 24. Januar 2021 170 Infektionen mit SARS-CoV-2 aufgetreten, davon in 89 Fällen bei ungeimpften Personen, 78 nach der ersten Impfdosis und drei nach der zweiten Dosis. Im Vergleich zur Infektionsrate bei ungeimpftem Personal sei das Auftreten von SARS-CoV-2-Infektionen im Zeitraum von 1 bis 14 Tagen nach der ersten Dosis um 30 Prozent reduziert gewesen; im Zeitraum von 15 bis 28 Tagen nach der ersten Impfdosis habe die Reduktion bereits bei 75 Prozent gelegen. In Bezug auf symptomatische Infektionen lag die Reduktion der Studie zufolge bei 47 bzw. 85 Prozent. Eine Untersuchung der Wirksamkeit nach Verabreichung einer zweiten Dosis war nicht Teil der bislang veröffentlichten Ergebnisse. Bei beiden Studien wird darauf hingewiesen, dass Ungenauigkeiten aufgrund der Auswahl der Datengrundlage und des Studiendesigns möglich seien, da es sich lediglich um Beobachtungsstudien handele. Insbesondere könnten asymptomatische Fälle unvollständig erfasst worden sein. Zudem bestehe gerade beim Krankenhauspersonal ein hohes Infektionsrisiko im Verhältnis zur Gesamtbevölkerung. Einem weiteren Studien-Preprint zufolge hat eine Untersuchung unter Beteiligung von Wissenschaftlern der Universität Cambridge an symptomfreien Mitarbeitern im britischen Gesundheitssystem zwischen dem 18. und 31. Januar 2021 ebenfalls positive Ergebnisse erzielt und deutet auf eine Reduzierung der Ansteckungen um 75 Prozent bereits nach einer Impfdosis hin; Weekes , Michael/ Jones, Nick et al., Single-dose BNT162b2 vaccine protects against asymptomatic SARS-CoV-2 infection, Authorea, 24. Februar 2021, abrufbar unter: https://www.authorea .com/users/332778/articles/509881-single-dose-bnt162b2-vaccine-protects-against-asymptomatic -sars-cov-2-infection?access_token=-hDTQsMUXcCPSpdZV_Lmpg. Eine weitere als Preprint veröffentlichte Studie analysiert einen Datensatz aller COVID-19-Tests bei Personen über 70 Jahren in Großbritannien zwischen dem 8. Dezember 2020 und dem 19. Februar 2021 mit dem Ziel, die Wirksamkeit von BNT162b2 und dem Impfstoffprodukt von AstraZeneca (ChAdOx1 nCoV-19) in der praktischen Anwendung zu ermitteln, Lopez Bernal, Jamie / Andrews, Nick et al., Early effectiveness of COVID-19 vaccination with BNT162b2mRNA vaccine and ChAdOx1 adenovirus vector vaccine on symptomatic disease, hospitalisations and mortality in older adults in the UK: a test negative case control study, Februar 2021, abrufbar unter : https://khub.net/documents/135939561/430986542/Early+effectiveness+of+COVID+vaccines .pdf/ffd7161c-b255-8e88-c2dc-88979fc2cc1b?t=1614617945615. Beide Impfstoffe führten hiernach zu einer Reduktion von Ansteckungen. Bei BNT162b2 sei der Effekt nach der zweiten Dosis stärker gewesen; eine zweite Impfdosis von ChAdOx1 nCoV-19 war in Großbritannien zum Studienzeitpunkt offensichtlich nicht verfügbar. Die Ergebnisse suggerieren allerdings, dass Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 118/20 Seite 14 ChAdOx1 nCoV-19 entgegen Medienberichten vor Veröffentlichung der Studienergebnisse29 bei älteren Personen sogar wirksamer sein könnte als BNT162b2. 4.1.2. mRNA-1273 / COVID-19 Vaccine Moderna (Moderna) 4.1.2.1. Allgemeines Der Impfstoff mRNA-1273 von Moderna, Inc., auch COVID-19 Vaccine Moderna, hat am 6. Januar 2021 durch die Europäische Kommission eine bedingte Marktzulassung erhalten.30 Auch dieser Impfstoff basiert wie BNT162b2 auf der mRNA-Plattform. 4.1.2.2. Zentrale Herstellerstudien im Vorfeld der Zulassung Am 16. März 2020 begann eine vom US-amerikanischen National Institute of Allergy and Infectuous Diseases (NIAID) gesponsorte Phase-1-Studie des Impfstoffkandidaten mRNA-1273 unter dem Namen „Phase I, Open-Label, Dose-Ranging Study of the Safety and Immunogenicity of 2019-nCoV Vaccine (mRNA-1273) in Healthy Adults“ und unter der NCT-Nummer NCT04283461. Ein Überblick hierzu findet sich bei: https://clinicaltrials .gov/ct2/show/NCT04283461. Ergebnisse eines ersten Teils der Phase-1-Studie wurden am 14. Juli 2020 auf der Website des NEJM veröffentlicht, Jackson, Lisa/ Anderson, Evan et al., An mRNA Vaccine against SARS-CoV-2 — Preliminary Report, 14. Juli 2020, abrufbar unter: https://www.nejm.org/doi/10.1056/NEJMoa2022483). Zunächst sei ein Versuch mit 45 gesunden Erwachsenen im Alter von 18 bis 55 Jahren durchgeführt worden, die im Abstand von 28 Tagen zwei Dosen von 25, 100 oder 250 µg des Impfstoffs erhalten hätten. Jede Dosierungsgruppe habe aus 15 Teilnehmern bestanden. Nach der ersten Impfung seien stärkere Antikörperreaktionen aufgetreten, je höher die Dosis gewesen war. Nach der zweiten Impfung habe sich die Reaktion erhöht und serumneutralisierende Aktivität sei bei allen Teilnehmern nachweisbar gewesen. Bei mehr als der Hälfte der Teilnehmer seien erwartbare unerwünschte Effekte aufgetreten. Systemische Reaktionen seien häufiger nach der Verabreichung der zweiten Dosis aufgetreten, besonders bei der höchsten Dosis, und zwei Teilnehmer aus der Gruppe, die 250 µg des Wirkstoffs erhielten, hätten über schwerwiegende Nebenwirkungen berichtet. 29 siehe hierzu auch 4.1.3.3. 