© 2019 Deutscher Bundestag WD 9 - 3000 - 107/18 Zur Umsetzung der Rechte von Kindern und Jugendlichen auf Bildung und Teilhabe Dokumentation Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 9 - 3000 - 107/18 Seite 2 Zur Umsetzung der Rechte von Kindern und Jugendlichen auf Bildung und Teilhabe Aktenzeichen: WD 9 - 3000 - 107/18 Abschluss der Arbeit: 11. Januar 2019 Fachbereich: WD 9: Gesundheit, Familie, Senioren, Frauen und Jugend Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 9 - 3000 - 107/18 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Vorbemerkung 4 2. Aktuelle Erhebungen zu den Chancen von Kindern und Jugendlichen auf Teilnahme am sozialen und kulturellen Leben 5 3. Zum Bildungs- und Teilhabepaket 6 3.1. Beispiele für die Umsetzung in den Kommunen 7 3.2. Evaluation 8 3.3. Stellungnahmen zum Bildungspaket 8 4. Zum geplanten Starke-Familien-Gesetz 11 Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 9 - 3000 - 107/18 Seite 4 1. Vorbemerkung Derzeit ist jedes fünfte Kind in Deutschland von Armut betroffen – eine erschreckend hohe Zahl für ein vergleichsweise reiches Industrieland.1 Im Jahr 2017 lag die Zahl armer Kinder bei 2,55 Millionen und somit bei knapp 20 Prozent.2 Kinderarmut bedeutet nicht nur materielle Entbehrungen , sondern insbesondere auch Ausgrenzung und damit fehlende Teilhabe an sozialen sowie kulturellen Aktivitäten, die für andere Kinder und Jugendliche selbstverständlich sind.3 Dies kann den Lebensweg betroffener Kinder und Jugendlicher nachhaltig negativ beeinflussen. Um die Chancen von Kindern und Jugendlichen aus Familien mit geringem Einkommen auf Teilhabe zu erhöhen, hat die Bundesregierung das Bildungs- und Teilhabepaket geschaffen. Hintergrund war vor allem das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 9. Februar 20104, in dem die Notwendigkeit der Sicherung des Existenzminimums hervorgehoben und dem Gesetzgeber aufgetragen wurde, die Ansprüche des Einzelnen auf die nötigen materiellen Voraussetzungen für ein menschenwürdiges Existenzminimum zu konkretisieren und die nötigen Aufwendungen zu bemessen . Mit der Einführung des Bildungs- und Teilhabepakets5 insbesondere durch Regelungen in §§ 28, 29 SGB II6 zum 1. April 2011 (mit rückwirkender Geltung ab Jahresbeginn 2011) hat die Bundesregierung die verfassungsgerichtlichen Vorgaben umgesetzt, so dass nunmehr die soziale und kulturelle Teilhabe zum Existenzminimum gehört. Das Teilhabepaket enthält eine Reihe konkreter Maßnahmen: So bekommen Kinder und Jugendliche aus Familien mit geringem Einkommen etwa Zuschüsse zum Schulmittagessen oder für Klassenfahrten , aber auch zusätzliches Geld für Schulhefte oder den Mitgliedsbeitrag im Sportverein. 1 Der Paritätische Gesamtverband, Wer die Armen sind, Der Paritätische Armutsbericht 2018, S. 30, abrufbar unter : https://www.der-paritaetische.de/fileadmin/user_upload/Schwerpunkte/Armutsbericht/doc/2018_armutsbericht .pdf; Dieser und alle weiteren Links wurden zuletzt abgerufen am 10. Januar 2019. 2 Seils, Eric/Höhne, Jutta, III. WSI-Kinderarmutsbericht, Kinderarmut und Flüchtlingskrise, im Auftrag des Wirtschafts - und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung, April 2017, abrufbar unter: https://www.boeckler.de/pdf/wsi_vm_kinderarmut_2015.pdf. 3 Krüger, Thomas/Hofmann, Holger/Kamp, Uwe/u.a., Deutsches Kinderhilfswerk e.V, Kinderreport Deutschland 2018, Rechte von Kindern in Deutschland, abrufbar unter: https://images.dkhw.de/fileadmin/Redaktion/1_Unsere _Arbeit/1_Schwerpunkte/2_Kinderrechte/2.2_Kinderreport_aktuell_und_aeltere/Kinderreport_2018/Kinderreport _2018.pdf; Vgl. Kinderarmut in Deutschland, Überblick über aktuelle Zahlen und Studien, Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages, Sachstand vom 16. Mai 2017, WD 9-017-17, abrufbar unter: https://www.bundestag.de/blob/514144/9806e9989a225bde4d71460aac021a6a/wd-9-017-17-pdf-data.pdf. 4 BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 9. Februar 2010 – 1 BvL 1/09 – Rn. 1-220, abrufbar unter: https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen /DE/2010/02/ls20100209_1bvl000109.html. 5 Wird nachfolgend unter dem Begriff „Teilhabepaket“ zusammengefasst. 