© 2021 Deutscher Bundestag WD 9 - 3000 – 107/20 Unabhängige Patientenberatung Deutschland (UPD) Organisation, Finanzierung und Qualitätssicherung Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 – 107/20 Seite 2 Unabhängige Patientenberatung Deutschland (UPD) Organisation, Finanzierung und Qualitätssicherung Aktenzeichen: WD 9 - 3000 – 107/20 Abschluss der Arbeit: 5. Januar 2021 Fachbereich: WD 9: Gesundheit, Familie, Senioren, Frauen und Jugend Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 – 107/20 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Vorbemerkung 4 2. Rechtsgrundlagen und Entstehungsgeschichte 4 3. Beratungsstrukturen im Bundesgebiet 6 4. Finanzierung und Unabhängigkeit 8 5. Qualitätssicherung 12 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 – 107/20 Seite 4 1. Vorbemerkung Die Unabhängige Patientenberatung Deutschland (UPD) hat die Aufgabe, Patientinnen und Patienten sowie Verbraucherinnen und Verbraucher zu gesundheitlichen und gesundheitsrechtlichen Fragen kostenfrei zu beraten und zu informieren – unabhängig von ihrem Versicherungsstatus. Die Arbeitsweisen und Strukturen der UPD sind immer wieder Gegenstand öffentlicher Kritik. So wurden in Presse, Wissenschaft und Politik Qualität und Unabhängigkeit der Beratung durch die UPD in Zweifel gezogen. Ein erheblicher Teil der Kritik richtet sich gegen vermeintliche strukturelle Defizite im Zusammenhang mit der Trägerschaft der UPD durch ein gewinnorientiertes Wirtschaftsunternehmen , die Sanvartis GmbH. Auftragsgemäß werden hier die rechtlichen Grundlagen für die Arbeit der UPD sowie die Diskussion über mögliche Qualitätsdefizite wiedergegeben. 2. Rechtsgrundlagen und Entstehungsgeschichte Die Rechtsgrundlage für die Unabhängige Patientenberatung findet sich in § 65b Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V):1 Gemäß § 65b Abs. 1 S. 1 SGB V fördert der Spitzenverband Bund der Krankenkassen (GKV-Spitzenverband) Einrichtungen, die Verbraucherinnen und Verbraucher sowie Patientinnen und Patienten in gesundheitlichen und gesundheitsrechtlichen Fragen qualitätsgesichert und kostenfrei informieren und beraten. Dies erfolgt mit dem Ziel, die Patientenorientierung im Gesundheitswesen zu stärken und Problemlagen im Gesundheitssystem aufzuzeigen. Mit dieser Aufgabe ist die Unabhängige Patientenberatung Deutschland (UPD), eine gemeinnützige GmbH (gGmbH), beauftragt. Ihre Trägerin ist seit 2016 die Sanvartis GmbH, ein privater Anbieter, der zuvor u. a. ein Callcenter im Bereich Medizin und Gesundheit betrieb und als Dienstleister für Krankenkassen in Erscheinung trat.2 Die Patientenberatung wurde zunächst zum 1. Januar 2000 als Modellvorhaben installiert. Zuvor gab es eine Reihe von Beratungseinrichtungen mit verschiedenen Schwerpunkten und regional unterschiedlichen Wirkungsbereichen. Da deren finanzielle und ideelle Basis teilweise Transparenzdefizite aufwies, wollte der Gesetzgeber mit der Einführung von § 65b SGB V dem Neutralitätsanspruch verpflichtete Organisationen stärken.3 Nach Ablauf zweier Modellphasen (2001 bis 2006 und 2006 bis 2010) wurde die Patientenberatung durch Artikel 1 des Arzneimittelmarktneu- 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Krankenversicherung – (Artikel 1 des Gesetzes vom 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477, 2482), zuletzt geändert durch Artikel 1a des Gesetzes vom 22. Dezember 2020 (BGBl. I S. 3299). 2 Gerst, Thomas, Unabhängige Patientenberatung Deutschland: Künftig in neuer Trägerschaft, in: Deutsches Ärzteblatt vom 11. September 2015, abrufbar unter: https://www.aerzteblatt.de/pdf.asp?id=171939. (Dieser und alle weiteren Links zuletzt abgerufen am 5. Januar 2021.) 3 Gesetzentwurf der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Entwurf eines Gesetzes zur Reform der gesetzlichen Krankenversicherung ab dem Jahr 2000 (GKV-Gesundheitsreform 2000), BT-Drs. 14/1245 vom 23. Juni 1999, S. 67, abrufbar unter: http://dipbt.bundestag.de/doc/btd/14/012/1401245.pdf; Scholz, Karsten, in: R/G/K/U, BeckOK Sozialrecht, 58. Auflage 2020, § 65b SGB V, Rn. 1. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 – 107/20 Seite 5 ordnungsgesetzes (AMNOG) mit Beginn des Jahres 2011 in einen fünfjährigen Regelbetrieb überführt .4 Gesellschafter der UPD gGmbH waren zum damaligen Zeitpunkt der Sozialverband VdK Deutschland e. V., der Verbraucherzentrale Bundesverband e. V. und der Verbund unabhängige Patientenberatung e. V. Die Fördersumme betrug 5,2 Mio. Euro jährlich. Mit dem GKV-Finanzstruktur- und Qualitäts-Weiterentwicklungsgesetz (GKC-FQWG) fasste der Gesetzgeber den § 65b SGB V neu: Für den neuen Vergabezeitraum ab 1. Januar 2016 erhöhte er die Fördersumme für die Patientenberatung auf nunmehr 9 Mio. Euro jährlich und verlängerte die Förderperiode auf sieben Jahre.5 Im Jahr 2015 folgte eine Ausschreibung der Trägerschaft durch den GKV-Spitzenverband. An deren Ende erhielt die Sanvartis GmbH den Zuschlag, ein Tochterunternehmen der Holding Vendus Sales & Communication Group GmbH, welche als Dienstleistungsunternehmen für