© 2020 Deutscher Bundestag WD 9 - 3000 - 098/19 Genetische Untersuchungen zu medizinischen Zwecken bei geborenen Menschen und bei Föten während der Schwangerschaft Allgemeine Rechtsgrundlagen nach dem Gendiagnostikgesetz und den Richtlinien der Gendiagnostik-Kommission Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. 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Anwendungsbereich des Gendiagnostikgesetzes 6 1.3. Begriffsbestimmungen des Gendiagnostikgesetzes 7 1.4. Überblick zu den Regelungen für genetische Untersuchungen zu medizinischen Zwecken vor und nach der Geburt in den §§ 7 bis 16 GenDG 11 1.5. Einrichtung und Aufgaben der Gendiagnostik-Kommission 12 2. Zweck des Gendiagnostikgesetzes 16 2.1. Verhinderung einer Benachteiligung auf Grund genetischer Eigenschaften und Schutz der Menschenwürde 18 2.2. Recht auf informationelle Selbstbestimmung 18 2.3. Recht auf Wissen und Nichtwissen 20 2.4. Recht auf körperliche Unversehrtheit 22 3. Anwendungsbereich des Gendiagnostikgesetzes 23 3.1. Personeller Anwendungsbereich nach § 2 Abs. 1 GenDG 23 3.2. Sachlicher Anwendungsbereich nach § 2 Abs. 1 GenDG 28 3.3. Ausgenommene Sach- und Regelungsbereiche nach § 2 Abs. 2 GenDG 30 3.3.1. Genetische Untersuchungen zu Forschungszwecken (§ 2 Abs. 2 Nr. 1 GenDG) 30 3.3.2. Genetische Untersuchungen im Bereich des Strafverfahrens und der Gefahrenabwehr (§ 2 Abs. 2 Nr. 2a GenDG) 35 3.3.3. Genetische Untersuchungen im Bereich des Infektionsschutzes (§ 2 Abs. 2 Nr. 2b GenDG) 36 4. Begriffsbestimmungen des Gendiagnostikgesetzes 36 4.1. Genetische Untersuchungsmethoden (§ 3 Nr. 1 bis 3 GenDG) 37 4.1.1. Genetische Untersuchung nach § 3 Nr. 1 GenDG 37 4.1.2. Genetische Analyse nach § 3 Nr. 2 GenDG 40 4.1.2.1. Die zytogenetische Analyse 41 4.1.2.2. Die molekulargenetische Analyse 42 4.1.2.3. Die Genproduktanalyse 42 4.1.3. Vorgeburtliche Risikoabklärung nach § 3 Nr. 3 GenDG 43 4.1.3.1. Abgrenzung des Begriffs der vorgeburtlichen Risikoabklärung von dem in § 3 GenDG nicht gesondert definierten Begriff der vorgeburtlichen genetischen Untersuchung 44 4.1.3.2. Weitere Begriffsmerkmale der vorgeburtlichen Risikoabklärung im Sinne des § 3 Nr. 3 GenDG 46 4.2. Genetische Eigenschaften nach § 3 Nr. 4 GenDG 49 4.3. Verantwortliche ärztliche Person nach § 3 Nr. 5 GenDG 52 4.4. Genetische Untersuchungen zu medizinischen Zwecken nach § 3 Nr. 6 bis 9 GenDG 54 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 098/19 Seite 4 4.4.1. Systematische Einordnung und Überblick 54 4.4.2. Der im GenDG nicht definierte Begriff der Erkrankung oder gesundheitlichen Störung 56 4.4.3. Diagnostische genetische Untersuchungen nach § 3 Nr. 7 GenDG 57 4.4.3.1. Abklärung einer bereits bestehenden Erkrankung oder gesundheitlichen Störung 58 4.4.3.2. Abklärung genetischer Anfälligkeiten 58 4.4.3.3. Pharmakogenetische Untersuchungen 60 4.4.3.4. Abklärung genetisch bedingter Resistenzen 62 4.4.4. Prädiktive genetische Untersuchungen nach § 3 Nr. 8 GenDG 63 4.4.4.1. Systematische Einordnung 63 4.4.4.2. Begriff der prädiktiven genetischen Untersuchung nach § 3 Nr. 8a GenDG 64 4.4.4.3. Begriff der prädiktiven genetischen Untersuchung nach § 3 Nr. 8b GenDG 65 4.4.5. Genetische Reihenuntersuchungen nach § 3 Nr. 9 GenDG 66 4.5. Genetische Probe nach § 3 Nr. 10 GenDG 68 4.6. Genetische Daten nach § 3 Nr. 11 GenDG 70 5. Überblick zu den Regelungen für genetische Untersuchungen zu medizinischen Zwecken vor und nach der Geburt in den §§ 7 bis 16 GenDG 71 5.1. Beschränkung des Geltungsbereichs der Regelungen in den §§ 7 bis 16 GenDG auf genetische Untersuchungen zu medizinischen Zwecken 71 5.2. Problematik der geläufigen Krankheits- bzw. Gesundheitsbegriffe insbesondere im Kontext vorgeburtlicher genetischer Untersuchungen zu medizinischen Zwecken 72 5.3. Überblick über die in den §§ 7 bis 16 GenDG getroffenen Regelungen und deren Verhältnis zueinander 73 5.4. Ergänzende Regelungen außerhalb des GenDG 76 5.5. Kritik an der Binnenstruktur der im Abschnitt 2 des GenDG getroffenen Regelungen 77 6. Einrichtung und Aufgaben der Gendiagnostik- Kommission (GEKO) 78 6.1. Einrichtung und Zusammensetzung der GEKO 78 6.2. Erstellung von Richtlinien in Bezug auf den allgemein anerkannten Stand der Wissenschaft und Technik als Hauptaufgabe der GEKO (§ 23 Abs. 2 GenDG) 79 6.2.1. Beurteilung genetischer Eigenschaften in bestimmten medizinischen Zusammenhängen als Regelungsgegenstand von Richtlinien nach § 23 Abs. 2 Nr. 1 GenDG 80 6.2.2. Anforderungen an die Qualifikation zur und Inhalte der genetischen Beratung als Regelungsgegenstand einer Richtlinie nach § 23 Abs. 2a und Abs. 2 Nr. 3 GenDG 83 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 098/19 Seite 5 6.2.3. Anforderungen an die Inhalte der Aufklärung bei genetischen Untersuchungen zu medizinischen Zwecken als Regelungsgegenstand einer Richtlinie nach § 23 Abs. 2 Nr. 3 GenDG 85 6.2.4. Anforderungen an die Qualitätssicherung genetischer Analysen zu medizinischen Zwecken als Regelungsgegenstand einer Richtlinie nach § 23 Abs. 2 Nr. 4 GenDG 86 6.2.5. Anforderungen an die Durchführung der vorgeburtlichen Risikoabklärung sowie an die insoweit erforderlichen Maßnahmen zur Qualitätssicherung als Regelungsgegenstand einer Richtlinie nach § 23 Abs. 2 Nr. 5 GenDG 88 6.2.6. Anforderungen an die Durchführung genetischer Reihenuntersuchungen als Regelungsgegenstand einer Richtlinie nach § 23 Abs. 2 Nr. 6 GenDG 88 6.3. Verfahren beim Erlass von Richtlinien 89 6.4. Bedeutung und Verbindlichkeit der Richtlinien 90 6.5. Gesetzgebungskompetenz des Bundes für die der GEKO übertragene Befugnis zur Erstellung von Richtlinien mit Implikationen für die ärztliche Berufsausübung 92 6.6. Mitteilungen der GEKO mit Bedeutung für genetische Untersuchungen zu medizinischen Zwecken 97 6.7. Weitere Aufgaben der GEKO 99 6.7.1. Bewertung geplanter genetischer Reihenuntersuchungen in einer schriftlichen Stellungnahme (§ 16 Abs. 2 GenDG) 99 6.7.1.1. Stellungnahme zur genetischen Reihenuntersuchung auf Mukoviszidose bei Neugeborenen 102 6.7.1.2. Stellungnahme zum Neugeborenen-Screening auf Tyrosinämie Typ I 104 6.7.1.3. Stellungnahme zum Neugeborenen-Screening auf Schwere kombinierte Immundefekte 106 6.7.2. Bewertung der Entwicklung in der genetischen Diagnostik in einem regelmäßig erscheinenden Tätigkeitsbericht (§ 23 Abs. 4 GenDG) 107 6.7.2.1. Erster Tätigkeitsbericht der GEKO für den Zeitraum vom 19. November 2009 bis 31. Dezember 2012 107 6.7.2.2. Zweiter Tätigkeitsbericht der GEKO für den Zeitraum vom 1. Januar 2013 bis 31. Dezember 2015 108 6.7.2.3. Dritter Tätigkeitsbericht der GEKO für den Zeitraum vom 1. Januar 2016 bis 31. Dezember 2018 110 6.7.3. Abgabe gutachtlicher Stellungnahmen zu Einzelfragen der Auslegung und Anwendung ihrer Richtlinien (§ 23 Abs. 5 GenDG) 112 7. Literaturverzeichnis 112 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 098/19 Seite 6 1. Zusammenfassung 1.1. Zweck des Gendiagnostikgesetzes Das Gendiagnostikgesetz (GenDG) ist im Wesentlichen am 1. Februar 2010 in Kraft getreten. Der gesetzgeberischen Begründung zufolge kommt der Staat mit der gesetzlichen Regelung genetischer Untersuchungen und im Rahmen genetischer Untersuchungen durchgeführter genetischer Analysen seiner sich aus der staatlichen Schutzpflicht hinsichtlich der Grundrechte ergebenden Verpflichtung zum Schutz der Würde des Menschen und der informationellen Selbstbestimmung sowie der Wahrung des Gleichheitssatzes durch die Verhinderung genetischer Benachteiligung nach. Ziel des Gesetzes soll es sein, einen Ausgleich zwischen den Chancen des Einsatzes genetischer Untersuchungen für den einzelnen Menschen und den damit verbundenen Missbrauchsgefahren und Risiken zu schaffen. 1.2. Anwendungsbereich des Gendiagnostikgesetzes Das GenDG ist nach § 2 Abs. 1 personell anwendbar auf genetische Untersuchungen und in diesem Rahmen durchgeführte genetische Analysen „bei geborenen Menschen sowie bei Embryonen und Föten während der Schwangerschaft“ und den Umgang mit dabei gewonnenen genetischen Proben und genetischen Daten. Dementsprechend ist das Gesetz nur auf solche Erbinformationen anwendbar, die menschlicher Herkunft sind. Erfasst wird damit auch der vorgeburtliche Zeitraum. Keine Anwendung findet das GenDG allerdings bei Embryonen, die (noch) nicht in den Körper der Mutter gelangt sind. Genetische Untersuchungen und Analysen an extrakorporal erzeugten und sich noch außerhalb des Mutterleibes befindenden Embryonen, d. h. also die Präimplantationsdiagnostik (PID) und die präkonzeptionelle Polkörperdiagnostik (PKD), werden deshalb nicht vom Anwendungsbereich des Gesetzes erfasst. Der sachliche Anwendungsbereich des Gesetzes beschränkt sich auf die in § 2 Abs. 1 GenDG abschließend aufgeführten Bereiche genetischer Untersuchungen zu medizinischen Zwecken, zur Klärung der Abstammung sowie im Versicherungsbereich und im Arbeitsleben. Erfasst wird darüber hinaus sowohl der Umgang mit genetischen Proben als auch die daraus resultierenden genetischen Daten. Erfasst werden alle Arten genetischer Untersuchungen, also auch solche, die nicht eine Erkrankung oder eine gesundheitliche Störung betreffen, wie zum Beispiel Tests über äußere Erscheinungsmerkmale wie die Augenfarbe oder sonstige sog. Life-Style-Tests. Der Geltungsbereich der im zweiten Abschnitt des GenDG (§§ 7 bis 16) getroffenen Regelungen beschränkt sich allerdings auf genetische Untersuchungen zu medizinischen Zwecken im Sinne des § 3 Nr. 6 GenDG. Tests, die keinen gesundheitlichen Bezug aufweisen, sind damit vom Anwendungsbereich des zweiten Abschnitts des GenDG ausgeschlossen. Mit der Negativabgrenzung in § 2 Abs. 2 Nr. 1 und 2 GenDG werden genetische Untersuchungen und Analysen sowie der Umgang mit genetischen Proben und Daten in bestimmten Sach- und Regelungsbereichen vom Anwendungsbereich des GenDG ausgenommen. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 098/19 Seite 7 Dazu gehören genetische Untersuchungen und Analysen sowie der Umgang mit genetischen Proben und Daten zu Forschungszwecken. Nicht abschließend geklärt ist bislang die Frage, was unter dem Begriff „zu Forschungszwecken“ im Sinne des § 2 Abs. 2 Nr. 1 GenDG zu verstehen ist. Ausgenommen sind nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 GenDG ferner genetische Untersuchungen und Analysen sowie der Umgang mit genetischen Proben und genetischen Daten auf Grund von Vorschriften zum Strafverfahren, von Polizeigesetzen der Länder, von Vorschriften des Infektionsschutzgesetzes und darauf gestützten Rechtsverordnungen. 1.3. Begriffsbestimmungen des Gendiagnostikgesetzes In § 3 GenDG hat der Gesetzgeber wesentliche im Gesetz verwendete Begriffe definiert. Einige andere im Gesetz verwendete Begriffe, denen für den Anwendungsbereich des GenDG eine ebenso maßgebliche Bedeutung zukommt, hat der Gesetzgeber im Definitionskatalog des § 3 GenDG hingegen bislang nicht definiert. Dies gilt beispielsweise für den Begriff der „medizinischen Zwecke“, die Begriffe „Erkrankung oder gesundheitliche Störung“ und den der „Behandelbarkeit“. Diskutiert wird, ob die Gendiagnostik-Kommission (GEKO) in ihren Richtlinien für Klarstellung sorgen sollte. In § 3 Nr. 1 GenDG wird die „genetische Untersuchung“ definiert. Die gesetzliche Begriffsbestimmung nimmt hier methoden- und zweckbezogene Spezifizierungen vor, die durch die Begriffsbestimmungen der „genetischen Analyse“ in § 3 Nr. 2 GenDG und der „vorgeburtlichen Risikoabklärung “ in § 3 Nr. 3 GenDG konkretisiert werden. Der in § 3 Nr. 1a GenDG verwendete Begriff der „genetischen Eigenschaften“ wird demgegenüber in § 3 Nr. 4 GenDG definiert. Die „genetische Analyse zur Feststellung genetischer Eigenschaften“ im Sinne des § 3 Nr. 1a GenDG bezieht sich deshalb nur auf solche genetischen Eigenschaften, die im Sinne des § 3 Nr. 4 GenDG „ererbt oder während der Befruchtung oder bis zur Geburt erworben“, also bei der betroffenen Person in der Embryonalentwicklung neu entstanden sind. Über die inhaltliche Verweisung in § 3 Nr. 1a GenDG auf die Begriffsbestimmung der genetischen Analyse in der nachfolgenden Nr. 2 des § 3 GenDG wird der Begriff der genetischen Untersuchung für nachgeburtliche genetische Untersuchungen auf bestimmte labortechnische Untersuchungen beschränkt. Auf diese Weise werden insbesondere nachgeburtliche sog. Phänotyp-Untersuchungen aus dem Anwendungsbereich des GenDG herausgenommen. Im Rahmen der vorgeburtlichen Risikoabklärung im Sinne des § 3 Nr. 1b GenDG sind hingegen auch Phänotyp-Untersuchungen, zum Beispiel mittels bildgebender Verfahren, vom Begriff der genetischen Untersuchung erfasst. Dazu gehören beispielsweise Ultraschalluntersuchungen wie der Nackentransparenz-Test, bei dem im Rahmen des Ersttrimesterscreenings mittels Ultraschall gezielt nach Hinweisen zum Beispiel auf das Down-Syndrom gesucht wird. Die unterschiedliche Reichweite einer genetischen Untersuchung im Sinne von § 3 Nr. 1a GenDG einerseits und einer genetischen Untersuchung nach § 3 Nr. 1b GenDG andererseits zeigt das Spannungsverhältnis zwischen dem Ziel des Gesetzes, die mit der Untersuchung menschlicher genetischer Eigenschaften verbundenen möglichen Gefahren von genetischer Diskriminierung zu verhindern und gleichzeitig die Chancen des Einsatzes genetischer Untersuchungen für den einzelnen Menschen zu wahren. Die Unterscheidung im Rahmen von § 3 Nr. 1 GenDG und den Ausschluss der nachgeburtlichen Phänotyp-Untersuchungen aus dem Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 098/19 Seite 8 Anwendungsbereich des GenDG rechtfertigt der Gesetzgeber mit dem Zweck der Regelung der vorgeburtlichen Risikoabklärung, die insbesondere den Schutz des Ungeborenen zum Ziel habe. Die Untersuchung muss darüber hinaus mit dem Zweck durchgeführt werden, genetische Eigenschaften im Sinne des § 3 Nr. 4 GenDG festzustellen. Nicht erfasst werden damit insbesondere Untersuchungen auf genetische Neumutationen, die nach der Geburt entstehen, zum Beispiel Untersuchungen auf nicht-erblich bedingten Krebs. Erfasst werden allerdings nicht nur alle medizinisch motivierten Untersuchungen, sondern auch sog. „Life-Style-Tests (etwa auf die Lebenserwartung, die Musikalität oder die sexuelle Orientierung), die keinen medizinischen Zweck im Sinne des GenDG erfüllen. Die genetische Analyse im Sinne des § 3 Nr. 2 GenDG ist „eine auf die Feststellung genetischer Eigenschaften gerichtete Analyse“. Die vom Begriff der genetischen Analyse erfassten labortechnischen Untersuchungsmethoden werden dabei unter § 3 Nr. 2 a bis c GenDG nach drei verschiedenen labortechnischen Arten von genetischen Analysen im Einzelnen aufgeschlüsselt und wiederum definiert: Die zytogenetische Analyse, die molekulargenetische Analyse und die Genproduktanalyse. Die zytogenetische Analyse oder auch Chromosomenanalyse nach § 3 Nr. 2a GenDG dient der lichtmikroskopischen Feststellung von Abweichungen in der Anzahl und Struktur der 46 menschlichen Chromosomen. Eine der bekanntesten chromosomalen Veränderungen, die über derartige Tests diagnostiziert werden können, ist das sog. Down-Syndrom (Trisomie 21), bei dem das Chromosom 21 drei- statt zweimal vorhanden ist. Bei der Analyse des zu untersuchenden Gens und des Genoms auf molekularer Ebene nach § 3 Nr. 2b GenDG kann mittels einer Untersuchung der DNA eine Veränderung an dieser erkannt werden (z. B. zum Zweck einer Diagnose wegen Tuberkulose). Nach § 3 Nr. 2c GenDG wird auch eine auf die Feststellung genetischer Eigenschaften gerichtete Analyse der Genprodukte von DNA und RNA vom Gesetz erfasst. Die vorgeburtliche Risikoabklärung ist nach der gesetzlichen Definition in § 3 Nr. 3 GenDG „eine Untersuchung des Embryos oder Fötus, mit der die Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen bestimmter genetischer Eigenschaften mit Bedeutung für eine Erkrankung oder gesundheitliche Störung des Embryos oder Fötus ermittelt werden soll“. Die Regelung dient vor allem dazu, den Begriff der genetischen Untersuchung nach § 3 Nr. 1 GenDG zu konkretisieren. Vom Begriff der vorgeburtlichen Risikoabklärung im Sinne des § 3 Nr. 1b und Nr. 3 GenDG ist der Begriff der „vorgeburtlichen genetischen Untersuchung“ im Sinne der §§ 9 Abs. 2 Nr. 2, 15 GenDG abzugrenzen, der in § 3 GenDG nicht gesondert definiert ist. Bei der vorgeburtlichen Risikoabklärung (§ 3 Nr. 1b GenDG) wird mittels für die Schwangerschaft nichtinvasiver Methoden ein schwangerschaftsspezifisches Risiko für das Vorliegen numerischer Chromosomenstörungen (Trisomie 21, 18 und 13, Monosomi/Turner-Syndrom) des oder der Föten berechnet (wie beispielsweise im Rahmen des Ersttrimestercreenings), für die ein entsprechender Algorithmus vorliegt. Das Ergebnis ist eine Wahrscheinlichkeitsangabe für das Vorliegen bestimmter genetischer Eigenschaften mit Bedeutung für eine Erkrankung oder gesundheitliche Störung beim ungeborenen Kind. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 098/19 Seite 9 Im Gegensatz dazu erfolgt durch vorgeburtliche genetische Analysen zur Feststellung genetischer Eigenschaften (§ 3 Nr. 1a GenDG), der Ausschluss bzw. die Feststellung einer numerischen oder strukturellen Chromosomenstörung. Die dafür erforderlichen Proben genetischen Materials können invasiv oder für die Schwangerschaft nichtinvasiv aus fetaler DNA aus mütterlichem Blut – wie etwa beim sog. „PraenaTest“ – gewonnen werden. Anders als bei genetischen Analysen zur Feststellung genetischer Eigenschaften nach § 3 Nr. 2a bis c GenDG sieht das Gesetz für den Begriff der vorgeburtlichen Risikoabklärung keine methodenbezogene Begrenzung auf bestimmte Untersuchungsarten vor. Allerdings geht es in diesem Fall lediglich um die Abklärung einer gewissen Wahrscheinlichkeit (Risiko) für das Vorliegen bestimmter genetischer Eigenschaften mit Bedeutung für eine Erkrankung oder gesundheitliche Störung beim ungeborenen Kind, beispielweise von Chromosomenstörungen. In zeitlicher Hinsicht erfasst der Begriff der vorgeburtlichen Risikoabklärung nach § 3 Nr. 3 GenDG nur Untersuchungen des Embryos oder Fötus, also Untersuchungen vor der Geburt (zum Beispiel den sog. „Nackentransparenz-Test“ im Rahmen des Ersttrimesterscreenings ). Nicht erfasst werden deshalb etwa das Neugeborenenscreening, ebenso wie auch die PID und die PKD. Der Begriff der vorgeburtlichen Risikoabklärung nach § 3 Nr. 3 GenDG setzt zudem voraus, dass der Gegenstand der Risikoabklärung genetische Eigenschaften „mit Bedeutung für eine Erkrankung oder gesundheitliche Störung des Embryos oder Fötus“ sind. Dementsprechend erfasst dieser Begriff insbesondere keine sog. Life-Style-Tests. Auch eine auf die Feststellung des Geschlechts des Embryos oder Fötus gerichtete Untersuchung fällt nicht unter den Begriff der vorgeburtlichen Risikoabklärung. Genetische Eigenschaften im Sinne des § 3 Nr. 4 GenDG sind nur „ererbte oder während der Befruchtung oder bis zur Geburt erworbene, vom Menschen stammende Erbinformationen“. Damit enthält der Begriff keine methodenspezifische Begrenzung nach der Art der Feststellung. Genetische Veränderungen, die erst nach der Geburt entstanden sind (sog. Neumutationen), werden nicht vom Begriff der genetischen Eigenschaft erfasst und fallen deshalb nicht in den Anwendungsbereich des GenDG. Aus dem Wortlaut des § 3 Nr. 4 GenDG ergibt sich, dass nur Erbinformationen menschlichen Ursprungs vom Begriff der genetischen Eigenschaften erfasst werden. Dem in § 3 Nr. 5 GenDG definierten Begriff der „verantwortlichen ärztlichen Person“ kommt im GenDG eine zentrale Bedeutung zu. Genetische Untersuchungen zu medizinischen Zwecken sollen nur durch dazu qualifizierte Personen vorgenommen werden und die Untersuchung einschließlich der Aufklärung und genetischen Beratung sowie die Befundmitteilung sollen angemessen und kompetent durchgeführt werden. Der Begriff der verantwortlichen ärztlichen Person wird im Gesetz an verschiedenen Stellen verwendet, das genaue Begriffsverständnis bleibt aber offen. Spezifizierungen des Begriffs der genetischen Untersuchungen zu medizinischen Zwecken enthalten die gesetzlichen Begriffsbestimmungen in § 3 Nr. 6 bis 9 GenDG. Diese genetischen Untersuchungen werden von § 3 Nr. 6 GenDG als diagnostische oder prädiktive genetische Untersuchungen definiert, die wiederum in den Nrn. 7 und 8 des § 3 GenDG eigene Definitionen finden. In der Vorschrift des § 3 Nr. 9 GenDG werden schließlich die genetischen Reihenuntersuchungen als besondere Form der genetischen Untersuchung zu medizinischen Zwecken definiert. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 098/19 Seite 10 Unbeantwortet lässt die Regelung in § 3 Nr. 6 GenDG die Frage, inwieweit eine genetische Untersuchung zu medizinischen Zwecken einen Doppelcharakter besitzen, also eine diagnostische und eine prädiktive genetische Untersuchung umfassen kann sowie welche Konsequenzen hieraus für den Kanon der anwendbaren Regeln folgen. Bis auf die pharmakogenetischen Untersuchungen nach § 3 Nr. 7c GenDG setzen alle der in den Nrn. 7 und 8 des § 3 GenDG unterschiedenen Arten der genetischen Untersuchungen zu medizinischen Zwecken voraus, dass die Untersuchung auf die Feststellung oder Vorhersage einer Erkrankung oder gesundheitlichen Störung gerichtet ist. Weder im GenDG noch in der gesetzgeberischen Begründung finden sich jedoch nähere Erläuterungen zum Begriff der Erkrankung oder gesundheitlichen Störung. Maßgeblich dürfte für das GenDG wohl der medizinische Krankheitsbegriff sein, wonach Krankheit als eine Störung der Lebensvorgänge in Organen oder dem gesamten Organismus mit der Folge von subjektiv empfundenen oder objektiv feststellbaren körperlichen, geistigen oder seelischen Veränderungen definiert wird. Auf die Behandelbarkeit oder die Behandlungsbedürftigkeit der Erkrankung oder gesundheitlichen Störung kommt es im Kontext des GenDG nicht an. Ausgehend von diesem weiten Begriffsverständnis der Erkrankung oder gesundheitlichen Störung gelten auch genetische Untersuchungen zur Ermittlung der Wahrscheinlichkeit von Behinderungen des Embryos oder Fötus als Form der vorgeburtlichen Risikoabklärung im Sinne des § 3 Nr. 3 GenDG. Diagnostische genetische Untersuchungen werden in § 3 Nr. 7a bis d GenDG in Abhängigkeit vom Ziel der genetischen Untersuchung in vier Gruppen unterteilt: Zur Abklärung einer bereits bestehenden Erkrankung oder gesundheitlichen Störung (§ 3 Nr. 7a) Zur Feststellung genetischer Eigenschaften, die zusammen mit der Einwirkung bestimmter äußerer Faktoren oder Fremdstoffe zu einer Erkrankung oder gesundheitlichen Störung führen können (§ 3 Nr. 7b) Zur Feststellung genetischer Eigenschaften, die die Verträglichkeit und Wirkung von Arzneimitteln beeinflussen können (§ 3 Nr. 7c) Zur Ermittlung von Eigenschaften, die das Nicht-Auftreten einer Erkrankung oder gesundheitlichen Störung bewirken können (§ 3 Nr. 7d) Die Einordnung der Untersuchungen nach § 3 Nr. 7b GenDG in die Gruppe der „diagnostischen“ genetischen Untersuchungen wird in der Literatur aus systematischen Gründen kritisch gesehen, da hier auf einen Zustand abgestellt werde, der sich noch nicht in einer Erkrankung oder gesundheitlichen Störung manifestiert habe, es also nicht um eine klare Diagnose gehe. Vielmehr enthalte die Abklärung nach § 3 Nr. 7 Buchstabe b GenDG – trotz ihrer systematischen Klassifizierung als diagnostische genetische Untersuchung – auch ein „prädiktives Element“. In der Praxis dürfte die Abgrenzung zwischen den nach § 3 Nr. 7b GenDG als diagnostisch klassifizierten genetischen Untersuchungen und den prädiktiven im Sinne von § 3 Nr. 8 GenDG häufig schwierig werden. Eine solche Abgrenzung ist auch mit erheblichen rechtlichen Konsequenzen verbunden. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 098/19 Seite 11 Auch die eindeutige Zuordnung einer Untersuchung als Abklärung von genetischen Resistenzen im Sinne des § 3 Nr. 7d GenDG wird häufig nicht möglich sein, da aufgrund der Multifunktionalität der Gene ein und dasselbe Merkmal in bestimmten Konstellationen eine risikoerhöhende, in anderen eine risikosenkende Wirkung haben kann. § 3 Nr. 8 GenDG bestimmt den Begriff der prädiktiven genetischen Untersuchungen. Danach ist eine prädiktive genetische Untersuchung eine genetische Untersuchung mit dem Ziel der Abklärung einer erst zukünftig auftretenden Erkrankung oder gesundheitlichen Störung (a) oder einer Anlageträgerschaft für Erkrankungen oder gesundheitliche Störungen bei Nachkommen (b). Die besondere Bedeutung prädiktiver genetischer Untersuchungen im Verhältnis zu diagnostischen genetischen Untersuchungen ergibt sich vor allem daraus, dass das GenDG für derartige Untersuchungen spezifische Regelungen enthält, indem es in § 7 Abs. 1, 2. Alt. GenDG einen qualifizierten Arztvorbehalt und in § 10 Abs. 2 GenDG im Zusammenhang mit der genetischen Beratung weitergehende Anforderungen festlegt. Genetische Reihenuntersuchungen sind nach der Begriffsbestimmung des § 3 Nr. 9 GenDG genetische Untersuchungen zu medizinischen Zwecken, die systematisch der gesamten Bevölkerung oder bestimmten Personengruppen in der gesamten Bevölkerung angeboten werden. Mithilfe von Reihenuntersuchungen bzw. Screenings können Erkrankungen, gesundheitliche Störungen oder ihre Prädisposition bereits in einem klinisch noch symptomlosen Stadium gesucht und schließlich erfasst werden. Dazu gehört beispielsweise das Neugeborenen- Screening, mit dem auf Genprodukte-Ebene auf behandelbare Stoffwechselerkrankungen wie etwa Phenylketonurie untersucht wird. Eine genetische Probe ist nach der Legaldefinition in § 3 Nr. 10 GenDG das biologische Material, das zur Verwendung für genetische Analysen vorgesehen ist oder an dem solche Analysen vorgenommen wurden. Hierfür kommt jedes menschliche biologische Material in Betracht. Genetische Daten sind nach der Legaldefinition des § 3 Nr. 11 GenDG alle Daten über genetische Eigenschaften, die durch eine genetische Untersuchung oder die im Rahmen einer genetischen Untersuchung durchgeführte genetische Analyse gewonnen worden sind. Keine genetischen Daten im Sinne des Gesetzes sind genetische Eigenschaften, die außerhalb genetischer Untersuchungen und Analysen bekannt werden. Dies ist jedoch mit dem Problem verbunden, dass genetische Informationen, die nicht aus genetischen Untersuchungen oder Analysen hervorgegangen sind, im Rahmen des GenDG nicht geschützt sind. 1.4. Überblick zu den Regelungen für genetische Untersuchungen zu medizinischen Zwecken vor und nach der Geburt in den §§ 7 bis 16 GenDG Die Regelungen in Abschnitt 2 des GenDG finden keine Anwendung auf genetische Untersuchungen , die nicht-medizinischen Zwecken im Sinne des § 3 Nr. 6 GenDG dienen. Ausgeschlossen sind damit insbesondere die sog. Life-Style-Tests. Zudem sind auch Untersuchungen zu medizinischen Zwecken, die nach der Begriffsbestimmung des § 3 Nr. 1 GenDG nicht als genetische Untersuchung gelten, nicht den Regelungen der §§ 7 ff. GenDG unterworfen (etwa bei genetischen Merkmalen von Krebszellen). Nach Auffassung der GEKO sind zur Bestimmung des Begriffs der genetischen Untersuchungen zu medizinischen Zwecken die geläufigen Krankheits- bzw. Gesundheitsbegriffe nicht hilfreich. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 098/19 Seite 12 Die Regelungen haben im Wesentlichen den Schutz der informationellen Selbstbestimmung zum Gegenstand und dienen insbesondere der rechtlichen Ausgestaltung der Trias „Beratung – Diagnostik – Beratung“, mit der die freie Entscheidung der informierten Patientin oder des informierten Patienten für oder gegen eine genetische Untersuchung ermöglicht werden soll. Vor der Durchführung einer genetischen Untersuchung zu medizinischen Zwecken ist die betroffene Person über Wesen, Bedeutung und Tragweite der genetischen Untersuchung aufzuklären . Im Falle einer prädiktiven genetischen Untersuchung muss vor der genetischen Untersuchung zusätzlich eine genetische Beratung erfolgen. Darüber hinaus ist eine Einwilligung erforderlich, die den Vorgaben des § 8 GenDG genügt. Genetische Untersuchungen zu medizinischen Zwecken unterliegen nach § 7 GenDG zudem einem umfassenden Arztvorbehalt. Genetische Untersuchungen zu medizinischen Zwecken setzen nicht notwendigerweise eine gendiagnostische Indikation voraus. Nach dem Vorliegen des Untersuchungsergebnisses ist die untersuchte Person nach Maßgabe der in § 10 GenDG getroffene Regelungen genetisch zu beraten . Die Mitteilung des Ergebnisses einer genetischen Untersuchung und des Ergebnisses der genetischen Analyse hat dann nach den Vorgaben des § 11 GenDG zu erfolgen. Die Regelungen zur Aufklärung, Einwilligung, genetischen Beratung und zum Arztvorbehalt sollen dazu dienen, dass die betroffenen Personen nicht unvorbereitet in eine Untersuchungssituation geraten. Sie sollen die Betroffenen vielmehr in die Lage versetzen, ihr informationelles Selbstbestimmungsrecht auszuüben, eine eigenverantwortliche Entscheidung über die Durchführung einer genetischen Untersuchung zu treffen und mit den Untersuchungsergebnissen angemessen umzugehen. Im Hinblick auf genetische Untersuchungen zu medizinischen Zwecken gehört vor allem die genetische Beratung nach § 10 GenDG an zentraler Stelle zu den wesentlichen Rahmenbedingungen des Gesetzes. Prädiktive genetische Untersuchungen sowie alle pränatalen genetischen Untersuchungen sind deshalb von einem verpflichtenden Angebot vor und nach der genetischen Untersuchung begleitet. Im Fall von genetischen Untersuchungen bei nicht einwilligungsfähigen Personen (§ 14 GenDG), vorgeburtlichen genetischen Untersuchungen (§ 15 GenDG) und genetischen Reihenuntersuchungen (§ 16 GenDG) werden die allgemeinen Anforderungen spezifiziert und ergänzt. In der rechtswissenschaftlichen Literatur werden zum Teil erhebliche Zweifel an der „Sinnhaftigkeit des Gesetzesaufbaus“ im 2. Abschnitt des GenDG geäußert, weil in den §§ 7 bis 16 GenDG nicht nur Regeln für genetische Untersuchungen zu medizinischen Zwecken normiert würden, sondern darüber hinaus auch allgemein arztrechtliche, die für das gesamte Gesetz Geltung beanspruchten . 1.5. Einrichtung und Aufgaben der Gendiagnostik-Kommission Das GenDG sieht in § 23 Abs. 1 die Einrichtung einer interdisziplinär zusammengesetzten, unabhängigen Gendiagnostik-Kommission (GEKO) beim Robert Koch-Institut (RKI) vor, die sich aus Sachverständigen aus den Fachrichtungen Medizin, Biologie, Ethik und Recht sowie Vertretern der für die Wahrnehmung der Interessen der Patientinnen und Patienten, der Verbraucherinnen und Verbraucher und der Selbsthilfe behinderter Menschen auf Bundesebene maßgeblichen Organisationen zusammensetzt. Das BMG hat zuletzt im November 2018 die Mitglieder und stellvertretenden Mitglieder der GEKO für die vierte Berufungsperiode für den Zeitraum 2018 bis 2021 neu berufen. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 098/19 Seite 13 Hauptaufgabe der GEKO ist die Erstellung von Richtlinien in Bezug auf den allgemein anerkannten Stand der Wissenschaft und Technik für zahlreiche mit genetischen Untersuchungen zusammenhängende Bereiche gemäß § 23 Abs. 2 GenDG. Die GEKO hat bisher insgesamt elf Richtlinien erlassen, von denen neun Bedeutung für genetische Untersuchungen zu medizinischen Zwecken im Sinne der §§ 7 bis 16 GenDG haben. Die Vorschrift des § 23 Abs. 2 Nr. 1a bis d GenDG betrifft die Beurteilung von genetischen Eigenschaften in bestimmten medizinischen Zusammenhängen. Da die Definition genetischer Eigenschaften den Anwendungsbereich des GenDG maßgeblich konkretisiert, hatte die GEKO auf der Grundlage dieses Richtlinienauftrags einen ganz erheblichen Gestaltungsspielraum bis hin zur Bestimmung des Anwendungsbereichs des GenDG, den sie aber nicht in vollem Umfang in Anspruch genommen hat: In zwei der auf dieser Rechtsgrundlage erlassenen Richtlinien wird der gesetzgeberische Auftrag deutlich umgesetzt: Die „Richtlinie der Gendiagnostik-Kommission (GEKO) für die Beurteilung genetischer Eigenschaften hinsichtlich ihrer Bedeutung für die Wirkung eines Arzneimittels bei einer Behandlung gemäß § 23 Abs. 2 Nr. 1b GenDG“ befasst sich mit der Beurteilung hereditärer genetischer Eigenschaften geborener Menschen sowie von Embryonen und Föten während der Schwangerschaft im Hinblick auf die Wirkung eines Arzneimittels bei einer Behandlung. Durch die „Richtlinie der Gendiagnostik-Kommission (GEKO) zu genetischen Untersuchungen bei nicht-einwilligungsfähigen Personen nach § 14 in Verbindung mit § 23 Abs. 2 Nr. 1c GenDG“ wird die in § 14 Abs. 1 Nr. 1 GenDG definierte Grundvoraussetzung der Vermeidung, Behandlung oder Vorbeugung einer genetisch bedingten Erkrankung oder gesundheitlichen Störung bei nicht-einwilligungsfähigen Personen auf die Vermeidung weiterer diagnostischer Belastungen und inadäquater Therapieversuche erweitert. Zur Umsetzung des jeweiligen gesetzgeberischen Auftrags in § 23 Abs. 2 Nr. 2a, 3, 4, 5 und 6 GenDG sind darüber hinaus folgende Richtlinien erlassen worden: „Richtlinie der Gendiagnostik-Kommission (GEKO) über die Anforderungen an die Qualifikation zur und Inhalte der genetischen Beratung gemäß § 23 Abs. 2 Nr. 2a und § 23 Abs. 2 Nr. 3 GenDG“ „Richtlinie der Gendiagnostik-Kommission (GEKO) für die Anforderungen an die Inhalte der Aufklärung bei genetischen Untersuchungen zu medizinischen Zwecken gemäß § 23 Abs. 2 Nr. 3 GenDG“ „Richtlinie der Gendiagnostik-Kommission (GEKO) für die Anforderungen an die Qualitätssicherung genetischer Analysen zu medizinischen Zwecken gemäß § 23 Abs. 2 Nr. 4 GenDG“ „Richtlinie der Gendiagnostik-Kommission (GEKO) für die Anforderungen an die Durchführung der vorgeburtlichen Risikoabklärung sowie an die insoweit erforderlichen Maßnahmen zur Qualitätssicherung gemäß § 23 Abs. 2 Nr. 5 GenDG“ „Richtlinie der Gendiagnostik-Kommission (GEKO) für die Anforderungen an die Durchführung genetischer Reihenuntersuchungen gemäß § 23 Abs. 2 Nr. 6 GenDG“. Den von der GEKO für genetische Untersuchungen zu medizinischen Zwecken erlassenen Richtlinien kommt in der Praxis eine erhebliche Bedeutung zu. Auch wenn sie letztlich eine Entscheidung entsprechend den Umständen des jeweiligen Einzelfalles in ärztlicher Verantwortung nicht Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 098/19 Seite 14 ersetzen können, schaffen sie doch in beträchtlichem Umfang Klarstellungen und Konkretisierungen für die Praxis und erleichtern damit die rechtskonforme Durchführung von genetischen Untersuchungen in all ihren Phasen. Es ist deshalb davon auszugehen, dass die Ärzteschaft ihr Handeln eng an den Richtlinien orientiert, allein schon um haftungsrechtliche Risiken zu vermeiden . Aus der Regelung des § 23 GenDG geht allerdings nicht klar hervor, ob die Richtlinien der GEKO für die ausführenden Ärzte aus sich heraus verbindlich sein oder lediglich deklaratorisch den Stand der Wissenschaft und Technik wiedergeben sollen. In der Literatur wird deshalb darauf hingewiesen, dass es wünschenswert sei, im Gesetz eine entsprechende Klarstellung vorzunehmen. Einige der von der GEKO erlassenen Richtlinien beeinflussen in erheblichem Umfang die ärztliche Berufsausübung. Insoweit wird im Schrifttum die Frage aufgeworfen, ob der Bundesgesetzgeber im Rahmen der konkurrierenden Gesetzgebung des Bundes nach Art. 74 Abs. 1 GG die Regelungskompetenz hatte, der GEKO die Richtlinienerstellung für die ärztliche Berufsausübung zu übertragen. Nach der Vorschrift des Art. 74 Abs. 1 Nr. 19 GG steht dem Bundesgesetzgeber im Rahmen der konkurrierenden Gesetzgebung nur das Recht zu, die Ausbildung und die Zulassung zum ärztlichen Heilberuf zu regeln. Dies bedeutet, dass das Recht zur Regelung der Berufsausübung den Ländern vorbehalten ist und damit auch Regelungen über die Anforderungen an die Qualifikation und Weiterbildung von Ärztinnen und Ärzten in die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz der Länder fallen. In der Literatur wird die Richtlinienkompetenz im Hinblick auf die Gesetzgebungskompetenz der Länder zum Teil für verfassungswidrig gehalten. Auch die Bundesärztekammer hat diese Auffassung vertreten. Dem steht allerdings die Kompetenz des Bundesgesetzgebers zur Regelung genetischer Untersuchungen zu medizinischen Zwecken nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 26 GG entgegen. Der Bund hat hier im Rahmen der konkurrierenden Gesetzgebung die Kompetenz zur Schaffung von Vorschriften auf dem Gebiet der „Untersuchung von Erbinformationen“. Die GEKO veröffentlicht Mitteilungen zu spezifischen Themen, die von zentraler Bedeutung für die Richtlinien oder von besonderem Interesse für die Fachöffentlichkeit sind. Diese Mitteilungen dienen zum einen dazu, Einschätzungen der GEKO vorab an die Öffentlichkeit zu bringen. Zum anderen nutzt die GEKO die Form der Mitteilung, um Hinweise zur Auslegung oder Umsetzung ihrer Richtlinien zu geben. Bislang hat die GEKO insgesamt zehn solcher Mitteilungen veröffentlicht. - Die 1. Mitteilung (zu den Begriffen „genetische Analyse“ und „ Nachweis“ der Einwilligung ), - die 5. Mitteilung (zur Vertretungsregelung bei der Ergebnismitteilung), - die 6. Mitteilung (zum Verständnis der Richtlinie über die Anforderungen an die Qualifikation zur und Inhalte der genetischen Beratung), - die 8. Mitteilung (zur Einordnung der nicht-invasiven Pränataldiagnostik und der diesbezüglichen Beratungsqualifikation), - die 9. Mitteilung (zu den unterschiedlichen Qualifikationsanforderungen für fachgebundene genetische Beratungen einerseits und für genetische Untersuchungen andererseits) - die 10. Mitteilung (zur Beschlussfassung des Gemeinsamen Bundesausschusses zur Änderung der Kinder-Richtlinie). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 098/19 Seite 15 Bei Vorliegen besonderer Voraussetzungen darf eine genetische Reihenuntersuchung vorgenommen werden. Der Gesetzgeber hat die Durchführung unter den Vorbehalt einer vorherigen Prüfung und Bewertung der Untersuchung durch die GEKO gestellt, die nach § 16 Abs. 2 Satz 1 GenDG vorab eine schriftliche Stellungnahme zu der geplanten genetischen Reihenuntersuchung und eine entsprechende Bewertung abzugeben hat. Die Bewertung und Stellungnahme der GEKO ist aber rechtlich nicht bindend, sondern hat lediglich empfehlenden Charakter. Nach der Bestimmung des § 23 Abs. 4 GenDG hat die GEKO in einem Tätigkeitsbericht, der erstmals zum Ablauf des Jahres 2012 zu erstellen war und alle drei Jahren zu erarbeiten ist, die Entwicklung in der genetischen Diagnostik zu bewerten. Mit dieser Regelung soll sichergestellt werden, dass die Entwicklung in diesem sich schnell fortentwickelnden wissenschaftlichen Bereich kontinuierlich verfolgt wird. Gegebenenfalls erforderliche Anpassungen an die gesetzlichen Regelungen des GenDG sollen rechtzeitig erkannt werden und dem Gesetzgeber wird so die Möglichkeit einer Anpassung des Gesetzes gegeben. Bislang hat die GEKO insgesamt drei Tätigkeitsberichte erstellt: 1. Tätigkeitsbericht: Zeitraum November 2009 bis Ende 2012 2. Tätigkeitsbericht: 2013 bis 2015 3. Tätigkeitsbericht: 2016 bis 2018. Im ersten Tätigkeitsbericht stehen die molekulare Karyotypisierung zur hochauflösenden Analyse von Chromosomenaberrationen und das sog. Next-Generation-Sequencing (NGS) im Vordergrund . Der zweite Tätigkeitsbericht widmet sich vor allem der nicht-invasiven Pränataldiagnostik (NIPD) und der Diagnostik von Neumutationen und somatischen Mutationen im Tumorgewebe. Die GEKO kritisiert die Erkenntnisrückstände auf dem Gebiet der genetischen Diagnostik sowohl in der Ärzteschaft als auch in anderen Gesundheitsberufen. Angesichts der „atemberaubenden “ Entwicklungen auf dem Gebiet der Genomforschung bedürfe es hier dringend einer Verbesserung des Wissens und der Urteilsfähigkeit im Bereich der Genetik, um einen verantwortungsvollen und patientenorientierten Umgang mit den Möglichkeiten der diagnostischen und prädiktiven genetischen Analysen sicherzustellen. Neben spezifischen Weiterbildungsinhalten für Ärztinnen und Ärzte sei auch für die pflegerischen Gesundheitsfachberufe eine spezifische Ausbildung nach dem angelsächsischen Vorbild des „genetic counsellors“ oder der „specialised breast nurse“ zu diskutieren, die eine Delegation ärztlicher Leistungen unter ärztlicher Aufsicht ermöglichten. In ihrem dritten Tätigkeitsbericht stellt die GEKO zunächst die Entwicklung der genetischen Diagnostik zu noch nicht etablierten oder nicht-medizinischen Zwecken als eine bedeutsame Entwicklung der genetischen Diagnostik heraus. Im Anschluss hieran befasst sich die GEKO erneut mit NGS-basierten Untersuchungen zu diagnostischen Zwecken, die im Berichtszeitraum (2016-2018) umfassend Eingang in die molekulargenetische Diagnostik und somit die Patientenversorgung in Deutschland gefunden hätten. Mit dem Inkrafttreten des überarbeiteten Einheitlichen Bewertungsmaßstabs (EBM) für das Fachgebiet Humangenetik am 1. Juli 2016 und der Schaffung eines neuen Kapitels für Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 098/19 Seite 16 Molekularpathologie sei der Einsatz von NGS-Panels für gesetzlich Krankenversicherte erheblich erweitert worden. Mit der Implementierung NGS-basierter Untersuchungen in der Krankenversorgung und der parallelen Entwicklung weiterer hochauflösender Technologien wie bildgebender Verfahren unterliege die moderne Medizin einer „rasanten und grundlegenden Transformation“. Diese Entwicklung müsse durch aktualisierte rechtliche Rahmenbedingungen begleitet werden. Die sinnvolle Nutzung und Bewertung von NGS-Daten stelle eine interdisziplinäre Herausforderung dar. Das Einbinden von Patientenvertreterinnen und -vertretern, juristischen Expertinnen und Experten sowie von Vertreterinnen und Vertretern der Politik in eine breite Diskussion über die Zukunft der Genom-Diagnostik in Deutschland sei „unerlässlich“. Der dritte Tätigkeitsbericht enthält außerdem eine Bewertung der Entwicklungen in der Pränataldiagnostik für den Zeitraum von 2016 bis 2018. In den letzten Jahren seien deutliche Fortschritte in der pränatalen Diagnostik und Therapie erzielt worden. Darüber hinaus befänden sich heute vorgeburtliche Behandlungsansätze genetischer Auffälligkeiten in der Entwicklung. Sollten sich die ersten vielversprechenden Ergebnisse konsolidieren, sei es zukünftig möglich, einzelne genetische Erkrankungen auch vorgeburtlich zu behandeln. Ein besonderer Fokus liege dabei in der Behandlung des Down-Syndroms. Im Tiermodell sei bereits versucht worden, die pränatale Entwicklung des Gehirns positiv zu beeinflussen. Inwieweit dieser Ansatz auf Menschen übertragen werden könne, sei bislang allerdings ebenso ungeklärt, wie die Frage, welche Risiken mit diesen Behandlungsansätzen verbunden seien. Sofern sich ihre positiven Aspekte in großen klinischen Studien bestätigen würden und die Vorteile einer Behandlung die Risiken überwögen, sei zu diskutieren, ob sich die Ziele der genetischen Pränataldiagnostik zukünftig verändern sollten. Es ergäben sich insoweit verschiedene Fragen an den zukünftigen Rahmen, in dem diese vorgeburtlichen genetischen Untersuchungen angeboten werden sollten. Diese bezögen sich unter anderem auf etwaige Rechte bzw. Interessen des zukünftigen Kindes unter Berücksichtigung der Rechte der Schwangeren, auf die Ausrichtung der Beratung der Schwangeren und auf den Zugang zu genetischen Untersuchungen in der Schwangerschaft, die bisher nur als individuelle Gesundheitsleistungen angeboten würden. 2. Zweck des Gendiagnostikgesetzes Nach § 1 des Gendiagnostikgesetzes (GenDG)1 besteht der Zweck des Gesetzes darin, „die Voraussetzungen für genetische Untersuchungen und im Rahmen genetischer Untersuchungen durchgeführte genetische Analysen sowie die Verwendung genetischer Proben und Daten zu bestimmen und eine Benachteiligung auf Grund genetischer Eigenschaften zu verhindern, um insbesondere die staatliche Verpflichtung zur Achtung und zum Schutz der Würde des Menschen und des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung zu wahren“. Der gesetzgeberischen Begründung 1 Gesetz über genetische Untersuchungen bei Menschen (Gendiagnostikgesetz – GenDG) vom 31. Juli 2009 (BGBl. I S. 2529, 3672), zuletzt geändert durch Art. 23 des Gesetzes vom 20. November 2019 (BGBl. I S. 1626). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 098/19 Seite 17 zufolge2 kommt der Staat mit der gesetzlichen Regelung genetischer Untersuchungen und im Rahmen genetischer Untersuchungen durchgeführter genetischer Analysen seiner sich aus der staatlichen Schutzpflicht hinsichtlich der Grundrechte ergebenden Verpflichtung zum Schutz der Würde des Menschen und der informationellen Selbstbestimmung sowie der Wahrung des Gleichheitssatzes durch die Verhinderung genetischer Benachteiligung nach. Ziel des Gesetzes sei es, einen Ausgleich zwischen den Chancen des Einsatzes genetischer Untersuchungen für den einzelnen Menschen und den damit verbundenen Missbrauchsgefahren und Risiken zu schaffen.3 Mit dem Gesetz sollen letztlich Anforderungen an eine gute genetische Untersuchungspraxis verbindlich gemacht werden.4 Im Vergleich zum Entwurf eines Gesetzes über genetische Untersuchungen bei Menschen aus dem Jahr 20065, der in seinem § 1 zusätzlich noch den Schutz der Forschungsfreiheit als gesetzlichen Zweck enthielt, wurde dieser Schutzaspekt im Entwurf eines Gesetzes über genetische Untersuchungen bei Menschen aus dem Jahr 20086 vollständig herausgenommen und fand dann auch keinen Eingang in die endgültige Fassung des GenDG. Die einfachgesetzlichen Regelungen des GenDG bewirken, dass die damit verbundenen verfassungsrechtlichen Gewährleistungen nicht nur im Verhältnis des Staates zum Bürger, sondern auch unmittelbar zwischen Privaten gelten.7 Soweit der Anwendungsbereich einer Norm des GenDG eröffnet ist, bedarf es daher keines Rückgriffs auf zivilrechtliche Generalklauseln.8 Im Wesentlichen lassen sich folgende grundrechtliche Gewährleistungsaspekte unterscheiden, die Gegenstand des GenDG sind: die Verhinderung einer Benachteiligung auf Grund genetischer Eigenschaften und Schutz der Menschenwürde, das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, das Recht auf Wissen und Nichtwissen sowie das Recht auf körperliche Unversehrtheit. 2 Vgl. die Begründung im Gesetzentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes über genetische Untersuchungen bei Menschen (Gendiagnostikgesetz – GenDG), in: BT-Drs. 16/10532 vom 13. Oktober 2008, S. 19 zu § 1. 3 Vgl. auch hierzu die Begründung im Gesetzentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes über genetische Untersuchungen bei Menschen (Gendiagnostikgesetz – GenDG), in: BT-Drs. 16/10532, S. 16 (Allgemeiner Teil der Begründung) und S. 19 zu § 1. 4 Vgl. die Begründung im Gesetzentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes über genetische Untersuchungen bei Menschen (Gendiagnostikgesetz – GenDG), in: BT-Drs. 16/10532, S. 16 (Allgemeiner Teil der Begründung). 5 Vgl. den Gesetzentwurf der Abgeordneten Birgitt Bender, Volker Beck (Köln), Markus Kurth, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Entwurf eines Gesetzes über genetische Untersuchungen bei Menschen (Gendiagnostikgesetz – GenDG), in: BT-Drs. 16/3233 vom 3. November 2006, S. 5 und 22. 6 Vgl. den Gesetzentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes über genetische Untersuchungen bei Menschen (Gendiagnostikgesetz – GenDG), in: BT-Drs. 16/10532 vom 13. Oktober 2008. 7 Stockter, in: Prütting (Hrsg.), Medizinrecht Kommentar, GenDG, § 1 Rn. 1; Hahn, in: Kern (Hrsg.), GenDG, § 1 Rn. 2; Meyer, Genetische Untersuchungen zu medizinischen Zwecken und zu Forschungszwecken an nicht einwilligungsfähigen Personen, S. 128 f. 8 Hahn, in: Kern (Hrsg.), GenDG, § 1 Rn. 2. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 098/19 Seite 18 2.1. Verhinderung einer Benachteiligung auf Grund genetischer Eigenschaften und Schutz der Menschenwürde Eines der Ziele des Gesetzgebungsverfahrens war es, eine auf genetischen Eigenschaften beruhende Diskriminierung zu unterbinden bzw. zumindest zu begrenzen. Es bestand die Sorge, die Gesellschaft könne auf den steten Fortschritt in der Humangenetik und die damit verbundene zunehmende Interpretierbarkeit genetischer Informationen durch Ausgrenzung und Ungleichbehandlung eigentlich gesunder Personen reagieren.9 Zu diesem Zweck wurde im Allgemeinen Teil des GenDG die Vorschrift des § 4 Abs. 1 geschaffen, nach der niemand wegen seiner oder der genetischen Eigenschaften einer genetisch verwandten Person, wegen der Vornahme oder Nichtvornahme einer genetischen Untersuchung oder Analyse bei sich oder einer genetisch verwandten Person oder wegen des Ergebnisses einer solchen Untersuchung oder Analyse benachteiligt werden darf. Als allgemeines genetisches Benachteiligungsverbot kommt die Regelung in § 4 Abs. 1 GenDG gegenüber den speziellen Benachteiligungsverboten des Besonderen Teils des GenDG nur subsidiär zur Anwendung.10 Spezielle Benachteiligungsverbote finden sich in den §§ 18 und 19 GenDG.11 Eine besondere ethische Relevanz erfährt die präventive Bekämpfung genetischer Diskriminierung auch dadurch, dass genetische Eigenschaften relativ problemlos Rückschlüsse auf die Eigenschaften Dritter zulassen. Denkbar sind diesem Zusammenhang sogar Massendiskriminierungen, etwa durch die Benachteiligung von Personen allein aufgrund ihres Verwandtschaftsverhältnisses oder – noch weitergehender – aufgrund ihrer Rassenzugehörigkeit .12 Das Verbot genetischer Diskriminierung findet seine verfassungsrechtlichen Grundlagen im Schutz der Menschenwürde aus Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Grundgesetz (GG)13 und dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG.14 2.2. Recht auf informationelle Selbstbestimmung Ein weiterer wesentlicher Schutzaspekt des GenDG ist die Wahrung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung.15 Der Schutzbereich dieses Rechts wurde vom Bundesverfassungsgericht im sog. „Volkszählungsurteil“ festgelegt. Danach umfasst das Recht auf freie Entfaltung der 9 Hahn, in: Kern (Hrsg.), GenDG, § 1 Rn. 8. 10 Präve, Das Gendiagnostikgesetz aus versicherungsrechtlicher Sicht, in: Versicherungsrecht (VersR), 2009, S. 857 (859); Hahn, in: Kern (Hrsg.), GenDG, § 1 Rn. 8. 11 Das Benachteiligungsverbot des § 18 GenDG betrifft genetische Untersuchungen und Analysen im Zusammenhang mit dem Abschluss eines Versicherungsvertrages und das des § 21 GenDG ein arbeitsrechtliches Benachteiligungsverbot . 12 Hahn, in: Kern (Hrsg.), GenDG, § 1 Rn. 9. 13 Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 100-1, veröffentlichten bereinigten Fassung, zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes vom 15. November 2019 (BGBl. I S. 1546). 14 Hahn, in: Kern (Hrsg.), GenDG, § 1 Rn. 12; Stockter, in: Prütting (Hrsg.), Medizinrecht Kommentar, GenDG, § 1 Rn. 3; Schillhorn/Heidemann, GenDG, § 1 Rn. 6. 15 Stockter, in: Prütting (Hrsg.), Medizinrecht Kommentar, GenDG, § 1 Rn. 5. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 098/19 Seite 19 Persönlichkeit die aus dem Gedanken der Selbstbestimmung folgende Befugnis des Einzelnen, grundsätzlich selbst zu entscheiden, wann und innerhalb welcher Grenzen persönliche Lebenssachverhalte offenbart werden.16 Nach dem Willen des Gesetzgebers kommt dem in Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG grundrechtlich verankerten Recht auf informationelle Selbstbestimmung ein besonders hoher Stellenwert im GenDG zu. Dies wird bereits im ersten Satz der Gesetzesbegründung deutlich, mit dem der Gesetzgeber zum Ausdruck gebracht hat, dass angesichts der Entwicklungen der Humangenomforschung die Notwendigkeit bestehe, die Bürgerinnen und Bürger in die Lage zu versetzen, ihr Recht auf informationelle Selbstbestimmung auszuüben.17 Insbesondere zu diesem Zweck wurde eine Vielzahl möglicher Verstöße gegen die Vorgaben des Gesetzes in den §§ 25 und 26 GenDG mit einer Straf- oder Bußgeldandrohung belegt.18 Eine Ausprägung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung im GenDG besteht beispielsweise darin, dass betroffene Personen nach § 8 Abs. 1 GenDG selbst sowohl über die Vornahme als auch über den Umfang einer genetischen Untersuchung zu medizinischen Zwecken zu entscheiden haben. Das gilt auch für die Art des Erhebungsmittels und den Umfang der zu erhebenden Informationen.19 Zu den Bestimmungen, die das Recht auf informationelle Selbstbestimmung schützen, gehören im Rahmen der gesetzlichen Normierung genetischer Untersuchungen zu medizinischen Zwecken im zweiten Abschnitt des GenDG (§§ 7 bis 16) auch die Regelungen in § 11 GenDG (Mitteilung der Ergebnisse genetischer Untersuchungen und Analysen) und § 12 GenDG (Aufbewahrung und Vernichtung der Ergebnisse genetischer Untersuchungen und Analysen) sowie die Vorschrift des § 13 GenDG (Verwendung und Vernichtung genetischer Proben). Ebenfalls dem Schutz des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung dient § 4 Abs. 1, 2. Alt GenDG, der vor Diskriminierungen wegen der Vornahme oder Nichtvornahme einer genetischen Untersuchung schützt und damit das Recht des Einzelnen gewährleistet , grundsätzlich selbst über die Vornahme oder Nichtvornahme einer genetischen Untersuchung zu entscheiden.20 Das Ergebnis einer in diesem Zusammenhang stehenden gesetzgeberischen Abwägungsentscheidung zwischen dem informationellen Selbstbestimmungsrecht des Untersuchten und einem möglichen Informationsinteresse genetisch verwandter Personen ist exemplarisch in 16 Bundesverfassungsgericht, Urteil vom 15. Dezember 1983 – 1 BvR 298/83, in: BVerfGE 65, 1 (42). 17 Vgl. die Begründung im Gesetzentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes über genetische Untersuchungen bei Menschen (Gendiagnostikgesetz – GenDG), in: BT-Drs. 16/10532, S. 1 zum Problem und Ziel des Gesetzentwurfs. 18 Vgl. hierzu die Begründung im Gesetzentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes über genetische Untersuchungen bei Menschen (Gendiagnostikgesetz – GenDG), in: BT-Drs. 16/10532, S. 17 f. (Allgemeiner Teil der Begründung). 19 Vgl. die Begründung im Gesetzentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes über genetische Untersuchungen bei Menschen (Gendiagnostikgesetz – GenDG), in: BT-Drs. 16/10532, S. 26 zu § 8. 20 Stockter, in: Prütting (Hrsg.), Medizinrecht Kommentar, GenDG, § 1 Rn. 6. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 098/19 Seite 20 § 10 Abs. 3 Satz 4 GenDG zu finden.21 Wenn auf Grund der vermuteten oder bereits diagnostizierten Erkrankung oder gesundheitlichen Störung des Untersuchten anzunehmen ist, dass auch genetisch Verwandte der genetisch untersuchten Person betroffen sind und es Therapie- oder Vorbeugemaßnahmen gibt, so hat die die genetische Beratung durchführende ärztliche Person der betroffenen Person nach dieser Bestimmung zu empfehlen, dass sie diesen Verwandten eine genetische Beratung empfiehlt.22 2.3. Recht auf Wissen und Nichtwissen Das Recht auf Wissen und Nichtwissen23 soll dem Einzelnen die Freiheit geben, selbst darüber zu entscheiden, ob und in welchem Umfang er Umstände, die auf seine Entwicklung und Identitätsfindung Einfluss gewinnen könnten, kennen will oder nicht. Es schützt somit – im Unterschied zum Recht auf informationelle Selbstbestimmung – den nach innen gerichteten auf sich selbst bezogenen (selbstreflexiven) Bereich der Selbsterkenntnis.24 Vor dem Hintergrund der eigenständigen Gefährdungslage und der damit erforderlichen spezifischen rechtlichen Schutzmechanismen – vor allem im Hinblick auf die Aufklärung und die Vermeidung von aufgedrängtem belastendem Wissen – wird das Recht auf Nichtwissen und Wissen aus Gründen der systematischen Klarheit in einem Teil der Literatur als eigenständige Ausprägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts begriffen und nicht als Unterfall des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung , da dieses im Wesentlichen die freie Selbstdarstellung gegenüber Dritten gewährleiste.25 Das Recht auf Nichtwissen ist mittlerweile im Hinblick auf genetische Eigenschaftsindikatoren höchstrichterlich als absolutes Recht im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB anerkannt.26 Rechtsgutträger 21 Vgl. Heyers, Prädiktive Gesundheitsinformationen – Persönlichkeitsrechte und Drittinteressen, in: Medizinrecht (MedR), 2009, S. 507 (509); Hahn, in: Kern (Hrsg.), GenDG, § 1 Rn. 14. 22 Vgl. hierzu die Begründung im Gesetzentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes über genetische Untersuchungen bei Menschen (Gendiagnostikgesetz – GenDG), in: BT-Drs. 16/10532, S. 29 zu § 10 Abs. 3. 23 Umfassend hierzu Fündling, Recht auf Wissen vs. Recht auf Nichtwissen in der Gendiagnostik, 2017. 24 Stockter, in: Prütting (Hrsg.), Medizinrecht Kommentar, GenDG, § 1 Rn. 7; Stockter, Das Verbot genetischer Diskriminierung und das Recht auf Achtung der Individualität, 2008, S. 488 f.; vgl. auch Höfling, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz, Kommentar, Art. 1 Rn. 30. 25 Zur Begründung der eigenständigen Bedeutung des Rechts auf Wissen und Nichtwissen vgl. Fündling, Recht auf Wissen vs. Recht auf Nichtwissen in der Gendiagnostik, 2017, S. 170 ff. (175); Stockter, Das Verbot genetischer Diskriminierung und das Recht auf Achtung der Individualität, 2008, S. 462, 511 ff. ; anderer Ansicht: Schillhorn/Heidemann, GenDG, § 1 Rn. 4; Hahn, in: Kern (Hrsg.), GenDG, § 1 Rn. 15; Damm, Prädiktive Gendiagnostik, Familienverband und Haftungsrecht, in: MedR, 2014, S. 139 (140); zur – streitigen – dogmatischen Verankerung des Rechts auf Nichtwissen eingehend Hahn, Das „Recht auf Nichtwissen“ des Patienten bei algorithmengesteuerter Auswertung von Big Data, in: MedR, 2019, S. 197 (199 f.). 26 Bundesgerichtshof (BGH), Urteil vom 20. Mai 2014, VI ZR 381/13, Rn. 12 ff. – zitiert nach juris; vgl. hierzu etwa Schneider, Umfang und Grenzen des Rechts auf Nichtwissen der eigenen genetischen Veranlagung, in: Neue Juristische Wochenschrift (NJW), 2014, S. 3133 ff. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 098/19 Seite 21 ist grundsätzlich nur die Person, über die Aussagen über genetisch bedingte Eigenschaften getroffen werden.27 Dementsprechend kann grundsätzlich keine Beeinträchtigung des Rechts auf Nichtwissen der Mutter vorliegen, wenn sie von genetischen Veranlagungen ihrer Kinder in Kenntnis gesetzt wird, die keine Rückschlüsse auf ihre eigene genetische Veranlagung erlauben.28 Das Recht auf Nichtwissen wird im GenDG im Rahmen genetischer Untersuchungen zu medizinischen Zwecken insbesondere durch die Regelungen in den §§ 8 Abs. 1 Satz 2, 9 Abs. 2 Nr. 5, 10 Abs. 3 Satz 2 in Verbindung mit Abs. 2 Satz 2, 11 Abs. 4 und 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 und Satz 4 geschützt29. Danach gilt Folgendes: Die Bestimmung des § 8 Abs. 1 Satz 2 GenDG legt fest, dass die nach § 8 Abs. 1 Satz 1 GenDG erforderliche Einwilligung in die Vornahme einer genetischen Untersuchung oder Analyse und die Gewinnung einer genetischen Probe auch die Entscheidung darüber umfasst, ob und inwieweit das Untersuchungsergebnis dem Betroffenen zur Kenntnis zu geben oder zu vernichten ist. Darüber hinaus ist die verantwortliche ärztliche Person nach § 9 Abs. 2 Nr. 5 GenDG bereits vor Einholung der Einwilligung insbesondere zur Aufklärung auch darüber verpflichtet, dass der Betroffene ein Recht auf Nichtwissen hat mit der Folge, nach eigenem Belieben das Untersuchungsergebnis oder Teile davon nicht zur Kenntnis zu nehmen, sondern vernichten zu lassen.30 Für prädiktive genetische Untersuchungen zu medizinischen Zwecken im Sinne des § 3 Nr. 8 GenDG enthält § 10 Abs. 3 Satz 2 in Verbindung mit Abs. 2 Satz 1 GenDG zudem die Pflicht, die betroffene Person auch bereits vor der Untersuchung über mögliche Untersuchungsergebnisse zu beraten.31 Hier kommt letztlich die Überlegung zum Ausdruck, dass der Patient nicht 27 BGH, Urteil vom 20. Mai 2014, VI ZR 381/13, Rn. 15 – zitiert nach juris; kritisch zur Frage, in welchem Umfang Auskünfte über die eigene genetische Veranlagung nach dem BGH dem allgemeinen Lebensrisiko zuzuordnen sind: Katzenmeier/Voigt, Anmerkung zum Urteil des BGH vom 20. Mai 2014 (VI ZR 381/13), in: Juristenzeitung (JZ), 2014, S. 900 (901). 28 BGH, Urteil vom 20. Mai 2014, VI ZR 381/13, Rn. 15 – zitiert nach juris. 29 Vgl. Stockter, in: Prütting (Hrsg.), Medizinrecht Kommentar, GenDG, § 1 Rn. 7c; Hahn, in: Kern (Hrsg.), GenDG, § 1 Rn. 15; Hahn, Das „Recht auf Nichtwissen“ des Patienten bei algorithmengesteuerter Auswertung von Big Data, in: MedR, 2019, S. 197 (200 f.); BMBF-Projektgruppe „Recht auf Nichtwissen“, Empfehlungen zum anwendungspraktischen Umgang mit dem „Recht auf Nichtwissen“, in: MedR, 2016, S. 399 (399); Damm, Prädiktive Gendiagnostik, Familienverband und Haftungsrecht, in: MedR, 2014, S. 139 (140); Eberbach, Juristische Aspekte einer individualisierten Medizin, in: MedR, 2011, S. 757 (766). 30 Zum Verständnis dieser Regelung als Aufklärung über das subjektive Recht auf Nichtwissen vgl. die Begründung im Gesetzentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes über genetische Untersuchungen bei Menschen (Gendiagnostikgesetz – GenDG), in: BT-Drs. 16/10532, S. 27 zu § 2 Abs. 2 Nr. 5 und Duttge, Rechtlich-Normative Implikationen des Rechts auf Nichtwissen in der Medizin, in: Wehling (Hrsg.), Vom Nutzen des Nichtwissens, 2015, S. 75 und 79. 31 Vgl. dazu Fenger, in: Das neue Gendiagnostikgesetz (GenDG), in: GesundheitsRecht (GesR), 2010, S. 57 (58). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 098/19 Seite 22 autonom über den Wunsch zur Kenntnisnahme seiner gesundheitlichen Informationen entscheiden kann, wenn ihm nicht bewusst ist, welche Ergebnisse auftreten können.32 Dem Recht auf Nichtwissen trägt auch die Vorschrift des § 11 Abs. 4 GenDG Rechnung, indem sie vorschreibt, dass das Ergebnis der genetischen Untersuchung der betroffenen Person nicht mitgeteilt werden darf, soweit diese Person nach § 8 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit Satz 2 GenDG entschieden hat, dass das Ergebnis der genetischen Untersuchung zu vernichten ist oder diese Person nach § 8 Abs. 2 GenDG ihre Einwilligung widerrufen hat. Darüber hinaus legt die Bestimmung des § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 GenDG fest, dass die verantwortliche ärztliche Person die Ergebnisse genetischer Untersuchungen und Analysen unverzüglich in den Untersuchungsunterlagen über die betroffene Person zu vernichten hat, soweit diese Person nach § 8 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit Satz 2 GenDG entschieden hat, dass die Ergebnisse der genetischen Untersuchungen und Analysen zu vernichten sind. Dies gilt nach § 12 Abs. 1 Satz 4 GenDG auch dann, wenn die betroffene Person ihre Einwilligung nach § 8 Abs. 2 GenDG widerrufen hat, soweit ihr die Ergebnisse nicht bereits bekannt sind. In anderer Form wird das „Recht auf Nichtwissen“ im GenDG zudem durch § 4 Abs. 1 GenDG geschützt, indem der Betroffene vor Zwang und Konsequenzen bewahrt werden soll33, die an eine Nichtvornahme einer genetischen Untersuchung oder Analyse geknüpft sind.34 2.4. Recht auf körperliche Unversehrtheit Die Regelungen des GenDG dienen schließlich zumindest mittelbar auch dem Schutz des in Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG verankerten Rechts auf körperliche Unversehrtheit.35 Zwar wird die genetisch untersuchte Person im Hinblick auf den zur Probengewinnung gegebenenfalls erforderlichen körperlichen Eingriff36 durch die allgemeinen Grundsätze des Medizinrechts ausreichend geschützt. Regelungen wie der Arztvorbehalt des § 7 GenDG dienen daher in erster Linie der Qualitätssicherung im Hinblick auf Aufklärung, genetische Beratung und Befundermittlung 32 Vgl. Hahn, Das „Recht auf Nichtwissen“ des Patienten bei algorithmengesteuerter Auswertung von Big Data, in: MedR, 2019, S. 197 (201); zu dieser Grundfrage vgl. auch Duttge, Das Recht auf Nichtwissen in einer informationell vernetzten Gesundheitsversorgung, in: MedR, 2016, S. 664 (666); Taupitz, Das Recht auf Nichtwissen, in: Hanau/Lorenz/Matthes (Hrsg.), Festschrift für Günther Wiese zum 70. Geburtstag, 1998, S. 583 (597); von Bar, Gesetzlich nicht normierte ärztliche Auskunfts- und Offenbarungspflichten, 2017, S. 191 f. 33 In diesem Sinne auch Retzko, Prädiktive Medizin versus ein (Grund-)Recht auf Nichtwissen, 2006, S. 135. 34 Vgl. Hahn, Das „Recht auf Nichtwissen“ des Patienten bei algorithmengesteuerter Auswertung von Big Data, in: MedR, 2019, S. 197 (201); Eberbach, Juristische Aspekte der individualisierten Medizin, in: MedR, 2011, S. 757 (766). 35 Stockter, in: Prütting (Hrsg.), Medizinrecht Kommentar, GenDG, § 1 Rn. 8; Hahn, in: Kern (Hrsg.), GenDG, § 1 Rn. 16. 36 Dazu, dass zumindest der Schutzbereich von Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG regelmäßig eröffnet ist, vgl. näher Lindner, Grundrechtsfragen prädiktiver Gendiagnostik, in: MedR, 2007, S. 286 (289). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 098/19 Seite 23 sowie dem Gesundheitsschutz der Bevölkerung.37 Zumindest die möglichen Auswirkungen eines Testergebnisses auf die Psyche des Betroffenen und die damit unter Umständen verbundene Veranlassung zu – auch invasiven – Folgeuntersuchungen38 machen aber deutlich, dass die Qualitätssicherungs- und Regulierungsmaßnahmen des GenDG zumindest mittelbar auch dem Gesundheitsschutz des Betroffenen dienen sollen.39 3. Anwendungsbereich des Gendiagnostikgesetzes Der inhaltliche Anwendungsbereich des Gesetzes wird in § 2 GenDG geregelt. Dies geschieht durch eine positive Beschreibung des – persönlichen und sachlichen – Anwendungsbereichs in Abs. 1 und eine negative Abgrenzung in Abs. 2, mit der einzelne Sach- und Regelungsbereiche aus dem Anwendungsbereich des GenDG herausgenommen werden. Über die in § 2 GenDG getroffenen Regelungen hinaus wird der sachliche Anwendungsbereich des Gesetzes weiter dadurch konkretisiert, dass in Abs. 1 dieser Vorschrift maßgeblich auf den Begriff der genetischen Untersuchung – den Leitbegriff des GenDG40 – abgestellt wird, der in § 3 GenDG näher definiert wird. Erst hierdurch wird der Anwendungsbereich des GenDG vollständig bestimmt.41 Für die Abgrenzung des Anwendungsbereichs des Gesetzes in Auslegung der in § 3 GenDG definierten Begriffe wird deshalb auf die nachfolgenden Ausführungen zu dieser Bestimmung verwiesen.42 3.1. Personeller Anwendungsbereich nach § 2 Abs. 1 GenDG Der personelle Anwendungsbereich des Gesetzes bezieht sich nach § 2 Abs. 1 GenDG auf genetische Untersuchungen und im Rahmen genetischer Untersuchungen durchgeführte genetische Analysen „bei geborenen Menschen43 sowie bei Embryonen und Föten während der Schwangerschaft“ und den Umgang mit dabei gewonnenen genetischen Proben und genetischen 37 Vgl. hierzu die Begründung im Gesetzentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes über genetische Untersuchungen bei Menschen (Gendiagnostikgesetz – GenDG), in: BT-Drs. 16/10532, S. 25 zu § 7. 38 Vgl. hierzu Stockter, in: Prütting (Hrsg.), Medizinrecht Kommentar, GenDG, § 1 Rn. 8. 39 Hahn, in: Kern (Hrsg.), GenDG, § 1 Rn. 16. 40 Stockter, in: Prütting (Hrsg.), Medizinrecht Kommentar, GenDG, § 2 Rn. 2. 41 Schillhorn/Heidemann, GenDG, § 2 Rn. 1. 42 Vgl. hierzu Gliederungspunkt 4. 43 In § 2 Abs. 1 des Gesetzentwurfs der Bundesregierung hieß es noch, das Gesetz gelte für genetische Untersuchungen und im Rahmen genetischer Untersuchungen durchgeführte genetische Analysen „bei Menschen sowie bei Embryonen und Föten während der Schwangerschaft“, vgl. den Gesetzentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes über genetische Untersuchungen bei Menschen (Gendiagnostikgesetz – GenDG), in: BT-Drs. 16/10532, S. 7. Die Einfügung des Wortes bei „geborenen“ Menschen geht auf die Beschlussempfehlung und den Bericht des Ausschusses für Gesundheit (14. Ausschuss) zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung – BT-Drs. 16/10532, 16/10582 – zurück, mit der „klargestellt“ werden sollte, dass Embryonen und Föten noch nicht geborene Menschen sind, vgl. hierzu die Begründung des Ausschusses in BT-Drs. 16/12713, S. 35 zu § 2 Abs. 1. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 098/19 Seite 24 Daten.44 Hiermit erfolgt eine klare Abgrenzung zu nicht-humanem Leben, sodass genetische Untersuchungen an Tieren, Pflanzen und Mikroorganismen vom Anwendungsbereich des Gesetzes nicht erfasst werden.45 Dementsprechend ist das Gesetz nur bei solchen Erbinformationen anwendbar, die menschlicher Herkunft sind. Zwar sind zum Beispiel einige Viren grundsätzlich in der Lage, Erbinformationen des Menschen zu verändern oder sich in das menschliche Erbgut zu integrieren. Die Untersuchungen auf derartige Veränderungen des menschlichen Genoms unterliegen jedoch grundsätzlich nicht dem Anwendungsbereich des GenDG.46 Zur Definition des Menschen im Sinne des § 2 Abs. 1 GenDG findet sich in der gesetzgeberischen Begründung kein konkreter Hinweis, sodass insoweit auf die allgemeinen rechtlichen Grundlagen zurückzugreifen ist.47 Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts48 beginnt menschliches Leben spätestens mit der Einnistung (Nidation) der befruchteten Eizelle in die Gebärmutter. Diese Auslegung des Begriffs des Menschen bzw. des menschlichen Lebens passt jedoch nicht in die Systematik des GenDG, das ausdrücklich zwischen „geborenen Menschen“ einerseits und „Embryonen und Föten während der Schwangerschaft“ andererseits unterscheidet .49 Vor diesem Hintergrund ist es geboten, bei der Anwendung des GenDG nicht auf den Beginn des menschlichen Lebens, sondern vielmehr auf den Beginn der Rechtsfähigkeit im Sinne des § 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)50 abzustellen.51 Denn während der Beginn des menschlichen Lebens im Rechtssinne jedenfalls vom 14. Tag nach der Empfängnis an mit der Einnistung bestimmt ist52, beginnt die Rechtsfähigkeit des Menschen nach § 1 BGB mit der Vollendung der Geburt.53 Vollendet ist die Geburt, wenn das Kind, sei es auf natürlichem oder künstlichem Wege, von der Mutter getrennt worden ist.54 Eine Durchtrennung der Nabelschnur ist dabei nicht 44 Kern, in: Kern (Hrsg.), GenDG, § 2 Rn. 5; Stockter, in: Prütting (Hrsg.), Medizinrecht Kommentar, GenDG, § 2 Rn. 9 f.; Schillhorn/Heidemann, GenDG, § 2 Rn. 2; Hübner/Pühler, Das Gendiagnostikgesetz – neue Herausforderungen im ärztlichen Alltag, in: MedR, 2010, S. 676 (677); Meyer, Genetische Untersuchungen zu medizinischen Zwecken und zu Forschungszwecken an nicht einwilligungsfähigen Personen, S. 130. 45 Schillhorn/Heidemann, GenDG, § 2 Rn. 2; Kern, in: Kern (Hrsg.), GenDG, § 2 Rn. 9. 46 Schillhorn/Heidemann, GenDG, § 2 Rn. 2. 47 Schillhorn/Heidemann, GenDG, § 2 Rn. 3. 48 Bundesverfassungsgericht, Urteil vom 25. Februar 1975 – 1 BvF 2/74, BVerGE 39, 1 (37). 49 Schillhorn/Heidemann, GenDG, § 2 Rn. 3. 50 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), neugefasst durch Bekanntmachung vom 2. Januar 2002 (BGBl. I S. 42, 2909; 2003, S. 738,) zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes vom 19. März 2020 (BGBl. I S. 540). 51 Schillhorn/Heidemann, GenDG, § 2 Rn. 3. 52 Bundesverfassungsgericht, Urteil vom 25. Februar 1975 – 1 BvF 2/74, BVerfGE 39, 1 (37). 53 Anders als bei § 1 BGB ist im Strafrecht für den Lebensschutz nicht die Vollendung, sondern der Beginn der Geburt maßgebend, wodurch das menschliche Leben bereits während des Geburtsvorgangs unter strafrechtlichen Schutz gestellt wird, vgl. etwa BGHSt 10, S. 291 (292). 54 Bamberger, in: Bamberger/Roth/Hau/Poseck (Hrsg.), BeckOK BGB, § 1 Rn. 18; Spickhoff, in: Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, § 1 Rn. 15 ff. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 098/19 Seite 25 notwendig, ebenso wenig die Ausstoßung der Nachgeburt.55 Erforderlich ist aber ferner, dass das Kind – wenn auch nur für einen kurzen Augenblick – gelebt hat.56 Genetische Untersuchungen bei Verstorbenen einschließlich des Umgangs mit den betreffenden genetischen Proben und genetischen Daten werden vom GenDG nicht erfasst. Für genetische Untersuchungen an Toten gelten vielmehr die landesrechtlichen und die datenschutzrechtlichen Bestimmungen.57 Wann der Tod eines Menschen anzunehmen ist, beantwortet sich nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft, wobei heute Einigkeit darüber besteht, dass auch der Tod kein punktgenaues Ereignis darstellt, das Sterben vielmehr als ein Vorgang in der Zeit anzusehen ist.58 Seit es den Ärzten gelingt, „klinisch tote“ Menschen wiederzubeleben (Reanimation ), aber auch im Hinblick auf die Notwendigkeiten der Transplantationsmedizin, wird heute in der medizinischen Wissenschaft auf den Gesamtgehirntod abgestellt.59 Im Rahmen des GenDG dürfte dies insbesondere im Hinblick auf medizinische Behandlungen und genetische Untersuchungen im Zustand des klinischen Todes von Bedeutung sein.60 Damit gilt als „geborener Mensch“ im Sinne des § 2 Abs. 1 GenDG ein menschliches Wesen in dem Zeitrahmen zwischen der Vollendung der Geburt und dem Eintritt des Gesamtgehirntodes.61 Neben den „geborenen Menschen“ sind nach dem ausdrücklichen Wortlaut des § 2 Abs. 1 GenDG auch „Embryonen und Föten während der Schwangerschaft“ in den Anwendungsbereich des Gesetzes einbezogen. Insoweit umfasst der Anwendungsbereich des Gesetzes auch den vorgeburtlichen Zeitraum, der zivilrechtlich bereits als Beginn des menschlichen 55 Bamberger, in: Bamberger/Roth/Hau/Poseck (Hrsg.), BeckOK BGB, § 1 Rn. 18; Spickhoff, in: Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, § 1 Rn. 15; Ellenberger, in: Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, Kommentar, § 1 Rn. 2. 56 Bamberger, in: Bamberger/Roth/Hau/Poseck (Hrsg.), BeckOK BGB, § 1 Rn. 18; Spickhoff, in: Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, § 1 Rn. 16. 57 Vgl. die Begründung im Gesetzentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes über genetische Untersuchungen bei Menschen (Gendiagnostikgesetz – GenDG), in: BT-Drs. 16/10532, S. 20 zu § 2 Abs. 1; Stockter, in: Prütting (Hrsg.), Medizinrecht Kommentar, GenDG, § 2 Rn. 11; Meyer, Genetische Untersuchungen zu medizinischen Zwecken und zu Forschungszwecken an nicht einwilligungsfähigen Personen, S. 130; zur Kritik vgl. Vossenkuhl, Der Schutz genetischer Daten, 2013, S. 139 f. mit weiteren Nachweisen. 58 Spickhoff, in: Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, § 1 Rn. 18 ff.; Bamberger, in: Bamberger/Roth/Hau/Poseck (Hrsg.), BeckOK BGB, § 1 Rn. 20. 59 Ellenberger, in: Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, Kommentar, § 1 Rn. 3; Bamberger, in: Bamberger/Roth/Hau/Poseck (Hrsg.), BeckOK BGB, § 1 Rn. 20 mit weiteren Nachweisen aus der Rechtsprechung und Literatur. 60 Schillhorn/Heidemann, GenDG, § 2 Rn. 5. 61 Schillhorn/Heidemann, GenDG, § 2 Rn. 5. Anderer Ansicht Kern, in: Kern (Hrsg.), GenDG, § 2 Rn. 7, der nicht den Hirntod, sondern den Herz-Kreislauf-Tod als maßgeblichen Todeszeitpunkt ansieht, weil die Hirntoddiagnostik zur Todesfeststellung in der Regel unpraktikabel und nicht erforderlich sei. Sofern genetische Untersuchungen an Hirntoten vorzunehmen seien, finde das GenDG Anwendung, weil es erforderlich sei, das Schutzniveau der §§ 7 ff. GenDG zu sichern. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 098/19 Seite 26 Lebens gewertet wird.62 Die Entstehung des Embryos beginnt rechtlich bereits mit der Verschmelzung der beiden Vorkerne etwa 20 bis 22 Stunden nach dem Eindringen des Spermiums in die Eizelle mit dem Entstehen der Zygote.63 Als Fötus wird das Entwicklungsstadium des Embryos nach Ausbildung der inneren Organe etwa ab der 9. Schwangerschaftswoche bezeichnet.64 Keine Anwendung findet das GenDG allerdings bei Embryonen, die (noch) nicht in den Körper der Mutter gelangt sind. Genetische Untersuchungen und Analysen an extrakorporal erzeugten und sich außerhalb des Mutterleibes befindenden Embryonen, d. h. also die Präimplantations- 62 Unter welchen Voraussetzungen vorgeburtliche genetische Untersuchungen zulässig sind, ist im Einzelnen insbesondere in § 15 GenDG geregelt. 63 Schillhorn/Heidemann, GenDG, § 2 Rn. 6. Eine Begriffsbestimmung des Embryos findet sich im Gesetz zum Schutz von Embryonen (Embryonenschutzgesetz – ESchG) vom 13. November 1990 (BGBl. I S. 2746), zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes vom 21. November 2011 (BGBl. I S. 2228). Als Embryo im Sinne dieses Gesetzes gilt nach § 8 Abs. 1 ESchG bereits die befruchtete, entwicklungsfähige menschliche Eizelle vom Zeitpunkt der Kernverschmelzung an, ferner jede einem Embryo entnommene totipotente Zelle, die sich bei Vorliegen der dafür erforderlichen weiteren Voraussetzungen zu teilen und zu einem Individuum zu entwickeln vermag. In den ersten vierundzwanzig Stunden nach der Kernverschmelzung gilt die befruchtete menschliche Eizelle nach § 8 Abs. 2 ESchG als entwicklungsfähig, es sei denn, dass schon vor Ablauf dieses Zeitraums festgestellt wird, dass sich diese nicht über das Einzellstadium hinaus zu entwickeln vermag. 64 Rohen/Lütjen-Drecoll, Funktionelle Embryologe. Die Entwicklung der Funktionssysteme des menschlichen Organismus. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 098/19 Seite 27 diagnostik (PID)65 und die präkonzeptionelle Polkörperdiagnostik (PKD)66, werden nicht vom Anwendungsbereich des Gesetzes erfasst.67 Embryonen, die durch extrakorporale Befruchtung entstanden sind, unterfallen vielmehr erst dann dem Anwendungsbereich des GenDG, wenn sie 65 Bei der PID handelt es sich um eine Untersuchung an einem in vitro erzeugten und (noch) außerhalb des Mutterleibs befindlichen Embryo. Das Verfahren ermöglicht mittels verschiedener Techniken der Embryonenbiopsie, Erbanlagen eines Embryos vor der Implantation in den Mutterleib auf bestimmte genetisch bedingte Kriterien hin zu untersuchen. Für die PID wird dem Embryo Zellmaterial entnommen und für eine genetische Untersuchung benutzt, um daraus Rückschlüsse auf die genetische Konstitution des Embryos zu ziehen. Für die Übertragung in die Gebärmutter der Frau werden von mehreren Embryonen sodann diejenigen ausgewählt, bei denen bestimmte Chromosomenstörungen bzw. Mutationen mit großer Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden können. Im Falle eines positiven Untersuchungsergebnisses, d. h. eines auffälligen Befundes, wird der Embryo regelmäßig weder auf die Patientin noch auf eine andere Frau übertragen, was zur Folge hat, dass er abstirbt. Unter welchen materiellen und formellen Voraussetzungen eine PID in Deutschland vorgenommen werden kann, richtet sich nach der Vorschrift des § 3a ESchG, mit der der Gesetzgeber – über die Einwilligung der betroffenen Frau hinaus – unter anderem auch das zustimmende Votum einer Ethikkommission als zwingende rechtliche Zulässigkeitsvoraussetzung für die Durchführung einer PID im konkreten Einzelfall etabliert hat. Unter ethischen Aspekten ist die PID aber nach wie vor umstritten. Zu den materiellen und formellen Zulässigkeitsvoraussetzungen für die Durchführung einer PID sowie zum Erfordernis eines zustimmenden Votums einer Ethikkommission als zwingende Verfahrensvoraussetzung für die Durchführung einer PID vgl. eingehend die Ausarbeitung „Zur Frage der Erforderlichkeit eines zustimmenden Votums von Ethikkommissionen bei vorgeburtlichen Diagnoseverfahren“ vom 12. September 2017, in: Deutscher Bundestag, Wissenschaftliche Dienste, WD 9 - 3000 - 037/17, S. 13 ff., abrufbar unter: https://www.bundestag.de/resource /blob/530522/8cd2d08eb19bcb6801505353e63e7140/WD-9-037-17-pdf-data.pdf. 66 Die PKD ist die zeitlich früheste Untersuchungsmethode. Es handelt sich dabei um eine im Rahmen der künstlichen Befruchtung durchgeführte indirekte und eingeschränkte genetische Untersuchung der am Rande der entnommenen Eizelle liegenden beiden Polkörper, und zwar vor Abschluss der Befruchtung, also vor der Verschmelzung des mütterlichen und väterlichen Erbguts. Untersucht werden können nur die mütterliche Chromosomenstruktur und der Teil des mütterlichen Genbestandes, den die sich in der Befruchtung befindliche Eizelle nicht enthält. Die PKD wird vor allem deshalb genutzt, weil das ESchG zu diesem Zeitpunkt noch nicht anwendbar ist und daher die Verwerfung einer Eizelle mit chromosomalen Störungen ohne die rechtlichen Beschränkungen des ESchG durchgeführt werden kann. Erst die befruchtete, entwicklungsfähige menschliche Eizelle vom Zeitpunkt der Kernverschmelzung an ist – wie oben bereits erwähnt – nach § 8 Abs. 1 Halbsatz 1 ESchG als Embryo im Sinne dieses Gesetzes anzusehen. Spezielle gesetzliche Regelungen, die festlegen, ob und unter welchen Voraussetzungen der Arzt eine PKD durchführen kann, gibt es in Deutschland derzeit nicht. Schon aus dem Selbstbestimmungsrecht der betroffenen Frau folgt aber, dass eine PKD jedenfalls nicht ohne ihre Einwilligung nach Aufklärung – und erst recht nicht gegen ihren Willen – erfolgen darf. Zum Begriff und zu den derzeitigen rechtlichen Rahmenbedingungen der PKD vgl. die vorgenannte Ausarbeitung „Zur Frage der Erforderlichkeit eines zustimmenden Votums von Ethikkommission bei vorgeburtlichen Diagnoseverfahren“ (WD 9 - 3000 - 07 30/17), S. 5 f. Auch wenn die PKD nicht an Embryonen im Sinne des ESchG vorgenommen wird, ist doch zu bedenken, dass sie der Auswahl gesunder Eizellen dient, womit sich die ethische Problematik einer solchen Selektion stellt. Vor diesem Hintergrund hat der Nationale Ethikrat in seiner Stellungnahme zur PKD aus dem Jahre 2004 empfohlen, im Rahmen von einheitlichen ärztlichen Qualitätsstandards sowohl die Indikationsgrundlage für die PKD als auch Durchführungsbedingungen festzulegen. Besondere Aufmerksamkeit sei dabei der umfassenden Information, Aufklärung und Beratung des Paares zu widmen, vgl. hierzu: Nationaler Ethikrat, Polkörperdiagnostik, Stellungnahme vom 16. Juni 2004, abrufbar unter: https://www.ethikrat .org/fileadmin/Publikationen/Stellungnahmen/Archiv/Stellungnahme_PKD.pdf. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 098/19 Seite 28 in die mütterliche Gebärmutter übertragen wurden und dadurch eine Schwangerschaft entstanden ist.68 Auch genetische Untersuchungen bei toten Föten und Embryonen einschließlich des Umgangs mit den dabei gewonnenen genetischen Proben und genetischen Daten werden vom Gesetz nicht erfasst.69 3.2. Sachlicher Anwendungsbereich nach § 2 Abs. 1 GenDG Neben dem personellen Anwendungsbereich bestimmt § 2 Abs. 1 GenDG auch den sachlichen Anwendungsbereich des Gesetzes. Nach dieser Vorschrift gilt das GenDG einerseits für genetische Untersuchungen und die in deren Rahmen durchgeführten genetischen Analysen. Die genetische Analyse, die nach dem GenDG als labortechnisches Untersuchungsverfahren unter Verwendung genetischer Untersuchungsmittel vorgenommen wird, ist integraler Bestandteil der genetischen Untersuchung. Der Anwendungsbereich des Gesetzes beschränkt sich auf die in § 2 Abs. 1 GenDG abschließend aufgeführten Bereiche genetischer Untersuchungen zu medizinischen Zwecken, zur Klärung der Abstammung sowie im Versicherungsbereich und im Arbeitsleben . Vom Anwendungsbereich des Gesetzes erfasst wird darüber hinaus sowohl der Umgang mit genetischen Proben, die für die genetischen Untersuchungen gewonnen werden, als auch mit den daraus resultierenden genetischen Daten, also den aus einer genetischen Untersuchung oder genetischen Analyse oder vorgeburtlichen Risikoabklärung gewonnenen Daten über genetische Eigenschaften.70 67 Vgl. die Begründung im Gesetzentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes über genetische Untersuchungen bei Menschen (Gendiagnostikgesetz – GenDG), in: BT-Drs. 16/10532, S. 20 zu § 2 Abs. 1; Stockter, in: Prütting (Hrsg.), Medizinrecht Kommentar, GenDG, § 2 Rn. 10; Kern, in: Kern (Hrsg.), GenDG, § 2 Rn.6; Schillhorn/Heidemann, GenDG, § 2 Rn. 7; Fenger, in: Spickhoff (Hrsg.), Medizinrecht, GenDG, § 2 Rn. 1; Hübner/Pühler, Das Gendiagnostikgesetz – neue Herausforderungen im ärztlichen Alltag, in: MedR, 2010, S. 676 (677); Czerner, Die Kodifizierung der Präimplantationsdiagnostik (PID) in § 3a ESchG im Ensemble pränataldiagnostischer und schwangerschaftsbezogener Untersuchungen des Fötus, in: MedR, 2011, S. 783 (787); Hübner/Pühler, Die neuen Regelungen zur Präimplantationsdiagnostik – wesentliche Fragen bleiben offen, in: MedR, 2011, S. 789 (793). 68 Schillhorn/Heidemann, GenDG, § 2 Rn. 7; Fenger, in: Spickhoff (Hrsg.), Medizinrecht, GenDG, § 2 Rn. 1. 69 Vgl. die Begründung im Gesetzentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes über genetische Untersuchungen bei Menschen (Gendiagnostikgesetz – GenDG), in: BT-Drs. 16/10532, S. 20 zu § 2 Abs. 1; Kern, in: Kern (Hrsg.), GenDG, § 2 Rn. 7; Stockter, in: Prütting (Hrsg.), Medizinrecht Kommentar, GenDG, § 2 Rn. 11; Hübner/Pühler, Das Gendiagnostikgesetz – neue Herausforderungen im ärztlichen Alltag, in: MedR, 2010, S. 676 (677); Meyer, Genetische Untersuchungen zu medizinischen Zwecken und zu Forschungszwecken an nicht einwilligungsfähigen Personen, S. 130. 70 Vgl. die Begründung im Gesetzentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes über genetische Untersuchungen bei Menschen (Gendiagnostikgesetz – GenDG), in: BT-Drs. 16/10532, S. 19 f. zu § 2 Abs. 1. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 098/19 Seite 29 Die Anwendbarkeit des GenDG setzt damit zunächst einmal grundsätzlich voraus, dass der zu bewertende Sachverhalt genetische Untersuchungen im Sinne des § 3 Nr. 1 GenDG betrifft.71 Erfasst werden damit alle Arten genetischer Untersuchungen, also auch solche, die nicht eine Erkrankung oder eine gesundheitliche Störung betreffen, wie zum Beispiel Tests über äußere Erscheinungsmerkmale wie die Augenfarbe oder sonstige sog. Life-Style-Tests.72 Anders als bei genetischen Untersuchungen zur Klärung der Abstammung (§ 17 GenDG) und solchen im Versicherungsbereich (§ 18 GenDG) sowie im Arbeitsleben (§§ 19 bis 22 GenDG) beschränkt sich der Geltungsbereich der im zweiten Abschnitt des GenDG (§§ 7 bis 16) getroffenen Regelungen jedoch auf genetische Untersuchungen zu medizinischen Zwecken im Sinne des § 3 Nr. 6 GenDG.73 Damit sind insbesondere die sog. Life-Style-Tests, die keinen gesundheitlichen Bezug aufweisen, vom Anwendungsbereich des zweiten Abschnitts des GenDG insgesamt ausgeschlossen. Nach dem Wortlaut des § 2 Abs. 1 GenDG gilt das Gesetz nur für genetische Analysen, die im Rahmen genetischer Untersuchungen durchgeführt werden. Nach der Konzeption des Gesetzes werden jedoch – zumindest von einzelnen Regelungen – auch genetische Analysen im Sinne des § 3 Nr. 2 GenDG erfasst, die isoliert vorgenommen werden, also nicht in eine genetische Untersuchung eingebunden sind. So ist beispielsweise die isolierte Vornahme einer genetischen Analyse zu medizinischen Zwecken Gegenstand der Regelung des § 26 Abs. 1 Nr. 1 GenDG, nach der ein Verstoß gegen das Verbot des § 7 Abs. 2 GenDG, eine genetische Analyse zu medizinischen Zwecken außerhalb des Rahmens einer genetischen Untersuchung im Sinne des § 3 Nr. 6 GenDG vorzunehmen, eine Ordnungswidrigkeit darstellt, die mit einer Geldbuße geahndet werden kann.74 Der Anwendungsbereich des Gesetzes umfasst – wie bereits erwähnt – auch den Umgang mit den bei genetischen Untersuchungen im Sinne des § 3 Nr. 1 GenDG gewonnenen Proben (vgl. § 3 Nr. 10 GenDG) und genetischen Daten (vgl. § 3 Nr. 11 GenDG). Entsprechend dem Sinn und Zweck des Gesetzes werden aber auch solche Proben vom GenDG erfasst, die zwar zu Zwecken der Durchführung genetischer Untersuchung gewonnen, an denen jedoch keine genetischen Untersuchungen vorgenommen wurden, da – etwa im Hinblick auf den Einwilligungsvorbehalt des § 8 Abs. 1 Satz 1 GenDG – für eine wirkungsvolle Umsetzung bestimmte im Gesetz 71 Stockter, in: Prütting (Hrsg.), Medizinrecht Kommentar, GenDG, § 2 Rn. 14. Der Anwendungsbereich des Gesetzes ist jedoch nicht ausschließlich auf genetische Untersuchungen im Sinne des § 3 Nr. 1 GenDG und die aus ihnen gewonnenen Ergebnisse begrenzt. So knüpfen die Benachteiligungsverbote der §§ 4 und 21 GenDG unmittelbar an den Begriff der genetischen Eigenschaften an und erfassen damit nach dessen Definition in § 3 Nr. 4 GenDG auch genetische Merkmale, die nicht über genetische Untersuchungen im Sinne des § 3 Nr. 1 GenDG gewonnen wurden, vgl. hierzu Stockter, in: Prütting (Hrsg.), Medizinrecht Kommentar, GenDG, § 2 Rn. 3, § 4 Rn. 33 f. und § 21 Rn. 9. 72 Stockter, in: Prütting (Hrsg.), Medizinrecht Kommentar, GenDG, § 2 Rn. 14; anderer Ansicht Kern, in: Kern (Hrsg.), GenDG, § 2 Rn. 3; zu den sog. Life-Style-Tests und deren rechtlicher Einordnung vgl. näher Schillhorn/Heidemann, GenDG, § 2 Rn. Rn. 13 bis 16a mit eingehenden Nachweisen aus der Literatur. 73 Zum Begriff der genetischen Untersuchung zu medizinischen Zwecken, der nach § 3 Nr. 6 GenDG sowohl diagnostische genetische Untersuchungen im Sinne des § 3 Nr. 7 GenDG als auch prädiktive genetische Untersuchungen im Sinne des § 3 Nr. 8 GenDG umfasst, vgl. eingehend unten Gliederungspunkt 4.4. 74 Stockter, in: Prütting (Hrsg.), Medizinrecht Kommentar, GenDG, § 2 Rn. 15. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 098/19 Seite 30 vorgesehene Schutzbestimmungen bereits im Vorfeld der Gewinnung der Proben gelten müssen.75 3.3. Ausgenommene Sach- und Regelungsbereiche nach § 2 Abs. 2 GenDG Mit der Negativabgrenzung in § 2 Abs. 2 Nr. 1 und 2 GenDG werden – wie oben bereits erwähnt – genetische Untersuchungen und Analysen sowie der Umgang mit genetischen Proben und Daten in bestimmten Sach- und Regelungsbereichen vom Anwendungsbereich des GenDG ausgenommen . 3.3.1. Genetische Untersuchungen zu Forschungszwecken (§ 2 Abs. 2 Nr. 1 GenDG) Nicht erfasst werden nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 GenDG zum einen genetische Untersuchungen und Analysen sowie der Umgang mit genetischen Proben und Daten zu Forschungszwecken. Nach der gesetzgeberischen Begründung rechtfertigt sich dies vor dem Hintergrund, dass es bei der genetischen Forschung um die allgemeine Erforschung von Ursachenfaktoren menschlicher Eigenschaften geht, die nicht auf konkrete Maßnahmen gegenüber einzelnen Personen zielt.76 Der Bereich der genetischen Forschung richte sich nach den allgemeinen gesetzlichen Bestimmungen, soweit personenbezogene Daten erhoben und verwendet werden, nach dem Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG)77 sowie den bereichsspezifischen Datenschutzbestimmungen Länder.78 75 Stockter, in: Prütting (Hrsg.), Medizinrecht Kommentar, GenDG, § 2 Rn. 16. 76 Vgl. die Begründung im Gesetzentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes über genetische Untersuchungen bei Menschen (Gendiagnostikgesetz – GenDG), in: BT-Drs. 16/10532, S. 20 zu § 2 Abs. 2 Nr. 1. Zu den daraus entstehenden Regelungsdefiziten vgl. Vossenkuhl, Der Schutz genetischer Daten, S. 101 ff. und zur Notwendigkeit spezieller Regelungen für genetische Untersuchungen zu Forschungszwecken vgl. eingehend Meyer, Genetische Untersuchungen zu medizinischen Zwecken und zu Forschungszwecken an nicht einwilligungsfähigen Personen, S. 355 ff. 77 Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) vom 30. Juni 2017 (BGBl. I S. 2097), zuletzt geändert durch Art. 12 des Gesetzes vom 20. November 2019 (BGBl. I S. 1626). Die Vorschrift des § 27 Abs. 1 Satz 1 BDSG sieht insoweit vor, dass abweichend von Art. 9 Abs. 1 der Verordnung (EU) 2016/679 die Verarbeitung besonderer Kategorien personenbezogener Daten im Sinne des Art. 9 Abs. 1 der Verordnung (EU) 2016/679 auch ohne Einwilligung für wissenschaftliche Forschungszwecke zulässig ist, wenn die Verarbeitung zu diesem Zweck erforderlich ist und die Interessen des Verantwortlichen an der Verarbeitung die Interessen der betroffenen Person an einem Ausschluss der Verarbeitung erheblich überwiegen. 78 Vgl. die Begründung im Gesetzentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes über genetische Untersuchungen bei Menschen (Gendiagnostikgesetz – GenDG), in: BT-Drs. 16/10532, S. 20 zu § 2 Abs. 2 Nr. 1. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 098/19 Seite 31 In der einschlägigen Literatur findet sich größtenteils lediglich der allgemeine Hinweis, dass genetische Untersuchungen zu Forschungszwecken vom Anwendungsbereich des GenDG ausgeschlossen seien.79 Es stellt sich aber die – bislang noch nicht abschließend geklärte – Frage, was unter dem Begriff „zu Forschungszwecken“ im Sinne des § 2 Abs. 2 Nr. 1 GenDG zu verstehen ist, nur – nichttherapeutische – wissenschaftliche Versuche, die lediglich der Gewinnung von Erkenntnissen dienen und ein rein wissenschaftliches Ziel ohne unmittelbaren diagnostischen oder therapeutischen Wert für die Versuchsperson verfolgen, oder auch Heilversuche bzw. therapeutische Versuche, die ausschließlich oder zumindest vorrangig dem Interesse und der Behandlung (Therapie, Diagnostik, Prophylaxe) des Patienten im Einzelfall dienen.80 Der Wortlaut der Ausnahmeregelung des § 2 Abs. 2 Nr. 1 GenDG lässt einen weiten Auslegungsrahmen zu81, der neben rein wissenschaftlichen Versuchen auch Heilversuche bzw. therapeutische Versuche 79 Fenger, in: Spickhoff (Hrsg.), Medizinrecht, GenDG, § 2 Rn. 1; Hübner/Pühler, Gendiagnostik, in: Heidelberger Kommentar: Arztrecht, Krankenhausrecht, Medizinrecht, Ordnungsziffer 2070, Rn. 6; Gillessen-Kaesbach/Glaubitz/Eiben, Gendiagnostikgesetz – Konsequenzen für die genetische Beratung, in: Medizinische Genetik (medgen), 2011, S. 438 (439); Huster/Gottwald, Rechtliche Implikationen der personalisierten Medizin, in: GesR, 2012, S. 449 (450); Vossenkuhl, Der Schutz genetischer Daten, S. 6, 38, 101, 108; Scherrer, Das Gendiagnostikgesetz – Eine Darstellung unter besonderer Berücksichtigung verfassungsrechtlicher Fragestellungen, S. 181. 80 Zum Begriff der „Forschungszwecke“ im Sinne des § 2 Abs. 2 Nr. 1 GenDG und zur Anwendung des GenDG im Bereich der humangenetischen Forschung vgl. Kern, in: Kern (Hrsg.), GenDG, § 2 Rn. 14 ff.; Schillhorn/Heidemann , GenDG, § 2 Rn. 18 ff.; Stockter, in: Prütting (Hrsg.), Medizinrecht Kommentar, GenDG, § 2 Rn. 31 f; Sosnitza/Op den Camp, Auswirkungen des Gendiagnostikgesetzes auf klinische Prüfungen, in: MedR, 2011, S. 401 ff.; Meyer, Genetische Untersuchungen zu medizinischen Zwecken und zu Forschungszwecken an nicht einwilligungsfähigen Personen, S. 351 ff. 81 Sosnitza/Op den Camp, Auswirkungen des Gendiagnostikgesetzes auf klinische Prüfungen, in: MedR, 2011, S. 401 (404) sprechen von einem „weiten Forschungsbegriff“. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 098/19 Seite 32 umfasst.82 Auch der Vergleich zu dem – oben bereits genannten – Entwurf eines Gesetzes über genetische Untersuchungen bei Menschen aus dem Jahr 2006, welcher der genetischen Untersuchung zu Zwecken wissenschaftlicher Forschung einen eigenen Abschnitt mit umfangreichen und speziellen Regelungen widmete83 und hierbei von einem weit gefassten Begriff der 82 Auf dem Gebiet der medizinischen Forschung wird herkömmlicherweise zwischen dem Heilversuch bzw. therapeutischen Versuch einerseits und dem wissenschaftlichen Versuch andererseits differenziert; vgl. hierzu bereits die vom Reichsministerium des Innern erlassenen „Richtlinien für neuartige Heilbehandlung und für die Vornahme wissenschaftlicher Versuche am Menschen“ aus dem Jahr 1931, abgedruckt bei Fischer, Medizinische Versuche am Menschen: Zulässigkeitsvoraussetzungen und Rechtsfolgen, 1979, S. 107; vgl. zu dieser Differenzierung auch Fröhlich, Forschung wider Willen? Rechtsprobleme biomedizinischer Forschung mit nichteinwilligungsfähigen Personen, 1999, S. 10; Kern, in: Laufs/Kern/Rehborn (Hrsg.), Handbuch des Arztrechts, 2019, § 131 Rn. 19 ff. Die vorgenannten Richtlinien des Reichsministeriums des Innern verstanden unter der „neuartigen Heilbehandlung“, dem heutigen sog. „Heilversuch bzw. therapeutischen Versuch“, „Eingriffe und Behandlungsweisen am Menschen…., die der Heilbehandlung dienen, also in einem bestimmten einzelnen Behandlungsfall zur Erkennung, Heilung oder Verhütung einer Krankheit oder eines Leidens oder zur Beseitigung eines körperlichen Mangels vorgenommen werden, obwohl ihre Auswirkungen und Folgen aufgrund der bisherigen Erfahrungen noch nicht ausreichend zu übersehen sind“, vgl. den Wortlaut der Richtlinien, abgedruckt bei Fischer, Medizinische Versuche am Menschen – Zulässigkeitsvoraussetzungen und Rechtsfolgen, S. 107. Heilversuche dienen mithin – ebenso wie die Heilbehandlung – dem Interesse und der Behandlung des Patienten im Einzelfall, sind also durch die in einem konkreten Krankheitsfall verfolgte therapeutische Absicht geprägt, auch wenn Erkenntnisstreben mit eine Rolle spielt. Diagnose oder Therapie werden jedoch mit neuartigen, noch nicht standardisierten Mitteln vorgenommen, sodass der Heilversuch den medizinischen Standard überschreitet, vgl. Fröhlich, Forschung wider Willen? Rechtsprobleme biomedizinischer Forschung mit nichteinwilligungsfähigen Personen, S. 10 f.; Kern, in: Laufs/Kern/Rehborn (Hrsg.), Handbuch des Arztrechts, § 131 Rn. 20; Meyer, Genetische Untersuchungen zu medizinischen Zwecken und zu Forschungszwecken an nicht einwilligungsfähigen Personen, S. 348. Unter wissenschaftlichen Versuchen verstanden die Richtlinien des Reichsministeriums des Innern „Eingriffe und Behandlungsweisen am Menschen…, die zu Forschungszwecken vorgenommen werden, ohne der Heilbehandlung im einzelnen Falle zu dienen, und deren Auswirkungen und Folgen auf Grund der bisherigen Erfahrungen noch nicht ausreichend zu übersehen sind“, vgl. den Wortlaut der Richtlinien, abgedruckt bei Fischer, Medizinische Versuche am Menschen – Zulässigkeitsvoraussetzungen und Rechtsfolgen, S. 107. Auch der wissenschaftliche Versuch zeichnet sich damit durch die Neuartigkeit der Diagnose- oder Therapiemethoden aus. In Abgrenzung zum Heilversuch liegt ein wissenschaftlicher Versuch vor, wenn die neuartigen Mittel oder Methoden ohne auf den konkreten Probanden bezogene therapeutische bzw. diagnostische Ziel- und Zwecksetzung erprobt werden oder diese gegenüber den wissenschaftlichen Interessen in den Hintergrund treten. Nicht die Behandlung des Patienten, sondern die Gewinnung neuer Erkenntnisse bestimmt beim wissenschaftlichen Versuch die Motivation des Wissenschaftlers . Anders als der Heilversuch, der jedenfalls in erster Linie auf das unmittelbare Wohl des Patienten ausgerichtet ist, steht beim wissenschaftlichen Versuch primär das wissenschaftliche oder allgemein medizinische Interesse im Vordergrund des Bemühens und dient damit in erster Linie dem Wohl der Allgemeinheit oder einer bestimmten Personengruppe; vgl. Fröhlich, Forschung wider Willen? Rechtsprobleme biomedizinischer Forschung mit nichteinwilligungsfähigen Personen, S. 12; Kern, in: Laufs/Kern/Rehborn (Hrsg.), Handbuch des Arztrechts, § 131 Rn.; Meyer, Genetische Untersuchungen zu medizinischen Zwecken und zu Forschungszwecken an nicht einwilligungsfähigen Personen, S. 349 f. mit einem Überblick über die Abgrenzungsprobleme zwischen Heilversuch und wissenschaftlichem Versuch und neueren Abgrenzungsvorschlägen. 83 Vgl. den Gesetzentwurf der Abgeordneten Birgitt Bender, Volker Beck (Köln), Markus Kurth, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Entwurf eines Gesetzes über genetische Untersuchungen bei Menschen (Gendiagnostikgesetz – GenDG), in: BT-Drs. 16/3233, S. 14 ff. (Abschnitt 7: Genetische Untersuchungen zu Zwecken wissenschaftlicher Forschung, §§ 26 bis 33) und S. 48 ff. (Begründung zum Siebten Abschnitt). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 098/19 Seite 33 Forschung ausging84, legen den Schluss nahe, dass „Forschung“ nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 GenDG im Sinne eines weiten Auslegungsrahmens bzw. Forschungsbegriffs vom Anwendungsbereich des GenDG ausgenommen sein soll.85 Diese Betrachtung und Interpretation des Begriffs „zu Forschungszwecken“ erscheint jedoch mit Blick auf die verschiedenen Versuchstypen – individueller Heilversuch86, therapeutischer Versuch87, wissenschaftlicher Versuch – und den Schutzzweckcharakter des GenDG verfehlt. Dafür, dass vielmehr eine differenzierende Betrachtungsweise geboten ist, spricht bereits die gesetzgeberische Begründung zu § 2 Abs. 2 Nr. 1 GenDG. Danach geht es bei der genetischen Untersuchung – wie oben bereits erwähnt – „um die allgemeine Erforschung von Ursachenfaktoren menschlicher Eigenschaften“, die „nicht auf konkrete Maßnahmen gegenüber einzelnen Personen“ zielt.88 Dem Begriff der Forschung wird mithin die konkrete Maßnahme gegenüber einer individuellen Person entgegengestellt. Hieraus lässt sich ableiten, dass es zwar dem gesetzgeberischen Willen entspricht, wissenschaftliche Versuche vom Anwendungsbereich des Gesetzes auszunehmen, der individuelle Heilversuch aber nicht der Ausnahmeregelung des § 2 Abs. 1 Nr. 1 GenDG unterfallen soll.89 Die Anwendung der Regelungen des GenDG – insbesondere der über die Anforderungen an die Durchführung 84 Nach § 27 Abs. 1 Satz 2 des Entwurfs eines Gesetzes über genetische Untersuchungen bei Menschen aus dem Jahr 2006 sollte die Aufklärung durch eine Ärztin oder einen Arzt oder unter Hinzuziehung einer Ärztin oder eines Arztes erfolgen, wenn bei der geplanten Forschungsarbeit für die Gesundheit der betroffenen Person “ wesentliche Erkenntnisse zu erwarten“ waren. Der Entwurf aus dem Jahr 2006 umfasste neben der Grundlagenforschung also auch die angewandte Forschung und ging deshalb von einem weiten Forschungsbegriff aus, vgl. Sosnitza/Op den Camp, Auswirkungen des Gendiagnostikgesetzes auf klinische Prüfungen, in: MedR, 2011, S. 401 (403). 85 Sosnitza/Op den Camp, Auswirkungen des Gendiagnostikgesetzes auf klinische Prüfungen, in: MedR, 2011, S. 401 (404). 86 Der individuelle Heilversuch ist – wie die Heilbehandlung – dadurch gekennzeichnet, dass er ausschließlich auf das Wohl des individuellen Patienten ausgerichtet ist, vgl. Meyer, Genetische Untersuchungen zu medizinischen Zwecken und zu Forschungszwecken an nicht einwilligungsfähigen Personen, S. 348 mit weiteren Nachweisen aus der Literatur. 87 Der therapeutische Versuch dient – anders als der individuelle Heilversuch und die Heilbehandlung – nicht nur dem Wohl des Patienten, sondern verfolgt als nachrangigen Nebenzweck auch wissenschaftliche Interessen, indem die aus der Behandlung gewonnenen Erkenntnisse ausgewertet und für die Forschung genutzt werden, vgl. Meyer, Genetische Untersuchungen zu medizinischen Zwecken und zu Forschungszwecken an nicht einwilligungsfähigen Personen, S. 352. 88 Vgl. die Begründung im Gesetzentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes über genetische Untersuchungen bei Menschen (Gendiagnostikgesetz – GenDG), in: BT-Drs. 16/10532, S. 20 zu § 2 Abs. 2 Nr. 1. 89 Meyer, Genetische Untersuchungen zu medizinischen Zwecken und zu Forschungszwecken an nicht einwilligungsfähigen Personen, S. 352; Kern, in: Kern (Hrsg.), GenDG, § 2 Rn. 14; Deutscher Ethikrat (Hrsg.), Die Zukunft der genetischen Diagnostik – von der Forschung in die klinische Anwendung, Stellungnahme vom 13. April 2013, S. 77, abrufbar unter: https://www.ethikrat.org/fileadmin/Publikationen/Stellungnahmen /deutsch/stellungnahme-zukunft-der-genetischen-diagnostik.pdf; Rudnik-Schöneborn/Langanke/ Erdmann/Robienski, Ethische und rechtliche Aspekte im Umgang mit genetischen Zufallsbefunden – Herausforderungen und Lösungsansätze, in: Ethik in der Medizin (Ethik Med), 2014, S. 105 (113). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 098/19 Seite 34 genetischer Untersuchungen zu medizinischen Zwecken im zweiten Abschnitt des Gesetzes (§§ 7 bis 16 GenDG) – auf den individuellen Heilversuch ist auch sachgerecht, da die diagnostische Maßnahme im Rahmen des individuellen Heilversuchs ebenso wie die diagnostische Maßnahme im Rahmen einer Heilbehandlung ausschließlich der Behandlung des Patienten dient und auf das Wohl des individuellen Patienten ausgerichtet ist. Der einzige Unterschied liegt in der Neuartigkeit der Mittel bzw. Methoden. Wird der Patient aber über die fehlende Standardisierung , den Versuchscharakter und die sich daraus ergebenden Folgen aufgeklärt, sind keine Gründe ersichtlich, die genetische Untersuchung im Rahmen eines individuellen Heilversuchs anders zu behandeln als diejenige im Rahmen der standardisierten Heilbehandlung, da die §§ 7 ff. GenDG der betroffenen Person ja gerade einen sehr hohen Schutzstandard gewährleisten und die Patienten im Rahmen eines Heilversuchs noch schutzwürdiger sind als die Patienten einer standardisierten Heilbehandlung.90 Fraglich bleibt damit lediglich noch, ob auch der therapeutische Versuch der Ausnahmeregelung des § 2 Abs. 2 Nr. 1 GenDG unterfällt. Von der Heilbehandlung grenzt er sich durch die fehlende Standardisierung und dadurch ab, dass er – wie bereits erwähnt – nicht nur dem Wohl des Patienten dient, sondern als nachrangigen Nebenzweck auch wissenschaftliche Interessen verfolgt. In Bezug auf die Vornahme der genetischen Untersuchung, die gerade auf die Behandlung des Patienten ausgerichtet ist, spricht – ebenso wie beim individuellen Heilversuch – nichts gegen die Anwendung des GenDG, da es sich insoweit um eine konkrete Maßnahme gegenüber einer einzelnen Person handelt.91 Im Hinblick auf die aus einer solchen Untersuchung gewonnenen Erkenntnisse, Proben und Daten ergeben sich aber Bedenken, ob das GenDG als eine hinreichende Rechtsgrundlage für die Verwendung dieser Ergebnisse zu Forschungszwecken angesehen werden kann. So darf beispielsweise nach § 11 Abs. 3 GenDG die verantwortliche ärztliche Person das Ergebnis der genetischen Untersuchung oder Analyse „anderen“ – also etwa einem Forschungsinstitut – nur mit ausdrücklicher und schriftlich oder in elektronischer Form vorliegender Einwilligung der betroffenen Person mitteilen. Gesetzliche Regelungen fehlen zudem auch in Bezug auf forschungsspezifisch wesentliche Fragen, wie die weitere Übermittlung der Proben und Daten an andere Dritte durch die „andere Person“ im Sinne des § 11 Abs. 1 GenDG, die Länge der Aufbewahrung der genetischen Proben und Daten außerhalb der Untersuchungsunterlagen, die Frage der Zulässigkeit der Veröffentlichung der Forschungsergebnisse unter Verwendung personenbezogener genetischer Daten, die kommerzielle Verwertung der Forschungsergebnisse oder auch hinsichtlich des Erfordernisses der Beteiligung einer Ethikkommission . Allerdings sind diese Einwände eher als ein Argument für die Erforderlichkeit der Schaffung weiterer speziellerer Regelungen für die Verwendung genetischer Proben und Daten im Bereich der Forschung anzusehen. Sie vermögen jedoch nicht zu begründen, warum man den erhöhten Schutzstandard, den das GenDG in Bezug auf die individuelle, neuartige medizinische Behandlung des Patienten bereits derzeit gewährleisten kann, nicht auch den Betroffenen eines 90 Meyer, Genetische Untersuchungen zu medizinischen Zwecken und zu Forschungszwecken an nicht einwilligungsfähigen Personen, S. 352; Kern, in: Kern (Hrsg.), GenDG, § 2 Rn. 14; Schillhorn/Heidemann, GenDG, § 2 Rn. 20; ähnlich Stockter, in: Prütting (Hrsg.), Medizinrecht Kommentar, GenDG, § 2 Rn 32. 91 Vgl. Meyer, Genetische Untersuchungen zu medizinischen Zwecken und zu Forschungszwecken an nicht einwilligungsfähigen Personen, S. 352. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 098/19 Seite 35 therapeutischen Versuchs zukommen lassen sollte. Vielmehr ist auch der Teilnehmer eines therapeutischen Versuchs wegen der fehlenden Standardisierung schutzbedürftig.92 Zusammenfassend ist damit festzuhalten, dass nach Sinn und Zweck des GenDG individuelle Heilversuche und – soweit durch einschlägige Normen tangiert – auch der therapeutische Versuch als angewandte Forschung vom Anwendungsbereich des GenDG erfasst werden, dem Ausnahmetatbestand des § 2 Abs. 2 Nr. 1 GenDG folglich nur wissenschaftliche Versuche unterfallen . 3.3.2. Genetische Untersuchungen im Bereich des Strafverfahrens und der Gefahrenabwehr (§ 2 Abs. 2 Nr. 2a GenDG) Vom Anwendungsbereich des Gesetzes ausgenommen sind nach § 2 Abs. 2 Nr. 2a GenDG ferner genetische Untersuchungen und Analysen sowie der Umgang mit genetischen Proben und genetischen Daten aufgrund von Vorschriften über das Strafverfahren. Besondere Bedeutung kommt dabei den spezialgesetzlichen Regelungen in den §§ 81e bis 81h der Strafprozessordnung (StPO)93 zu.94 So sieht beispielsweise § 81e Abs. 1 Satz 1 StPO vor, dass an dem durch bestimmte strafprozessuale Maßnahmen bei einem Beschuldigten oder bei einer anderen Person erlangten Material mittels molekulargenetischer Untersuchung das DNA-Identifizierungsmuster, die Abstammung und das Geschlecht der Person festgestellt und diese Feststellungen mit Vergleichsmaterial abgeglichen werden dürfen, soweit dies zur Erforschung des Sachverhalts erforderlich ist. Die Vorschriften der §§ 81e und 81f StPO sowie die in § 81e StPO in Bezug genommene Vorschrift des § 81a StPO zur Entnahme von Blutproben und zu anderen körperlichen Eingriffen beim Beschuldigten bzw. die des § 81c StPO zur Untersuchung anderer Personen regeln die Voraussetzungen für die Gewinnung derartiger genetischer Daten abschließend. Insoweit besteht keine Notwendigkeit, den Anwendungsbereich des GenDG auf entsprechende Bestimmungen zur Strafverfolgung zu erstrecken.95 Ausgenommen vom Anwendungsbereich des Gesetzes bleiben nach § 2 Abs. 2 Nr. 2a GenDG darüber hinaus auch genetische Untersuchungen und Analysen sowie der Umgang mit genetischen Proben und genetischen Daten aufgrund von Vorschriften der Polizeigesetze der Länder 92 So die überzeugende Argumentation von Meyer, Genetische Untersuchungen zu medizinischen Zwecken und zu Forschungszwecken an nicht einwilligungsfähigen Personen, S. 352 f. 93 Strafprozessordnung (StPO) in der Fassung der Bekanntmachung vom 7. April 1987 (BGBl. I S. 1074, 1319), zuletzt geändert durch Art. 3 des Gesetzes vom 22. April 2020 (BGBl. I S. 840). 94 Kern, in: Kern (Hrsg.), GenDG, § 2 Rn. 17; Stockter, in: Prütting (Hrsg.), Medizinrecht Kommentar, GenDG, § 2 Rn. 33; Meyer, Genetische Untersuchungen zu medizinischen Zwecken und zu Forschungszwecken an nicht einwilligungsfähigen Personen, S. 131 in Fußnote 215. 95 Schillhorn/Heidemann, GenDG, § 2 Rn. 21. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 098/19 Seite 36 sowie über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen und aufgrund des Bundeskriminalamtgesetzes 96, da auch insoweit bereits spezialgesetzliche Regelungen bestehen.97 3.3.3. Genetische Untersuchungen im Bereich des Infektionsschutzes (§ 2 Abs. 2 Nr. 2b GenDG) Ausgenommen vom Anwendungsbereich des Gesetzes sind nach § 2 Abs. 2 Nr. 2b GenDG schließlich genetische Untersuchungen und Analysen, die aufgrund von Vorschriften des Infektionsschutzgesetzes (IfSG)98 und der darauf gestützten Rechtsverordnungen vorgenommen werden. Auch der Umgang mit genetischen Daten und genetischen Proben wird vom Anwendungsbereich des GenDG nicht erfasst, soweit die Vorschriften des IfSG und der darauf gestützten Rechtsverordnungen Anwendung finden. Dies gilt unabhängig davon, auf welcher Grundlage die genetischen Daten erhoben und die genetischen Proben gewonnen worden sind. Der Gesetzesbegründung zufolge99 ist dies insbesondere von Bedeutung im Zusammenhang mit gesetzlichen Meldepflichten für bestimmte Krankheiten und Nachweise bestimmter Krankheitserreger nach dem IfSG. Sämtliche Vorschriften des IfSG und der darauf gestützten Rechtsverordnungen bleiben von den Regelungen des GenDG unberührt.100 Aufgrund des hohen Schutzgutes des IfSG, dessen Zweck nach § 1 Abs. 1 IfSG darin besteht, übertragbaren Krankheiten beim Menschen vorbeugen, Infektionen frühzeitig zu erkennen und ihre Weiterverbreitung zu verhindern, erscheint der Anwendungsausschluss des GenDG in diesem Regelungsbereich gerechtfertigt.101 4. Begriffsbestimmungen des Gendiagnostikgesetzes In § 3 GenDG hat der Gesetzgeber wesentliche im Gesetz verwendete Begriffe definiert. Dadurch wird – wie oben bereits erwähnt – der Anwendungsbereich des Gesetzes über die in § 2 GenDG getroffenen Regelungen hinaus weiter konkretisiert.102 Auf die Definition einiger anderer im 96 Gesetz über das Bundeskriminalamt und die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in kriminalpolizeilichen Angelegenheiten (Bundeskriminalamtgesetz – BKAG) vom 1. Juni 2017 (BGBl. I S. 1354; 2019 I S. 400). 97 Vgl. die Begründung im Gesetzentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes über genetische Untersuchungen bei Menschen (Gendiagnostikgesetz – GenDG), in: BT-Drs. 16/10532, S. 20 zu § 2 Abs. 2 Nr. 2a; vgl. auch Schillhorn/Heidemann, GenDG, § 2 Rn. 21. 98 Gesetz zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen (Infektionsschutzgesetz – IfSG) vom 20. Juli 2000 (BGBl. I S. 1045), zuletzt geändert durch Art. 1 und 2 des Gesetzes vom 19. Mai 2020 (BGBl. I S. 1018). 99 Vgl. die Begründung im Gesetzentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes über genetische Untersuchungen bei Menschen (Gendiagnostikgesetz – GenDG), in: BT-Drs. 16/10532, S. 20 zu § 2 Abs. 2 Nr. 2b. 100 Vgl. auch hierzu die Begründung im Gesetzentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes über genetische Untersuchungen bei Menschen (Gendiagnostikgesetz – GenDG), in: BT-Drs. 16/10532, S. 20 zu § 2 Abs. 2b sowie Stockter, in: Prütting (Hrsg.), Medizinrecht Kommentar, GenDG, § 2 Rn. 34. 101 Schillhorn/Heidemann, GenDG, § 2 Rn. 23. 102 Schillhorn/Heidemann, GenDG, § 3, Rn. 1. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 098/19 Seite 37 Gesetz verwendeter Begriffe, denen für den Anwendungsbereich des GenDG eine ebenso maßgebliche Bedeutung zukommt, hat der Gesetzgeber im Definitionskatalog des § 3 GenDG hingegen verzichtet. Dies gilt beispielsweise für den Begriff der „medizinischen Zwecke“ im Sinne der §§ 2 Abs. 1, 14 Abs. 1, 15 Abs. 1 GenDG sowie die Begriffe „Erkrankung oder gesundheitliche Störung“ im Sinne des § 3 Nr. 7 und 8 GenDG und den der „Behandelbarkeit“ im Sinne des § 16 Abs. 1 GenDG. Eine Anlehnung an die Begriffsbestimmung anderer Gesetze ist aufgrund der Besonderheiten des GenDG vielfach nicht möglich.103 Deshalb wird in der Literatur zum Teil darauf hingewiesen, dass es wünschenswert sei, wenn die Gendiagnostik-Kommission (GEKO) diese Auslassung des Gesetzgebers durch entsprechende Klarstellungen in ihren Richtlinien nach § 23 Abs. 2 Nr. 1 GenDG ausgleichen würde.104 4.1. Genetische Untersuchungsmethoden (§ 3 Nr. 1 bis 3 GenDG) Mit den Regelungen in § 3 Nr. 1 bis 3 GenDG werden die Begriffsbestimmungen für drei wesentliche im GenDG in Bezug genommene genetische Untersuchungsmethoden vorgenommen, wobei die „genetische Analyse“ in § 3 Nr. 2 GenDG und die „vorgeburtliche Risikoabklärung“ in § 3 Nr. 3 GenDG jeweils als Unterbegriff vom Begriff der „genetischen Untersuchung“ nach § 3 Nr. 1 GenDG erfasst sind.105 4.1.1. Genetische Untersuchung nach § 3 Nr. 1 GenDG In § 3 Nr. 1 GenDG wird die „genetische Untersuchung“ als „eine auf den Untersuchungszweck gerichtete genetische Analyse zur Feststellung genetischer Eigenschaften“ (§ 3 Nr. 1a GenDG) oder „vorgeburtliche Risikoabklärung“ (§ 3 Nr. 1b GenDG) „einschließlich der Beurteilung der jeweiligen Ergebnisse“ definiert. Die gesetzliche Begriffsbestimmung nimmt damit methodenund zweckbezogene Spezifizierungen vor, die durch die Begriffsbestimmungen der „genetischen Analyse“ in § 3 Nr. 2 GenDG und der „vorgeburtlichen Risikoabklärung“ in § 3 Nr. 3 GenDG konkretisiert werden. Der in § 3 Nr. 1a GenDG verwendete Begriff der „genetischen Eigenschaften “ wird demgegenüber in § 3 Nr. 4 GenDG definiert, womit der Begriff der „genetischen Untersuchung “ nach § 3 Nr. 1 GenDG über das zu erlangende Untersuchungsergebnis – informationsbezogen – beschränkt wird.106 Die „genetische Analyse zur Feststellung genetischer Eigenschaften “ im Sinne des § 3 Nr. 1a GenDG bezieht sich deshalb, dies ist auch der gesetzgeberischen Begründung zu entnehmen107, nur auf solche genetischen Eigenschaften, die im Sinne des 103 Hahn/Schwarz, in: Kern (Hrsg.), GenDG, § 3 Rn. 1. 104 Schillhorn/Heidemann, GenDG, § 3 Rn. 1. 105 Stockter, in: Prütting (Hrsg.), Medizinrecht Kommentar, GenDG, § 3 Rn. 1; Hahn/Schwarz, in: Kern (Hrsg.), GenDG, § 3 Rn. 2. 106 Stockter, in Prütting (Hrsg.), Medizinrecht Kommentar, GenDG, § 3 Rn. 4. 107 Vgl. den Gesetzentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes über genetische Untersuchungen bei Menschen (Gendiagnostikgesetz – GenDG), in: BT-Drs. 16/10532, S. 20 zu § 3 Nr. 1. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 098/19 Seite 38 § 3 Nr. 4 GenDG „ererbt oder während der Befruchtung oder bis zur Geburt erworben“, also bei der betroffenen Person in der Embryonalentwicklung neu entstanden sind.108 Über die inhaltliche Verweisung in § 3 Nr. 1a GenDG auf die Begriffsbestimmung der genetischen Analyse in der nachfolgenden Nr. 2 des § 3 GenDG wird der Begriff der genetischen Untersuchung für nachgeburtliche genetische Untersuchungen auf bestimmte in § 3 Nr. 2 GenDG genannte labortechnische Untersuchungen beschränkt. Auf diese Weise werden insbesondere nachgeburtliche Phänotyp-Untersuchungen, bei denen aufgrund einer Untersuchung des äußeren Erscheinungsbilds des Probanden auf genetische Merkmale zurückgeschlossen wird, aus dem Anwendungsbereich des GenDG herausgenommen.109 Dies gilt auch dann, wenn im Rahmen einer solchen Untersuchung Befunde gemacht werden, die Aussagen über genetisch bedingte Erkrankungswahrscheinlichkeiten erlauben, wie zum Beispiel die Feststellung eines vergrößerten Netzhautepithels oder bestimmte Zahn- und Kieferfehlstellungen als Indikator für eine erhöhte Wahrscheinlichkeit, an Darmkrebs zu erkranken.110 Im Rahmen der vorgeburtlichen Risikoabklärung im Sinne des § 3 Nr. 1b GenDG sind hingegen auch Phänotyp-Untersuchungen, zum Beispiel mittels bildgebender Verfahren, vom Begriff der genetischen Untersuchung erfasst.111 Dazu gehören etwa Ultraschalluntersuchungen wie der Nackentransparenz-Test, bei dem im Rahmen des Ersttrimesterscreenings mittels Ultraschall gezielt nach Hinweisen zum Beispiel auf das Down-Syndrom gesucht wird. Soweit auch beim Basis-Ultraschall Auffälligkeiten am Ungeborenen entdeckt werden, die eine genetische Ursache haben können, unterliegen auch diese Untersuchungen den Regelungen für die vorgeburtliche Risikoabklärung im Sinne des § 3 Nr. 3 GenDG.112 Zwischen der Reichweite einer genetischen Untersuchung im Sinne von § 3 Nr. 1a GenDG einerseits und einer genetischen Untersuchung nach § 3 Nr. 1b GenDG andererseits, die im Rahmen der vorgeburtlichen Risikoabklärung auch Phänotyp-Untersuchungen erfasst, bestehen damit gewichtige Unterschiede.113 Darin kommt das Spannungsverhältnis zwischen dem Ziel des Gesetzes , die mit der Untersuchung menschlicher genetischer Eigenschaften verbundenen mögliche 108 Schillhorn/Heidemann, GenDG, § 3 Rn. 3. 109 Stockter, in: Prütting (Hrsg.), Medizinrecht Kommentar, GenDG, § 3 Rn 6 und 21 ff.; Hahn/Schwarz, in: Kern (Hrsg.), GenDG, § 3 Rn. 3 und 9. 110 Stockter, in: Prütting (Hrsg.), Medizinrecht Kommentar, GenDG, § 3 Rn. 21; Stockter, Das Verbot genetischer Diskriminierung und das Recht auf Achtung der Individualität, 2008, S. 87 f. In der traditionellen klinischen Medizin werden schon seit Längerem aus dem Phänotyp von bestimmten Krankheiten, d. h. den Symptomen und ihrem Erscheinungsbild, Rückschlüsse auf das Erbgut einer Person gezogen, vgl. Schmidtke, Vererbung und Ererbtes, 1997, S. 85 f. Dazu gehören neben einer einfachen Inaugenscheinnahme beispielsweise Röntgenuntersuchungen , Ultraschalluntersuchungen oder sonstige, an Symptomen orientierte Untersuchungen. Selbst ein einfacher Sehtest kann genetische Veranlagungen erkennen lassen, wie etwa im Fall der Farbenblindheit, vgl. Stockter, in: Prütting (Hrsg.), Medizinrecht Kommentar, GenDG, § 3 Rn. 22. 111 Stockter, in: Prütting (Hrsg.), Medizinrecht Kommentar, GenDG, § 3 Rn. 7; Hahn/Schwarz, in: Kern (Hrsg.), GenDG, § 3 Rn. 3. 112 Stockter, in: Prütting (Hrsg.), Medizinrecht Kommentar, GenDG, § 3 Rn. 7. 113 Hahn/Schwarz, in: Kern (Hrsg.), GenDG, § 3 Rn. 3. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 098/19 Seite 39 Gefahren von genetischer Diskriminierung zu verhindern und gleichzeitig die Chancen des Einsatzes genetischer Untersuchungen für den einzelnen Menschen zu wahren114, zum Ausdruck.115 Die Unterscheidung im Rahmen von § 3 Nr. 1 GenDG und den Ausschluss der nachgeburtlichen Phänotyp-Untersuchungen aus dem Anwendungsbereich des GenDG rechtfertigt der Gesetzgeber in seiner Begründung mit dem Zweck der Regelung der vorgeburtlichen Risikoabklärung116. Das eigentliche Missbrauchspotenzial bestehe bei der Gendiagnostik darin, dass es mittlerweile mittels labortechnischer Untersuchungen immer einfacher werde, aus der kleinsten Probe genetische Daten zu ermitteln und dass diese Proben auch ohne Wissen der betroffenen Person – etwa in Form von Haaren, Speichel oder Kaugummi – gewonnen und weiter gegeben werden könnten. Dieses Gefährdungspotenzial sei bei nachgeburtlichen Phänotyp-Untersuchungen nicht gegeben, sodass diese auch nicht in den Kanon der von § 3 Nr. 1a GenDG erfassten Untersuchungsmethoden aufzunehmen gewesen seien. Die einer anderen Systematik folgende Regelung der vorgeburtlichen Risikoabklärung in § 3 Nr. 1b GenDG habe den Schutz des Ungeborenen zum Ziel, sei daher weiter zu fassen gewesen und schließe deshalb auch vorgeburtliche Phänotyp-Untersuchungen ein.117 Eine genetische Untersuchung im Sinne von § 3 Nr. 1 GenDG setzt „eine auf den Untersuchungszweck gerichtete“ genetische Analyse oder vorgeburtliche Risikoabklärung voraus. Dies bedeutet, dass die Untersuchung von der Motivation getragen sein muss, genetische Eigenschaften festzustellen oder eine vorgeburtliche Risikoabklärung vorzunehmen.118 Reine Zufallsbefunde, die nur „bei Gelegenheit“ als Nebenprodukt einer zu einem anderen Zweck durchgeführten Untersuchung ermittelt werden, stellen keine Ergebnisse einer genetischen Untersuchung im Sinne dieser Vorschrift dar und unterfallen deshalb auch dann nicht dem Anwendungsbereich des GenGD, wenn sie Rückschlüsse auf genetische Eigenschaften erlauben.119 Sowohl der vom Begriff der genetischen Untersuchungen in Bezug genommene Begriff der genetischen Analyse als auch der der vorgeburtlichen Risikoabklärung setzen voraus, dass die Untersuchung mit dem Zweck durchgeführt wird, genetische Eigenschaften im Sinne des § 3 Nr. 4 GenDG festzustellen. Nicht erfasst werden damit insbesondere Untersuchungen auf genetische Neumutationen, die nach der Geburt entstehen, zum Beispiel Untersuchungen auf 114 Vgl. hierzu die Begründung im Gesetzentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes über genetische Untersuchungen bei Menschen (Gendiagnostikgesetz – GenDG), in: BT-Drs. 16/10532, S. 1 und 16. 115 Hahn/Schwarz, in: Kern (Hrsg.), GenDG, § 3 Rn. 3. 116 Vgl. die Begründung im Gesetzentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes über genetische Untersuchungen bei Menschen (Gendiagnostikgesetz – GenDG), in: BT-Drs. 16/10532, S. 20 zu § 3 Nr. 1. 117 Vgl. die Begründung im Gesetzentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes über genetische Untersuchungen bei Menschen (Gendiagnostikgesetz – GenDG), in: BT-Drs. 16/10532, S. 20 zu § 3 Nr. 1. 118 Hahn/Schwarz, in: Kern (Hrsg.), GenDG, § 3 Rn.5. 119 Hahn/Schwarz, in: Kern (Hrsg.), GenDG, § 3 Rn. 5; Stockter, in: Prütting (Hrsg.), Medizinrecht Kommentar, GenDG, § 3 Rn. 5; Schillhorn/Heidemann, GenDG, § 3 Rn. 4; Hübner/Pühler, Das Gendiagnostikgesetz – neue Herausforderungen im ärztlichen Alltag, in: MedR, 2010, S. 676 (677); Meyer, Genetische Untersuchungen zu medizinischen Zwecken und zu Forschungszwecken an nicht einwilligungsfähigen Personen, S. 131. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 098/19 Seite 40 nicht-erblich bedingten Krebs.120 Der Begriff der genetischen Untersuchung wird durch § 3 Nr. 1 GenDG jedoch nicht in der Weise begrenzt, dass nur Untersuchungen erfasst werden, die – über den Zweck, genetische Eigenschaften festzustellen oder eine vorgeburtliche Risikoabklärung vorzunehmen hinaus – auf bestimmte Aussageinhalte, etwa auf Aussagen über Erkrankungswahrscheinlichkeiten , abzielen. Da weder dem Wortlaut noch dem Sinn und Zweck des § 3 Nr. 1 GenDG insoweit eine Einschränkung zu entnehmen ist, werden nicht nur alle medizinisch motivierten Untersuchungen, sondern auch sog. „Life-Style-Tests (etwa auf die Lebenserwartung , die Musikalität oder die sexuelle Orientierung), die keinen medizinischen Zweck im Sinne des GenDG erfüllen, von dieser Norm erfasst.121 Dies folgt im Wege einer systematischen Auslegung insbesondere auch aus der Regelung des § 15 Abs. 1 Satz 1 GenDG in der die Zulässigkeit von vorgeburtlichen genetischen Untersuchungen ausdrücklich auf „medizinische Zwecke“ beschränkt wird.122 Die Begriffsbestimmung der genetischen Untersuchung in § 3 Nr. 1 GenDG enthält schließlich auch keine Beschränkung hinsichtlich der angestrebten Verwendungsweise der Untersuchungsergebnisse . Es handelt sich daher um genetische Untersuchungen unabhängig von der Frage, ob ihre Ergebnisse zur Feststellung bestehender oder zur Prognostizierung zukünftiger Manifestationen genutzt werden sollen. Zudem sind auch Untersuchungen, anhand derer die Verursachung bereits festgestellter Manifestationen bewertet werden sollen, genetische Untersuchungen im Sinne des § 3 Nr. 1 GenDG.123 4.1.2. Genetische Analyse nach § 3 Nr. 2 GenDG Die genetische Analyse ist nach § 3 Nr. 2 GenDG „eine auf die Feststellung genetischer Eigenschaften gerichtete Analyse“. Die vom Begriff der genetischen Analyse erfassten labortechnischen Untersuchungsmethoden werden dabei unter § 3 Nr. 2a bis c GenDG im Einzelnen aufgeschlüsselt und wiederum definiert. Da es sich bei dem Begriff der genetischen Analyse um einen Teil der genetischen Untersuchung handelt, gelten für diese die zu § 3 Nr. 1 GenDG erläuterten Grundsätze. Deshalb setzt auch der Begriff der genetischen Analyse einen bestimmten Untersuchungszweck voraus. Nur wenn diese Voraussetzung erfüllt ist, kann der Anwendungsbereich des Gesetzes eröffnet sein.124 Dem Begriff der genetischen Analyse nach § 3 Nr. 2 GenDG kommt neben dem Begriff der genetischen Untersuchung im Sinne des § 3 Nr. 1 GenDG keine eigenständige Bedeutung zu.125 120 Stockter, in: Prütting (Hrsg.), Medizinrecht Kommentar, GenDG, § 3 Rn. 8. 121 Hahn/Schwarz, in: Kern (Hrsg.), GenDG, § 3 Rn. 6; Stockter, in: Prütting (Hrsg.), Medizinrecht Kommentar, GenDG, § 3 Rn. 9 und 46. 122 Stockter, in: Prütting (Hrsg.), Medizinrecht Kommentar, GenDG, § 3 Rn. 9. 123 Stockter in: Prütting (Hrsg.), Medizinrecht Kommentar, GenDG, § 3 Rn. 10. 124 Schillhorn/Heidemann, GenDG, § 3 Rn. 11; Hahn/Schwarz, in: Kern (Hrsg.), GenDG, § 3 Rn. 8; Stockter, in: Prütting (Hrsg.), Medizinrecht Kommentar, GenDG, § 3 Rn. 13. 125 Stockter, in: Prütting (Hrsg.), Medizinrecht Kommentar, GenDG, § 3 Rn. 11. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 098/19 Seite 41 Vielmehr dient die konkrete Benennung der Analysemethoden in § 3 Nr. 2 a bis c GenDG zum einen der Festlegung des Anknüpfungspunktes der nachfolgenden Bestimmungen. Hinsichtlich dieses Konkretisierungszwecks ist beispielsweise auf den Begriff der „verantwortlichen ärztlichen Person“ in den §§ 7 Abs. 2 und 13 Abs. 1 Satz 2 GenDG zu verweisen. Diese bestimmt sich nach § 3 Nr. 5 GenDG und orientiert sich dabei am Begriff der genetischen Untersuchung. Zum anderen dient die Begriffsdefinition des § 3 Nr. 2 GenDG der Herausnahme nicht erfasster Untersuchungsmethoden aus dem Anwendungsbereich des GenDG. Dies gilt – wie oben bereits näher dargelegt wurde – insbesondere für die nachgeburtlichen Phänotyp-Untersuchungen.126 Die Begriffe der genetischen Analyse und der vorgeburtlichen Risikoabklärung schließen sich nicht gegenseitig aus. Während der Begriff der genetischen Analyse – wie bereits erwähnt – eine Spezifizierung hinsichtlich der Untersuchungsarten vornimmt, erfolgt durch den Begriff der vorgeburtlichen Risikoabklärung eine Spezifikation hinsichtlich des Untersuchungszeitpunktes (vor der Geburt). Die begrifflichen Beschränkungen nach § 3 Nr. 2a bis c GenDG bezogen auf die Untersuchungsmethoden, die als genetische Analysen in den Anwendungsbereich des GenDG fallen, gelten mithin nicht für den Begriff der vorgeburtlichen Risikoabklärung.127 Das Gesetz unterscheidet in § 3 Nr. 2a bis c GenDG drei verschiedene labortechnische Arten von genetischen Analysen: die zytogenetische Analyse, die molekulargenetische Analyse und die Genproduktanalyse . 4.1.2.1. Die zytogenetische Analyse Die zytogenetische Analyse oder auch Chromosomenanalyse nach § 3 Nr. 2a GenDG dient der lichtmikroskopischen Feststellung von Abweichungen in der Anzahl und Struktur der 46 menschlichen Chromosomen.128 Auch die molekularzytogenetische Untersuchung, beispielsweise mittels Fluoreszenz-in-situ-Hybridisierung (FISH), mit der das Fehlen kleinerer Stücke und anderer Strukturveränderungen der Chromosomen festgestellt werden, ist von der zytogenetischen Analyse nach § 3 Nr. 2a GenDG erfasst.129 Prädiktive Aussagen erlaubt diese Untersuchungsmethode im Wesentlichen im Rahmen der Pränataldiagnostik.130 Bis zum 6.-7. Lebensjahr haben sich chromosomal-bedingte Veranlagungen in der Regel äußerlich 126 Hahn/Schwarz, in: Kern (Hrsg.), GenDG, § 3 Rn. 9; Stockter, in: Prütting (Hrsg.), Medizinrecht Kommentar, GenDG, § 3 Rn. 11 und 21 ff.; Meyer, Genetische Untersuchungen zu medizinischen Zwecken und zu Forschungszwecken an nicht einwilligungsfähigen Personen, S. 132. 127 Stockter, in: Prütting (Hrsg.), Medizinrecht Kommentar, GenDG, § 3 Rn. 12. 128 Vgl. die Begründung im Gesetzentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes über genetische Untersuchungen bei Menschen (Gendiagnostikgesetz – GenDG), in: BT-Drs. 16/10532, S. 21 zu § 3 Nr. 2a; Hahn/Schwarz, in: Kern (Hrsg.), GenDG, § 3 Rn. 10; Stockter, in: Prütting (Hrsg.), Medizinrecht Kommentar, GenDG, § 3 Rn. 14. 129 Vgl. die Begründung im Gesetzentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes über genetische Untersuchungen bei Menschen (Gendiagnostikgesetz – GenDG), in: BT-Drs. 16/10532, S. 21 zu § 3 Nr. 2a.; Hahn/Schwarz, in: Kern (Hrsg.), GenDG, § 3 Rn. 10; Stockter, in: Prütting (Hrsg.), Medizinrecht Kommentar, GenDG, § 3 Rn. 14. 130 Vgl. hierzu näher den Schlussbericht der Enquete-Kommission „Recht und Ethik der modernen Medizin“, in: BT-Drs. 14/9020 vom 14. Mai 2002, S. 118 f. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 098/19 Seite 42 deutlich wahrnehmbar manifestiert. Eine der bekanntesten chromosomalen Veränderungen, die über derartige Tests diagnostiziert werden können, ist das sog. Down-Syndrom (Trisomie 21), bei dem das Chromosom 21 drei- statt zweimal vorhanden ist131. 4.1.2.2. Die molekulargenetische Analyse Bei der Analyse des zu untersuchenden Gens und des Genoms auf molekularer Ebene unterscheidet das GenDG in § 3 Nr. 2b zwischen der Untersuchung der Ribonukleinsäure (RNA), eines Zwischenprodukts bei der Übertragung des genetischen Codes in ein Protein, und der Untersuchung der Desoxyribonukleinsäure (DNA). Mittels einer Untersuchung der DNA kann eine Veränderung an dieser (Mutationen) erkannt werden. Mögliche Techniken, die hierbei zur Anwendung kommen, sind beispielweise die DNA-Sequenzierung, die Polymerasekettenreaktion (PCR), sowie Hybridisierungen oder Mikrosatelliten-Analysen. Zu den Analysen der molekularen Struktur der DNA oder RNA im Sinne des § 3 Nr. 2b GenDG gehören darüber hinaus auch Analysen zur Bestimmung epigenetischer Veränderungen, beispielsweise des Methylierungszustandes der DNA.132 4.1.2.3. Die Genproduktanalyse Nach § 3 Nr. 2c GenDG wird auch eine auf die Feststellung genetischer Eigenschaften gerichtete Analyse der Genprodukte von DNA und RNA, der Proteine, vom Gesetz erfasst. Das Serum-Cholesterin, der Blutzucker, der Blutdruck, Bestandteile des Urins oder der Salzgehalt im Schweiß stellen mitunter hochspezifische und verlässliche Indikatoren für genetische Störungen dar.133 Bei diesen Analysen kann es sich nach der Gesetzesbegründung um Strukturanalysen, Aktivitäts- und funktionelle Proteinuntersuchungen und andere biochemische und proteinchemische Analysen handeln, sofern diese geeignet sind, das Vorliegen genetischer Eigenschaften im Sinne von § 3 Nr. 1 und 4 in Verbindung mit den Nr. 7 und 8 GenDG tatsächlich festzustellen. Auch die Tandemmassenspektrometri, mit der Gen- und Stoffwechselprodukte nachgewiesen werden, gehört zu den Analysen der Genprodukte.134 Die Genproduktanalyse im Sinne des § 3 Nr. 2c GenDG stellt keine genetische Analyse im engeren Wortsinn dar. Sowohl die vorgeburtliche Risikoabklärung als auch die Genproduktanalyse 131 Stockter, in: Prütting (Hrsg.), Medizinrecht Kommentar, GenDG, § 3 Rn. 14; Hahn/Schwarz, in: Kern (Hrsg.), GenDG, § 3 Rn. 10. 132 Vgl. hierzu die Begründung im Gesetzentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes über genetische Untersuchungen bei Menschen (Gendiagnostikgesetz – GenDG), in: BT-Drs. 16/10532, S. 21 zu § 3 Nr. 2 b.; Hahn/Schwarz, in: Kern (Hrsg.), GenDG, § 3 Rn. 11; Stockter, in: Prütting (Hrsg.), Medizinrecht Kommentar, GenDG, § 3 Rn. 15 f. 133 Stockter, in: Prütting (Hrsg.), Medizinrecht Kommentar, GenDG, § 3 Rn. 18. 134 Vgl. hierzu die Begründung im Gesetzentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes über genetische Untersuchungen bei Menschen (Gendiagnostikgesetz – GenDG), in: BT-Drs. 16/10532, S. 21 zu § 3 Nr. 2c; Hahn/Schwarz, in: Kern (Hrsg.), GenDG, § 3 Rn. 13; Stockter, in: Prütting (Hrsg.), Medizinrecht Kommentar, GenDG, § 3 Rn. 18; Fenger, in: Spickhoff (Hrsg.), Medizinrecht, GenDG, § 3 Rn. 2; zu einzelnen Abgrenzungsfragen vgl. eingehend Schillhorn/Heidemann, GenDG, § 3 Rn. 13 ff. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 098/19 Seite 43 werden vielmehr erst durch die Legaldefinition in § 3 Nr. 1b in Verbindung mit Nr. 3 GenDG bzw. Nr. 2c GenDG zu genetischen Untersuchungen im Sinne des § 3 Nr. 1 GenDG. Mit der Ausdehnung des Anwendungsbereichs von § 3 Nr. 2 GenDG auf die semantisch vom Begriff der „genetischen Analyse“ eigentlich nicht umfasste Genproduktanalyse im Sinne des § 3 Nr. 2c GenDG soll offenbar einer Umgehung des GenDG durch Ausweichen auf nicht genetische Untersuchungsmethoden entgegengewirkt und jegliche Abklärung der Verdachtsdiagnose einer monogen, chromosomal oder multifaktoriell bedingten genetischen Eigenschaft im Sinne des GenDG unter Schutz gestellt werden135. Der damit verbundene große Umfang erfasster Methoden verdeutlicht aber die Erforderlichkeit einer Einschränkung des Tatbestands durch den oben bereits angesprochenen Untersuchungszweck.136 Teilweise wird im Schrifttum unter Verweis auf die Systematik des § 3 Nr. 2c GenDG und die vorgeburtliche Risikoabklärung gemäß § 3 Nr. 1b in Verbindung mit Nr. 3 GenDG gefordert, dass das Ergebnis der genetischen Analyse über eine Risikoabschätzung hinausgehen und eine eindeutige Aussage über das Vorhandensein einer genetischen Eigenschaft ermöglichen müsse.137 Zumindest im Ergebnis ist dieser Ansicht zuzustimmen. Sowohl die systematische Gleichordnung der Genproduktanalyse mit der stets aussagekräftigen molekulargenetischen Untersuchung innerhalb des § 3 Nr. 2 GenDG als auch die exemplarische Nennung der Tandemmassenspektrometrie in der Gesetzesbegründung – bei der es sich gerade um eine Genproduktanalyse mit sehr hohem Aussagegehalt handelt138 – sprechen dafür, nur Formen der Genproduktanalyse als Analysen im Sinne von § 3 Nr. 2c GenDG anzusehen, die einen sicheren Rückschluss auf genetische Eigenschaften erlauben.139 4.1.3. Vorgeburtliche Risikoabklärung nach § 3 Nr. 3 GenDG Die vorgeburtliche Risikoabklärung ist nach der gesetzlichen Definition in § 3 Nr. 3 GenDG „eine Untersuchung des Embryos oder Fötus, mit der die Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen bestimmter genetischer Eigenschaften mit Bedeutung für eine Erkrankung oder gesundheitliche Störung des Embryos oder Fötus ermittelt werden soll“. Da die „genetische Untersuchung“ in § 3 Nr. 1 GenDG – wie oben bereits dargelegt – als „eine auf den Untersuchungszweck gerichtete genetische Analyse zur Feststellung genetische Eigenschaften“ (§ 3 Nr. 1a GenDG) oder „vorgeburtliche Risikoabklärung“ (§ 3 Nr. 1b GenDG) „einschließlich der Beurteilung der jeweiligen Ergebnisse“ definiert wird, ist die vorgeburtliche Risikoabklärung im Sinne des § 3 Nr. 3 GenDG immer dann mit erfasst, wenn im GenDG Regelungen für genetische Untersuchungen und ihre Ergebnisse getroffen werden. Dem in § 3 Nr. 3 GenDG definierten Begriff der vorgeburtlichen Risikoabklärung kommt damit im Wesentlichen die Bedeutung zu, den Begriff 135 Schillhorn/Heidemann, GenDG, § 3 Rn. 13; Hahn/Schwarz, in: Kern (Hrsg.), GenDG, § 3 Rn. 14. 136 Hahn/Schwarz, in: Kern (Hrsg.), GenDG, § 3 Rn. 14. 137 Schillhorn/Heidemann, GenDG, § 3 Rn. 13a. 138 Schillhorn/Heidemann, GenDG, § 3 Rn. 16. 139 Hahn/Schwarz, in: Kern (Hrsg.), GenDG, § 3 Rn. 15. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 098/19 Seite 44 der genetischen Untersuchung nach § 3 Nr. 1 GenDG zu konkretisieren. Im Übrigen wird auf ihn im Gesetz lediglich in § 23 Abs. 2 Nr. 5 GenDG Bezug genommen.140 4.1.3.1. Abgrenzung des Begriffs der vorgeburtlichen Risikoabklärung von dem in § 3 GenDG nicht gesondert definierten Begriff der vorgeburtlichen genetischen Untersuchung Vom Begriff der vorgeburtlichen Risikoabklärung im Sinne des § 3 Nr. 1b und Nr. 3 GenDG ist der Begriff der „vorgeburtlichen genetischen Untersuchung“ im Sinne der §§ 9 Abs. 2 Nr. 2, 15 GenDG abzugrenzen, der in § 3 GenDG nicht gesondert definiert ist.141 Vorgeburtliche genetische Untersuchungen sind auf den Untersuchungszweck gerichtete genetische Analysen zur Feststellung genetischer Eigenschaften (§ 3 Nr. 1a GenDG) oder vorgeburtliche Risikoabklärungen (§ 3 Nr. 1b GenDG) einschließlich der Beurteilung der jeweiligen Ergebnisse.142 Bei der vorgeburtlichen Risikoabklärung (§ 3 Nr. 1b GenDG) wird mittels für die Schwangerschaft nichtinvasiver Methoden ein schwangerschaftsspezifisches Risiko für das Vorliegen numerischer Chromosomenstörungen (Trisomie 21, 18 und 13, Monosomi/Turner-Syndrom) des oder der Föten berechnet (wie beispielsweise im Rahmen des Ersttrimestercreenings143), für die ein 140 Stockter, in: Prütting (Hrsg.), Medizinrecht Kommentar, GenDG, § 3 Rn. 24. 141 Hahn/Schwarz, in: Kern (Hrsg.), GenDG, § 3 Rn. 18; Stockter, in: Prütting (Hrsg.), Medizinrecht Kommentar, GenDG, § 3 Rn. 25. Vgl. hierzu auch die „Richtlinie der Gendiagnostikkommission (GEKO) für die Beurteilung genetischer Eigenschaften hinsichtlich ihrer Bedeutung nach § 15 Abs. 1 Satz 1 GenDG für eine Beeinträchtigung der Gesundheit des Embryos oder des Fötus während der Schwangerschaft oder nach der Geburt gemäß § 23 Abs. 2 Nr. 1 d GenDG“ in der Fassung vom 12. April 2013, veröffentlicht und in Kraft getreten am 22. April 2013, in: Bundesgesundheitsblatt, 2013, S. 1028 (1029), abrufbar unter: https://www.rki.de/DE/Content /Kommissionen/GendiagnostikKommission/Richtlinien/RL_Vorgeburtl-Untersuchung.pdf?__blob=publication File. Unter Gliederungspunkt III dieser Richtlinie führt die GEKO aus, sie sei zu dem Ergebnis gekommen, dass eine Konkretisierung der Kriterien, die eine vorgeburtliche Untersuchung nach § 15 Abs. 1 des GenDG erlaubten, nicht notwendig sei, da alle wesentlichen Eckpunkte im GenDG bereits hinreichend definiert seien. 142 So die Begriffsbestimmung der vorgeburtlichen genetischen Untersuchung durch die GEKO; vgl. die 8. Mitteilung der Gendiagnostik-Kommission (GEKO) vom 12. März 2014 „zur Einordnung der nicht-invasiven Pränataldiagnostik (NIPD) und der diesbezüglichen Berufsqualifikation“, abrufbar unter: https://www.rki.de/DE/Content /Kommissionen/GendiagnostikKommission/Mitteilungen/GEKO_Mitteilungen_08.html, die „Richtlinie der Gendiagnostik-Kommission (GEKO) für die Anforderungen an die Durchführung der vorgeburtlichen Risikoabklärung sowie an die insoweit erforderlichen Maßnahmen zur Qualitätssicherung gemäß § 23 Abs. 2 Nr. 5 GenDG“ in der Fassung vom 12. April 2013, veröffentlicht und in Kraft getreten am 22. April 2013, in: Bundesgesundheitsblatt, 2013, S. 1023 (1023) unter II, abrufbar unter: https://www.rki.de/DE/Content/Kommissionen/GendiagnostikKommission/Richtlinien/RL-VorgeburtlicheRisikoabklaerung .pdf?__blob=publicationFile und die „Richtlinie der Gendiagnostik-Kommission (GEKO) für die Beurteilung genetischer Eigenschaften hinsichtlich ihrer Bedeutung nach § 15 Abs. 1 Satz 1 GenDG für eine Beeinträchtigung der Gesundheit des Embryos oder des Fötus während der Schwangerschaft oder nach der Geburt gemäß § 23 Abs. 2 Nr. 1d GenDG“ in der Fassung vom 12. April 2013, in: Bundesgesundheitsblatt, 2013, S. 1028 (1028) unter I. 143 Vgl. hierzu auch die Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Hubert Hüppe, Corinna Rüffer, Dagmar Schmidt (Wetzlar), Kathrin Vogler u. a. zu dem Thema: „Vorgeburtliche Blutuntersuchung zur Feststellung des Down-Syndroms“, in: BT-Drs. 18/4574 vom 9. April 2015, S. 8, Antwort auf Frage 8. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 098/19 Seite 45 entsprechender Algorithmus vorliegt.144 Dabei erfolgt keine Analyse fetaler DNA.145 Vielmehr wird das schwangerschaftsspezifische Risiko insbesondere aus dem mütterlichen Alter sowie zusätzlichen sonographischen Parametern und laboratoriumsmedizinischen Messgrößen berechnet . Das Ergebnis der vorgeburtlichen Risikoabklärung ist eine Wahrscheinlichkeitsangabe für das Vorliegen bestimmter genetischer Eigenschaften mit Bedeutung für eine Erkrankung oder gesundheitliche Störung beim ungeborenen Kind. Es wird in Form einer Rate angegeben, zum Beispiel „Im Mittel ist 1 von x Schwangerschaften mit dem gleichen Testergebnis betroffen“.146 Im Gegensatz zur vorgeburtlichen Risikoabklärung erfolgt durch vorgeburtliche genetische Analysen zur Feststellung genetischer Eigenschaften (§ 3 Nr. 1a GenDG), die in § 3 Nr. 2a bis b GenDG auf die labortechnischen Untersuchungsmethoden der zytogenetischen und molekulargenetischen Analyse sowie der Genproduktanalyse beschränkt werden, der Ausschluss bzw. die Feststellung einer numerischen oder strukturellen Chromosomenstörung.147 Die dafür erforderlichen Proben genetischen Materials können invasiv – wie etwa durch Fruchtwasserentnahme (Amniozentese), Chorionzottenbiopsie und Herz- bzw. Nabelschnurpunktion148 – oder für die Schwangerschaft nichtinvasiv aus fetaler DNA aus mütterlichem Blut149 – wie etwa 144 So die „Richtlinie der Gendiagnostik-Kommission (GEKO) für die Anforderungen an die Durchführung der vorgeburtlichen Risikoabklärung sowie an die insoweit erforderlichen Maßnahmen zur Qualitätssicherung gemäß § 23 Abs. 2 Nr. 5 GenDG“ in der Fassung vom 12. April 2013, veröffentlicht und in Kraft getreten am 22. April 2013, in: Bundesgesundheitsblatt, 2013, S. 1023 (1023) unter II und die 8. Mitteilung der Gendiagnostik -Kommission (GEKO) vom 12. März 2014 „zur Einordnung der nicht-invasiven Pränataldiagnostik (NIPD) und der diesbezüglichen Berufsqualifikation“. 