6 § 28 SGB II, Bedarfe für Bildung und Teilhabe, Stand: Neugefasst durch Bek. v. 13. Mai 2011 I 850, 2094; Zuletzt geändert durch Art. 20 G v. 17. Juli 2017 I 2541; § 29 SGB II, Erbringung der Leistungen für Bildung und Teilhabe, Stand: Neugefasst durch Bek. v. 13. Mai 2011 I 850, 2094; Zuletzt geändert durch Art. 20 G v. 17. Juli 2017 I 2541. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 9 - 3000 - 107/18 Seite 5 Entsprechende Anspruchsgrundlagen für die Bildungs- und Teilhabeleistungen sind insbesondere § 19 Abs. 27, § 28 SGB II, § 34 SGB XII8, § 6b Bundeskindergeldgesetz9 sowie § 3 Abs. 3 AsylbLG10. Die Leistungen werden nach § 29 SGB II bzw. § 34a SGB XII als Sach- und Dienstleistungen , insbesondere in Form von personalisierten Gutscheinen oder Direktzahlungen an Anbieter von Leistungen erbracht. Darüber hinaus sieht das SGB VIII Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe für junge Menschen vor, die aufgrund sozialer Benachteiligung in erhöhtem Maße auf Unterstützung angewiesen sind. So legt etwa § 1 Abs. 3 Nr. 1 SGB VIII11 als ein Grundziel der Jugendhilfe fest, junge Menschen in ihrer individuellen und sozialen Entwicklung zu fördern und dazu beizutragen, Benachteiligungen zu vermeiden oder abzubauen. Ob die bestehenden Angebote zur Bildung und Teilhabe ausreichend sind und ob die Angebote zielführend sind und in Anspruch genommen werden, wird seit Einführung des Teilhabepakets immer wieder von Fachleuten diskutiert. Ende letzten Jahres stellten Familienministerin Dr. Franziska Giffey und Arbeits- und Sozialminister Hubertus Heil gemeinsam das geplante Starke-Familien-Gesetz (StaFamG) vor.12 Das Gesetz solle sich zur Aufgabe machen, zielgenauer Familien zu stärken, insbesondere im Hinblick auf den Anspruch von Kindern und Jugend auf Bildung und Teilhabe. Das Gesetz soll noch dieses Jahr im Juli in Kraft treten. 2. Aktuelle Erhebungen zu den Chancen von Kindern und Jugendlichen auf Teilnahme am sozialen und kulturellen Leben Tophoven, Silke/Lietzmann, Torsten/Reiter, Sabrina/u.a., Aufwachsen in Armutslagen, Zentrale Einflussfaktoren und Folgen für die soziale Teilhabe, Bertelsmann Stiftung, Juni 2018, abrufbar unter: http://www.familienbeirat-berlin.de/fileadmin/Publikationen/Studie _Aufwachsen_in_Armutslagen_2018_Bertelmannstudie.pdf, S. 18, S. 67 ff. Ergebnisse dieser Studie basieren auf Daten der Längsschnittstudie „Panel Arbeitsmarkt und soziale Sicherung“ (PASS), in der seit 2006 jährlich circa 15.000 Personen ab 15 Jahren zu ihrer materiellen und sozialen Lage befragt werden. Grundlage für die Betrachtung der Armutslagen ist die Analyse der Einkommenslage im Haushalt von insgesamt 3.180 7 § 19 SGB II, Arbeitslosengeld II, Sozialgeld und Leistungen für Bildung und Teilhabe, Stand: Neugefasst durch Bek. v. 13. Mai 2011 I 850, 2094; Zuletzt geändert durch Art. 20 G. v. 17. Juli 2017 I 2541. 8 § 34 SGB XII, Bedarfe für Bildung und Teilhabe, Stand: Zuletzt geändert durch Art. 2 G v. 10. Juli 2018 I 1117. 9 § 6b Bundeskindergeldgesetz, Leistungen für Bildung und Teilhabe, Stand: Neugefasst durch Bek. v. 28. Januar 2009 BGBl. I S. 142, 3177; zuletzt geändert durch Artikel 7 G. v. 29. November 2018 BGBl. I S. 2210. 10 § 3 Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG), Grundleistungen, Stand: Neugefasst durch Bek. v. 5. August 1997 BGBl. I S. 2022; zuletzt geändert durch Artikel 4 G. v. 17. Juli 2017 BGBl. I S. 2541. 11 § 1 SGB VIII, Recht auf Erziehung, Elternverantwortung, Jugendhilfe, Fassung vom 11. September 2012, gültig ab 1. Januar 2012. 12 Dr. Franziska Giffey, Das Starke-Familien-Gesetz, 9. November 2018, abrufbar unter: https://franziskagiffey .de/3112-2/. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 9 - 3000 - 107/18 Seite 6 Kindern zu fünf Befragungszeitpunkten. Nach den Ergebnissen der Studie der Bertelsmann Stiftung sind 75 Prozent der Kinder und Jugendlichen, die dauerhaft finanziell gesichert aufwachsen, in Vereinen aktiv – bei denjenigen in dauerhaften Armutslagen hingegen nur 37 Prozent. Diese Jugendlichen gäben doppelt so häufig wie abgesicherte Jugendliche an, in ihrer Freizeit nicht an ihrer Wunschaktivität teilnehmen zu können. Krüger, Thomas/Hofmann, Holger/Kamp, Uwe/u.a., Kinderreport Deutschland 2018, Rechte von Kindern in Deutschland, Deutsches Kinderhilfswerk e.V., abrufbar unter: https://www.dkhw.de/schwerpunkte/kinderrechte/kinderreport-2018/, S. 10 -23. Für den Kinderreport 2018 wurden im November und Dezember 2017 im Auftrag des Deutschen Kinderhilfswerkes vom Politikforschungsinstitut Kantar Public zwei Erhebungen durchgeführt. Befragt wurden 620 Kinder und Jugendliche im Alter zwischen zehn und 17 Jahren sowie 1.001 Erwachsene. Es wird unter anderem gefragt, wie die Kinderarmut in Deutschland bekämpft werden sollte. Den Ergebnissen nach fordert der Großteil der Erwachsenen eine umfassende Veränderung politischer Rahmenbedingungen. Gefordert werden beispielsweise Maßnahmen zur Förderung einkommensschwacher Familien und deren Kinder mit Lehrmittelfreiheit (94 Prozent) sowie kostenfreie Beteiligungsmöglichkeiten an Bildung, Kultur und Sport (87 Prozent). Ein Vergleich mit früheren Umfragen zeige, dass insbesondere bei der Erhöhung des Kindergeldes (plus zehn Prozent) und beim kostenlosen Zugang zu Kultur- und Freizeiteinrichtungen (plus sechs Prozent) deutliche Steigerungen zu verzeichnen seien. Auch Gutscheine für Bildung, Kultur, Sport und Freizeit würden deutlich mehr (plus fünf Prozent) gefordert. Aus Sicht der Kinder und Jugendlichen würden die Aktivitäten vom Staat zur Bekämpfung von Kinderarmut als unzureichend eingeschätzt. 3. Zum Bildungs- und Teilhabepaket Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales informiert auf seiner Internetseite über das Bildungs - und Teilhabepaket. BMAS, Die Leistungen des Bildungspakets, 7. September 2017, abrufbar unter: https://www.bmas.de/DE/Themen/Arbeitsmarkt/Grundsicherung/Leistungen-zur-Sicherung-des- Lebensunterhalts/Bildungspaket/leistungen-bildungspaket.html;jsessionid =5ECD88A6AF61985A9BCF7652128517D5. Seit dem 1. Januar 2011 stehen den Empfängern von Kinderzuschlag neben der Geldleistung von maximal 170 Euro sieben Leistungen zur Bildung und Teilhabe zu. Anspruch auf Bildungs- und Teilhabeleistungen des Bildungspakets nach dem SGB II besteht für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene, die Arbeitslosengeld II, Sozialgeld oder Sozialhilfe erhalten oder deren Eltern den Kinderzuschlag oder Wohngeld beziehen. Auch kann der Anspruch bestehen, wenn das Kind bzw. die Eltern zwar keine der genannten Sozialleistungen beziehen, jedoch die spezifischen Bildungs- und Teilhabebedarfe des Kindes nicht gedeckt werden können. Leistungen des Bildungspakets sind etwa Mehraufwendungen für Mittagessen in Kita, Schule oder Kindertagespflege oder etwa Kosten für ein- oder mehrtägige Ausflüge von Schulen etc. Auch sollen bedürftige Kinder bei Sport, Spiel und Kultur mitmachen können. Dafür steht monatlich ein Betrag von insgesamt zehn Euro zur Verfügung, z. B. für den Mitgliedsbeitrag von Sportvereinen oder Gebühren der Musikschule. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 9 - 3000 - 107/18 Seite 7 3.1. Beispiele für die Umsetzung in den Kommunen Stadt Nürnberg (Hrsg.), Das Bildungs- und Teilhabepaket in Nürnberg – Eine Akzeptanzstudie , Mai 2016, abrufbar unter: https://www.nuernberg.de/imperia/md/sozialamt/dokumente /teilhabe/akzeptanzstudiebut.pdf. Zur Umsetzung in Nürnberg wurde eine Art „Nürnberger Modell“ geschaffen. Seit Einführung des Bildungspakets nutzen nun zunehmend mehr Nürnberger Familien die Leistungen für Bildung und Teilhabe. Die Stadt hat eine zentrale Anlaufstelle für die Bildungsund Teilhabeleistungen eingerichtet und das damals neue Paket mit dem bereits bestehenden Nürnberg Pass, der Vergünstigungen für bedürftige Bürger und Bürgerinnen13 vorsah, kombiniert. Zur Umsetzung wurde in Nürnberg ein Dienstleistungszentrum „Bildung und Teilhabe“ aufgebaut. Die Antragstellung sollte möglichst einfach und unbürokratisch sein: durch einfaches Ankreuzen können alle möglichen Leistungen beantragt werden. Die Abrechnung erfolgt ebenfalls direkt mit den Leistungsanbietern. Die Stadt Nürnberg bemüht sich durch Kooperation, übersichtliche Anträge und vielfältige Informationen auf die Nutzung der Leistungen