Marketing, Kommunikation, Vertrieb und Versorgungsmanagement im Gesundheitsmarkt tätig ist.6 Im Jahr 2017 wurde sodann aufgrund gesellschaftsrechtlicher Umstrukturierungen die Sanvartis Group GmbH inklusive ihrer Tochterunternehmen, zu denen auch die Sanvartis GmbH als Trägerin der UPD gehört, an die Careforce Sanvartis Holding GmbH veräußert, ein unter anderem für die pharmazeutische Industrie tätiges Unternehmen.7 Während die Careforce Sanvartis nunmehr die Eigentümerin der Sanvartis Group ist, bleibt die Sanvartis GmbH weiterhin die Eigentümerin der UPD.8 4 Gesetz zur Neuordnung des Arzneimittelmarktes in der gesetzlichen Krankenversicherung (Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz – AMNOG) vom 22. Dezember 2010 (BGBl. 2010 I Nr. 67), abrufbar unter: http://www.bgbl.de/xaver/bgbl/start.xav?startbk=Bundesanzeiger_BGBl&jumpTo=bgbl110s2262.pdf. 5 Gesetz zur Weiterentwicklung der Finanzstruktur und der Qualität in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Finanzstruktur- und Qualitäts-Weiterentwicklungsgesetz – GKV-FQWG) vom 21. Juli 2014 (BGBl. 2014 I Nr. 33), abrufbar unter: http://www.bgbl.de/xaver/bgbl/start.xav?startbk=Bundesanzeiger _BGBl&jumpTo=bgbl114s1133.pdf. 6 Scholz, Karsten, in: R/G/K/U, BeckOk Sozialrecht, 58. Auflage 2020, § 65b SGB V, Rn. 7a. 7 Kleine Anfrage der Abgeordneten Maria Klein-Schmeink, Dr. Kirsten Kappert-Gonther, Kordula Schulz-Asche, Dr. Bettina Hoffmann, Katja Dörner, Dr. Anna Christmann, Kai Gehring, Erhard Grundl, Ulle Schauws, Margit Stumpp, Beate Walter-Rosenheimer und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Auswirkungen des Eigentümerwechsels auf die Unabhängige Patientenberatung, BT-Drs. 19/10361 vom 21. Mai 2020, S. 1, abrufbar unter: https://dip21.bundestag.de/dip21/btd/19/103/1910361.pdf. 8 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Sylvia Gabelmann, Susanne Ferschl, Dr. Achim Kessler, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE., BT-Drs. 19/4709 – Mögliche Konsequenzen aus dem Verkauf der Unabhängigen Patientenberatung Deutschland UPD an die in der Pharmabranche tätige Careforce-Gruppe, BT-Drs. 19/5177 vom 18. Oktober 2020, S. 3, abrufbar unter: http://dipbt.bundestag .de/dip21/btd/19/051/1905177.pdf; Scholz, Karsten, in: R/G/K/U, BeckOk Sozialrecht, 58. Auflage 2020, § 65b SGB V, Rn. 7a. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 – 107/20 Seite 6 3. Beratungsstrukturen im Bundesgebiet Die UPD hat ihren Sitz in Berlin. Insgesamt ist das Angebot vor allem auf die Telefonberatung ausgerichtet, welche mit einigem Vorsprung am häufigsten in Anspruch genommen wird.9 Das Angebot umfasst noch weitere Beratungsmöglichkeiten und -wege, etwa online, per Post oder per Beratungs-App. Das darüber hinaus existierende Beratungsangebot – rund 30 Vor-Ort-Beratungsstellen sowie Beratungsmobile – wurde derzeit wegen der anhaltenden Corona-Pandemie vorübergehend eingestellt.10 Patientinnen und Patienten können sich neben der deutschsprachigen Beratung auch auf Russisch und Türkisch sowie zum Teil auch auf Arabisch an die UPD wenden.11 Die Beratung wird durch geschulte Expertinnen und Experten (z. B. Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte, Ärztinnen und Ärzte, medizinische Fachkräfte, Sozialversicherungsfachangestellte ) wahrgenommen.12 Am Berliner Standort arbeiten zwei Teams mit spezieller juristischer und medizinischer Kompetenz, die mit den Vor-Ort-Beratungsstellen und den Beratungsmobilen auch per Video kommunizieren können.13 Der Zugang zum Beratungsangebot steht allen Verbraucherinnen und Verbrauchern (§ 13 BGB) offen, die als natürliche Personen Gesundheitsdienstleistungen in Anspruch nehmen oder Medizinprodukte kaufen, unabhängig davon, ob sie gesetzlich, privat oder gar nicht versichert sind. 9 Prognos, Status quo der Unabhängigen Patientenberatung Deutschland (UPD), abrufbar unter: https://www.prognos.com/publikationen/alle-publikationen/941/show/1e37189c9075c16757ed69e701f5662d/. 10 Unabhängige Patientenberatung Deutschland, Beratungswege, abrufbar unter: https://www.patientenberatung .de/de/beratungsangebot/beratungswege; Siehe auch Scholz, Karsten, in: R/G/K/U, BeckOk Sozialrecht, 58. Auflage 2020, § 65b SGB V, Rn. 6. Die regionale Verteilung der Beratungsstellen wurde teilweise als „konzeptlos “ kritisiert. Allerdings bezog sich die Kritik in erster Linie darauf, dass zwar in Universitätsstädten wie Gießen, Göttingen oder Landshut Stellen zur persönlichen Beratung verfügbar waren, nicht aber in größeren Städten wie Braunschweig, Bremen oder Frankfurt am Main – laut https://www.patientenberatung.de/de/beratungsangebot /beratungswege/beratungsstellen sind aber inzwischen zumindest in Frankfurt und Bremen Beratungsstellen vorhanden. 11 Die Beauftragte der Bundesregierung für die Belange der Patientinnen und Patienten, Patientenberatung, abrufbar unter: https://www.patientenbeauftragte.de/patientenberatung-2/; Unabhängige Patientenberatung Deutschland , Telefonische Beratung, abrufbar unter: https://www.patientenberatung.de/de#telefonische-beratung. 