30 Informationen zur Zulassung sowie weitere Dokumente zum Produkt COVID-19 Vaccine Moderna finden sich bei EMA, COVID-19 Vaccine Moderna, zuletzt aktualisiert am 2. März 2021, abrufbar unter: https://www.ema.europa.eu/en/medicines/human/EPAR/covid-19-vaccine-moderna; Einzelheiten zu den Bedingungen der Zulassung, insbesondere zum Zeitplan weiterer durchzuführender Studien, finden sich in der Produktinformation in Anhang II, Abschnitt E. (derzeit S. 15 f. der deutschen Fassung, abrufbar unter: https://www.ema.europa.eu/en/documents/product-information/covid-19-vaccine-moderna-epar-product-information _de.pdf). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 118/20 Seite 15 Am 29. September 2020 wurden weitere Ergebnisse der Phase-1-Studie veröffentlicht, Anderson, Evan/ Rouphael, Nadine, Safety and Immunogenicity of SARS-CoV-2 mRNA-1273 Vaccine in Older Adults, nejm.org, 29. September 2020, abrufbar unter: https://www.nejm.org/doi/10.1056/NEJMoa2028436. Hierbei seien vierzig Erwachsenen im Alter von 56 Jahren und älter im Abstand von 28 Tagen zwei Dosen von etwa 25 oder 100 µg des Impfstoffs verabreicht worden. Aufgetretene Nebenwirkungen seien größtenteils mild oder moderat gewesen, hätten im erwartbaren Rahmen gelegen und im Zusammenhang mit der Höhe der verabreichten Dosis gestanden. Bereits nach der ersten Dosis seien Antikörperreaktionen aufgetreten und nach der zweiten Dosis hätten sich serumneutralisierende Aktivitäten bei allen Teilnehmern gezeigt. Die Immunreaktion bei der höheren Dosis fiel nach Angabe der Autoren stärker aus, weshalb diese Dosis für eine Phase-3-Studie vorgeschlagen wurde. Eine Phase-2-Studie mit dem Titel „A Phase 2a, Randomized, Observer-Blind, Placebo Controlled , Dose-Confirmation Study to Evaluate the Safety, Reactogenicity, and Immunogenicity of mRNA-1273 SARS-COV-2 Vaccine in Adults Aged 18 Years and Older“ unter der NCT-Nummer NCT04405076 wurde durch den Hersteller Moderna am 29. Mai 2020 begonnen. Ein Überblick findet sich bei: https://clinicaltrials.gov/ct2/show/NCT0440507. (Veröffentlichungen von Ergebnissen dieses Studienabschnitts in der Fachpresse sind bislang nicht ersichtlich.) Am 27. Juli 2020 begann eine Phase-3-Studie unter dem Titel „A Phase 3, Randomized, Stratified, Observer-Blind, Placebo-Controlled Study to Evaluate the Efficacy, Safety, and Immunogenicity of mRNA-1273 SARS-CoV-2 Vaccine in Adults Aged 18 Years and Older“ des Herstellers Moderna in Zusammenarbeit mit NIAID mit der NCT-Nummer NCT04470427, siehe Überblick unter: https://clinicaltrials.gov/ct2/show/NCT04470427. Am 30. Dezember 2020 erfolgte die Veröffentlichung erster Studienergebnisse auf der Website des NEJM, Baden, Lindsey/ El Sahly, Hana et al., Efficacy and Safety of the mRNA-1273 SARS- CoV-2 Vaccine, in: nejm.org, 30. Dezember 2020, abrufbar unter: https://www.nejm.org/doi/10.1056/NEJMoa2035389, mit Protokoll, abrufbar unter: https://www.nejm.org/doi/suppl/10.1056/NEJMoa2035389/suppl_file/nejmoa2035389_protocol .pdf. In 99 Studienzentren in den USA hätten 30.420 Teilnehmer, viele davon mit einem hohen Risiko für eine Infektion mit SARS-CoV-2, im Verhältnis von 1:1 entweder zwei Dosen von jeweils 100 µg von mRNA-1273 oder eines Placebos erhalten. 96 Prozent der Teilnehmer hätten die zweite Dosis erhalten; die Übrigen hätten ihre Einwilligung zurückgezogen oder bei ihnen sei SARS-CoV-2 mittels PCR-Test nachgewiesen worden (69 Teilnehmer der Placebo-Gruppe und 45 der mRNA-1273-Gruppe). 185 Teilnehmer der Placebo-Gruppe seien mehr als 14 Tage nach der zweiten Dosis symptomatisch an COVID-19 erkrankt; in der Impfstoff-Gruppe seien es elf Personen gewesen. Die Wirksamkeit des Impfstoffs habe damit bei 94,1 Prozent gelegen. 30 Teilnehmer der Placebo-Gruppe seien schwer an COVID-19 erkrankt, einer davon sei verstorben. Drei Personen aus der Placebo-Gruppe und zwei Personen aus der Impfstoff-Gruppe seien ohne Zusammenhang mit der Impfung oder COVID-19 verstorben. Schwerwiegende unerwünschte Ereignisse und solche, die medizinisch behandelt worden seien, seien in beiden Gruppen etwa in vergleichbarer Häufigkeit aufgetreten. Neben vorübergehenden lokalen und systemischen Reaktionen bestünden aufgrund der Studie keine Sicherheitsbedenken. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 118/20 Seite 16 4.1.2.3. Wirksamkeit bei Varianten Erste Studienergebnisse legen nahe, dass der mRNA-1273-Impfstoff auch bei SARS-CoV-2-Varianten mit einer Mutation des Spike-Proteins die Bildung von Antikörpern anregt, Wu, Kai/ Werner , Anne, mRNA-1273 vaccine induces neutralizing antibodies against spike mutants from global SARS-CoV-2 variants (Preprint), bioRxiv, 25. Januar 2021, abrufbar unter: https://www.biorxiv .org/content/10.1101/2021.01.25.427948v1. Bei der Variante B.1.1.7 zeige sich keine signifikante Auswirkung auf die Neutralisierungswirkung des Impfstoffs; bei der Variante B.1.351 sei diese allerdings reduziert. 