hinzuwirken. In Nürnberg ist die Inanspruchnahme der Leistungen aus dem Teilhabepaket mit etwa 80 Prozent sehr hoch. Landeshauptstadt Dresden, Geschäftsbereich Arbeit, Soziales, Gesundheit und Wohnen, Dienstanweisung für die Erbringung der Leistungen für Bildung und Teilhabe, 11. Auflage , 12. September 2018, abrufbar unter: http://www.dresden.de/media/pdf/sozialamt /Dienstanweisung_fuer_die_Erbringung_der_Leistungen_fuer_Bildung_und_Teilhabe .pdf. Das Beispiel der Dienstanweisung für die Beschäftigten in der Stadt Dresden zeigt, wie das Ziel einer bedarfsgerechten, effektiven, effizienten und zügigen Gewährung der Leistungen für Bildung und Teilhabe in Dresden sichergestellt werden soll. Sie gilt für das Sozialamt . Für das Jobcenter gilt sie nur, soweit es den Schulbedarf nach § 28 Abs. 3 SGB II betrifft. Die Umsetzung des Teilhabepakets wird vom Sozialamt koordiniert. Das Sozialamt gibt Antragsformulare und erforderliche Zusatzblätter für die Leistungen aus, prüft die Anträge auf Leistungen und rechnet mit Leistungsanbietern ab. Anlassbezogen beraten der Geschäftsbereich Arbeit, Soziales, Gesundheit und Wohnen und das Sozialamt zum Stand der Umsetzung mit dem Ziel diese zu analysieren, zu bewerten sowie Lösungen im Falle von Umsetzungsschwierigkeiten zu finden. 13 Aus Gründen der Lesbarkeit wird hier und im nachfolgenden Text die männliche Form gewählt, nichtsdestoweniger beziehen sich die Angaben auf Angehörige beider Geschlechter. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 9 - 3000 - 107/18 Seite 8 3.2. Evaluation Soziologisches Forschungsinstitut Göttingen (SOFI) e.V./ u.a., Evaluation der bundesweiten Inanspruchnahme und Umsetzung der Leistungen für Bildung und Teilhabe, Schlussbericht, Göttingen , Nürnberg, Mai 2016, abrufbar unter: https://www.bmas.de/DE/Presse/Meldungen /2016/endbericht-zur-evaluation-des-bildungspaketes.html. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales hat 2013 ein umfassendes Forschungsvorhaben zur Evaluation der bundesweiten Inanspruchnahme und Umsetzung der Leistungen des Teilhabepakets in Auftrag gegeben. Untersucht wurde, wie das Paket vor Ort in der kommunalen Praxis umgesetzt wird, welche Zusammenhänge und Faktoren die Inanspruchnahme der Leistungen des Teilhabepakets beeinflussen und inwieweit die Leistungen bei den Leistungsberechtigten ankommen . Grundsätzlich gilt: Je einfacher die Antragstellung und Abrechnung für die Leistungsberechtigten , desto wahrscheinlicher ist es, dass Leistungsberechtigte ihren Anspruch auf die Leistungen geltend machen. Insgesamt zeige sich bei den Leistungsberechtigten ein positives Bild bei der Bewertung des Teilhabepakets; etwa 85 Prozent der Befragten sähen die zusätzlichen Leistungen als eine gute Unterstützung (S. 77). Demnach lohne sich auch der Aufwand, diese Leistungen zu beantragen. Eine hohe Zustimmung zum Bildungspaket finde sich auch bei den Anbietern, Schulen und Kitaverwaltungen. Auch die Kenntnis(-quote) über das Bildungspaket, die Grundvoraussetzung für eine Inanspruchnahme ist, sei bei den Leistungsberechtigten in den letzten Jahren gestiegen (S. 50 ff.). Die Evaluation zeige zudem eine hohe gesellschaftliche Akzeptanz für eine zweckgebundene Form der Bedarfsdeckung (S. 243). 3.3. Stellungnahmen zum Bildungspaket Das Bildungs- und Teilhabepaket ist in seiner Wirkung und Umsetzung umstritten.14 Kritisiert wird unter anderem der hohe bürokratische Aufwand, der fehlende individuelle Rechtsanspruch auf die Deckung kindsspezifischer Bedarfe und dass Leistungen nur einzelfallbezogen bewilligt würden. Paritätischer Wohlfahrtsverband Empirische Befunde zum Bildungs- und Teilhabepaket: Teilhabequoten im Fokus, Kurzexpertise Nr. 4/2018, Berlin, 18. September 2018, abrufbar unter: http://infothek.paritaet.org/pid/fachinfos .nsf/0/762fe53103a0226ec125830c0022e66b/$FILE/Paritaet.