© 2018 Deutscher Bundestag WD 9 - 3000 - 102/18 Ständige Impfkommission und Sächsische Impfkommission Unterschiede in den Impfempfehlungen Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 - 102/18 Seite 2 Ständige Impfkommission und Sächsische Impfkommission Unterschiede in den Impfempfehlungen Aktenzeichen: WD 9 - 3000 - 102/18 Abschluss der Arbeit: 19. Dezember 2018 Fachbereich: WD 9: Gesundheit, Familie, Senioren, Frauen und Jugend Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 - 102/18 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Impfkommissionen in Deutschland und ihre Zuständigkeiten 5 2.1. Ständige Impfkommission 5 2.2. Sächsische Impfkommission 6 3. Unterschiede in den Impfempfehlungen 7 3.1. Impfung gegen Humane Papillomaviren 8 3.2. Impfung gegen Influenza 9 3.3. Impfung gegen Herpes zoster 12 3.4. Impfung gegen Meningokokken B 13 3.5. Impfung gegen Hepatitis A 14 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 - 102/18 Seite 4 1. Einleitung Ziel von Schutzimpfungen ist es, Infektionskrankheiten vorzubeugen, bei denen schwere Komplikationen wie zum Beispiel Hirnhautentzündung, Muskelschwächen, Lähmungen und Unfruchtbarkeit auftreten oder die im schlimmsten Fall sogar tödlich verlaufen können.1 Bei hohen Impfraten ist es zudem möglich, Krankheiten einzudämmen bzw. diejenigen zu schützen, die nicht geimpft werden können, zum Beispiel Säuglinge oder immungeschwächte Menschen (Herdenimmunität ).2 Auch die Politik hat sich die Förderung des Impfwesens in den vergangenen Jahren regelmäßig zur Aufgabe gemacht. So beschloss die Gesundheitsministerkonferenz der Länder , um den Impfschutz der Bevölkerung zu verbessern, die Erstellung eines Nationalen Impfplans (NIP) sowie die Einrichtung einer Nationalen Lenkungsgruppe Impfen (NaLi), die im Jahr 2016 gegründet wurde.3 Aktuelle Impfempfehlungen gibt regelmäßig die Ständige Impfkommission (STIKO) beim Robert Koch-Institut (RKI) heraus. Impfempfehlungen veröffentlicht im Übrigen auch die Sächsische Impfkommission (SIKO). Bei der SIKO handelt es sich um die bundesweit einzige auf Landesebene angesiedelte Impfkommission. Der vorliegende Sachstand geht zunächst auf die beiden Impfkommissionen, ihre Grundlagen sowie Aufgaben insbesondere auch im Zusammenspiel mit den obersten Landesgesundheitsbehörden ein. Anschließend werden Unterschiede in den Impfempfehlungen der STIKO und der SIKO beispielhaft herausgearbeitet. 1 Bayerisches Staatsministerium für Gesundheit und Pflege, Impfen: Eine wirkungsvolle Vorsorgemaßnahme, abrufbar unter: https://www.stmgp.bayern.de/vorsorge/impfen/. Dieser Link sowie alle weiteren Links wurden zuletzt am 19. Dezember 2018 abgerufen. 2 Heininger, Ulrich, Risiken von Infektionskrankheiten und der Nutzen von Impfungen in: Bundesgesundheitsblatt 2004, 47, S. 1129, abrufbar unter: https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/Impfen/Bedeutung/Downloads /2004_Heininger.pdf?__blob=publicationFile und Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, Impfschutz für die ganze Familie, abrufbar unter: https://www.impfen-info.de/wissenswertes/20-fragen-und-antworten -zum-impfen/. 3 Nationaler Impfplan, Impfwesen in Deutschland – Bestandsaufnahme und Handlungsbedarf, Stand: 1. Januar 2012, abrufbar unter: http://nationale-impfkonferenz.de/wp-content/uploads/sites/10/2014/10/Nationaler-Impfplan .pdf; zur Nationalen Lenkungsgruppe Impfen vgl. Bayerisches Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit , Was macht die Nationale Lenkungsgruppe Impfen?, abrufbar unter: https://www.lgl.bayern.de/gesundheit /praevention/impfen/nip_geschaeftsstelle/index.htm#abschnitt_5. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 - 102/18 Seite 5 2. Impfkommissionen in Deutschland und ihre Zuständigkeiten 2.1. Ständige Impfkommission Die seit dem Jahr 20014 im Gesetz zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen (Infektionsschutzgesetz - IfSG)5 verankerte STIKO ist beim RKI angesiedelt und erarbeitet Impfempfehlungen für ganz Deutschland. Sie ist ein Expertengremium, bestehend aus derzeit 18 Mitgliedern aus unterschiedlichen Disziplinen der Wissenschaft und Forschung, aus dem Bereich des öffentlichen Gesundheitsdienstes und der niedergelassenen Ärzteschaft.6 Die Mitglieder werden vom Bundesministerium für Gesundheit (BMG) im Benehmen mit den obersten Landesgesundheitsbehörden grundsätzlich alle drei Jahre neu berufen. Die STIKO orientiert sich bei der Entwicklung ihrer Impfempfehlungen an den Kriterien der evidenzbasierten Medizin. Während für die Zulassung einer Impfung deren Wirksamkeit, deren Unbedenklichkeit und pharmazeutische Qualität relevant sind, analysiert die STIKO darauf aufbauend neben dem individuellen Nutzen-Risiko-Verhältnis auch die Epidemiologie auf Bevölkerungsebene und die Effekte einer flächendeckenden Impfstrategie für Deutschland.7 Somit berücksichtigt die STIKO bei der Entwicklung ihrer Impfempfehlungen nicht nur deren Nutzen für das geimpfte Individuum, sondern auch für die gesamte Bevölkerung. Die Empfehlungen der STIKO werden den obersten Landesgesundheitsbehörden übermittelt und veröffentlicht (§ 20 Absatz 2 IfSG). Sie entfalten keinerlei unmittelbare rechtliche Wirkung. Die obersten Landesgesundheitsbehörden sollen nach § 20 Absatz 3 IfSG auf Grundlage der Empfehlungen der STIKO öffentliche Empfehlungen für Schutzimpfungen aussprechen.8 Sie sind jedoch nicht verpflichtet, diese inhaltlich unverändert als eigene Empfehlung zu übernehmen, sondern sie sind lediglich gehalten, nicht ohne zureichenden Grund von den Erkenntnissen und Wertungen der STIKO abzuweichen.9 4 Die STIKO wurde bereits im Jahr 1972 beim damaligen Bundesgesundheitsamt eingerichtet und aufgrund ihrer Bedeutung schließlich gesetzlich verankert. 