© 2021 Deutscher Bundestag WD 9 - 3000 - 111/20 Entschädigungen wegen Einschränkungen der Erwerbsmöglichkeiten während der Corona-Pandemie Rechtsprechungsübersicht (Stand: 11. Dezember 2020) Dokumentation Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 9 - 3000 - 111/20 Seite 2 Entschädigungen wegen Einschränkungen der Erwerbsmöglichkeiten während der Corona- Pandemie Rechtsprechungsübersicht (Stand: 11. Dezember 2020) Aktenzeichen: WD 9 - 3000 - 111/20 Abschluss der Arbeit: 11. Dezember 2020 Fachbereich: WD 9: Gesundheit, Familie, Senioren, Frauen und Jugend Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 9 - 3000 - 111/20 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Entschädigungsansprüche gegen den Staat 4 1.1. Rechtsprechung 4 1.2. Literatur 5 2. Entschädigungsansprüche gegen Betriebsversicherungen 6 2.1. Rechtsprechung 6 Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 9 - 3000 - 111/20 Seite 4 1. Entschädigungsansprüche gegen den Staat 1.1. Rechtsprechung Bislang liegen erst wenige Gerichtsentscheidungen zu Entschädigungsansprüchen von Bürgern gegen den Staat auf Grund von Einschränkungen bei der Erwerbstätigkeit während der Corona- Pandemie vor. Vgl. hierzu die tabellarische Übersicht zu den Entschädigungsansprüchen. Anlage Geklagt haben gegen das jeweilige Bundesland eine Friseursaloninhaberin in Baden-Württemberg 1 und zwei Gaststättenbetreiber aus Niedersachsen und Berlin2. Sie waren gezwungen, aufgrund der Landesverordnungen ihre Betriebe zu schließen. In allen drei Fällen haben die Gerichte Ansprüche auf Entschädigung wegen Corona-bedingter Betriebsschließungen abgelehnt. Dies begründeten sie im Wesentlichen wie folgt: Ein Anspruch gemäß § 56 Infektionsschutzgesetz (IfSG) bestehe nicht, weil die Voraussetzungen des Abs. 1 nicht vorlägen. Danach müsste es sich bei den Betroffenen um „Ausscheider, Ansteckungsverdächtige , Krankheitsverdächtige oder sonstige Träger von Krankheitserregern“ handeln , was bei allen drei Klägern nicht der Fall sei. Ein Anspruch nach § 65 IfSG scheide ebenfalls aus, da gem. § 65 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 IfSG anspruchsbegründende Maßnahmen nur solche gem. § 16 oder § 17 IfSG seien, während die streitgegenständlichen Verordnungen der beklagten Länder jeweils auf § 28 Abs. 1 IfSG gestützt würden . Ein Rückgriff auf polizei- und ordnungsrechtliche Anspruchsgrundlagen der jeweiligen Länder sei aufgrund der für Fälle pandemiebedingter Beeinträchtigungen abschließend konzipierten Regelungen des IfSG nicht möglich. Die Gerichte prüften zudem allgemeine staatshaftungsrechtliche Ansprüche. Hier argumentierten sie teils unterschiedlich. Hinsichtlich eines Anspruchs aus enteignendem Eingriff vertrat das Landgericht Heilbronn die Auffassung, dass bereits das Schutzgut des Art. 14 Grundgesetz (GG) nicht betroffen sei. Die Klägerin habe lediglich entgangene Erwerbs- und Betriebsaussichten reklamiert, was gerade noch keine verfestigte Eigentumsposition i. S. d. Art. 14 GG darstelle. Zudem sei ein Rückgriff auf den richterrechtlich entwickelten Grundsatz des enteignungsgleichen Eingriffs aufgrund der speziellen Regelungen des IfSG ausgeschlossen. Das Landgericht Hannover sah in den Maßnahmen zwar einen Eingriff in den Schutzbereich des Art. 14 GG. Für einen Anspruch aus enteignendem Eingriff fehle es jedoch an dem notwendigen Sonderopfer. Ebenso entschied das Landgericht Berlin. 1 Landgericht Heilbronn, Urteil vom 29. April 2020, Az. I 4 O 82/20. 2 Landgericht Hannover, Urteil vom 9. Juli 2020, Az. 8 O 2/20; Landgericht Berlin, Urteil vom 13. Oktober 2020, Az. 2 O 247/20. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 9 - 3000 - 111/20 Seite 5 Einen Anspruch aus enteignungsgleichem Eingriff lehnte es ferner mangels Rechtswidrigkeit der Maßnahmen ab. Ein amtshaftungsrechtlicher Entschädigungsanspruch nach § 839 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) komme mangels konkreter Drittbezogenheit der Maßnahmen nicht in Betracht. 1.2. Literatur Rinze, Jens/ Schwab, Rouven, Dulde und liquidiere – Staatshaftungsansprüche in Coronazeiten, in: Neue Juristische Wochenschrift (NJW) 2020, S. 1905: Die Autoren erörtern die Voraussetzungen und den Umfang von Entschädigungsansprüchen wegen Pandemie-bedingter Einschränkungen der Erwerbsmöglichkeiten auf Grundlage des Staatshaftungsrechts. Nach Auffassung der Autoren bestünden Staatshaftungsansprüche nicht nur bei rechtswidrigen, sondern gewohnheitsrechtlich auch bei rechtmäßigen hoheitlichen Maßnahmen, die zu Sonderopfern führen. Dies gelte nicht nur für Eingriffe in das Eigentum sondern auch bei Eingriffen in Leben, Gesundheit und Freiheit. Antweiler, Clemens, Betriebsuntersagung durch Covid-19-Rechtsverordnungen: Eigentumseingriff und Entschädigung, in: Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht (NVwZ) 2020, S. 584: Der Verfasser sieht in den getroffenen Maßnahmen schwerwiegende Eingriffe in durch Art. 14 GG geschützte Rechtspositionen der Betriebsinhaber. Diesen stünden daher insbesondere staatshaftungsrechtliche Entschädigungsansprüche gegen die einzelnen Länder zu. Gerhold, Maximilian/ Öller, Thomas/ Strahl, Sören, Kommt die öffentliche Hand ungeschoren davon?, in: Die Öffentliche Verwaltung (DÖV) 2020, S. 676: Die Verfasser untersuchen insbesondere die im Rahmen des Amtshaftungsanspruchs nach § 839 BGB erforderliche Drittbezogenheit, welche das Landgericht Berlin verneinte und nennen gewichtige Argumente dafür, diese zu bejahen . Kment, Martin, Düstere Aussichten: Keine Entschädigung für die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise, in: NVwZ 2020, S. 687: Der Verfasser äußert sich äußerst skeptisch gegenüber den Erfolgsaussichten möglicher Entschädigungsansprüche, insbesondere was den enteignenden Eingriff anbelangt und sieht es vielmehr als eine freie politische Entscheidung an, in welcher Form und in welcher Höhe in Zukunft die gesellschaftliche Solidarität gegenüber den vielen wirtschaftlichen Opfern der Corona-Krise ausfällt. Juristisch sei diese nicht zu erzwingen. Reschke, Carl-Moritz, Entschädigungsansprüche für rechtmäßige infektionsschutzrechtliche Maßnahmen im Zuge der COVID-19-Pandemie, in: DÖV 2020, S. 423: Der Verfasser sieht neben den Entschädigungsansprüchen aus §§ 56, 65 IfSG für rechtmäßige infektionsschutzrechtliche Maßnahmen keinen darüberhinausgehenden Entschädigungsanspruch, etwa aus enteignendem Eingriff und appelliert insofern an den Gesetzgeber. Struß, Lukas/ Fabi, Johannes, Entschädigungsansprüche für unternehmensbezogene Eingriffe nach dem IfSG, in: DÖV 2020, S. 665: Die Verfasser setzen sich insbesondere mit der Sperrwirkung der infektionsschutzrechtlichen Regelungen gegenüber den allgemeinen staatshaftungsrechtlichen Ansprüchen auseinander und halten diese Frage, bis zu einer höchstrichterlichen Entscheidung, für derzeit ungeklärt. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 9 - 3000 - 111/20 Seite 6 2. Entschädigungsansprüche gegen Betriebsversicherungen 2.1. Rechtsprechung Derzeit sind mehrere hundert Klagen gegen Betriebsschließungsversicherer wegen Corona-bedingter Betriebsschließungen anhängig. Allen diesen Fällen gemeinsam ist, dass Corona-Erkrankungen in den Versicherungsbedingungen noch nicht explizit als den Versicherungsschutz auslösende Krankheiten aufgeführt sind. In den bisher entschiedenen Fällen hing der Versicherungsschutz sodann entscheidend von der Frage ab, wie die den Versicherungsfall auslösenden Krankheiten definiert sind und wie der Versicherungsnehmer diese Definition verstehen darf. Zu den Entscheidungen siehe im Einzelnen die bereits unter 1.1. zitierte Anlage. Die Tendenz der Gerichte ging bislang dahin, eine enumerative Aufzählung der den Versicherungsfall auslösenden Krankheiten als abschließend anzusehen.3 Das Landgericht Hamburg4, das Landgericht Magdeburg5 und das Landgericht München I6 gaben Klagen der Versicherungsnehmer hingegen statt. Die Richter vertraten die Auffassung, dass in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB) der Beklagten eine dynamische Verweisung auf das IfSG zu sehen sei, mit der Folge, dass auch SARS-CoV-2 und COVID-19 vom Versicherungsschutz umfasst seien. *** 3 Lauer, Deckungsschutz aus einer Betriebsschließungsversicherung im Falle Corona-bedingter Betriebsschließung , GWR 2020, 456. 4 Landgericht Hamburg, Urteil vom 4. November 2020, Az. 412 HKO 83/20. 5 Landgericht Magdeburg, Urteil vom 6. Oktober 2020, Az. 31 O 45/20. 6 Landgericht München I, Urteil vom 22. Oktober 2020, Az. 12 0 5868/20; Urteil vom 1. Oktober 2020, Az. 12 O 5895/20. Anlage: Rechtsprechungsübersicht – Entschädigungen aufgrund pandemiebedingter Einschränkungen der Erwerbsmöglichkeiten 8 Stand: 11. Dezember 2020 Entschädigungsansprüche gegen den Staat Bundesland Entscheidung Sachverhalt Inhalt der Entscheidung Baden-Württemberg Landgericht Heilbronn , Urteil vom 29.4.2020, Az.: I 4 O 82/20 Fundstelle: NVwZ 2020, 975 Entschädigung abgelehnt Die Klägerin begehrt den Erlass einer einstweiligen Verfügung auf Entschädigung von reklamierten Einbußen durch die Schließung ihres Friseursalons im Zuge der Corona-Pandemie . Das beklagte Land gab in der Verordnung der Landesregierung über infektionsschützende Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Virus SARS-Cov-2 mit Wirkung zum 23.3.2020 vor, dass u.a. Friseursalons den Geschäftsbetrieb einstellen müssen. Die Geschäftstätigkeit des von der Klägerin betriebenen Friseursalons ruht seitdem. Die Klägerin begehrte am 3.4.2020 beim Gesundheitsamt des Landkreises Heilbronn , ihr Entschädigung für Verdienstausfall , für angefallene Aufwendungen zur sozialen Sicherung sowie zeitanteilig für Mietaufwen- Redaktionelle Leitsätze: 1. § 56 XII IfSG ist zwar als Vorschussanspruch konzipiert. Das impliziert aber nicht schon für sich genommen eine – für den Erlass einer einstweiligen Verfügung notwendigen – Dringlichkeit ohne Berücksichtigung der Einzelfallumstände. 