12 Die Beauftragte der Bundesregierung für die Belange der Patientinnen und Patienten, Patientenberatung, abrufbar unter: https://www.patientenbeauftragte.de/patientenberatung-2/; Unabhängige Patientenberatung Deutschland , Beratungsthemen A-Z, abrufbar unter: https://www.patientenberatung.de/dokumente/Allgemeine-Beratungsangebot /UPD_Brosch%C3%BCre%20Beratungsthemen%20A-Z.pdf. 13 Scholz, Karsten, in: R/G/K/U, BeckOk Sozialrecht, 58. Auflage 2020, § 65b SGB V, Rn. 7b. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 – 107/20 Seite 7 Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der UPD sind angehalten, gegebenenfalls auch auf andere qualifizierte Beratungs- und Informationsmöglichkeiten zu verweisen, damit Doppelstrukturen möglichst vermieden werden können.14 Zu solchen Angeboten zählen insbesondere die Aufklärungs -, Beratungs- und Auskunftsangebote der Krankenkassen gemäß §§ 13-15 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I).15 Ergänzt wird dies durch weitere Beratungseinrichtungen und -optionen, darunter etwa - der Medizinische Dienst der Krankenversicherungen (§ 275 Abs. 4 SGB V); - das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (§ 139a Abs. 3 SGB V); - die Selbsthilfeeinrichtungen (§ 20h SGB V); - die Kassenärztlichen Vereinigungen; - Gutachter- und Schlichtungsstellen der Landesärztekammern; - die Beauftragte der Bundesregierung für die Belange der Patientinnen und Patienten (§ 140h SGB V); - das Versorgungsmanagement der Krankenhäuser (§ 11 Abs. 4 SGB V); - die Pflegeberatung gem. § 7a Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI)16. Von einigen Seiten wird eine intensivere Vernetzung der UPD mit anderen Beratungsangeboten – beispielsweise der Selbsthilfe oder der Ergänzenden Unabhängigen Teilhabeberatung (EUTB) – gefordert .17 So betont etwa der Bundesgeschäftsführer der Bundesarbeitsgemeinschaft Selbsthilfe von Menschen mit Behinderung, chronischer Erkrankung und ihren Angehörigen e. V. (BAG Selbsthilfe ), dass durch eine enge Kooperation und Vernetzung der Beratungsangebote der Selbsthilfe 14 Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und FDP: Entwurf eines Gesetzes zur Neuordnung des Arzneimittelmarktes in der gesetzlichen Krankenversicherung (Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz – AMNOG), BT-Drs. 17/2413 vom 6. Juli 2010, S. 25, abrufbar unter: https://dip21.bundestag .de/dip21/btd/17/024/1702413.pdf; siehe dazu außerdem Scholz, Karsten, in: R/G/K/U, BeckOk Sozialrecht, 58. Auflage 2020, § 65b SGB V, Rn. 4; siehe etwa auch Auflistung der Beratungsangebote auf der Seite der Patientenbeauftragten der Bundesregierung, abrufbar unter: https://www.patientenbeauftragte.de/patientenberatung -2/, der Landespatientenbeauftragten Berlin, abrufbar unter: https://www.berlin.de/lb/patienten/wegweiser /beratungsangebote/#:~:text=Unabh%C3%A4ngige%20Patientenbera-tung%20Deutschland %20(UPD)&text=Das%20fachkundige%20Team%20bestehend%20aus,0800)%200%2011%2077%2022, sowie Kingreen, Thorsten, Weiterentwicklung und Verstetigung der unabhängigen Verbraucher- und Patientenberatung – Rechtsgutachten für den Verbraucherzentrale Bundesverband, August 2020, S. 15 ff., abrufbar unter: https://www.vzbv.de/sites/default/files/downloads/2020/09/17/20-09-01_upd_-_verbraucher-und_patientenberatung -rechtsgutachten.kingreen.pdf. 15 Erstes Buch Sozialgesetzbuch – Allgemeiner Teil – Gesetz vom 11. Dezember 1975 (BGBl. I S. 3015), zuletzt geändert durch Gesetz vom 20. November 2019 (BGBl. I S. 1626) m. W. vom 26. November 2019. 16 Elftes Buch Sozialgesetzbuch – Soziale Pflegeversicherung – Artikel 1 des Gesetzes vom 26. Mai 1994 (BGBl. I S. 1014), zuletzt geändert durch Gesetz vom 23. Oktober 2020 (BGBl. S. 2220) m. W. vom 29. Oktober 2020. 17 Kingreen, Thorsten, Weiterentwicklung und Verstetigung der unabhängigen Verbraucher- und Patientenberatung – Rechtsgutachten für den Verbraucherzentrale Bundesverband, August 2020, S. 30, abrufbar unter: https://www.vzbv.de/sites/default/files/downloads/2020/09/17/20-09-01_upd_-_verbraucher-und_patientenberatung -rechtsgutachten.kingreen.pdf. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 – 107/20 Seite 8 mit denen der Patientenberatung Kompetenzen gebündelt und ein Beratungsangebot für eine größere Anzahl von Menschen –gerade auch aus vulnerablen Gruppen – geschaffen werden könnte.18 4. Finanzierung und Unabhängigkeit Gemäß § 65b Abs. 1 S. 1 SGB V ist das Beratungsangebot für die Verbraucherinnen und Verbraucher kostenfrei.19 Die Tätigkeit der UPD wird durch Fördergelder des GKV-Spitzenverbandes sowie eine Beteiligung der Privaten Krankenkassen finanziert.20 Seit dem Jahr 2016 beträgt die Fördersumme mindestens 9 Mio. Euro. § 65b Abs. 2 S. 1 SGB V sieht vor, dass die Summe sich dynamisch an die Entwicklung der monatlichen Bezugsgröße nach § 18 Abs. 