5 Infektionsschutzgesetz vom 20. Juli 2000 (BGBl. I S. 1045), das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 17. Juli 2017 (BGBl. I S. 2615) geändert worden ist. 6 Liste der Mitglieder in der aktuellen Berufungsperiode von 2017 bis 2020 abrufbar unter: https://www.rki.de/DE/Content/Kommissionen/STIKO/Mitgliedschaft/Mitglieder/mitglieder_node.html. 7 RKI, STIKO, abrufbar unter: https://www.rki.de/DE/Content/Kommissionen/STIKO/stiko_node.html. 8 Die Impfempfehlungen der Bundesländer sind beim RKI gelistet und abrufbar unter: https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/Impfen/Links/links_node.html;jsessionid =193CA0E22F245DE39B549FC9DB99EE7D.1_cid390. 9 Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Beschluss vom 18. Februar 2011 – 2 B 53/10 in: Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht – Rechtsprechungsreport (NVwZ-RR) 2011, S. 447 Rn. 7. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 - 102/18 Seite 6 Einige Bundesländer übernehmen ausschließlich die Impfempfehlungen der STIKO10, andere befürworten über die STIKO-Empfehlungen hinaus z. B. zusätzliche Impfungen11. Die Aufgabe der Landesgesundheitsbehörden erschöpft sich somit nicht in der Bekanntmachung der Empfehlungen der STIKO. Vielmehr kommt den Empfehlungen der obersten Landesgesundheitsbehörde im Verhältnis zur jeweiligen Empfehlung der STIKO auch eigenständige Bedeutung zu.12 Sie sind etwa Grundlage für den Anspruch auf staatliche Entschädigung bei Impfschäden gemäß § 60 Absatz 1 Nr. 1 IfSG oder entscheiden über die Beihilfefähigkeit der Aufwendungen für Schutzimpfungen .13 Nach § 20i Absatz 1 Satz 1 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V)14 haben Versicherte Anspruch auf Leistungen für Schutzimpfungen im Sinne des IfSG. Der Gemeinsame Bundesausschuss entwickelt auf Grundlage der STIKO-Empfehlungen gemäß § 20i Abs. 1 Satz 3 SGB V Richtlinien, in denen die Einzelheiten zu Voraussetzungen, Art und Umfang von Schutzimpfungen als Pflichtleistung der gesetzlichen Krankenversicherung bestimmt werden (Schutzimpfungs-Richtlinie).15 2.2. Sächsische Impfkommission Auch bei der SIKO handelt es sich um ein Expertengremium, bestehend aus 13 Mitgliedern.16 Als – erstmals im Jahr 1991 berufener – Beirat des Staatsministeriums für Soziales und Verbraucherschutz (SMS) formuliert die SIKO eigene sächsische lmpfempfehlungen auf der Grundlage der jeweiligen Empfehlungen der STIKO sowie unter Berücksichtigung der epidemiologischen Lage 10 RdErl. d. Ministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales in Nordrhein-Westfalen vom 19. Oktober 2009, Öffentliche Empfehlung für Schutzimpfungen, abrufbar unter: https://recht.nrw.de/lmi/owa/br_bes_text?anw_nr=1&gld_nr=2&ugl_nr=21260&bes_id=13213&menu=1&sg=0&a ufgehoben=N&keyword=%D6ffentliche%20Empfehlung%20f%FCr%20Schutzimpfungen#NORM. 11 Baden-Württemberg, Bekanntmachung des Sozialministeriums über öffentlich empfohlene Schutzimpfungen vom 6. Mai 2015, abrufbar unter: https://sozialministerium.baden-wuerttemberg.de/fileadmin/redaktion/msm /intern/downloads/Downloads_Gesundheitsschutz/Empfehlung-Schutzimpfungen-BW_GABl-2015.pdf. 12 Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Beschluss vom 18. Februar 2011 – 2 B 53/10 in: Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht – Rechtsprechungsreport (NVwZ-RR) 2011, S. 447 Rn. 7. 13 BVerwG, Beschluss vom 18. Februar 2011 – 2 B 53/10 in: NVwZ-RR 2011, S. 447. 14 Das Fünfte Buch Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Krankenversicherung – (Artikel 1 des Gesetzes vom 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477, 2482), das zuletzt durch Artikel 6 Absatz 2 des Gesetzes vom 28. November 2018 (BGBl. I S. 2016) geändert worden ist. 15 Richtlinie, Schutzimpfungs-Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses über Schutzimpfungen nach § 20i Abs. 1 SGB V (Schutzimpfungs-Richtlinie/SI-RL), Stand: 23. August 2018, abrufbar unter: https://www.gba .de/downloads/62-492-1641/SI-RL_2017-11-17_iK-2018-08-23.pdf. 16 Liste der Mitglieder in der aktuellen Berufungsperiode von 2017 bis 2020 abrufbar unter: https://www.slaek.de/de/03/36impfen/e1/liste3.php. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 - 102/18 Seite 7 und Besonderheiten in Sachsen und berät dazu das SMS.17 Für den räumlich auf die Landesgrenzen Sachsens begrenzten Geltungsbereich treten somit gewissermaßen die Empfehlungen der SIKO an die Stelle der STIKO-Empfehlungen. Sie bilden die Grundlage für die öffentlichen Impfempfehlungen durch das SMS als oberste Landesgesundheitsbehörde Sachsens gemäß § 20 Absatz 3 IfSG, sind jedoch ebenfalls nicht rechtlich bindend. Die öffentlichen Empfehlungen durch das SMS haben nicht zwingend eine Kostenübernahme durch die Krankenkassen zur Folge. In Sachsen haben die dortige Kassenärztliche Vereinigung (KV Sachsen) und die Krankenkassen bzw. ihre Verbände vereinbart, dass die Kosten für die von der STIKO empfohlenen Impfungen übernommen werden („Impfvereinbarung Sachsen – Pflichtleistungen “).18 Diese Vereinbarung entspricht im Leistungsumfang der Schutzimpfungs-Richtlinie des GBA. Darüber hinaus hat die KV Sachsen mit einem Großteil der Krankenkassen bzw. ihren Verbänden eine „Impfvereinbarung Sachsen – Satzungsleistungen“ getroffen, welche die Differenzen zwischen den Impfempfehlungen der STIKO und der SIKO für die Versicherten in Sachsen ausgleichen soll.19 Die KV Sachsen hat einen Gesamtüberblick erstellt, aus dem hervorgeht, ob bestimmte Impfungen als Standardimpfung der „Impfungsvereinbarung Sachsen – Pflichtleistungen“ zugeordnet sind und welche Impfungen zusätzlich auf Grundlage der „Impfvereinbarung Sachsen – Satzungsleistungen “ in Sachsen übernommen werden.20https://www.kvs-sachsen.de/fileadmin /data/kvs/img/Mitglieder/Impfen_und_Praevention/181001_Gesamtuebersicht_Schutzimpfungen _mit_ausgegliedertem_Reiseschutz.pdf 3. Unterschiede in den Impfempfehlungen Nachfolgend werden einzelne noch bestehende oder kürzlich ausgeräumte Unterschiede der beiden Impfempfehlungen vorgestellt: 17 Empfehlungen der Sächsischen Impfkommission zur Durchführung von Schutzimpfungen im Freistaat Sachsen vom 2. September 1993 mit Stand 1. Januar 2018, abrufbar unter: https://www.slaek.de/media/dokumente /02medien/Patienten/gesundheitsinformationen/impfen/E1_2019_Druck.pdf. 18 Vereinbarung gemäß §132e SGB V über die Durchführung von aktiven Schutzimpfungen gegen übertragbare Krankheiten im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung auf der Grundlage der Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses über Schutzimpfungen nach § 20i Absatz 1 SGB V (Schutzimpfungs-Richtlinie/SI-RL), (,Impfvereinbarung Sachsen - Pflichtleistungen') mit Wirkung ab dem 1. Januar 2016, abrufbar unter: https://www.kvs-sachsen.de/fileadmin/data/kvs/downloads/vertrag/2016-01-01_Impfvbg-Sachsen-Pflichtlstg _KVS_LVSK_ab_2016_Stand160518.pdf. 19 Vereinbarung gemäß § 132e SGB V über die Durchführung von aktiven Schutzimpfungen gegen übertragbare Krankheiten im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung auf der Grundlage des § 20i Abs. 2 SGB V (‚Impfvereinbarung Sachsen – Satzungsleistungen’) mit Wirkung ab dem 1. Januar 2016, abrufbar unter: https://www.kvssachsen .de/fileadmin/data/kvs/downloads/vertrag/2016-01-01_ImpfV_Sachsen _SatzL_ab2016_Stand160429.pdf. 20 KV Sachsen, Gesamtübersicht Schutzimpfungen, Stand 1. Januar 2018, abrufbar unter: https://www.kvs-sachsen .de/fileadmin/data/kvs/img/Mitglieder/Impfen_und_Praevention/181001_Gesamtuebersicht_Schutzimpfungen _mit_ausgegliedertem_Reiseschutz.pdf. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 - 102/18 Seite 8 3.1. Impfung gegen Humane Papillomaviren Infektionen mit Humanen Papillomaviren (HPV) gehören zu den häufigsten sexuell übertragbaren Infektionen weltweit. HPV können mehrere Monate nach einer Infektion Tumore verursachen. Bei Frauen werden vor allem Gebärmutterhalskrebs, bei Männern Peniskarzinome und bei beiden Geschlechtern Analtumore sowie Tumore im Mund- und Rachenraum durch HPV-Infektionen ausgelöst. Zusätzlich verursachen HPV gutartige Warzen, unter anderem im Genitalbereich.21 Zunächst bezogen sich die Empfehlungen beider Impfkommissionen zur Impfung gegen HPV allein auf Mädchen. Hintergrund war das vorrangige Ziel, die Krankheitslast durch Gebärmutterhalskrebs und seine Vorstufen zu verringern.22 Mit Wirkung zum 1. Januar 2013 wurde die Empfehlung zur HPV-Impfung in Sachsen seitens der SIKO auf Jungen und Männer ausgeweitet.23 Dafür sprachen sich auch bundesweit verschiedene Fachgesellschaften im Rahmen der im Jahr 2014 veröffentlichten S3-Leitlinie aus.24 Gleichlautende Empfehlungen finden sich bei der Deutschen Gesellschaft für Urologie (DGU) und dem Berufsverband der Deutschen Urologen (BvDU) aus dem Jahr 2016.25 Die KV Sachsen argumentiert, eine Ausrottung der HPV-Viren sei nur möglich, wenn Mädchen und Jungen geimpft würden.26 Im Hinblick auf den Impfzeitpunkt empfiehlt die SIKO, ab zehn Jahren bis zum vollendeten 26. Lebensjahr zu impfen sowie darüber hinaus: „Für Frauen nach dem 26. Geburtstag, die bisher keine Impfung gegen HPV erhalten haben, kann eine 21 Klug, Stefanie/Meerpohl, Jörg und andere, HPV-Impfung: Auch Jungen können profitieren in: Deutsches Ärzteblatt 29-30/2018, abrufbar unter: https://www.aerzteblatt.de/archiv/199081/HPV-Impfung-Auch-Jungen-koennen -profitieren. 