4.1.3. ChAdOx1 nCoV-19 / COVID-19 Vaccine AstraZeneca (AstraZeneca) 4.1.3.1. Allgemeines Der Impfstoff COVID-19 Vaccine AstraZeneca, auch als AZD1222 und ChAdOx1 nCoV-19 bezeichnet , erhielt am 29. Januar 2021 nach der entsprechenden Empfehlung der EMA eine bedingte Marktzulassung durch die EU-Kommission.31 Es handelt sich um einen sogenannten Vektor -Impfstoff. Vektor-Impfstoffe enthalten ebenso wie mRNA-Impfstoffe Teile des Erbmaterials der Viren, die „Baupläne“ für das Oberflächenprotein des Coronavirus-2 oder einem Teil davon umfassen. Die mRNA- und Vektorimpfstoffe unterscheiden sich in der Art der genetischen Information und in der Art, wie diese genetische Information in die Zellen gelangt: Bei Vektorimpfstoffen wird das Genmaterial in harmlose Trägerviren eingebaut, die als Impfstoff injiziert werden . Bei den Trägerviren kann es sich zum Beispiel um abgeschwächte Impfviren wie das Impfmasernvirus handeln. Mit dem Impfvirus wird so die genetische Information des Coronavirus in die Zellen des Geimpften geschleust. Vektor-Impfstoffe gegen das Dengue-Fieber oder Ebola sind bereits zugelassen. mRNA-Impfstoffe benötigen demgegenüber für die Impfung keinen Vektor, das heißt kein Trägervirus, sondern flüssige Nanopartikel, sodass sie in einige Körperzellen gelangen können.32 Während die Ständige Impfkommission (STIKO) die Vergabe des Wirkstoffs nur an Erwachsene unter 65 Jahren empfahl, hatten sich die Experten der EMA in ihrer Empfehlung gegen eine Altersobergrenze entschieden.33 31 Informationen zur Zulassung sowie weitere Dokumente zum Produkt COVID-19 Vaccine AstraZeneca finden sich bei EMA, COVID-19 Vaccine AstraZeneca, abrufbar unter: https://www.ema.europa.eu/en/medicines/human /EPAR/covid-19-vaccine-astrazeneca, zuletzt aktualisiert am 18. Februar 2021; Einzelheiten zu den Bedingungen der Zulassung, insbesondere zum Zeitplan weiterer durchzuführender Studien, finden sich in der Produktinformation in Anhang II, Abschnitt E. (derzeit S. 15 f. der deutschen Fassung, abrufbar unter: https://www.ema.europa.eu/en/documents/product-information/covid-19-vaccine-astrazeneca-epar-productinformation _de.pdf). 32 Vgl. PEI, Welche Impfstoffkonzepte werden bei der Entwicklung eines Impfstoffs gegen SARS-CoV-2 verfolgt?, 3. April 2020, abrufbar unter: https://www.pei.de/SharedDocs/FAQs/DE/coronavirus/coronavirus-impfstoffkonzepte .html. 33 https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Archiv/2021/05/Art_01.html Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 118/20 Seite 17 4.1.3.2. Zentrale Herstellerstudien im Vorfeld der Zulassung Am 23. April 2020 begann die erste Studie einer Serie von Herstellerstudien zum Impfstoffkandidaten ChAdOx1 nCoV-19 mit den Hersteller-IDs COV001, COV002 und COV003. Die erste Studie (COV001) mit Beginn am 23. April 2020 fand unter dem Titel „A Phase I/II Study to Determine Efficacy, Safety and Immunogenicity of the Candidate Coronavirus Disease (COVID-19) Vaccine ChAdOx1 nCoV-19 in UK Healthy Adult Volunteers” mit der NCT-Nummer NCT 04324606 statt. Ein Überblick findet sich unter: https://clinicaltrials .gov/ct2/show/NCT04324606. Ergebnisse der Studie wurden am 20. Juli 2020 auf der Website des Fachmagazins The Lancet publiziert, Folegatti, Pedro/ Ewer, Katie et al., Safety and immunogenicity of the ChAdOx1 nCoV- 19 vaccine against SARS-CoV-2: a preliminary report of a phase 1/2, single-blind, randomised controlled trial, thelancet.com, 20. Juli 2020, abrufbar unter: https://www.thelancet.com/journals /lancet/article/PIIS0140-6736(20)31604-4/fulltext. An der Studie hätten 1077 gesunde Erwachsene im Alter von 18 bis 55 Jahren teilgenommen. 543 von ihnen hätten zwischen dem 23. April und dem 21. Mai 2020 Impfungen mit ChAdOx1 nCoV-19 erhalten; die Kontrollgruppe sei mit einem Meningokokken-Impfstoff geimpft worden. Eine Gruppe von zehn Personen habe nach 28 Tagen eine zweite Impfstoffdosis erhalten. Lokale und systemische Reaktionen seien in der Gruppe, die den Impfstoffkandidaten erhalten habe, häufiger als in der Kontrollgruppe aufgetreten. Sie hätten aber durch die prophylaktische Gabe von Paracetamol, die bei 56 Teilnehmern der Impfstoff- und bei 57 Teilnehmern der Kontrollgruppe erfolgt sei, gemildert werden können. Schwerwiegende Ereignisse seien nicht aufgetreten. Je nach Messverfahren hätten 91 bis 100 Prozent der Teilnehmer bereits nach einer Dosis Antikörper gebildet; nach der zweiten Dosis sei dies bei allen Teilnehmern der Fall gewesen, die eine zweite Dosis erhalten hätten. Am 17. Dezember 2020 wurden weitere Ergebnisse der Studie veröffentlicht, die die Verabreichung einer zweiten Dosis, wie sie auch in den folgenden Phase-3-Studien erprobt wird, unterstützen , Barrett, Jordan/ Belij-Rammerstorfer, Sandra et. Al., Phase 1/2 trial of SARS-CoV-2 vaccine ChAdOx1 nCoV-19 with a booster dose induces multifunctional antibody responses, Nature Medicine 27, 279-288 (2021), abrufbar unter: https://doi.org/10.1038/s41591-020-01179-4. Die Studie mit der ID COV002 (NCT04400838) mit dem Titel “A Phase 2/3 Study to Determine the Efficacy, Safety and Immunogenicity of the Candidate Coronavirus Disease (COVID-19) Vaccine ChAdOx1 nCoV-19” begann am 28. Mai 2020 in Großbritannien. Ein Überblick findet sich bei: https://clinicaltrials.gov/ct2/show/NCT04400838. Die Studie COV003 (NCT04536051) begann am 12. Juni 2020 unter dem Titel “A Phase 2/3 Study to Determine the Efficacy, Safety and Immunogenicity of the Candidate Coronavirus Disease (COVID-19) Vaccine ChAdOx1 nCoV-19” in Brasilien. Ein Überblick hierzu findet sich unter: https://clinicaltrials .gov/ct2/show/NCT04536051. Ergebnisse aller