%20Expertise_4_2018_Bildungs -%20und%20Teilhabepaket.pdf. Den Anspruch, die Integration armer Kinder und Jugendlicher in die Gemeinschaft zu fördern und mehr Chancengerechtigkeit herzustellen, erfüllt das Teilhabepaket nach Auffassung des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes nicht. Das Teilhabepaket habe seine Adressaten von Anfang an deutlich seltener als erhofft erreicht. Die ursprünglich geplanten Ausgaben in Höhe von 626 Millionen Euro für Leistungen und weiteren 136 Millionen Euro 14 Vgl. hierzu: Deutscher Bundestag, Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Matthias Seestern-Pauly, Jens Beeck, Grigorios Aggelidis, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP – Drucksache 19/1806 – Inanspruchnahme, Umsetzung und zukünftige Ausgestaltung des Bildungs- und Teilhabepaketes , 23. Mai 2018, abrufbar unter: http://dipbt.bundestag.de/doc/btd/19/022/1902268.pdf. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 9 - 3000 - 107/18 Seite 9 für Verwaltungsausgaben wurden nicht erreicht. Auch die Leistungen sind laut der Stellungnahme nicht ausreichend. Vor allem im Bereich sportlicher Aktivitäten liege die Beteiligungsquote bei Kindern aus Familien mit geringem Einkommen deutlich unter der Beteiligungsquote von Kindern aus gesicherten finanziellen Verhältnissen (S. 19 f.). Der Paritätische fordert, statt auf „kleinteilige Maßnahmenpakete“ zu setzen, einen Rechtsanspruch auf Angebote der Kinder- und Jugendarbeit im Rahmen des SGB VIII. Es gehe darum , eine Infrastruktur für alle Kinder und Jugendlichen zu ermöglichen, die sie in ihrer Entwicklung fördert. Darüber hinaus fordert der Paritätische die Einführung einer bedarfsdeckenden , einkommensorientierten Kindergrundsicherung außerhalb des SGB II (S. 21). Geiger, Andreas, Das Bildungs- und Teilhabepaket – Probleme und Kritik aus Betroffenensicht , Armutsnetzwerk, abrufbar unter: http://www.armutsnetzwerk.de/netzwerk- 2014/home/bildung Eine Leistung des Teilhabepakets sei unter anderem der Pauschalbetrag in Höhe von zehn Euro im Monat für Mitgliedsbeiträge in den Bereichen Sport, Kultur und Geselligkeit. Für diesen niedrigen Betrag hätten Betroffene einen hohen bürokratischen Aufwand. Ein individueller Rechtsanspruch auf eine umfassende Deckung kinderspezifischer Bedarfe leite sich daraus nicht ab, zudem würden die Bedarfe nicht bei allen Kindern gedeckt (vgl. z.B. Erreichbarkeit und Vielfalt der Angebote im ländlichen Raum). Sinnvoller als das komplizierte Instrument der Förderungen nach dem SGB II wären entsprechende Förderangebote an Schulen, die alle Schülerinnen und Schüler je nach individueller Problemlage erreichen und diskriminierungsfrei ausgestaltet werden könnten. Landesarbeitsgemeinschaft Jugendsozialarbeit Bayern, Stellungnahme der LAG Jugendsozialarbeit Bayern zum „Bildungspaket“: Bildung und Teilhabe für Kinder und Jugendliche , abrufbar unter: http://www.jugendsozialarbeit.de/media/raw/Stellungnahme_der_LAG_JSA_Bayern _zum_Bildungpaket_end.pdf Die LAG Jugendsozialarbeit Bayern lehnt die vorgelegten Pläne der Bundesregierung in der vorgelegten Form ab. Es wird befürchtet, dass durch den Aufbau zusätzlicher bürokratischer Strukturen und die nicht praktikablen Ausführungsvorschläge keine entscheidende Verbesserung der Bildungs- und Teilhabechancen für junge Menschen erfolge. So reiche es etwa zu einer Förderung der Teilhabe nicht aus, Leistungen zu bewilligen, die nur einzelfallfallbezogen und nur als Gutschein bzw. durch ein Guthaben genutzt werden können. Vielmehr müssten laut der Stellungnahme vor Ort in den Kommunen die nötigen Strukturen überhaupt existieren, Einrichtungen und Angebote aufgebaut und Dienste zur Verfügung gestellt werden. Institut der deutschen Wirtschaft Köln, INSM-Bildungsmonitor 2018, Teilhabe, Wohlstand und Digitalisierung, Studie im Auftrag der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM), Köln, 15. August 2018, abrufbar unter: https://www.iwkoeln.de/fileadmin/user _upload/Studien/Gutachten/PDF/2018/IW_Gutachten_Bildungsmonitor_2018.pdf Der Bildungsmonitor misst, in welchen Handlungsfeldern der Bildungspolitik Fortschritte erzielt werden konnten. Im Fokus stehe unter anderem, welchen Beitrag das Bildungssys- Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 9 - 3000 - 107/18 Seite 10 tem leistet, um Teilhabe zu gewährleisten. Nach der Studie ist es erforderlich, die Bildungsarmut in Deutschland zu reduzieren, um Teilhabe zu sichern. Bildungsinvestitionen wirkten sich