22 RKI, Epidemiologisches Bulletin, 23. März 2007/Nr. 12, Mitteilung der Ständigen Impfkommission (STIKO) am Robert Koch-Institut: Impfung gegen humane Papillomaviren (HPV) für Mädchen von 12 bis 17 Jahren – Empfehlung und Begründung, abrufbar unter: https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Archiv/2007/Ausgabenlinks /12_07.pdf%3F__blob%3DpublicationFile. 23 Mitteilungen der Sächsischen Impfkommission (SIKO), Aktualisierung der Empfehlungen der Sächsischen Impfkommission zur Durchführung von Schutzimpfungen im Freistaat Sachsen, – Impfempfehlung E 1 – ab 1. Januar 2017 S. 12, abrufbar unter: https://www.slaek.de/media/dokumente/04presse/aerzteblatt/archiv/2011- 2020/2017/01/0117_005.pdf. 24 Impfprävention HPV-assoziierter Neoplasien, Empfehlungen aus der aktuellen S3-Leitlinie des HPV-Management -Forums der Paul-Ehrlich-Gesellschaft für Chemotherapie e. V. – AWMF Leitlinien-Register Nr. 082-002 (Kurzfassung), gültig bis 31.12.2018, S. 853, abrufbar unter: http://www.hpv-impfleitlinie.de/doc/2014_Impfpraevention_HPV_assoziierter_Neoplasien-S3_LL_Kurzversion _Laryngorhinootology_2014.pdf. 25 Deutsche Gesellschaft für Urologie, Urologen empfehlen: Die HPV-Impfung für Jungen, Pressemitteilung vom 23. Juni 2016, abrufbar unter: https://www.urologenportal.de/pressebereich/pressemitteilungen/presse-aktuell /presse-archiv/pressemitteilungen-aus-dem-jahr-2016/urologen-empfehlen-die-hpv-impfung-fuer-jungen- 23062016.html. 26 KV Sachsen, SIKO aktualisiert Impfempfehlungen bei Masern-Mumps-Röteln, Influenza, Hepatitis B und HPV, KVS-Mitteilungen Heft 2/2017, S. 4, abrufbar unter: https://www.kvs-sachsen.de/fileadmin/data/kvs/img/Mitglieder /KVS-Mitteilungen/2017-02/2017-02_schutzimpfungen.pdf. Dabei verweist die KV Sachsen auch auf die 27. Internationale Papillomaviruskonferenz 2011 in Berlin. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 - 102/18 Seite 9 Impfung zu diesem späteren Zeitpunkt ebenfalls von Nutzen sein. Es liegt in der Verantwortung des Arztes, seine Patientinnen auf der Basis der Impfstoffzulassung darauf hinzuweisen.“27 Die STIKO veröffentlichte – einschließlich einer ausführlichen wissenschaftlichen Begründung – Mitte 2018 ihre Empfehlung, Jungen ab neun Jahren gegen HPV zu impfen.28 Für die Entscheidung zur Jungenimpfung wurde u.a. die Krankheitslast durch HPV-assoziierte Tumore bei Männern in Deutschland abgeschätzt und eine systematische Literaturübersicht zu Wirksamkeit und Sicherheit der HPV-Impfung bei Jungen und Männern erarbeitet. Die STIKO ließ dabei auch die zu erwartenden Effekte der Jungenimpfung auf die Verbreitung von HPV und HPV-assoziierten Krankheiten in der Bevölkerung durch eine mathematische Modellierung abschätzen. Die Modellierung zeige, dass sich in Deutschland durch die HPV-Impfung von Jungen langfristig tausende von Krebserkrankungen zusätzlich vermeiden ließen.29 Die STIKO empfiehlt, im Alter von neun bis 14 Jahren zu impfen. Versäumte Impfungen sollten so früh wie möglich – bis zum Alter von 17 Jahren – nachgeholt werden. Als Begründung wird angegeben: „Frauen und Männer, die älter als 17 Jahre sind und keine Impfung gegen HPV erhalten haben, können ebenfalls von einer Impfung gegen HPV profitieren, jedoch ist die Wirksamkeit der Impfung bei nicht HPV-naiven Personen reduziert.“30 3.2. Impfung gegen Influenza Die Influenza ist eine ernsthafte, mitunter auch lebensbedrohliche Atemwegserkrankung, die durch Grippeviren ausgelöst wird und hochansteckend (Tröpfcheninfektion) ist. Eine Besonderheit der Influenza-Viren ist ihre Variabilität. Das Virus wechselt sein Aussehen immer wieder, wobei sich einzelne Virusbestandteile verändern. Der Grippe-Impfstoff wird daher auch jährlich neu produziert und den saisonal auftretenden Virusvarianten angepasst.31 Die STIKO empfiehlt die Impfung gegen Influenza für Risikogruppen, da eine Erkrankung im Übrigen in der Regel ohne schwerwiegende Komplikationen verlaufe. Zu den Risikogruppen zählen 27 Empfehlungen der Sächsischen Impfkommission zur Durchführung von Schutzimpfungen im Freistaat Sachsen vom 2. September 1993, mit Stand vom 1. Januar 2018, S. 19, abrufbar unter: https://www.slaek.de/media/dokumente /02medien/Patienten/gesundheitsinformationen/impfen/E1_2018_Druck.pdf. 28 RKI, Epidemiologisches Bulletin, Wissenschaftliche Begründung für die Empfehlung der HPV-Impfung für Jungen im Alter von 9 bis 14 Jahren – 28. Juni 2018/Nr. 26, abrufbar unter: https://www.rki.de/DE/Content/Infekt /EpidBull/Archiv/2018/Ausgaben/26_18.pdf?__blob=publicationFile. 29 RKI, HPV-Impfempfehlung für Jungen veröffentlicht, Pressemitteilung des Robert Koch-Instituts vom 28. Juni 2018, abrufbar unter: https://www.rki.de/DE/Content/Service/Presse/Pressemitteilungen/2018/07_2018.html. 30 RKI, Epidemiologisches Bulletin, Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (STIKO) beim Robert Koch- Institut – 2018/2019, S. 347 f., abrufbar unter: https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Archiv /2018/Ausgaben/34_18.pdf?__blob=publicationFile. 31 Pschyrembel Online, März 2018 Influenza; RKI, Infektionsepidemiologisches Jahrbuch meldepflichtiger Krankheiten für 2017, S. 129, abrufbar unter: https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/Jahrbuch/Jahrbuch _2017.pdf?__blob=publicationFile. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 - 102/18 Seite 10 Menschen ab 60 Jahren, Schwangere, chronisch Kranke, Beschäftigte und Bewohner32 von Altenoder Pflegeheimen sowie Personen mit stark erhöhtem Risiko, sich und andere anzustecken, zum Beispiel medizinisches Personal oder Menschen in Einrichtungen mit viel Publikumsverkehr. Dennoch betont die STIKO, die Impfempfehlung bedeute nicht, dass die STIKO von einer Influenzaimpfung anderer Personen abrate. Jeder, der sich impfen lassen möchte, solle dies mit seinem Arzt besprechen. Die SIKO empfiehlt seit Januar 2010 die Influenzaimpfung ab vollendetem 6. Lebensmonat als Standardimpfung.33 Damit solle die Bedeutung der Impfprävention der Influenza betont und für die Zukunft auf ein stabiles und sicheres Niveau gehoben werden, um so die Erkrankung einzudämmen . Es sei unverständlich, jüngere Bevölkerungsgruppen nicht generell einzubeziehen.34 Die SIKO empfiehlt aufgrund der breiteren Stammabdeckung bei Influenza B bereits seit dem 1. Januar 2017 die bevorzugte Verwendung eines Vierfach- statt Dreifachimpfstoffes, eines sogenannten Quadrivalenten Influenzaimpfstoffes (QIV)35 statt Trivalenten Impfstoffes (TIV).36 Der QIV biete einen zusätzlichen Schutz vor einem weiteren Influenza-B-Stamm. Im Januar 2018 präzisierte auch die STIKO ihre Influenza-Impfempfehlung und empfahl für die Impfung gegen saisonale Influenza einen QIV.37 Zuvor hatte die STIKO für die jährliche Influenzaimpfung die An- 32 Sämtliche Personenbezeichnungen gelten für alle Geschlechter. 33 Empfehlungen der Sächsischen Impfkommission zur Durchführung von Schutzimpfungen im Freistaat Sachsen vom 2. September 1993 mit Stand 1. Januar 2018, S. 19, abrufbar unter: https://www.slaek.de/media/dokumente /02medien/Patienten/gesundheitsinformationen/impfen/E1_2018_Druck.pdf; Ärzteblatt Sachsen 1/2018, S. 14, abrufbar unter: http://www.aerzteblatt-sachsen.de/pdf/sax10_013.pdf sowie Ärztezeitung vom 26. Januar 2010, Sachsen will alle Kinder gegen Influenza impfen, abrufbar unter: https://www.aerztezeitung.de/medizin /krankheiten/infektionskrankheiten/impfen/article/585529/sachsen-will-alle-kinder-influenza-impfen.html. 34 Vgl. Zitat eines Mitglieds der SIKO in der Leipziger Volkszeitung vom 10. Oktober 2018, Vor der nächsten Grippesaison : Vierfachschutz nicht für alle Sachsen kostenlos, abrufbar unter: http://www.lvz.de/Region/Mitteldeutschland /Grippeschutzimpfung-in-Sachsen-Schutz-nicht-fuer-alle-kostenlos. 35 Zum Teil wird auch die Bezeichnung Tetravalenter Impfstoff verwendet. 36 KV Sachsen, Mitteilungen, Ausgabe 2/17, https://www.kvs-sachsen.de/mitglieder/kvs-mitteilungen/2017/02- 2017/schutzimpfungen/: „Aufgrund der breiteren Stammabdeckung bei Influenza B sollten tetravalente Impfstoffe bevorzugt angewendet werden. […] Während vor dem Jahr 2001 für jeweils eine Reihe von Jahren immer nur eine Influenza-B-Linie zirkulierte […], ist seit der Influenzasaison 2001/2002 eine Kozirkulation beider Influenza -B-Linien festzustellen. Deshalb kann es, wenn die auf Laborsurveillance beruhenden epidemiologischen Voraussagen zur Zirkulation der Influenza-B-Linien, die in die WHO-Empfehlungen zur Zusammensetzung der Influenza-Impfstoffe für jeweils die nächste Saison eingehen, nicht exakt zutreffen, zu einer Nicht-Übereinstimmung (sog. Mismatch) zwischen dem zirkulierenden und dem im Impfstoff enthaltenen Influenza-B-Stamm kommen.“ 37 RKI, Epidemiologisches Bulletin, 23. August 2018, Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (STIKO) am Robert Koch-Institut – 2018/2019, S. 342, abrufbar unter: https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Archiv /2018/Ausgaben/34_18.pdf?__blob=publicationFile. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 - 102/18 Seite 11 wendung eines zugelassenen Impfstoffs „mit aktueller, von der WHO empfohlener Antigenkombination “ empfohlen, ohne Festlegung, ob ein TIV oder QIV benutzt werden soll.38 In der wissenschaftlichen Begründung der STIKO für die Empfehlung eines QIV heißt es nun: „Aufgrund der vorliegenden Daten kommt die STIKO zu dem Schluss, dass QIV in Saisons, in denen Influenzaviren der nicht in TIV enthaltenen Influenza B-Virus Linie [ko-]zirkulieren, einen besseren Schutz vor einer Influenzaerkrankung bietet als TIV.“39 In Bezug auf die Impfung bei Kindern von zwei bis sechs Jahren rieten beide Impfkommissionen ausgehend von einer Analyse von Studien zunächst, einen attenuierten (abgeschwächten) nasalen Lebendimpfstoff (live attenuated influenza vaccine, LAIV) gegenüber einem Totimpfstoff bevorzugt zu verwenden. Diese Empfehlung wurde von der STIKO mit Beschluss vom 22. September 201640 zunächst für die Saison 2016/2017 und schließlich mit Mitteilung im August 2017 bis auf Weiteres aufgegeben.41 Dies geschah auf Basis der zu dem Zeitpunkt erst verfügbaren aktuellen Daten, aus denen die STIKO schloss, dass bei Kindern im Alter von zwei bis sechs Jahren eine Überlegenheit von LAIV gegenüber dem Totimpfstoff derzeit nicht belegt sei und beide Impfstoffe gleichwertig (unter Berücksichtigung möglicher Kontraindikationen) angewendet werden könnten.42 Die SIKO schloss sich der STIKO zur Aussetzung der bevorzugten Anwendung von Influenza-Lebendimpfstoffen bei Kindern im Alter von zwei bis sechs Jahren kurze Zeit später mit gleichlautender Begründung an. Veröffentlicht wurde dies Anfang 2017 bzw. Anfang 38 RKI, Epidemiologisches Bulletin, Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (STIKO) am Robert Koch-Institut – 2017/2018, 24. August 2017, S. 340, abrufbar unter: https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Archiv /2017/Ausgaben/34_17.pdf?