2. Ein Entschädigungsanspruch nach § 56 IV IfSG setzt voraus, dass man zu der Gruppe von „Ausscheidern, Ansteckungsverdächtigen, Krankheitsverdächtigen oder sonstigen Trägern von Krankheitserregern “ iSd § 56 I IfSG zählt. 3. § 55 BWPolG dürfte als Entschädigungsregelung nicht einschlägig sein, weil für die Fälle pandemiebedingter Beeinträchtigungen das IfSG abschließend konzipiert ist und als spezielleres Recht den Rückgriff auf die allgemeinen polizeiordnungsrechtlichen Entschädigungsregeln sperrt. 4. Ein Rückgriff auf die Grundsätze des enteignenden und/oder des enteignungsgleichen Eingriffs und/oder den Aufopferungsgedanken dürfte daran scheitern, dass Schutzgut dieser Rechtsfigur die Eigentumsgarantie des Art. 14 GG ist. Anlage: Rechtsprechungsübersicht – Entschädigungen aufgrund pandemiebedingter Einschränkungen der Erwerbsmöglichkeiten 9 Stand: 11. Dezember 2020 dungen ab dem 23.3.2020 zu entrichten . Dem kam das Gesundheitsamt nicht nach. Das Landgericht lehnte den Antrag ab. Die Antragstellerin habe bereits ca. 9.000,00 Euro Corona-Soforthilfen erhalten. Die Kammer erachtete daher die notwendige Existenzgefährdung schon nicht als hinreichend dargelegt. Zudem dürften weder § 56 IfSG, noch § 55 BWPolG, noch die Grundsätze zum enteignenden bzw. enteignungsgleichen Eingriff die begehrte Rechtsfolge decken: § 56 Abs. 4 IfSG dürfte deshalb nicht zur begehrten Entschädigung für die streitbefangene Betriebsschließung führen, weil Selbständige wie die Klägerin zwar zum anspruchsberechtigten Personenkreis zählen, dies aber nur unter der Voraussetzung gelte, dass der Betrieb „während der Dauer einer Maßnahme nach Absatz 1“ der Norm ruht. § 56 Abs. 1 IfSG wiederum spricht (nur) von den „Ausscheidern , Ansteckungsverdächtigen, Krankheitsverdächtigen oder sonstigen Trägern von Krankheitserregern“. Das treffe auf die Klägerin nicht zu. Sie könne auch nicht als „ansteckungsverdächtig“ eingestuft werden. Als ansteckungsverdächtig qualifiziert § 2 Nr. 7 IfSG Personen, von denen anzunehmen ist, dass sie Krankheitserreger aufgenommen haben, ohne krank, krankheitsverdächtig oder Ausscheider zu sein. § 55 PolG BW dürfte deshalb nicht einschlägig sein, weil für die Fälle pandemiebedingter Beeinträchtigungen das IfSG abschließend konzipiert sei und als spezielleres Recht den Rückgriff auf die allgemeinen polizeiordnungsrechtlichen Entschädigungsregeln sperre. Anlage: Rechtsprechungsübersicht – Entschädigungen aufgrund pandemiebedingter Einschränkungen der Erwerbsmöglichkeiten 10 Stand: 11. Dezember 2020 Zudem verlangt § 55 PolG tatbestandlich eine (individuelle) „Maßnahme “. Die allgemeine Betriebsschließung auf der Grundlage der Coronaverordnung falle nach Ansicht des Gerichts nicht darunter. Der Rückgriff auf die Grundsätze des enteignenden und/oder des enteignungsgleichen Eingriffs und/oder den Aufopferungsgedanken dürfte schließlich daran scheitern, dass Schutzgut dieser Rechtsfigur die Eigentumsgarantie des Art. 14 GG ist. Um die Beeinträchtigung des Eigentums gehe es vorliegend aber nicht. Die Klägerin reklamiert im Kern entgangene Erwerbs- und Betriebsaussichten in ihrem Handwerk . Das stelle gerade noch keine verfestigte Eigentumsposition dar. Im Übrigen beinhalteten die § 56 Abs. 4, Abs. 12 IfSG spezialgesetzliche Ausprägungen der besagten richterrechtlich entwickelten Grundsätze zum enteignungsgleichen Eingriff. Ein Rückgriff auf die von der Klägerin bemühten verfassungsrechtlichen Entschädigungsgrundsätze dürfte deshalb ohnehin nicht in Betracht kommen. Berlin Landgericht Berlin, Urteil vom 13.10.2020, Az.: 2 O 247/20 Fundstelle: hwww.openjur.de Entschädigung abgelehnt Der Kläger betreibt in Berlin eine Gaststätte. Er begehrt vom Land Berlin finanzielle Entschädigung wegen der coronabedingten Schließung seiner Gaststätte während des “Lockdowns “. Er legte hierzu den entgangenen Gewinn zugrunde und klagte zunächst einen Teilbetrag in Höhe von 5.001,00 Euro ein. Redaktionelle Leitsätze: 1. Dem Inhaber eines Gastronomiebetriebes stehen wegen einer aufgrund der Corona-Pandemie angeordneten Betriebsschließung keine Ansprüche auf Schadensersatz oder Entschädigung gegen das anordnende Land zu. 2. Ein Anspruch ergibt sich weder aus § 56 noch aus § 65 IfSG, da deren Voraussetzungen nicht erfüllt sind. Eine analoge Anwendung auf andere Fälle ist mangels planwidriger Regelungslücke ausgeschlossen . Anlage: Rechtsprechungsübersicht – Entschädigungen aufgrund pandemiebedingter Einschränkungen der Erwerbsmöglichkeiten 11 Stand: 11. Dezember 