Deutscher Bundestag Fachaufsichtliche Befugnisse des BMG gegenüber dem Bundesversicherungsamt bei Verwaltungstätigkeiten Sachstand Wissenschaftliche Dienste © 2012 Deutscher Bundestag WD 9 – 3000/113-12 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 – 3000/113-12 Seite 2 Fachaufsichtliche Befugnisse des BMG gegenüber dem Bundesversicherungsamt bei Verwaltungstätigkeiten Aktenzeichen: WD 9 – 3000/113-12 Abschluss der Arbeit: 17. 09. 2012 Fachbereich: WD 9: Gesundheit, Familie, Senioren, Frauen und Jugend Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 – 3000/113-12 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Rechts- und fachaufsichtliche Befugnisse übergeordneter Behörden im Allgemeinen 4 2. Befugnisse des Bundesministeriums für Gesundheit als Fachaufsichtsbehörde gegenüber dem Bundesversicherungsamtes bei Verwaltungsaufgaben 4 3. Die Durchführung und Überarbeitung des Risikostrukturausgleichs als Verwaltungsaufgabe des Bundesversicherungsamtes 5 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 – 3000/113-12 Seite 4 1. Rechts- und fachaufsichtliche Befugnisse übergeordneter Behörden im Allgemeinen Nach allgemeinen verwaltungsrechtlichen Grundsätzen unterliegen juristische Personen des öffentlichen Rechts, somit auch das Bundesversicherungsamt als selbstständige Bundesoberbehörde im Sinne von Art. 87 Abs. 3 Satz 1 Grundgesetz (GG), bei der Wahrnehmung öffentlicher Verwaltungsaufgaben der staatlichen Aufsicht.1 Nimmt eine solche juristische Person Auftragsangelegenheiten (bezeichnet als sogenannter "übertragener Wirkungskreis" der juristischen Person) wahr, dehnt sich die Staatsaufsicht über die bloße Überprüfung der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung (sogenannte "Rechtsaufsicht") auch auf die Ausübung des verwaltungsrechtlichen Ermessens der Behörde aus (sogenannte "Fachaufsicht"). In den rechtlichen Grenzen eines durch Gesetz eingeräumten Ermessens kann eine juristische Person des öffentlichen Rechts grundsätzlich selbst entscheiden, ob sie eine bestimmte Entscheidung treffen oder welche von mehreren in Betracht kommenden Entscheidungen sie treffen will. Für die Wahrnehmung dieser übertragenen Verwaltungsaufgaben kann jedoch die zuständige staatliche Fachaufsichtsbehörde nicht nur allgemeine Weisungen, sondern auch für Einzelfälle Weisungen erteilen. Ein derartiges Weisungsrecht steht übergeordneten Behörden gegenüber nachgeordneten Behörden bei der Durchführung ihrer Verwaltungsaufgaben zu. Diese Grundsätze des verwaltungsrechtlichen Weisungsrechts sind gesetzlich nicht ausdrücklich geregelt, sondern sind der Verwaltung immanent und bestehen für Verwaltungsaufgaben grundsätzlich, solange sie nicht durch Gesetz beschränkt oder ausgeschlossen sind.2 2. Befugnisse des Bundesministeriums für Gesundheit als Fachaufsichtsbehörde gegenüber dem Bundesversicherungsamtes bei Verwaltungsaufgaben Obwohl das Bundesversicherungsamt eine "selbstständige" Bundesoberbehörde im Sinne Art. 87 Abs. 3 Satz 1 GG ist, kommt dem Attribut "selbstständig" lediglich im organisatorischen Erscheinungsbild der Behörde Bedeutung zu. Eine selbstständige Bundesoberbehörde ist zwar aus einem Bundesministerium ausgegliedert und muss eigene Aufgaben wahrnehmen, jedoch bedeutet "selbstständig" nicht, dass eine derartige Behörde einen eigenen Rechtsträger darstellt. Selbstständige Bundesoberbehörden sind somit Stellen der unmittelbaren Bundesverwaltung, denen lediglich eine organisatorische Selbstständigkeit zukommt. Somit sind selbstständige Bundesbehörden dennoch einem Bundesministerium nachgeordnet, an dessen Weisungen sie grundsätzlich gebunden sind. Bereits der Ausschuss für Zuständigkeitsabgrenzung des Parlamentarischen Rates ging bei der Beratung der Vorschrift des Art. 87 Abs. 3 Satz 1 GG davon aus, dass eine Bundesoberbehörde in der Regel einer obersten Bundesbehörde (somit den Ministerien) unterstehe . Soll eine selbstständige Bundesoberbehörde ausnahmsweise von Weisungen freigestellt sein, kann Art. 87 Abs. 3 Satz 1 GG hierfür nicht als Grundlage dienen. Dies kann nur durch Gesetz erfolgen. 