__blob=publicationFile. 39 RKI, Epidemiologisches Bulletin, 11. Januar 2018, Mitteilung der Ständigen Impfkommission am Robert Koch- Institut, Wissenschaftliche Begründung für die Empfehlung des quadrivalenten saisonalen Influenzaimpfstoffs, Nr. 2, S. 26, abrufbar unter: https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Archiv/2018/Ausgaben /02_18.pdf?__blob=publicationFile. 40 Mitteilung der Ständigen Impfkommission (STIKO) am Robert Koch-Institut, Stellungnahme der STIKO zur Anwendung von Influenza-Lebendimpfstoffen bei Kindern in der Saison 2016/2017, Online-Vorab, 22. September 2016, abrufbar unter: https://edoc.rki.de/bitstream/handle/176904/2419/21amZSOk4aWNY.pdf?sequence =1&isAllowed=y. 41 Für die Saison 2016/2017: RKI, Epidemiologisches Bulletin, 4. Oktober 2016/Nr. 39, Mitteilung der STIKO am RKI: Stellungnahme zur Anwendung von Influenza-Lebendimpfstoffen bei Kindern in der Saison 2016/2017, S. 442, abrufbar unter: https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Archiv/2016/Ausgaben/39_16.pdf?__blob=publicationFile. Für die endgültige Aufgabe siehe Pressemitteilung des RKI vom 24. August 2017, Impfempfehlungen der STIKO für 2017/2018 veröffentlicht, abrufbar unter: https://www.rki.de/DE/Content/Service/Presse/Pressemitteilungen /2017/07_2017.html sowie betreffend die Saison 2018/2019: RKI, Epidemiologisches Bulletin, 23. August 2018/Nr. 34, Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (STIKO) beim Robert Koch-Institut – 2018/2019, S. 342, abrufbar unter: https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Archiv/2018/Ausgaben/34_18.pdf;jsessionid =714CB403632D2FAE20F5DDD6163E4BAB.2_cid381?__blob=publicationFile. 42 RKI, Epidemiologisches Bulletin, 4. Oktober 2016/Nr. 39, Mitteilung der STIKO am RKI: Stellungnahme zur Anwendung von Influenza-Lebendimpfstoffen bei Kindern in der Saison 2016/2017, S. 442, abrufbar unter: https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Archiv/2016/Ausgaben/39_16.pdf?__blob=publicationFile. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 - 102/18 Seite 12 2018.43https://www.aerztezeitung.de/medizin/krankheiten/infektionskrankheiten/impfen/article /585529/sachsen-will-alle-kinder-influenza-impfen.html 3.3. Impfung gegen Herpes zoster Herpes zoster (HZ; umgangssprachlich Gürtelrose) ist eine Infektion mit dem Windpocken-Virus (Varicella-Zoster-Virus). Dieses Virus gehört zur Familie der Herpes-Viren und kann als Zweiterkrankung neben Windpocken – oft Jahrzehnte später – unter bestimmten Umständen, zum Beispiel mit zunehmendem Alter oder bei einer geschwächten Immunabwehr, Herpes zoster auslösen . Das Hauptmerkmal der Infektion sind Bläschen und Schorf in verschiedenen Entwicklungsstadien , die sich innerhalb kurzer Zeit zu Blasen entwickeln. Sie erscheinen im Gesicht und können schnell auf andere Körperteile unter Einbeziehung der Schleimhäute und der behaarten Kopfhaut übergreifen. Bei Erwachsenen verlaufen Varizellen schwerer, und es können im Vergleich zum Kindesalter häufiger Komplikationen auftreten, die zum Tod führen können.44 Die STIKO sieht vor dem Hintergrund, dass keine generell effektive und nachhaltige Reduzierung der Krankheitslast des HZ mit dem gegenwärtig zugelassenen Impfstoff erreicht werden könne, davon ab, die Impfung gegen HZ als Standardimpfung zu empfehlen. Diese Entscheidung basiere auf der systematischen Bewertung der vorhandenen Daten zur Wirksamkeit, Schutzdauer und Sicherheit des Impfstoffs und werde durch die Ergebnisse der mathematischen Modellierung bekräftigt . Die Wahrscheinlichkeit an HZ zu erkranken und die Schwere der Erkrankung nähmen mit dem Alter deutlich zu, die Wirksamkeit der Impfung hingegen nähme mit zunehmendem Alter ab und reiche von 70 Prozent bei den 50- bis 59-Jährigen über 41 Prozent bei den 70- bis 79-Jährigen bis zu weniger als 20 Prozent bei den über 80-Jährigen. Die Schutzdauer der Impfung sei daher nur für wenige Jahre belegt. Auch eine verbesserte Herdenimmunität sei nicht zu erreichen , da es sich beim HZ um eine Erkrankung eines reaktivierten endogenen Erregers mit geringem Übertragungspotenzial handele.45 43 Ärzteblatt Sachsen 1/2017, Mitteilungen der Sächsischen Impfkommission (SIKO), S. 7, abrufbar unter: https://www.slaek.de/media/dokumente/04presse/aerzteblatt/archiv/2011-2020/2017/01/0117_005.pdf sowie Ärzteblatt Sachsen 1/2018, Influenza-Impfung – Ergänzung beim nasal zu applizierenden Lebendimpfstoff, S. 16, abrufbar unter: https://www.slaek.de/media/dokumente/04presse/aerzteblatt/archiv/2011- 2020/2018/aebl0118-1.pdf. 44 RKI, Windpocken, Herpes zoster (Gürtelrose), abrufbar unter: https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/Epid Bull/Merkblaetter/Ratgeber_Varizellen.html. 45 RKI, Epidemiologisches Bulletin, 7. September 2017/Nr. 36, Mitteilung der Ständigen Impfkommission (STIKO) am RKI Wissenschaftliche Begründung für die Entscheidung, die Herpeszoster-Lebendimpfung nicht als Standardimpfung zu empfehlen, S. 391, abrufbar unter: https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Archiv /2017/Ausgaben/36_17.pdf?