für jeden Einzelnen positiv auf Beschäftigungsperspektiven, späteres Einkommen und auch auf nicht-monetäre Faktoren wie politische, kulturelle und soziale Teilhabe aus (S. 12). Um eine bessere soziale Teilhabe am Bildungssystem zu erreichen, sei es wichtig, eine ausgebaute Förderinfrastruktur zur individuellen Förderung der Kinder aufzubauen (S. 165). Apel, Peter/Bonin, Holger/Holz, Gerda/u.a., Wirksame Wege zur Verbesserung der Teilhabe - und Verwirklichungschancen von Kindern aus Familien in prekären Lebenslagen, Heinrich-Böll-Stiftung, Deutsches Kinderhilfswerk, Berlin, Mai 2017, abrufbar unter: https://www.boell.de/sites/default/files/20170515_wirksame_wege_zur_teilhabe _1.pdf?dimension1=division_sp. Auch die Studie der Heinrich Böll Stiftung und des Deutschen Kinderhilfswerkes zeigt, dass Kinder einkommensschwacher Familien nicht in gleichem Maße am gesellschaftlichen Leben teilhaben können (S. 5). So seien sie beispielsweise deutlich seltener Mitglied in Vereinen (S. 19). Die Regelungen des Teilhabepakets erfüllten ihren Anspruch, Bildung und soziale Teilhabe von Kindern im Sozialleistungsbezug sicherzustellen, nur unzureichend . Die Vorschriften verliehen keinen individuellen Rechtsanspruch auf umfassende Deckung kindsspezifischer Bedarfe. So könnten Kinder nur von Mehraufwendungen für das Mittagessen profitieren, wenn ihre Schule ein solches Angebot überhaupt habe. Zudem werde zum Beispiel zwar der Zuschuss in Höhe von zehn Euro monatlich gewährt, jedoch unabhängig davon, wie hoch die Kosten sind, um den Bedarf im Einzelfall zu decken (S. 57 ff.). Um bundesweit gleiche Lebenschancen von Kindern und Jugendlichen herzustellen, mahnt die Studie föderale Reformen für eine bessere Teilhabe von Kindern in Deutschland an. Empfohlen wird ein Bundeskinderteilhabegesetz, mit dem Kindern und Jugendlichen aus Familien in prekären Lebenslagen ein Rechtsanspruch auf besondere Förderung und Teilhabe garantiert werden soll. Bundesverband Deutscher Stiftungen (Hrsg.), Studie „Stiftungen und Teilhabe von Kindern und Jugendlichen“, Informationen und wesentliche Ergebnisse, Berlin Januar 2012, abrufbar unter: https://www.stiftungen.org/fileadmin/bvds/de/Publikationen/Teilhabe _Studie/Teilhabe_online.pdf. Anlass der Studie ist die mitunter negative Resonanz auf das Teilhabepaket: Es sei zu kompliziert und bürokratisch. Die Studie geht insbesondere der Frage nach, ob Staat und Stiftungen nicht stärker zusammenarbeiten müssen, um Kindern und Jugendlichen bessere Lebens- und Entwicklungschancen zu bieten. Die Studie wurde bei 558 Stiftungen durch Online-Umfragen durchgeführt. Wesentliche Ergebnisse sind etwa, dass die Stiftungen sich nicht ausreichend von staatlicher Seite über eine mögliche aktive Beteiligung an der Umsetzungen des Teilhabepakets informiert fühlten. Die Stiftungen forderten mehr Kooperation mit dem Staat, da es gerade im Bereich Teilhabe von Kindern und Jugendlichen erforderlich sei staatliche und zivilgesellschaftliche Angebote besser zu verknüpfen. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 9 - 3000 - 107/18 Seite 11 4. Zum geplanten Starke-Familien-Gesetz Am 9. Januar 2019 hat die Bundesregierung den Entwurf des sog. „Starke-Familien-Gesetzes“ (StaFamG) zur zielgenauen Stärkung von Familien und ihren Kindern beschlossen. Das StaFamG soll faire Chancen auf gesellschaftliche Teilhabe für Kinder aus Familien mit kleinen Einkommen stärken. Der Kinderzuschlag für einkommensschwache Familien wird neu gestaltet und die Bildungs - und Teilhabeleistungen für Kinder und Jugendliche soll verbessert werden. Der Entwurf sieht hinsichtlich des Kinderzuschlags in einer ersten Stufe zum Juli 2019 die Anhebung des Höchstbetrags und dessen Kopplung an das sächliche Existenzminimum sowie eine veränderte Anrechnung von Kindeseinkommen vor. Hinsichtlich der Bildungs- und Teilhabeleistungen sind die Erhöhung des Betrages für den persönlichen Schulbedarf, die Abschaffung der Eigenanteile für das gemeinschaftliche Mittagessen und die Schülerbeförderung sowie die Klarstellung vorgesehen , dass die Lernförderung nicht von einer Versetzungsgefährdung abhängt. Kinder sollen unabhängig vom Elternhaus