2020 3. Ein Anspruch aus dem allgemeinen Polizei- und Ordnungsrecht wegen Inanspruchnahme als Nichtstörer scheidet aufgrund der Sperrwirkung des speziellen und insoweit abschließenden Infektionsschutzrechts aus. 4. Ein Anspruch wegen enteignenden Eingriffs besteht nicht, weil dem Inhaber kein individuelles Sonderopfer auferlegt wurde und der Anspruch massenhaft auftretende Schäden nicht erfasst. Das Landgericht verneinte den Entschädigungsanspruch. Dem Kläger stehe kein Entschädigungsanspruch zu, da die Anordnung der Schließung von Gaststätten rechtmäßig gewesen sei. Die mit der Schließungsanordnung verbundene Option für die Gaststättenbetreiber , über einen Außer-Haus-Verkauf Umsätze tätigen zu können, sei unter besonderer Berücksichtigung der damaligen Erkenntnislage durch den damaligen "Lockdown" veranlasst und als verhältnismäßig anzusehen. Zwar sei es grundsätzlich möglich, Gaststättenbetreibern auch für die Folgen einer rechtmäßigen Gaststättenschließung eine Entschädigung zu zahlen, wenn die erlittenen Beeinträchtigungen als unzumutbares "Sonderopfer" anzusehen seien. Im konkreten Fall seien aber die durch die vorübergehende Gaststättenschließung im Zeitraum vom 14.3.2020 beziehungsweise 23.3.2020 bis zum 09.5.2020 erlittenen Nachteile regelmäßig nicht als ein solches unzumutbares Sonderopfer anzusehen, sondern bewegten sich vielmehr noch im Bereich eines tragbaren allgemeinen Lebens- und Unternehmerrisikos . Anlage: Rechtsprechungsübersicht – Entschädigungen aufgrund pandemiebedingter Einschränkungen der Erwerbsmöglichkeiten 12 Stand: 11. Dezember 2020 Der Kläger habe auch keine Ansprüche gemäß § 839 BGB aus Amtspflichtsverletzung . Die streitbefangene Rechtsverordnung unterfalle schon deswegen nicht dem Anwendungsbereich des § 839 BGB und einer diesbezüglichen Ersatzpflicht, weil sie zum Kläger im Rechtssinne keinen konkreten Drittbezug habe, sondern der Kläger insoweit nur als Teil der Allgemeinheit von einer Regelung betroffen sei. Das Gericht erkenne zwar, dass der Kläger tatsächlich sehr wohl sehr konkret betroffen sein dürfte. Es sei jedoch höchstrichterlich anerkannt , dass eine derartige konkrete Betroffenheit im Rahmen von § 839 BGB irrelevant sei, wenn eine Gruppe von ganz bestimmten durch allein abstrakt-generelle Merkmale beschriebenen Personen (ganz konkret) betroffen und die Rechtsverordnung nicht als Regelung eines individuellen Einzelfalles anzusehen sei. Eine solche generell -abstrakte Zuordnung zu einem Personenkreis liege insbesondere vor, wenn Personen dadurch betroffen seien, dass sie eine Gaststätte betreiben. Aus sogenanntem enteignungsgleichen Eingriff habe der Kläger schon deswegen keine Ansprüche, weil die dem Kläger widerfahrene streitbefangene Betriebsbeschränkung rechtmäßig sei. Ein Anspruch ergebe sich zudem weder aus § 56 IfSG noch aus § 65 IfSG, da deren Voraussetzungen nicht erfüllt seien. Eine analoge Anwendung auf andere Fälle sei mangels planwidriger Regelungslücke ausgeschlossen. Anlage: Rechtsprechungsübersicht – Entschädigungen aufgrund pandemiebedingter Einschränkungen der Erwerbsmöglichkeiten 13 Stand: 11. Dezember 2020 Niedersachsen Landgericht Hannover , Urteil vom 9.7.2020, Az.: 8 O 2/20 Fundstelle: NJW-RR 2020, 1226 Entschädigung abgelehnt Ein Restaurantbetreiber verlangt vom Land Entschädigung für schließungsbedingte Umsatz- und Gewinneinbußen . Der Kläger betreibt als Eigentümer ein Restaurant, welches er aufgrund der Corona-Verordnungen in der Zeit vom 28.3.2020 bis zum 10.5.2020 komplett geschlossen blieb. Seine Angestellten gingen in Kurzarbeit und der Kläger erhielt aus Bundes- und Landesmitteln einen Überbrückungszuschuss von insgesamt 20.000 Euro. Einen im Zusammenhang mit seinem Restaurationsbetrieb stehenden COVID-19-Krankheitsfall oder einen entsprechenden Krankheits- bzw. Ansteckungsverdacht gab es bislang nicht. Redaktioneller Leitsatz: Dem Inhaber eines Restaurants stehen wegen der behördlich angeordneten Beschränkungen der Fortführung seines Lokals keine Ansprüche auf Schadensersatz gegenüber dem anordnenden Land zu. Ein Anspruch ergibt sich nicht aus dem Infektionsschutzgesetz (IfSG), weil dessen Voraussetzungen insoweit nicht gegeben sind und eine analoge Anwendung auf weitere Fälle nicht geboten erscheint . Ein Zahlungsanspruch aus dem Rechtsinstitut des enteignenden Eingriffs besteht nicht, weil dem Inhaber kein individuelles Sonderopfer auferlegt wurde, sondern ein sehr weiter Personenkreis von den Schließungsmaßnahmen betroffen war. Nach Ansicht des Gerichts könne der Kläger weder Ansprüche aus dem IfSG noch aus allgemeinem Gefahrenabwehrrecht oder aus dem allgemeinen Staatshaftungsrecht geltend machen. Voraussetzung für einen Entschädigungsanspruch gem. § 56 Abs. 1 IfSG sei, dass der Anspruchsteller einen Verdienstausfall erlitten habe, weil