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV)21 anpasst. Die zur Verfügung gestellten Mittel werden – wie sich aus § 65b Abs. 2 S. 3 SGB V ergibt – durch eine Umlage der Krankenkassen gemäß dem Anteil ihrer eigenen Mitglieder an der Gesamtzahl der Mitglieder aller Krankenkassen erbracht. Die Mittel dürfen nur Einrichtungen zur Verfügung gestellt werden, die Verbraucherinnen und Verbraucher sowie Patientinnen und Patienten in gesundheitlichen und gesundheitsrechtlichen Fragen unabhängig und neutral informieren und beraten. Hinsichtlich der Rechtsform der förderfähigen Beratungsstellen – etwa in Bezug auf Vertretungsbefugnisse, Haftung etc. – enthält das Gesetz keine Vorgaben, sodass hier Entscheidungsfreiheit besteht.22 § 65b Abs. 1 S. 2, 3 SGB V regelt, dass der GKV-Spitzenverband auf den Inhalt oder Umfang der Beratungstätigkeit keinen 18 Hommel, Thomas, Zweifel an Unabhängigkeit: Verbände fordern Neuausrichtung der Unabhängigen Patientenberatung , in: Ärztezeitung vom 30. November 2020, abrufbar unter: https://www.aerztezeitung.de/Politik/Verbaende -fordern-Neuausrichtung-der-Unabhaengigen-Patientenberatung-415135.html; BAG Selbsthilfe, Neuaufstellung der Unabhängigen Patientenberatung (UPD), abrufbar unter: https://www.bag-selbsthilfe.de/fileadmin/user _upload/_Politische_INTERESSENVERTRETUNG/Gesundheitspolitik/2020-11-24_Neuaufstellung_der_Unabhaengigen _Patientenberatung.pdf. 19 Scholz, Karsten, in: R/G/K/U, BeckOk Sozialrecht, 58. Auflage 2020, § 65b SGB V, Rn. 8. 20 Nebendahl, Mathias, in: Spickhoff, Medizinrecht, 3. Auflage 2018, § 65b SGB V, Rn. 10. 21 Viertes Buch Sozialgesetzbuch – Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung – Artikel 1 des Gesetzes vom 23. Dezember 1976 (BGBl. I S. 3845), zuletzt geändert durch Gesetz vom 3. Dezember 2020 (BGBl. I S. 2668). 22 Kaempfe, in: Becker/Kingreen, SGB V, Gesetzliche Krankenversicherung, 7. Auflage 2020, § 65b SGB V, Rn. 5; Scholz, Karsten, in: R/G/K/U, BeckOK Sozialrecht, 58. Auflage 2020, § 65b SGB V, Rn. 10. Häufig dürfte es sich dabei um nichtwirtschaftliche Vereine i. S. v. § 21 BGB handeln, siehe dazu Kingreen, Thorsten, Weiterentwicklung und Verstetigung der unabhängigen Verbraucher- und Patientenberatung – Rechtsgutachten für den Verbraucherzentrale Bundesverband, August 2020, S. 37, abrufbar unter: https://www.vzbv.de/sites/default/files /downloads/2020/09/17/20-09-01_upd_-_verbraucher-und_patientenberatung-rechtsgutachten.kingreen.pdf. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 – 107/20 Seite 9 Einfluss nehmen darf und dass die Förderung einen Nachweis über die Neutralität und Unabhängigkeit der Leistungserbringung voraussetzt.23 Die Beratungseinrichtungen dürfen keinerlei inhaltliche Weisungen von Interessengruppen aus dem Bereich des Gesundheitswesens erhalten und nicht deren Interessen dienen.24 Inwieweit die UPD den Anforderungen an die Unabhängigkeit ihrer Beratung tatsächlich gerecht wird, wird seit geraumer Zeit von verschiedenen Seiten angezweifelt. Ein Großteil der Kritik bezieht sich auf die Trägerschaft der UPD gGmbH durch ein gewinnorientiertes – und darüber hinaus für Krankenkassen und Pharmaunternehmen tätiges – Wirtschaftsunternehmen, die Sanvartis GmbH. In rechtlicher Hinsicht wird nach Ansicht der Bundesregierung die Unabhängigkeit durch verschiedene Mechanismen gewährleistet.25 Weiterhin hat der in § 65b Abs. 1 S. 5-8 SGB V gesetzlich verankerte Beirat der UPD zur Überprüfung der Neutralität und Unabhängigkeit im Alltagsgeschäft einen Auditor als Kontrollinstanz eingesetzt.26 Diese Rolle nimmt seit 2016 die Gesellschaft für soziale Unternehmensberatung (gsub) ein.27 Auch diese kam zu dem Ergebnis, dass die Neutralität und Unabhängigkeit der Beratung gewährleistet seien.28 Vor dem Hintergrund der anhaltenden öffentlichen Kritik beschäftigte sich der Bundesrechnungshof (BRH) im Rahmen eines im Juni 2020 abgeschlossenen Prüfberichts u. a. mit den Auswirkungen dieser Strukturen auf die Unabhängigkeit der UPD. 29 Der BRH hebt zwar hervor, dass durch 23 Siehe zum Bezugspunkt der Unabhängigkeit und Neutralität BKartA (1. Vergabekammer des Bundes), Beschluss v. 3. September 2015, Az. VK 1 – 74/15, Rn. 76. 24 Kaempfe, in: Becker/Kingreen, SGB V, Gesetzliche Krankenversicherung, 7. Auflage 2020, § 65b SGB V, Rn. 7. 25 Schriftliche Fragen mit den in der Woche vom 15. Februar 2016 eingegangenen Antworten der Bundesregierung , BT-Drs. 18/7604 vom 19. Februar 2016, S. 17 f., abrufbar unter: http://dipbt.bundestag .de/doc/btd/18/076/1807604.pdf. 26 Unabhängige Patientenberatung Deutschland, Wie wir arbeiten, abrufbar unter: https://www.patientenberatung .de/de/uber-uns/wie-wir-arbeiten. 27 Beerheide, Rebecca, Unabhängige Patientenberatung: Auditor nach monatelanger Suche ernannt, in: Ärzteblatt vom 16. September 2016, abrufbar unter: https://www.aerzteblatt.de/pdf.asp?id=182066. 28 Prognos, Zwischenbericht – Evaluation der Unabhängigen Patientenberatung Deutschland, November 2019, S. 76, abrufbar unter: https://www.gkv-spitzenverband.de/media/dokumente/krankenversicherung_1/praevention __selbsthilfe__beratung/beratung/191118_Zwischenbericht_Evaluation_UPD.pdf; siehe auch BKartA (1. Vergabekammer des Bundes), Beschluss v. 3. September 2015, Az. VK 1 – 74/15; ebenso sahen BMG und GKV-Spitzenverband keine Hinweise darauf, dass Neutralität und Unabhängigkeit der Beratung nicht gewährleistet seien, siehe dazu: https://www.aerzteblatt.de/archiv/201976/Unabhaengige-Patientenberatung-Beratungsqualitaet -Transparenz-und-Kontrolle-im-Argen. 