145 So die 8. Mitteilung der Gendiagnostik-Kommission (GEKO) vom 12. März 2014 „zur Einordnung der nicht-invasiven Pränataldiagnostik (NIPD) und der diesbezüglichen Beratungsqualifikation“. 146 Vgl. auch hierzu die „Richtlinie der Gendiagnostik-Kommission (GEKO) für die Anforderungen an die Durchführung der vorgeburtlichen Risikoabklärung sowie an die insoweit erforderlichen Maßnahmen zur Qualitätssicherung gemäß § 23 Abs. 2 Nr. 5 GenDG“ in der Fassung vom 12. April 2013, veröffentlicht und in Kraft getreten am 22. April 2013, in: Bundesgesundheitsblatt/Gesundheitsforschung/Gesundheitsschutz, 2013, S. 1023 (1023) unter II und die 8. Mitteilung der Gendiagnostik-Kommission (GEKO) vom 12. März 2014 „zur Einordnung der nicht-invasiven Pränataldiagnostik (NIPD) und der diesbezüglichen Berufsqualifikation“. 147 Vgl. hierzu die „Richtlinie der Gendiagnostik-Kommission (GEKO) für die Anforderungen an die Durchführung der vorgeburtlichen Risikoabklärung sowie an die insoweit erforderlichen Maßnahmen zur Qualitätssicherung gemäß § 23 Abs. 2 Nr. 5 GenDG“ in der Fassung vom 12. April 2013, veröffentlicht und in Kraft getreten am 22. April 2013, in: Bundesgesundheitsblatt, 2013, S. 1023 (1023) unter II sowie die 8. Mitteilung der Gendiagnostik -Kommission (GEKO) vom 12. März 2014 „zur Einordnung der nicht-invasiven Pränataldiagnostik und der diesbezüglichen Berufsqualifikation“. 148 Vgl. Cramer, Gendiagnostikgesetz – eine Bestandsaufnahme nach drei Jahren unter besonderer Berücksichtigung des Tätigkeitsbereichs der Gynäkologen, in: MedR, 2013, S. 763 (763); Stockter, in: Prütting (Hrsg.), Medizinrecht Kommentar, GenDG, § 3 Rn. 25a; zu den invasiven pränataldiagnostischen Methoden der Chorionzottenbiopsie (Plazentapunktion), Amniozentese (Fruchtwasseruntersuchung) und Kordozentese (Nabelschnurpunktion ) sowie dem mit diesen Methoden verbundenen eingriffsbedingten Fehlgeburtsrisiko vgl. näher die Ausarbeitung : “Zur Frage der Erforderlichkeit eines zustimmenden Votums von Ethikkommissionen bei vorgeburtlichen Diagnoseverfahren“ vom 12. September 2017, S. 9 ff., Deutscher Bundestag, Wissenschaftliche Dienste, WD 9 – 3000 - 037/17, abrufbar unter: https://www.bundestag.de/resource /blob/530522/8cd2d08eb19bcb6801505353e63e7140/WD-9-037-17-pdf-data.pdf. 149 Nichtinvasive Pränataldiagnostik an fetaler DNA aus mütterlichem Blut (NIPD). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 098/19 Seite 46 beim sog. „PraenaTest – gewonnen werden.150 Eine solche genetische Analyse zur Feststellung genetischer Eigenschaften kann sich der vorgeburtlichen Risikoabklärung anschließen, ihr vorausgehen oder könnte sie ersetzen.151 Soweit das GenDG – wie in § 9 Abs. 2 Nr. 2 und § 15 GenDG – spezifische Regelungen zu pränataldiagnostischen Untersuchungen getroffen hat, werden diese mit dem Begriff der vorgeburtlichen genetischen Untersuchungen in Bezug genommen .152 4.1.3.2. Weitere Begriffsmerkmale der vorgeburtlichen Risikoabklärung im Sinne des § 3 Nr. 3 GenDG Anders als bei genetischen Analysen zur Feststellung genetischer Eigenschaften nach § 3 Nr. 2a bis c GenDG sieht das Gesetz für den Begriff der vorgeburtlichen Risikoabklärung keine methodenbezogene Begrenzung auf bestimmte Untersuchungsarten vor.153 Vom Begriff der vorgeburtlichen Risikoabklärung im Sinne des § 3 Nr. 3 GenDG sind deshalb sowohl Laboruntersuchungen (z. B. der sog. Triple-Test) als auch Phänotyp-Untersuchungen des Embryos oder Fötus mittels bildgebender Verfahren (z. B. die Ultraschallbestimmung der Nackenfalte, der sog. „Nackentransparenz-Test“, im Rahmen des Ersttrimesterscreenings) erfasst.154 Festzuhalten ist darüber hinaus, dass im Rahmen der vorgeburtlichen Risikoabklärung – wie bereits erwähnt – ein bestimmter genetischer Zustand des Embryos oder Fötus nicht definitiv ermittelt werden kann. Vielmehr geht es lediglich um die Abklärung einer gewissen Wahrscheinlichkeit (Risiko) für das Vorliegen bestimmter genetischer Eigenschaften mit Bedeutung für eine Erkrankung oder 150 Vgl. hierzu die „Richtlinie der Gendiagnostik-Kommission (GEKO) über die Anforderungen an die Qualifikation zur und Inhalte der genetischen Beratung gemäß § 23 Abs. 2 Nr. 2a und § 23 Abs. 2 Nr. 3 GenDG in der Fassung vom 1. Juli 2011, veröffentlicht und in Kraft getreten am 11. Juli 2011, in: Bundesgesundheitsblatt, 2011, S. 1248 (1250) unter IV.3., abrufbar unter: https://www.rki.de/DE/Content/Kommissionen/GendiagnostikKommission /Richtlinien/RL-GenetischeBeratung.pdf?__blob=publicationFile und die 8. Mitteilung der Gendiagnostik -Kommission (GEKO) vom 12. März 2014 „zur Einordnung der nicht-invasiven Pränataldiagnostik (NIPD) und der diesbezüglichen Beratungsqualifikation“. 151 Vgl. hierzu die „Richtlinie der Gendiagnostik-Kommission GEKO) für die Anforderungen an die Durchführung der vorgeburtlichen Risikoabklärung sowie an die insoweit erforderlichen Maßnahmen zur Qualitätssicherung gemäß § 23 Abs. 2 Nr. 5 GenDG“ in der Fassung vom 12. April 2013, in: Bundesgesundheitsblatt, 2013, S. 1023 (1023 f.) unter II. 152 Stockter, in: Prütting (Hrsg.), Medizinrecht Kommentar, GenDG, § 3 Rn. 25b. 153 Hahn/Schwarz, in: Kern (Hrsg.), GenDG, § 3 Rn. 17; Stockter, in: Prütting (Hrsg.), Medizinrecht Kommentar, GenDG, § 3 Rn. 26; Hübner/Pühler, Das Gendiagnostikgesetz – neue Herausforderungen im ärztlichen Alltag, in: MedR, 2010, S. 676 (677); Meyer, Genetische Untersuchungen zu medizinischen Zwecken und zu Forschungszwecken an nicht einwilligungsfähigen Personen, S. 133. 154 Vgl. die Begründung im Gesetzentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes über genetische Untersuchungen bei Menschen (Gendiagnostikgesetz – GenDG), in: BT-Drs. 16/10532, S. 21 zu § 3 Nr. 3; Stockter, in: Prütting (Hrsg.), Medizinrecht Kommentar, GenDG, § 3 Rn. 26; Hahn/Schwarz, in: Kern (Hrsg.), GenDG, § 3 Rn. 17; Fenger, in: Spickhoff, Medizinrecht, GenDG, § 3 Rn. 3; Schillhorn/Heidemann, GenDG, § 3 Rn. 23; Hübner/Pühler, Das Gendiagnostikgesetz – neue Herausforderungen ärztlichen Alltag, in: MedR, 2010, S. 676 (677); Meyer, Genetische Untersuchungen zu medizinischen Zwecken und zu Forschungszwecken an nicht einwilligungsfähigen Personen, S. 132 f. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 098/19 Seite 47 gesundheitliche Störung beim ungeborenen Kind, beispielweise von Chromosomenstörungen.155 Letzte Sicherheit lässt sich durch diese Untersuchungen aber in der Regel nicht erreichen.156 Insoweit ist die vorgeburtliche Risikoabklärung eher der prädiktiven Untersuchung zuzuordnen .157 Im Schrifttum ist darauf hingewiesen worden, dass die vom Gesetzgeber in § 3 Nr. 3 GenDG gewählte Formulierung „Untersuchung des Embryos oder Fötus“ darauf hindeute, dass eine Untersuchung einer anderen Person – regelmäßig der Mutter – keine Untersuchung im Sinne dieser Vorschrift sei. Vielmehr müsse der Embryo bzw. Fötus selbst Gegenstand der Untersuchung sein.158 Eine Untersuchung der Mutter fiele danach allenfalls unter die Bestimmung des § 3 Nr. 2 GenDG. Das Problem ist darauf zurückzuführen, dass der Wortlaut des § 3 Nr. 3 GenDG durch die Formulierung „Untersuchung des Embryos oder Fötus“ den Begriff der vorgeburtlichen Risikoabklärung erheblich verengt und damit beispielsweise Untersuchungen an der Mutter zur mittelbaren Feststellung von Risiken für das Kind aus dem Tatbestand dieser Regelung auszuschließen scheint. Diese Konsequenz müsste dann etwa auch für den sog. Triple-Test gelten, bei dem eine Untersuchung des Blutes der Schwangeren erfolgt. Nach der Begründung im Gesetzentwurf wollte der Gesetzgeber diesen Test mit der Vorschrift des § 3 Nr. 3 GenDG jedoch gerade ausdrücklich erfassen.159 Eine Auswirkung dieses Problems zeigt sich etwa im Bereich des § 23 Abs. 2 Nr. 5 GenDG, der auf den Begriff der „vorgeburtlichen Risikoabklärung“ Bezug nimmt. Für ein korrigiertes (extensives) Verständnis spricht der Umstand, dass der Gesetzgeber mit der in der Gesetzesbegründung verwendeten Formulierung „sowohl durch eine Laboruntersuchung (z. B. Triple-Test) als auch durch Untersuchung des Embryos oder Fötus mittels bildgebender Verfahren“ zum Ausdruck gebracht hat, dass der Anwendungsbereich von § 3 Nr. 3 GenDG über unmittelbar am Embryo oder Fötus durchgeführte Untersuchungen hinausgeht .160 Dass die Untersuchung des Embryos oder Fötus – wie der Wortlaut des § 3 Nr. 3 GenDG nahelegt – nicht notwendigerweise unmittelbar an dem Embryo oder Fötus vorgenommen werden muss, um von dieser Vorschrift erfasst zu werden, entspricht auch der Begriffsbestimmung der vorgeburtlichen Risikoabklärung durch die Gendiagnostik-Kommission (GEKO). Danach umfasst die vorgeburtliche Risikoabklärung gerade auch die Ermittlung und Auswertung von bei 155 Vgl. die Begründung im Gesetzentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes über genetische Untersuchungen bei Menschen (Gendiagnostikgesetz – GenDG), in: BT-Drs. 16/10532, S. 21 zu § 3 Nr. 3; Schillhorn/Heidemann, GenDG, § 3 Rn. 23; Hahn/Schwarz, in: Kern (Hrsg.), GenDG, § 3 Rn. 17; Fenger, in: Spickhoff (Hrsg.), Medizinrecht, GenDG, § 3 Rn. 3. 156 Schillhorn/Heidemann, GenDG, § 3 Rn. 23; Hahn/Schwarz, in: Kern (Hrsg.), GenDG, § 3 Rn. 17. 157 Schillhorn/Heidemann, GenDG, § 3 Rn. 23. 158 So die ursprüngliche Ansicht von Stockter, in: Prütting (Hrsg.), Fachanwaltskommentar Medizinrecht, 1. Auflage 2010, § 3 Rn. 29; vgl. hierzu insbesondere auch Lindner, Fällt der „Praena-Test“ in den Anwendungsbereich des § 15 GenDG?, in: MedR, 2013, S. 288 (290). 159 Vgl. die Begründung im Gesetzentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes über genetische Untersuchungen bei Menschen (Gendiagnostikgesetz – GenDG), in: BT-Drs. 16/10532, S. 21 zu § 3 Nr. 3. 160 Hahn/Schwarz, in: Kern (Hrsg.), GenDG, § 3 Rn. 20. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 098/19 Seite 48 der Mutter festgestellten Markern.161 Untersuchungen der Mutter, die Rückschlüsse auf genetische Eigenschaften des Embryos oder Fötus erlauben, sind demnach grundsätzlich als Untersuchungen im Sinne des § 3 Nr. 3 GenDG anzusehen.162 Eine gesetzliche Klarstellung würde insoweit möglichen Missverständnissen entgegenzuwirken helfen.163 Eine denkbare Möglichkeit, dies umzusetzen, bestünde darin, in § 3 Nr. 3 GenDG nach dem Wort „Fötus“ die Worte „oder der Mutter“ einzufügen.164 Eine Einschränkung des Begriffs der vorgeburtlichen Risikoabklärung wird durch § 3 Nr. 3 GenDG allerdings hinsichtlich des Zeitpunktes der Datenerhebung, des Untersuchungszwecks und des Untersuchungsgegenstandes vorgenommen. Insoweit gilt Folgendes: In zeitlicher Hinsicht erfasst der Begriff der vorgeburtlichen Risikoabklärung nach § 3 Nr. 3 GenDG nur Untersuchungen des Embryos oder Fötus, also Untersuchungen vor der Geburt (zum Beispiel den vorgenannten sog. „Nackentransparenz-Test“ im Rahmen des Ersttrimestercreenings ). Durch die Anknüpfung an die Zäsurwirkung der Geburt fallen alle anderen Untersuchungen unmittelbar nach der Geburt, wie etwa das Neugeborenenscreening, damit nicht unter diesen Begriff. Da die Anwendbarkeit des GenDG – wie oben bereits ausgeführt – nach § 2 Abs. 1 GenDG die Untersuchung an lebenden „Embryonen und Föten während der Schwangerschaft “ voraussetzt, fallen auch die Präimplantationsdiagnostik und die präkonzeptionelle Polkörperdiagnostik nicht in den Bereich der vorgeburtlichen Risikoabklärung im Sinne des § 3 Nr. 3 GenDG.165 Nach § 3 Nr. 3 GenDG werden darüber hinaus nur solche Untersuchungen vom Begriff der vorgeburtlichen Risikoabklärung erfasst, mit denen die Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen bestimmter genetischer Eigenschaften des Embryos oder Fötus ermittelt werden „soll“. Untersuchungen, in deren Rahmen nur „zufällig“ auch Aussagen über die Wahrscheinlichkeit des Vorliegens bestimmter genetischer Eigenschaften mit Bedeutung für eine Erkrankung oder gesundheitliche Störung des Ungeborenen gemacht werden können, werden daher nicht vom Begriff der 161 Vgl. hierzu die „Richtlinie der Gendiagnostik-Kommission (GEKO) für die Anforderungen an die Durchführung der vorgeburtlichen Risikoabklärung sowie an die insoweit erforderlichen Maßnahmen zur Qualitätssicherung gemäß § 23 Abs. 2 Nr. 5 GenDG in der Fassung vom 12. April 2013, in: Bundesgesundheitsblatt, 2013, S. 1023 (1023) unter II. und die 8. Mitteilung der Gendiagnostik-Kommission (GEKO) vom 12. März 2014 zur „Einordnung der nicht-invasiven Pränataldiagnostik (NIPD) und der diesbezüglichen Berufsqualifikation“. 162 So nunmehr auch Stockter, in: Prütting (Hrsg.), Medizinrecht Kommentar, GenDG, § 3 Rn. 29. 163 Stockter, in: Prütting (Hrsg.), Medizinrecht Kommentar, GenDG, § 3 Rn. 29; Lindner, Fällt der „PraenaTest“ in den Anwendungsbereich des § 15 GenDG?, in: MedR, 2013, S. 288 (291). 164 So der Vorschlag für eine gesetzliche Klarstellung bei Lindner, Fällt der „PraenaTest“ in den Anwendungsbereich des § 15 GenDG?, in: MedR, 2013, S. 288 (291). 165 Stockter, in: Prütting (Hrsg.), Medizinrecht Kommentar, GenDG, § 3 Rn. 27; Hahn/Schwarz, in: Kern (Hrsg.), GenDG, § 3 Rn. 18. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 098/19 Seite 49 vorgeburtlichen Risikoabklärung erfasst; sie müssen vielmehr gezielt zu diesem Zweck durchgeführt werden.166 Der Begriff der vorgeburtlichen Risikoabklärung nach § 3 Nr. 3 GenDG setzt zudem voraus, dass der Gegenstand der Risikoabklärung genetische Eigenschaften „mit Bedeutung für eine Erkrankung oder gesundheitliche Störung des Embryos oder Fötus“ sind.167 Dementsprechend erfasst dieser Begriff insbesondere keine sog. Life-Style-Tests, etwa auf die Lebenserwartung, die Musikalität oder die sexuelle Orientierung. Auch eine auf die Feststellung des Geschlechts des Embryos oder Fötus gerichtete Untersuchung fällt nicht unter den Begriff der vorgeburtlichen Risikoabklärung, kann aber – wie sich aus der Vorschrift des § 15 Abs. 1 Satz 2 GenDG zur Geschlechtsfeststellung anlässlich einer vorgeburtlichen genetischen Untersuchung ergibt – durch den Begriff der vorgeburtlichen genetischen Untersuchung erfasst sein.168 4.2. Genetische Eigenschaften nach § 3 Nr. 4 GenDG Der wesentliche Leitbegriff im GenDG ist der Begriff der genetischen Untersuchung (vgl. insbesondere § 2 GenDG). Im Rahmen der Begriffsbestimmung der genetischen Untersuchung im Sinne des § 3 Nr. 1 GenDG kommt dem Begriff der genetischen Eigenschaft nach § 3 Nr. 4 GenDG vor allem eine konkretisierende Funktion für die Begriffsbestimmungen in den Nrn. 2 und 3 des § 3 GenDG zu, die jeweils auf den Begriff der genetischen Eigenschaft Bezug nehmen. Daneben hat der Begriff der genetischen Eigenschaft aber auch eine eigenständige Bedeutung. Dies gilt etwa im Hinblick auf die Benachteiligungsverbote der §§ 4 Abs. 1 und 21 Abs. 1 Satz 1 GenDG, aber auch im Hinblick auf die Zweckbestimmung des § 1 GenDG.169 Genetische Eigenschaften sind nach § 3 Nr. 4 GenDG nur „ererbte oder während der Befruchtung oder bis zur Geburt erworbene, vom Menschen stammende Erbinformationen“. Damit enthält der Begriff keine methodenspezifische Begrenzung nach der Art der Feststellung. Dementsprechend werden nicht nur die über genetische Untersuchungen im Sinne des § 3 Nr. 1 GenDG erlangten Erkenntnisse über genetische Eigenschaften erfasst, sondern auch solche, die etwa im Rahmen von Phänotyp-Untersuchungen oder auf andere Weise gewonnen werden.170 Erfasst werden insbesondere auch genetische Merkmale, auf deren Vorliegen anhand bestimmter Körpermerkmale – etwa eine angeborene Vergrößerung eines Netzhautpigmentepithels als Indikator für eine 166 Stockter, in: Prütting (Hrsg.), Medizinrecht Kommentar, GenDG, § 3 Rn. 28. 167 Zum im GenDG nicht definierten Begriff der Erkrankung oder gesundheitlichen Störung vgl. näher unten Gliederungspunkt 4.4.2. 168 Stockter, in: Prütting (Hrsg.) Medizinrecht Kommentar, GenDG, § 3 Rn. 30. 169 Stockter, in: Prütting (Hrsg.), Medizinrecht Kommentar, GenDG, § 3 Rn. 31 f. 170 Hahn/Schwarz, in: Kern (Hrsg.), GenDG, § 3 Rn. 26; Stockter, in: Prütting (Hrsg.), Medizinrecht Kommentar, GenDG, § 3 Rn. 33. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 098/19 Seite 50 erhöhte Wahrscheinlichkeit an Darmkrebs zu erkranken171 – oder anhand der ethnischen Zugehörigkeit – zum Beispiel bei Krankheiten, die in bestimmten Bevölkerungsgruppen besonders gehäuft auftreten172 – geschlossen wird.173 Da genetische Eigenschaften im Sinne des § 3 Nr. 4 GenDG nur die ererbten oder während der Befruchtung oder bis zur Geburt erworbenen, also bei der betroffenen Person während der Embryonal- bzw. Fetalentwicklung neu entstandenen Erbinformationen des Menschen sind, werden genetische Veränderungen, die erst nach der Geburt – also in der postnatalen Phase – entstanden sind (sog. Neumutationen), nicht vom Begriff der genetischen Eigenschaft erfasst und fallen deshalb nicht in den Anwendungsbereich des GenDG.174 Derartige Neumutationen können durch verschiedene äußere Einflüsse wie radioaktive Strahlung, bestimmte Chemikalien oder andere Umweltbelastungen ausgelöst werden (sog. induzierte Mutationen), können aber auch spontan – also ohne erkennbare äußere Ursache – auftreten (sog. Spontanmutationen). Von Mutationen können Körperzellen (somatische, nur bestimmte Körperzellen betreffende Mutation) oder Keimbahnzellen betroffen sein (generative, die Keimzellen betreffende Mutation).175 Zu der Gruppe der somatischen – nicht ererbten – Mutationen gehört beispielsweise die Mehrzahl bösartiger Tumore.176 Dass im Lebenslauf erworbene somatische genetische Veränderungen, d. h. Veränderungen, die – wie es in der Gesetzesbegründung heißt177 – nur in einem Teil der Körperzellen und in der 171 Vgl. Stockter, Das Verbot genetischer Diskriminierung und das Recht auf Achtung der Individualität, 2008, S. 87 f. 172 Vgl. Stockter, Das Verbot genetischer Diskriminierung und das Recht auf Achtung der Individualität, 2008, S. 89 ff. 173 Stockter, in: Prütting (Hrsg.), Medizinrecht Kommentar, GenDG, § 3 Rn. 33. 174 Vgl. hierzu die Begründung im Gesetzentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes über genetische Untersuchungen bei Menschen (Gendiagnostikgesetz – GenDG), in: BT-Drs. 16/10532, S. 21 zu § 3 Nr. 4; Schillhorn/Heidemann, GenDG, § 3 Rn. 24; Hahn/Schwarz, in: Kern (Hrsg.), GenDG, § 3 Rn. 21; Stockter, in: Prütting (Hrsg.), Medizinrecht Kommentar, GenDG, § 3 Rn. 37 f.; Meyer, Genetische Untersuchungen zu medizinischen Zwecken und zu Forschungszwecken an nicht einwilligungsfähigen Personen, S. 134; anderer Ansicht offenbar Huster/Schmutzler, Rechtliche Aspekte aktueller Entwicklungen in der molekulargenetischen Tumordiagnostik, in: MedR, 2015, S. 248 (250), die unter Hinweis auf die gesetzgeberische Begründung grundsätzlich auch nach der Geburt entstandene Keimbahnmutationen vom Begriff der genetischen Eigenschaft nach § 3 Nr. 4 GenDG erfasst sehen. 175 Stockter, in: Prütting (Hrsg.), Medizinrecht Kommentar, GenDG, § 3 Rn. 38; zu einzelnen Beispielsfällen und Abgrenzungsfragen, etwa im Hinblick auf Krankheitsbilder, die auf einer Zu- oder Abnahme bestimmter kurzer DNA-Sequenzwiederholungen (Repeats) beruhen (sog. dynamische Mutationen bei Trinukleotid-Repeat-Expansions -Erkrankungen) oder Mosaiken bei gleichzeitiger Existenz von zwei oder mehr genetisch verschiedenen Zelllinien vgl. Schillhorn/Heidemann, GenDG, § 3 Rn. 24 ff. 176 Vgl. Stockter, Das Verbot genetischer Diskriminierung und das Recht auf Achtung der Individualität, 2008, S. 82 f. und Stockter, in: Prütting (Hrsg.), Medizinrecht Kommentar, GenDG, § 3 Rn. 39. 177 Vgl. hierzu die Begründung im Gesetzentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes über genetische Untersuchungen bei Menschen (Gendiagnostikgesetz – GenDG), in: BT-Drs. 16/10532, S. 21 zu § 3 Nr. 4. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 098/19 Seite 51 Regel nicht in den Keimzellen vorkommen, vom GenDG nicht erfasst werden, wird vom Gesetzgeber mit dem Regelungsbedarf des GenDG begründet, der von der Besonderheit genetischer Daten ausgehe. Diese hätten unter anderem eine Vorhersagekraft auch über das getestete Individuum hinaus und seien zeitlich unbegrenzt, d. h. ein Leben lang, gültig. Diese Eigenschaften träfen für somatische genetische Veränderungen nicht zu. Für Untersuchungen auf somatische genetische Veränderungen würden aber die allgemeinen Regeln des Medizin- bzw. Datenschutzrechts gelten.178 Nach dem Wortlaut des § 3 Nr. 4 GenDG gehören allerdings – anders als es die Gesetzesbegründung suggerieren mag – auch Untersuchungen auf nach der Geburt entstandene (vererbliche) Mutationen in den Keimbahnzellen nicht zu den genetischen Untersuchungen .179 Somatische Veränderungen sind nach der Zielsetzung des Gesetzes, das bei genetischen Eigenschaften auf deren Unveränderlichkeit und Vererbbarkeit abstellt180, auch dann nicht erfasst, wenn sie bereits pränatal eingetreten sind.181 So gibt es beispielsweise genetische Veränderungen in Tumoren, die vor der Geburt entstanden sind. Bekannt ist dies etwa von Leukämien im Säuglings - und Kleinkindalter. Das genetisch veränderte Genom der Tumorzellen, das diese Leukämien nach der Geburt verursacht hat, kann zum Teil schon am ersten Lebenstag im Rahmen des Neugeborenen-Screenings nachgewiesen werden.182 Nach dem Wortlaut des § 3 Nr. 4 GenDG würden diese Untersuchungen in den Anwendungsbereich des Gesetzes fallen, weil die genetischen Veränderungen vor der Geburt entstanden sind. Zu beachten ist jedoch, dass der Anwendungsbereich des GenDG nach der gesetzgeberischen Begründung – wie bereits erwähnt – nur die genetischen Eigenschaften umfassen soll, die unveränderlich und vererbbar sind. Diese Voraussetzung ist für die vor der Geburt entstandenen genetischen Veränderungen in diesen Tumorzellen jedoch nicht erfüllt. Denn die genetischen Veränderungen in Tumorzellen sind nicht erblich, da genetische Eigenschaften nur durch Keimzellen (Ei- und Samenzellen) vererbt werden können. Auch können die Tumorzellen mit den genetischen Veränderungen durch eine erfolgreiche Therapie eliminiert werden. Hinzu kommt, dass sich die genetischen Eigenschaften von Tumorzellen entweder spontan oder durch die Therapie verändern können. Somit erfüllen genetische Veränderungen in diesen Tumorzellen weder das für den Anwendungsbereich in der gesetzgeberischen Begründung benannte Kriterium der Vererbbarkeit noch das der 178 Vgl. hierzu die Begründung im Gesetzentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes über genetische Untersuchungen bei Menschen (Gendiagnostikgesetz – GenDG), in: BT-Drs. 16/10532, S. 21 zu § 3 Nr. 4. 179 Stockter, in: Prütting (Hrsg.), Medizinrecht Kommentar, GenDG, § 3 Rn. 39. 180 Vgl. die Begründung im Gesetzentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes über genetische Untersuchungen bei Menschen (Gendiagnostikgesetz – GenDG), in: BT-Drs. 16/10532, S. 16 ff. 181 Schillhorn/Heidemann, GenDG, § 3 Rn. 26; Hahn/Schwarz, in: GenDG, § 3 Rn. 24; Meyer, Genetische Untersuchungen zu medizinischen Zwecken und zu Forschungszwecken an nicht einwilligungsfähigen Personen, S. 134 in Fußnote 229. 182 Schillhorn/Heidemann, GenDG, § 3 Rn. 26 mit weiteren Nachweisen in Fußnote 35. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 098/19 Seite 52 Unveränderlichkeit und unterliegen deshalb trotz der pränatalen Entstehung nicht dem Anwendungsbereich des GenDG.183 Da es sich nach dem Wortlaut des § 3 Nr. 4 GenDG um „vom Menschen stammende“ Erbinformationen handeln muss, fallen zudem nur Erbinformationen menschlichen Ursprungs unter den Begriff der genetischen Eigenschaften im Sinne dieser Vorschrift, nicht jedoch solche, die nicht menschlichen Ursprungs sind (wie etwa HIV).184 Dies hat der Gesetzgeber damit begründet, dass es sich bei letzteren um die Folgen von Infektion und Übertragung von Retroviren (z. B. HIV) handele, die zwar eine Integration der viralen Erbinformation in die DNA des Infizierten einschließe. Die Integration des Virus führe jedoch nicht dazu, dass es sich bei diesen genetischen Merkmalen um menschliche Erbinformationen handele.185 Anders als der Begriff der genetischen Untersuchung zu medizinischen Zwecken ist der Begriff der genetischen Eigenschaften nach § 3 Nr. 4 GenDG aber nicht hinsichtlich der Art der Manifestation begrenzt, über deren Vorliegen bzw. Auftreten Aussagen getroffen werden sollen. Er erfasst vielmehr insbesondere auch genetische Merkmale, die keinen medizinischen Bezug aufweisen. Hervorzuheben ist darüber hinaus, dass eine genetische Eigenschaft im Sinne dieser Vorschrift unabhängig vom Grad der Wahrscheinlichkeit vorliegt, mit dem das Vorliegen der jeweiligen genetischen Merkmale eine bestimmte Manifestation indiziert.186 4.3. Verantwortliche ärztliche Person nach § 3 Nr. 5 GenDG Dem in § 3 Nr. 5 GenDG definierten Begriff der „verantwortlichen ärztlichen Person“ kommt im GenDG eine zentrale Bedeutung zu.187 Nach der gesetzgeberischen Zielsetzung soll dabei insbesondere sichergestellt werden, dass genetische Untersuchungen zu medizinischen Zwecken nur durch dazu qualifizierte Personen vorgenommen werden und dass die Untersuchung einschließlich der Aufklärung und genetischen Beratung sowie die Befundmitteilung angemessen und kompetent durchgeführt wird.188 Die Regelungszusammenhänge, in denen der Begriff der verantwortlichen ärztlichen Person verwendet wird, betreffen dementsprechend den Arztvorbehalt (§ 7 Abs. 2 GenDG), die Einwilligung der betroffenen Person in die genetische Untersuchung und deren Widerruf (§ 8 Abs. 1 und 2 GenDG), die Durchführung und Dokumentation der Aufklärung 183 Vgl. zum Ganzen insbesondere Schillhorn/Heidemann, GenDG, § 3 Rn. 26 und Hahn/Schwarz, in: Kern (Hrsg.), GenDG, § 3 Rn. 24. 184 Stockter, in: Prütting (Hrsg.), Medizinrecht Kommentar, § 3 Rn. 35; Hahn/Schwarz, in: Kern (Hrsg.), GenDG, § 3 Rn. 25; Fenger, in: Spickhoff (Hrsg.), Medizinrecht, GenDG, § 3 Rn. 4; Meyer, Genetische Untersuchungen zu medizinischen Zwecken und zu Forschungszwecken an nicht einwilligungsfähigen Personen, S. 134. 185 Vgl. hierzu die Begründung im Gesetzentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes über genetische Untersuchungen bei Menschen (Gendiagnostikgesetz – GenDG), in: BT-Drs. 16/10532, S. 21 zu § 3 Nr. 4. 186 Stockter, in: Prütting (Hrsg.), Medizinrecht Kommentar, GenDG, § 3 Rn. 40 f. 187 Stockter, in: Prütting (Hrsg.), Medizinrecht Kommentar, GenDG, § 3 Rn. 41a. 188 Vgl. die Begründung im Gesetzentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes über genetische Untersuchungen bei Menschen (Gendiagnostikgesetz – GenDG), in: BT-Drs. 16/10532, S. 25 zu § 7 und S. 29 zu § 11 Abs. 1. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 098/19 Seite 53 (§ 9 GenDG), die Veranlassung und Dokumentation der genetischen Beratung (§ 10 Abs. 1 GenDG), die Mitteilung genetischer Untersuchungsergebnisse (§ 11 Abs. 1 GenDG) sowie die Aufbewahrung und Vernichtung von genetischen Untersuchungsergebnissen und Proben (§§ 12 und 13 GenDG). Neben dem Begriff der „verantwortlichen ärztlichen Person“ verwendet das Gesetz den Begriff der ärztlichen Person (§ 11 Abs. 2 GenDG) und den der Ärztin oder des Arztes, die oder der die genetische Beratung angeboten oder vorgenommen hat (§ 10 Abs. 4 GenDG) bzw. den der Ärztin oder des Arztes, die oder der die genetische Beratung durchgeführt hat (§ 11 Abs. 1 GenDG). Der Begriff der ärztlichen Person ist als bedeutungsgleich mit dem Begriff der verantwortlichen ärztlichen Person im Sinne des § 3 Nr. 5 GenDG auszulegen und hat insoweit keine eigenständige Bedeutung.189 Die Begriffe der Ärztin oder des Arztes, die oder der die genetische Beratung angeboten oder vorgenommen bzw. durchgeführt haben (§§ 10 Abs. 4 und 11 Abs. 1 GenDG), werden im GenDG jeweils nur einmal genannt. Ihre Bedeutung ergibt sich aus dem jeweiligen Regelungszusammenhang . Sie sind nur dann verantwortliche ärztliche Person, wenn die Voraussetzungen des § 3 Nr. 5 GenDG erfüllt sind.190 Nach § 3 Nr. 5 GenDG ist verantwortliche ärztliche Person „die Ärztin oder der Arzt, die oder der die genetische Untersuchung zu medizinischen Zwecken vornimmt“. Die Verantwortlichkeit knüpft nach dem Wortlaut des Gesetzes damit an die „Vornahme“ der genetischen Untersuchung selbst191 und nicht etwa an die Verantwortung im organisationsrechtlichen Sinne an.192 Eine wirkliche Klärung wird mit der Legaldefinition in § 3 Nr. 5 GenDG jedoch nicht erreicht, da offen bleibt, was unter „Vornahme“ der genetischen Untersuchung im Einzelnen zu verstehen ist.193 Aufgrund einer systematischen Zusammenschau der vorgenannten Normen des GenDG und um eine widerspruchsfreie Auslegung zu gewährleisten, ist davon auszugehen, dass es sich bei der verantwortlichen ärztlichen Person im Sinne des § 3 Nr. 5 GenDG – trotz des eigentlich eindeutigen Wortlauts der Vorschrift – nicht um die Ärztin oder den Arzt handelt, die oder der technisch gesehen die genetische Untersuchung vornimmt, sondern vielmehr die Ärztin oder der Arzt gemeint ist, die oder der den unmittelbaren Patientenkontakt hat, aus medizinischen Gründen eine genetische Untersuchung für indiziert hält, eine solche veranlasst und insoweit die organisatorische Verantwortung übernimmt.194 Für diese Auslegung spricht insbesondere die 189 Stockter, in: Prütting (Hrsg.), Medizinrecht Kommentar, GenDG, § 3 Rn. 41c. 190 Stockter, in: Prütting (Hrsg.), Medizinrecht Kommentar, GenDG, § 3 Rn. 41d. 191 Vgl. insoweit die Begründung im Gesetzentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes über genetische Untersuchungen bei Menschen (Gendiagnostikgesetz – GenDG), in: BT-Drs. 16/10532, S. 21 zu § 3 Nr. 5. 192 Hahn/Schwarz, in: Kern (Hrsg.), GenDG, § 3 Rn. 27; Fenger, in: Spickhoff (Hrsg.), Medizinrecht, GenDG, § 3 Rn. 5. 193 Schillhorn/Heidemann, GenDG, § 3 Rn. 27; Meyer, Genetische Untersuchungen zu medizinischen Zwecken und zu Forschungszwecken an nicht einwilligungsfähigen Personen, S. 134. 194 So Schillhorn/Heidemann, GenDG, § 3 Rn. 28; Hahn/Schwarz, in: Kern (Hrsg.), GenDG, § 3 Rn. 28; Stockter, in: Prütting (Hrsg.), Medizinrecht Kommentar, § 3 Rn. 41 f.; Meyer, Genetische Untersuchungen zu medizinischen Zwecken und zu Forschungszwecken an nicht einwilligungsfähigen Personen, S. 134 f.; Waller, Das neue Gendiagnostikgesetz – Was ändert sich für Gynäkologen?, in: Gynäkologie, 2010, S. 860 (861). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 098/19 Seite 54 Vorschrift des § 7 Abs. 2 GenDG, wonach die genetische Analyse einer genetischen Probe nur im Rahmen einer genetischen Untersuchung „von der verantwortlichen ärztlichen Person“ oder durch von „dieser“ beauftragte Personen oder Einrichtungen vorgenommen werden darf.195 Eindeutiger wäre der Gesetzestext deshalb, wenn statt der „Vornahme“ der genetischen Untersuchung auf die „Veranlassung“ der genetischen Untersuchung abgestellt worden wäre.196 In der Praxis wird häufig der betreuende Arzt die Indikation zur genetischen Untersuchung stellen, die genetische Probe für die genetische Untersuchung von einem weiteren Arzt entnommen und diese dann einer beauftragten Person bzw. Einrichtung zur genetischen Analyse übersandt . Daraus ergibt sich die Frage, welcher der involvierten Ärzte die „verantwortliche ärztliche Person“ im Sinne des § 3 Nr. 5 GenDG ist.197 Aus rechtlicher Sicht ist maßgeblich, wer im Sinne des GenDG die genetische Untersuchung organisatorisch verantwortet und vor diesem Hintergrund als maßgeblicher Ansprechpartner der untersuchten bzw. ratsuchenden Person einzustufen ist.198 Es dürfte in der Regel angemessen sein, wenn die beteiligten Ärzte zunächst untereinander Einigung darüber erzielen, wer diese Rolle im Sinne des GenDG übernehmen soll.199 4.4. Genetische Untersuchungen zu medizinischen Zwecken nach § 3 Nr. 6 bis 9 GenDG 4.4.1. Systematische Einordnung und Überblick Der Begriff der genetischen Untersuchung zu medizinischen Zwecken bestimmt – neben den genetischen Untersuchungen zur Klärung der Abstammung sowie im Versicherungsbereich und im Arbeitsleben – nach § 2 Abs. 1 GenDG maßgeblich den Anwendungsbereich des Gesetzes. Besondere Regelungen zu diesen Untersuchungen finden sich in Abschnitt 2 des GenDG (§§ 7 bis 16). Spezifizierungen des Begriffs der genetischen Untersuchungen zu medizinischen Zwecken enthalten die gesetzlichen Begriffsbestimmungen in § 3 Nr. 6 bis 9 GenDG. Diese genetischen Untersuchungen werden von § 3 Nr. 6 GenDG als diagnostische oder prädiktive genetische Untersuchungen definiert, die wiederum in den Nrn. 7 und 8 des § 3 GenDG eigene Definitionen finden. In der Vorschrift des § 3 Nr. 9 GenDG werden schließlich die genetischen Reihenuntersuchungen als besondere Form der genetischen Untersuchung zu medizinischen Zwecken definiert. Bei den genetischen Untersuchungen zu medizinischen Zwecken nach § 3 Nr. 6 GenDG handelt 195 Schillhorn/Heidemann, GenDG, § 3 Rn. 28; Stockter, in: Prütting (Hrsg.), Medizinrecht Kommentar, GenDG, § 3 Rn. 41 f.; Meyer, Genetische Untersuchungen zu medizinischen Zwecken und zu Forschungszwecken an nicht einwilligungsfähigen Personen, S. 134. 196 Schillhorn/Heidemann, GenDG, § 3 Rn. 28. 197 Schillhorn/Heidemann, GenDG, § 3 Rn. 29. 198 Stockter, in: Prütting (Hrsg.), Medizinrecht Kommentar, GenDG, § 3 Rn. 41g. 199 Schillhorn/Heidemann, GenDG, § 11 Rn. 12; Stockter, in: Prütting (Hrsg.), Medizinrecht Kommentar, GenDG, § 3 Rn. 41g. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 098/19 Seite 55 es sich um eine Untergruppe der genetischen Untersuchung im Sinne des § 3 Nr. 1 GenDG.200 Zu Recht wird daher in der rechtswissenschaftlichen Literatur die innere Systematik des § 3 GenDG kritisiert. Es erscheint weder in sachlicher Hinsicht nachvollziehbar noch im Sinne der Verständlichkeit der Norm besonders geglückt, die Nrn. 1 und 6 des § 3 GenDG „räumlich“ zu trennen, beziehen sich doch beide letztlich auf den Begriff der genetischen Untersuchung.201 Der Regelung in § 3 Nr. 6 GenDG kommt lediglich eine klarstellende Funktion dahingehend zu, dass es sowohl diagnostische (§ 3 Nr. 7 GenDG) als auch prädiktive (§ 3 Nr. 8 GenDG) genetische Untersuchungen zu medizinischen Zwecken geben kann.202 Es wäre deshalb sinnvoll gewesen, diese Klarstellung mit in die Definition der Nr. 1 des § 3 GenDG aufzunehmen.203 Unbeantwortet lässt die Regelung in § 3 Nr. 6 GenDG auch die Frage, inwieweit eine genetische Untersuchung zu medizinischen Zwecken einen Doppelcharakter besitzen, also eine diagnostische und eine prädiktive genetische Untersuchung umfassen kann sowie welche Konsequenzen hieraus für den „Kanon der anwendbaren Regeln“ folgen.204 Auch hier ist – ähnlich wie bei der vorgeburtlichen Risikoabklärung nach § 3 Nr. 3 GenDG – denkbar, dass mit einer genetischen Untersuchung beide Voraussetzungen erfüllt werden. Dies gilt insbesondere dann, wenn eine diagnostische genetische Untersuchung vorgenommen wird, anlässlich derer jedoch auch prädiktive Ergebnisse gewonnen werden. Gerade in diesem Bereich kann es in der Praxis zu Abgrenzungsschwierigkeiten kommen. Dies gilt insbesondere für Untersuchungen von Patienten, die aufgrund einer manifestierten Krankheit genetisch untersucht werden und bei denen neben der Bestätigung der bisherigen Krankheit, d. h. dem diagnostischen Zweck, gleichzeitig auch prädiktive Aussagen über weitere mögliche Krankheitsentwicklungen gewonnen werden können. 205 Aufgrund der unterschiedlichen Pflichten, die unter Bezugnahme auf die Unterscheidung zwischen diagnostischen und prädiktiven genetischen Untersuchungen zu medizinischen Zwecken im GenDG formuliert werden, muss eine solche Unterscheidung in der Praxis sorgfältig geprüft und zu einem sehr frühen Zeitpunkt vorgenommen werden.206 Viel spricht dafür, dass eine Untersuchung, die jedenfalls auch prädiktive Aspekte beinhaltet, die Klassifizierung der genetischen Untersuchung als prädiktiv festlegt und die diagnostische Untersuchung „überlagert “. Denn nur dadurch, dass der vom Gesetzgeber intendierte höhere Schutz bei prädiktiven Untersuchungen verwirklicht wird, kann der Gesetzeszweck insoweit erfüllt werden. Dies könnte nicht erreicht werden, wenn Untersuchungen, die sowohl aus diagnostischen als auch aus 200 Stockter, in: Prütting (Hrsg.), Medizinrecht Kommentar, GenDG, § 3 Rn. 48; Hahn/Schwarz, in: Kern (Hrsg.), GenDG, § 3 Rn. 29. 201 Schillhorn/Heidemann, GenDG, § 3 Rn. 32 f.; Hahn/Schwarz, in: Kern (Hrsg.), GenDG, § 3 Rn. 29. 202 Hahn/Schwarz, in: Kern (Hrsg.), GenDG, § 3 Rn. 29; Meyer, Genetische Untersuchungen zu medizinischen Zwecken und zu Forschungszwecken an nicht einwilligungsfähigen Personen, S. 135. 203 Schillhorn/Heidemann, GenDG, § 3 Rn. 33. 204 Hahn/Schwarz, in: Kern (Hrsg.), GenDG, § 3 Rn. 30; vgl. auch Schillhorn/Heidemann, GenDG, § 3 Rn. 34. 205 Schillhorn/Heidemann, GenDG, § 3 Rn. 34. 206 Schillhorn/Heidemann, GenDG, § 3 Rn. 35. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 098/19 Seite 56 prädiktiven Gründen vorgenommen werden, dem niedrigeren Schutzstatus der diagnostischen Untersuchungen unterlägen.207 4.4.2. Der im GenDG nicht definierte Begriff der Erkrankung oder gesundheitlichen Störung Bis auf die pharmakogenetischen Untersuchungen nach § 3 Nr. 7c GenDG setzen alle der in den Nrn. 7 und 8 des § 3 GenDG unterschiedenen Arten der genetischen Untersuchungen zu medizinischen Zwecken voraus, dass die Untersuchung auf die Feststellung oder Vorhersage einer Erkrankung oder gesundheitlichen Störung gerichtet ist, weshalb genetische Untersuchungen mit einer anderen Zweckrichtung, zum Beispiel Untersuchungen im Hinblick auf die Eignung als Organspender (beispielsweise HLA-Typisierungen), nicht vom Anwendungsbereich des Gesetzes erfasst sind.208 Weder im GenDG noch in der gesetzgeberischen Begründung finden sich jedoch nähere Erläuterungen zum Begriff der Erkrankung oder gesundheitlichen Störung. Begriffsbestimmungen aus anderen Rechtsbereichen – wie etwa der krankenversicherungsrechtliche Krankheitsbegriff des Sozialgesetzbuches Fünftes Buch (SGB V)209 – können wegen der spezifischen Zielsetzungen des GenDG nicht ohne weiteres übernommen werden.210 Maßgeblich dürfte für das GenDG wohl der medizinische Krankheitsbegriff sein, wonach Krankheit als eine Störung der Lebensvorgänge in Organen oder dem gesamten Organismus mit der Folge von subjektiv empfundenen oder objektiv feststellbaren körperlichen, geistigen oder seelischen Veränderungen definiert wird.211 Auf die Behandelbarkeit oder die Behandlungsbedürftigkeit der Erkrankung oder gesundheitlichen Störung kommt es – anders als im Krankenversicherungsrecht nach dem SGB V – im Kontext des GenDG nicht an. Vielmehr soll nach der gesetzgeberischen Zielsetzung gerade auch die Feststellung von genetischen Veranlagungen zu Erkrankungen erfasst werden, die zum Zeitpunkt der Untersuchung nicht behandelbar sind. Für ein solch weites Begriffsverständnis spricht insbesondere auch der Umstand, dass nach anderen Regelungen im GenDG ausdrücklich 207 So die überzeugende Argumentation von Schillhorn/Heidemann, GenDG, § 3 Rn. 35 f. 208 Vgl. die Begründung im Gesetzentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes über genetische Untersuchungen bei Menschen (Gendiagnostikgesetz – GenDG), in: BT-Drs. 16/10532, S. 21 zu § 3 Nr. 6. 209 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) – Gesetzliche Krankenversicherung – (Art. 1 des Gesetzes vom 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477), zuletzt geändert durch Art. 4 des Gesetzes vom 19. Mai 2020 (BGBl. I S. 1018). Auch das SGB V enthält keine Definition des Krankheitsbegriffs. Die Bestimmung von Inhalt und Grenzen des Krankheitsbegriffs im Sinne der gesetzlichen Krankenversicherung bleibt daher der Rechtsprechung und Literatur überlassen. Die herrschende Rechtsprechung und Literatur versteht unter Krankheit im Sinne der gesetzlichen Krankenversicherung einen regelwidrigen Körper- oder Geisteszustand, dessen Eintritt entweder allein die Notwendigkeit von Heilbehandlung oder zugleich oder ausschließlich Arbeitsunfähigkeit zur Folge hat; zum Begriff der Krankheit im krankenversicherungsrechtlichen Sinne vgl. näher Lang, in: Becker/Kingreen, SGB V, Gesetzliche Krankenversicherung, § 27 Rn. 14 ff. und Nolte, in: Kasseler Kommentar Sozialversicherungsrecht, SGB V, § 27 Rn. 9 ff. mit jeweils umfassenden Nachweisen aus Rechtsprechung und Literatur. 210 Stockter, in: Prütting (Hrsg.), Medizinrecht Kommentar, GenDG, § 3 Rn. 44. 211 Stockter, in: Prütting (Hrsg.), Medizinrecht Kommentar, GenDG, § 3 Rn. 44 mit weiteren Nachweisen aus der Literatur. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 098/19 Seite 57 zwischen behandelbaren und nicht behandelbaren Erkrankungen unterschieden wird (vgl. hierzu die Bestimmungen der § 10 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 3 Satz 4 GenDG im Zusammenhang mit den Regelungen zur genetischen Beratung und die Vorschrift des § 16 Abs. 1 GenDG im Rahmen der Regelung der genetischen Reihenuntersuchungen).212 Ausgehend von diesem weiten Begriffsverständnis der Erkrankung oder gesundheitlichen Störung gelten auch genetische Untersuchungen zur Ermittlung der Wahrscheinlichkeit von Behinderungen des Embryos oder Fötus als Form der vorgeburtlichen Risikoabklärung im Sinne des § 3 Nr. 3 GenDG. Menschen mit Behinderungen sind nach der Begriffsbestimmung in § 2 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX)213 „Menschen, die körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die sie in Wechselwirkung mit einstellungs - und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate hindern können“. Eine Beeinträchtigung nach dieser Vorschrift liegt vor, „wenn der Körper- und Gesundheitszustand von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht“ (§ 2 Abs. 1 Satz 2 SGB IX). Nach § 2 Abs. 1 Satz 3 SGB IX sind Menschen „von Behinderung bedroht, wenn eine Beeinträchtigung nach Satz 1 zu erwarten ist“. Nicht erfasst von § 3 Nr. 6 GenDG werden hingegen genetische Untersuchungen, die keinen gesundheitlichen Bezug aufweisen, also die sog. Life-Style-Tests, etwa auf die Lebenserwartung, die Musikalität oder die sexuelle Orientierung.214 4.4.3. Diagnostische genetische Untersuchungen nach § 3 Nr. 7 GenDG Diagnostische genetische Untersuchungen werden durch den Gesetzgeber in § 3 Nr. 7a bis d GenDG in Abhängigkeit vom Ziel der genetischen Untersuchung in vier Gruppen unterteilt. Danach ist eine diagnostische genetische Untersuchung eine genetische Untersuchung mit dem Ziel - der Abklärung einer bereits bestehenden Erkrankung oder gesundheitlichen Störung (§ 3 Nr. 7a GenDG), - der Abklärung, ob genetische Eigenschaften vorliegen, die zusammen mit der Einwirkung bestimmter äußerer Faktoren oder Fremdstoffe eine Erkrankung oder gesundheitliche Störung auslösen können (§ 3 Nr. 7b GenDG), - der Abklärung, ob genetische Eigenschaften vorliegen, die die Wirkung eines Arzneimittels beeinflussen können (§ 3 Nr. 7c GenDG) oder - der Abklärung, ob genetische Eigenschaften vorliegen, die den Eintritt einer möglichen Erkrankung oder gesundheitlichen Störung ganz oder teilweise verhindern können (§ 3 Nr. 7d GenDG). 212 Stockter, in: Prütting (Hrsg.), Medizinrecht Kommentar, GenDG, § 3 Rn. 44. 213 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX) – Rehabilitation und Teilhabe von Menschen mit Behinderungen – (Art. 1 des Gesetzes vom 23. Dezember 2016, BGBl. I S. 3234), zuletzt geändert durch Art. 8 des Gesetzes vom 14. Dezember 2019 (BGBl. I S. 2789). 214 Stockter, in: Prütting (Hrsg.), Medizinrecht Kommentar, GenDG, § 3 Rn. 46. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 098/19 Seite 58 4.4.3.1. Abklärung einer bereits bestehenden Erkrankung oder gesundheitlichen Störung Nach § 3 Nr. 7a GenDG kann eine diagnostische genetische Untersuchung zum einen der Abklärung einer bereits bestehenden Erkrankung oder gesundheitlichen Störung dienen. Erfasst werden damit die Fälle, in denen durch die genetische Untersuchung festgestellt werden soll, ob bestimmte genetische Eigenschaften für eine bereits bestehende Erkrankung oder gesundheitliche Störung ursächlich oder jedenfalls mitursächlich sind. Dies erfolgt durch die Bestimmung genetischer Veränderungen. Daneben werden aber auch bloße genetische Veranlagungen – also Risikofaktoren , Prädispositionen oder Überempfindlichkeiten – erfasst, die bereits manifestierte Erkrankungen oder gesundheitliche Störungen allein oder zumindest gemeinsam mit anderen Faktoren ausgelöst haben.215 4.4.3.2. Abklärung genetischer Anfälligkeiten Unabhängig von der Frage, ob eine Erkrankung oder gesundheitliche Störung bereits eingetreten ist, zählt nach § 3 Nr. 7b GenDG auch die Feststellung genetischer Eigenschaften, die zusammen mit äußeren Faktoren oder Fremdstoffen zu einer solchen Erkrankung oder gesundheitlichen Störung führen können, zu den diagnostischen genetischen Untersuchungen. Die Besonderheit der Feststellung von solchen genetischen Anfälligkeiten (Suszeptibilitäten) besteht darin, dass in diesen Fällen die Kombination einer genetischen Eigenschaft mit einem bestimmten Umweltfaktor zum Anknüpfungspunkt für die Bewertung des Erkrankungsrisikos gewählt wird.216 Auf diese Weise werden sowohl Untersuchungen in der Arbeitsmedizin, wie zum Beispiel auf den Acetyliererstatus, als auch Untersuchungen auf Risikofaktoren, Prädispositionen oder Überempfindlichkeiten für Erkrankungen oder gesundheitliche Störungen, die erst durch Einwirkung äußerer Faktoren manifest werden, erfasst. Immer dann, wenn eine Exposition gegenüber Fremdstoffen oder äußeren Faktoren, die bekanntermaßen bei entsprechender genetischer Disposition zu einem erhöhten Krankheitsrisiko führen, untersucht wird, handelt es sich nach der Gesetzesbegründung um eine diagnostische genetische Untersuchung im Sinne des § 3 Nr. 7b GenDG.217 Zu solchen „äußeren Faktoren oder Fremdstoffen“ zählen insbesondere physikalische und 215 Vgl. die Begründung im Gesetzentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes über genetische Untersuchungen bei Menschen (Gendiagnostikgesetz – GenDG), in: BT-Drs. 16/10532, S. 22 zu § 3 Nr. 7a; Hahn/Schwarz, in: Kern (Hrsg.), GenDG, § 3 Rn. 32; Stockter, in: Prütting (Hrsg.), Medizinrecht Kommentar, GenDG, § 3 Rn. 51 f. mit weiteren Nachweisen. 216 Stockter, in: Prütting (Hrsg.), Medizinrecht Kommentar, GenDG, § 3 Rn. 54; Meyer, Genetische Untersuchungen zu medizinischen Zwecken und zu Forschungszwecken an nicht einwilligungsfähigen Personen, S. 135. Beispiele für solche – durch ein sog. „Suszeptibilitätsgen“, „Empfindlichkeitsgen“ oder „Anfälligkeitsgen“ bedingte – „Suszeptibilitäten sind genetisch bedingte erhöhte Empfindlichkeiten gegenüber Schadstoffen (beispielweise in der Industrie) oder genetisch bedingte Allergien (zum Beispiel gegen Staub oder Schadstoffe in der Luft, etwa Mehlstauballergien bei Bäckern oder Nickelallergien bei Friseuren) oder besondere Strahlenempfindlichkeiten bei Atomkraftwerksmitarbeitern, vgl. Stockter, in: Prütting (Hrsg.), Medizinrecht Kommentar, GenDG, § 3 Rn. 54. 217 Vgl. die Begründung im Gesetzentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes über genetische Untersuchungen bei Menschen (Gendiagnostikgesetz – GenDG), in: BT-Drs. 16/10532, S. 22 zu § 3 Nr. 7b. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 098/19 Seite 59 chemische Einwirkungen (beispielweise mechanische Kräfte, allergene Stoffe, Elektrizität, Strahlen , Lärm und Gifte).218 In der Literatur wird darauf hingewiesen, dass die Einordnung der Untersuchungen nach § 3 Nr. 7b GenDG in die Gruppe der „diagnostischen“ genetischen Untersuchungen systematisch zweifelhaft sei, da hier auf einen Zustand abgestellt werde, der sich noch nicht in einer Erkrankung oder gesundheitlichen Störung manifestiert habe, es also nicht um eine klare Diagnose gehe. Vielmehr enthalte die Abklärung nach § 3 Nr. 7b GenDG – trotz ihrer systematischen Klassifizierung als diagnostische genetische Untersuchung – auch ein „prädiktives Element“.219 Denn hier werde durch die genetischen Eigenschaften lediglich die Möglichkeit begründet, zusammen mit der Einwirkung bestimmter äußerer Faktoren oder Fremdstoffe eine Erkrankung oder gesundheitliche Störung auszulösen. Eine Sicherheit, dass eine solche Erkrankung oder gesundheitliche Störung durch die genetische Eigenschaft tatsächlich eintrete, sei indes nicht gegeben.220 Der Gesetzgeber hat dieses Problem durchaus gesehen, seine gesetzessystematische und damit auch seine inhaltliche Entscheidung aber damit begründet, dass mit diesen genetischen Eigenschaften „in der Regel nur geringe prädiktive Werte“ verbunden seien und daher „eine Zuordnung zu den prädiktiven genetischen Untersuchungen nicht angemessen“ sei.221 Dabei mag auch der Umstand eine Rolle gespielt haben, dass die Manifestationswahrscheinlichkeit bei Erkenntnissen im Sinne von § 3 Nr. 7b GenDG – aufgrund des Zusammenwirkens mit weiteren Faktoren – als geringer einzustufen ist.222 In der Praxis dürfte die Abgrenzung zwischen den nach § 3 Nr. 7b GenDG als diagnostisch klassifizierten genetischen Untersuchungen und den prädiktiven im Sinne von § 3 Nr. 8 GenDG häufig schwierig werden.223 Wegen der besonderen Anforderungen, die an prädiktive genetische 218 Stockter, in: Prütting (Hrsg.), Medizinrecht Kommentar, GenDG, § 3 Rn. 55; Meyer, Genetische Untersuchungen zu medizinischen Zwecken und zu Forschungszwecken an nicht einwilligungsfähigen Personen, S. 135 mit Fußnote 234. Untersuchungen auf mögliche Abstoßungsreaktionen, die nach der Implantation eines Spenderorgans auftreten können, sollen nach den gesetzgeberischen Erläuterungen – wie oben bereits erwähnt – demgegenüber offenbar keine Untersuchungen im Sinne des § 3 Nr. 7 b GenDG sein (vgl. die Gesetzesbegründung in: BT-Drs. 16/10532, S. 21 zu § 3 Nr. 6 zur HLA-Typisierung). Nach dem Wortlaut der Vorschrift dürften Spenderorgane und Medizinprodukte aber ebenso wie etwa Allergien auslösende Stoffe und Partikel unter den Begriff der „äußeren Faktoren oder Fremdstoffe“ im Sinne dieser Vorschrift zu fassen sein, so zu Recht Stockter, in: Prütting (Hrsg.), Medizinrecht Kommentar, GenDG, § 3 Rn. 55. 219 Schillhorn/Heidemann, GenDG, § 3 Rn. 38 f.; Hahn/Schwarz, in: Kern (Hrsg.), § 3 Rn. 34; vgl. hierzu auch Damm, Prädiktive Diagnostik und Demenz, in: GesR, 2013, S. 385 (388 f.). 220 Schillhorn/Heidemann, GenDG, § 3 Rn. 38. 221 Vgl. die Begründung im Gesetzentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes über genetische Untersuchungen bei Menschen (Gendiagnostikgesetz – GenDG), in: BT-Drs. 16/10532, S. 22 zu § 3 Nr. 7b; anderer Ansicht Vossenkuhl, Der Schutz genetischer Daten, S. 125. 222 Schillhorn/Heidemann, GenDG, § 3 Rn. 38; Hahn/Schwarz, in: Kern (Hrsg.), GenDG, § 3 Rn. 34. 223 Stockter, in: Prütting (Hrsg.), Medizinrecht Kommentar, GenDG, § 3 Rn. 56; Meyer, Genetische Untersuchungen zu medizinischen Zwecken und zu Forschungszwecken an nicht einwilligungsfähigen Personen, S. 136; kritisch hierzu auch Damm, Prädiktive Diagnostik und Demenz, in: GesR, 2013, S. 385 (388 f.); Vossenkuhl, Der Schutz genetischer Daten, S. 121 f., 124 f. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 098/19 Seite 60 Untersuchungen im Rahmen des Arztvorbehalts nach § 7 Abs. 1 2. Alt. GenDG und der genetischen Beratung nach § 10 Abs. 2 in Verbindung mit § 26 Abs. 1 Nr. 1 GenDG gestellt werden, ist eine solche Abgrenzung auch mit erheblichen rechtlichen Konsequenzen verbunden.224 Nach der gesetzgeberischen Begründung sollen durch § 3 Nr. 7b GenDG offenbar nur Untersuchungen auf solche Erkrankungen und gesundheitliche Störungen ausgenommen sein, die monokausal genetisch bedingt sind (wie beispielsweise Untersuchungen auf die Huntington-Krankheit). Untersuchungen auf Veranlagungen zu multifaktoriell bedingten Erkrankungen werden nach dem Willen des Gesetzgebers hingegen grundsätzlich als diagnostische Untersuchungen (auf Suszeptibilitäten) unter § 3 Nr. 7b GenDG eingeordnet.225 Die GEKO hat darauf hingewiesen, dass im Rahmen der vorgeburtlichen genetischen Untersuchung nach § 15 Abs. 1 Satz 1 GenDG die Abklärung genetischer Eigenschaften für sog. Normalmerkmale , die den Gesundheitszustand des Embryos oder Fötus beeinträchtigen können, z. B. Blutgruppenunverträglichkeiten, einer diagnostischen genetischen Untersuchung nach § 3 Nr. 7b GenDG zuzuordnen sei.226 4.4.3.3. Pharmakogenetische Untersuchungen Zu den diagnostischen genetischen Untersuchungen zählt nach § 3 Nr. 7c GenDG auch die sog. pharmakogenetische Untersuchung. Diese Untersuchung dient der Feststellung genetischer Eigenschaften, welche die Verträglichkeit und Wirkung von Arzneimitteln ganz oder teilweise beeinflussen können. Bei den betroffenen Personen soll auf diese Weise eine Optimierung der Arzneimitteltherapie ermöglicht werden.227 Die systematische Einordnung der pharmakogenetischen Untersuchung unter die diagnostischen genetischen Untersuchungen wird in der Literatur damit begründet, dass Aussagen zur Medikamentenverträglichkeit in der Regel nur über verhält- 224 Meyer, Genetische Untersuchungen zu medizinischen Zwecken und zu Forschungszwecken an nicht einwilligungsfähigen Menschen, S. 136. 225 Vgl. hierzu die Begründung im Gesetzentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes über genetische Untersuchungen bei Menschen (Gendiagnostikgesetz – GenDG), in: BT-Drs. 16/10532, S. 22 zu § 3 Nr. 8; Stockter , in: Prütting (Hrsg.), Medizinrecht Kommentar, GenDG, § 3 Rn. 56; Meyer, Genetische Untersuchungen zu medizinischen Zwecken und zu Forschungszwecken an nicht einwilligungsfähigen Personen, S. 136. Nach Auffassung von Stockter, in: Prütting (Hrsg.), Medizinrecht Kommentar, GenDG, § 3 Rn. 56 ist eine solche Einordnung allerdings dann nicht überzeugend, wenn die Aussagen anhand sog. Suszeptibilitätsgene über sehr lange Zeiträume erfolgten und damit neben der statistiktypischen auch die prognosetypische Aussageungenauigkeit aufwiesen. 226 Vgl. die „Richtlinie der Gendiagnostik-Kommission (GEKO) für die Beurteilung genetischer Eigenschaften hinsichtlich ihrer Bedeutung nach § 15 Abs. 1 Satz 1 GenDG für eine Beeinträchtigung der Gesundheit des Embryos oder des Fötus während der Schwangerschaft oder nach der Geburt gemäß § 23 Abs. 2 Nr. 1d GenDG“ in der Fassung vom 12. April 2013, veröffentlicht und in Kraft getreten am 22. April 2013, in: Bundesgesundheitsblatt, 2013, S. 1028 (1029) unter Ziffer II., abrufbar unter: https://www.rki.de/DE/Content/Kommissionen/Gendiagnostik Kommission/Richtlinien/RL_Vorgeburtl-Untersuchung.pdf?__blob=publicationFile. 227 Vgl. die Begründung im Gesetzentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes über genetische Untersuchungen bei Menschen (Gendiagnostikgesetz – GenDG), in: BT-Drs. 16/10532, S. 22 zu § 3 Nr. 7c; Stockter, in: Prütting (Hrsg.), Medizinrecht Kommentar, GenDG, § 3 Rn. 58; Schillhorn/Heidemann, GenDG, § 3 Rn. 39; Hahn/Schwarz, GenDG, § 3 Rn. 35; Fenger, in: Spickhoff (Hrsg.), Medizinrecht, GenDG, § 3 Rn. 7. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 098/19 Seite 61 nismäßig kurze Vorhersagezeiträume erfolgen könnten und damit eine „prognosetypische Aussageungenauigkeit nur in einem verhältnismäßig geringen Umfang“ aufwiesen.228 Zu Recht wird im Schrifttum allerdings darauf hingewiesen, dass es sich bei den Untersuchungen auf die entsprechenden genetischen Veranlagungen nach § 3 Nr. 7c GenDG insoweit nur um einen Sonderfall von § 3 Nr. 7b GenDG handelt, als die pharmakogenetische Untersuchung mittelbar auch der Verhinderung von Erkrankungen oder gesundheitlichen Störungen dient.229 Auf der Grundlage des § 23 Abs. 2 Nr. 1b GenDG hat die GEKO eine Richtlinie für die Beurteilung genetischer Eigenschaften hinsichtlich ihrer Bedeutung für die Wirkung eines Arzneimittels bei einer Behandlung erstellt.230 Die Richtlinie richtet sich an Ärztinnen und Ärzte, die eine genetische Untersuchung mit dem Zweck der Abschätzung der Wirksamkeit und Verträglichkeit der individuellen Arzneimitteltherapie durchführen. Diese schließt nach der Richtlinie auch eine Ursachenabklärung bei Verdacht einer vorhandenen unerwünschten Arzneimittelwirkung oder einer nicht ausreichenden heilenden Wirkung ein.231 Der in der Richtlinie verwendete Begriff pharmakogenetische Untersuchung bezieht sich ausschließlich auf die Abklärung, ob genetische Eigenschaften im Sinne von § 3 Nr. 4 GenDG vorliegen, die die Wirkung eines Arzneimittels beeinflussen können (§ 3 Nr. 7c GenDG). In der Richtlinie erläutert die GEKO, dass pharmakogenetische Untersuchungen mittels geeigneter Algorithmen zur Optimierung der Arzneimittelanwendung und Verbesserung der Arzneimittelsicherheit und -wirksamkeit beitragen können, zum Beispiel durch Dosisanpassung, spezifische Auswahl von Arzneimitteln oder deren gezielter Vermeidung.232 Basis für eine pharmakogenetische Untersuchung sei die begründete Annahme, dass die zu untersuchende genetische Eigenschaft eine individuelle Bedeutung für die Anwendung oder Dosierung des klinisch indizierten Arzneimittels habe. Nach Auffassung der GEKO setzt diese Annahme das Vorhandensein entsprechender wissenschaftlicher bzw. klinischer Evidenz der Assoziation der genetischen Eigenschaft zum Wirkungsgrad eines Arzneimittels oder dem Schweregrad einer unerwünschten 228 Stockter, in: Prütting (Hrsg.), Medizinrecht Kommentar, GenDG, § 3 Rn. 57; kritisch hierzu Vossenkuhl, Der Schutz genetischer Daten, S. 124. 229 Stockter, in: Prütting (Hrsg.), Medizinrecht Kommentar, GenDG, § 3 Rn. 59; Hahn/Schwarz, GenDG, § 3 Rn. 36. 230 Vgl. die „Richtlinie der Gendiagnostik-Kommission (GEKO) für die Beurteilung genetischer Eigenschaften hinsichtlich ihrer Bedeutung für die Wirkung eines Arzneimittels bei einer Behandlung gemäß § 23 Abs. 2 Nr. 1b GenDG“, in der Fassung vom 25. November 2016, veröffentlicht und in Kraft getreten am 6. Dezember 2016, in: Bundesgesundheitsblatt, 2017, S. 472 ff.; abrufbar unter: https://www.rki.de/DE/Content /Kommissionen/GendiagnostikKommission/Richtlinien/RL-WirkungArzneimittel.pdf?__blob=publication- File. 231 Vgl. hierzu die „Richtlinie der Gendiagnostik-Kommission (GEKO) für die Beurteilung genetischer Eigenschaften hinsichtlich ihrer Bedeutung für die Wirkung eines Arzneimittels bei einer Behandlung gemäß § 23 Abs. 2 Nr. 1b GenDG“, in: Bundesgesundheitsblatt, 2017, S. 472 (472) unter II. (Anwendungsbereich und Zweck der Richtlinie). 232 Vgl. hierzu die „Richtlinie der Gendiagnostik-Kommission (GEKO) für die Beurteilung genetischer Eigenschaften hinsichtlich ihrer Bedeutung für die Wirkung eines Arzneimittels bei einer Behandlung gemäß § 23 Abs. 2 Nr. 1b GenDG“, in: Bundesgesundheitsblatt, 2017, S. 472 (472 f.) unter III. (Pharmakologische Untersuchungen im Sinne der Richtlinie). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 098/19 Seite 62 Arzneimittelwirkung voraus.233 Für seltene Fälle, für die keine gesicherten Studien vorliegen, hält die GEKO auch Beobachtungsstudien für ausreichend.234 4.4.3.4. Abklärung genetisch bedingter Resistenzen Nach § 3 Nr. 7d GenDG kann eine diagnostische genetische Untersuchung – im Gegensatz zu Untersuchungen nach § 3 Nr. 7a GenDG – schließlich auch dem Zweck dienen, bei dem Probanden genetische Eigenschaften zu ermitteln, die ursächlich oder mitursächlich dafür sind, dass eine mögliche Erkrankung oder gesundheitliche Störung nicht auftritt, z. B. bei Resistenz gegen das HI-Virus.235 Die eindeutige Zuordnung einer Untersuchung als Abklärung von genetischen Resistenzen im Sinne des § 3 Nr. 7d GenDG wird allerdings häufig nicht möglich sein, da aufgrund der Multifunktionalität der Gene ein und dasselbe Merkmal in bestimmten Konstellationen eine risikoerhöhende, in anderen eine risikosenkende Wirkung haben kann.236 Im Übrigen erscheint auch bei einer Untersuchung nach § 3 Nr. 7d GenDG fraglich, ob es sich tatsächlich um eine diagnostische genetische Untersuchung oder nicht eher um eine prädiktive Untersuchung handelt. Zwar mag es für den betroffenen Patienten ebenso wichtig sein, über eine genetische Disposition zu verfügen, die bestimmte Erkrankungen oder gesundheitliche Störungen ganz oder teilweise ausschließt. Ob dies jedoch unter diagnostische genetische Untersuchungen, d. h. die Erkennung von manifesten Krankheiten zu fassen ist, erscheint aus teleologischer Sicht zumindest fraglich.237 233 Vgl. hierzu die „Richtlinie der Gendiagnostik-Kommission (GEKO) für die Beurteilung genetischer Eigenschaften hinsichtlich ihrer Bedeutung für die Wirkung eines Arzneimittels bei einer Behandlung gemäß § 23 Abs. 2 Nr. 1b GenDG“, in: Bundesgesundheitsblatt, 2017, S. 472 (473) unter IV. (Anforderungen). 234 Vgl. hierzu die „Richtlinie der Gendiagnostik-Kommission (GEKO) für die Beurteilung genetischer Eigenschaften hinsichtlich ihrer Bedeutung für die Wirkung eines Arzneimittels bei einer Behandlung gemäß § 23 Abs. 2 Nr. 1b GenDG“, in: Bundesgesundheitsblatt, 2017, S. 472 (474) unter IV. 2. (Beispiele von pharmakogenetischen Eigenschaften mit hoher Bedeutung) und S. 475 (Begründung). 235 Vgl. die Begründung im Gesetzentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes über genetische Untersuchungen bei Menschen (Gendiagnostikgesetz – GenDG), in: BT-Drs. 16/10532, S. 22 zu § 3 Nr. 7d; Stockter, in: Medizinrecht Kommentar, GenDG, § 3 Rn. 61; Hahn/Schwarz, GenDG, § 3 Rn. 37; Fenger, in: Spickhoff (Hrsg.), Medizinrecht, GenDG, § 3 Rn. 7; zur Unschärfe des Begriffs Vossenkuhl, Der Schutz genetischer Daten, S 125 f. 236 Stockter, in: Prütting (Hrsg.), Medizinrecht Kommentar, GenDG, § 3 Rn. 62 mit einem entsprechenden Beispiel. 237 Schillhorn/Heidemann, GenDG, § 3 Rn. 41. Der Bundesrat hatte in seiner Stellungnahme zum Gesetzentwurf der Bundesregierung vorgeschlagen, die in § 3 Nr. 7d des Gesetzentwurfs vorgesehene Regelung in § 3 Nr. 8a aufzunehmen, da es sich um einen prädiktiven Sachverhalt handele, vgl. hierzu die Stellungnahme des Bundesrates , in: BT-Drs. 16/10532, S. 46 zu § 3 Nr. 7 und 8 des Gesetzentwurfs. Die Bundesregierung ist diesem Vorschlag indes nicht gefolgt, vgl. hierzu die Unterrichtung durch die Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes über genetische Untersuchungen bei Menschen (Gendiagnostikgesetz – GenDG) – BT-Drs. 16/10532 – Gegenäußerung der Bundesregierung zu der Stellungnahme des Bundesrates, in: BT-Drs. 16/10582, S. 2 zu Nr. 7 (§ 3 Nr. 7 und 8). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 098/19 Seite 63 4.4.4. Prädiktive genetische Untersuchungen nach § 3 Nr. 8 GenDG 4.4.4.1. Systematische Einordnung In Abgrenzung zu den diagnostischen genetischen Untersuchungen im Sinne von § 3 Nr. 7 GenDG bestimmt § 3 Nr. 8 GenDG den Begriff der prädiktiven genetischen Untersuchungen zu medizinischen Zwecken. Nach § 3 Nr. 8 GenDG ist eine prädiktive genetische Untersuchung eine genetische Untersuchung mit dem Ziel der Abklärung einer erst zukünftig auftretenden Erkrankung oder gesundheitlichen Störung (Nr. 8a) oder einer Anlageträgerschaft für Erkrankungen oder gesundheitliche Störungen bei Nachkommen (Nr.8b). Prädiktive genetische Untersuchungen im Sinne des § 3 Nr. 8 GenDG dienen mithin der Feststellung, ob genetische Eigenschaften vorliegen, die zukünftig für eine Erkrankung oder gesundheitliche Störung bei der betroffenen Person selbst oder einer von ihr abstammenden Person – so im Fall der bloßen Anlageträgerschaft – ursächlich oder mitursächlich sein können, ohne dass dabei äußere Faktoren im Sinne von § 3 Nr. 7b GenDG maßgeblich zum Ausbruch dieser Erkrankung beitragen, wie zum Beispiel bei multifaktoriellen Erkrankungen.238 Da das Gesetz hierbei nicht an eine konkrete Untersuchungsmethode, sondern an das Untersuchungsziel selbst anknüpft, können grundsätzlich alle genetischen Untersuchungen im Sinne von § 3 Nr. 1 GenDG prädiktiven Charakter aufweisen .239 Die besondere Bedeutung prädiktiver genetischer Untersuchungen im Verhältnis zu diagnostischen genetischen Untersuchungen ergibt sich vor allem daraus, dass das GenDG für derartige Untersuchungen – wie oben bereits erwähnt – spezifische Regelungen enthält, indem es in § 7 Abs. 1, 2. Alt. GenDG einen qualifizierten Arztvorbehalt und in § 10 Abs. 2 GenDG im Zusammenhang mit der genetischen Beratung weitergehende Anforderungen festlegt.240 Im Übrigen gelten auch für prädiktive genetische Untersuchungen die Regelungen für genetische Untersuchungen zu medizinischen Zwecken.241 Die aus prädiktiven genetischen Untersuchungen gewonnenen Daten sind zudem regelmäßig stark prognostisch geprägt, womit eine erhöhte Unsicherheit bezüglich der Aussagekraft und -genauigkeit im Hinblick darauf einhergeht, ob, wann und mit welchem Schweregrad die fragliche Erkrankung oder gesundheitliche Störung ausbricht. Da eine Erkrankung oder gesundheitliche Störung somit allenfalls mit einer gewissen – mehr oder weniger hohen – Wahrscheinlichkeit vorhergesagt werden kann, ist bei der Verwertung dieser Informationen besondere Vorsicht geboten. Insofern sind prädiktive genetische Untersuchungen auch im Rahmen der Diskriminierungsverbote des GenDG besonders zu beachten.242 238 So die Begründung im Gesetzentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes über genetische Untersuchungen bei Menschen (Gendiagnostikgesetz – GenDG), in: BT-Drs. 16/10532, S. 22 zu § 3 Nr. 8. 239 Hahn/Schwarz, in: Kern (Hrsg.), GenDG, § 3 Rn. 38. 240 Hahn/Schwarz, in: Kern (Hrsg.), GenDG, § 3 Rn. 39; Stockter, in: Prütting (Hrsg.), Medizinrecht Kommentar, GenDG, § 3 Rn. 63. 241 Stockter, in: Prütting (Hrsg.), Medizinrecht Kommentar, GenDG, § 3 Rn. 63; Hahn/Schwarz, in: Kern (Hrsg.), GenDG, § 3 Rn. 38. 242 Hahn/Schwarz, in: Kern (Hrsg.), GenDG, § 3 Rn. 39. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 098/19 Seite 64 4.4.4.2. Begriff der prädiktiven genetischen Untersuchung nach § 3 Nr. 8a GenDG Der Begriff der prädiktiven genetischen Untersuchung nach § 3 Nr. 8a GenDG, der – wie bereits erwähnt – zielgerichtete Untersuchungen auf zukünftig auftretende Erkrankungen oder gesundheitliche Störungen bei der betroffenen Person selbst erfasst, setzt nicht voraus, dass die Feststellung der untersuchten genetischen Veranlagung Prognosen über den Eintritt einer bestimmten Krankheitsmanifestation mit einer bestimmten Manifestationswahrscheinlichkeit erlaubt.243 Insofern sind die gesetzgeberischen Erläuterungen, wonach das Ziel prädiktiver genetischer Untersuchungen darin zu sehen sei, genetische Veränderungen (Mutationen) zu identifizieren, die in späteren Lebensstadien „mit erhöhter oder mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit “ zu einer Krankheit führten, missverständlich.244 Bereits der Wortlaut des § 3 Nr. 8a GenDG enthält keine Hinweise darauf, dass es für die Beurteilung des Vorliegens einer derart zweckgerichteten Untersuchung auf die Höhe der Wahrscheinlichkeit ankommt, mit der der Eintritt einer in Betracht kommenden Krankheit oder gesundheitlichen Störung vorhergesagt werden kann.245 Dass die Wahrscheinlichkeit des Eintritts bzw. der Manifestation einer Erkrankung oder gesundheitlichen Störung vielmehr sehr unterschiedlich ausgeprägt sein kann und deshalb eine bestimmte Manifestationswahrscheinlichkeit grundsätzlich nicht erforderlich ist, ergibt sich außerdem daraus, dass sich zu prädiktiven Zwecken sowohl prädiktiv-deterministische als auch prädiktiv-probalistische genetische Untersuchungen heranziehen lassen.246 So erfassen prädiktivdeterministische Untersuchungen zwar zunächst solche Genveränderungen, die – wie beispielweise die in der Regel im mittleren Erwachsenenalter ausbrechende Chorea Huntington247 – mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit im späteren Leben zur Entwicklung eines Krankheitsbildes führen.248 Prädiktiv-probalistische Untersuchungen dagegen identifizieren genetische 243 Stockter, in: Prütting (Hrsg.), Medizinrecht Kommentar, GenDG, § 3 Rn. 65; Hahn/Schwarz, in: Kern (Hrsg.), GenDG, § Rn. 41. 244 Stockter, in: Prütting (Hrsg.), Medizinrecht Kommentar, GenDG, § 3 Rn. 65; vgl. auch Hahn/Schwarz, in: Kern (Hrsg.), GenDG, § 3 Rn. 40. 245 Hahn/Schwarz, in: Kern (Hrsg.), GenDG, § 3 Rn. 40. 246 Hahn/Schwarz, in: Kern (Hrsg.), GenDG, § 3 Rn. 41; Stockter, in: Prütting (Hrsg.), Medizinrecht Kommentar, GenDG, § 3 Rn. 65; Schillhorn/Heidemann, GenDG, § Rn. 48; Meyer, Genetische Untersuchungen zu medizinischen Zwecken und zu Forschungszwecken an nicht einwilligungsfähigen Personen, S. 137. Zur ursächlichen Bedeutung einer genetischen Veränderung für eine Erkrankung oder gesundheitliche Störung vgl. die „Richtlinie der Gendiagnostik-Kommission (GEKO) für die Beurteilung genetischer Eigenschaften hinsichtlich ihrer Bedeutung für Erkrankungen oder gesundheitliche Störungen sowie für die Möglichkeiten, sie zu vermeiden, ihnen vorzubeugen oder zu behandeln gemäß § 23 Abs. 2 Nr. 1a GenDG“ in der Fassung vom 17. Juli 2012, veröffentlicht und in Kraft getreten am 26. Juli 2012, in: Bundesgesundheitsblatt, 2013, S. 159 (161) unter Ziffer III. 2; abrufbar unter: https://www.rki.de/DE/Content/Kommissionen/GendiagnostikKommission/Richtlinien /RL_Med_Bedeutung_genet_Eigenschaften.pdf?__blob=publicationFile. 247 Bei Chorea Huntington liegt die Manifestationswahrscheinlichkeit bei 100 Prozent zwischen dem vierten und fünften Lebensjahrzehnt, vgl. Kersten, Die genetische Optimierung des Menschen – Plädoyer für eine Kritik unserer genetischen Vernunft, in: JZ, 2011, S. 161 (162). 248 Ausführlich zu den Wahrscheinlichkeitserwägungen Schillhorn/Heidemann, GenDG, § 3 Rn. 45 ff. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 098/19 Seite 65 Veränderungen, die eine weitaus geringere Penetranz (Manifestationswahrscheinlichkeit) aufweisen , wie zum Beispiel erblicher Brustkrebs249. Auf der Grundlage solcher Untersuchungen sind dann auch „bestenfalls“ Aussagen über die Wahrscheinlichkeit des späteren Auftretens einer Krankheit möglich, aber keinesfalls sichere individuelle Prognosen.250 Auch hinsichtlich des Zeitpunkts oder Zeitraums bis zur angenommenen Manifestation der Erkrankung oder gesundheitlichen Störung werden in § 3 Nr. 8 GenDG keine Vorgaben getroffen. Nach dem Wortlaut und der Systematik der Begriffsbestimmungen in § 3 Nr. 7 und 8 GenDG gelten vielmehr alle genetischen Untersuchungen im Sinne des § 3 Nr. 1 GenDG, die Aussagen über die Wahrscheinlichkeit zukünftiger Krankheitsmanifestationen erlauben, als prädiktive Untersuchungen, unabhängig davon, ob die Manifestation der betreffenden Erkrankung oder gesundheitlichen Störung schon für die nahe Zukunft vorhergesagt wird oder erst für „ein späteres Lebensstadium“251 vermutet wird.252 4.4.4.3. Begriff der prädiktiven genetischen Untersuchung nach § 3 Nr. 8b GenDG Nach § 3 Nr. 8b GenDG sind – wie bereits erwähnt – auch Untersuchungen auf eine Anlageträgerschaft , die Aussagen über die Erkrankungswahrscheinlichkeit möglicher Nachkommen erlauben, prädiktive genetische Untersuchungen. Ziel einer prädiktiven genetischen Untersuchung kann es somit auch sein, prognostische Informationen über eine möglicherweise bevorstehende Erkrankung oder gesundheitliche Störung eines noch nicht geborenen Dritten zu erhalten.253 In diesen Fällen wird sich die Erkrankung bzw. gesundheitliche Störung nicht bei dem Träger der genetischen Information selbst manifestieren, sondern unter bestimmten Umständen erst in der nächsten Generation.254 Die fehlende Unmittelbarkeit der genetischen Untersuchung am vom Untersuchungsergebnis Betroffenen wird regelmäßig zu verstärkt unsicheren Prognosen führen, was wiederum bei der Datenverarbeitung und -bewertung besonders zu berücksichtigen ist.255 249 Die Manifestationswahrscheinlichkeit im Fall von erblichem Brustkrebs bei BRCA-1 und BRCA-2-Mutationsträgerinnen liegt bei 40 bis 80 Prozent ab dem dritten Lebensjahrzehnt, vgl. Kersten, Die genetische Optimierung des Menschen – Plädoyer für eine Kritik unserer genetischen Vernunft, in: JZ, 2011, S. 161 (162). 250 Zur Unterscheidung zwischen prädiktiv-deterministischen und prädiktiv-probalistschen Untersuchungen vgl. insgesamt die Begründung im Gesetzentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes über genetische Untersuchungen bei Menschen (Gendiagnostikgesetz – GenDG), in: BT-Drs. 16/10532, S. 22 zu § 3 Nr. 8. 251 Vgl. die Begründung im Gesetzentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes über genetische Untersuchungen bei Menschen (Gendiagnostikgesetz – GenDG), in: BT-Drs. 16/10532, S. 22 zu § 3 Nr. 8. 252 Stockter, in: Prütting (Hrsg.), Medizinrecht Kommentar, GenDG, § Rn. 66; Hahn/Schwarz, in: Kern (Hrsg.), GenDG, § 3 Rn. 42. 253 Stockter, in: Prütting (Hrsg.), Medizinrecht Kommentar, GenDG, § 3 Rn. 67; Hahn/Schwarz, in: Kern (Hrsg.), GenDG, § 3 Rn. 43. 254 Schillhorn/Heidemann, GenDG, § 3 Rn. 50 ff. mit Beispielen. 255 Hahn/Schwarz, in: Kern (Hrsg.), GenDG, § 3 Rn. 43. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 098/19 Seite 66 Insoweit mit dieser Bestimmung grundsätzlich auch Embryonen in den Anwendungsbereich des Gesetzes aufgenommen werden, ist jedoch zu beachten, dass genetische Untersuchungen, die unmittelbar an extrakorporal erzeugten und sich außerhalb des Mutterleibs befindenden Embryonen vorgenommen werden – also die Präimplantationsdiagnostik und die präkonzeptionelle Polkörperdiagnostik – nach § 2 Abs. 1 GenDG nicht vom Anwendungsbereich des Gesetzes erfasst sind256, was die gesetzgeberische Begründung ausdrücklich bestätigt.257 4.4.5. Genetische Reihenuntersuchungen nach § 3 Nr. 9 GenDG Genetische Reihenuntersuchungen sind nach der Begriffsbestimmung des § 3 Nr. 9 GenDG genetische Untersuchungen zu medizinischen Zwecken, die systematisch der gesamten Bevölkerung oder bestimmten Personengruppen in der gesamten Bevölkerung angeboten werden, ohne dass bei der jeweiligen betroffenen Person notwendigerweise Grund zu der Annahme besteht, sie habe die genetischen Eigenschaften, deren Vorhandensein mit der Untersuchung geklärt werden soll. Besondere, genetische Reihenuntersuchungen betreffende Regelungen finden sich im GenDG unter anderem in § 9 Abs. 2 Nr. 6 GenDG, der im Zusammenhang mit genetischen Reihenuntersuchungen besondere Anforderungen an die Aufklärung festgelegt und in § 16 GenDG, der die spezifischen Anforderungen an genetische Reihenuntersuchungen als einer besonderen Form genetischer Untersuchungen zu medizinischen Zwecken regelt. Hervorzuheben ist darüber hinaus die Vorschrift des § 23 Abs. 2 Nr. 6 GenDG, wonach die GEKO den gesetzlichen Auftrag hat, in Bezug auf den allgemein anerkannten Stand der Wissenschaft und Technik Richtlinien für die Anforderungen an die Durchführung genetischer Reihenuntersuchungen festzulegen.258 Mithilfe von Reihenuntersuchungen bzw. Screenings können Erkrankungen, gesundheitliche Störungen oder ihre Prädisposition bereits in einem klinisch noch symptomlosen Stadium gesucht und schließlich erfasst werden. Dies geschieht mit dem Zweck, in einer definierten Population zu einem Zeitpunkt, zu dem sich das Individuum klinisch noch gesund fühlt, durch frühzeitiges Erkennen und Behandeln Morbidität und Mortalität zu verringern. Damit kann jeder Test, der systematisch durchgeführt wird, um eine erbliche Erkrankung, deren Disposition oder Anlageträger für solche Erkrankungen frühzeitig zu entdecken oder auszuschließen, eine genetische 256 Stockter, in: Prütting (Hrsg.), Medizinrecht Kommentar, GenDG, § 3 Rn. 67; Schillhorn/Heidemann, GenDG, § 3 Rn. 52; Hahn/Schwarz, in: Kern (Hrsg.), GenDG, § 3 Rn. 43. 257 Vgl. die Begründung im Gesetzentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes über genetische Untersuchungen bei Menschen (Gendiagnostikgesetz – GenDG), in: BT-Drs. 16/10532, S. 20 zu § 2 Abs. 1. 258 Vgl. hierzu die „Richtlinie der Gendiagnostik-Kommission (GEKO) für die Anforderungen an die Durchführung genetischer Reihenuntersuchungen gemäß § 23 Abs. 2 Nr. 6 GenDG“, in der Fassung vom 16. November 2012, veröffentlicht und in Kraft getreten am 3. Dezember 2012, in: Bundesgesundheitsblatt, 2013, S. 321, abrufbar unter: https://www.rki.de/DE/Content/Kommissionen/GendiagnostikKommission/Richtlinien/RL_Reihenuntersuchung .pdf?__blob=publicationFile. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 098/19 Seite 67 Reihenuntersuchung sein.259 Genetische Reihenuntersuchungen nach § 3 Nr. 9 GenDG sind heute fester Bestandteil der Krankheitsfrüherkennung. So gehört beispielsweise das Neugeborenen- Screening, mit dem auf Genprodukte-Ebene auf behandelbare Stoffwechselerkrankungen wie Phenylketonurie und andere untersucht wird, zu den genetischen Reihenuntersuchungen im Sinne des § 3 Nr. 9 GenDG. Genetische Reihenuntersuchungen nach dieser Vorschrift sind darüber hinaus auch solche Untersuchungen, mit denen in Gruppen oder Populationen mit durchschnittlichem oder leicht erhöhtem Krankheitsrisiko nach Risikopersonen für Krankheitsveranlagungen (z. B. Fettstoffwechselstörungen) gesucht wird und den identifizierten Risikopersonen Möglichkeiten einer Frühbehandlung oder Prävention eröffnet werden.260 In der Regel liegen bei einer genetischen Untersuchung zu medizinischen Zwecken eine individuelle Motivation und eine gendiagnostische Indikation261 zur Durchführung einer genetischen Untersuchung vor.262 Vom Begriff der genetischen Reihenuntersuchung nach § 3 Nr. 9 GenDG werden hingegen im Wesentlichen alle genetischen Untersuchungen zu medizinischen Zwecken erfasst, die möglichen Probanden ohne gendiagnostische Indikation systematisch angeboten werden .263 Da das Gesetz die genetische Reihenuntersuchung ausschließlich zu medizinischen Zwecken zulässt, gelten die nach dem GenDG für genetische Untersuchungen zu medizinischen Zwecken vorgenommenen – oben näher dargelegten – begrifflichen Spezifikationen auch für genetische Reihenuntersuchungen.264 Deshalb gehören zu den genetischen Reihenuntersuchungen im Sinne des § 3 Nr. 9 GenDG nur solche, die gezielt auf die Ermittlung von genetischen Eigenschaften im Sinne des § 3 Nr. 4 GenDG angelegt sind. Reihenuntersuchungen, in deren Rahmen nur „gelegentlich“ auch genetische Eigenschaften festgestellt werden können, sind somit nicht als genetische Reihenuntersuchungen anzusehen.265 Auch Reihenuntersuchungen, bei 259 Vgl. hierzu näher die Begründung im Gesetzentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes über genetische Untersuchungen bei Menschen (Gendiagnostikgesetz – GenDG), in: BT-Drs. 16/10532, S. 22 zu § 3 Nr. 9 und die „Richtlinie der Gendiagnostik-Kommission (GEKO) für die Anforderungen an die Durchführung genetischer Reihenuntersuchungen gemäß § 23 Abs. 2 Nr. 6 GenDSG“ in der Fassung vom 16. November 2012, in: Bundesgesundheitsblatt, 2013, S. 321 (321); Hahn/Schwarz, in: GenDG, § 3 Rn. 44; Stockter, in: Prütting (Hrsg.), Medizinrecht Kommentar, GenDG, § 3 Rn. 74. 260 Vgl. hierzu die Begründung im Gesetzentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes über genetische Untersuchungen bei Menschen (Gendiagnostikgesetz – GenDG), in: BT-Drs. 16/10532, S. 22 zu § 3 Nr. 9 und S. 33 zu § 16. 261 Zum – im GenDG nicht definierten – Begriff der gendiagnostischen Indikation vgl. näher Stockter, in: Prütting (Hrsg.), Medizinrecht Kommentar, GenDG, § 3 Rn. 78 ff. 262 Vgl. die Begründung im Gesetzentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes über genetische Untersuchungen bei Menschen (Gendiagnostikgesetz – GenDG), in: BT-Drs. 16/10532, S. 33 zu § 16; Schillhorn/Heidemann , GenDG, § 3 Rn. 53; Stockter, in: Prütting (Hrsg.), Medizinrecht Kommentar, GenDG, § 3 Rn. 72. 263 Vgl. die „Richtlinie der Gendiagnostik-Kommission (GEKO) für die Anforderungen an die Durchführung genetischer Reihenuntersuchungen gemäß § 23 Abs. 2 Nr. 6 GenDG“ in der Fassung vom 16. November 2012, in: Bundesgesundheitsblatt, 2013, S. 321 (321) unter II.; Stockter, in: Prütting (Hrsg.), Medizinrecht Kommentar, GenDG, § Rn. 72. 264 Stockter, in: Prütting (Hrsg.), Medizinrecht Kommentar, GenDG, § 3 Rn. 73; Hahn/Schwarz, in: Kern (Hrsg.), GenDG, § 3 Rn. 45. 265 Stockter, in: Prütting (Hrsg.), Medizinrecht Kommentar, GenDG, § 3 Rn. 73. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 098/19 Seite 68 denen genetische Eigenschaften zu nicht-medizinischen Zwecken erhoben werden, fallen nicht unter den Begriff der genetischen Reihenuntersuchung nach § 3 Nr. 9 GenDG. Dementsprechend werden Screenings im Sinne von Life-Style-Tests zum Zwecke der Familien- oder Lebensplanung oder auch solche im strafrechtlichen Kontext nicht von der Norm erfasst.266 Reihenuntersuchungen auf nach der Geburt entstandene genetische Merkmale – zum Beispiel aufgrund von nicht ererbten Krebserkrankungen – fallen ebenfalls nicht unter den Begriff der genetischen Reihenuntersuchung nach § 3 Nr. 9 GenDG.267 Als Reihenuntersuchungen im Sinne des § 3 Nr. 9 GenDG kommen vor allem systematisch angebotene prädiktive genetische Untersuchungen im Sinne des § 3 Nr. 8 GenDG – einschließlich der Untersuchungen auf eine Anlageträgerschaft für Erkrankungen oder gesundheitliche Störungen bei Nachkommen nach § 3 Nr. 8b GenDG – in Betracht.268 Bei diagnostischen genetischen Untersuchungen im Sinne des § 3 Nr. 7 GenDG dürfte dagegen in der Regel eine Indikation in Form eines abzuklärenden Symptombildes vorliegen, was nach der Begriffsbestimmung des § 3 Nr. 9 GenDG eine Kategorisierung als genetische Reihenuntersuchung ausschließt.269 4.5. Genetische Probe nach § 3 Nr. 10 GenDG Eine genetische Probe ist nach der Legaldefinition in § 3 Nr. 10 GenDG das biologische Material, das zur Verwendung für genetische Analysen vorgesehen ist oder an dem solche Analysen vorgenommen wurden. In Bezug genommen wird der Begriff der genetischen Probe bereits in § 1 GenDG, wonach die Regelung des Umgangs mit genetischen Proben eine Zielsetzung des Gesetzes ist. Darüber hinaus wird der Begriff in § 2 GenDG zur Bestimmung des Anwendungsbereichs des Gesetzes verwendet. Ausdrücklich verwendet wird der Begriff der genetischen Probe außerdem 266 Hahn/Schwarz, in: Kern (Hrsg.), GenDG, § 3 Rn. 48; Stockter, in: Prütting (Hrsg.), Medizinrecht Kommentar, GenDG, § 3 Rn. 73; Meyer, Genetische Untersuchungen zu medizinischen Zwecken und zu Forschungszwecken an nicht einwilligungsfähigen Personen, S. 138. 267 Stockter, in: Prütting (Hrsg.), Medizinrecht Kommentar, GenDG, § 3 Rn. 73. 268 Stockter, in: Prütting (Hrsg.), Medizinrecht Kommentar, GenDG, § 3 Rn. 71. Auch solche Untersuchungen, mit denen bei Gruppen oder Populationen mit durchschnittlichem oder leicht erhöhtem Krankheitsrisiko nach Anlageträgern für rezessive Erkrankungen (z. B. zystische Fibrose) gesucht wird, sind begrifflich genetische Reihenuntersuchungen im Sinne des § 3 Nr. 9 GenDG. Ein Screening im Hinblick auf Anlageträger für rezessive Erkrankungen, d. h. sog. Heterozygotentests – wie sie in einigen Ländern durchgeführt werden – sind nach § 16 Abs. 1 GenDG in Deutschland jedoch nicht zulässig. Eine genetische Untersuchung auf Anlageträgerschaft ist jedoch als genetische Untersuchung zu medizinischen Zwecken möglich; vgl. hierzu die Begründung im Gesetzentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes über genetische Untersuchungen bei Menschen (Gendiagnostikgesetz – GenDG), in: BT-Drs. 16/10532, S. 22 zu § 3 Nr. 9 und S. 33 zu § 16. 269 Stockter, in: Prütting (Hrsg.), Medizinrecht Kommentar, GenDG, § 3 Rn. 71 und 75 ff; anderer Ansicht Hahn/Schwarz, in: Kern (Hrsg.), GenDG, § 3 Rn. 45, wonach die Reihenuntersuchung zu medizinischen Zwecken sowohl eine diagnostische Untersuchung im Sinne von § 3 Nr. 7 GenDG als auch eine prädiktive Untersuchung im Sinne von § 3 Nr. 8 GenDG sein kann. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 098/19 Seite 69 - in den Regelungen über die Voraussetzungen für die Gewinnung und Verwendung von genetischen Proben, insbesondere der dafür erforderlichen Einwilligung und Aufklärung (§§ 8 Abs. 1 Satz 1, 9 Abs. 2 Nr. 2 und 3, 14 Abs. 1 und 2 GenDG), - in den Regelungen zur Durchführung der genetischen Analyse und zum weiteren Umgang mit genetischen Proben nach der genetischen Analyse (§§ 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3, 7 Abs. 2, 13, 14 Abs. 3, 23 Abs. 2 Nr. 4 GenDG) sowie - in der Bußgeldvorschrift des § 26 Abs. 1 Nr. 1a und 1b GenDG. Als genetische Probe im Sinne des § 3 Nr. 10 GenDG kommt jedes menschliche biologische Material in Betracht. In erster Linie werden jedoch Blut oder andere zellhaltige Körperflüssigkeiten sowie Haut, Haare oder Gewebeproben für genetische Analysen verwendet.270 Für die Einordnung als genetische Probe im Sinne des § 3 Nr. 10 GenDG kommt es maßgeblich auf die Verwendung zu Analysezwecken an. Nach der gesetzlichen Begriffsbestimmung des § 3 Nr. 10 GenDG und der Gesetzesbegründung sind alle Substanzen, die bereits für eine genetische Analyse verwendet worden sind, gerade verwendet werden oder für eine solche Verwendung vorgesehen sind, als genetische Probe einzuordnen. Dabei kann es sich zum einen um eigens zu diesen Zwecken gewonnenes, aber zum anderen auch um genetisches Material handeln, das zunächst zu ganz anderen Untersuchungszwecken oder ohne bestimmten Verwendungszweck gewonnen wurde und erst im Nachhinein zur Verwendung für eine genetische Analyse dienen soll.271 Dass nach dieser Begriffsbestimmung nicht nur Substanzen erfasst werden, die aktuell für eine genetische Analyse verwendet werden oder für eine solche Verwendung vorgesehen sind, sondern auch solche Substanzen, die bereits für eine genetische Analyse verwendet wurden, ist insofern problematisch, als damit eine echte Rückwirkung des Gesetzes ausgesprochen wird. Denn nach dieser Definition sind auch solche genetischen Proben vom Anwendungsbereich des Gesetzes erfasst, die bereits vor Inkrafttreten des Gesetzes für eine genetische Analyse verwendet worden sind. Dies wirft die Frage auf, ob alle genetischen Proben bzw. sämtliches biologisches Material, das in Laboren noch vorhanden ist und an dem genetische Analysen zu medizinischen Zwecken durchgeführt wurden, dem Anwendungsbereich des Gesetzes mit den damit verbundenen Folgen unterliegen.272 Da es insoweit jedoch allein um die Begriffsbestimmung geht, wird 270 Vgl. die Begründung im Gesetzentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes über genetische Untersuchungen bei Menschen (Gendiagnostikgesetz – GenDG), in: BT-Drs. 16/10532, S. 22 f. zu § 3 Nr. 10; Stockter, in: Prütting (Hrsg.), Medizinrecht Kommentar, GenDG, § 3 Rn. 86c; Hahn/Schwarz, in: Kern (Hrsg.), GenDG, § 3 Rn. 52. 271 Vgl. die Begründung im Gesetzentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes über genetische Untersuchungen bei Menschen (Gendiagnostikgesetz – GenDG), in: BT-Drs. 16/10532, S. 23 zu § 3 Nr. 10; Stockter, in: Prütting (Hrsg.), Medizinrecht Kommentar, GenDG, § 3 Rn. 86d; Hahn/Schwarz, in: Kern (Hrsg.), GenDG, § 3 Rn. 52. 272 Schillhorn/Heidemann, GenDG, § 3 Rn. 56 f. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 098/19 Seite 70 man davon ausgehen dürfen, dass eine verbotene echte Rückwirkung des Gesetzes nicht vorliegt .273 Auch hierzu wäre allerdings eine Klarstellung durch die GEKO hilfreich.274 Darüber hinaus ist aus praktischer Sicht zu klären, was unter dem biologischen Material im Sinne des § 3 Nr. 10 GenDG zu verstehen ist. Regelmäßig wird das biologische Material anlässlich der Durchführung einer genetischen Analyse verarbeitet und dabei verändert. So werden beispielsweise aus dem biologischen Material einzelne Komponenten gewonnen. Damit stellt sich die Frage, ob auch diese Komponenten als genetische Probe im Sinne des § 3 Nr. 10 GenDG zu qualifizieren sind.275 Da der Wortlaut der Vorschrift hierzu keine klare Aussage trifft, bedarf es insoweit einer Auslegung des Gesetzestextes nach der gesetzgeberischen Zielsetzung. Der Sinn und Zweck des § 3 Nr. 10 GenDG in Verbindung mit den übrigen Regelungen des GenDG besteht darin, dass genetische Proben – also vom Menschen gewonnenes biologisches Material – nicht unkontrolliert für weitere genetischen Analysen verwendet werden können. Abgrenzungskriterium muss deshalb sein, ob aus den gewonnenen Komponenten bzw. den nach der Analyse bestehenden Resten des Materials seinerseits wieder neue genetische Analysen durchgeführt werden könnten. Ist dies möglich, so dürfte sich der Anwendungsbereich des Gesetzes auch auf diese Komponenten erstrecken. Sind dagegen genetische Analysen an einzelnen Komponenten bzw. Resten der Substanzen nicht mehr möglich, so scheidet eine Anwendbarkeit des Gesetzes aus.276 4.6. Genetische Daten nach § 3 Nr. 11 GenDG Genetische Daten sind nach der Legaldefinition des § 3 Nr. 11 GenDG alle Daten über genetische Eigenschaften, die durch eine genetische Untersuchung oder die im Rahmen einer genetischen Untersuchung durchgeführte genetische Analyse gewonnen worden sind. Ebenso wie die Regelung des Umgangs mit genetischen Proben ist nach § 1 GenDG auch die Regelung der Verwendung genetischer Daten eine Zielsetzung des Gesetzes. Ausdrücklich in Bezug genommen wird der Begriff der genetischen Daten zur Bestimmung des Anwendungsbereichs in § 2 GenDG. Genetische Daten werden danach insgesamt erfasst und nach Maßgabe des Gesetzes geschützt.277 Keine genetischen Daten im Sinne des Gesetzes sind – wie sich im Umkehrschluss aus § 3 Nr. 11 GenDG ergibt – genetische Eigenschaften, die außerhalb genetischer Untersuchungen 273 Hahn/Schwarz, in: Kern (Hrsg.), GenDG, § 3 Rn. 52. 274 Schillhorn/Heidemann, GenDG, § 3 Rn. 57. 275 Schillhorn/Heidemann, GenDG, § 3 Rn. 58. 276 So die überzeugende Argumentation von Schillhorn/Heidemann, GenDG, § 3 Rn. 59 mit einem Praxisbeispiel; zustimmend Stockter, in: Prütting (Hrsg.), Medizinrecht Kommentar, GenDG, § 3 Rn. 86c. 277 Vgl. die Begründung im Gesetzentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes über genetische Untersuchungen bei Menschen (Gendiagnostikgesetz – GenDG), in: BT-Drs. 16/10532, S. 23 zu § 3 Nr. 11. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 098/19 Seite 71 und Analysen – also beispielsweise durch postnatale Phänotypanalyse oder andere herkömmliche Untersuchungsmethoden – bekannt werden.278 Damit geht die Legaldefinition des § 3 Nr. 11 GenDG mit der Regelung des Anwendungsbereichs des Gesetzes nach § 2 GenDG konform . Dies hat jedoch zur Folge, dass genetische Informationen, die nicht aus genetischen Untersuchungen oder Analysen hervorgegangen sind, im Rahmen des GenDG nicht geschützt sind.279 5. Überblick zu den Regelungen für genetische Untersuchungen zu medizinischen Zwecken vor und nach der Geburt in den §§ 7 bis 16 GenDG 5.1. Beschränkung des Geltungsbereichs der Regelungen in den §§ 7 bis 16 GenDG auf genetische Untersuchungen zu medizinischen Zwecken In Abschnitt 2 des GenDG (§§ 7 bis 16) werden Regelungen für genetische Untersuchungen zu medizinischen Zwecken getroffen. Darunter werden gemäß § 3 Nr. 1 GenDG genetische Analysen zur Feststellung genetischer Eigenschaften und die vorgeburtliche Risikoabklärung einschließlich der Beurteilung der jeweiligen Ergebnisse verstanden, sofern sie in den über § 3 Nr. 6 bis 9 GenDG definierten medizinischen Bereich fallen.280 Die Regelungen in Abschnitt 2 des GenDG finden deshalb keine Anwendung auf genetische Untersuchungen, die nicht-medizinischen Zwecken im Sinne des § 3 Nr. 6 GenDG dienen.281 Auch wenn in vielen Regelungen der §§ 7 ff. GenDG die Begriffe „genetische Untersuchung“ (vgl. die §§ 7 Abs. 2, 8 Abs. 1, 9 Abs. 1, 11 Abs. 1 und 12 Abs. 1 GenDG) oder „genetische Probe“ (vgl. § 13 GenDG) verwendet werden, sollen damit nicht alle auch nicht-medizinischen Zwecken dienende genetische Untersuchungen im Sinne des § 3 Nr. 1 GenDG und das dabei gewonnene Probenmaterial erfasst sein. Für diese Auslegung spricht zunächst der Umstand, dass der Abschnitt 2 des GenDG nach seiner Überschrift lediglich „genetische Untersuchungen zu medizinischen Zwecken“ zum Gegenstand hat. Zudem ergibt sich dies vor dem Hintergrund, dass in den betreffenden Normen durch weitere Begriffe, insbesondere durch den Begriff der „verantwortlichen ärztlichen Person“, der ausschließliche Bezug zu genetischen Untersuchungen zu medizinischen Zwecken hergestellt wird.282 Zudem entspricht allein diese Auslegung der Zielsetzung des Gesetzgebers, der durch die §§ 7 ff. GenDG nur den Bereich der genetischen Untersuchungen zu medizinischen Zwecken 278 Hahn/Schwarz, in: Kern (Hrsg.), GenDG, § 3 Rn. 54; Stockter, in: Prütting (Hrsg.), Medizinrecht Kommentar, GenDG, § 3 Rn. 86g; Meyer, Genetische Untersuchungen zu medizinischen Zwecken und zu Forschungszwecken an nicht einwilligungsfähigen Personen, S. 139. 279 Hahn/Schwarz, in: Kern (Hrsg.), GenDG, § 3 Rn. 54. 280 Kern, in: Kern (Hrsg.), GenDG, Vorbemerkung zu Abschnitt 2. Genetische Untersuchungen zu medizinischen Zwecken, Rn. 1; Stockter, in: Prütting (Hrsg.), Medizinrecht Kommentar, GenDG, Vorbemerkung zu §§ 7 ff. Rn. 1; Meyer, Genetische Untersuchungen zu medizinischen Zwecken und zu Forschungszwecken an nicht einwilligungsfähigen Personen, S. 145. 281 Stockter, in: Prütting (Hrsg.), Medizinrecht Kommentar, GenDG, Vorbemerkung zu §§ 7 ff. Rn. 2; Meyer, Genetische Untersuchungen zu medizinischen Zwecken und zu Forschungszwecken an nicht einwilligungsfähigen Personen, S. 145. 282 Stockter, in: Prütting (Hrsg.), Medizinrecht Kommentar, GenDG, Vorbemerkung zu §§ 7 ff Rn. 2. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 098/19 Seite 72 regeln wollte.283 Etwas anderes gilt insoweit nur im Hinblick auf die Vorschrift des § 15 GenDG, die nach Wortlaut und gesetzgeberischer Zielsetzung vorgeburtliche genetische Untersuchungen zu nicht medizinischen Zwecken ausdrücklich verbietet. Vom Anwendungsbereich des Zweiten Abschnitts des GenDG insgesamt ausgeschlossen sind damit insbesondere die sog. Life-Style-Tests, die keinen gesundheitlichen Bezug aufweisen, und deshalb – wie oben bereits dargelegt – nicht zu den von § 3 Nr. 6 GenDG erfassten genetischen Untersuchungen zu medizinischen Zwecken gehören.284 Zudem sind auch Untersuchungen zu medizinischen Zwecken, die nach der Begriffsbestimmung des § 3 Nr. 1 GenDG nicht als genetische Untersuchung gelten, nicht den Regelungen der §§ 7 ff. GenDG unterworfen. Dies gilt beispielsweise für Untersuchungen zur Feststellung von erst nach der Geburt entstandenen Erbinformationen (z. B. bei genetischen Merkmalen von Krebszellen) und Untersuchungen zur Feststellung von nicht-menschlichen (z. B. viralen) Erbinformationen.285 5.2. Problematik der geläufigen Krankheits- bzw. Gesundheitsbegriffe insbesondere im Kontext vorgeburtlicher genetischer Untersuchungen zu medizinischen Zwecken Bei der Bestimmung des Begriffs der genetischen Untersuchungen zu medizinischen Zwecken sind nach Auffassung der GEKO die geläufigen Krankheits- bzw. Gesundheitsbegriffe (z. B. der WHO, der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung und der Jakarta Declaration) in diesem Kontext nicht hilfreich, sondern verursachen im Gegenteil Probleme, da sie einerseits sehr unterschiedlich seien und andererseits in ihrer Aussage zur Gesundheit keine sinnvolle Abgrenzung 283 Vgl. die Begründung im Gesetzentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes über genetische Untersuchungen bei Menschen (Gendiagnostikgesetz – GenDG), in: BT-Drs. 16/10532, S. 16 f. (Allgemeiner Teil) und insbesondere auch S. 25 (zum Arztvorbehalt nach § 7 GenDG), S. 26 (zur Einwilligung nach § 8 GenDG) und S. 30 (zur Verwendung und Vernichtung genetischer Proben nach § 13 GenDG). 