drei Studien (COV001, COV002 und COV003) sowie einer weiteren Studie wurden am 8. Dezember 2020 auf der Website des Fachmagazins The Lancet veröffentlicht, Voysey, Merryn/ Costa Clemens, Sue Ann et al., Safety and efficacy of the ChAdOx1 nCoV-19 vaccine Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 118/20 Seite 18 (AZD1222) against SARS-CoV-2: an interim analysis of four randomised controlled trials in Brazil , South Africa, and the UK, thelancet.com, 8. Dezember 2020, abrufbar unter: https://www.thelancet .com/journals/lancet/article/PIIS0140-6736(20)32661-1/fulltext. An den Studien hätten zwischen dem 23. April 2020 und dem 4. November 2020 23.848 Personen teilgenommen, von denen 11.636 in einer Zwischenanalyse der Wirksamkeit des Impfstoffs berücksichtigt worden seien. Bei Teilnehmern, die zwei Standarddosen des Impfstoffes erhalten hätten, habe die Wirksamkeit bei 62,1 Prozent gelegen, und bei solchen, die eine niedrige Dosis und eine Standarddosis erhielten, bei 90 Prozent. Insgesamt habe sich so eine Impfstoffwirksamkeit von 70,4 Prozent ergeben. Innerhalb von 21 Tagen nach der ersten Dosis seien in der Kontrollgruppe zehn Fälle von COVID-19 aufgetreten, die eine Behandlung im Krankenhaus erfordert hätten; zwei Verläufe seien schwer gewesen und ein Patient sei verstorben. Es seien 175 Fälle ernster Nebenwirkungen bei 168 Teilnehmern aufgetreten, davon 84 in der ChAdOx1-nCoV-19- Gruppe und 91 in der Kontrollgruppe. Drei Vorfälle seien als möglicherweise im Zusammenhang mit der Impfung stehend eingestuft worden, davon einer in der ChAdOx1-Gruppe, einer in der Kontrollgruppe und ein Fall, der zum gegenwärtigen Studienzeitpunkt aufgrund des Studiendesigns keiner der Gruppen zugeordnet werden könne. Am 31. August begann eine weitere Phase-3-Studie mit über 30.000 Teilnehmern in den USA, „A Phase III Randomized, Double-blind, Placebo-controlled Multicenter Study in Adults, to Determine the Safety, Efficacy, and Immunogenicity of AZD1222, a Non-replicating ChAdOx1 Vector Vaccine, for the Prevention of COVID-19“, NCT-Nummer NCT04516746. Ein Überblick findet sich bei: https://clinicaltrials.gov/ct2/show/NCT04516746. Ergebnisse hierzu sind, soweit ersichtlich , bisher nicht veröffentlicht worden. Am 9. September 2020 wurden die Studien im Rahmen eines Standard-Überprüfungsprozesses gestoppt, nachdem ein ungeklärter Krankheitsfall in der britischen Phase-3-Studie aufgetreten war, vgl. AstraZeneca, Statement on AstraZeneca Oxford SARS-CoV-2 vaccine, AZD1222, COVID-19 vaccine trials temporary pause, Pressemitteilung vom 9. September 2020, abrufbar unter : https://www.astrazeneca.com/content/astraz/media-centre/press-releases/2020/statement-onastrazeneca -oxford-sars-cov-2-vaccine-azd1222-covid-19-vaccine-trials-temporary-pause.html. Die Studien wurden am 14. September 2020 wieder aufgenommen, nachdem die britische Aufsichtsbehörde , Medicines Health Regulatory Authority, deren Sicherheit bestätigt habe, vgl. AstraZeneca, COVID-19 vaccine AZD1222 clinical trials resumed in the UKPressemitteilung vom 12. September 2020, abrufbar unter: https://www.astrazeneca.com/content/astraz/mediacentre /press-releases/2020/covid-19-vaccine-azd1222-clinical-trials-resumed-in-the-uk.html. 4.1.3.3. Wirksamkeit bei älteren Personen Zwischenzeitlich hatte die EMA in ihrer Zulassungsempfehlung einen offiziellen Hinweis aufgenommen , dass die Datenlage bezüglich Personen im Alter von 55 Jahren und älter begrenzt sei.34 Medienberichten zufolge läge die prozentuale Wirksamkeit in dieser Altersgruppe im einstelligen 34 EMA, EMA recommends COVID-19 Vaccine AstraZeneca for authorisation in the EU, 29. Januar 2021, abrufbar unter: https://www.ema.europa.eu/en/news/ema-recommends-covid-19-vaccine-astrazeneca-authorisation-eu. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 118/20 Seite 19 Bereich.35 Auch die STIKO, die den Impfstoff für die Altersgruppe ab 65 Jahren nicht empfohlen hatte36, passte diese Empfehlung an.37 Neue Studienergebnisse aus Schottland legen Medienberichten38 zufolge nahe, dass die Wirksamkeit in der genannten Altersgruppe höher als etwa bei BNT162b2 liegen könnte. Ein Preprint der Studienergebnisse ist verfügbar bei Vasileiou, Eleftheria/ Simpson, Colin, Effectiveness of First Dose of COVID-19 Vaccines Against Hospital Admissions in Scotland: National Prospective Cohort Study of 5.4 Million People, Preprints with The Lancet, 19. Februar 2021, abrufbar unter: https://papers.ssrn.com/sol3/papers.cfm?abstract_id=3789264 als PDF-Download. Ähnliche Ergebnisse finden sich bei Lopez Bernal, Jamie/ Andrews, Nick et al., Early effectiveness of COVID-19 vaccination with BNT162b2mRNA vaccine and ChAdOx1adenovirus vector vaccine on symptomatic disease, hospitalisations and mortality in older adults in the UK: a test negative case control study, Februar 2021, abrufbar unter: https://khub.net/documents /135939561/430986542/Early+effectiveness+of+COVID+vaccines.pdf/ffd7161c-b255-8e88- c2dc-88979fc2cc1b?t=1614617945615, siehe bereits oben unter 4.1.1.4. 