WD 9 - 3000 - 106/18 (8. Januar 2019) © 2019 Deutscher Bundestag Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Arzneimittel und Medizinprodukte können bei Mangelhaftigkeit oder unsachgemäßer Anwendung zu empfindlichen Folgen für die Anwender führen. Besonders den werbenden, das Produkt anpreisenden Informationen wohnt die Gefahr inne, die Adressaten zu einer unsachgemäßen Anwendung oder Handhabung zu verleiten. Rechtsgrundlagen, die die Werbung für Arzneimittel und Medizinprodukte sowie die entsprechende Haftung regeln, finden sich in Deutschland in unterschiedlichen Gesetzen. Die Haftung kann sich aus speziellen Rechtsgrundlagen für die Herstellung oder den Vertrieb von Arzneimitteln oder Medizinprodukten ergeben. Hersteller von Medizinprodukten haften gemäß den §§ 1 Abs. 1, 3 Abs. 1 lit. a) und b) Produkthaftungsgesetz (ProdHaftG)1 für Schäden, die sich aus Fehlern ihrer Produkte ergeben. Zu diesen Fehlern gehören auch Erwartungen an eine tatsächlich nicht bestehende Sicherheit eines Produktes, die durch die Darbietung des Produktes oder andere, dem Hersteller zurechenbare Umstände geweckt werden. Hersteller von Medizinprodukten haften daher für Schäden aus eigenen Werbemaßnahmen mit fehlerhaften Informationen zur Produktsicherheit. Pharmazeutische Unternehmer, die Arzneimittel im Geltungsbereich des Arzneimittelgesetzes (AMG)2 in den Verkehr bringen, haften gemäß § 84 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AMG für Schäden durch diese Arzneimittel, die auf fehlerhafter Kennzeichnung, Fachinformation oder Gebrauchsinformation beruhen. Zur Vermeidung solcher Schäden verbieten die §§ 10 f. AMG die Werbung auf der Verpackung oder dem Beipackzettel von Arzneimitteln.3 1 Gesetz über die Haftung für fehlerhafte Produkte (Produkthaftungsgesetz - ProdHaftG) vom 15. Dezember 1989 (BGBl. I S. 2198), zuletzt geändert durch Artikel 5 des Gesetzes vom 17. Juli 2017 (BGBl. I S. 2421). 2 Gesetz über den Verkehr mit Arzneimitteln (Arzneimittelgesetz - AMG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 12. Dezember 2005 (BGBl. I S. 3394), zuletzt geändert durch Artikel 1 des Gesetzes vom 18. Juli 2017 (BGBl. I S. 2757). 3 Heßhaus, in: Spickhoff (Hrsg.), Medizinrecht, 3. Auflage, München 2018, AMG § 10 Rn. 7 und AMG § 11 Rn. 3. Ein Verstoß gegen dieses Werbeverbot kann mit Unterlassungs-, Beseitigungs- und Schadensersatzansprüchen aus dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) verfolgt werden, vgl. Bundesgerichtshof, Urteil vom 13. Dezember 2012 – I ZR 161/11, GRUR 2013, S. 857. Wissenschaftliche Dienste Kurzinformation Zur Haftung bei Rechtsverstößen durch Werbung für Arzneimittel und Medizinprodukte Kurzinformation Zur Haftung bei Rechtsverstößen durch Werbung für Arzneimittel und Medizinprodukte Fachbereich WD 9 (Gesundheit, Familie, Senioren, Frauen und Jugend) Wissenschaftliche Dienste Seite 2 Die Haftung kann sich auch aus dem Heilmittelwerbegesetz (HWG)4 ergeben, das Anforderungen und Grenzen der Werbung für Arzneimittel und Medizinprodukte regelt. Es verbietet unter anderem irreführende Werbung sowie Angaben zum Anwendungsbereich von Arzneimitteln und zur Behandlung von Krankheiten außerhalb der ärztlichen Fachkreise, die Patienten zur Selbstbehandlung veranlassen könnten.5 Verstöße gegen diese Regelungen können nach den §§ 14 und 15 HWG durch den Staat mit Freiheitsstrafe, Geldstrafe und Geldbuße geahndet werden. Sie können zudem nach §§ 8 und 9 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG)6 Unterlassungs-, Beseitigungs- und Schadensersatzansprüche von privaten Konkurrenten und den Wettbewerb überwachenden Verbänden nach sich ziehen. Schließlich kann sich die Haftung aus allgemeinen Rechtsgrundlagen ergeben. Denkbar sind hier, etwa bei Werbung für gesundheitsschädliche Anwendungen, die Strafbarkeit wegen Körperverletzung aus § 223 Abs. 1 Strafgesetzbuch (StGB)7 und