die gleichen Chancen auf gesellschaftliche Teilhabe erhalten.15 Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege (BAGFW), Stellungnahme der Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege (BAGFW) zum Referentenentwurf des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend und des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales zum Entwurf eines Gesetzes zur zielgenauen Stärkung von Familien und ihren Kindern durch die Neugestaltung des Kinderzuschlags und die Verbesserung der Leistungen für Bildung und Teilhabe (Starke-Familien-Gesetz – StaFamG), 28. November 2018, abrufbar unter: https://www.bagfw.de/suche/detailansicht-tt-news/article /stellungnahme-der-bagfw-zum-referentenentwurf-des-bmfsfj-und-des-bmas-zum-entwurf -eines-starke-famil/index.php?eID=tx_nawsecuredl &u=0&g=0&t=1547207657&hash=3f762fbdb973239b49faf49db92f952be4b195d9&f ile=/uploads/media/2018-11-27_BAGFW-Stellungnahme_StaFam_final.pdf. Nach Ansicht der Verbände der Freien Wohlfahrtspflege müssen zielgenaue umfassende Lösungen zur Bekämpfung von Kinderarmut gefunden werden, um die Lebenssituation von Familien unbürokratisch, effektiv und nachhaltig zu verbessern. Um dieses Ziel zu erreichen, fordern sie eine Bündelung zentraler monetärer Leistungen zu einer existenzsichernden Grundsicherung für Kinder. Grundsätzlich erachten sie den Referentenentwurf und die geplante Neugestaltung des Kinderzuschlags als positiv. Auch begrüßt die BAGFW, dass durch das vorliegende Gesetz das Teilhabepaket deutlich verbessert werden soll. Die geplanten Neuregelungen gehen jedoch nach Ansicht der BAGFW noch nicht weit genug. Der Bekanntheitsgrad im Kreis der Anspruchsberechtigten müsse erheblich erhöht werden. Auch fordert die BAGFW die Anhebung der Teilhabeleistungen, die ihrer Auffassung nach zu niedrig bemessen sind und nicht in einem abschließenden Katalog geregelt sein sollten. 15 Vgl. BMFSFJ, Starke-Familien-Gesetz, 9. Januar 2019, abrufbar unter: https://www.bmfsfj.de/bmfsfj/service/gesetze /starke-familien-gesetz/131178; Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge e. V., Stellungnahme zum Entwurf des StaFamG vom 14. November 2018, 27. November 2018, abrufbar unter: https://www.deutscher -verein.de/de/uploads/empfehlungen-stellungnahmen/2018/dv-27-18_starke-familien-gesetz.pdf, S. 3. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 9 - 3000 - 107/18 Seite 12 Sozialverband Deutschland (SoVD), Stellungnahme des SoVD zum Referentenentwurf des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend und des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales, Entwurf eines Gesetzes zur zielgenauen Stärkung von Familien und ihren Kindern durch die Neugestaltung des Kinderzuschlags und die Verbesserung der Leistungen für Bildung und Teilhabe (Starke-Familien-Gesetz - StaFamG), vom 27. November 2018, abrufbar unter: https://www.sovd-hh.de/fileadmin/download/stellungnahme /Sozialstaat/20181127_Starke_Familien_Gesetz.pdf. Der SoVD begrüßt ausdrücklich das Ziel der Bundesregierung, Kinderarmut mit zielgenauen Maßnahmen bekämpfen zu wollen. Die vorgesehenen Maßnahmen sind nach Auffassung des SoVD zwar Schritte in die richtige Richtung, blieben teilweise aber hinter dem Notwendigen zurück. Bezogen auf die Leistungen für Bildung und Teilhabe fordert der SoVD, sämtliche Leistungen des Teilhabepakets als Geldleistung zu gewähren, da die Gutscheinregelung sich als bürokratisch sehr aufwändig gestalte. Auch fordere die Bekämpfung von Kinderarmut laut SoVD nicht nur materielle Unterstützung. Eine darüberhinausgehende nachhaltige Förderung von Kindern durch entsprechende Infrastruktur und Bildungsförderung sowie soziale Unterstützungsleistungen für die gesamte Familie seien weitere Maßnahmen, mit denen dem Problem Kinderarmut zu begegnen sei. Evangelische Arbeitsgemeinschaft Familie, Entwurf eines Gesetzes zur zielgenauen Stärkung von Familien und ihren Kindern durch die Neugestaltung des Kinderzuschlags und die Verbesserung der Leistungen für Bildung und Teilhabe – Referentenentwurf, Stellunghame , 27. November 2018, abrufbar unter: https://www.eaf-bund.de/gallery /news/news_230/181127_stn_stafamg.pdf. Die