4.1.3.4. Wirksamkeit bei Varianten Die Wirksamkeit von ChAdOx1 nCoV-19 gegen die Variante B.1.351 dürfte gegenüber der „ursprünglichen “ SARS-CoV-2-Variante stark reduziert sein. Dies sei Berichten zufolge das Ergebnis einer Studie mit etwa 2.000 Freiwilligen im Durchschnittsalter von 31 Jahren; Wits University, Oxford Covid-19 vaccine trial results, 7. Februar 2021, abrufbar unter: https://www.wits.ac.za/covid 19/covid19-news/latest/oxford-covid-19-vaccine-trial-results.html. Die südafrikanische Regierung habe aus diesem Grund die Impfkampagne mit dem Impfstoff von AstraZeneca gestoppt, Covid : South Africa halts AstraZeneca vaccine rollout over new variant, BBC News, 8. Februar 2021, abrufbar unter: https://www.bbc.com/news/world-africa-55975052. 4.2. Ausgewählte, in Einzelstaaten zugelassene Impfstoffe Weitere Impfstoffe befinden sich weltweit in Zulassungsverfahren oder haben bereits eine Zulassung erlangt. Von besonderem Interesse für den europäischen Raum sind dabei zwei Impfstoffe, 35 Eine Zusammenfassung der Ereignisse bis Anfang Februar 2021 findet sich bei Boytchev, Hristio, Why did a German newspaper insist the Oxford AstraZeneca vaccine was inefficacious for older people - without evidence ?, The BMJ, 12. Februar 2021, abrufbar unter: https://www.bmj.com/content/372/bmj.n414. 36 Robert Koch-Institut, STIKO-Empfehlung zur COVID-19-Impfung, aktualisiert am 29. Januar 2021, in: Eipdemiologisches Bulletin 5/2021, 4. Februar 2021, S. 3 f., abrufbar unter: https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/Epid Bull/Archiv/2021/Ausgaben/05_21.pdf?__blob=publicationFile. 37 Geinitz, Christian, F.A.Z. Exklusiv - Ständige Impfkommission empfiehlt Astra-Zeneca auch für Ältere, faz.net, 4. März 2021, abrufbar unter: https://www.faz.net/aktuell/politik/inland/astra-zeneca-stiko-empfiehlt-coronaimpfstoff -auch-fuer-aeltere-17227095.html. 38 So etwa Neue Daten aus England: Corona-Impfstoff von AstraZeneca wirkt bei Älteren besonders gut, Business Insider, 1. März 2021, abrufbar unter: https://www.businessinsider.de/wissenschaft/astrazeneca-impfstoff-beiaelteren -besonders-wirksam-a/. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 118/20 Seite 20 die in Ungarn eine Zulassung auf nationaler Ebene erhalten haben. Es handelt sich um die Produkte Sputnik V des russischen Gamaleya Forschungsinstituts für Epidemiologie und Mikrobiologie , das eine volle Zulassung erhalten hat und sich derzeit in der EU im Zulassungsprozess befindet 39, sowie, mit einer Notfallzulassung, BBIBP-CorV des chinesischen Staatsunternehmens Sinopharm. Zudem hat das Impfstoffprodukt Ad26.COV2.S von Janssen Biotech, Inc./ Johnson & Johnson eine Zulassung in den USA erhalten und steht Medienberichten zufolge kurz vor der Zulassung in der EU.40 4.2.1. Sputnik V (Gamaleya Research Institute of Epidemiology and Microbiology) Das russische Impfstoffprodukt Sputnik V (Спутник V; offizieller Name: Гам-КОВИД-Вак, Gam- COVID-Vac) wurde in Russland am 11. August 2020 im Rahmen einer Notfallzulassung registriert .41 Mittlerweile ist der aus zwei Komponenten (rAd5 und rAd26) bestehende vektorbasierte Impfstoff Herstellerangaben zufolge in mehr als 35 Ländern zugelassen, darunter unter anderem Ungarn42 (volle Zulassung), San Marino43 und die Slowakei44 (jeweils Notfallzulassung). Der Zulassungsprozess in der EU hat am 4. März 2021 mit einem Rolling-Review-Verfahren auf Antrag der R-Pharm Germany GmbH begonnen.45 Am 4. September 2020 erschien im Fachmagazin The Lancet ein Bericht über Phase 1/2-Studien, Logunov, Denis/ Dolzhikova, Inna et al. „Safety and immunogenicity of an rAd26 and rAd5 vec- 39 So EMA, EMA starts rolling review of the Sputnik V COVID-19 vaccine, Pressemitteilung vom 4. März 2021, abrufbar unter: https://www.ema.europa.eu/en/news/ema-starts-rolling-review-sputnik-v-covid-19-vaccine; ein Zeitrahmen sei ausweislich der Pressemitteilung nicht absehbar. 40 So etwa Chrysoloras, Nikos/ Buttler, Morten, Prognosis: J&J Shot to Get EU Nod in Early March, Easing Supply Squeeze, Bloomberg, 26. Februar 2021, unter Berufung auf eine anonyme Quelle, abrufbar unter: https://www.bloomberg.com/news/articles/2021-02-26/j-j-shot-set-to-get-eu-nod-in-early-march-easing-supplysqueeze . 41 Министерство здравоохранения Российской Федерации (Gesundheitsministerium der Russischen Föderation), Минздрав России зарегистрировал первую в мире вакцину от COVID-19 (deutsch etwa: Gesundheitsministerium hat den weltweit ersten Impfstoff gegen COVID-19 registriert), 11. August 2021, abrufbar unter: https://covid 19.rosminzdrav.ru/minzdrav-rossii-zaregistriroval-pervuyu-v-mire-vakczinu-ot-covid-19/. 42 So jedenfalls Deutsche Welle, SARS-CoV-2- Ungarn lässt russisches Vakzin "Sputnik V" zu, 21. Januar 2021, abrufbar unter: https://www.dw.com/de/ungarn-l%C3%A4sst-russisches-vakzin-sputnik-v-zu/a-56305132. 43 So jedenfalls TASS Russian News Agency, Coronavirus pandemic - Sputnik V vaccine registered in San Marino, 19. Februar 2021, abrufbar unter: https://tass.com/economy/1258499. 44 So jedenfalls Pressemitteilung des Herstellers, Sputnik V approved for use in Slovakia, 1. März 2021, abrufbar unter: https://sputnikvaccine.com/newsroom/pressreleases/sputnik-v-approved-for-use-in-slovakia/. 45 So EMA, EMA starts rolling review of the Sputnik V COVID-19 vaccine, Pressemitteilung vom 4. März 2021, abrufbar unter: https://www.ema.europa.eu/en/news/ema-starts-rolling-review-sputnik-v-covid-19-vaccine. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 118/20 Seite 21 tor-based heterologous prime-boost COVID-19 vaccine in two formulations: two open, non-randomised phase 1/2 studies from Russia“, abrufbar unter: https://www.thelancet.com/journals /lancet/article/PIIS0140-6736(20)31866-3/fulltext. Die Studien wurden unter dem Titel „An Open Study of the Safety, Tolerability and Immunogenicity of the Drug "Gam-COVID-Vac" Vaccine Against COVID-19“ (NCT04436471, abrufbar unter: https://clinicaltrials.gov/ct2/show/NCT04436471) und “An Open Study of the Safety, Tolerability and Immunogenicity of "Gam-COVID-Vac Lyo" Vaccine Against COVID-19” (NCT04437875, abrufbar unter: https://clinicaltrials.gov/ct2/show/NCT04437875) durchgeführt und begannen am 17. Juni 2020. Insgesamt hätten 76 Personen im Alter von 18 bis 60 Jahren an den Studien teilgenommen . Studienergebnisse von Phase-3-Studien wurden über lange Zeit trotz der Zulassung des Impfstoffes in verschiedenen Ländern nicht in international anerkannten Fachpublikationen veröffentlicht , was Medienberichten zufolge zu Misstrauen führte.46 Ergebnisse einer Phase-3-Studie mit dem Titel „Randomized Double-blind Placebo-controlled Multi-center Clinical Trial in Parallel Assignment of Efficacy, Safety, and Immunogenicity of Gam-COVID-Vac Combined Vector Vaccine in SARS-СoV-2 Infection Prophylactic Treatment“ (NCT04530396, abrufbar unter: https://clinicaltrials.gov/ct2/show/NCT04530396) wurden am 2. Februar 2021 ebenfalls im Fachmagazin The Lancet veröffentlicht, Logunov, Denis/ Dolzhikova , Inna et al., Safety and efficacy of an rAd26 and rAd5 vector-based heterologous prime-boost COVID-19 vaccine: an interim analysis of a randomised controlled phase 3 trial in Russia, 2. Februar 2021, abrufbar unter: https://www.thelancet.com/journals/lancet/article/PIIS0140- 6736(21)00234-8/fulltext. Zwischen dem 7. September 2020 und dem 4. November 2020 hätten 19.866 Teilnehmer zwei Dosen entweder des Impfstoffs oder eines Placebos erhalten. Bis zur Verabreichung der zweiten Dosis nach 21 Tagen seien in der Impfstoffgruppe 16 von 14.964 Teilnehmern positiv auf SARS- CoV-2 getestet worden. In der Placebo-Gruppe seien es 62 von 4.902 gewesen. Der Impfstoff habe damit eine Wirksamkeit von 91,6 Prozent gezeigt. In der Impfstoffgruppe seien bei 0,3 Prozent, in der Placebo-Gruppe bei 0,4 Prozent der Teilnehmer schwerwiegende unerwünschte Ereignisse aufgetreten, die aber nicht im Zusammenhang mit der Impfung gestanden hätten, ebenso wie vier Todesfälle, davon drei in der Impfstoffgruppe. 46 So etwa Wagner, Katharina, Sputnik V - Einer der gefragtesten Impfstoffe der Welt, faz.net, 28. Februar 2021, abrufbar unter: https://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/russlands-corona-impfstoff-sputnik-v-fast-weltweit-amgefragtesten -17220483.html. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 118/20 Seite 22 4.2.2. BBIBP-CorV (Sinopharm) Am 28. Januar 2021 erhielt das in Wuhan/China entwickelte Impfstoffprodukt BBIBP-CorV eine Notfallzulassung in Ungarn, nachdem mittels eines Regierungsdekrets jeder Impfstoff eine solche erhalten sollte, der weltweit an mehr als eine Million Menschen verimpft worden sei.47 Ergebnisse einer Phase-1/2-Studie, die in China unter der Nummer ChiCTR200003245948 registriert ist, wurden am 15. Oktober 2020 auf der Website The Lancet Infectuous Diseases veröffentlicht , Xia, Shengli / Zhang, Yuntao et al., Safety and immunogenicity of an inactivated SARS- CoV-2 vaccine, BBIBP-CorV: a randomised, double-blind, placebo-controlled, phase 1/2 trial, abrufbar unter https://www.thelancet.com/journals/laninf/article/PIIS1473-3099(20)30831- 8/fulltext. Am 13. August 2020 erschien im Journal of the American Medical Association (JAMA) ein Vorabbericht zu einer Studie unter der chinesischen Registrierungsnummer ChiCTR200003180949, Xia, Shengli/ Duan, Kai, Effect of an Inactivated Vaccine Against SARS-CoV-2 on Safety and Immunogenicity OutcomesInterim Analysis of 2 Randomized Clinical Trials, abrufbar unter: https://jamanetwork.com/journals/jama/fullarticle/2769612. Verschiedene Phase-3-Studien mit insgesamt mehr als 60.000 Teilnehmern werden in Argentinien , Bahrein, Ägypten, Marokko, Pakistan, Peru und den Vereinten Arabischen Emiraten (VAE) durchgeführt. Ergebnisse wurden bisher lediglich durch Pressemitteilungen des Gesundheitsministeriums der VAE veröffentlicht. Hiernach habe eine Studie mit 31.000 Teilnehmern50 mit 125 Nationalitäten eine generelle Wirksamkeit von 86 Prozent, eine Wirksamkeit von 100 Prozent bei der Vermeidung moderater und schwerer Erkrankungsverläufe und keinerlei schwerwiegende Sicherheitsbedenken gezeigt, Reuters Staff, UAE says Sinopharm vaccine has 86% efficacy against COVID-19, Reuters, 9. Dezember 2020, abrufbar unter: https://www.reuters.com/article /health-coronavirus-emirates-idUSKBN28J0G4. 