29 Bundesrechnungshof, Bericht an den Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages nach § 88 Abs. 2 BHO über die Prüfung der unabhängigen Patientenberatung, 5 Juni 2020. Der Bericht ist nicht öffentlich zugänglich, er wird daher im Folgenden wiedergegeben nach Staeck, Florian, Kritik der Rechnungsprüfer: Auftakt zu einer neuen Unabhängigen Patientenberatung?, in: Ärztezeitung vom 17. Juni 2020, abrufbar unter: https://www.aerztezeitung .de/Politik/Auftakt-zu-einer-neuen-Unabhaengigen-Patientenberatung-410413.html. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 – 107/20 Seite 10 die Prüfung weder explizite Verstöße gegen das Neutralitätsgebot noch sonstiges vorwerfbares Verhalten aufgezeigt werden konnten. Gleichwohl kommt er zu dem Schluss, dass die Abhängigkeit der UPD von der Sanvartis GmbH sowie weiteren mit ihr verbundenen Unternehmen „in wirtschaftlicher , organisatorischer und teilweise personeller Hinsicht geeignet sei, den Eindruck fehlender Unabhängigkeit und Neutralität in der Beratung hervorzurufen“. 30 Damit seien Risiken für die Reputation der Patientenberatung verbunden, denen nach Ansicht des Rechnungshofes künftig mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden sollte. In ihren Stellungnahmen zum Prüfbericht des BRH wiesen die UPD und das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) einen Großteil der Feststellungen zurück. Gleichwohl zeigte sich das BMG grundsätzlich offen für einen Austausch mit der Patientenbeauftragten der Bundesregierung zur Weiterentwicklung der Patientenberatung.31 Medienberichten aus dem Juni 2020 zufolge sah das BMG aber zumindest keinen zwingenden Bedarf für gesetzliche Änderungen.32 Die Diskussion ist weiterhin im Gange.33 Neben dem Anschein fehlender Unabhängigkeit bestehen ferner auch Zweifel an einem optimalen Einsatz der Fördermittel. So lägen laut BRH deutliche Anzeichen vor, dass die aus den Fördermitteln der Krankenkassen stammenden Leistungsentgelte „großzügig bemessen“ sein könnten. Die Vermutung eines besonderen wirtschaftlichen Interesses der Sanvartis GmbH am Betrieb der UPD inklusive einer entsprechenden Gewinnspanne liege daher nahe.34 30 Bundesrechnungshof, Bericht an den Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages nach § 88 Abs. 2 BHO über die Prüfung der unabhängigen Patientenberatung, 5 Juni 2020, zitiert nach Staeck, Florian, Kritik der Rechnungsprüfer : Auftakt zu einer neuen Unabhängigen Patientenberatung?, in: Ärztezeitung vom 17. Juni 2020, abrufbar unter: https://www.aerztezeitung.de/Politik/Auftakt-zu-einer-neuen-Unabhaengigen-Patientenberatung- 410413.html. 31 Bundesrechnungshof, Bericht an den Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages nach § 88 Abs. 2 BHO über die Prüfung der unabhängigen Patientenberatung, 5 Juni 2020, nach: Staeck, Florian, Kritik der Rechnungsprüfer : Auftakt zu einer neuen Unabhängigen Patientenberatung?, in: Ärztezeitung vom 17. Juni 2020, abrufbar unter: https://www.aerztezeitung.de/Politik/Auftakt-zu-einer-neuen-Unabhaengigen-Patientenberatung- 410413.html. 32 Grill, Markus, Kritik an Patientenberatung: Teuer, ineffektiv, intransparent, in: Tagesschau vom 16 Juni 2020, abrufbar unter: https://www.tagesschau.de/investigativ/ndr-wdr/bundesrechnungshof-patientenberatung- 101.html. 33 Vgl. Antrag der Abgeordneten Maria Klein-Schmeink, Dr. Janosch Dahmen, Dr. Kirsten Kappert-Gonther, Kordula Schulz-Asche, Dr. Anna Christmann, Kai Gehring, Erhard Grundl, Ulle Schauws, Charlotte Schneidewind- Hartnagel, Margit Stumpp, Beate Walter-Rosenheimer, Anja Hajduk, Britta Haßelmann, Markus Kurth, Sven Lehmann, Corinna Rüffer, Stefan Schmidt und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Eine starke Stimme für Patientinnen und Patienten – Patientenstiftung gründen und Unabhängige Patientenberatung (UPD) reformieren , BT-Drs. 19/25382 vom 17. Dezember 2020, abrufbar unter: http://dipbt.bundestag .de/dip21/btd/19/253/1925382.pdf. 34 Bundesrechnungshof, Bericht an den Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages nach § 88 Abs. 2 BHO über die Prüfung der unabhängigen Patientenberatung, 5 Juni 2020, nach: Staeck, Florian, Kritik der Rechnungsprüfer : Auftakt zu einer neuen Unabhängigen Patientenberatung?, in: Ärztezeitung vom 17. Juni 2020, abrufbar unter: https://www.aerztezeitung.de/Politik/Auftakt-zu-einer-neuen-Unabhaengigen-Patientenberatung- 410413.html. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 – 107/20 Seite 11 Außerdem stellt der Bericht dar, dass die mit der Erhöhung der Fördersumme von 5,2 auf 9 Mio. Euro verbundene Hoffnung, die tatsächlichen Beratungszahlen zu erhöhen,35 nur bedingt erfüllt worden sei. Wenngleich die Zahl der Beratungsfälle im Jahr 2019 gegenüber dem Jahr 2015 um ein Drittel gestiegen sei, entspreche dies immer noch weniger als 60 Prozent der ursprünglich im Angebot angegebenen Zahlen. In diesem Kontext erklärte das BMG, dass es sich bei den im Angebot angekündigten Zahlen nicht um verbindliche Leistungszusagen, sondern vielmehr um „angestrebte“ Zahlen gehandelt habe.36 Darüber hinaus sei trotz gestiegener finanzieller Mittel die Zahl der Beratungen im persönlichen Kontakt gesunken.37 Der BRH machte aber auch auf die bedingte Aussagekraft dieser Zahlen aufmerksam, da die UPD zwischen 2011 und 2015 jede ratsuchende Person unabhängig von der Anzahl ihrer Anliegen nur einmal erfasst habe; dagegen habe sie in der aktuellen Förderphase Einzelpersonen mehrfach erfasst , wenn sie sich zu mehreren Themen beraten ließen oder wegen des gleichen Themas wiederholt bei der UPD anfragten.38 Als mögliche Ursache für das Verfehlen der anvisierten Beratungszahlen identifizierte der BRH das Fehlen vertraglicher Sanktionsmechanismen oder weiterer Anreize , da die jährliche Fördersumme in Höhe von rund 9 Mio. Euro unabhängig von den tatsächlich erfolgten Beratungen oder sonstigen zu erreichenden Parametern gewährt werde.39 35 Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit (14. Ausschuss) […] zu dem Antrag der Abgehordneten Maria Klein-Schmeink, Elisabeth Scharfenberg, Kordula Schulz-Asche, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, BT-Drs. 18/574 – Unabhängige Patientenberatung stärken und ausbauen , BT-Drs. 18/1657 vom 4. Juni 2014, S. 63 f., abrufbar unter: http://dipbt.bundestag .de/dip21/btd/18/016/1801657.pdf. 36 Bundesrechnungshof, Bericht an den Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages nach § 88 Abs. 2 BHO über die Prüfung der unabhängigen Patientenberatung, 5 Juni 2020, nach Staeck, Florian, Kritik der Rechnungsprüfer : Auftakt zu einer neuen Unabhängigen Patientenberatung?, in: Ärztezeitung vom 17. Juni 2020, abrufbar unter: https://www.aerztezeitung.de/Politik/Auftakt-zu-einer-neuen-Unabhaengigen-Patientenberatung- 410413.html. 37 Die Grünen wiesen kürzlich darauf hin, dass gerade persönliche Termine vor Ort Arbeitslosen, Rentnern und Eingewanderten den Zugang zur Beratung erleichterten: Antrag der Abgeordneten Maria Klein-Schmeink, Dr. Janosch Dahmen, Dr. Kirsten Kappert-Gonther, Kordula Schulz-Asche, Dr. Anna Christmann, Kai Gehring, Erhard Grundl, Ulle Schauws, Charlotte Schneidewind-Hartnagel, Margit Stumpp, Beate Walter-Rosenheimer, Anja Hajduk, Britta Haßelmann, Markus Kurth, Sven Lehmann, Corinna Rüffer, Stefan Schmidt und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Eine starke Stimme für Patientinnen und Patienten – Patientenstiftung gründen und Unabhängige Patientenberatung (UPD) reformieren, BT-Drs. 19/25382 vom 17. Dezember 2020, S. 4, abrufbar unter: http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/19/253/1925382.pdf. 38 Bundesrechnungshof, Bericht an den Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages nach § 88 Abs. 2 BHO über die Prüfung der unabhängigen Patientenberatung, 5 Juni 2020; Prognos, Zwischenbericht – Evaluation der Unabhängigen Patientenberatung Deutschland, November 2019, S. 28, abrufbar unter: https://www.gkv-spitzenverband .de/media/dokumente/krankenversicherung_1/praevention__selbsthilfe__beratung/beratung /191118_Zwischenbericht_Evaluation_UPD.pdf. 39 Bundesrechnungshof, Bericht an den Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages nach § 88 Abs. 2 BHO über die Prüfung der unabhängigen Patientenberatung, 5 Juni 2020, nach Staeck, Florian, Kritik der Rechnungsprüfer : Auftakt zu einer neuen Unabhängigen Patientenberatung?, in: Ärztezeitung vom 17. Juni 2020, abrufbar unter: https://www.aerztezeitung.de/Politik/Auftakt-zu-einer-neuen-Unabhaengigen-Patientenberatung- 410413.html. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 – 107/20 Seite 12 5. Qualitätssicherung § 65b Abs. 1 S. 1 SGB V schreibt eine Qualitätssicherung der Patientenberatung vor. Die Informationen und Auskünfte müssen sachlich richtig und evidenzbasiert sein und ihre Vermittlung hat auf nichtdirektive, weltanschaulich neutrale, empathische und allgemein verständliche Weise zu erfolgen.40 Die UPD erläutert auf ihrer Website, dass sie die Qualitätssicherung durch Maßnahmen zur Mitarbeiterqualifikation , zum internen Wissensmanagement und zur Sicherung der Beratungsqualität gewährleiste. Zudem ist sie vom TÜV Nord für die „Erbringung von Beratungsdienstleistungen zu medizinischen, gesundheitsrechtlichen sowie sozialrechtlichen Fragen für Verbraucher, Patienten und Ratsuchende“ zertifiziert.41 Darüber hinaus soll der mindestens zweimal jährlich zusammentretende Beirat zur Qualitätssicherung und Evaluation beitragen.42 Der Beirat setzt sich zusammen aus Vertreterinnen und Vertretern der Wissenschaft (sechs), der Patientenorganisationen (zwei), des Bundesministeriums für Gesundheit (zwei), des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz (eine/einer) und ggf. der Privaten Krankenversicherungen (eine/einer).43 40 Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und FDP: Entwurf eines Gesetzes zur Neuordnung des Arzneimittelmarktes in der gesetzlichen Krankenversicherung (Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz – AMNOG), BT-Drs. 17/2413 vom 6. Juli 2010, S. 26, abrufbar unter: https://dip21.bundestag .de/dip21/btd/17/024/1702413.pdf. 41 Unabhängige Patientenberatung Deutschland, Wie wir arbeiten, abrufbar unter: https://www.patientenberatung .de/de/uber-uns/wie-wir-arbeiten. 