__blob=publicationFile. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 - 102/18 Seite 13 Die SIKO empfiehlt dagegen seit Januar 2010 die einmalige HZ-Impfung für alle Personen ab 50 Jahren als prophylaktische Standardimpfung.46 Zum einen könne durch die einmalige Impfung gesunder Personen das Risiko, an HZ zu erkranken, um mehr als 50 Prozent gesenkt werden. Zum anderen seien im Erwachsenenalter als Folge einer Gürtelrose teilweise monate- bis jahrelang anhaltende Neuralgien (Nervenschmerzen) zu befürchten. Diese könnten langwierige, kostenintensive und subjektiv belastende Schmerztherapie erfordern. Für geimpfte Personen, die an HZ erkrankten, könne das Risiko einer solchen Neuralgie um ca. 67 Prozent gemindert werden.47 3.4. Impfung gegen Meningokokken B Meningokokken sind Bakterien, die durch Tröpfcheninfektion von Mensch zu Mensch übertragen werden. Eine Meningokokken-Infektion kann innerhalb kurzer Zeit zu schweren Erkrankungen und sogar zum Tod führen. Häufigste Folge sind Hirnhautentzündungen oder Blutvergiftungen . Solche invasiven Meningokokken-Erkrankungen treten in Deutschland insgesamt selten auf. Überwiegend handelt es sich hierbei um Infektionen mit Meningokokken der Gruppe B (MenB).48 Das höchste Erkrankungsrisiko besteht für Säuglinge und Kleinkinder. Auch für Personen mit bestimmten Immundefekten besteht ein erhöhtes Risiko. Die STIKO empfiehlt aufgrund einer insgesamt niedrigen und konstant abnehmenden Krankheitslast durch MenB insofern keine Standardimpfung.49 Insbesondere zur Entscheidung darüber, ob die MenB-Impfung als Standardimpfung für alle Kinder empfohlen werden sollte, erachtet sie die bisher vorliegenden Studienergebnisse und die daraus resultierende Evidenz noch nicht als ausreichend.50 Seit August 201551 empfiehlt die STIKO die MenB-Impfung jedoch für Personen 46 Empfehlungen der Sächsischen Impfkommission zur Durchführung von Schutzimpfungen im Freistaat Sachsen vom 2. September 1993 mit Stand 1. Januar 2018, S. 19, abrufbar unter: https://www.slaek.de/media/dokumente /02medien/Patienten/gesundheitsinformationen/impfen/E1_2018_Druck.pd sowie Ärztezeitung vom 26. Januar 2010, Sachsen will alle Kinder gegen Influenza impfen, abrufbar unter: https://www.aerztezeitung .de/medizin/krankheiten/infektionskrankheiten/impfen/article/585529/sachsen-will-alle-kinder-influenzaimpfen .html. 47 Ärzteblatt Sachsen 1/2010, Mitteilungen der Sächsischen Impfkommission (SIKO), S. 13, abrufbar unter: http://www.aerzteblatt-sachsen.de/pdf/sax10_013.pdf. 48 In den Jahren 2013 bis 2016 erkrankten in Deutschland im Mittel jährlich 315 Personen an invasiven Meningokokken -Infektionen (0,40 Erkrankungen/100.000 Einwohner), davon 211 (67 Prozent) an Infektionen durch Meningokokken B, RKI, Epidemiologisches Bulletin, Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (STIKO) am Robert Koch-Institut – 2018/2019, 18. Januar 2018, S. 36, abrufbar unter: https://www.rki.de/DE/Content/Infekt /EpidBull/Archiv/2018/Ausgaben/03_18.pdf?__blob=publicationFile. 49 RKI, Epidemiologisches Bulletin, 18. Januar 2018, Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (STIKO) am Robert Koch-Institut – 2018/2019, S. 35, abrufbar unter: https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Archiv /2018/Ausgaben/03_18.pdf?__blob=publicationFile. 50 So bereits: RKI, Epidemiologisches Bulletin, 8. September 2014, Stand der Bewertung des neuen Meningokokken -B-Impfstoffs Bexsero®, S. 356, abrufbar unter: https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Archiv /2014/Ausgaben/36_14.pdf?__blob=publicationFile. 51 Im Januar 2013 wurde in Europa erstmals ein Impfstoff gegen MenB zugelassen, der seit Dezember 2013 auch in Deutschland verfügbar ist. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 - 102/18 Seite 14 mit einem erhöhten Erkrankungsrisiko. Hierzu zählt sie zum einen Personen mit angeborener oder erworbener Immunschwäche und zum anderen gefährdetes Laborpersonal sowie Personen, die Haushaltkontakte zu Patienten mit einer invasiven Meningokokken-Erkrankung haben.52 Auch die SIKO empfiehlt die MenB-Impfung für gesundheitlich gefährdete Personen mit angeborenen oder erworbenen Immundefekten sowie für gefährdetes Laborpersonal. Vor dem Hintergrund eines erhöhten Erkrankungsrisikos empfiehlt sie die MenB-Impfung seit dem Jahr 2014 außerdem als Standardimpfung für alle Kinder und Jugendliche ab dem dritten Lebensmonat bis zum vollendeten 18. Lebensjahr. 