© 2020 Deutscher Bundestag WD 9 - 3000 - 096/19 Elterngeld- und Kindergeldanspruch ausländischer Staatsangehöriger Anspruchsvoraussetzungen nach Bundeselterngeldgesetz und Bundeskindergeldgesetz Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 - 096/19 Seite 2 Elterngeld- und Kindergeldanspruch ausländischer Staatsangehöriger Anspruchsvoraussetzungen nach Bundeselterngeldgesetz und Bundeskindergeldgesetz Aktenzeichen: WD 9 - 3000 - 096/19 Abschluss der Arbeit: 12. März 2020 Fachbereich: WD 9: Gesundheit, Familie, Senioren, Frauen und Jugend Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 - 096/19 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Vorbemerkung 4 2. Anspruch auf Elterngeld nach dem Bundeselterngeldgesetz 4 3. Anspruch auf Kindergeld nach dem Bundeskindergeldgesetz 6 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 - 096/19 Seite 4 1. Vorbemerkung Ein Anspruch auf Elterngeld nach § 1 Bundeselterngeldgesetz (BEEG)1 oder auf Kindergeld nach § 1 Bundeskindergeldgesetz (BKGG)2 ist an enge Voraussetzungen geknüpft. Insbesondere im Hinblick auf einen Leistungsanspruch ausländischer Staatsangehörige finden sich differenzierte Regelungen, die an das Vorliegen konkreter Aufenthaltstitel anknüpfen und über welche vorliegend ein Überblick erfolgt. 2. Anspruch auf Elterngeld nach dem Bundeselterngeldgesetz Das Elterngeld ist eine familienpolitische Leistung, die als Einkommensersatzleistung Familien bei der Sicherung ihrer Lebensgrundlage unterstützen soll, wenn sich die Eltern vorrangig um die Erziehung ihrer Kinder kümmern.3 Dem Grunde nach steht ein Anspruch auf Elterngeld gemäß § 1 Abs. 1 BEEG denjenigen zu, die einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland haben, mit ihrem Kind in einem Haushalt leben, dieses Kind selbst betreuen und erziehen und keine oder keine volle Erwerbstätigkeit ausüben. Erweiterungen des Kreises der Anspruchsberechtigten zum Beispiel im Falle angenommener Kinder oder von vorübergehenden Abordnungen ins Ausland finden sich in § 1 Abs. 2 bis Abs. 4 BEEG. Die Regelungen zum Kreis der Anspruchsberechtigten sind Ausdruck des in § 1 Abs. 1 BEEG normierten und aus dem Sozialversicherungsrecht4 übernommenen Prinzips der Territorialität.5 Ausländische Staatsangehörige können daher nur unter den Voraussetzungen von § 1 Abs. 7 BEEG ebenfalls anspruchsberechtigt sein. Die dort gesetzlich geregelten Ausschlusstatbestände zielen darauf ab, einen Leistungsanspruch nur für solche Familien vorzusehen, die sich voraus- 1 Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 27. Januar 2015 (BGBl. I S. 33), zuletzt geändert durch Artikel 36 des Gesetzes vom 12. Dezember 2019 (BGBl. I S. 2451). 2 Bundeskindergeldgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 28. Januar 2009 (BGBl. I S. 142, 3177), zuletzt geändert durch Artikel 34 des Gesetzes vom 12. Dezember 2019 (BGBl. I S. 2451). 3 So bereits Entwurf eines Gesetzes zur Einführung des Elterngeldes, 20. Juni 2006, BT-Drs. 16/1889, S. 2. 4 Siehe § 30 Abs. 1 des Ersten Buch Sozialgesetzbuch – Allgemeiner Teil (Artikel I des Gesetzes vom 11. Dezember 1975, BGBl. I S. 3015), zuletzt geändert durch Artikel 28 des Gesetzes vom 12. Dezember 2019 (BGBl. I S. 2652). 5 Vgl. Entwurf eines Gesetzes zur weiteren steuerlichen Förderung der Elektromobilität und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften, 23. September 2019, BT-Drs. 19/13436, 23, S. 123; so auch Röhl, Matthias, in: Beck’scher Online-Kommentar zum Arbeitsrecht, 54. Edition, Stand 1. September 2019, Kommentierung zu § 1 BEEG, Rn. 1 sowie von Koppenfels-Spies, Katharina, in: Knickrehm/Kreikebohm/Waltermann, Kommentar zum Sozialrecht, 6. Auflage 2019, Kommentierung zu § 1 BEEG, Rn. 3. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 - 096/19 Seite 5 sichtlich dauerhaft in Deutschland aufhalten. Als Anknüpfungspunkt hat der Gesetzgeber die Integration in den Arbeitsmarkt gewählt und eine Erwerbstätigkeit als Indiz für einen dauerhaften Aufenthalt angesehen.6 § 1 Abs. 7 BEEG wurde mit Wirkung zum 1. März 2020 neu gefasst7 und passt die Regelungen zur Anspruchsberechtigung von Ausländern an Änderungen im Aufenthaltsgesetz (AufenthG)8 durch das Fachkräfteeinwanderungsgesetz9 an. Zudem erfolgt eine Anpassung an Art. 12 Abs. 1 Buchstabe e der Richtlinie 2011/98/EU10, der den Gleichbehandlungsanspruch von Arbeitnehmern aus Drittstaaten