4.2.3. Ad26.COV2.S (Janssen Biotech, Inc. / Johnson & Johnson) Am 27. Februar 2021 erhielt das vektorbasierte Impfstoffprodukt Ad26.COV2.S auf Antrag von Janssen Biotech, Inc., eine Notfallzulassung in den USA.51 47 So jedenfalls Than, Krisztina/ Komuves, Anita, Hungary signs deal for Chinese Sinopharm's COVID-19 vaccine, first in EU, National Post, 29. Januar 2021, abrufbar unter: https://nationalpost.com/pmn/health-pmn/hungarysigns -deal-for-chinese-sinopharms-covid-19-vaccine-first-in-eu. 48 Datenübersicht abrufbar unter: http://www.chictr.org.cn/showprojen.aspx?proj=53003; das Chinese Clinical Trial Registry besteht seit 2005 und ist seit 2007 bei der WHO registriert, vgl. http://www.chictr.org.cn/abouten .aspx. 49 Datenübersicht abrufbar unter: http://www.chictr.org.cn/hvshowproject.aspx?id=27698. 50 Es handelt sich vermutlich um diese Studie: http://www.chictr.org.cn/showprojen.aspx?proj=56651. 51 FDA – U.S. Food and Drug Administration, Brief an Janssen Biotech hinsichtlich der Zulassungsentscheidung, Inc., 27. Februar 2021, abrufbar unter: https://www.fda.gov/media/146303/download. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 118/20 Seite 23 Eine Phase-1/2-Studie mit 1085 Teilnehmern begann am 15. Juli 2020 unter dem Titel „A Randomized , Double-blind, Placebo-controlled Phase 1/2a Study to Evaluate the Safety, Reactogenicity , and Immunogenicity of Ad26COVS1 in Adults Aged 18 to 55 Years Inclusive and Adults Aged 65 Years and Older“ (NCT04436276). Ein Überblick hierzu findet sich bei: https://clinicaltrials .gov/ct2/show/NCT04436276. Erste Ergebnisse der Studie erschienen am 28. September 2020 bei nature.com (npg - nature publishing group), Bos, Rinke/ van der Lubbe, Joan et al., Ad26 vector-based COVID-19 vaccine encoding a prefusion-stabilized SARS-CoV-2 Spike immunogen induces potent humoral and cellular immune responses, npj Vaccines, 28. September 2020, abrufbar unter: https://www.nature .com/articles/s41541-020-00243-x. Weitere Zwischenergebnisse wurden am 13. Januar 2021 auf der Website des New England Journal of Medicine veröffentlicht, Sadoff, Jerald/ Le Gars, Mathieu et al., Interim Results of a Phase 1-2a Trial of Ad26.COV2.S Covid-19 Vaccine, nejm.com, 13. Januar 2021, abrufbar unter: https://www.nejm.org/doi/10.1056/NEJMoa2034201. Die Verabreichung des Impfstoffs in einer oder zwei Dosen erscheint hiernach möglicherweise wirksam. Eine weitere Phase-1-Studie mit 250 Teilnehmern begann am 11. August 2020 unter dem Titel “A Randomized, Double-blind, Placebo-controlled Phase 1 Study to Evaluate the Safety, Reactogenicity , and Immunogenicity of Ad26.COV2.S in Adults” (NCT04509947). Ein Überblick hierzu findet sich bei: https://clinicaltrials.gov/ct2/show/NCT04509947. Am 7. September 2020 und am 16. November 2020 begannen zwei Phase-3-Studien mit dem Titel „A Randomized, Double-blind, Placebo-controlled Phase 3 Study to Assess the Efficacy and Safety of Ad26.COV2.S for the Prevention of SARS-CoV-2-mediated COVID-19 in Adults Aged 18 Years and Older” (NCT04505722 und NCT04614948), ein Datenüberblick findet sich unter: https://clinicaltrials.gov/ct2/show/NCT04614948 bzw. https://clinicaltrials .gov/ct2/show/NCT04505722. Die am 7. September 2020 begonnene Studie an 213 Standorten weltweit und mit 44.325 Teilnehmern untersucht die Verabreichung einer Einzeldosis des Impfstoffs oder eines Placebos. Sie wurde nach dem Auftreten eines schwerwiegenden Ereignisses am 12. Oktober 2021 routinemäßig unterbrochen und am 23. Oktober 2020 wieder aufgenommen, Johnson & Johnson Prepares to Resume Phase 3 ENSEMBLE Trial of its Janssen COVID-19 Vaccine Candidate in the U.S., Pressemitteilung, 23. Oktober 2021, abrufbar unter: https://www.jnj.com/our-company/johnsonjohnson -prepares-to-resume-phase-3-ensemble-trial-of-its-janssen-covid-19-vaccine-candidate-inthe -us. Die am 16. November 2020 begonnene Studie untersucht die Verabreichung von zwei Dosen von Impfstoff oder Placebo im Abstand von 56 Tagen an ca. 30.000 Teilnehmern an 144 Standorten weltweit. Veröffentlichungen zu diesen Studien in Fachpublikationen liegen derzeit offensichtlich noch nicht vor. Einer Mitteilung des NIAID vom 29. Januar 2021 zufolge habe der Impfstoff jedoch eine Wirksamkeit von 66 Prozent in weltweiten Studien und von 72 Prozent in amerikanischen Studien gezeigt, NIAID Office of Communications, Janssen Investigational COVID-19 Vaccine: Interim Analysis of Phase 3 Clinical Data Released, Pressemitteilung, 29. Januar 2021, abrufbar unter: Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 118/20 Seite 24 https://www.nih.gov/news-events/news-releases/janssen-investigational-covid-19-vaccine-interim -analysis-phase-3-clinical-data-released. Unterschiede seien möglicherweise durch die Prävalenz verschiedener Virusvarianten zu erklären . Zudem sei der Impfstoff im Gegensatz zu anderen Impfstoffen einfacher zu lagern und erfordere nur die Verabreichung einer Dosis. Insgesamt seien in der Placebo-Gruppe 16 und in der Impfstoffgruppe drei Todesfälle aufgetreten; keiner davon habe in Verbindung mit der Impfung gestanden. Allerdings seien fünf Todesfälle in der Placebo-Gruppe im Zusammenhang mit einer COVID-19-Erkrankung aufgetreten. 