Schadensersatzansprüche der Verletzten aus § 823 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)8. Stellt die Werbung eine unlautere geschäftliche Handlung dar und verfälscht sie den Wettbewerb, können Ansprüche aus dem UWG bestehen. Den Regelungen im StGB, BGB, UWG und HWG ist gemein, dass sie sich nicht an ausdrücklich benannte Adressaten richten, wie etwa an die Auftraggeber oder die Werbegestalter. Jeder, der an einer Werbung beteiligt ist, die gegen ein Gesetz verstößt, kann haften. Dazu gehört jede natürliche oder juristische Person, in deren Auftrag geworben wird, die die konkrete Werbung erstellt, dazu berät oder die Werbung anschließend in der Öffentlichkeit verbreitet.9 Wer für einen Verstoß im Einzelfall tatsächlich haftet, lässt sich nur nach den konkreten Mitwirkungshandlungen beurteilen. Im Einzelfall folgt die Haftung auf eine Handlung, die zu dem konkreten Gesetzesverstoß führt, z. B. das Einfügen rechtswidriger Inhalte in die Werbung. 4 Gesetz über die Werbung auf dem Gebiete des Heilwesens (Heilmittelwerbegesetz - HWG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 19. Oktober 1994 (BGBl. I S. 3068), zuletzt geändert durch Artikel 12 des Gesetzes vom 20. Dezember 2016 (BGBl. I S. 3048). 5 Siehe dazu den Entwurf der Bundesregierung eines Gesetzes über die Werbung auf dem Gebiete des Heilwesens vom 24. Januar 1964 (BT-Drs. IV/1867), S. 5. 6 Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 3. März 2010 (BGBl. I S. 254), zuletzt geändert durch Artikel 4 des Gesetzes vom 17. Februar 2016 (BGBl. I S. 233). 7 Strafgesetzbuch (StGB) in der Fassung der Bekanntmachung vom 13. November 1998 (BGBl. I S. 3322), zuletzt geändert durch Artikel 1 des Gesetzes vom 30. Oktober 2017 (BGBl. I S. 3618). 8 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. Januar 2002 (BGBl. I S. 42, 2909; 2003 I S. 738), zuletzt geändert durch Artikel 6 des Gesetzes vom 12. Juli 2018 (BGBl. I S. 1151). 9 Vgl. Zimmermann, Heilmittelwerbegesetz, 1. Auflage, München 2012, HWG § 1 Rn. 13; Pelchen/Anders, in: Erbs/Kohlhaas (Hrsg.), Strafrechtliche Nebengesetze, 220. Ergänzungslieferung, München 2018, HWG § 1 Rn. 4; Fritzsche, in: Spickhoff, Medizinrecht, 3. Auflage, München 2018, HWG § 1 Rn. 5; Sosnitza, in: Zipfel/Rathke (Hrsg.), Lebensmittelrecht, 171. Ergänzungslieferung, München 2018, HWG § 1 Rn. 33. Kurzinformation Zur Haftung bei Rechtsverstößen durch Werbung für Arzneimittel und Medizinprodukte Fachbereich WD 9 (Gesundheit, Familie, Senioren, Frauen und Jugend) Wissenschaftliche Dienste Seite 3 Daneben bestehen bei der Teilnahme an einer Werbeaktion auch Sorgfaltspflichten, deren Verletzung eine Haftung begründen kann. Es kommen insbesondere Prüfungs-, Überwachungs- und Eingreifpflichten in Betracht, deren Umfang im Einzelfall abgewogen werden muss.10 Darüber hinaus verlangen einzelne Rechtsgrundlagen ein Verschulden des Haftenden, also vorsätzliches oder fahrlässiges Handeln beziehungsweise Unterlassen. Für Redakteure, Verleger und andere presserechtlich verantwortliche Personen gelten außerdem die Pressegesetze der Bundesländer. Diese sehen zum Teil eigene Straftatbestände vor.11 Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes obliegt den presserechtlich Verantwortlichen die Pflicht, die Werbeanzeigen vor der Veröffentlichung auf ihre Rechtmäßigkeit hin zu prüfen. Um die tägliche Arbeit der Presseunternehmen nicht zu behindern, haften die Verantwortlichen jedoch nur für grobe, unschwer zu erkennende Verstöße.12 *** 10 Brandenburgisches Oberlandesgericht, Urteil vom 28. April 2015 – 6 U 6/14 –, juris, Rn. 114 und 118. 11 Sosnitza, in: Zipfel/Rathke (Hrsg.), Lebensmittelrecht, 171. Ergänzungslieferung, München 2018, HWG § 14 Rn. 6. 12 Bundesgerichtshof, Urteil vom 9. November 2000 - I ZR 167/98, NJW-RR 2001, S. 1406-1408; Bundesgerichtshof , Urteil vom 20. Juni 1972 - VI ZR 26/71, NJW 1972, S. 1658-1659.