284 Stockter, in: Prütting (Hrsg.), Medizinrecht Kommentar, GenDG, Vorbemerkung zu §§ 7 ff. Rn. 3; Meyer, Genetische Untersuchungen zu medizinischen Zwecken und zu Forschungszwecken an nicht einwilligungsfähigen Personen, S. 145; gerade für diese Life-Style-Tests wird in der Literatur aber eine Ergänzung des GenDG um entsprechende Normen für genetische Untersuchungen zu nicht-medizinischen Zwecken angemahnt, vgl. Vossenkuhl, Der Schutz genetischer Daten, S. 127 ff. 285 Stockter, in: Prütting (Hrsg.), Medizinrecht Kommentar, GenDG, Vorbemerkung zu §§ 7 ff. Rn. 4. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 098/19 Seite 73 verschiedener genetischer Merkmale erlaubten.286 Beispielsweise würde der Begriff der WHO287 – so führt die GEKO aus – wegen seiner allumfassenden Ausrichtung eine Abgrenzung von gesundheitsrelevanten zu nicht gesundheitsrelevanten Eigenschaften erschweren und damit den Willen des Gesetzgebers konterkarieren.288 Andere Gesundheitsbegriffe beinhalteten implizite Wertungen in Bezug auf Abweichungen vom Üblichen (sog. „Normalen“). Es sei aber notwendig, eine darauf basierende Diskriminierung zu vermeiden. Insbesondere im Hinblick auf vorgeburtliche genetische Untersuchungen nach § 15 GenDG dürfe nicht der Eindruck erweckt werden, als sollte durch eine Richtlinie eine „Bewertung „von Embryonen vorgenommen werden.289 Aufgrund dieser grundsätzlichen Erwägungen hat die GEKO darauf verzichtet, Begriffsdefinitionen zu verwenden, die über den Gesetzestext und die Definition der gesundheitlichen Beeinträchtigung hinausgehen. 5.3. Überblick über die in den §§ 7 bis 16 GenDG getroffenen Regelungen und deren Verhältnis zueinander Die in den §§ 7 bis 16 GenDG getroffenen Regelungen haben im Wesentlichen den Schutz der informationellen Selbstbestimmung zum Gegenstand und dienen insbesondere der rechtlichen Ausgestaltung der in der gendiagnostischen Praxis üblichen Trias „Beratung – Diagnostik – Beratung “, mit der die freie Entscheidung der informierten Patientin oder des informierten Patienten 286 So die GEKO in ihrem Ersten Tätigkeitsbericht gemäß § 23 Abs. 4 GenDG vom April 2013 für den Zeitraum vom 19. November 2009 bis 31. Dezember 2012, S. 25, abrufbar unter: https://www.rki.de/DE/Content/Kommissionen /GendiagnostikKommission/Taetigkeitsbericht/Taetigkeitsbericht_01.pdf?__blob=publicationFile und die „Richtlinie der Gendiagnostik-Kommission (GEKO) für die Beurteilung genetischer Eigenschaften hinsichtlich ihrer Bedeutung nach § 15 Abs. 1 Satz 1 GenDG für eine Beeinträchtigung der Gesundheit des Embryos oder des Fötus während der Schwangerschaft oder nach der Geburt gemäß § 23 Abs. 2 Nr. 1d GenDG“ in der Fassung vom 12. April 2013, in: Bundesgesundheitsblatt, 2013, S. 1028 (1029) unter III., abrufbar unter: https://www.rki.de/DE/Content/Kommissionen/GendiagnostikKommission/Richtlinien/RL_Vorgeburtl-Untersuchung .pdf?__blob=publicationFile; zustimmend Stockter, in: Prütting (Hrsg.), Medizinrecht Kommentar, GenDG, Vorbemerkung zu §§ 7 ff. Rn. 1a. 287 „Health is a state of complete physical, mental and social well-being and not merely the absence of disease or infirmity“, vgl. World Health Organization (1948), Preamble of the Constitution of the World Health Organization as adopted by the International Health Conference, New York, 19 June – 22 July 1946; signed on 22 July 1946 by the representatives of 61 States (Official Records of the World Health Organization, no. 2, p.100) and entered into force on 7 April 1948. The definition has not been amended since 1948, abrufbar unter: https://apps.who.int/gb/bd/PDF/bd47/EN/constitution-en.pdf?ua=1. 288 Vgl. die „Richtlinie der Gendiagnostik-Kommission (GEKO) für die Beurteilung genetischer Eigenschaften hinsichtlich ihrer Bedeutung nach § 15 Abs. 1 Satz 1 GenDG für eine Beeinträchtigung der Gesundheit des Embryos oder des Fötus während der Schwangerschaft oder nach der Geburt gemäß § 23 Abs. 2 Nr. 1d GenDG“ in der Fassung vom 12. April 2013, in: Bundesgesundheitsblatt, 2013, S. 1028 (1029) unter III. 289 Vgl. die „Richtlinie der Gendiagnostik-Kommission (GEKO) für die Beurteilung genetischer Eigenschaften hinsichtlich ihrer Bedeutung nach § 15 Abs. 1 Satz 1 GenDG für eine Beeinträchtigung der Gesundheit des Embryos oder des Fötus während der Schwangerschaft oder nach der Geburt gemäß § 23 Abs. 2 Nr. 1d GenDG“ in der Fassung vom 12. April 2013, in: Bundesgesundheitsblatt, 2013, S. 1028 (1029) unter III. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 098/19 Seite 74 für oder gegen eine genetische Untersuchung ermöglicht werden soll.290 Die Regelungsinhalte der §§ 7 bis 16 GenDG lassen sich wie folgt skizzieren291: Vor der Durchführung einer genetischen Untersuchung zu medizinischen Zwecken ist die betroffene Person nach Maßgabe des § 9 GenDG über Wesen, Bedeutung und Tragweite der genetischen Untersuchung aufzuklären. Bei einer prädiktiven genetischen Untersuchung im Sinne von § 3 Nr. 8 GenDG292 müssen nach § 10 Abs. 2 GenDG vor der genetischen Untersuchung zusätzlich auch die Vorgaben für eine genetische Beratung eingehalten werden. Die Vornahme sowohl einer diagnostischen als auch einer prädiktiven genetischen Untersuchung im Sinne des § 3 Nr. 6 bis 8 GenDG293 ist nur mit einer den Vorgaben des § 8 GenDG genügenden Einwilligung zulässig. Genetische Untersuchungen zu medizinischen Zwecken unterliegen nach § 7 GenDG zudem einem umfassenden Arztvorbehalt, wobei Absatz 1 dieser Vorschrift festlegt, dass eine diagnostische genetische Untersuchung von jeder Ärztin oder jedem Arzt vorgenommen werden darf, während eine prädiktive genetische Untersuchung eine besondere ärztliche Qualifikation erfordert . Genetische Untersuchungen zu medizinischen Zwecken setzen nicht notwendigerweise eine gendiagnostische Indikation voraus. Ohne gendiagnostische Indikation darf das Angebot einer genetischen Untersuchung allerdings nur auf Probandeninitiative oder im Rahmen von Reihenuntersuchungen nach § 16 GenDG zur Feststellung von Erkrankungen oder gesundheitlichen Störungen erfolgen, die nach dem allgemein anerkannten Stand der Wissenschaft und Technik vermeidbar oder behandelbar sind oder denen vorgebeugt werden kann. Nach dem Vorliegen des Untersuchungsergebnisses ist die untersuchte Person nach Maßgabe der in § 10 GenDG getroffene Regelungen genetisch zu beraten. Die Mitteilung des Ergebnisses einer genetischen Untersuchung und des Ergebnisses der genetischen Analyse hat dann nach den Vorgaben des 290 Vgl. die Begründung im Gesetzentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes über genetische Untersuchungen bei Menschen (Gendiagnostikgesetz – GenDG), in: BT-Drs. 16/10532, S. 16 f.; Kern, in: Kern (Hrsg.), GenDG, Vorbemerkung zu Abschnitt 2. Genetische Untersuchungen zu medizinischen Zwecken, Rn. 2; Stockter, in: Prütting (Hrsg.), Medizinrecht Kommentar, GenDG, Vorbemerkung zu §§ 7 ff. Rn. 6; Eberbach, Das neue Gendiagnostikgesetz – Ein Überblick aus juristischer Sicht, in: MedR, 2010, S. 155 (157). 291 Ein knapper Überblick über die Regelungen der §§ 7 bis 16 GenDG findet sich bei Stockter, in: Prütting (Hrsg.), Medizinrecht Kommentar, GenDG, Vorbemerkung zu §§ 7 ff., Rn. 6 f. und Meyer, Genetische Untersuchungen zu medizinischen Zwecken und zu Forschungszwecken an nicht einwilligungsfähigen Personen, S. 145 f. 292 Zum Begriff der prädiktiven genetischen Untersuchung zu medizinischen Zwecken nach § 3 Nr. 8 GenDG vgl. näher oben Gliederungspunkt 4.4.4. 293 Zum Begriff der diagnostischen genetischen Untersuchung zu medizinischen Zwecken nach § 3 Nr. 7 GenDG vgl. näher oben Gliederungspunkt 4.4.3. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 098/19 Seite 75 § 11 GenDG, der ebenfalls der Wahrung des informationellen Selbstbestimmungsrechts dient,294 zu erfolgen.295 Die vorgenannten Regelungen zur Aufklärung, Einwilligung, genetischen Beratung und zum Arztvorbehalt sollen nach der Gesetzesbegründung dazu dienen, dass die betroffenen Personen nicht unvorbereitet in eine Untersuchungssituation geraten. Die Regelungen sollen die Betroffenen vielmehr in die Lage versetzen, ihr informationelles Selbstbestimmungsrecht auszuüben, eine eigenverantwortliche Entscheidung über die Durchführung einer genetischen Untersuchung zu treffen und mit den Untersuchungsergebnissen angemessen umzugehen. Dies gilt der Gesetzesbegründung zufolge insbesondere für vorgeburtliche genetische Untersuchungen sowie für prädiktive genetische Untersuchungen, aufgrund derer Krankheiten unter Umständen lange bevor sie symptomatisch manifest werden, zu erkennen sind.296 Im Hinblick auf genetische Untersuchungen zu medizinischen Zwecken gehöre vor allem die genetische Beratung nach § 10 GenDG an zentraler Stelle zu den wesentlichen Rahmenbedingungen des Gesetzes.297 Genetische Beratung diene dem Ziel, einem Einzelnen oder einer Familie zu helfen, medizinisch-genetische Fakten zu verstehen, Entscheidungsalternativen zu bedenken und individuell angemessene Verhaltensweisen zu wählen. Der Bedeutung der genetischen Untersuchung und deren zu erwartenden Ergebnissen entsprechend seien die Voraussetzungen für eine genetische Beratung deshalb unterschiedlich ausgestaltet. Da die genetische Beratung in erster Linie darauf gerichtet sei, Hilfe bei der individuellen Entscheidungsfindung und Hilfe bei der Bewältigung gegebenenfalls bestehender bzw. durch die genetische Untersuchung neu entstandener Probleme, die auf der Kenntnis oder Nichtkenntnis über eine genetische Disposition beruhten, zu leisten, komme ihr bei vorgeburtlichen sowie bei prädiktiven genetischen Untersuchungen eine besondere Bedeutung zu. Prädiktive genetische Untersuchungen sowie alle pränatalen genetischen Untersuchungen seien deshalb von einem verpflichtenden Angebot vor und nach der genetischen Untersuchung begleitet.298 Im Fall von genetischen Untersuchungen bei nicht einwilligungsfähigen Personen (§ 14 GenDG), vorgeburtlichen genetischen Untersuchungen (§ 15 GenDG) und genetischen Reihenuntersuchungen (§ 16 GenDG) werden die vorgenannten allgemeinen Anforderungen an genetische Untersuchungen zu medizinischen Zwecken (§§ 7 bis 11 GenDG) spezifiziert und ergänzt. So legt 294 Vgl. die Begründung im Gesetzentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes über genetische Untersuchungen bei Menschen (Gendiagnostikgesetz – GenDG), in: BT-Drs. 16/10532, S. 29 zu § 11 Abs. 1. 295 Die Aufbewahrung und Vernichtung der Ergebnisse genetischer Untersuchungen und Analysen sowie die Verwendung und Vernichtung genetischer Proben bestimmt sich nach den §§ 12 und 13 GenDG, die den Schutz genetischer Daten und Proben zum Gegenstand haben, vgl. Kern, in: Kern (Hrsg.), GenDG, Vorbemerkung zu Abschnitt 2. Genetische Untersuchungen zu medizinischen Zwecken, Rn. 5; Meyer, Genetische Untersuchungen zu medizinischen Zwecken und zu Forschungszwecken an nicht einwilligungsfähigen Personen, S. 145. 296 Vgl. hierzu die Begründung im Gesetzentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes über genetische Untersuchungen bei Menschen (Gendiagnostikgesetz – GenDG), in: BT-Drs. 16/10532, S. 16. 297 Vgl. hierzu die Begründung im Gesetzentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes über genetische Untersuchungen bei Menschen (Gendiagnostikgesetz – GenDG), in: BT-Drs. 16/10532, S. 17. 298 Vgl. auch hierzu die Begründung im Gesetzentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes über genetische Untersuchungen bei Menschen (Gendiagnostikgesetz – GenDG), in: BT-Drs. 16/10532, S. 17. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 098/19 Seite 76 beispielsweise die Vorschrift des 15 Abs. 2 GenDG fest, dass eine vorgeburtliche genetische Untersuchung, die darauf abzielt, genetische Eigenschaften des Embryos oder des Fötus für eine Erkrankung festzustellen, die nach dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Wissenschaft und Technik erst nach Vollendung des 18. Lebensjahres ausbricht, nicht vorgenommen werden darf. 5.4. Ergänzende Regelungen außerhalb des GenDG Ergänzend zu den Regelungen des GenDG gelten auch für den Bereich der genetischen Untersuchungen zu medizinischen Zwecken die medizin- und datenschutzrechtlichen Regelungen. Hervorzuheben sind insoweit insbesondere die allgemeinen Vorschriften zum Behandlungsvertrag in den §§ 630a ff. BGB. So sind beispielweise in Ergänzung zu den in § 9 GenDG geregelten Vorgaben für die Aufklärung bei genetischen Untersuchungen zu medizinischen Zwecken auch die Vorgaben zu den Informationspflichten nach § 630c BGB und zu den Aufklärungspflichten nach § 630e BGB zu beachten.299 Im Bereich des Datenschutzes sind insbesondere die europarechtlichen Regelungen des Art. 9 Abs. 2h und Abs. 3 der Datenschutz-Grundverordnung (DSGO)300 in Verbindung mit § 22 Abs. 1 Nr. 1b des Bundesdatenschutzgesetzes und den §§ 7 bis 16 GenDG zur Datenverarbeitung im Bereich der Gesundheitsvorsorge oder aufgrund eines Behandlungsvertrages zu berücksichtigen.301 Zu nennen sind darüber hinaus Handlungsempfehlungen für den Bereich der Humangenetik, wie etwa die S2k-Leitlinie „Humangenetische Diagnostik und Genetische Beratung“ der Deutschen Gesellschaft für Humangenetik e. V. (GFH) und des Berufsverbandes Deutscher Humangenetiker e.V. (BVDH) in der Fassung vom 31. Dezember 2018302. Die „Richtlinien zur pränatalen Diagnostik von Krankheiten und Krankheitsdisposition “ der Bundesärztekammer aus dem Jahre 1988303 und die vom Vorstand der 299 Vgl. hierzu näher die „Richtlinie der Gendiagnostik-Kommission (GEKO) für die Anforderungen an die Inhalte der Aufklärung bei genetischen Untersuchungen zu medizinischen Zwecken gemäß § 23 Abs. 2 Nr. 3 GenDG“, revidierte Fassung vom 28. April 2017, veröffentlicht und in Kraft getreten am 17. Mai 2017, in: Bundesgesundheitsblatt , 2017, S. 923 (923) unter I, abrufbar unter: https://www.rki.de/DE/Content/Kommissionen/Gendiagnostik Kommission/Richtlinien/RL_Aufklaerung_med_Zwecke_geaendert.pdf?__blob=publicationFile. 300 Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung), abrufbar unter: https://www.bmjv.de/DE/Themen/Fokus- Themen/DSGVO/_documents/Amtsblatt_EU_DSGVO.pdf;jsessionid =82E6EDB8B3032C2086963686F706E378.2_cid334?__blob=publicationFile&v=1. 301 Stockter, in: Prütting (Hrsg.), Medizinrecht Kommentar, GenDG, Vorbemerkung zu §§ 7 ff. Rn. 9. 302 Deutsche Gesellschaft für Humangenetik e. V. (GfH)/Berufsverband Deutscher Humangenetiker e. V. (BVDH), S2k-Leitlinie Humangenetische Diagnostik und Genetische Beratung, Stand: 31. Dezember 2018, gültig bis zum 30. Dezember 2023, in: medizinische genetik 2018, S. 469-522, abrufbar unter: https://www.awmf.org/uploads /tx_szleitlinien/078-015l_S2k_Humangenetische_Diagnostik_Genetische_Beratung_2019-08.pdf. 303 Bundesärztekammer (Hrsg.), Richtlinien zur pränatalen Diagnostik von Krankheiten und Krankheitsdispositionen , in: Deutsches Ärzteblatt, 1998, A 3236-3242, abrufbar unter: https://cdn.aerzteblatt.de/pdf/95/50/a3236- 44.pdf?ts=28%2E07%2E2004+08%3A04%3A08. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 098/19 Seite 77 Bundesärztekammer am 14. Februar 2003 verabschiedeten „Richtlinien zur prädiktiven genetischen Diagnostik“304 sind demgegenüber bislang noch nicht an die aktuelle Rechtslage angepasst worden und bilden nicht mehr den aktuellen Stand der Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft und Technik ab. Sie können daher nur unter Beachtung der geltenden Rechtslage sowie des geänderten Standes der Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft und Technik als Information für die betroffenen Fachkreise dienen.305 5.5. Kritik an der Binnenstruktur der im Abschnitt 2 des GenDG getroffenen Regelungen In der rechtswissenschaftlichen Literatur werden zum Teil erhebliche Zweifel an der „Sinnhaftigkeit des Gesetzesaufbaus“ im 2. Abschnitt des GenDG geäußert, weil in den §§ 7 bis 16 GenDG nicht nur Regeln für genetische Untersuchungen zu medizinischen Zwecken normiert würden, sondern darüber hinaus auch allgemein arztrechtliche, die für das gesamte Gesetz Geltung beanspruchten .306 Die weiteren Abschnitte des Gesetzes enthielten – wie beispielsweise der Abschnitt 3 mit den Regelungen zu genetischen Untersuchungen zur Klärung der Abstammung in § 17 Abs. 1, 4, 5 und 6 GenDG – auch zahlreiche Verweise auf einzelne Vorschriften des zweiten Abschnitts oder – wie etwa der Abschnitt 5 mit den Vorschriften zu genetischen Untersuchungen im Arbeitsleben in § 20 Abs. 4 GenDG – einen Verweis auf den kompletten zweiten Abschnitt. Eine überzeugende Binnenstruktur lasse sich in diesem Abschnitt insoweit weder erkennen noch gewinnen.307 Ob es sinnvoll sei, den zweiten Abschnitt des Gesetzes – wie dies in der Literatur zum Teil vorgeschlagen werde308 – dergestalt nach Zeiträumen zu ordnen, dass die §§ 7 bis 9 GenDG den Zeitraum vor der genetischen Untersuchung, die §§ 14 bis 16 GenDG den Zeitraum der Durchführung und die §§ 10 bis 13 GenDG den Zeitraum danach beträfen, sei fraglich. Diese Untergliederung habe nämlich den Nachteil, dass wesentliche zusammenhängende Fragestellungen künstlich auseinandergerissen würden, da § 7 GenDG den Arztvorbehalt normiere, während die §§ 8 bis 11 und 14 GenDG das informationelle Selbstbestimmungsrecht zum Gegenstand hätten und die Regelungen in den §§ 12 und 13 GenDG den Datenschutz behandelten. Alle diese Vorschriften enthielten in gewisser Weise den Allgemeinen Teil des Gesetzes, der für alle folgenden Vorschriften gelte.309 304 Bundesärztekammer (Hrsg.), Richtlinien zur prädiktiven genetischen Diagnostik, verabschiedet vom Vorstand der Bundesärztekammer am 14. Februar 2003, in: Deutsches Ärzteblatt, 2003, A 1297-1305, abrufbar unter: https://cdn.aerzteblatt.de/pdf/100/19/a1297.pdf?ts=28%2E07%2E2004+14%3A31%3A08. 305 Vgl. hierzu die Hinweise der Bundesärztekammer, abrufbar unter: https://www.bundesaerztekammer .de/aerzte/medizin-ethik/wissenschaftlicher-beirat/veroeffentlichungen/archiv/. 306 Vgl. Kern, in: Kern (Hrsg.), GenDG, Vorbemerkung zu Abschnitt 2: Genetische Untersuchungen zu medizinischen Zwecken, Rn. 4. 307 Kern, in: Kern (Hrsg.), GenDG, Vorbemerkung zu Abschnitt 2: Genetische Untersuchungen zu medizinischen Zwecken, Rn. 4. 308 Vgl. hierzu Genenger, Das neue Gendiagnostikgesetz, in: NJW 2010, S. 113 (114). 309 Kern, in: Kern (Hrsg.), GenDG, Vorbemerkung zu Abschnitt 2: Genetische Untersuchungen zu medizinischen Zwecken, Rn. 5. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 098/19 Seite 78 6. Einrichtung und Aufgaben der Gendiagnostik-Kommission (GEKO) 6.1. Einrichtung und Zusammensetzung der GEKO Das GenDG sieht in § 23 Abs. 1 die Einrichtung einer interdisziplinär zusammengesetzten, unabhängigen Gendiagnostik-Kommission (GEKO) beim Robert Koch-Institut (RKI) vor, die nach § 23 Abs. 2 GenDG insbesondere die Aufgabe hat, in Bezug auf den allgemein anerkannten Stand der Wissenschaft und Technik Richtlinien für die Anwendung von Vorschriften des GenDG zu erstellen. In der Gesetzesbegründung wird hierzu ausgeführt, aufgrund der erheblichen Bedeutung der Richtlinien für den Gesundheitsschutz der Bevölkerung in Deutschland sei es geboten, diese Kommission gesetzlich zu verankern.310 Die Formulierung „beim Robert Koch-Institut“ in § 23 Abs. 1 Satz 1 GenDG macht deutlich, dass es sich nicht um eine Kommission des RKI, sondern um eine unabhängige Kommission handelt, deren Mitglieder und stellvertretende Mitglieder folglich völlig unabhängig und an Weisungen nicht gebunden sind.311 Die GEKO ist lediglich organisatorisch angebunden an das RKI in Berlin, wo die sie ihre eigene Geschäftsstelle hat. Eine Einbindung in die Aufgaben und Organisationsgewalt des RKI findet für die GEKO indes nicht statt. Dies ist notwendig, um die wissenschaftliche Unabhängigkeit des Gremiums zu gewährleisten.312 Die GEKO setzt sich nach § 23 Abs. 1 Satz 1 GenDG aus 13 Sachverständigen aus den Fachrichtungen Medizin und Biologie, zwei Sachverständigen aus den Fachrichtungen Ethik und Recht sowie drei Vertretern der für die Wahrnehmung der Interessen der Patientinnen und Patienten, der Verbraucherinnen und Verbraucher und der Selbsthilfe behinderter Menschen auf Bundesebene maßgeblichen Organisationen zusammen. Für jedes Mitglied wird ein Stellvertreter benannt. Die Mitglieder und stellvertretenden Mitglieder der GEKO werden nach § 23 Abs. 1 Satz 2 GenDG vom Bundesministerium für Gesundheit (BMG) für die Dauer von drei Jahren berufen. Nachdem die GEKO erstmalig im November 2009 berufen wurde313, hat das BMG im November 2018 die Mitglieder und stellvertretenden Mitglieder der GEKO für die vierte Berufungsperiode für den Zeitraum 2018 bis 2021 neu berufen. Die derzeitigen Mitglieder sind zum größten 310 Vgl. die Begründung im Gesetzentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes über genetische Untersuchungen bei Menschen (Gendiagnostikgesetz – GenDG), in: BT-Drs. 16/10532, S. 39 zu § 23 Abs. 1. 311 Vgl. die Begründung im Gesetzentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes über genetische Untersuchungen bei Menschen (Gendiagnostikgesetz – GenDG), in: BT-Drs. 16/10532, S. 39 zu § 23 Abs. 1. 312 Schillhorn/Heidemann, GenDG, § 23 Rn. 3; Gründel, in: Kern (Hrsg.), GenDG, § 23 Rn. 2; Rosenau, Relevante Fragestellungen des GenDG und Aufgaben der Gendiagnostik-Kommission (GEKO), in: Duttge/Engel/Zoll (Hrsg.), Das Gendiagnostikgesetz im Spannungsfeld von Humangenetik und Recht, 2011, S. 69 (69). 313 Vgl. Hübner/Pühler, Das Gendiagnostikgesetz – neue Herausforderungen im ärztlichen Alltag, in: MedR, 2010, S. 676 (679); Hübner/Pühler, Gendiagnostik, in: Heidelberger Kommentar: Arztrecht, Krankenhausrecht, Medizinrecht , Ordnungsziffer 2070, Rn. 22. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 098/19 Seite 79 Teil Angehörige verschiedener Universitätskliniken bzw. Universitäten, was eine sachverständige Wahrnehmung der Aufgaben und wissenschaftliche Unabhängigkeit gewährleistet.314 Vertreter des BMG sowie weitere Vertreter von Bundes- und Landesbehörden können nach § 23 Abs. 1 Satz 4 GenDG mit beratender Stimme an den Sitzungen der GEKO teilnehmen. Die Kommission gibt sich nach § 23 Abs. 1 Satz 3 Halbsatz 1 GenDG eine Geschäftsordnung, in der das Nähere über das Verfahren der GEKO und die Heranziehung externer Sachverständiger geregelt ist; die Geschäftsordnung bedarf der Zustimmung des BMG (§ 23 Abs. 1 Satz 3 Halbsatz 2 GenDG).315 Nach der Gesetzesbegründung ist die Heranziehung externer Sachverständiger insbesondere wegen der umfangreichen Aufgaben der Kommission von besonderer Bedeutung.316 In § 5 Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 2 der Geschäftsordnung der GEKO (GeschO der GEKO) wird festgelegt, dass jeweils eine Vertreterin oder ein Vertreter der Bundesärztekammer und des Gemeinsamen Bundesausschusses als ständige Gäste an den Sitzungen der GEKO teilnehmen. Sie sind nach § 5 Abs. 3 Satz 3 der Geschäftsordnung allerdings nicht stimmberechtigt. 6.2. Erstellung von Richtlinien in Bezug auf den allgemein anerkannten Stand der Wissenschaft und Technik als Hauptaufgabe der GEKO (§ 23 Abs. 2 GenDG) Hauptaufgabe der GEKO ist die Erstellung von Richtlinien in Bezug auf den allgemein anerkannten Stand der Wissenschaft und Technik für zahlreiche mit genetischen Untersuchungen zusammenhängende Bereiche gemäß § 23 Abs. 2 GenDG.317 Die möglichen Regelungsgegenstände dieser Richtlinien werden dabei in den Nummern 1 bis 6 des § 23 Abs. 2 GenDG im Einzelnen aufgeführt . Sie umfassen unter anderem die Beurteilung genetischer Eigenschaften in bestimmten medizinischen Zusammenhängen, die Anforderungen an die Qualifikation zur genetischen Beratung , die Anforderungen an die Inhalte der Aufklärung und der genetischen Beratung, eher technische Anforderungen an die Durchführung genetischer Analysen genetischer Proben sowie die Anforderungen an die Durchführung der vorgeburtlichen Risikoabklärung und an die insoweit erforderlichen Maßnahmen zur Qualitätssicherung. Der gesetzliche Richtlinienauftrag ist nach dem Wortlaut des § 23 Abs. 2 GenDG („insbesondere“) jedoch nicht auf die in den Nummern 1 bis 6 dieser Vorschrift genannten Themenbereiche beschränkt. Vielmehr kann die GEKO auch in 314 Zu den einzelnen Mitgliedern und stellvertretenden Mitgliedern der GEKO im Berufungszeitraum 2018 bis 2021 vgl. die unter https://www.rki.de/DE/Content/Kommissionen/GendiagnostikKommission/Mitglieder /GEKO_Mitglieder_node.html;jsessionid=BBCD80B4A7F1E6BBCC201925374A50B4.internet062 abrufbare Liste der 13 Sachverständigen aus den Fachrichtungen Medizin und Biologie, der zwei Sachverständigen aus den Fachrichtungen Ethik und Recht sowie der drei Vertreter der für die Wahrnehmung der Interessen der Patientinnen und Patienten, der Verbraucherinnen und Verbraucher und der Selbsthilfe behinderter Menschen auf Bundesebene maßgeblichen Organisationen. 315 Vgl. die Geschäftsordnung der GEKO in der Fassung vom 28. März 2014, abrufbar unter: https://www.rki.de/DE/Content/Kommissionen/GendiagnostikKommission/Geschaeftsordnung/GEKO_Geschaeftsordnung _node.html;jsessionid=978E1D1DD45F5EB73CADBB737E5519C4.internet062. 316 Vgl. die Begründung im Gesetzentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes über genetische Untersuchungen bei Menschen (Gendiagnostikgesetz – GenDG), in: BT-Drs. 16/10532, S. 39 zu § 23 Abs. 1. 317 Nach § 1 Abs. 2 Satz 2 der Geschäftsordnung der GEKO wertet die Kommission dazu die jeweiligen wissenschaftlichen Daten und Erkenntnisse aus. Die Kommission hat die Richtlinien auf dem anerkannten Stand der Wissenschaft und Technik zu halten, d. h. fortlaufend zu überprüfen und – soweit dies erforderlich ist – anzupassen (§ 1 Abs. 2 Satz 3 GeschO der GEKO). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 098/19 Seite 80 anderen vergleichbaren Zusammenhängen Richtlinien erlassen.318 Aufgrund des unterschiedlichen Regelungsgehalts der zu erlassenden Richtlinien werden in der Regel für eine genetische Untersuchung mehrere Richtlinien von Bedeutung sein.319 In Umsetzung ihrer Aufgabe, Richtlinien in Bezug auf den allgemein anerkannten Stand der Wissenschaft und Technik insbesondere für die in § 23 Abs. 2 Nr. 1 bis 6 GenDG im Einzelnen aufgeführten Bereiche zu erstellen, hat die GEKO bisher insgesamt elf Richtlinien erlassen.320 Hiervon haben neun Richtlinien Bedeutung für genetische Untersuchungen zu medizinischen Zwecken im Sinne der §§ 7 bis 16 GenDG, deren Inhalt nachfolgend in Form eines kurzen Überblicks dargestellt werden. 6.2.1. Beurteilung genetischer Eigenschaften in bestimmten medizinischen Zusammenhängen als Regelungsgegenstand von Richtlinien nach § 23 Abs. 2 Nr. 1 GenDG Die Vorschrift des § 23 Abs. 2 Nr. 1a bis d GenDG betrifft die Beurteilung von genetischen Eigenschaften in bestimmten medizinischen Zusammenhängen. Danach erstellt die GEKO Richtlinien für die Beurteilung genetischer Eigenschaften hinsichtlich - ihrer Bedeutung für Erkrankungen oder gesundheitliche Störungen sowie die Möglichkeiten , sie zu vermeiden, ihnen vorzubeugen oder sie zu behandeln (a), - ihrer Bedeutung für die Wirkung eines Arzneimittels bei einer Behandlung (b), - der Erforderlichkeit einer genetischen Untersuchung bei nicht einwilligungsfähigen Personen nach § 14 Abs. 1 Nr. 1 GenDG, um eine genetisch bedingte Erkrankung oder gesundheitliche Störung zu vermeiden oder zu behandeln oder dieser vorzubeugen, oder nach § 14 Abs. 2 Nr. 1 GenDG zur Klärung, ob eine bestimmte genetisch bedingte Erkrankung oder gesundheitliche Störung bei einem künftigen Abkömmling der genetisch verwandten Person auftreten kann (c), - ihrer Bedeutung bei vorgeburtlichen genetischen Untersuchungen nach § 15 Abs. 1 Satz 1 GenDG für eine Beeinträchtigung der Gesundheit des Embryos oder des Fötus während der Schwangerschaft oder nach der Geburt (d). Da die Definition genetischer Eigenschaften den Anwendungsbereich des GenDG maßgeblich konkretisiert, hatte die GEKO auf der Grundlage des Richtlinienauftrags nach § 23 Abs. 2 Nr. 1 GenDG einen ganz erheblichen Gestaltungsspielraum bis hin zur Bestimmung 318 Vgl. die Begründung im Gesetzentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes über genetische Untersuchungen bei Menschen (Gendiagnostikgesetz – GenDG), in: BT-Drs. 16/10532, S. 39 zu § 23 Abs. 2; Gründel, in: Kern (Hrsg.), GenDG, § 23 Rn. 3; Taupitz, Genetische Untersuchungen zur Klärung der Abstammung, in: MedR, 2013, S. 1 (2). 319 Gründel, in: Kern (hrsg.), GenDG, § 23 Rn. 3. 320 Vgl. hierzu die Übersicht der GEKO über die von ihr bislang erstellten Richtlinien mit Stand vom 26. Juli 2017, abrufbar unter: https://www.rki.de/DE/Content/Kommissionen/GendiagnostikKommission/Richtlinien/Richtlinien _node.html;jsessionid=7DC88AD3E369274836DA6DB13F6E2493.internet061. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 098/19 Seite 81 des Anwendungsbereichs des GenDG321, den sie aber – wie nachfolgend erläutert werden soll – nicht in vollem Umfang in Anspruch genommen hat. Mit der „Richtlinie der Gendiagnostik-Kommission (GEKO) für die Beurteilung genetischer Eigenschaften hinsichtlich ihrer Bedeutung für Erkrankungen oder gesundheitliche Störungen sowie für die Möglichkeiten, sie zu vermeiden, ihnen vorzubeugen oder sie zu behandeln gemäß § 23 Abs. 2 Nr. 1a GenDG“ in der Fassung vom 17. Juli 2012322 hat die GEKO diesen Gestaltungsspielraum aber weitgehend nicht selbst genutzt, sondern für häufige Erkrankungen auf bestehende nationale und internationale Regelwerke verwiesen. Für Erkrankungen und gesundheitliche Störungen, für die keine krankheitsspezifischen Leitlinien bestehen, definiert die GEKO Bewertungskriterien, die der verantwortlichen ärztlichen Person dazu dienen sollen, im Einzelfall auf der Basis des aktuellen medizinischen Kenntnisstandes zu beurteilen, ob die geplante genetische Untersuchung zu medizinischen Zwecken sinnvoll ist.323 Diese Bewertungskriterien umfassen klinische Validität (klinische Sensitivität und klinische Spezifität, den positiven und negativen prädiktiven Wert, variable Expressivität, funktionelle Relevanz), ätiologische Bedeutung , klinischen Nutzen (Kenntnisse über die Erkrankung oder gesundheitliche Störung, Folgen der Diagnostik sowie Risikoabwägung) und Anlageträgerschaft.324 Damit fast die GEKO bestehende allgemein wissenschaftlich gültige Definitionen zusammen, nimmt aber keine eigene Bestimmung der medizinischen Bedeutung genetischer Eigenschaften für Erkrankungen oder gesundheitliche Störungen im Sinne einer Abgrenzung zu nicht-medizinischen Zwecken vor, die ihrerseits den Anwendungsbereich des GenDG bestimmen könnten. In der Literatur wird darauf hingewiesen, dass dies insofern wünschenswert gewesen wäre , als die Grenze zwischen genetischen Untersuchungen zu medizinischen Zwecken und genetischen Untersuchungen auf dem Gebiet Lifestyle fließend sei und insbesondere auf dem Markt der „direct to consumer tests“ dringend einer Abgrenzung bedurft hätte.325 Mit der „Richtlinie der Gendiagnostik-Kommission (GEKO) für die Beurteilung genetischer Eigenschaften hinsichtlich ihrer Bedeutung für die Wirkung eines Arzneimittels bei einer 321 Vgl. Schillhorn/Heidemann, GenDG, § 23 Rn. 6. 322 Veröffentlicht und in Kraft getreten am 26. Juli 2012, in: Bundesgesundheitsblatt, 2013, S. 159 bis 162, abrufbar unter: https://www.rki.de/DE/Content/Kommissionen/GendiagnostikKommission/Richtlinien/RL_Med_Bedeutung _genet_Eigenschaften.pdf?__blob=publicationFile. 323 Vgl. die „Richtlinie der Gendiagnostik-Kommission (GEKO) für die Beurteilung genetischer Eigenschaften hinsichtlich ihrer Bedeutung für Erkrankungen oder gesundheitliche Störungen sowie für die Möglichkeiten, sie zu vermeiden, ihnen vorzubeugen oder sie zu behandeln gemäß § 23 Abs. 2 Nr. 1a GenDG“ in der Fassung vom 17. Juli 2012, in: Bundesgesundheitsblatt, 2013, S. 159 (159), Ziffer II. 324 Vgl. die „Richtlinie der Gendiagnostik-Kommission (GEKO) für die Beurteilung genetischer Eigenschaften hinsichtlich ihrer Bedeutung für Erkrankungen oder gesundheitliche Störungen sowie für die Möglichkeiten, sie zu vermeiden, ihnen vorzubeugen oder sie zu behandeln gemäß § 23 Abs. 2 Nr. 1a GenDG“ in der Fassung vom 17. Juli 2012, in: Bundesgesundheitsblatt, 2013, S. 159 (160 f.), Ziffer III. 325 So Schillhorn/Heidemann, GenDG, § 23 Rn. 6a. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 098/19 Seite 82 Behandlung gemäß § 23 Abs. 2 Nr. 1b GenDG“ in der Fassung vom 25. November 2016326 hat die GEKO ihren gesetzlichen Richtlinienauftrag nach § 23 Abs. 2 Nr. 1b GenDG umgesetzt. Die Richtlinie befasst sich auf der Basis des allgemein anerkannten Standes der Wissenschaft und Technik mit der Beurteilung hereditärer genetischer Eigenschaften geborener Menschen sowie von Embryonen und Föten während der Schwangerschaft im Hinblick auf die Wirkung eines Arzneimittels bei einer Behandlung. Somatische genetische Veränderungen im Sinne nichthereditärer Eigenschaften sind vom Regelungsbereich des GenDG nicht erfasst und daher nicht Gegenstand dieser Richtlinie. Die Richtlinie richtet sich an Ärztinnen und Ärzte, die eine genetische Untersuchung mit dem Zweck der Abschätzung der Wirksamkeit und Verträglichkeit der individuellen Arzneimitteltherapie durchführen. Nach der Richtlinie schließt dies auch eine Ursachenabklärung bei Verdacht einer vorhandenen unerwünschten Arzneimittelwirkung oder nicht ausreichendem Ansprechen ein. Die Richtlinie dient dagegen nicht der Nutzenbewertung im Sinne einer leistungsrechtlichen Bewertung genetischer Diagnostik zum Zwecke des Nachweises pharmakogenetischer Eigenschaften.327 Die „Richtlinie der Gendiagnostik-Kommission (GEKO) zu genetischen Untersuchungen bei nicht-einwilligungsfähigen Personen nach § 14 in Verbindung mit § 23 Abs. 2 Nr. 1c GenDG“ in der Fassung vom 26. Juli 2011328 zeigt, dass die GEKO durchaus gewillt ist, den ihr eingeräumten Gestaltungsspielraum wenigstens zum Teil zu nutzen.329 So wird die in § 14 Abs. 1 Nr. 1 GenDG definierte Grundvoraussetzung der Vermeidung, Behandlung oder Vorbeugung einer genetisch bedingten Erkrankung oder gesundheitlichen Störung bei nicht-einwilligungsfähigen Personen auf die Vermeidung weiterer diagnostischer Belastungen und inadäquater Therapieversuche erweitert und somit den Bedürfnissen der Betroffenen angepasst.330 Demgegenüber wird in der Literatur teilweise die Auffassung vertreten, die Richtlinie enthalte wenig, was ihren eigentlichen Regelungsauftrag betreffe.331 Da die GEKO nach der Vorschrift des § 23 Abs. 2 Nr. 1c in Verbindung mit § 14 GenDG den gesetzlichen Auftrag habe, den allgemein anerkannten Stand der Wissenschaft und Technik für die Beurteilung genetischer Eigenschaften hinsichtlich der 326 Veröffentlicht und in Kraft getreten am 6. Dezember 2016, in: Bundesgesundheitsblatt, 2017, S. 472 ff., abrufbar unter: https://www.rki.de/DE/Content/Kommissionen/GendiagnostikKommission/Richtlinien/RL-WirkungArzneimittel .pdf?__blob=publicationFile. 327 Vgl. die „Richtlinie der Gendiagnostik-Kommission (GEKO) für die Beurteilung genetischer Eigenschaften hinsichtlich ihrer Bedeutung für die Wirkung eines Arzneimittels bei einer Behandlung gemäß § 23 Abs. 2 Nr. 1b GenDG“ in der Fassung vom 25. November 2016, in: Bundesgesundheitsblatt, 2017, S. 472 (472), Ziffer II. 328 Veröffentlicht und in Kraft getreten am 27. Juli 2011, in Bundesgesundheitsblatt, 2011, S. 1257 ff. und Erratum zu dieser Richtlinie in: Bundesgesundheitsblatt, 2012, S. 1232, abrufbar unter: https://www.rki.de/DE/Content /Kommissionen/GendiagnostikKommission/Richtlinien/RL-GenetischeUntersuchung.pdf?__blob=publication File. 329 Schillhorn/Heidemann, GenDG, § 23 Rn. 7. 330 Vgl. die „Richtlinie der Gendiagnostik-Kommission (GEKO) zu genetischen Untersuchungen bei nicht-einwilligungsfähigen Personen nach § 14 in Verbindung mit § 23 Abs. 2 Nr. 1c GenDG“ in der Fassung vom 26. Juli 2011, in: Bundesgesundheitsblatt, 2011, S. 1257 (1258), Ziffer IV.1. 331 So Gründel, in: Kern (Hrsg.), GenDG, § 23 Rn. 24 f. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 098/19 Seite 83 Erforderlichkeit genetischer Untersuchungen bei nicht-einwilligungsfähigen Personen festzustellen , seien medizinisch-naturwissenschaftliche Erläuterungen zu verschiedenen Krankheiten und Vererbungslinien sowie alternative Untersuchungsmethoden zu erwarten gewesen. Die GEKO habe jedoch eher eine Kommentierung mit Ausführungen zur allgemeinen Auslegung und Anwendung von § 14 GenDG erarbeitet. Die Darstellungen in der Richtlinie beruhten dabei fast ausschließlich auf den entsprechenden Gesetzesmaterialien. Es sei zwar unzweifelhaft, dass derartige Erläuterungen für die Praxis hilfreich und notwendig seien, dies sei jedoch nicht das, was von einer Richtlinie zu erwarten sei.332 Die „Richtlinie der Gendiagnostik-Kommission (GEKO) für die Beurteilung genetischer Eigenschaften hinsichtlich ihrer Bedeutung nach § 15 Abs. 1 Satz 1 GenDG für eine Beeinträchtigung der Gesundheit des Embryos oder des Fötus während der Schwangerschaft oder nach der Geburt gemäß § 23 Abs. 2 Nr. 1d GenDG“ in der Fassung vom 12. April 2013333 gibt im Wesentlichen den Gesetzeswortlaut wieder.334 In der Begründung der Richtlinie weist die GEKO – wie oben bereits erläutert – auch ausdrücklich darauf hin, sie sei zu dem Ergebnis gekommen, dass eine Konkretisierung der Kriterien, die eine vorgeburtliche Untersuchung nach § 15 Abs. 1 des GenDG erlauben, nicht notwendig sei, da alle wesentlichen Eckpunkte im GenDG bereits hinreichend definiert seien.335 6.2.2. Anforderungen an die Qualifikation zur und Inhalte der genetischen Beratung als Regelungsgegenstand einer Richtlinie nach § 23 Abs. 2a und Abs. 2 Nr. 3 GenDG Mit der Vorschrift des § 23 Abs. 2 Nr. 2a GenDG hat der Gesetzgeber die GEKO damit beauftragt, in Bezug auf den allgemein anerkannten Stand der Wissenschaft und Technik Richtlinien für die Anforderungen an die Qualifikation der in § 7 Abs. 1 GenDG genannten Ärztinnen und Ärzten zur genetischen Beratung nach § 7 Abs. 3 GenDG zu erstellen. Darüber hinaus hat die GEKO den gesetzlichen Auftrag, den allgemein anerkannten Stand der Wissenschaft und Technik in Bezug auf die Anforderungen an die Inhalte der genetischen Beratung festzulegen (§ 23 Abs. 2 Nr. 3 GenDG). In Umsetzung dieser Richtlinienaufträge hat die GEKO die „Richtlinie der Gendiagnostik -Kommission (GEKO) über die Anforderungen an die Qualifikation zur und Inhalte der 332 Vgl. Gründel, in: Kern (Hrsg.), GenDG, § 23 Rn. 24. 333 Veröffentlicht und in Kraft getreten am 22. April 2013, in: Bundesgesundheitsblatt, 2013, S. 1028 f, abrufbar unter: https://www.rki.de/DE/Content/Kommissionen/GendiagnostikKommission/Richtlinien/RL_Vorgeburtl- Untersuchung.pdf?__blob=publicationFile. 334 Schillhorn/Heidemann, GenDG, § 23 Rn. 6b. 335 Vgl. die „Richtlinie der Gendiagnostik-Kommission (GEKO) für die Beurteilung genetischer Eigenschaften hinsichtlich ihrer Bedeutung nach § 15 Abs. 1 Satz 1 GenDG für eine Beeinträchtigung der Gesundheit des Embryos oder des Fötus während der Schwangerschaft oder nach der Geburt gemäß § 23 Abs. 2 Nr. 1d GenDG“ in der Fassung vom 12. April 2013, in: Bundesgesundheitsblatt, 2013, S. 1028 (1029), Ziffer III. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 098/19 Seite 84 genetischen Beratung gemäß § 23 Abs. 2 Nr. 2a und § 23 Abs. 2 Nr. 3 GenDG“ in der Fassung vom 1. Juli 2011336 erlassen, deren Inhalt nachfolgend skizziert werden soll.337 Im Anschluss an ein einleitendes Vorwort und eine Erläuterung der Bedeutung der genetischen Beratung insbesondere im Kontext genetischer Untersuchungen zu medizinischen Zwecken 338 beschäftigt sich die Richtlinie in ihrem ersten Teil – differenzierend zwischen genetischen Beratungen in diagnostischem, prädiktivem und vorgeburtlichem Kontext – mit den spezifischen Anforderungen an die jeweiligen Beratungszeitpunkte und die Beratungsinhalte.339 Die in der Richtlinie dargestellten Inhalte der genetischen Beratung entsprechen dabei den geltenden deutschen und internationalen Leitlinien zur genetischen Beratung.340 Im zweiten Teil befasst sich die Richtlinie sehr detailliert mit der Qualifikation zur fachgebundenen genetischen Beratung gemäß § 7 Abs. 3 und § 23 Abs. 2 Nr. 2a GenDG.341 Hier werden die Ziele der Qualifikation und der spätere Tätigkeitsbereich in Abgrenzung zum Facharzt für Humangenetik – bzw. Arzt mit der Zusatzbezeichnung Medizinische Genetik – erläutert.342 Den Hauptteil bildet die umfangreiche und konkrete Zusammenstellung der Qualifikationsinhalte der fachgebundenen genetischen Beratung in tabellarischer Form.343 Es handelt sich um Themenbereiche , die für die fachgebundene Beratung relevant sind. Die Qualifikation gliedert sich in einen 336 Veröffentlicht und in Kraft getreten am 11. Juli 2011, in: Bundesgesundheitsblatt, 2011, S. 1248 ff., abrufbar unter: https://www.rki.de/DE/Content/Kommissionen/GendiagnostikKommission/Richtlinien/RL-Genetische- Beratung.pdf?__blob=publicationFile. 337 Zum Inhalt dieser Richtlinie vgl. den Überblick bei Gründel, in: Kern (Hrsg.), GenDG, § 23 Rn. 19 ff. und eingehend Rummer, Die Richtlinie der Gendiagnostik-Kommission zur genetischen Beratung, in: GesR, 2011, S. 655 ff. 338 Vgl. die „Richtlinie der Gendiagnostik-Kommission (GEKO) über die Anforderungen an die Qualifikation zur und Inhalte der genetischen Beratung gemäß § 23 Abs. 2 Nr. 2a und § 23 Abs. 2 Nr. 3 GenDG“ in der Fassung vom 1. Juli 2011, in: Bundesgesundheitsblatt, 2011, S. 1248 (1248 f.), Ziffer I. bis III. 339 Vgl. die „Richtlinie der Gendiagnostik-Kommission (GEKO) über die Anforderungen an die Qualifikation zur und die Inhalte der genetischen Beratung gemäß § 23 Abs. 2 Nr. 2a und § 23 Abs. 2 Nr. 3 GenDG“ in der Fassung vom 1. Juli 2011, in: Bundesgesundheitsblatt, 2011, S. 1248 (1249 ff.), Ziffer IV bis VI. 340 Vgl. die „Richtlinie der Gendiagnostik-Kommission (GEKO) über die Anforderungen an die Qualifikation zur und die Inhalte der genetischen Beratung gemäß § 23 Abs. 2 Nr. 2a und § 23 Abs. 2 Nr. 3 GenDG“ in der Fassung vom 1. Juli 2011, in: Bundesgesundheitsblatt, 2011, S. 1248 (1255), Ziffer VIII. 341 Vgl. die „Richtlinie der Gendiagnostik-Kommission (GEKO) über die Anforderungen an die Qualifikation zur und Inhalte der genetischen Beratung gemäß § 23 Abs. 2 Nr. 2a und § 23 Abs. 2 Nr. 3 GenDG“ in der Fassung vom 1. Juli 2011, in: Bundesgesundheitsblatt, 2011, S. 1248 (1252 ff.), Ziffer VII. 342 Vgl. die „Richtlinie der Gendiagnostik-Kommission (GEKO) über die Anforderungen an die Qualifikation zur und Inhalte der genetischen Beratung gemäß § 23 Abs. 2 Nr. 2a und § 23 Abs. 2 Nr. 3 GenDG“ in der Fassung vom 1. Juli 2011, in: Bundesgesundheitsblatt, 2011, S. 1248 (1252), Ziffer VII.1. und Ziffer VII.2. 343 Vgl. die „Richtlinie der Gendiagnostik-Kommission (GEKO) über die Anforderungen an die Qualifikation zur und Inhalte der genetischen Beratung gemäß § 23 Abs. 2 Nr. 2a und § 23 Abs. 2 Nr. 3 GenDG“ in der Fassung vom 1. Juli 2011, in: Bundesgesundheitsblatt, 2011, S. 1248 (1252 ff.), Ziffer VII.3. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 098/19 Seite 85 theoretischen und einen praktischen Teil. Für die genetische Beratung im Kontext der vorgeburtlichen Risikoabklärung werden weitere Anforderungen gestellt.344 Auch Ablauf und Nachweis der Qualifikation werden allgemein umrissen. Allerdings wird an keiner Stelle erwähnt, wer die Qualifikationsmaßnahmen anbieten, organisieren und prüfen soll. Erst in der Begründung wird klargestellt, dass dies Sache der Länder sei.345 Das dürfte bedeuten, dass die Landesärztekammern entsprechende Kurse und Prüfungen organisieren müssen.346 Neben hauptsächlich allgemeinen Aussagen enthält die Begründung auch den wichtigen Hinweis, dass gemäß § 27 Abs. 4 GenDG seit dem 1. Februar 2012 neben den Fachärzten für Humangenetik und Ärzten mit Zusatzbezeichnung Medizinische Genetik zur – fachgebundenen – genetischen Beratung nach § 10 GenDG nur noch Ärzte mit der entsprechenden Zusatzqualifikation gemäß den Vorgaben dieser Richtlinie zugelassen sind. 6.2.3. Anforderungen an die Inhalte der Aufklärung bei genetischen Untersuchungen zu medizinischen Zwecken als Regelungsgegenstand einer Richtlinie nach § 23 Abs. 2 Nr. 3 GenDG In der Vorschrift des § 23 Abs. 2 Nr. 3 GenDG hat der Gesetzgeber auch festgelegt, dass die GEKO in Bezug auf den allgemein anerkannten Stand der Wissenschaft und Technik Richtlinien für die Anforderungen an die Inhalte der Aufklärung erstellt. Dies gilt nach der Gesetzesbegründung für alle Vorschriften des GenDG, in denen eine Aufklärung vorgesehen ist.347 In Umsetzung dieses Richtlinienauftrags hat die GEKO die „Richtlinie der Gendiagnostik-Kommission (GEKO) für die Anforderungen an die Inhalte der Aufklärung bei genetischen Untersuchungen zu medizinischen 344 Vgl. die „Richtlinie der Gendiagnostik-Kommission (GEKO) über die Anforderungen an die Qualifikation zur und Inhalte der genetischen Beratung gemäß § 23 Abs. 2 Nr. 2a und § 23 Abs. 2 Nr. 3 GenDG“ in der Fassung vom 1. Juli 2011, in: Bundesgesundheitsblatt, 2011, S. 1248 (1254 f.), Ziffer VII.4. 345 Vgl. die „Richtlinie der Gendiagnostik-Kommission (GEKO) über die Anforderungen an die Qualifikation zur und Inhalte der genetischen Beratung gemäß § 23 Abs. 2 Nr. 2a und § 23 Abs. 2 Nr. 3 GenDG“ in der Fassung vom 1. Juli 2011, in: Bundesgesundheitsblatt, 2011, S. 1248 (1255), Ziffer VIII. 346 Vgl. Gründel, in: Kern (Hrsg.), GenDG, § 23 Rn. 21. 347 Vgl. die Begründung im Gesetzentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes über genetische Untersuchungen bei Menschen (Gendiagnostikgesetz – GenDG), in: BT-Drs. 16/10532, S. 39 zu § 23 Abs. 2 Nr. 3. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 098/19 Seite 86 Zwecken gemäß § 23 Abs. 2 Nr. 3 GenDG“ in der revidierten Fassung vom 28. April 2017348 erlassen .349 Im Vorwort dieser Richtlinie hebt die GEKO hervor, dass die Aufklärung vor Einwilligung zur genetischen Untersuchung von „zentraler Bedeutung“ und von der genetischen Beratung zu unterscheiden sei. Die Aufklärung sei die Voraussetzung für die Ausübung des informationellen Selbstbestimmungsrechts nach Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG und solle eine wirksame Einwilligung der betroffenen Person in die genetische Untersuchung ermöglichen.350 Mit der Richtlinie werden die allgemeinen Anforderungen an die Inhalte der Aufklärung vor einer schriftlichen Einwilligung der betroffenen Person zur genetischen Untersuchung gemäß § 23 Abs. 2 Nr. 3 GenDG formuliert. Die Richtlinie erläutert in der vorliegenden aktualisierten Form die im Gesetzestext des GenDG detailliert genannten Inhalte der Aufklärung unter Berücksichtigung des allgemein anerkannten Standes von Wissenschaft und Technik auch bei genomweiten Analysen und unterstreicht die Bedeutung des Rechts auf Nichtwissen, des Widerrufsrechts , der Bedenkzeit nach Aufklärung sowie der Dokumentationspflicht durch die verantwortliche ärztliche Person.351 6.2.4. Anforderungen an die Qualitätssicherung genetischer Analysen zu medizinischen Zwecken als Regelungsgegenstand einer Richtlinie nach § 23 Abs. 2 Nr. 4 GenDG In der Vorschrift des § 23 Abs. 2 Nr. 4 GenDG wird festgelegt, dass die GEKO in Bezug auf den allgemein anerkannten Stand der Wissenschaft und Technik Richtlinien für die Anforderungen an die Durchführung genetischer Analysen genetischer Proben, insbesondere an die Eignung und Zuverlässigkeit der Analysemethoden, die Verlässlichkeit der Analyseergebnisse und den Befundbericht sowie an die erforderlichen Maßnahmen zur Qualitätssicherung einschließlich Art, Umfang und Häufigkeit externer Qualitätssicherungsmaßnahmen erstellt. Der Gesetzgeber hat in seiner Begründung zu dieser Bestimmung seine Erwartung zum Ausdruck gebracht, dass 348 Veröffentlicht und in Kraft getreten am 17. Mai 2017, ersetzt die Fassung vom 27. April 2012, die zuletzt am 16. November 2012 geändert worden war, in: Bundesgesundheitsblatt, 2017, S. 923 ff, abrufbar unter: https://www.rki.de/DE/Content/Kommissionen/GendiagnostikKommission/Richtlinien/RL_Aufklaerung _med_Zwecke_geaendert.pdf?