42 Scholz, Karsten, in: R/G/K/U, BeckOK Sozialrecht, 58. Auflage 2020, § 65b SGB V, Rn. 7. 43 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Maria Klein-Schmeink, Elisabeth Scharfenberg , Kordula Schulz-Asche, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, BT-Drs. 18/11940 – Unabhängigkeit und regionale Beratungsangebote der Unabhängigen Patientenberatung Deutschland gGmbH, BT-Drs. 18/12182 vom 28. April 2017, S. 17, abrufbar unter: https://dip21.bundestag .de/dip21/btd/18/121/1812182.pdf. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 – 107/20 Seite 13 In der aktuellen Fördervereinbarung sind eine externe Evaluation und ein Beschwerdemanagementsystem zur stetigen Verbesserung der Qualität des UPD-Angebotes vorgesehen.44 Die Evaluation der UPD – deren Kosten aus der Fördersumme zu bezahlen sind45 – erfolgt durch die Prognos AG in der Gestalt eines jährlichen Statusberichts und eines Zwischenberichts in der Mitte der Förderperiode.46 Die verfügbaren Informationen über die Qualität der Beratungsleistungen der UPD lassen ein durchwachsenes Bild erkennen. Bereits 2018 hatten die wissenschaftlichen Mitglieder des Beirats der UPD einen Brief an den Patientenbeauftragten der Bundesregierung unterzeichnet, in dem sie die sprachliche und inhaltliche Qualität der UPD-Homepage als nicht den Anforderungen an gute medizinische Informationen entsprechend bewerteten und ebenfalls Unzufriedenheit mit der Qualität der Beratungsgespräche äußerten.47 Die bemängelten Texte wurden daraufhin von der Internetseite der UPD entfernt.48 Der jüngste Bericht der Prognos AG, der Zwischenbericht vom November 2019, bescheinigt den UPD-Mitarbeitenden zwar überwiegend eine gute Kommunikationskompetenz, in den ausgewerteten Testberatungen wurde dennoch mit Blick auf die sachliche Richtigkeit, die Vollständigkeit und die Evidenzbasierung der Beratung Verbesserungsbedarf ausgemacht.49 44 Unabhängige Patientenberatung Deutschland, Wie wir arbeiten, abrufbar unter: https://www.patientenberatung .de/de/uber-uns/wie-wir-arbeiten. 45 Scholz, Karsten, in: R/G/K/U, BeckOK Sozialrecht, 58. Auflage 2020, § 65b SGB V, Rn. 8. 46 Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und FDP: Entwurf eines Gesetzes zur Neuordnung des Arzneimittelmarktes in der gesetzlichen Krankenversicherung (Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz – AMNOG), BT-Drs. 17/2413 vom 6. Juli 2010, S. 25, abrufbar unter: https://dip21.bundestag .de/dip21/btd/17/024/1702413.pdf; Der aktuelle, im November 2019 erschienene, Evaluationsbericht der Prognos AG kann unter: https://www.gkv-spitzenverband.de/media/dokumente/krankenversicherung _1/praevention__selbsthilfe__beratung/beratung/191118_Zwischenbericht_Evaluation_UPD.pdf abgerufen werden. 47 Anthony, Tamara, Unabhängige Beratungsstelle: Patienten in die Irre geführt?, in: Tagesschau vom 27. September 2018, abrufbar unter: https://www.tagesschau.de/inland/patientenberatung-103.html. Siehe auch Maybaum, Thorsten, Unabhängige Patientenberatung: Beratungsqualität, Transparenz und Kontrolle im Argen, in: Deutsches Ärzteblatt vom 19. Oktober 2018, abrufbar unter: https://www.aerzteblatt.de/pdf.asp?id=201976. 48 Maybaum, Thorsten, Unabhängige Patientenberatung: Beratungsqualität, Transparenz und Kontrolle im Argen, in: Deutsches Ärzteblatt vom 19. Oktober 2018, abrufbar unter: https://www.aerzteblatt.de/pdf.asp?id=201976. 49 Prognos, Zwischenbericht – Evaluation der Unabhängigen Patientenberatung Deutschland, November 2019, S. 56 ff., abrufbar unter: https://www.gkv-spitzenverband.de/media/dokumente/krankenversicherung _1/praevention__selbsthilfe__beratung/beratung/191118_Zwischenbericht_Evaluation_UPD.pdf. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 – 107/20 Seite 14 Von zentralem Einfluss auf die in Teilen verbesserungswürdige Beratungsqualität sei dem Bericht zufolge die erhebliche Personalfluktuation, welche auch strukturell durch die Befristung der Förderphase verstärkt werde.50 Zwar wurde die Förderphase bereits von fünf auf sieben Jahre verlängert , um den Aufbau nachhaltiger Strukturen zu begünstigen. Allerdings wurde das grundsätzliche Festhalten an einer Befristung damit begründet, dass in diesem Zeitraum kontinuierlich und nachhaltig gearbeitet werden könne und zugleich die Möglichkeit der zeitnahen Reaktion auf Fehlentwicklungen bestehe.51 So könnte eine Neuvergabe einen Beitrag zur Optimierung der Beratung leisten .52 In der Praxis führe dieses Modell jedoch zu einem häufigen Wechsel des Personals sowie zu längerfristig unbesetzten Führungspositionen. Damit seien Störungen in betrieblichen Abläufen, Kenntnis- und Erfahrungsverluste und zusätzlichen Kosten für die