3 Eine Regelung in diesem Sinne stellt § 94 Viertes Sozialgesetzbuch (SGB IV) dar. Gemäß § 94 Abs. 2 Satz 2 SGB IV untersteht das Bundesversicherungsamt grundsätzlich dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales, jedoch für den Bereich der gesetzlichen Krankenver- 1 Ibler, in: Maunz/Düring, Grundgesetz-Kommentar, 65. Ergänzungslieferung 2012, Art. 87 GG, Rn. 253 (m.w.N.). 2 Creifelds, Rechtswörterbuch, 17. Auflage, "Staatsaufsicht", S. 1268; vgl auch: Creifelds, Rechtswörterbuch, 17. Auflage, "Ermessen (Verwaltungsermessen)", S. 434f. und "Weisungssrecht, Weisungen, Weisungsgebundenheit (im Verwaltungsrecht)", S. 1612f. 3 Ibler, in: Maunz/Düring, Grundgesetz-Kommentar, 65. Ergänzungslieferung 2012, Art. 87 GG, Rn. 253 (m.w.N.). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 – 3000/113-12 Seite 5 sicherung und der sozialen Pflegeversicherung dem Bundesministerium für Gesundheit. Somit übt das Bundesministerium für Gesundheit grundsätzlich die Rechts- und Fachaufsicht über das Bundesversicherungsamt für den Aufgabenbereich der Behörde im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung und der sozialen Pflegeversicherung aus. Die in § 94 Abs. 2 Satz 3 SGB IV formulierte Einschränkung der Aufsicht des Bundesministeriums für Gesundheit auf allgemeine Weisungen bezieht sich jedoch laut dem Gesetzeswortlaut nur auf die Aufgabe des Bundesversicherungsamtes , selbst die Aufsicht nach dem Sozialgesetzbuch auszuführen. Eine Beschränkung des Weisungsrechts des Bundesministeriums für Gesundheit gegenüber dem Bundesversicherungsamt bei der Ausführung schlichter Verwaltungsaufgaben lässt sich § 94 SGB IV jedoch nicht entnehmen. Insoweit gelten die oben geschilderten, allgemeinen verwaltungsrechtlichen Grundsätze der Rechts- und Fachaufsicht. Das Bundesministerium für Gesundheit kann somit als zuständige Fachaufsichtsbehörde dem Bundesversicherungsamt bei der Durchführung und der Überarbeitung des Risikostrukturausgleichs, was eine schlichte Verwaltungstätigkeit und keine Aufsichtstätigkeit der Behörde darstellt, Weisungen auch für den Einzelfall erteilen. 3. Die Durchführung und Überarbeitung des Risikostrukturausgleichs als Verwaltungsaufgabe des Bundesversicherungsamtes Bei der Durchführung und der Überarbeitung des Risikostrukturausgleichs durch das Bundesversicherungsamt liegt eine schlichte Verwaltungstätigkeit in der Form einer Auftragsverwaltung vor, die dem Bundesversicherungsamt durch Gesetz übertragen wurde. Die Rechtsgrundlagen für die Durchführung und die Überarbeitung des Risikostrukturausgleichs ergeben sich aus den Normen des Sozialrechts (vgl. §§ 266, 267, 268, 271, 272 SGB V) in Verbindung mit der Risikostruktur -Ausgleichsverordnung (vgl. §§ 2, 29, 31 RSAV), die auf Grundlage von § 266 Abs. 7 SGB V durch das Bundesministerium für Gesundheit mit Zustimmung des Bundesrates geschaffen wurde. Das Bundesversicherungsamt machte für das Ausgleichsjahr 2013 den Umgang mit unvollständigen Versichertenepisoden von im Ausgleichsjahr verstorbenen Versicherten zum Gegenstand des Anhörungsverfahrens (im Sinne von § 31 Abs. 2 und 4 RSAV) mit dem Hintergrund einer möglichen Änderung des Berechnungsverfahrens für diese Versichertengruppe im Risikostrukturausgleich 4 somit im Rahmen seiner übertragenen Verwaltungsaufgabe. Es unterliegt bei Ermessensentscheidungen im Rahmen dieser Verwaltungsaufgabe der allgemeinen Fachaufsicht des Bundesministeriums für Gesundheit. 4 Detaillierte Ausführungen hierzu: Bundsversicherungsamt, Erläuterungen zum Entwurf der Festlegung von Morbiditätsgruppen, Zuordnungsalgorithmus, Regressionsverfahren und Berechnungsverfahren für das Ausgleichsjahr 2013, S. 1, 2, 267-269, im Internet abrufbar unter: http://www.bundesversicherungsamt.de/cln_115/nn_1046668/DE/Risikostrukturausgleich/Festlegungen/Vorsch lagsverfahren__2013__Anhoerungsschreiben__27072012.html.