__blob=publicationFile. 349 Die Anforderungen an die Inhalte der Aufklärung gemäß § 23 Abs. 2 Nr. 3 GenDG bei genetischen Untersuchungen zur Klärung der Abstammung sind in einer gesonderten Richtlinie der GEKO geregelt, vgl. hierzu die „Richtlinie der Gendiagnostik-Kommission (GEKO) zu den Anforderungen an die Inhalte der Aufklärung gemäß § 23 Abs. 2 Nr. 3 GenDG bei genetischen Untersuchungen zur Klärung der Abstammung“ in der Fassung vom 1. Juli 2011, veröffentlicht und in Kraft getreten am 11. Juli 2011, in: Bundesgesundheitsblatt, 2011, S. 1242 ff., abrufbar unter: https://www.rki.de/DE/Content/Kommissionen/GendiagnostikKommission/Richtlinien/RL-Aufklaerung Abstammung.pdf?__blob=publicationFile. Im Rahmen genetischer Untersuchungen bei nicht-einwilligungsfähigen Personen sind der oder die Vertreter (Sorgeberechtigte bzw. Betreuer oder Bevollmächtigte) unter Einbeziehung der betroffenen Person nach den Anforderungen der Richtlinie der GEKO zu genetischen Untersuchungen bei nicht-einwilligungsfähigen Personen nach § 14 in Verbindung mit § 23 Abs. 2 Nr. 1c GenDG in der Fassung vom 26. Juli 2011 aufzuklären, vgl. zu dieser Richtlinie bereits oben zu Gliederungspunkt 6.2.1. 350 Vgl. die „Richtlinie der Gendiagnostik-Kommission (GEKO) für die Anforderungen an die Inhalte der Aufklärung bei genetischen Untersuchungen zu medizinischen Zwecken gemäß § 23 Abs. 2 Nr. 3 GenDG“ in der revidierten Fassung vom 28. April 2017, in: Bundesgesundheitsblatt, 2017, S. 923 (923), Ziffer I. 351 Vgl. die „Richtlinie der Gendiagnostik-Kommission (GEKO) für die Anforderungen an die Inhalte der Aufklärung bei genetischen Untersuchungen zu medizinischen Zwecken gemäß § 23 Abs. 2 Nr. 3 GenDG“ in der revidierten Fassung vom 28. April 2017, in: Bundesgesundheitsblatt, 2017, S. 923 (927), Ziffer V. (Begründung). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 098/19 Seite 87 die Richtlinie der GEKO Grundlage für die in § 5 GenDG festgeschriebene Qualitätssicherung genetischer Analysen sein wird.352 In Umsetzung dieses Richtlinienauftrags hat die GEKO unter anderem die „Richtlinie der Gendiagnostik-Kommission (GEKO) für die Anforderungen an die Qualitätssicherung genetischer Analysen zu medizinischen Zwecken gemäß § 23 Abs. 2 Nr. 4 GenDG“ in der Fassung vom 6. Juli 2012353 erlassen.354 Für die Erstellung dieser Richtlinie hat sie sich dabei im Wesentlichen auf die entsprechenden nationalen und internationalen Normen und Regelwerke DIN EN ISO 15189355, das Medizinprodukterecht und die „Richtlinie der Bundesärztekammer zur Qualitätssicherung laboratoriumsmedizinischer Untersuchungen – (Rili-BÄK)“356 gestützt. Nach Einschätzung der GEKO stellt die Beachtung der Regelungen des Medizinprodukterechts in hinreichender Weise sicher, dass die Vorgaben des § 5 GenDG zur Qualitätssicherung genetischer Analysen zu medizinischen Zwecken eingehalten werden können . Die der Richtlinie beigefügte Tabelle stelle eine Orientierungshilfe dar, in der die Forderungen der verschiedenen Regelwerke zu den einzelnen Stichpunkten einander gegenübergestellt seien.357 Kritisch ist allerdings anzumerken, dass auch nach Erlass der Richtlinie offen bleibt, wie mit einer nicht erfolgreichen Teilnahme an den in der Norm vorgeschriebenen externen qualitätssichernden Maßnahmen („poor performance“) umzugehen ist.358 352 Vgl. hierzu die Begründung im Gesetzentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes über genetische Untersuchungen bei Menschen (Gendiagnostikgesetz – GenDG), in: BT-Drs. 16/10532, S. 40 zu § 23 Abs. 2 Nr. 4. 353 Veröffentlicht und in Kraft getreten am 26. Juli 2012, in: Bundesgesundheitsblatt, 2013, S. 163 ff., abrufbar unter: https://www.rki.de/DE/Content/Kommissionen/GendiagnostikKommission/Richtlinien/RL_Qualitaetssicherung _genet_Analysen.pdf?__blob=publicationFile. 354 Für die Qualitätssicherung genetischer Untersuchungen zur Klärung der Abstammung hat die GEKO eine eigene Richtlinie erlassen, vgl. hierzu die „Richtlinie der Gendiagnostik-Kommission (GEKO) für die Anforderungen an die Durchführung genetischer Analysen zur Klärung der Abstammung und an die Qualifikation von ärztlichen und nichtärztlichen Sachverständigen gemäß § 23 Abs. 2 Nr. 4 und Nr. 2b GenDG“ in der Fassung vom 17. Juli 2012, veröffentlicht und in Kraft getreten am 26. Juli 2012, in: Bundesgesundheitsblatt, 2013, S. 169 ff., abrufbar unter: https://www.rki.de/DE/Content/Kommissionen/GendiagnostikKommission/Richtlinien /RL_Qualifikation_Abstammungsbegutachtung.pdf?__blob=publicationFile. In dieser Richtlinie hat die GEKO den gesamten Prozess einer genetischen Untersuchung zur Klärung der Abstammung von der Probenentnahme und Identitätssicherung über die analytische Phase bis zur Erstellung und Mitteilung des schriftlichen Gutachtens sowie der Qualitätssicherung in der Analytik und die Anforderungen an die persönliche Qualifikation der Sachverständigen geregelt. 355 Vgl. Comité Européen de Normalisation, International Organization for Standardization (2007) EN ISO 15189: 2007 Medizinische Laboratorien – Besondere Anforderungen an die Qualität und Kompetenz, Ausgabe 2007-08; vgl. nunmehr die aktuelle QM-Norm DIN EN ISO 9001: 2015-11. 356 Vgl. nunmehr die vom Vorstand der Bundesärztekammer am 18. Oktober 2019 verabschiedete Neufassung der „Richtlinie der Bundesärztekammer zur Qualitätssicherung laboratoriumsmedizinischer Untersuchungen – Rili-BÄK“, welche die seit dem 19. September 2014 geltende Version abgelöst hat. Die Neufassung der Rili-BÄK ist abrufbar unter: https://www.bundesaerztekammer.de/fileadmin/user_upload/downloads/pdf-Ordner /QS/Rili_BAEK_Qualitaetssicherg_laboratoriumsmedUntersuchungen_2019.pdf. 357 Vgl. die „Richtlinie der Gendiagnostik-Kommission (GEKO) für die Anforderungen an die Qualitätssicherung genetischer Analysen zu medizinischen Zwecken gemäß § 23 Abs. 2 Nr. 4 GenDG“ in der Fassung vom 6. Juli 2012, in: Bundesgesundheitsblatt, 2013, S. 163 (167), Ziffer IV. (Begründung). 358 Schillhorn/Heidemann, GenDG, § 23 Rn. 11. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 098/19 Seite 88 6.2.5. Anforderungen an die Durchführung der vorgeburtlichen Risikoabklärung sowie an die insoweit erforderlichen Maßnahmen zur Qualitätssicherung als Regelungsgegenstand einer Richtlinie nach § 23 Abs. 2 Nr. 5 GenDG Mit der „Richtlinie der Gendiagnostik-Kommission (GEKO) für die Anforderungen an die Durchführung der vorgeburtlichen Risikoabklärung sowie an die insoweit erforderlichen Maßnahmen zur Qualitätssicherung gemäß § 23 Abs. 2 Nr. 5 GenDG“ in der Fassung vom 12. April 2013359 hat die GEKO ihren gesetzlichen Auftrag nach § 23 Abs. 2 Nr. 5 GenDG umgesetzt. Die Richtlinie befasst sich im Anschluss an die Beschreibung ihres Anwendungsbereichs zunächst mit dem Ziel der vorgeburtlichen Risikoabklärung und legt sodann die Voraussetzungen für die vorgeburtliche Risikoabklärung, die Anforderungen an ihre Durchführung und an die einzusetzenden Geräte und laboratoriumsmedizinischen Untersuchungen sowie an den für die Risikoberechnung zu verwendenden Algorithmus fest. Außerdem werden die Berichtsqualität und die Maßnahmen zur Qualitätssicherung der vorgeburtlichen Risikoabklärung definiert. 6.2.6. Anforderungen an die Durchführung genetischer Reihenuntersuchungen als Regelungsgegenstand einer Richtlinie nach § 23 Abs. 2 Nr. 6 GenDG Nach der Vorschrift des § 23 Abs. 2 Nr. 6 GenDG hat die GEKO darüber hinaus den gesetzlichen Auftrag, in Bezug auf den allgemein anerkannten Stand der Wissenschaft und Technik Richtlinien für die Anforderungen an die Durchführung genetischer Reihenuntersuchungen zu erstellen . Der Gesetzesbegründung zufolge gilt dies insbesondere sowohl im Hinblick auf eine Bezeichnung der Krankheiten, die in die Untersuchungsprogramme aufgenommen werden sollen, als auch hinsichtlich des Zeitpunktes ihrer Untersuchung, der Untersuchungsmethoden und der Behandlungs- und Organisationsstrukturen.360 Die von der GEKO erlassene „Richtlinie der Gendiagnostik -Kommission (GEKO) für die Anforderungen an die Durchführung genetischer Reihenuntersuchungen gemäß § 23 Abs. 2 Nr. 6 GenDG“ in der Fassung vom 16. November 2012361 umfasst 359 Veröffentlicht und in Kraft getreten am 22. April 2013, in: Bundesgesundheitsblatt, 2013, S. 1023 ff., abrufbar unter: https://www.rki.de/DE/Content/Kommissionen/GendiagnostikKommission/Richtlinien/RL-Vorgeburtliche Risikoabklaerung.pdf?__blob=publicationFile. 360 Vgl. hierzu die Begründung im Gesetzentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes über genetische Untersuchungen bei Menschen (Gendiagnostikgesetz – GenDG), in: BT-Drs. 16/10532, S. 40 zu § 23 Abs. 2 Nr. 6. 361 Veröffentlicht und in Kraft getreten am 3. Dezember 2012, in: Bundesgesundheitsblatt, 2013, S. 321 ff., abrufbar unter: https://www.rki.de/DE/Content/Kommissionen/GendiagnostikKommission/Richtlinien/RL_Reihenuntersuchung .pdf?__blob=publicationFile. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 098/19 Seite 89 sowohl die fachlichen Anforderungskriterien an neue Zielkrankheiten, zu denen Reihenuntersuchungen durchgeführt werden sollen362 als auch Anforderungen an die Organisation und Durchführung genetischer Reihenuntersuchungen.363 Insbesondere letztere sind vor allem darauf ausgerichtet , dem Selbstbestimmungsrecht der Betroffenen in der Ausgestaltung des GenDG auch im Rahmen von genetischen Reihenuntersuchungen weitestgehend Rechnung zu tragen. Dies zeigt sich darin, dass die Aufklärung und Einwilligung sowie der Widerruf der Einwilligung eng an die Regelungen des GenDG für genetische Untersuchungen zu medizinischen Zwecken angelehnt sind.364 Bemerkenswert ist jedoch, dass die Aufklärung bei genetischen Reihenuntersuchungen in mit besonderer Dringlichkeit begründeten Ausnahmefällen auch durch Nicht-Ärzte erfolgen darf, wenn standardisierte Aufklärungsmaterialien verwendet werden und eine Rückfragemöglichkeit an eine ärztliche Person besteht.365 6.3. Verfahren beim Erlass von Richtlinien Die Beratungsgegenstände und insbesondere die Richtlinien werden von der Geschäftsstelle der GEKO vorbereitet (§ 4 Satz 2 GeschO der GEKO). Die Kommission kann bei Bedarf zudem Arbeitsgruppen zur Vorbereitung von Beratungsgegenständen bilden (§ 6 Abs. 1 Satz 1 GeschO der GEKO). Beim Erlass der Richtlinien ist nicht allein die Fachkompetenz der GEKO maßgeblich . Vielmehr können die Kommission und ihre Arbeitsgruppen in Abstimmung mit der Geschäftsstelle beschließen, externe Sachverständige hinzuzuziehen, sofern dies für bestimmte Einzelfragen erforderlich ist (§ 6 Abs. 2 Satz 1 GeschO der GEKO). Die Sitzungen der GEKO und der Arbeitsgruppen sind nicht öffentlich. Bevor die Kommission einen Beschluss über eine neue Richtlinie nach § 23 Abs. 2 GenDG oder eine grundlegende Änderung einer Richtlinie fasst, sind die zuständigen obersten Landesbehörden sowie die betroffenen Fachkreisen und Verbände zu beteiligen (§ 8 Abs. 4 Satz 1 GeschO der GEKO). Die Geschäftsstelle übermittelt den von der Kommission mit der Mehrheit ihrer Mitglieder und stimmberechtigten stellvertretenden Mitglieder freigegebenen Entwurf der Richtlinie den zuständigen obersten Landesbehörden, betroffenen Fachkreisen und Verbänden, um ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben (§ 8 Abs. 4 Satz 3 GeschO der GEKO). Der Entwurf der Richtlinie ist mit einer Begründung zu versehen, in der auch das methodische Vorgehen dargestellt wird (§ 8 Abs. 4 Satz 4 in Verbindung mit § 1 Abs. 2 Satz 4 GeschO der GEKO). Die Geschäftsstelle veröffentlicht zudem den freigegebenen Entwurf im Internet (§ 8 Abs. 4 Satz 5 GeschO der GEKO). Die Frist für die Stellungnahme beträgt in der Regel vier Wochen (§ 8 Abs. 4 Satz 6 GeschO der GEKO). 362 Vgl. die „Richtlinie der Gendiagnostik-Kommission (GEKO) für die Anforderungen an die Durchführung genetischer Reihenuntersuchungen gemäß § 23 Abs. 2 Nr. 6 GenDG“ in der Fassung vom 16. November 2012, in: Bundesgesundheitsblatt, 2013, S. 321 (322 f.), Ziffer III. 363 Vgl. die „Richtlinie der Gendiagnostik-Kommission (GEKO) für die Anforderung an die Durchführung genetischer Reihenuntersuchungen gemäß § 23 Abs. 2 Nr. 6 GenDG“ in der Fassung vom 16. November 2012, in: Bundesgesundheitsblatt, 2013, S. 321 (323), Ziffer IV. 364 Vgl. Schillhorn/Heidemann, GenDG, § 23 Rn. 14. 365 Vgl. die „Richtlinie der Gendiagnostik-Kommission (GEKO) für die Anforderungen an die Durchführung genetischer Reihenuntersuchungen gemäß § 23 Abs. 2 Nr. 6 GenDG“ in der Fassung vom 16. November 2012, in: Bundesgesundheitsblatt, 2013, S. 321 (323), Ziffer IV Nr. 2. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 098/19 Seite 90 Die Geschäftsstelle bringt die eingegangenen Stellungnahmen in die Beratung der Kommission ein (§ 8 Abs. 4 Satz 7 GeschO der GEKO). Das Beteiligungsrecht führt aber lediglich zu einer Beratung in der Kommission bzw. in den Arbeitsgruppen; ein Anhörungsrecht der Beteiligten durch die Kommission bzw. in den Arbeitsgruppen besteht nicht. Die Kommission ist in ihrer Entscheidung unabhängig; sie muss weder inhaltlich den Stellungnahmen betroffener Fachkreise oder Verbände folgen noch eine abweichende Entscheidung begründen.366 Die Beschlussfassung erfolgt grundsätzlich in den – vierteljährlich stattfindenden – Sitzungen der GEKO (§ 8 Abs. 1 GeschO der GEKO), ist aber auch in einem schriftlichen Umlaufverfahren möglich (§ 8 Abs. 2 GeschO der GEKO). Die GEKO ist beschlussfähig, wenn alle Mitglieder eingeladen sind und mindestens zwei Drittel der berufenen Mitglieder oder stimmberechtigten stellvertretenden Mitglieder an der Sitzung teilnehmen (§ 8 Abs. 1 Satz 1 GeschO der GEKO). Ein Beschluss der Kommission kommt zustande, wenn er die Mehrheit der Stimmen der berufenen Mitglieder und stimmberechtigten stellvertretenden Mitglieder erhält (§ 8 Abs. 3 GeschO der GEKO). Jedes Mitglied und stellvertretende Mitglied hat spätestens eine Woche vor Sitzungsbeginn durch schriftliche Selbsterklärung Umstände offenzulegen, die seine Unabhängigkeit bei dem jeweiligen Beratungsgegenstand potenziell beeinflussen (§ 7 Abs. 1 Satz 1 GeschO der GEKO). Zum Schutz vor Interessenkonflikten und zur Vermeidung des Anscheins der Befangenheit sind die Grundsätze der §§ 20 und 21 des Verwaltungsverfahrensgesetzes367 anwendbar (§ 7 Abs. 2 GeschO der GEKO). Aus Gründen der Transparenz und Zugänglichkeit schreibt der Gesetzgeber in § 23 Abs. 3 GenDG die Veröffentlichung der Richtlinien der GEKO durch das RKI vor.368 Das geschieht wiederum auf den Internetseiten des RKI – Rubrik Gendiagnostik-Kommission – und im Bundesgesundheitsblatt . Damit ist gewährleistet, dass die Öffentlichkeit Kenntnis von den Auslegungshilfen und Konkretisierungen der GEKO im Hinblick auf die gesetzlichen Inhalte des GenDG erhält.369 6.4. Bedeutung und Verbindlichkeit der Richtlinien Den von der GEKO für genetische Untersuchungen zu medizinischen Zwecken erlassenen Richtlinien kommt in der Praxis eine erhebliche Bedeutung zu. Auch wenn sie letztlich eine Entscheidung entsprechend den Umständen des jeweiligen Einzelfalles in ärztlicher Verantwortung nicht ersetzen können, schaffen sie doch in beträchtlichem Umfang Klarstellungen und Konkretisierungen für die Praxis und erleichtern damit die rechtskonforme Durchführung von genetischen Untersuchungen in all ihren Phasen.370 Für den einzelnen Arzt wird die Auslegung und Anwendung der gesetzlichen Vorgaben des GenDG insbesondere dadurch erleichtert, dass er nicht selbst 366 Hübner/Pühler, Gendiagnostik, in: Heidelberger Kommentar: Arztrecht, Krankenhausrecht, Medizinrecht, Ordnungsziffer 2070, Rn. 23. 367 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG), neugefasst durch Bekanntmachung vom 23. Januar 2003 (BGBl. I S. 102), zuletzt geändert durch Art. 5 Abs. 25 des Gesetzes vom 21. Juni 2019 (BGBl. I S. 846). 368 Vgl. die Begründung im Gesetzentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes über genetische Untersuchungen bei Menschen (Gendiagnostikgesetz – GenDG), in: BT-Drs. 16/10532, S. 40 zu § 23 Abs. 3. 369 Schillhorn/Heidemann, GenDG, § 23 Rn. 15. 370 Vgl. Gründel, in: Kern (Hrsg.), GenDG, § 23 Rn. 7. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 098/19 Seite 91 den allgemein anerkannten Stand der Wissenschaft und Technik im Sinne des § 23 Abs. 2 GenDG ermitteln muss.371 Rein formal betrachtet, ist zwar das GenDG selbst die eigentliche Grundlage des ärztlichen Handelns. Dabei darf jedoch nicht verkannt werden, dass den Richtlinien wegen der möglichen Haftung bei Nichtbeachtung zumindest faktisch eine nahezu „gesetzesgleiche“ Wirkung zukommen kann.372 Es ist deshalb davon auszugehen, dass die Ärzteschaft ihr Handeln eng an den Richtlinien orientiert, allein schon um haftungsrechtliche Risiken zu vermeiden.373 Aus der Regelung des § 23 GenDG geht allerdings nicht klar hervor, ob die Richtlinien der GEKO für die ausführenden Ärzte aus sich heraus verbindlich sein oder lediglich deklaratorisch den Stand der Wissenschaft und Technik wiedergeben sollen.374 Der Normtext des § 23 Abs. 2 GenDG gibt diesbezüglich keine Hinweise. Er spricht nur davon, dass die GEKO Richtlinien in Bezug auf den allgemein anerkannten Stand der Wissenschaft und Technik zu „erstellen“ hat. Da es kein allgemein gültiges – oder von Gesetzes wegen festgelegtes – Verständnis der Rechtsnatur von „Richtlinien“ gibt375, führt auch die gesetzgeberische Bezeichnung der Regelwerke der GEKO als „Richtlinien“ nicht weiter. Geht man vom Wortlaut der Gesetzesbegründung aus, wird man wohl davon ausgehen müssen, dass der Gesetzgeber die Richtlinien als für die ausführenden Ärzte verbindlich ansehen wollte. In der Gesetzesbegründung wird immer wieder davon gesprochen, dass die GEKO durch die Richtlinien in den in § 23 Abs. 2 GenDG genannten Bereichen den anerkannten Stand der Wissenschaft und Technik „festlegen“ soll376, und auch die GEKO gibt in der Veröffentlichung ihrer Richtlinien jeweils an, dass diese zu einem bestimmten Zeitpunkt „in Kraft treten.377 Die Terminologie des GenDG weicht insoweit deutlich von der viel klareren Fassung beispielsweise des Transplantationsgesetzes (TPG)378 ab, in dem es heißt, dass die Bundesärztekammer zu bestimmten Fragen den Stand der Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft in Richtlinien „feststellt“ (§ 16 Abs. 1 Satz 1 TPG) und die Einhaltung des nach verschiedenen Vorschriften explizit maßgeblichen Standes der Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft 371 Vgl. Gründel, in: Kern (Hrsg.), GenDG, § 23 Rn. 12. 372 Vgl. Gründel, in: Kern (Hrsg.), GenDG, § 23 Rn. 12. 373 Vgl. Gründel, in: Kern (Hrsg.), GenDG, § 23 Rn. 9. 374 Vgl. hierzu und zum Folgenden insbesondere Taupitz, Genetische Untersuchungen zur Klärung der Abstammung , in: MedR, 2013, S. 1 (2). 375 Vgl. Taupitz, Richtlinien in der Transplantationsmedizin, in: NJW, 2003, S. 1145 ff. 376 Vgl. die Begründung im Gesetzentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes über genetische Untersuchungen bei Menschen (Gendiagnostikgesetz – GenDG), in: BT-Drs. 16/10532, S. 39 f. zu § 23 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 sowie Nr. 5 und 6. 377 Zum Teil wird in der Literatur – missverständlich, weil nur für Gerichtsentscheidungen passend – von „rechtskräftig “ gesprochen, vgl. etwa Rummer, Die Richtlinie der Gendiagnostik-Kommission zur genetischen Beratung , in: GesR, 2011, S. 655 (656). 378 Gesetz über die Spende, Entnahme und Übertragung von Organen und Geweben (Transplantationsgesetz – TPG), neugefasst durch Bekanntmachung vom 4. September 2007 (BGBl. I S. 2206), zuletzt geändert durch Art. 16 des Gesetzes vom 19. Mai 2020 (BGBl. I S. 1018). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 098/19 Seite 92 (nur) vermutet wird, wenn die Richtlinien beachtet worden sind (§ 16 Abs. 1 Satz 2 TPG).379 Vor diesem Hintergrund bleibt unklar, ob die Richtlinien der GEKO aus sich heraus als verbindlich angesehen werden können oder vielmehr nur deklaratorisch den jeweiligen Stand der Wissenschaft und Technik festhalten sollen und deshalb im Grunde die Funktion von Leitlinien haben .380 In der Literatur wird deshalb darauf hingewiesen, dass es wünschenswert sei, im Gesetz eine entsprechende Klarstellung – etwa vergleichbar der Regelung im TPG – vorzunehmen.381 6.5. Gesetzgebungskompetenz des Bundes für die der GEKO übertragene Befugnis zur Erstellung von Richtlinien mit Implikationen für die ärztliche Berufsausübung Die von der GEKO erlassenen Richtlinien über die Anforderungen an die Qualifikation zur und Inhalte der genetischen Beratung gemäß § 23 Abs. 2 Nr. 2a und § 23 Abs. 2 Nr. 3 GenDG382 und für die Anforderungen an die Inhalte der Aufklärung bei genetischen Untersuchungen zu medizinischen Zwecken gemäß § 23 Abs. 2 Nr. 3 GenDG383 sowie die Richtlinie der GEKO für die Anforderungen an die Qualitätssicherung genetischer Analysen zu medizinischen Zwecken gemäß § 23 Abs. 2 Nr. 4 GenDG384 beeinflussen in erheblichem Umfang die ärztliche Berufsausübung.385 Insoweit wird die Frage aufgeworfen, ob der Bundesgesetzgeber überhaupt die Regelungskompetenz hatte, der GEKO die Richtlinienerstellung für die ärztliche Berufsausübung zu übertragen und es sind Befürchtungen geweckt worden, die GEKO könnte Einfluss auf das Berufsrecht und 379 Zur Regelungstechnik des TPG vgl. Taupitz, Bindungswirkung von Standards im Gesundheitswesen, in: Möllers (Hrsg.), Geltung und Faktizität von Standards, 2009, S. 63 (77 ff.). 380 So Taupitz, Genetische Untersuchungen zur Klärung der Abstammung, in: MedR, 2013, S. 1 (3); ähnlich Winkler, Die Gendiagnostik-Kommission und der Vorbehalt des Gesetzes, in: NJW, 2011, S. 889 (891 f.); Scherrer , Das Gendiagnostikgesetz, 2012, S. 186 spricht davon, dass die Richtlinien der „Orientierung“ dienen. 381 So Taupitz, Genetische Untersuchungen zur Klärung der Abstammung, in: MedR, 2013, S. 1 (3). 382 Vgl. die „Richtlinie der Gendiagnostik-Kommission (GEKO) über die Anforderungen an die Qualifikation zur und Inhalte der genetischen Beratung gemäß § 23 Abs. 2 Nr. 2a und § 23 Abs. 2 Nr. 3 GenDG“ in der Fassung vom 1. Juli 2011, veröffentlicht und in Kraft getreten am 11. Juli 2011, in: Bundesgesundheitsblatt, 2011, S. 1248 ff., abrufbar unter: https://www.rki.de/DE/Content/Kommissionen/GendiagnostikKommission/Richtlinien /RL-GenetischeBeratung.pdf?__blob=publicationFile. 383 Vgl. die „Richtlinie der Gendiagnostik-Kommission (GEKO) für die Anforderungen an die Inhalte der Aufklärung bei genetischen Untersuchungen zu medizinischen Zwecken gemäß § 23 Abs. 2 Nr. 3 GenDG“ in der revidierten Fassung vom 28. April 2017, veröffentlicht und in Kraft getreten am 17. Mai 2017, in: Bundesgesundheitsblatt , 2017, S. 923 ff., abrufbar unter: https://www.rki.de/DE/Content/Kommissionen/GendiagnostikKommission /Richtlinien/RL_Aufklaerung_med_Zwecke_geaendert.pdf?__blob=publicationFile. 384 Vgl. die „Richtlinie der Gendiagnostik-Kommission (GEKO) für die Anforderungen an die Qualitätssicherung genetischer Analysen zu medizinischen Zwecken gemäß § 23 Abs. 2 Nr. 4 GenDG“ in der Fassung vom 6. Juli 2012, veröffentlicht und in Kraft getreten am 26. Juli 2012, in: Bundesgesundheitsblatt, 2013, S. 163 ff., abrufbar unter: https://www.rki.de/DE/Content/Kommissionen/GendiagnostikKommission/Richtlinien /RL_Qualitaetssicherung_genet_Analysen.pdf?__blob=publicationFile. 385 Gründel, in: Kern (Hrsg.), GenDG, § 23 Rn. 11; Hübner/Pühler, Gendiagnostik, in: Heidelberger Kommentar: Arztrecht, Krankenhausrecht, Medizinrecht, Ordnungsziffer 2070, Rn. 28; Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 098/19 Seite 93 die ärztliche Berufsausübung nehmen.386 Hier muss in der Tat kritisch hinterfragt werden, ob und gegebenenfalls inwieweit der Bundesgesetzgeber im Bereich der genetischen Untersuchungen zu medizinischen Zwecken auch die Regelungskompetenz für die ärztliche Berufsausübung und die ärztliche Weiterbildung hat.387 Die Gesetzgebungskompetenz für das ärztliche Berufsrecht ist gemäß Art. 74 Abs. 1 Nr. 19 GG zwischen Bund und Ländern aufgeteilt. Nach dieser Vorschrift steht dem Bundesgesetzgeber im Rahmen der konkurrierenden Gesetzgebung nur das Recht zu, die Ausbildung und die Zulassung zum ärztlichen Heilberuf zu regeln. Dies bedeutet, dass das Recht zur Regelung der Berufsausübung den Ländern vorbehalten ist und damit auch Regelungen über die Anforderungen an die Qualifikation und Weiterbildung von Ärztinnen und Ärzten in die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz der Länder fallen. Auf der Grundlage der Heilberufe- und Kammergesetze der Bundesländer werden diese Regelungen in den jeweiligen Berufs- und Weiterbildungsordnungen von den Landesärztekammern getroffen.388 Der Gesetzgeber hat seine Gesetzgebungskompetenz für das GenDG – und damit letztlich auch für die Übertragung der Richtlinienkompetenz auf die GEKO nach § 23 Abs. 2 GenDG – vorrangig aus Art.74 Abs. 1 Nr. 26 GG abgeleitet, der dem Bund im Rahmen der konkurrierenden Gesetzge- 386 Kritisch zur Richtlinienbefugnis der GEKO etwa Hübner/Pühler, Das Gendiagnostikgesetz – neue Herausforderungen im ärztlichen Alltag , in: MedR, 2010, S. 676 (680); Hübner/Pühler, Gendiagnostik, in: Heidelberger Kommentar: Arztrecht, Krankenhausrecht, Medizinrecht, Ordnungsziffer 2070, Rn. 28 ff.; Henn, Auswirkungen des Gendiagnostikgesetzes auf die genetische Beratung, in: Duttge/Engel/Zoll (Hrsg.), Das Gendiagnostikgesetz im Spannungsfeld von Humangenetik und Recht, 2011, S. 13 (21); vgl. auch Taupitz, Genetische Untersuchungen zur Klärung der Abstammung, in: MedR, 2013, S. 1 (3), der die Auffassung vertritt, es sei „nicht unproblematisch “, dass die Richtlinien der GEKO „zentrale Materien des ärztlichen Berufsausübungsrechts betreffen können“. 387 Schillhorn/Heidemann, GenDG, § 23 Rn. 8. 388 Vgl. beispielweise für Bayern: Gesetz über die Berufsausübung, die Berufsvertretungen und die Berufsgerichtsbarkeit der Ärzte, Zahnärzte, Tierärzte, Apotheker sowie der Psychologischen Psychotherapeuten und der Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten (Heilberufe-Kammergesetz – HKaG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 6. Februar 2002 (GVBl. S. 42), zuletzt geändert durch § 3 des Gesetzes vom 12. Juli 2018 (GVBl. S. 545); Bayerische Landesärztekammer (Hrsg.), Berufsordnung für die Ärzte Bayerns, Bekanntmachung vom 9. Januar 2012 in der Fassung der Änderungsbeschlüsse vom 13. Oktober 2019, in: Bayerisches Ärzteblatt, 2019, S. 647 ff., abrufbar unter: https://api.blaek.de/content/13-kammerrecht/2- cth9iyvzo71531985574ivslrzyln3293/2-kvbog6zsfr1574957510yrwwkqbjmo191/berufsordnung-fuer-die-aerztebayerns -bekanntmachung-vom-09-januar-2012-in-der-fassung-der-aenderungsbeschluesse-vom-13-10-2019.pdf; Bayerische Landesärztekammer (Hrsg.), Weiterbildungsordnung für die Ärzte Bayerns vom 24. April 2004, in der Fassung der Beschlüsse des 77. Bayerischen Ärztetages vom 28. Oktober 2018, in: Bayerisches Ärzteblatt, 2018, S. 695 ff., abrufbar unter: https://api.blaek.de/content/13-kammerrecht/16- nwsf1ddjgj1532091956xi1qqoxqc73/21-csx3ljkq3k1556628334kkkakyv7fj174/weiterbildungsordnung-fuer-dieaerzte -bayerns-vom-24-april-2004-in-der-fassung-der-beschluesse-des-77-bayerischen-aerztetages-vom-28-oktober -2018-inkrafttretungs-datum-01-05-2019.pdf. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 098/19 Seite 94 bung die Kompetenz zur Schaffung von Vorschriften auf dem Gebiet der „Untersuchung von Erbinformationen “ einräumt.389 Die Notwendigkeit einer bundeseinheitlichen Regelung im Sinne von Art. 72 Abs. 2 GG wird mit der Wahrung der Rechtseinheit begründet. Bei unterschiedlichen Regelungen in den Ländern bestünde – so wird in der Gesetzesbegründung hierzu ausgeführt – die konkrete Gefahr, dass die für den sensiblen medizinisch, psychisch und sozial risikobehafteten Bereich der genetischen Untersuchungen zu fordernden Anforderungen insgesamt oder teilweise nicht erfüllt werden. Dies gelte insbesondere für den einheitlichen Schutz des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung sowie für die Regelungen zur Vermeidung von Benachteiligungen von Menschen mit erheblichen Krankheitsdispositionen durch private Versicherer und durch Arbeitgeber. Es liege daher im gesamtstaatlichen Interesse, die Gefahr von Diskrepanzen im Bereich der genetischen Untersuchungen durch bundeseinheitliche Regelungen zu vermeiden .390 Auf die Gesetzgebungskompetenz des Bundes für die der GEKO übertragenen Aufgaben geht die Gesetzesbegründung hingegen nicht ein. Die GEKO wird lediglich in den sich anschließenden Ausführungen zu den finanziellen Auswirkungen des GenDG auf die öffentlichen Haushalte besonders erwähnt.391 Bereits im Gesetzgebungsverfahren hatte der Bundesrat in seiner Stellungnahme zu der Richtlinienkompetenz der GEKO nach § 23 Abs. 2 Nr. 2 GenDG angeregt, im weiteren Gesetzgebungsverfahren klarzustellen, dass die GEKO keine eigenen, neuen Anforderungen an die Qualifikation der Ärzte stellen dürfe. Vielmehr dürfe die GEKO nur deklaratorisch festlegen, welche Qualifikationsanforderungen erfüllt werden müssen. Dabei müsse sie sich an den Weiterbildungsordnungen der Landesärztekammern oder anderen bestehenden Vorgaben orientieren.392 In ihrer Gegenäußerung zur Stellungnahme des Bundesrates hat die Bundesregierung vorgetragen, nach ihrer Auffassung würden die Regelungen zur Weiterbildung von Ärztinnen und Ärzten vom GenDG nicht berührt.393 Auch im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens wurde der Anregung des 389 Vgl. die Begründung im Gesetzentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes über genetische Untersuchungen bei Menschen (Gendiagnostikgesetz – GenDG), in: BT-Drs. 16/10532, S. 18. Im Hinblick auf die Regelungen des 4. Abschnitts (Genetische Untersuchung im Versicherungswesen) und des 5. Abschnitts (Genetische Untersuchungen im Arbeitsleben) wird in der Gesetzesbegründung auf die Kompetenz des Bundes zur Schaffung von Vorschriften im Bereich des privatrechtlichen Versicherungswesens nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG und zur Schaffung arbeitsrechtlicher Regelungen nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG verwiesen. Soweit auch Beamtinnen und Beamte, Richterinnen und Richter sowie Soldatinnen und Soldaten des Bundes betroffen sind, folgt die Regelungskompetenz aus Art. 73 Abs. 1 Nr. 8 GG. 390 Vgl. die Begründung im Gesetzentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes über genetische Untersuchungen bei Menschen (Gendiagnostikgesetz – GenDG), in: BT-Drs. 16/10532, S. 18. 391 Vgl. hierzu die Begründung im Gesetzentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes über genetische Untersuchungen bei Menschen (Gendiagnostikgesetz – GenDG), in: BT-Drs. 16/10532, S. 18. 392 Vgl. die Stellungnahme des Bundesrates zu dem Entwurf eines Gesetzes über genetische Untersuchungen bei Menschen (Gendiagnostikgesetz – GenDG), in: BT-Drs. 16/10532 (Anlage 3), S. 51 f. zu Nr. 29. 393 Vgl. die Unterrichtung durch die Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes über genetische Untersuchungen bei Menschen (Gendiagnostikgesetz – GenDG), – BT-Drs. 16/10532 – Gegenäußerung der Bundesregierung zu der Stellungnahme des Bundesrates, in: BT-Drs. 16/10582, S. 5 zu Nr. 29 (§ 23 Abs. 2 Nr. 2). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 098/19 Seite 95 Bundesrates, in der Vorschrift des § 23 Abs. 2 Nr. 2 GenDG eine entsprechende Klarstellung vorzunehmen , nicht gefolgt. Zu den vorgenannten verfassungsrechtlichen Implikationen der Richtlinienkompetenz der GEKO hat sich insbesondere Kluth in einem Gutachten aus dem Jahr 2011 geäußert.394 Er kommt im Wesentlichen zu dem Ergebnis, dass die in § 23 Abs. 2 Nr. 2 GenDG vorgesehene Ermächtigung der GEKO zum Erlass von Richtlinien, die die (fach-)ärztliche Aus- und Weiterbildung im Bereich der Gendiagnostik betreffen, in Verbindung mit der in § 7 Abs. 3 GenDG getroffenen Regelung als Ermächtigung zum Erlass von Berufsausübungsregelungen zu qualifizieren sei und damit in die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz der Länder eingreife. Diese Ermächtigung sei verfassungswidrig . Gleiches gelte, wenn im Falle des Erlasses der Richtlinie ein Widerspruch zu den bereits existierenden Regelungen der Landesärztekammern erzeugt werde.395 Auf der Grundlage des vorgenannten Gutachtens hat auch die Bundesärztekammer in einer Stellungnahme vom Oktober 2011 zu der kurz zuvor erlassenen „Richtlinie der Gendiagnostik-Kommission (GEKO) über die Anforderungen an die Qualifikation zur und Inhalte der genetischen Beratung gemäß § 23 Abs. 2 Nr. 2a und § 23 Abs. 2 Nr. 3 GenDG“ die Verfassungswidrigkeit dieser Richtlinienkompetenz vorgetragen.396 Die in § 23 Abs. 2 Nr. 2a und 3 GenDG vorgesehene Ermächtigung der GEKO zum Erlass von Richtlinien, die die fachärztliche Weiterbildung im Bereich der Gendiagnostik betreffen, lasse sich weder als Annexkompetenz zu Art. 74 Abs. 1 Nr. 26 GG noch als Regelungszuständigkeit des Bundes kraft Sachzusammenhangs legitimieren und sei deshalb verfassungswidrig. Eine Annexkompetenz liege nicht vor, weil die Regelung der fachlichen Weiterbildung nicht in einem notwendigen Normierungszusammenhang mit den Regelungen zur Gendiagnostik stehe. Bereits die Trennung zwischen der Gesetzgebungskompetenz für die Berufszulassung und die Berufsausübung in Art. 74 Abs. 1 Nr. 19 GG zeige, dass das Grundgesetz zwischen beiden Regelungsebenen keinen notwendigen und engen Zusammenhang annehme. Auch der Hinweis des Gesetzgebers auf die Notwendigkeit einer bundesweit einheitlichen Regelung sei nicht tragfähig, da dieses Ziel durch die bestehenden wirksamen Mechanismen des kooperativen Föderalismus zwischen den Ländern bzw. Landesärztekammern und den Bundesländern ebenso erreicht werden könne und in allen übrigen Bereichen des Facharztwesens erreicht werde. Des Weiteren werde durch die Vorgaben der in Rede stehenden Richtlinie 394 Kluth, Verfassungsmäßigkeit der Richtlinien der Gendiagnostikkommission zu den Anforderungen an die Qualifikation sowie an die Inhalte der Aufklärung und der genetischen Beratung nach dem GenDG einschließlich der rechtlichen Reaktionsmöglichkeiten, unveröffentlichtes Rechtsgutachten, Halle, Juli 2011, zitiert nach Hübner /Pühler, Gendiagnostik, in: Heidelberger Kommentar: Arztrecht, Krankenhausrecht, Medizinrecht, Ordnungsziffer 2070, Rn. 29 mit Fußnote 21. 395 Zitiert nach Hübner/Pühler, Gendiagnostik, in: Heidelberger Kommentar: Arztrecht, Krankenhausrecht, Medizinrecht , Ordnungsziffer 2070, Rn. 29. 396 Bundesärztekammer (Hrsg.), Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes zur Durchführung der Internationalen Gesundheitsvorschriften (2005) und zur Änderung weiterer Gesetze (Entwurf IGV-Durchführungsgesetz – IGV-DG), Empfehlungen der Ausschüsse (BR-Drs. 522/1/11), Berlin 11. Oktober 2011, S. 5 f., abrufbar unter: https://www.bundesaerztekammer.de/fileadmin/user_upload/downloads/StellIGV_11.10.2011.pdf. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 098/19 Seite 96 ein Widerspruch zu bereits existierenden Regelungen der Landesärztekammern, insbesondere im Weiterbildungsbereich, erzeugt, der ebenfalls zur Verfassungswidrigkeit führe.397 Die vorgenannten Einwände gegen die Entscheidung des Gesetzgebers, der GEKO nach § 23 Abs. 2 Nr. 2a und 3 GenDG eine Richtlinienkompetenz zur Festlegung von Qualifikationen der beteiligten Ärztinnen und Ärzte zuzuweisen, vermögen jedoch nicht zu überzeugen.398 Die Kompetenz des Bundesgesetzgebers zur Regelung genetischer Untersuchungen zu medizinischen Zwecken ergibt sich aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 26 GG. Die Kritiker der Richtlinienkompetenz der GEKO lösen in ihrer Argumentation aus dem Gesamtkomplex diejenigen Regelungen heraus, die nach ihrer Auffassung als ausschließlich berufsrechtliche Regelungen dem Landesgesetzgeber bzw. den Landesärztekammern vorbehalten seien. Dabei verkennen sie, dass es sich nicht um Berufsausübungsregelungen im eigentlichen Sinne handelt.399 Auch andere Spezialgesetze des Bundes – wie beispielsweise das Medizinproduktegesetz400, das Arzneimittelgesetz401 und das TPG – enthalten Vorschriften über die notwendigen Qualifikationen und Tätigkeiten von Ärztinnen und Ärzten sowie zu den Inhalten von Aufklärungsgesprächen. Grundlage hierfür sind die Kompetenzzuweisungen in Art. 74 Abs. 1 Nr. 19 und Nr. 26 GG. Sie umfassen notwendigerweise für den jeweiligen Bereich neben den allgemeinen Regelungen auch entsprechende Normen für die Ausbildung und Qualifikation sowie für das Verhalten und die Pflichten der Ärztinnen und Ärzte.402 Dies gilt auch und sogar in besonderem Maße für das GenDG. Da der Gesetzgeber – und damit blieb er im Rahmen seiner gesetzgeberischen Einschätzungsprärogative – genetische Untersuchungen als einen besonders sensiblen Gegenstand für die Freiheitsrechte des Einzelnen angesehen hat, konnte er aufgrund dieser Kompetenznorm alle Gegenstände regeln, die den Schutz dieser Rechte gewährleisten.403 Es liegt in der Natur der Sache, dass das in besonderem Maße die 397 Bundesärztekammer (Hrsg.), Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes zur Durchführung der Internationalen Gesundheitsvorschriften (2005) und zur Änderung weiterer Gesetze (Entwurf IGV-Durchführungsgesetz – IGV- DG), Empfehlungen der Ausschüsse (BR-Drs. 522/1/11), 11. Oktober 2011, S. 5 f. unter Bezugnahme auf Kluth, Rechtsgutachten zu der Frage der Verfassungsmäßigkeit der Richtlinien der Gendiagnostik-Kommission zu den Anforderungen an die Qualifikation sowie an die Inhalte der Aufklärung und der genetischen Beratung nach dem Gendiagnostikgesetz einschließlich der rechtlichen Möglichkeiten, Halle, Juli 2011. 398 Vgl. Gründel, in: Kern (Hrsg.), GenDG, § 23 Rn. 11; Rosenau, Relevante Fragestellungen des GenDG und Aufgaben der Gendiagnostik-Kommission (GEKO), in: Duttge/Engel/Zoll (Hrsg.), Das Gendiagnostikgesetz im Spannungsfeld von Humangenetik und Recht, 2011, S. 69 (74); Schillhorn/Heidemann, GenDG, § 23 Rn. 8 f. 399 Vgl. Gründel, in: Kern (Hrsg.), GenDG, § 23 Rn. 11. 400 Gesetz über Medizinprodukte (Medizinproduktegesetz – MPG), neugefasst durch Bekanntmachung vom 7. August 2002 (BGBl. I S. 3146), zuletzt geändert durch Art. 83 des Gesetzes vom 20. November 2019 (BGBl. I S. 1626). 401 Gesetz über den Verkehr mit Arzneimitteln (Arzneimittelgesetz – AMG), neugefasst durch Bekanntmachung vom 12. Dezember 2005 (BGBl. I S. 3394), zuletzt geändert durch Art. 3c des Gesetzes vom 10. Februar 2020 (BGBl. I S. 148). 402 Gründel, in: Kern (Hrsg.), GenDG, § 23 Rn. 11. 403 Rosenau, Relevante Fragestellungen des GenDG und Aufgaben der Gendiagnostik-Kommission (GEKO), in: Duttge/Engel/Zoll (Hrsg.), Das Gendiagnostikgesetz im Spannungsfeld von Humangenetik und Recht, 2011, S. 69 (74); Gründel, in: Kern (Hrsg.), GenDG, § 23 Rn. 11. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 098/19 Seite 97 Anforderungen an die Qualifikation und die Ausbildung der beteiligten Ärztinnen und Ärzte betrifft. Daher besteht eine Annexkompetenz404 und es bleiben die Befugniszuweisungen an die GEKO in § 23 Abs. 2 GenDG im Rahmen des verfassungsrechtlich Zulässigen.405 Die Regelungskompetenz der Ärztekammern wird durch die GEKO nicht in Frage gestellt. Zwar mag es sinnvoll sein, dass einige Vorgaben, wie sie die GEKO für die Qualifikationsanforderungen an die fachgebundene genetische Beratung in ihrer Richtlinie über die Anforderungen an die Qualifikation zur und Inhalte der genetischen Beratung gemäß § 23 Abs. 2 Nr. 2a und § 23 Abs. 2 Nr. 3 GenDG formuliert hat,406 auch Eingang in die Weiterbildungsordnungen der Ärztekammern finden. Dabei darf jedoch nicht übersehen werden, dass die GEKO nur befugt ist, Auslegungen in Bezug auf das GenDG und dessen Anwendung vorzunehmen.407 Das förmliche Berufsrecht der Ärztinnen und Ärzte kann durch die GEKO nicht unmittelbar geändert werden. Die allgemeine Normierung der Berufsausübung, Weiterbildung und Qualifizierung der Ärztinnen und Ärzte bleibt vielmehr Aufgabe der Ärztekammern.408 Die GEKO selbst versucht, den vorgetragenen Bedenken dadurch Rechnung zu tragen, dass sie in ihrer Richtlinie über die Anforderungen an die Qualifikation zur und Inhalte der genetischen Beratung gemäß § 23 Abs. 2 Nr. 2a und 3 GenDG im Rahmen der Begründung ausdrücklich betont, dass die Regelungszuständigkeit der Landesärztekammern unberührt bleibe.409 6.6. Mitteilungen der GEKO mit Bedeutung für genetische Untersuchungen zu medizinischen Zwecken Die GEKO veröffentlicht Mitteilungen zu spezifischen Themen, die von zentraler Bedeutung für die Richtlinien oder von besonderem Interesse für die Fachöffentlichkeit sind. Da die vorbereitenden Beratungen zur Erstellung der Richtlinien – wie oben bereits erwähnt – grundsätzlich vertraulich sind, dienen die Mitteilungen zum einen dazu, Einschätzungen der GEKO vorab an die Öffentlichkeit zu bringen. Zum anderen nutzt die GEKO die Form der Mitteilung, um Hinweise 404 Zur Kompetenz kraft Annexes vgl. etwa Uhle, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, Art. 70 Rn. 71. 405 Rosenau, Relevante Fragestellungen des GenDG und Aufgaben der Gendiagnostik-Kommission (GEKO), in: Duttge/Engel/Zoll (Hrsg.), Das Gendiagnostikgesetz im Spannungsfeld von Humangenetik und Recht, 2011, S. 69 (74). 406 Vgl. hierzu die Ausführungen der GEKO zu Ziffer VII (Qualifikation zur fachgebundenen genetischen Beratung gemäß § 7 Abs. 3 und § 23 Abs. 2 Nr. 2a GenDG) dieser Richtlinie, in: Bundesgesundheitsblatt, 2011, S. 1248 (1252 ff.). 407 Schillhorn/Heidemann, GenDG, § 23 Rn. 9. 408 Schillhorn/Heidemann, GenDG, § 23 Rn. 9; Gründel, in: Kern (Hrsg.), GenDG, § 23 Rn. 11. Dies scheinen Hübner/Pühler, Das Gendiagnostikgesetz – neue Herausforderungen im ärztlichen Alltag, in: MedR, 2010, S. 676 (680 f.), anders zu sehen und betrachten die Regelungskompetenz der GEKO insoweit kritisch. 409 Vgl. die „Richtlinie der Gendiagnostik-Kommission (GEKO) über die Anforderungen an die Qualifikation zur und Inhalte der genetischen Beratung gemäß § 23 Abs. 2 Nr. 2a und § 23 Abs. 2 Nr. 3 GenDG“ in der Fassung vom 1. Juli 2011, in: Bundesgesundheitsblatt, 2011, S. 1248 (1255), Ziffer VIII am Ende. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 098/19 Seite 98 zur Auslegung oder Umsetzung ihrer Richtlinien zu geben. Alle Mitteilungen sind auf der Homepage der GEKO veröffentlicht.410 Bislang hat die GEKO insgesamt zehn solcher Mitteilungen veröffentlicht, mit denen sie bereits im Rahmen der Vorbereitung von Richtlinien nach § 23 Abs. 2 Nr. 1 bis 6 GenDG ausgewählte Beratungsergebnisse mit besonderem Interesse für die Fachöffentlichkeit und vorläufige Einschätzungen sowie Erläuterungen zu bestimmten Fragestellungen präsentiert, zu Einzelfragen der Auslegung und Anwendung von ihr erlassener Richtlinien Stellung genommen oder in denen sie sich zu sonstigen Zweifelsfragen bei der Auslegung der Begriffe des GenDG geäußert hat.411 Hiervon haben folgende sechs Mitteilungen Bedeutung für genetische Untersuchungen zu medizinischen Zwecken nach den §§ 7 bis 16 GenDG: - Die 1. Mitteilung der GEKO zu den Begriffen „genetische Analyse“ im Sinne des § 3 Nr. 2 GenDG und „ Nachweis“ der Einwilligung gegenüber der beauftragten Person oder Einrichtung nach § 7 Abs. 2 GenDG vom 2. Februar 2010412, - die 5. Mitteilung der GEKO zur Vertretungsregelung bei der Ergebnismitteilung nach § 11 Abs. 1 und 2 in Verbindung mit § 7 Abs. 2 GenDG vom 1. Juni 2011413, - die 6. Mitteilung der GEKO zum Verständnis der Richtlinie der Gendiagnostik-Kommission (GEKO) über die Anforderungen an die Qualifikation zur und Inhalte der genetischen Beratung gemäß § 23 Abs. 2 Nr. 2a und § 23 Abs. 2 Nr. 3 GenDG vom 27. Februar 2012414, - die 8. Mitteilung der GEKO zur Einordnung der nicht-invasiven Pränataldiagnostik (NIPD) und der diesbezüglichen Beratungsqualifikation vom 12. März 2014415, - die 9. Mitteilung der GEKO zu den unterschiedlichen Qualifikationsanforderungen für fachgebundene genetische Beratungen einerseits und für genetische Untersuchungen andererseits vom 16. Juni 2014416 und 410 Zur Funktion dieser sog. Mitteilungen vgl. den von der GEKO herausgegebenen Dritten Tätigkeitsbericht gemäß § 23 Abs. 4 GenDG für den Zeitraum vom 1. Januar 2016 bis 31. Dezember 2018, S. 10, abrufbar unter: https://www.rki.de/DE/Content/Kommissionen/GendiagnostikKommission/Taetigkeitsbericht/Taetigkeitsbericht _03.pdf?__blob=publicationFile. 411 Vgl. hierzu die Übersicht der Gendiagnostik-Kommission (GEKO) über die von ihr bisher veröffentlichten Mitteilungen mit Stand vom 17. August 2016, abrufbar unter: https://www.rki.de/DE/Content/Kommissionen/Gendiagnostik Kommission/Mitteilungen/GEKO_Mitteilungen_node.html. 412 Abrufbar unter: https://www.rki.de/DE/Content/Kommissionen/GendiagnostikKommission/Mitteilungen /GEKO_Mitteilungen_01.html. 413 Abrufbar unter: https://www.rki.de/DE/Content/Kommissionen/GendiagnostikKommission/Mitteilungen /GEKO_Mitteilungen_05.html. 414 Abrufbar unter: https://www.rki.de/DE/Content/Kommissionen/GendiagnostikKommission/Mitteilungen /GEKO_Mitteilungen_06.html. 415 Abrufbar unter: https://www.rki.de/DE/Content/Kommissionen/GendiagnostikKommission/Mitteilungen /GEKO_Mitteilungen_08.html. 416 Abrufbar unter: https://www.rki.de/DE/Content/Kommissionen/GendiagnostikKommission/Mitteilungen /GEKO_Mitteilungen_09.html. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 098/19 Seite 99 - die 10. Mitteilung der GEKO zur Beschlussfassung des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) zur Änderung der Kinder-Richtlinie vom 20. August 2015: Heranziehung von Ergebnissen der DNA-Analysen aus genetischen Reihenuntersuchungen auf Mukoviszidose bei Neugeborenen vom 17. August 2016417. 