er als Ausscheider, Ansteckungsverdächtiger, Krankheitsverdächtiger oder als sonstiger Träger von Krankheitserregern einem infektionsschutzrechtlichen Verbot in der Ausübung seiner bisherigen Erwerbstätigkeit unterliegt. Nach Ansicht des Gerichts sei es unstreitig , dass der Kläger nicht zu diesem in § 2 IfSG definierten Personenkreis gehöre, so dass § 56 Abs. 1 IfSG nicht einschlägig sei. § 56 Abs. 1 a IfSG gewähre einen Anspruch auf Erstattung von Verdienstausfall , der dadurch entstünde, dass aus Infektionsschutzgrün- Anlage: Rechtsprechungsübersicht – Entschädigungen aufgrund pandemiebedingter Einschränkungen der Erwerbsmöglichkeiten 14 Stand: 11. Dezember 2020 den Schulen und Kinderbetreuungseinrichtungen geschlossen werden und die Sorgeberechtigten betreuungsbedürftiger Kinder daher nicht arbeiten können. Diese Tatbestandsvoraussetzungen lägen ebenfalls nicht vor. Auch ein Anspruch nach § 65 IfSG scheide aus. Anspruchsberechtigt sei dabei gem. § 65 Abs. 1 S. 1, Hs. 2 IfSG nur derjenige, der von der seuchenhygienischen Maßnahme als Nichtstörer betroffen ist. Anspruchsbegründende Maßnahmen seien nur solche gem. § 16 oder § 17 IfSG, während die streitgegenständlichen Verordnungen des beklagten Landes jeweils auf § 28 Abs. 1 IfSG gestützt worden sind, so dass § 65 Abs. 1 IfSG nach dem insoweit unzweideutigen Wortlaut auf die vorliegende Konstellation nicht anwendbar sei. Der Einwand , § 65 IfSG müsse erweiternd ausgelegt werden, da Verhütungsmaßnahmen nach § 16 IfSG und Bekämpfungsmaßnahmen nach § 28 IfSG nicht medizinisch exakt zu trennen seien und Maßnahmen der Infektionsprophylaxe oftmals zugleich auch der Bekämpfung der Weiterverbreitung des Virus dienten, greife angesichts von Wortlaut, Systematik und gesetzgeberischem Willen nicht durch. Der Kl. kann seinen Zahlungsanspruch auch nicht aus einer analogen Anwendung der im IfSG geregelten Entschädigungstatbestände gem. § 56 bzw. § 65 IfSG herleiten. Ein Anspruch nach § 80 NPOG iVm § 8 NPOG scheide aufgrund der Sperrwirkung der speziellen Regeln des IfSG aus. Anlage: Rechtsprechungsübersicht – Entschädigungen aufgrund pandemiebedingter Einschränkungen der Erwerbsmöglichkeiten 15 Stand: 11. Dezember 2020 Dem Kl. steht auch kein Zahlungsanspruch aus dem Rechtsinstitut des enteignenden Eingriffs zu. Aus Sicht der Kammer spricht viel dafür, dass die vom beklagten Land verordneten Betriebsschließungen des klägerischen Restaurants einen Eingriff in den eigentumsrechtlichen Schutzbereich von Art. 14 GG darstellen. Die weitere Anspruchsvoraussetzung eines dem Kl. auferlegten Sonderopfers sei jedoch nicht gegeben. Ein ausgleichspflichtiges Sonderopfer bestehe, wenn ein Eingriff in eine eigentumsmäßig geschützte Rechtsposition vorliegt, durch die der Betroffene als Eigentümer unverhältnismäßig oder im Verhältnis zu anderen ungleich betroffen wird und er mit einem besonderen, den übrigen nicht zugemutetes Opfer für die Allgemeinheit belastet wird. Dies sei vorliegend nicht der Fall. Ein Anspruch des Kl. wegen enteignenden Eingriffs scheitere darüber hinaus auch an dem Umstand, dass diese Anspruchsgrundlage auf die vorliegende Fallkonstellation keine Anwendung finde. Der BGH habe hierzu ausgeführt, dass das richterrechtlich entwickelte Rechtsinstitut des enteignenden Eingriffs nur auf einzelfallbezogene Eigentumsbeeinträchtigungen angewandt werden könne und keine geeignete Grundlage sei, um massenhaft auftretende Schäden auszugleichen . Der allgemeine Aufopferungsanspruch gilt nicht für hoheitliche Eingriffe in das Eigentum, sondern nur für Eingriffe in nichtvermögenswerte Rechtsgüter. Anlage: Rechtsprechungsübersicht – Entschädigungen aufgrund pandemiebedingter Einschränkungen der Erwerbsmöglichkeiten 16 Stand: 11. Dezember 2020 Entschädigungsansprüche gegen Betriebsversicherungen Baden-Württemberg Landgericht Mannheim , Urteil vom 29.4.2020, Az.: 11 O 66/20 Entschädigung abgelehnt Die Klägerin betreibt drei Hotels mit Restaurants. Sie begehrt von der Beklagten Leistungen aus einer Betriebsunterbrechungsversicherung im Wege der einstweiligen Verfügung . Zwischen den Parteien bestehen für diese Hotels jeweils Betriebsunterbrechungsverträge . Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wird zurückgewiesen . Die Kammer ist zwar der Ansicht, dass der Verfügungsklägerin aus den zwischen den Parteien bestehenden Betriebsunterbrechungsversicherungen jeweils ein Anspruch auf die vereinbarte Versicherungsleistung zustehe. Es mangele aber an einer ausreichenden Glaubhaftmachung der Anspruchshöhe des Verfügungsanspruchs. Landgericht Ellwangen Urteil vom 17.9.2020, Az.: 3 O 187/20 Entschädigung abgelehnt Die Klägerin betreibt eine Gaststätte. Zwischen ihr und der Beklagten bestand eine Betriebsschließungsversicherung , die unter anderem die Betriebsschließung infolge einer Seuchengefahr umfasste. In der Aufzählung der Krankheiten und Krankheitserreger war COVID-19 nicht aufgeführt . Nunmehr verlangt die Klägerin Entschädigung aufgrund coronabedingter Schließung. Das Gericht hat die Klage abgewiesen. Dem Gericht zufolge bestehe hier kein Versicherungsschutz, da die Aufzählung der Krankheiten und Krankheitserreger in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB) abschließend sei. Da COVID-19 dort nicht genannt ist, bestünde kein Anspruch auf Versicherungsleistungen aus der Betriebsschließungsversicherung im Zusammenhang mit dem Lockdown aufgrund der Corona-Pandemie. Anlage: Rechtsprechungsübersicht – Entschädigungen aufgrund pandemiebedingter Einschränkungen der Erwerbsmöglichkeiten 17 Stand: 11. Dezember 2020 Landgericht Stuttgart, Urteil vom 30.9.2020, Az.: 16 O 305/20 Entschädigung abgelehnt Der Kläger begehrt Leistungen aus einer Betriebsschließungsversicherung . Er ist Inhaber einer Veranstaltungsgastronomie und eines Restaurants mit Übernachtungsbetrieb. Für beide Gaststätten unterhält er bei der Beklagten eine Betriebsschließungsversicherung gegen Infektionsgefahren. Das Gericht hat die Klage abgewiesen. In einer Betriebsschließungsversicherung , laut welcher Deckungsschutz ausdrücklich nur für die aufgeführten meldepflichtigen Krankheiten und Krankheitserreger vereinbart ist, ohne dass dort COVID-19 oder SARS-CoV-2 genannt werden, bestünde kein Versicherungsschutz bei Betriebsschließungen aufgrund der Corona-Pandemie. Landgericht Ravensburg , Urteil vom 12.10.2020, Az.: 6 O 190/20 Entschädigung abgelehnt Die Klägerin ist Inhaberin einer Gaststätte und verlangt von ihrer Betriebsversicherung (gegen welche mit Stand vom 15.10.2020 weitere 87 Klagen anhängig seien) eine Entschädigung wegen coronabedingter Schließung. Das Gericht entschied zugunsten der Versicherung. Die Formulierung in den Versicherungsbedingungen (,,die folgenden, im Infektionsgesetz in den §§ 6 und 7 namentlich genannten Krankheiten und Krankheitserreger") beinhalte keine dynamische Verweisung. Die anschließende ausführliche Auflistung einer Vielzahl von Krankheiten und Erregern mache dem - für die Auslegung maßgeblichen - durchschnittlichen Versicherungsnehmer deutlich, dass der Versicherer nur für die benannten, vom Versicherer einschätzbaren Risiken einstehen wolle. Anlage: Rechtsprechungsübersicht – Entschädigungen aufgrund pandemiebedingter Einschränkungen der Erwerbsmöglichkeiten 18 Stand: 11. Dezember 2020 Landgericht Stuttgart, Urteil vom 29.10.2020, Az.: 35 O 32/20 Entschädigung abgelehnt Die Klägerin macht gegen das beklagte Versicherungsunternehmen Ansprüche aus einer Betriebsschließungsversicherung geltend. Für das in Stuttgart betriebene Restaurant hat die Klägerin bei der Beklagten eine Betriebsschließungsversicherung abgeschlossen. COVID-19 ist in der in § 2 Nr. 2 der Versicherungsbedingungen geregelten Aufzählung nicht enthalten. Das Gericht hat die Klage als unbegründet abgewiesen. Die Klägerin habe wegen des streitgegenständlichen Sachverhalts keinen Anspruch aus dem Versicherungsvertrag, da die durch Rechtsverordnung zur Eindämmung des Corona-Virus angeordnete Betriebsschließung nicht zu den vom Versicherungsvertrag umfassten Gefahren zähle. Danach beschreiben die in den einbezogenen Versicherungsbedingungen aufgezählten Krankheiten und Krankheitserreger die versicherten Gefahren abschließend, so dass keine Erstreckung auf CO- VID-19 erfolgen könne. Bayern Landgericht Bayreuth , Urteil vom 15.10.2020, Az.: 21 O 281/20 Entschädigung abgelehnt Der Kläger macht Ansprüche aus einer Betriebsschließungsversicherung geltend. Er betreibt ein Hotel in Form eines Erlebnisbauernhofs. Der Kläger unterhält bei der Beklagten eine Betriebsschließungsversicherung . Das neuartige Corona-Virus und die Erkrankung COVID-19 sind in den Aufzählungen der Versicherungsbedingungen nicht enthalten. Das Gericht lehnte einen Entschädigungsanspruch des Klägers ab. Versicherungsschutz bestünde nur für Betriebsschließungen aufgrund der in den Versicherungsbedingungen genannten Krankheiten und Krankheitserreger. Maßgeblich für die Auslegung sei dabei in erster Linie der Klauselwortlaut. Dieser enthalte jedoch nicht das Corona-Virus bzw. COVID-19. Anlage: Rechtsprechungsübersicht – Entschädigungen aufgrund pandemiebedingter Einschränkungen der Erwerbsmöglichkeiten 19 Stand: 11. Dezember 2020 Landgericht München I, Urteil vom 17.9.2020, Az.: 12 O 7208/20 Entschädigung abgelehnt Die Klägerin betreibt eine private Kindertagesstätte in München. Für diese hat die Klägerin bei der Beklagten eine Betriebsschließungsversicherung abgeschlossen. Sie begehrt von der Versicherung Leistungen wegen coronabedingter Schließung. Das Landgericht München I hat entschieden, dass die Kita keine Leistungen aus der Betriebsschließungsversicherung