Gewinnung neuen Personals verbunden.53 Eine dauerhafte Generierung von Kompetenzen und Wissen werde so erschwert.54 Vor diesem Hintergrund steht das bisherige Modell einer befristeten Vergabe der Patientenberatung in der Diskussion. So schlägt der Bundesrechnungshof eine Verstetigung bei einer geeigneten neutralen Stelle oder eine dauerhafte Übertragung an eine schon bestehende Einrichtung vor.55 Ebenso befürwortet die Patientenbeauftragte der Bundesregierung eine Verstetigung.56 Der Regensburger 50 Prognos, Zwischenbericht – Evaluation der Unabhängigen Patientenberatung Deutschland, November 2019, S. 56 ff., abrufbar unter: https://www.gkv-spitzenverband.de/media/dokumente/krankenversicherung _1/praevention__selbsthilfe__beratung/beratung/191118_Zwischenbericht_Evaluation_UPD.pdf. 51 Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit (14. Ausschuss) […] zu dem Antrag der Abgehordneten Maria Klein-Schmeink, Elisabeth Scharfenberg, Kordula Schulz-Asche, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, BT-Drs. 18/574 – Unabhängige Patientenberatung stärken und ausbauen , BT-Drs. 18/1657 vom 4. Juni 2014, S. 63 f., abrufbar unter: http://dipbt.bundestag .de/dip21/btd/18/016/1801657.pdf. 52 Kaempfe, in: Becker/Kingreen, SGB V, Gesetzliche Krankenversicherung, 7. Auflage 2020, § 65b, Rn. 3, 11. 53 So Bundesrechnungshof, Bericht an den Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages nach § 88 Abs. 2 BHO über die Prüfung der unabhängigen Patientenberatung, 5 Juni 2020; BAG Selbsthilfe, Neuaufstellung der Unabhängigen Patientenberatung (UPD), abrufbar unter: https://www.bag-selbsthilfe.de/fileadmin/user_upload/_Politische _INTERESSENVERTRETUNG/Gesundheitspolitik/2020-11-24_Neuaufstellung_der_Unabhaengigen_Patientenberatung .pdf. 54 Kingreen, Thorsten, Weiterentwicklung und Verstetigung der unabhängigen Verbraucher- und Patientenberatung – Rechtsgutachten für den Verbraucherzentrale Bundesverband, August 2020, S. 8, abrufbar unter: https://www.vzbv.de/sites/default/files/downloads/2020/09/17/20-09-01_upd_-_verbraucher-und_patientenberatung -rechtsgutachten.kingreen.pdf. 55 Bundesrechnungshof, Bericht an den Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages nach § 88 Abs. 2 BHO über die Prüfung der unabhängigen Patientenberatung, 5 Juni 2020, nach Staeck, Florian, Kritik der Rechnungsprüfer : Auftakt zu einer neuen Unabhängigen Patientenberatung?, in: Ärztezeitung vom 17. Juni 2020, abrufbar unter: https://www.aerztezeitung.de/Politik/Auftakt-zu-einer-neuen-Unabhaengigen-Patientenberatung- 410413.html. 56 Wallet, Norbert, Gesundheitsfürsorge: Patientenberatung ist nicht bekannt, in: Stuttgarter Zeitung vom 26. Juni 2020, abrufbar unter: https://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.gesundheitsfuersorge-die-patientenberatung -ist-nicht-bekannt-genug.a2e2e554-380d-4bd2-9614-0cdac36ec57c.html?utm_source=dlvr.it&utm_medium =twitter). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 – 107/20 Seite 15 Rechtsprofessor Kingreen kommt in einem vom Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) in Auftrag gegebenen Gutachten zu dem Ergebnis, dass eine dauerhafte institutionelle Verstetigung – und damit die Abkehr von der bisherigen Praxis einer regelmäßigen Neuausschreibung – rechtlich zulässig sei.57 Um die gesetzlich geforderte Unabhängigkeit der Patientenberatung zu stärken, wird zudem eine Trägerschaft durch gemeinnützige und freie Einrichtungen und Organisationen diskutiert.58 Ferner könnte es eine Option zur Stärkung der Unabhängigkeit der Patientenberatung sein, auf eine Förderung aus Steuermitteln des Bundes – statt wie bisher aus beitragsgestützten Fördermitteln der Krankenkassen – zu setzen.59 *** 57 Kingreen, Thorsten, Weiterentwicklung und Verstetigung der unabhängigen Verbraucher- und Patientenberatung – Rechtsgutachten für den Verbraucherzentrale Bundesverband, August 2020, S. 10 ff., abrufbar unter: https://www.vzbv.de/sites/default/files/downloads/2020/09/17/20-09-01_upd_-_verbraucher-und_patientenberatung -rechtsgutachten.kingreen.pdf. 58 Kingreen, Thorsten, Weiterentwicklung und Verstetigung der unabhängigen Verbraucher- und Patientenberatung – Rechtsgutachten für den Verbraucherzentrale Bundesverband, August 2020, S. 30 ff., abrufbar unter: https://www.vzbv.de/sites/default/files/downloads/2020/09/17/20-09-01_upd_-_verbraucher-und_patientenberatung -rechtsgutachten.kingreen.pdf. 59 Kingreen, Thorsten, Weiterentwicklung und Verstetigung der unabhängigen Verbraucher- und Patientenberatung – Rechtsgutachten für den Verbraucherzentrale Bundesverband, August 2020, S. 35 ff., abrufbar unter: https://www.vzbv.de/sites/default/files/downloads/2020/09/17/20-09-01_upd_-_verbraucher-und_patientenberatung -rechtsgutachten.kingreen.pdf.; Woratschka, Rainer, Ruf nach einer unabhängigen Stiftung: Grüne fordern Reform der Patientenberatung, in: Tagesspiegel vom 18. Dezember 2020, abrufbar unter https://www.tagesspiegel .de/wirtschaft/ruf-nach-einer-unabhaengigen-stiftung-gruene-fordern-reform-der-patientenberatung /26730198.html.