Evangelische Arbeitsgemeinschaft Familie (eaf) begrüßt, dass die Bundesregierung mit dem StaFamG mehr Familien erreichen will, die finanziell an der Armutsgrenze leben. Insbesondere die neue Ausgestaltung bei der Gewährung von einzelnen Leistungen der Bildung und Teilhabe wertet die eaf als positiv. Auch die Intention des Gesetzentwurfs, Verwaltungsabläufe zu vereinfachen begrüßt die eaf. Das Erfordernis einer jeweils gesonderten Antragsstellung sei jedoch nach wie vor ein hohes Hindernis. Problematisch sei auch, dass trotz der geplanten Verbesserungen die Bundesregierung laut Begründung zum Gesetzentwurf davon ausgeht, dass nur ca. 35 Prozent der Berechtigten den Kinderzuschlag tatsächlich in Anspruch nehmen würden16; gegenwärtig betrage die Inanspruchnahme etwa 30 Prozent, es handele sich also nur um eine erwartete Steigerung von fünf Prozent. Etwa Zweidrittel der potentiell Berechtigten werden also voraussichtlich weiterhin nicht erreicht. Die eaf setzt sich für die Erhöhung des Kindergeldes ein. Dadurch würden besonders Familien in prekären Einkommenssituationen unterstützt. Volkssolidarität Bundesverband e. V., Stellungnahme zum: Referentenentwurf eines Gesetzes zur zielgenauen Stärkung von Familien und ihren Kindern durch die Neugestaltung 16 Vgl.: BMFSFJ, Gesetzentwurf der Bundesregierung Entwurf eines Gesetzes zur zielgenauen Stärkung von Familien und ihren Kindern durch die Neugestaltung des Kinderzuschlags und die Verbesserung der Leistungen für Bildung und Teilhabe (Starke-Familien-Gesetz – StaFamG), 07. Januar 2019, abrufbar unter: https://www.bmas.de/SharedDocs/Downloads/DE/PDF-Gesetze/starke-familien-gesetz.pdf?__blob=publication- File&v=1. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 9 - 3000 - 107/18 Seite 13 des Kinderzuschlags und die Verbesserungen der Leistungen für Bildung und Teilhabe (Starke-Familien-Gesetz – StaFamG), 26. November 2018, abrufbar unter: https://www.volkssolidaritaet.de/fileadmin/content/bundesverband/Text-Dateien /2018_pdf-Dateien/Volkssolidaritaet_Stellungnahme_Starke-Familien-Gesetz.pdf. Den vorliegenden Referentenentwurf erkennt der Verband zwar als Initiative der Bundesregierung an, der prekären Situation einkommensschwacher Familien Rechnung zu tragen . So lang jedoch die Einzelleistungen weiterhin von komplizierten Antragsverfahren und Einkommensnachweisen abhängig gemacht würden, sähen sie das Ziel einer gesicherten gesellschaftlichen Teilhabe von Kindern und Jugendlichen in Armutslagen als nicht erreicht an. Der Verband fordert eine Zusammenlegung der wichtigsten staatlichen Leistungen für Familien, um die gesellschaftliche Teilhabe von Kindern sicher gewährleisten zu können. Auch plädieren sie für die Einführung einer gestuften Kindergrundsicherung . Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge e. V., Stellungnahme der Geschäftsstelle des Deutschen Vereins zum Entwurf eines Gesetzes zur zielgenauen Stärkung von Familien und ihren Kindern durch die Neugestaltung des Kinderzuschlags und die Verbesserung der Leistungen für Bildung und Teilhabe (Starke- Familien-Gesetz – StaFamG) vom 14. November 2018, 27. November 2018, abrufbar unter: https://www.deutscher-verein.de/de/uploads/empfehlungen-stellungnahmen/2018/dv-27- 18_starke-familien-gesetz.pdf. Das Ziel des Gesetzentwurfs, einkommensschwache Familien zielgerichteter und bedarfsgerechter zu unterstützen und sicherzustellen, dass der Erwerb zusätzlichen Einkommens nicht zu einer finanziellen Schlechterstellung des Familienhaushalts führt, begrüßt der Verein ausdrücklich. Ebenso begrüßt er die beabsichtigte Vereinfachung von Beantragung und Vollzug der Leistungen. Die Stellungnahme weist jedoch auch darauf hin, dass, auch wenn mit dem vorliegenden Entwurf wichtige Schritte für die zielgenauere Unterstützung in Angriff genommen würden, konkret die Regelungen zum Kinderzuschlag nach wie vor kompliziert sowie für die Inanspruchnahme der Leistungen nach dem Bildungs- und Teilhabepaket gesonderte Antragsverfahren notwendig seien. Dies unterstreicht die Forderung des Deutschen Vereins nach einem konsistenten Gesamtkonzept zur Unterstützung von Familien und Kindern. ***