beanspruchen kann, da sie aufgrund der Notbetreuung nicht vollständig geschlossen war. Die einschlägigen Versicherungsbedingungen setzten für den Eintritt des Versicherungsfalles eine vollständige Betriebsschließung voraus. Landgericht München I Urteil vom 1.10.2020, Az.: 12 O 5895/20 Entschädigung bejaht Der Kläger ist Inhaber einer Gaststätte in München. Mit dem beklagten Versicherer hatte er mit Beginn zum 1.3.2020 und damit nach dem Inkrafttreten der Verordnung über die Ausdehnung der Meldepflicht bezüglich Infektionen mit dem Corona-Virus zum 1.2.2020 einen Versicherungsvertrag über eine Betriebsschließungsversicherung geschlossen . Nach Inkrafttreten der Allgemeinverfügung vom 21.3.2020 sowie einer Verordnung vom 24.3.2020 und diesbezüglicher behördlicher Untersagung des Gastronomiebetriebs , schloss der Kläger seine Gaststätte bis zum 17.5.2020 Das Landgericht München I hat der Klage stattgegeben. Es hat dem Kläger einen Anspruch auf Zahlung für 30 Schließtage zugesprochen . Im vorliegenden Fall stünde fest, dass das Corona-Virus von den Versicherungsbedingungen mitumfasst sei, da keine Einschränkung durch die in Teil B § 1 Ziffer 2 der AVB aufgezählten Krankheiten und den Verweis in das IfSG gegeben sei. Besonderheit des Sachverhalts war, dass die Versicherung am 4.3.2020 abgeschlossen worden war. Insofern erschien es unzweifelhaft, dass die Versicherung sogar gerade wegen der Corona-Pandemie abgeschlossen worden war. Der Verweis der AVB auf das IfSG sei wegen seiner Intransparenz gem. § 307 Abs. 1 S. 1 BGB unwirksam. Der Versicherungsnehmer gehe in der Regel davon, dass der Verweis auf das IfSG mit den in den AVB aufgezählten Krankheiten umfassend sei und insoweit keine negativen Abweichungen zu den vom IfSG umfassten Krankheiten bestünden. Eine davon abweichende Erwartung werde insbesondere nicht durch die lange Auflistung von Krankheiten begründet , da gerade diese Vollständigkeit suggeriere. Es könne nicht erwartet werden, dass der Versicherungsnehmer Spezialkenntnisse über das IfSG habe. Maßgeblich seien die typischerweise bei Verträgen der geregelten Art zu erwartenden Verständnismöglichkeiten ei- Anlage: Rechtsprechungsübersicht – Entschädigungen aufgrund pandemiebedingter Einschränkungen der Erwerbsmöglichkeiten 20 Stand: 11. Dezember 2020 vollständig. Mit Blick auf die Schließung seines Betriebes wegen des neuartigen Corona-Virus verlangt er von der Beklagten Deckung aus dem Vertragsverhältnis. nes Durchschnittskunden. Im Rahmen einer gewerblichen Versicherung sei daher auf den geschäftserfahrenen und gewerblich tätigen Unternehmer abzustellen. Landgericht München I, Urteil vom 22.10.2020, Az.: 12 0 5868/20 Entschädigung bejaht Die Klägerin unterhält als Gastwirtin bei der Beklagten eine Betriebsschließungsversicherung und verlangt Versicherungsleistungen aufgrund der coronabedingten Betriebsschließung infolge einer entsprechenden Allgemeinverfügung. Im Versicherungsvertrag heißt es in § 1.1 zum Versicherungsumfang, dass der Versicherer Entschädigung leiste, wenn die zuständige Behörde aufgrund des IfSG beim Auftreten meldepflichtiger Krankheiten oder Krankheitserreger den versicherten Betrieb schließe. Diese meldepflichtigen Krankheiten und Krankheitserreger sind sodann in § 1.2 wie folgt definiert: „Meldepflichtige Krankheiten und Krankheitserreger iSd Be- Das Gericht hat die Leistungspflicht der Beklagten bejaht. Es stellt zunächst klar, dass es dafür auf die Rechtsform und Rechtmäßigkeit der Schließungsanordnung nicht ankomme. Ebenso sei irrelevant, ob das Corona-Virus tatsächlich im Betrieb der Kl. aufgetreten sei. Sodann legt das Gericht den Versicherungsvertrag dahingehend aus, dass auch die Betriebsschließung aufgrund des Corona-Virus den Versicherungsfall auslöse und zwar ungeachtet dessen, dass das Corona-Virus nicht als den Versicherungsfall auslösende meldepflichtige Krankheit im Versicherungsvertrag genannt sei. § 1.2 des Versicherungsvertrages beschränke den Versicherungsumfang nicht auf die genannten Krankheiten und Krankheitserreger. Denn § 1.2 verstoße gegen das sich aus § 307 Abs. 1 S. 2 BGB ergebende Transparenzgebot und sei demzufolge unwirksam. Der durchschnittliche Versicherungsnehmer dürfe bei einer derartigen Formulierung der Klausel davon ausgehen, dass die Aufzählung der meldepflichtigen Krankheiten und Krankheitserreger sich mit der im IfSG decke und nicht dahinter zurückbleibe. Das LG bestätigt sein Verständnis mit einem systematischen Argument: Der Haftungsausschluss in § 3 beziehe sich auf Krankheiten und Krankheitserreger, die nicht in § 1.2 genannt seien, sodass die dortige Aufzählung für den Versicherungsumfang nicht abschließend sein könne. Anlage: Rechtsprechungsübersicht – Entschädigungen aufgrund pandemiebedingter Einschränkungen der Erwerbsmöglichkeiten 21 Stand: 