5. Untersuchungen im Hinblick auf mögliche Langzeitnebenwirkungen Bisherige Studien können aufgrund der kurzen Entwicklungszeit und der geringen Datenlage noch keine Langzeitnebenwirkungen berücksichtigen. Einem Sicherheitsbericht des Paul-Ehrlich -Instituts (PEI) vom 18. Februar 2021 zufolge seien bis zum 12. Februar 2021 im Rahmen der Impfkampagne in Deutschland 7.690 Verdachtsfälle von Nebenwirkungen bei 3.967.246 Impfungen gemeldet worden, PEI, Sicherheitsbericht – Verdachtsfälle von Nebenwirkungen und Impfkomplikationen nach Impfung zum Schutz vor COVID-19 seit Beginn der Impfkampagne am 27.12.2020 bis zum 12.02.2021, 18. Februar 2021, abrufbar unter: https://www.pei.de/Shared- Docs/Downloads/DE/newsroom/dossiers/sicherheitsberichte/sicherheitsbericht-27-12-bis-12-02- 21.pdf?__blob=publicationFile&v=9. Die Melderate habe für alle verwendeten Impfstoffe 1,9 pro 1.000 Impfungen betragen, für schwerwiegende Nebenwirkungen habe sie bei 0,3 pro 1.000 Impfungen gelegen. Es handele sich vor allem um vorübergehende Lokalreaktionen und Allgemeinreaktionen, die auch in den klinischen Prüfungen vor der Zulassung berichtet worden seien. Dem PEI seien 223 Todesfälle bei Geimpften im Alter von 46 bis 101 Jahren (125 Frauen, 84 Männer; in 14 Fällen wurde das Geschlecht nicht angegeben) gemeldet. Ob dies mit der Impfung im Zusammenhang stehe, könne zu diesem Zeitpunkt nicht sicher festgestellt werden. Essentiell wird daher auch die Meldung von später auftretenden Nebenwirkungen sein. Allerdings übersteige die standardisierte Mortalitätsrate dem Bericht zufolge nicht die erwartete Anzahl von Todesfällen. Dies bedeutet, dass bei einer Impfung mit einem Placebo oder bei Ungeimpften im beobachteten Zeitraum vergleichbar viele Todesfälle aufgetreten wären. Dies spricht gegen einen Zusammenhang mit der Impfung. Auch bei übrigen Nebenwirkungen oder Erkrankungen ist zu beachten, wie häufig diese üblicherweise auftreten. So erleiden statistisch gesehen von einer Million Personen im Alter von mehr als 85 Jahren innerhalb von 14 Tagen 381 einen Herzinfarkt.52 Ein Auftreten einer vergleichbaren Zahl von Herzinfarkten im zeitlichen Zusammenhang mit einer Impfung ist daher zu erwarten und nicht ungewöhnlich. Erst wenn die tatsächliche Inzidenz deutlich höher liegt als die zu er- 52 Keller-Stanislawski, Brigitte, In DE und der EU zugelassene COVID-19-Impfstoffprodukte - Wirksamkeit & Sicherheit – Pressebriefing des Paul-Ehrlich-Instituts, 14. Januar 2021, S. 7, abrufbar unter: https://www.pei.de/SharedDocs/Downloads/DE/newsroom/veranstaltungen/2021/presse-briefing-sicherheitcovid -19-impfstoffe-praesentation-keller-stanislawski.pdf?__blob=publicationFile&v=9. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 118/20 Seite 25 wartende Inzidenz, liegt es nahe, dass ein Zusammenhang mit der Impfung besteht, der näher untersucht werden muss. Jedoch ist auch dabei zu beachten, ob die Erkrankung überhaupt im Zusammenhang mit der Impfung stehen kann. So formuliert Linda Fischer in einem ausführlichen Artikel für Zeit Online zum Thema Nebenwirkungen von Impfstoffen: „Läge diese Zahl unter Geimpften jedoch signifikant höher, wäre das ein Risikosignal. Aus einem Verdachtsfall würde somit ein Kandidat, der näher untersucht werden sollte. Dabei spielt dann aber natürlich auch eine Rolle, ob es überhaupt plausibel ist, dass eine bestimmte Krankheit durch einen Impfstoff ausgelöst worden sein könnte. Gäbe es eine statistische Häufung von Beinbrüchen, würde wohl kaum der Impfstoff verantwortlich sein. Doch so einfach ist es eben nicht immer.“ 53 6. Schlussbemerkung Zu den bisher in der Europäischen Union zugelassenen Impfstoffen und zu solchen, für die eine Zulassung angestrebt wird, liegen zahlreiche Daten aus klinischen Studien vor. Die Studien sind zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht abgeschlossen und ihre Fortführung ist teilweise Bedingung für die Aufrechterhaltung der Zulassung. Die Datenlage zu Nebenwirkungen und Wirksamkeit kann sich aus diesem Grund in kurzen Abständen ändern. Beinahe täglich werden neue Studienergebnisse zu verschiedenen Impfstoffen veröffentlicht. Zahlreiche weitere, hier nicht berücksichtigte Impfstoffe haben bereits in Einzelstaaten eine Zulassung erhalten54 oder sind in der klinischen Studienphase weit fortgeschritten.55 Die bisher zugelassenen Impfstoffe haben eine hohe Wirksamkeit gemein, die mit einem erwartbaren Maß impftypischer Nebenwirkungen wie Fieber, Schmerzen an der Einstichstelle und ähnlicher Phänomene einhergeht. Langzeitfolgen können naturgemäß zum derzeitigen Zeitpunkt nicht mit Sicherheit ausgeschlossen oder festgestellt werden. Auch deshalb und darüber hinaus mit Blick auf mögliche neue Varianten des Virus durch weitere Mutationen wird die weitere Beobachtung und Analyse abzuwarten sein. *** 53 Gut verständlich und mit weiteren Nachweisen, Fischer, Linda, Corona-Impfung, Auf der Suche nach dem Signal , Zeit Online, 23. Februar 2021, abrufbar unter: https://www.zeit.de/wissen/gesundheit/2021-02/corona-impfung -nebenwirkungen-todesfaelle-impfstoff-risiko-medizin/komplettansicht. 54 So etwa die Impfstoffprodukte EpiVacCorona (Vector Institute); CoronaVac (Sinovac); Ad5-nCoV (Convidicea – Cansino Biologics); BBV152 (Covaxin – Bharat Biotech) und CoviVac (Chumakov Institut). 55 So etwa beispielhaft die Impfstoffkandidaten NVX-CoV2373 (Novavax), ZF2001 (RBD-Dimer – Anhui Zhifei Longcom), Zorecimeran (CureVac) und ZyCoV-D (Cadila Healthcare).