53 Des Weiteren empfiehlt sie die Impfung für Personal in Kindereinrichtungen mit Kindern unter sechs Jahren, für medizinisches Personal mit Patientenkontakt und als Reiseimpfung.54 3.5. Impfung gegen Hepatitis A Hepatitis A ist eine ansteckende Leberentzündung, verursacht durch das gleichnamige Hepatitis A-Virus. Eine Infektion heilt in der Regel ohne ärztliche Behandlung aus, der Krankheitsverlauf kann jedoch einige Wochen betragen. Häufig verläuft eine Erkrankung gänzlich unbemerkt, sie kann allerdings auch zur Gelbsucht führen. Bei Patienten über 50 Jahren kann ein sehr schwerer Verlauf bis hin zum akuten Leberversagen auftreten. Eine Ansteckung mit Hepatitis A erfolgt fast ausschließlich fäkal-oral durch Kontakt- oder Schmierinfektion, entweder im Rahmen enger Personenkontakte, oder – wie in den überwiegenden Fällen – indirekt über verunreinigte Nahrungsmittel und Trinkwasser, insbesondere auf Reisen in warme, tropische Regionen und in Länder mit mangelhaften hygienischen und sanitären Verhältnissen. Auch Erkrankte, die keine oder nur leichte Symptome aufweisen, können eine Infektionsquelle darstellen. Die STIKO empfiehlt eine Hepatitis-A-Impfung dementsprechend für Reisende in Regionen mit erhöhtem Hepatitis-A-Vorkommen. Darüber hinaus empfiehlt sie diese als Indikationsimpfung insbesondere für Personen mit einem Sexualverhalten mit erhöhter Infektionsgefährdung und für Personen mit häufiger Übertragung von Blutbestandteilen. Aufgrund erhöhten beruflichen Expo- 52 RKI, Epidemiologisches Bulletin, 23. August 2018, Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (STIKO) am Robert Koch-Institut – 2018/2019, S. 343 und 348, abrufbar unter: https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/Epid Bull/Archiv/2018/Ausgaben/34_18.pdf?__blob=publicationFile; RKI, Epidemiologisches Bulletin, 14. September 2015, Aktualisierung der Meningokokken-Impfempfehlung: Anwendung des Meningokokken-B-Impfstoffs bei Personen mit erhöhtem Risiko für Meningokokken-Erkrankungen – 2015, S. 393, abrufbar unter: https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Archiv/2015/Ausgaben/37_15.pdf%3F__blob%3Dpublication- File. 53 Vgl. Aktuelle SIKO-Empfehlungen 2014, Update Gesundheitspolitik, Bautzen, 2. April 2014, D. Beier, Chemnitz , Vorsitzender der Sächsischen Impfkommission, Landesuntersuchungsanstalt, Sachsen, S. 6, 7, 11, abrufbar unter: http://www.aerzteverein-oberlausitz.de/downloads/aktuelle-SIKO-empfehlungen.pdf. 54 Empfehlungen der Sächsischen Impfkommission zur Durchführung von Schutzimpfungen im Freistaat Sachsen vom 2. September 1993 mit Stand 1. Januar 2018, S. 21, abrufbar unter: https://www.slaek.de/media/dokumente /02medien/Patienten/gesundheitsinformationen/impfen/E1_2018_Druck.pdf. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 - 102/18 Seite 15 sitionsrisikos empfiehlt sie die Impfung für Angehörige des Gesundheitsdienstes (inklusive Sanitäts - und Rettungsdienst, Küche, Labor, technischer und Reinigungsdienst, psychiatrische und Fürsorgeeinrichtungen), für Personen mit Abwasserkontakt (z.B. in Kanalisationseinrichtungen und Klärwerken Beschäftigte) sowie bei einer Tätigkeit z. B. in Kindertagesstätten, Kinderheimen , Behindertenwerkstätten und Flüchtlingsunterkünften.55 Die SIKO empfiehlt die Hepatitis-A-Impfung als Standardimpfung für seronegative Kinder und Erwachsene. Dies sind Personen, deren Immunsystem nicht selbstständig Antikörper gegen Hepatitis A bildet und die somit über keinen körpereigenen Schutz gegen eine Infektion verfügen. Im Übrigen unterscheidet die SIKO zwischen präexpositioneller (vorbeugender) und postexpositioneller (nach Ausbruch der Erkrankung erfolgender) Impfung. Präexpositionell empfiehlt sie die Hepatitis-A-Impfung – zusätzlich zu den Empfehlungen der STIKO – aufgrund beruflichen Risikos für Polizisten, Sozialarbeiter und Gefängnispersonal mit direktem Kontakt zu Inhaftierten sowie für Personal, das tätig ist beim Herstellen, Behandeln oder Inverkehrbringen von Lebensmitteln – einschließlich in Küchen von Gaststätten und sonstigen Einrichtungen mit oder zur Gemeinschaftsverpflegung . Aufgrund erhöhten Erkrankungsrisikos empfiehlt sie die Impfung darüber hinaus für Personen mit längerem Gefängnisaufenthalt. Eine postexpositionelle Prophylaxe empfiehlt die SIKO im Rahmen des sächsischen Herdbekämpfungsprogramms zur Verhinderung der Weiterverbreitung von Infektionskrankheiten im Freistaat Sachsen nach Kontakt mit einer bereits infizierten Person sowie auch hier für Personal, das tätig ist beim Herstellen, Behandeln oder Inverkehrbringen von Lebensmitteln und für gefährdetes Personal im Gesundheitsdienst.56 *** 55 RKI, Epidemiologisches Bulletin, 23. August 2018, Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (STIKO) am Robert Koch-Institut – 2018/2019, S. 341, abrufbar unter: https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Archiv /2018/Ausgaben/34_18.pdf?__blob=publicationFile. 56 Empfehlungen der Sächsischen Impfkommission zur Durchführung von Schutzimpfungen im Freistaat Sachsen vom 2. September 1993 mit Stand 1. Januar 2018, S. 17, abrufbar unter: https://www.slaek.de/media/dokumente /02medien/Patienten/gesundheitsinformationen/impfen/E1_2018_Druck.pdf.