11. Dezember 2020 dingungen sind die folgenden, im Infektionsgesetz in den §§ 6 und 7 namentlich genannten Krankheiten und Krankheitserreger“. Danach erfolgt die Auflistung von Krankheiten und Krankheitserregern. Das Corona- Virus ist in dieser Auflistung nicht enthalten. Unter § 3 findet sich schließlich ein Haftungsausschluss der Beklagten bei bestimmten Krankheiten und Krankheitserregern. Hamburg Landgericht Hamburg , Urteil vom 4.11.2020, Az.: 412 HKO 83/20 Entschädigung bejaht Die Klägerin betreibt im Hamburger Hafen auf dem Museumsschiff R. R. seit 2002 einen gastronomischen Betrieb . Zwischen den Parteien besteht seit dem 1.1.2018 eine Betriebsschließungsversicherung . Das Gericht hat zugunsten der Klägerin entschieden. Die Klägerin habe einen Anspruch auf die vereinbarte Versicherungsleistung aus der zwischen den Parteien bestehenden Betriebsschließungsversicherung . Es habe im Zeitraum vom 16.3.2020 bis einschließlich dem 12.5.2020, also für 58 Tage, eine bedingungsgemäß versicherte Betriebsschließung vorgelegen. Die in den AVB der Beklagten enthaltene Beschreibung des versicherten Risikos werde nicht wirksam durch die Aufzählung meldepflichtiger Krankheiten/Erreger eingeschränkt . Eine entsprechende Absicht des Versicherers lasse sich aus der Perspektive eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers, der die Bedingungen studiert, nicht entnehmen. Daher sei auch das Corona-Virus vom Versicherungsschutz gedeckt. Anlage: Rechtsprechungsübersicht – Entschädigungen aufgrund pandemiebedingter Einschränkungen der Erwerbsmöglichkeiten 22 Stand: 11. Dezember 2020 Niedersachsen Landgericht Oldenburg , Urteil vom 14.10.2020, Az.:13 O 2068/20 Entschädigung abgelehnt Der Kläger begehrt mit der Klage Leistungen aus einer Betriebsschließungsversicherung . Er ist Inhaber eines Restaurants mit Außerhausverkauf und Partyservice. Seit dem 1.1.2017 unterhält er bei der Beklagten einen Versicherungsvertrag, der auch eine Versicherung für die Betriebsschließung infolge einer Seuchengefahr umfasst. Nun verlangt er von seiner Versicherung Entschädigung wegen coronabedingter Schließung . Das Gericht hat die Klage abgewiesen. Der Kläger habe gegen die Beklagte unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt einen Anspruch auf Leistungen aus der bestehenden Betriebsschließungsversicherung wegen eines Betriebsschließungs- oder Warenschadens, der ihm durch die auf der Corona-Pandemie beruhenden Schließung seines Betriebes entstanden sei. Es fehlte an einem Versicherungsfall, weil die durch das Corona-Virus ausgelöste Krankheit bzw. das Corona- Virus nicht zu den meldepflichtigen Krankheiten und Erregern im Sinne der Bedingungen zähle. Nordrhein-Westfalen Landgericht Bochum, Urteil vom 15.7.2020, Az.: 4 O 215/20 Entschädigung abgelehnt Die Klägerin betreibt ein Restaurant mit Biergarten. Sie begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes von der Beklagten Leistungen aus einer Betriebsschließungsversicherung vor dem Hintergrund der Corona- Krise. Das Gericht lehnte den Entschädigungsanspruch ab. Wenn sich das Leistungsversprechen des Versicherers in der Betriebsschließungsversicherung auf einer Klausel gründet, welche abschließend die versicherten Krankheiten und Krankheitserreger aufzählt , bestünde kein Leistungsanspruch im Falle einer Erkrankung (COVID-19), die nicht in dieser Aufzählung enthalten ist. Anlage: Rechtsprechungsübersicht – Entschädigungen aufgrund pandemiebedingter Einschränkungen der Erwerbsmöglichkeiten 23 Stand: 11. Dezember 2020 Landgericht Essen, Urteil vom 21.10.2020, Az.: 18 O 167/20 Entschädigung abgelehnt Die Klägerin ist Inhaberin eines Cafés und macht gegen die Beklagte Ansprüche wegen einer coronabedingten Betriebsschließung geltend. Mit der beklagten Versicherung hatte sie am 10.10.2018 eine Betriebsschließungsversicherung geschlossen . Das Landgericht Essen hat die Klage abgewiesen. Es hat der Klägerin einen Anspruch aus dem Betriebsschließungsvertrag versagt, da die Betriebsschließung wegen COVID-19 bzw. des Krankheitserregers SARS-CoV-2 nicht vom Versicherungsschutz der Betriebsschließungsversicherung umfasst sei. Sachsen-Anhalt Landgericht Magdeburg , Urteil vom 6.10.2020, Az.: 31 O 45/20 Entschädigung bejaht Die Klägerin unterhält bei der Beklagten eine Betriebsschließungsversicherung . Versichert ist der Betrieb des Restaurants gegen Schäden infolge Infektionsgefahr bei Menschen, und zwar gegen Schließungsschäden und Schäden an Vorräten und Waren . Die Klägerin verlangt eine Versicherungsleistung wegen coronabedingter Schließung ihres Betriebes. Das Gericht verurteilte die Beklagte zur Zahlung. In den Versicherungsbedingungen der Beklagten sei eine dynamische Verweisung zu sehen, mit der Folge, dass auch das SARS-CoV-2 und COVID-19 vom Versicherungsschutz umfasst seien.