6.7. Weitere Aufgaben der GEKO Der Aufgabenkreis der GEKO ist nicht auf den Erlass von Richtlinien nach Maßgabe des § 23 Abs. 2 GenDG und die Veröffentlichung von Mitteilungen hierzu beschränkt. Nach § 16 Abs. 2 GenDG hat sie darüber hinaus die Aufgabe, geplante genetische Reihenuntersuchungen vor deren Durchführung in einer schriftlichen Stellungnahme zu bewerten. Des Weiteren hat die GEKO gemäß § 23 Abs. 4 GenDG in einem alle drei Jahre zu erstellenden Tätigkeitsbericht die Entwicklung in der genetischen Diagnostik zu bewerten. Zudem kann sie nach 23 Abs. 5 GenDG auf Anfrage von Personen oder Einrichtungen, die genetische Untersuchungen oder Analysen vornehmen, gutachtliche Stellungnahmen zu Einzelfragen der Auslegung und Anwendung ihrer Richtlinien abgeben.418 Im Einzelnen gilt danach Folgendes: 6.7.1. Bewertung geplanter genetischer Reihenuntersuchungen in einer schriftlichen Stellungnahme (§ 16 Abs. 2 GenDG) Nach der Vorschrift des § 16 Abs. 1 GenDG darf eine genetische Reihenuntersuchung im Sinne des § 3 Nr. 9 GenDG419 nur vorgenommen werden, wenn mit der Untersuchung geklärt werden soll, ob die betroffenen Personen genetische Eigenschaften mit Bedeutung für eine Erkrankung oder gesundheitliche Störung haben, die nach dem allgemein anerkannten Stand der Wissenschaft und Technik vermeidbar oder behandelbar ist oder der vorgebeugt werden kann. Mit der Regelung in § 16 Abs. 2 GendG hat der Gesetzgeber die Durchführung einer solchen genetischen Reihenuntersuchung nach § 16 Abs. 1 GenDG unter den Vorbehalt einer vorherigen Prüfung und Bewertung der Untersuchung durch die GEKO gestellt. Diese hat nach § 16 Abs. 2 Satz 1 GenDG vorab eine schriftliche Stellungnahme zu der geplanten genetischen Reihenuntersuchung und eine entsprechende Bewertung abzugeben. Das Erfordernis einer vorherigen Prüfung und Bewertung einer solchen Untersuchung durch die GEKO hat der Gesetzgeber damit begründet, dass bei genetischen Reihenuntersuchungen das öffentliche Interesse an der Untersuchung über das individuelle Interesse der untersuchten Person gestellt werde und damit besondere Risiken wie die Gefahr einer Druckausübung auf Teilnahme oder einer Stigmatisierung von Personen, die sich der Teilnahme verweigert hätten, verbunden seien.420 417 Abrufbar unter: https://www.rki.de/DE/Content/Kommissionen/GendiagnostikKommission/Mitteilungen /GEKO_Mitteilungen_10.html. 418 Zu den der GEKO nach den Vorschriften des GenDG übertragenen Aufgaben vgl. auch § 1 Abs. 1 der Geschäftsordnung der GEKO vom 28. März 2014. 419 Zum Begriff der genetischen Reihenuntersuchung im Sinne des § 3 Nr. 9 GenDG vgl. eingehend oben Gliederungspunkt 4.4.5. 420 Vgl. die Begründung im Gesetzentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes über genetische Untersuchungen bei Menschen (Gendiagnostikgesetz – GenDG), in: BT-Drs. 16/10532, S. 33 zu § 16 Abs. 2. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 098/19 Seite 100 Der Vorbehalt der vorherigen Bewertung der Reihenuntersuchung durch die GEKO nach § 16 Abs. 2 GenDG gilt aber nur für solche genetischen Reihenuntersuchungen, die erst nach Inkrafttreten des GenDG am 1. Februar 2010 eingeführt wurden. Zur Zeit des Inkrafttretens des Gesetzes bereits durchgeführte Reihenuntersuchungen, wie zum Beispiel das Neugeborenen- Screening bleiben davon unberührt.421 Maßgeblich für die Beurteilung der Frage, ob mit einer Reihenuntersuchung im Sinne des § 16 Abs. 2 GenDG begonnen wurde, ist nicht der Zeitpunkt der Einführung des organisatorischen Rahmens, in den das betreffende Screening eingebunden ist (zum Beispiel die systematische Durchführung von genetischen Untersuchungen bei Neugeborenen ), sondern der Zeitpunkt der Einführung der einzelnen Reihenuntersuchungsmaßnahme (beispielsweise die Aufnahme einer bestimmten Untersuchung in das Neugeborenen-Screening ).422 Die Notwendigkeit einer vorherigen schriftlichen Bewertung durch die GEKO gemäß § 16 Abs. 2 GenDG bei einer angestrebten Erweiterung des Neugeborenen-Screenings zur Diagnostik weiterer Krankheiten ergibt sich daraus, dass andernfalls der in § 16 Abs. 2 GenDG verankerte Schutzmechanismus unterlaufen werden könnte, wenn bereits eingeführte genetische Reihenuntersuchungen um eine Zielkrankheit ergänzt werden.423 Soweit es im vorgenannten Sinne um die Einführung einer genetischen Reihenuntersuchung geht, hat die GEKO gemäß § 16 Abs. 2 Satz 2 GenDG anhand der ihr vorgelegten Unterlagen zum einen zu prüfen und zu bewerten, ob die Voraussetzungen nach § 16 Abs. 1 GenDG vorliegen, wonach eine genetische Reihenuntersuchung – wie oben bereits ausgeführt – nur vorgenommen werden darf, wenn sie auf eine Erkrankung oder gesundheitliche Störung zielt, „die nach dem allgemein anerkannten Stand der Wissenschaft und Technik vermeidbar oder behandelbar ist oder der vorgebeugt werden kann“. Nach § 16 Abs. 2 Satz 2 GenG prüft und bewertet die GEKO anhand der ihr vorgelegten Unterlagen außerdem, ob „das Anwendungskonzept für die Durchführung der Untersuchung dem allgemein anerkannten Stand der Wissenschaft und Technik entspricht und die Untersuchung in diesem Sinne ethisch vertretbar ist“.424 Nach § 16 Abs. 2 Satz 1 GenDG darf mit einer genetischen Reihenuntersuchung nur begonnen werden, wenn eine solche Bewertung gemäß § 16 Abs. 2 Satz 2 GenDG durch die GEKO in Form einer schriftlichen Stellungnahme vorliegt. Allerdings schließt eine negative Bewertung durch die GEKO die Durchführung der Reihenuntersuchung nicht aus. Der Gesetzeswortlaut des § 16 Abs. 2 Satz 1 GenDG verlangt lediglich eine Bewertung, nicht jedoch eine zustimmende 421 Vgl. die Begründung im Gesetzentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes über genetische Untersuchungen bei Menschen (Gendiagnostikgesetz – GenDG), in: BT-Drs. 16/10532, S. 33 zu § 16 Abs. 2; Stockter, in: Prütting (Hrsg.), Medizinrecht Kommentar, GenDG, § 16 Rn. 35; Kern, in: Kern (Hrsg.), GenDG, § 23 Rn. 8; Cramer, Gendiagnostikgesetz – eine Bestandsaufnahme nach drei Jahren unter besonderer Berücksichtigung des Tätigkeitsbereichs der Gynäkologen, in: MedR, 2013, S. 763 (766). 422 Stockter, in: Prütting (Hrsg.), Medizinrecht Kommentar, GenDG, § 16 Rn. 35; Cramer, Gendiagnostikgesetz – eine Bestandsaufnahme nach drei Jahren unter besonderer Berücksichtigung des Tätigkeitsbereichs der Gynäkologen , in: MedR, 2013, S. 763 (766). 423 Cramer, Gendiagnostikgesetz – eine Bestandsaufnahme nach drei Jahren unter besonderer Berücksichtigung des Tätigkeitsbereichs der Gynäkologen, in: MedR, 2013, S. 763 (766) im Hinblick auf die zum damaligen Zeitpunkt angestrebte Erweiterung des Neugeborenen-Screenings zur Diagnostik der zystischen Fibrose (Mukoviszidose). 424 Vgl. hierzu Kern, in: Kern (Hrsg.), GenDG, § 16 Rn. 7; Stockter, in: Prütting (Hrsg.), Medizinrecht Kommentar, GenDG, § 16 Rn. 36. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 098/19 Seite 101 Bewertung durch die GEKO.425 Auch der gesetzgeberischen Begründung ist zu entnehmen, dass die Bewertung und Stellungnahme der GEKO rechtlich nicht bindend ist, sondern lediglich empfehlenden Charakter hat.426 In der Literatur wird zum Teil kritisch angemerkt, diese Regelung erscheine vor dem Hintergrund des mit dem Angebot einer genetischen Reihenuntersuchung verbundenen Eingriffs in die Selbstbestimmungsrechte der Patienten nicht unproblematisch.427 Rechtlich zulässig werde diese Konstruktion wohl allein dadurch, dass es sich hier lediglich um das Angebot einer Untersuchung handele und gerade nicht um eine Zwangsuntersuchung. Andernfalls wäre – so wird argumentiert – eine zwingende Prüfinstanz bezogen auf die Einhaltung der gesetzlichen Voraussetzungen und insbesondere auf die ethische Überprüfung des Vorhabens der genetischen Reihenuntersuchung unerlässlich.428 Die Stellungnahmen der GEKO nach § 16 Abs. 2 GenDG zu den genetischen Reihenuntersuchungen sind gemäß § 23 Abs. 3 GenDG durch das RKI zu veröffentlichen.429 Personen, die an einer genetischen Reihenuntersuchung teilnehmen, müssen im Rahmen der Aufklärung gemäß § 9 Abs. 2 Nr. 6 GenDG vorab über das Ergebnis der Bewertung der Untersuchung durch die GEKO nach § 16 Abs. 2 GenDG unterrichtet werden. Bislang hat die GEKO zu beabsichtigten genetischen Reihenuntersuchungen im Sinne des § 3 Nr. 9 in Verbindung mit § 16 Abs. 1 GenDG insgesamt drei – jeweils befürwortende – Stellungnahmen gemäß § 16 Abs. 2 GenDG abgegeben. Die in diesen Stellungnahmen nach Maßgabe des § 16 Abs. 2 Satz 2 GenDG vorgenommenen Bewertungen der GEKO erfolgten jeweils auf Anforderung des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) und betrafen die Einführung einer genetischen Reihenuntersuchung auf Mukoviszidose bei Neugeborenen sowie die Einführung genetischer Reihenuntersuchungen zur Früherkennung der Tyrosinämie Typ I und des Schweren kombinierten Immundefekts (SCID, Severe combined Immunodeficiency) im Rahmen des Erweiterten Neugeborenen-Screenings.430 425 Schillhorn/Heidemann, GenDG, § 16 Rn. 9; Gründel, in: Kern (Hrsg.), GendG, § 23 Rn. 4. 426 Vgl. die Begründung im Gesetzentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes über genetische Untersuchungen bei Menschen (Gendiagnostikgesetz – GenDG), in: BT-Drs. 16/10532, S. 33 zu § 16 Abs. 2; Stockter, in: Prütting (Hrsg.), Medizinrecht Kommentar, GenDG, § 16 Rn. 40a. 427 Vgl. Schillhorn/Heidemann, GenDG, § 16 Rn. 10. 428 Vgl. Schillhorn/Heidemann, GenDG, § 16 Rn. 10. 429 Vgl. hierzu die Hompage der Gendiagnostik-Kommission beim Robert Koch-Institut, Stellungnahmen der GEKO zu genetischen Reihenuntersuchungen, abrufbar unter: https://www.rki.de/DE/Content/Kommissionen/Gendiagnostik Kommission/Stellungnahmen/GEKO_Stellungnahmen_node.html;jsessionid =4268FF90A79A453F74E0E0B614126B77.internet062. 430 Vgl. hierzu die „Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Früherkennung von Krankheiten bei Kindern (Kinder-Richtlinie)“ in der Fassung vom 18. Juni 2015, veröffentlicht im Bundesanzeiger AT vom 18. August 2016 B1, zuletzt geändert am 14. November 2019, veröffentlicht im Bundesanzeiger AT vom 18. Dezember 2019 B4, in Kraft getreten am 19. Dezember 2019, abrufbar unter: https://www.g-ba.de/downloads /62-492-1998/Kinder-RL_2019-11-14_iK-2019-12-19.pdf; zum Erweiterten Neugeborenen-Screening nach der Kinder-Richtlinie vgl. 41 ff. und zum Screening auf Mukoviszidose vgl. S. 48 ff. der Richtlinie. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 098/19 Seite 102 6.7.1.1. Stellungnahme zur genetischen Reihenuntersuchung auf Mukoviszidose bei Neugeborenen Die erste Stellungnahme der GEKO zu genetischen Reihenuntersuchungen gemäß § 16 Abs. 2 GenDG wurde vom G-BA in Bezug auf eine Erweiterung des Neugeborenen-Screenings um die Untersuchung auf Mukoviszidose angefordert. Die GEKO hat in ihrer Stellungnahme vom 26. Juni 2015431 die Erweiterung des Neugeborenen-Screenings befürwortet, weil die Mukoviszidose als erbliche Stoffwechselerkrankung zwar weder vermeidbar sei, noch ihr vorgebeugt werden könne, die Symptome durch verschiedene Therapieansätze und eine Vorverlegung des Diagnosezeitpunktes jedoch verbessert oder gelindert werden könnten und sie deshalb im Sinne des § 16 Abs. 1 GenDG behandelbar sei. Studien aus anderen Ländern zeigten, dass durch diese Reihenuntersuchung Interventionen sehr früh möglich seien und dadurch die Lebensqualität und Lebenserwartung der Kinder mit Mukoviszidose erhöht werden könnten. Auch wenn gesicherte Daten aus Deutschland dazu noch nicht vorlägen, seien solche Effekte vor dem Hintergrund der Erfahrungen aus anderen Ländern auch für Deutschland zu erwarten.432 Die GEKO hat dem G-BA in ihrer Stellungnahme vom 26. Juni 2015 ferner bestätigt, dass das Anwendungskonzept für die Durchführung der Untersuchung im Sinne des § 16 Abs. 2 Satz 2 GenDG dem allgemein anerkannten Stand der Wissenschaft und Technik entspreche und ethisch vertretbar sei.433 Die Kinder-Richtlinie des GBA zur genetischen Reihenuntersuchung auf Mukoviszidose entspreche den wesentlichen Anforderungen der „Richtlinie der Gendiagnostik- Kommission (GEKO) an die Durchführung genetischer Reihenuntersuchungen gemäß § 23 Abs. 2 Nr. 6 GenDG“ in der Fassung vom 16. November 2012.434 Für das Screening auf Mukoviszidose sei ein 3-stufiger Screening-Algorithmus in Kombination mit einem Failsafe vor- 431 Gendiagnostik-Kommission beim Robert Koch-Institut (Hrsg.), Genetische Reihenuntersuchung auf Mukoviszidose bei Neugeborenen, Stellungnahme der GEKO gemäß § 16 Abs. 2 GenDG vom 26. Juni 2015, abrufbar unter: https://www.rki.de/DE/Content/Kommissionen/GendiagnostikKommission/Stellungnahmen/Stellungnahme _Mukoviszidose-Screening.html. Die Stellungnahme der GEKO vom 26. Juni 2015 erfolgte auf der Basis der Unterlagen des G-BA mit Stand vom 12. Mai 2015. Die Veröffentlichung der Stellungnahme auf der Homepage des RKI erfolgte am 21. August 2015. dem Tag, an dem auch der G-BA seinen Beschlusstext „über eine Änderung des Beschlusses zur Neufassung der Richtlinie über die Früherkennung von Krankheiten bei Kindern bis zur Vollendung des 6. Lebensjahres (Kinder-Richtlinie): Screening auf Mukoviszidose (Zystische Fibrose)“ online stellte. Zum ursprünglichen Beschluss des G-BA vom 18. Juni 2015 und den nachfolgenden Änderungen dieses Beschlusses vgl. die auf der Homepage des G-BA eingestellten Dokumente, abrufbar unter: https://www.g-ba.de/beschluesse/2287/. 432 Gendiagnostik-Kommission beim Robert Koch-Institut (Hrsg.), Genetische Reihenuntersuchung auf Mukoviszidose bei Neugeborenen, Stellungnahme der GEKO gemäß § 16 Abs. 2 GenDG vom 26. Juni 2015, Ziffer 1. 433 Gendiagnostik-Kommission beim Robert Koch Institut (Hrsg.), Genetische Reihenuntersuchung auf Mukoviszidose bei Neugeborenen, Stellungnahme der GEKO gemäß § 16 Abs. 2 GenDG vom 26. Juni 2015, Ziffer 2. 434 Veröffentlicht und in Kraft getreten am 3. Dezember 2012, in: Bundesgesundheitsblatt, 2013, S. 321 ff; zum Inhalt dieser Richtlinie der GEKO vgl. näher oben zu Gliederungspunkt 6.2.6. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 098/19 Seite 103 gesehen und für die einzelnen Komponenten des Algorithmus gebe es eine hinreichend gesicherte wissenschaftliche Evidenz.435 Die GEKO merkt allerdings kritisch an, dass die dem Untersuchungsablauf zu Grunde liegende Kombination von Algorithmen bisher nicht wissenschaftlich evaluiert und publiziert worden sei und im Vergleich zu etablierten Algorithmen eine erhöhte Zahl an falsch-positiven Screeningbefunden in Kauf nehme.436 In den tragenden Gründen zur Richtlinie hat der G-BA dies damit begründet, dass so weniger DNA-Mutationsanalysen durchgeführt werden müssten und somit weniger heterozygote Anlagerträger entdeckt würden.437 Trotzdem hält die GEKO eine Überprüfung der wissenschaftlichen Evidenz des Screeningverfahrens – wie in § 42 der Richtlinie des G-BA bereits vorgesehen – für unverzichtbar und weist ausdrücklich darauf hin, dass für die Qualitätssicherung und eine aussagekräftige Evaluation die Rückmeldung sowohl des positiven als auch des negativen Ergebnisses der Konfirmationsdiagnostik an das Screeninglabor erforderlich sei und hierfür die Einwilligung der Eltern einzuholen sei. Im Screeninglabor müssten diese Befunde dokumentiert und zusammen mit den Ergebnissen der Laboranalysen der für die Durchführung der Evaluation vorgesehenen Stelle anonymisiert zur Verfügung gestellt werden.438 Die GEKO hat in ihrer 10. Mitteilung vom 17. August 2016 nachträglich klargestellt, dass die vom G-BA nach der GEKO Stellungnahme vom 26. Juni 2015 eingeführte Änderung, wonach eine Heranziehung des Ergebnisses der DNA-Analyse nicht mehr direkt vom Screeninglabor, sondern ausschließlich auf dem Weg über die die Reihenuntersuchung veranlassende verantwortliche ärztliche Person – in der Regel die Geburtsklinik – möglich sein soll, nach Ansicht der GEKO verfehlt ist. Die GEKO hält es für richtig und in vielen Fällen für zweckmäßig, wenn das die Konfirmationsdiagnostik durchführende Labor das Ergebnis der DNA-Analysen auf Basis entsprechender elterlicher Einwilligung direkt vom Screeninglabor anfordert.439 Die Annahme des G-BA, das Screeninglabor dürfe seine Ergebnisse nur dem veranlassenden Arzt mitteilen, verkennt, dass es sich hier nicht um eine individuelle genetische Untersuchung zu medizinischen Zwecken, sondern vielmehr um eine genetische Reihenuntersuchung im Sinne des 435 Gendiagnostik-Kommission beim Robert Koch-Institut (Hrsg.), Genetische Reihenuntersuchung auf Mukoviszidose bei Neugeborenen, Stellungnahme der GEKO gemäß § 16 Abs. 2 GenDG vom 26. Juni 2015, Ziffer 2. 436 Gendiagnostik-Kommission beim Robert Koch-Institut (Hrsg.), Genetische Reihenuntersuchung auf Mukoviszidose bei Neugeborenen, Stellungnahme der GEKO gemäß § 16 Abs. 2 GenDG vom 26. Juni 2015, Ziffer 2. und 3. 437 Gemeinsamer Bundesausschuss (G-BA), Tragende Gründe „zum Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses über eine Änderung des Beschlusses zur Neufassung der Richtlinie über die Früherkennung von Krankheiten bei Kindern bis zur Vollendung des 6. Lebensjahres (Kinder-Richtlinie): Screening auf Mukoviszidose (Zystische Fibrose)“ vom 20. August 2015, S. 15 ff., abrufbar unter: https://www.g-ba.de/downloads/40-268- 3326/2015-08-20_Kinder-RL_Mukoviszidose_Aenderung-Neufassung_TrG.pdf. 438 Gendiagnostik-Kommission beim Robert-Koch-Institut (Hrsg.), Genetische Reihenuntersuchung auf Mukoviszidose bei Neugeborenen, Stellungnahme der GEKO gemäß § 16 Abs. 2 GenDG vom 26. Juni 2015, Ziffer 3. 439 Gendiagnostik-Kommission beim Robert Koch-Institut (Hrsg.), 10. Mitteilung der GEKO „Zur Beschlussfassung des G-BA zur Änderung der Kinder-Richtlinie vom 20. August 2015: Heranziehung von Ergebnissen der DNA- Analysen aus genetischen Reihenuntersuchungen auf Mukoviszidose bei Neugeborenen“, Ziffer II., abrufbar unter: https://www.rki.de/DE/Content/Kommissionen/GendiagnostikKommission/Mitteilungen/GEKO_Mitteilungen _10.html. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 098/19 Seite 104 § 3 Nr. 9 GenDG handelt, für deren Durchführung die GEKO vom Gesetzgeber gemäß § 23 Abs. 2 Nr. 6 GenDG damit beauftragt wurde, die Anforderungen in einer Richtlinie festzulegen.440 6.7.1.2. Stellungnahme zum Neugeborenen-Screening auf Tyrosinämie Typ I Mit ihrer zweiten Stellungnahme gemäß § 16 Abs. 2 GenDG über die „Genetische Reihenuntersuchung zur Früherkennung der Tyrosinämie Typ I mittels Tandem-Massenspektrometrie im Rahmen des Erweiterten Neugeborenen-Screenings“441 hat die GEKO erstmalig eine genetische Reihenuntersuchung bewertet, die in das bereits vor dem In-Kraft-Treten des GenDG bestehende Erweiterte Neugeborenen-Screening integriert werden sollte. In ihrer Stellungnahme vom 24. November 2017 hat die GEKO auf der Grundlage der ihr vom G-BA vorgelegten Unterlagen442 auch diese Reihenuntersuchung befürwortet.443 Bei der Tyrosinämie Typ I handele es sich – so führt die GEKO in ihrer Stellungnahme aus – um eine schwerwiegende erbliche Stoffwechselerkrankung , die nach dem allgemein anerkannten Stand der Wissenschaft und Technik im Sinne des § 16 Abs. 1 GenDG medikamentös mit begleitender Diät behandelbar sei. Jährlich würden in Deutschland etwa fünf bis sieben Kinder mit Tyrosinämie Typ I geboren. Eine frühzeitige Diagnose und Behandlung vermeide schwere Organschäden der Leber und der Nieren und andere erhebliche gesundheitliche Schäden bis hin zum frühen Tod bei den betroffenen Kindern. Dagegen hätten unerkannte und nicht behandelte Säuglinge eine geringe Überlebenswahrscheinlichkeit im ersten Lebensjahr. Auch bei Säuglingen, die erst nach dem Auftreten erster Symptome therapiert würden, komme es zu einer wesentlich höheren Morbidität und Mortalität. Mit der genetischen Reihenuntersuchung auf Tyrosinämie Typ I bei Neugeborenen werde das Ziel verfolgt, eine Vorverlegung des Diagnosezeitpunkts zu erreichen. Nach Auffassung der GEKO zeigen Fallstudien, dass durch frühe Interventionen die Lebensqualität und Lebenserwartung der Kinder mit Tyrosinämie Typ I deutlich erhöht werden können. Angesichts der extremen Seltenheit des Krankheitsbildes und des starken positiven Effekts des frühen Therapiebeginns werden diese Fallstudien von der GEKO als ausreichend angesehen.444 440 Vgl. Schillhorn/Heidemann, GenDG, § 16 Rn. 10d. 441 Gendiagnostik-Kommission beim Robert Koch-Institut (Hrsg.), Genetische Reihenuntersuchung zur Früherkennung der Tyrosinämie Typ I mittels Tandem-Massenspektrometrie im Rahmen des Erweiterten Neugeborenen- Screenings, Stellungnahme der GEKO gemäß § 16 Abs. 2 GenDG vom 24. November 2017, veröffentlicht am 28. November 2017, abrufbar unter: https://www.rki.de/DE/Content/Kommissionen/GendiagnostikKommission /Stellungnahmen/Stellungnahme_Tyrosinaemie_Typ_I.html. 442 Beschluss des G-BA vom 19. Oktober 2017 zur Kinder-Richtlinie: Screening von Neugeborenen zur Früherkennung der Tyrosinämie Typ I mittels Tandem-Massenspektrometrie, abrufbar unter: https://www.g-ba.de/beschluesse /3099/. 443 Gendiagnostik-Kommission beim Robert Koch-Institut (Hrsg.), Genetische Reihenuntersuchung zur Früherkennung der Tyrosinämie Ty I mittels Tandem-Massenspektrometrie im Rahmen des Erweiterten Neugeborenen- Screenings, Stellungnahme der GEKO gemäß § 16 Abs. 2 GenDG vom 24. November 2017. 444 Gendiagnostik-Kommission beim Robert Koch-Institut (Hrsg.), Genetische Reihenuntersuchung zur Früherkennung der Tyrosinämie Typ I mittels Tandem-Massenspektrometrie im Rahmen des Erweiterten Neugeborenen- Screenings, Stellungnahme der GEKO gemäß § 16 Abs. 2 GenDG vom 24. November 2017. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 098/19 Seite 105 In ihrer Stellungnahme vom 24. November 2017 hat die GEKO dem G-BA außerdem bestätigt, dass das Anwendungskonzept für die Durchführung der Untersuchung im Sinne des § 16 Abs. 2 Satz 2 GenDG dem allgemein anerkannten Stand der Wissenschaft und Technik entspreche und die Untersuchung ethisch vertretbar sei. Da sich der Hinweis auf eine Tyrosinämie Typ I aus einer erhöhten Succinylaceton-Konzentration im Blut ergebe, sei davon auszugehen, dass durch die geeignete Wahl des Cut-offs für das Succinylaceton falsch-positive Ergebnisse nahezu völlig ausgeschlossen werden könnten. Somit könne eine unnötige Beunruhigung von Eltern vermieden werden. Der Nutzen des Screenings überwiege daher eindeutig die potenziellen Schäden. Die vom G-BA vorgeschlagene Einbindung des Tyrosinämie Typ I-Screenings in das Erweiterte Neugeborenen -Screening hat die GEKO in ihrer Stellungnahme ausdrücklich begrüßt. Bei der genetischen Reihenuntersuchung auf Tyrosinämie Typ I handele es sich um ein bereits seit vielen Jahren praktiziertes Verfahren, das den Screening-Kriterien der WHO und im Wesentlichen den in der Richtlinie der GEKO gemäß § 23 Abs. 2 Nr. 6 GenDG an die Durchführung genetischer Reihenuntersuchungen gestellten Anforderungen entspreche.445 In ihrer Stellungnahme vom 24. November 2017 hat die GEKO eine kontinuierlich erfolgende Evaluierung des Tyrosinämie Typ I-Screenings über einen Zeitraum von jeweils fünf Jahren empfohlen. Eine Überprüfung des jeweils verwendeten Cut-offs für Succinylaceton im Sinne der von der GEKO in ihrer Richtlinie geforderten „kontinuierlichen Evaluation der Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität“446 ist aus Sicht der GEKO notwendig, um als qualitätssichernde Maßnahme eine Optimierung der Aussagekraft der Testung zu gewährleisten. Insbesondere erfordere dies die Rückmeldung des Ergebnisses der Konfirmationsdiagnostik durch die Stoffwechselzentren an die Screeninglabore. Die GEKO wies in ihrer Stellungnahme vom 24. November 2017 zudem darauf hin, dass in der zur Unterstützung der Aufklärung ausgehändigten Elterninformation zum Erweiterten Neugeborenen -Screening Kontaktdaten enthalten sein sollten, um während des gesamten Prozesses eine angemessene Informations- und Rückfragemöglichkeit bei einer dafür qualifizierten ärztlichen Person und die Möglichkeit des Widerrufs der Einwilligung bei der verantwortlichen ärztlichen Person zu gewährleisten. Insbesondere bei einem auffälligen Untersuchungsergebnis, das nach unabhängigen Kontrollen des auffälligen Erstergebnisses des Screenings fortbestehe, sei die Informations - und Rückfragemöglichkeit für die Eltern wichtig.447 445 Gendiagnostik-Kommission beim Robert Koch-Institut (Hrsg.), Genetische Reihenuntersuchung zur Früherkennung der Tyrosinämie Typ I mittels Tandem-Massenspektrometrie im Rahmen des Erweiterten Neugeborenen- Screenings, Stellungnahme der GEKO gemäß § 16 Abs. 2 GenDG vom 24. November 2017. 446 Vgl. die „Richtlinie der Gendiagnostik-Kommission (GEKO) für die Anforderungen an die Durchführung genetischer Reihenuntersuchungen gemäß § 23 Abs. 2 Nr. 6 GenDG“ in der Fassung vom 16. November 2012, in: Bundesgesundheitsblatt, 2013, S. 321 (323), Ziffer IV. 6. 447 Gendiagnostik-Kommission beim Robert Koch-Institut (Hrsg.), Genetische Reihenuntersuchung zur Früherkennung der Tyrosinämie Typ I mittels Tandem-Massenspektrometrie im Rahmen des Erweiterten Neugeborenen- Screenings, Stellungnahme der GEKO gemäß § 16 Abs. 2 GenDG vom 24. November 2017. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 098/19 Seite 106 6.7.1.3. Stellungnahme zum Neugeborenen-Screening auf Schwere kombinierte Immundefekte Die dritte Stellungnahme der GEKO gemäß § 16 Abs. 2 GenDG bezog sich auf ein vom G-BA vorgelegtes Konzept für eine genetische Reihenuntersuchung zur Früherkennung des „Schweren kombinierten Immundefekts“ (SCID, Severe combined Immunodeficiency) im Rahmen des Erweiterten Neugeborenen-Screenings. In ihrer Stellungnahme vom 23. November 2018 hat die GEKO anhand der ihr vom G-BA vorgelegten Unterlagen448 auch diese Reihenuntersuchung befürwortet.449 Mit der genetischen Reihenuntersuchung auf SCID bei Neugeborenen solle – so führt die GEKO in ihrer Stellungnahme aus – eine Vorverlegung des Diagnosezeitpunkts erreicht werden. Internationale Screening-Programme zeigten, dass durch frühe Interventionen die Lebenserwartung der Kinder mit SCID deutlich erhöht werden könne. Des Weiteren könnten im Rahmen des Screenings auch Kinder mit anderen Immundefekten identifiziert werden, die ebenfalls von einer frühen Therapie profitieren würden. Da der Nutzen des Screenings gegenüber den potenziellen Schäden eindeutig überwiege, entspreche das Anwendungskonzept für die Durchführung der Untersuchung auch den in der Vorschrift des § 16 Abs. 2 Satz 2 GenDG genannten Voraussetzungen.450 In ihrer Stellungnahme vom 23. November 2018 wies die GEKO jedoch darauf hin, dass in der Elterninformation des G-BA (Anlage 3 der Kinder-Richtlinie)451 die wichtige und notwendige Information fehle, dass SCID – wie auch die meisten anderen untersuchten Zielkrankheiten des Erweiterten Neugeborenen-Screenings – genetisch bedingt sei. Darüber hinaus stellte die GEKO fest, dass die darin enthaltene Formulierung: „Aus dieser Untersuchung allein lassen sich keine Aussagen über familiäre Risiken ableiten“ fachwissenschaftlich unzutreffend sei, weil dies in bestimmten Fällen möglich sei (zum Beispiel bei Tyrosinämie Typ I und SCID). Daher hält die GEKO in der Elterninformation folgende Änderung für erforderlich: „Die meisten der untersuchten Erkrankungen sind erblich (genetisch) bedingt. Aus dieser Untersuchung allein lassen sich jedoch in der Regel keine Aussagen über familiäre Veranlagungen ableiten.“ Kritisch merkt die GEKO in ihrer Stellungnahme vom 23. November 2018 außerdem an, es sei notwendig, in die Elterninformation Hinweise zu möglichen Nebenbefunden einzufügen, da nach 448 Beschluss des G-BA vom 22. November 2018 zur Kinder-Richtlinie: Screening von Neugeborenen zur Früherkennung von SCID, abrufbar unter: https://www.g-ba.de/beschluesse/3586/. 449 Gendiagnostik-Kommission beim Robert Koch-Institut (Hrsg.), Genetische Reihenuntersuchung zur Früherkennung von SCID im Rahmen des Erweiterten Neugeborenen-Screenings, Stellungnahme der GEKO gemäß § 16 Abs. 2 GenDG vom 23. November 2018, veröffentlicht am 20. Dezember 2018, abrufbar unter: https://www.rki.de/DE/Content/Kommissionen/GendiagnostikKommission/Stellungnahmen/Stellungnahme _SCID.html. 450 Gendiagnostik-Kommission beim Robert Koch-Institut (Hrsg.), Genetische Reihenuntersuchung zur Früherkennung von SCID im Rahmen des Erweiterten Neugeborenen-Screenings, Stellungnahme der GEKO gemäß § 16 Abs. 2 GenDG vom 23. November 2018. 451 Gemeinsamer Bundesausschuss (Hrsg.), Erweitertes Neugeborenen-Screening: Elterninformation zur Früherkennung von angeborenen Störungen des Stoffwechsels, des Hormon- und des Immunsystems bei Neugeborenen, Stand: November 2018, abrufbar unter: https://www.g-ba.de/downloads/83-691-572/2018_11_22_G-BA_Elterninformation _Erweitertes_Neugeborenen-Screening_bf.pdf. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 098/19 Seite 107 § 9 Abs. 2 Nr. 1 GenDG auch über alle mit dem verwendeten Untersuchungsmittel erzielbaren medizinisch relevanten Ergebnisse aufgeklärt werden müsse. Deshalb hält die GEKO folgende Ergänzung der Krankheitsbeschreibung der Zielerkrankung SCID für erforderlich: „Auffällige Ergebnisse beim SCID-Screening können auch Hinweise auf andere genetisch und nicht genetisch bedingte Erkrankungen geben. Auch davon betroffene Kinder profitieren ggf. von einer Therapie .“452 6.7.2. Bewertung der Entwicklung in der genetischen Diagnostik in einem regelmäßig erscheinenden Tätigkeitsbericht (§ 23 Abs. 4 GenDG) Nach der Bestimmung des § 23 Abs. 4 GenDG hat die GEKO in einem Tätigkeitsbericht, der erstmals zum Ablauf des Jahres 2012 zu erstellen war und alle drei Jahren zu erarbeiten ist, die Entwicklung in der genetischen Diagnostik zu bewerten. Mit dieser Regelung soll sichergestellt werden , dass die Entwicklung in diesem sich schnell fortentwickelnden wissenschaftlichen Bereich kontinuierlich verfolgt und vor dem Hintergrund der gesetzlichen Regelungen aufbereitet wird. In den Tätigkeitsbericht werden auch Minderheitsvoten aufgenommen. Auch dieser Bericht ist durch das RKI zu veröffentlichen. Mit dem Bericht soll gewährleistet werden, dass gegebenenfalls erforderliche Anpassungen an die gesetzlichen Regelungen des GenDG rechtzeitig erkannt werden und dem Gesetzgeber so die Möglichkeit einer Anpassung des Gesetzes gegeben wird.453 Bislang hat die GEKO insgesamt drei Tätigkeitsberichte erstellt, deren wichtigste Ergebnisse nachfolgend zusammenfasst werden. 6.7.2.1. Erster Tätigkeitsbericht der GEKO für den Zeitraum vom 19. November 2009 bis 31. Dezember 2012 In ihrem ersten Tätigkeitsbericht gemäß § 23 Abs. 4 GenDG für den Zeitraum vom 19. November 2009 bis 31. Dezember 2012454 stellt die GEKO die molekulare Karyotypisierung zur hochauflösenden Analyse von Chromosomenaberrationen und das sog. Next-Generation- Sequencing (NGS), unter dessen Namen einige neuartige genanalytische Verfahren zusammengefasst werden, sowie deren Vereinbarkeit mit den gesetzlichen Rahmenbedingungen als wichtige Entwicklungen auf dem Gebiet der genetischen Diagnostik heraus.455 Nicht zuletzt die Aufnahme der molekularen Karyotypisierung in den Einheitlichen Bewertungsmaßstab für Ärzte (EBM) 452 Gendiagnostik-Kommission beim Robert-Koch-Institut (Hrsg.), Genetische Reihenuntersuchung zur Früherkennung von SCID im Rahmen des Erweiterten Neugeborenen-Screenings, Stellungnahme der GEKO gemäß § 16 Abs. 2 GenDG vom 23. November 2018. 453 Vgl. die Begründung im Gesetzentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes über genetische Untersuchungen bei Menschen (Gendiagnostikgesetz – GenDG), in: BT-Drs. 16/10532, S. 40 zu § 23 Abs. 4; Schillhorn/Heidemann, GenDG, § 23 Rn. 18. 454 Gendiagnostik-Kommission (GEKO) beim Robert Koch-Institut (Hrsg.), Erster Bericht gemäß § 23 Abs. 4 Gendiagnostikgesetz (GenDG) für den Zeitraum vom 19. November 2009 bis 31. Dezember 2012, erschienen am 29. April 2013, abrufbar unter: https://www.rki.de/DE/Content/Kommissionen/GendiagnostikKommission/Taetigkeitsbericht /Taetigkeitsbericht_01.pdf?__blob=publicationFile. 455 Gendiagnostik-Kommission (GEKO) beim Robert Koch-Institut (Hrsg.), Erster Bericht gemäß § 23 Abs. 4 Gendiagnostikgesetz (GenDG) für den Zeitraum vom 19. November 2009 bis 31. Dezember 2012, S. 30 ff. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 098/19 Seite 108 habe dazu geführt, dass sich diese Methode in der genetischen Diagnostik etabliert habe und eine Anpassung an gesetzliche und untergesetzliche Normen stattfinde. In ihrem ersten Tätigkeitsbericht befasst sich die GEKO unter anderem auch mit der Anwendung von NGS in der nicht-invasiven Pränataldiagnostik (NIPD).456 Bei der Analyse fetaler DNA aus dem Blutkreislauf Schwangerer handele es sich um einen besonderen Anwendungsfall des NGS. Aufgrund von zellulären Abbauprozessen in der Plazenta gelangten DNA-Fragmente fetalen Ursprungs in solchen Mengen in den mütterlichen Blutkreislauf, dass ihre Analyse mit NGS-Verfahren anhand einer mütterlichen Blutprobe möglich sei. Das Verfahren sei bereits zum Nachweis der Trisomie 21 und weiterer Chromosomenzahlveränderungen validiert und werde seit August 2012 in Deutschland angeboten. Aus technischer Sicht gebe es keine grundsätzlichen Hindernisse, dieses Verfahren auch auf andere genetische Eigenschaften anzuwenden. Nach derzeitigen Kenntnisstand könne die NIPD bereits im ersten Trimenon der Schwangerschaft eingesetzt werden, also vor einer differenzierten Ultraschalldiagnostik. Die Risiken einer Fehlgeburt, die mit einer fetalen Probenahme (Chorionzottenbiopsie, Amniozentese) verbunden seien, würden entfallen. Aufgrund des frühen Untersuchungszeitpunkts, des fehlenden Eingriffsrisikos und der Möglichkeit der Ausweitung der Untersuchungsziele sei mittelfristig von der Tendenz auszugehen , NIPD mit einem breiteren Untersuchungsspektrum einzusetzen, als dies bislang im Rahmen herkömmlicher Pränataldiagnostik erfolge. Damit werde es aus ethischer Sicht noch mehr problematische Situationen geben, in denen sich zukünftige Eltern entscheiden müssten. Besondere Anforderungen seien diesem Zusammenhang deshalb an die Aufklärung und genetische Beratung im Vorfeld einer NIPD zu stellen.457 6.7.2.2. Zweiter Tätigkeitsbericht der GEKO für den Zeitraum vom 1. Januar 2013 bis 31. Dezember 2015 In ihrem zweiten Tätigkeitsbericht gemäß § 23 Abs. 4 GenDG für den Zeitraum vom 1. Januar 2013 bis 31. Dezember 2015458 stellt die GEKO neben dem Next-Generation-Sequencing459 456 Gendiagnostik-Kommission (GEKO) beim Robert Koch-Institut (Hrsg.), Erster Bericht gemäß § 23 Abs. 4 Gendiagnostikgesetz (GenDG) für den Zeitraum vom 19. November 2009 bis 31. Dezember 2012, S. 34. 457 Gendiagnostik-Kommission (GEKO) beim Robert Koch-Institut (Hrsg.), Erster Bericht gemäß § 23 Abs. 4 Gendiagnostikgesetz (GenDG) für den Zeitraum vom 19. November 2009 bis 31. Dezember 2012, S. 34. 458 Gendiagnostik-Kommission (GEKO) beim Robert Koch-Institut (Hrsg.), Zweiter Bericht gemäß § 23 Abs. 4 Gendiagnostikgesetz (GenDG) für den Zeitraum vom 1. Januar 2013 bis 31. Dezember 2015, erschienen am 21. Januar 2016, abrufbar unter: https://www.rki.de/DE/Content/Kommissionen/GendiagnostikKommission /Taetigkeitsbericht/Taetigkeitsbericht_02.pdf?__blob=publicationFile. 459 Gendiagnostik-Kommission (GEKO) beim Robert Koch-Institut (Hrsg.), Zweiter Bericht gemäß § 23 Abs. 4 Gendiagnostikgesetz (GenDG) für den Zeitraum vom 1. Januar 2013 bis 31. Dezember 2015, S. 38 ff. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 098/19 Seite 109 die nicht-invasive Pränataldiagnostik (NIPD)460 und die Diagnostik von Neumutationen und somatischen Mutationen im Tumorgewebe461 als bedeutsame Entwicklungen für die genetische Diagnostik heraus und beschäftigt sich eingehend mit der gesetzlichen und untergesetzlichen Regulierung der Gendiagnostik in Europa462 sowie dem Wissen und der Urteilsfähigkeit im Bereich der Genetik.463 Die GEKO kritisiert die Erkenntnisrückstände auf dem Gebiet der genetischen Diagnostik sowohl in der Ärzteschaft als auch in anderen Gesundheitsberufen. Angesichts der „atemberaubenden“ Entwicklungen auf dem Gebiet der Genomforschung bedürfe es hier dringend einer Verbesserung des Wissens und der Urteilsfähigkeit im Bereich der Genetik, um einen verantwortungsvollen und patientenorientierten Umgang mit den Möglichkeiten der diagnostischen und prädiktiven genetischen Analysen sicherzustellen. Dies impliziere auch die Fähigkeit zur kritischen Bewertung von genetischen Untersuchungen, weil ansonsten die Gefahr bestehe, dass diese ohne erkennbaren Nutzen erfolgten bzw. sogar zum Schaden der Betroffenen führten. Neben spezifischen Weiterbildungsinhalten für Ärztinnen und Ärzte sei auch für die pflegerischen Gesundheitsfachberufe eine spezifische Ausbildung nach dem angelsächsischen Vorbild des „genetic counsellors“ oder der „specialised breast nurse“ zu diskutieren, die eine Delegation ärztlicher Leistungen unter ärztlicher Aufsicht ermöglichten. Durch solche Maßnahmen könnte – so die GEKO – sichergestellt werden, dass die zu erwartende weitere Steigerung des Wunsches nach bzw. der Inanspruchnahme prädiktiver und diagnostischer Genuntersuchungen auf breites Wissen und Kompetenz bei den Leistungserbringern stößt und die bereits jetzt bestehende Unterversorgung an beratungskompetenten Ärztinnen und Ärzten mit Unterstützung der Gesundheitsfachberufe abgebaut wird.464 460 Gendiagnostik-Kommission (GEKO) beim Robert Koch-Institut (Hrsg.), Zweiter Bericht gemäß § 23 Abs. 4 Gendiagnostikgesetz (GenDG) für den Zeitraum vom 1. Januar 2013 bis 31. Dezember 2015, S. 46 ff. Im Rahmen ihrer Ausführungen zu den nicht-invasiven pränatalen Tests (NIPT) beschäftigt sich die GEKO eingehend mit dem Stand der Technik, der Implementierung von NIPT in Deutschland und international, den Herausforderungen an Aufklärung und Beratung vor und nach NIPT sowie mit den ethischen, rechtlichen und sozialen Aspekten der NIPT. 461 Gendiagnostik-Kommission (GEKO) beim Robert Koch-Institut (Hrsg.), Zweiter Bericht gemäß § 23 Abs. 4 Gendiagnostikgesetz (GenDG) für den Zeitraum vom 1. Januar 2013 bis 31. Dezember 2015, S. 51 ff. 462 Gendiagnostik-Kommission (GEKO) beim Robert Koch-Institut (Hrsg.), Zweiter Bericht gemäß § 23 Abs. 4 Gendiagnostikgesetz (GenDG) für den Zeitraum vom 1. Januar 2013 bis 31. Dezember 2015, S. 29 ff. 463 Gendiagnostik-Kommission (GEKO) beim Robert Koch-Institut (Hrsg.), Zweiter Bericht gemäß § 23 Abs. 4 Gendiagnostikgesetz (GenDG) für den Zeitraum vom 1. Januar 2013 bis 31. Dezember 2015, S. 53. 464 Gendiagnostik-Kommission (GEKO) beim Robert Koch-Institut (Hrsg.), Zweiter Bericht gemäß § 23 Abs. 4 Gendiagnostikgesetz (GenDG) für den Zeitraum vom 1. Januar 2013 bis 31. Dezember 2015, S. 53. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 098/19 Seite 110 6.7.2.3. Dritter Tätigkeitsbericht der GEKO für den Zeitraum vom 1. Januar 2016 bis 31. Dezember 2018 In ihrem dritten – und bislang letzten – Tätigkeitsbericht gemäß § 23 Abs. 4 GenDG für den Zeitraum vom 1. Januar 2016 bis 31. Dezember 2018465 stellt die GEKO zunächst die Entwicklung der genetischen Diagnostik zu noch nicht etablierten oder nicht-medizinischen Zwecken als eine bedeutsame Entwicklung der genetischen Diagnostik heraus und beschäftigt sich in diesem Zusammenhang ausführlich mit genetischen Untersuchungen zur Prädiktion von Leistungsfähigkeit und Verletzungsprofilen im Sport, genetischen Untersuchungen zur Risikomodulation Ernährungs - und Lebensstil-assoziierter Erkrankungen und gesundheitlicher Störungen, mit der Lifestyle Diagnostik sowie mit genetischen Analysen zur biogeografischen Herkunft und zu genealogischen Zwecken.466 Im Anschluss hieran befasst sich die GEKO erneut mit NGS-basierten Untersuchungen zu diagnostischen Zwecken, die im Berichtszeitraum (2016-2018) umfassend Eingang in die molekulargenetische Diagnostik und somit die Patientenversorgung in Deutschland gefunden hätten.467 Mit dem Inkrafttreten des überarbeiteten Einheitlichen Bewertungsmaßstabs (EBM) für das Fachgebiet Humangenetik am 1. Juli 2016 und der Schaffung eines neuen Kapitels für Molekularpathologie sei der Einsatz von NGS-Panels für gesetzlich Krankenversicherte erheblich erweitert worden . Die GEKO weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass mit der Implementierung NGSbasierter Untersuchungen in der Krankenversorgung und der parallelen Entwicklung weiterer hochauflösender Technologien wie bildgebender Verfahren die moderne Medizin einer „rasanten und grundlegenden Transformation“ unterliege.468 Diese Entwicklung müsse durch aktualisierte rechtliche Rahmenbedingungen begleitet werden, die insbesondere die unautorisierte Re-Identifizierbarkeit einer Person auf der Basis von Genomdaten, die auch Krankheitsprädispositionen beinhalten , verhindern.469 Die sinnvolle Nutzung und Bewertung von NGS-Daten stelle eine interdisziplinäre Herausforderung dar, die nur Fachdisziplinen-übergreifend gemeistert werden könne. Bereits jetzt seien die Datenanalysen und -auswertungen Aufgabe von interdisziplinären Teams. Darüber hinaus sei jedoch das Einbinden von Patientenvertreterinnen und -vertretern, juristischen Expertinnen und Experten sowie von Vertreterinnen und Vertretern der Politik in eine breite Diskussion über die Zukunft der Genom-Diagnostik in Deutschland „unerlässlich“. Resümierend gelangt die GEKO in diesem Zusammenhang zu dem Ergebnis, dass der derzeitige 465 Gendiagnostik-Kommission (GEKO) beim Robert Koch-Institut (Hrsg.), Dritter Bericht gemäß § 23 Abs. 4 Gendiagnostikgesetz (GenDG) für den Zeitraum vom 1. Januar 2016 bis 31. Dezember 2018, erschienen am 7. Mai 2019, abrufbar unter: https://www.rki.de/DE/Content/Kommissionen/GendiagnostikKommission/Taetigkeitsbericht /Taetigkeitsbericht_03.pdf?__blob=publicationFile. 466 Gendiagnostik-Kommission (GEKO) beim Robert Koch-Institut (Hrsg.), Dritter Bericht gemäß § 23 Abs. 4 Gendiagnostikgesetz (GenDG) für den Zeitraum vom 1. Januar 2016 bis 31. Dezember 2018, S. 36 ff. 467 Gendiagnostik-Kommission (GEKO) beim Robert Koch-Institut (Hrsg.), Dritter Bericht gemäß § 23 Abs. 4 Gendiagnostikgesetz (GenDG) für den Zeitraum vom 1. Januar 2016 bis 31 Dezember 2018, S. 45 ff. 468 Gendiagnostik-Kommission beim Robert-Koch-Institut (Hrsg.), Dritter Bericht gemäß § 23 Abs. 4 Gendiagnostikgesetz (GenDG) für den Zeitraum vom 1. Januar 2016 bis 31. Dezember 2018, S. 51. 469 Gendiagnostik-Kommission beim Robert Koch-Institut (Hrsg.), Dritter Bericht gemäß § 23 Abs. 4 Gendiagnostikgesetz (GenDG) für den Zeitraum vom 1. Januar 2016 bis 31. Dezember 2018, S. 51. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 098/19 Seite 111 Engpass an qualifiziertem Personal für die genetische Diagnostik, genetische Beratung und insbesondere für den Umgang mit den großen Datenmengen eine besondere Herausforderung sei. Der erhöhte Personalbedarf betreffe dabei sowohl die Generierung, Analyse und Auswertung der erhobenen Datensätze als auch deren Vermittlung und klinische Umsetzung.470 Der dritte Tätigkeitsbericht der GEKO enthält außerdem eine Bewertung der Entwicklungen in der Pränataldiagnostik für den Zeitraum von 2016 bis 2018.471 Nach einem eingehenden Überblick über den aktuellen wissenschaftlichen Stand der technischen Möglichkeiten der Nicht-invasiven Pränatalen Tests (NIPT) unter Heranziehung nationaler und internationaler Forschungsergebnisse 472 befasst sich die GEKO mit den Zielen der (genetischen) Pränataldiagnostik.473 Diesbezüglich gelangt die GEKO unter Hinweis auf entsprechende wissenschaftliche Untersuchungen zu der Feststellung, dass in den letzten Jahren deutliche Fortschritte in der pränatalen Diagnostik und Therapie erzielt worden seien. Durch neue diagnostische Technologien könnten inzwischen genetische und genomische Daten des Feten einfach und vergleichsweise kostengünstig generiert werden. Dadurch ließen sich heute Fehlbildungskonstellationen aufklären, die noch vor wenigen Jahren als unklare syndromale Erkrankung klassifiziert worden seien. Darüber hinaus befänden sich heute vorgeburtliche Behandlungsansätze genetischer Auffälligkeiten in der Entwicklung. Sollten sich die ersten vielversprechenden Ergebnisse konsolidieren, sei es zukünftig möglich, einzelne genetische Erkrankungen auch vorgeburtlich zu behandeln. Ein besonderer Fokus liege dabei in der Behandlung des Down-Syndroms. Im Tiermodell sei bereits versucht worden, die pränatale Entwicklung des Gehirns positiv zu beeinflussen. Inwieweit dieser Ansatz auf Menschen übertragen werden könne, sei bislang allerdings ebenso ungeklärt, wie die Frage, welche Risiken mit diesen Behandlungsansätzen verbunden seien. Sofern sich ihre positiven Aspekte in großen klinischen Studien bestätigen würden und die Vorteile einer Behandlung die Risiken überwögen, sei zu diskutieren, ob sich die Ziele der genetischen Pränataldiagnostik zukünftig verändern sollten. Pränatalmedizinische Maßnahmen, die bisher ausschließlich der Information der Schwangeren dienten, könnten dann – so die GEKO – gegebenenfalls auch zur Behandlung oder zu präventiven Überlegungen durchgeführt werden, mit der Folge, dass eine Unterscheidung der unterschiedlichen Zielsetzungen eventuell nicht mehr möglich sein werde. Vor diesem Hintergrund weist die GEKO in ihrem dritten Tätigkeitsbericht abschließend darauf hin, dass sich verschiedene Fragen zu dem zukünftigen Rahmen ergäben, in dem diese vorgeburtlichen genetischen Untersuchungen angeboten werden sollten. Diese bezögen sich unter anderem auf etwaige Rechte bzw. Interessen des zukünftigen Kindes – beispielsweise auf sein Recht auf 470 Gendiagnostik-Kommission beim Robert Koch-Institut (Hrsg.), Dritter Bericht gemäß § 23 Abs. 4 Gendiagnostikgesetz (GenDG) für den Zeitraum vom 1. Januar 2016 bis 31. Dezember 2018, S. 51 ff. 471 Gendiagnostik-Kommission beim Robert Koch-Institut (Hrsg.), Dritter Bericht gemäß § 23 Abs. 4 Gendiagnostikgesetz (GenDG) für den Zeitraum vom 1. Januar 2016 bis 31. Dezember 2018, S. 57 ff. 472 Gendiagnostik-Kommission beim Robert Koch-Institut (Hrsg.), Dritter Bericht gemäß § 23 Abs. 4 Gendiagnostikgesetz (GenDG) für den Zeitraum vom 1. Januar 2016 bis 31. Dezember 2018 ; S. 57 ff. 473 Gendiagnostik-Kommission beim Robert Koch-Institut (Hrsg.), Dritter Bericht gemäß § 23 Abs. 4 Gendiagnostikgesetz (GenDG) für den Zeitraum vom 1. Januar 2016 bis 31. Dezember 2018, S. 61 f. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 098/19 Seite 112 informationelle Selbstbestimmung – unter Berücksichtigung der Rechte der Schwangeren, auf die Ausrichtung der Beratung der Schwangeren und auf den Zugang zu genetischen Untersuchungen in der Schwangerschaft, die bisher nur als individuelle Gesundheitsleistungen angeboten würden .474 6.7.3. Abgabe gutachtlicher Stellungnahmen zu Einzelfragen der Auslegung und Anwendung ihrer Richtlinien (§ 23 Abs. 5 GenDG) Nach der Vorschrift des § 23 Abs. 5 GenDG hat die GEKO schließlich die Befugnis, auf Anfrage von einzelnen Personen oder Einrichtungen, die genetische Untersuchungen oder Analysen vornehmen , gutachtliche Stellungnahmen zu Einzelfragen der Auslegung und Anwendung ihrer Richtlinien abzugeben. Mit dieser Regelung hat der Gesetzgeber eine Art Rechtsberatung für die Anwender des GenDG eingeführt. Grundsätzlich erscheint es sinnvoll, eine solche fachliche Instanz zur Klärung von Auslegungsfragen für ein neues Gesetz zu schaffen. Letztlich wird es jedoch den Gerichten überlassen bleiben müssen, die rechtliche Auslegung des Gesetzes vorzunehmen , da die GEKO selbst zu einer solchen verbindlichen Auslegung des GenDG nicht berufen ist.475 7. Literaturverzeichnis Bamberger, Heinz Georg/Roth, Herbert/Hau, Wolfgang/Poseck, Roman (Hrsg.), BeckOK BGB, 53. Edition, Stand: 1. Februar 2020, Verlag C.H. Beck, München. Becker, Ulrich/Kingreen, Thorsten, SGB V, Gesetzliche Krankenversicherung, Kommentar, 6. Auflage, Verlag C.H.Beck, München 2018. BMBF-Projektgruppe „Recht auf Nichtwissen“, Empfehlungen zum anwendungspraktischen Umgang mit dem „Recht auf Nichtwissen“ – Ergebnisse einer rechtsethischen Grundlagenanalyse auf erfahrungswissenschaftlicher Basis in den Anwendungsfeldern von Humangenetik und Psychiatrie , in: Medizinrecht (MedR), 2016, S. 399-405. 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