im Recht der sozialen Sicherung regelt. Auch soll ein Anspruch auf Elterngeld nach dem Willen des Gesetzgebers dann bestehen, wenn dadurch die Fachkräftegewinnung erleichtert wird und ein Anreiz zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit geschaffen werden kann.11 Rechtliche Auffassungen, die eine weitere Differenzierung der genannten Regelung befürworten, sind nicht ersichtlich. Nach einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 201212 ist § 1 Abs. 7 Nr. 3 Buchstabe b BEEG a.F. verfassungswidrig und nichtig. Dieser setzte für eine Anspruchsberechtigung von Personen, die eine Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Abs. 1 AufenthG wegen eines Krieges in ihrem Heimatland oder nach den §§ 23a, 24, 25 Abs.3 bis 5 des AufenthG besitzen, voraus, dass diese sich seit mindestens drei Jahren rechtmäßig, gestattet oder geduldet im Bundesgebiet aufhielten und im Bundesgebiet berechtigt erwerbstätig waren, laufende Geldleistungen nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch (SGB III)13 bezogen oder Elternzeit in Anspruch nahmen. Diese Anknüpfung an die aktive Integration in den Arbeitsmarkt verstoße gegen Art. 3 Abs. 1 6 Vgl. bereits Entwurf eines Gesetzes zur Anspruchsberechtigung von Ausländern wegen Kindergeld, Erziehungsgeld und Unterhaltsvorschuss, 3. Mai 2006, BT-Drs. 16/1368, S. 8. Die Regelungen betreffend die Anspruchsberechtigung von Ausländern im Hinblick auf das Erziehungsgeld wurden bei der Einführung des Elterngeldes übernommen, vgl. Entwurf eines Gesetzes zur Einführung des Elterngeldes, 20. Juni 2006, BT-Drs. 16/1889, S. 19. 7 Gesetz zur weiteren steuerlichen Förderung der Elektromobilität und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften vom 12. Dezember 2019, BGBl. I S. 2451. 8 Aufenthaltsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 25. Februar 2008 (BGBl. I S. 162), zuletzt geändert durch Artikel 4b des Gesetzes vom 17. Februar 2020 (BGBl. I S. 166). 9 Fachkräfteeinwanderungsgesetz vom 15. August 2019, BGBl. I S. 1307. 10 Richtlinie 2011/98/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über ein einheitliches Verfahren zur Beantragung einer kombinierten Erlaubnis für Drittstaatsangehörige, sich im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats aufzuhalten und zu arbeiten, sowie über ein gemeinsames Bündel von Rechten für Drittstaatsarbeitnehmer , die sich rechtmäßig in einem Mitgliedstaat aufhalten, ABl. L 343 vom 23. Dezember 2011, S. 1–9. 11 Vgl. Gesetzesentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes zur weiteren steuerlichen Förderung der Elektromobilität und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften, BT-Drs. 19/13436, S. 123. 12 BVerfG, Beschluss vom 10. Juli 2012, Az. 1 BvL 2/10, BVerfGE 132, 72ff. 13 Drittes Buch Sozialgesetzbuch – Arbeitsförderung – (Artikel 1 des Gesetzes vom 24. März 1997, BGBl. I S. 594, 595), zuletzt geändert durch Artikel 30 des Gesetzes vom 12. Dezember 2019 (BGBl. I S. 2652). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 - 096/19 Seite 6 Grundgesetz (GG)14, da die genannten Voraussetzungen nicht geeignet seien, um eine Prognose über die Dauer des Aufenthalts in Deutschland zu erlauben.15 Zudem habe die Regelung gegen Art. 3 Abs. 3 GG verstoßen, da die Vorschrift die Anspruchsberechtigung an Voraussetzungen knüpfte, die durch Frauen schwerer zu erfüllbar gewesen seien als durch Männer.16 Die Nachfolgeregelung zum 1. März 2020 (§ 1 Abs. 7 Nr. 3 BEEG) verzichtet auf eine Anknüpfung an die Mindestaufenthaltsdauer, hält aber an der Voraussetzung der aktiven Integration in den Arbeitsmarkt fest. Der Gesetzgeber begründet dies damit, dass ein Beitrag gegen den in bestimmten Bereichen vorkommenden Arbeitskräftemangel geleistet werden solle.17 Eine Unterscheidung allein nach der formalen Art des Aufenthaltstitels, wie sie in § 1 Abs. 1a Satz 1 des Gesetzes über die Gewährung von Erziehungsgeld und Erziehungsurlaub (Bundeserziehungsgeldgesetz , BErzGG) in der Fassung vom 23. Juni 199318 vorgesehen war, ist nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ebenfalls nicht mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar.19 3. Anspruch auf Kindergeld nach dem Bundeskindergeldgesetz Einen Anspruch auf Kindergeld nach dem BKGG für seine Kinder hat dem Grunde nach, wer nach § 1 Abs. 1 bis Abs. 3 Einkommenssteuergesetz (EStG)20 nicht unbeschränkt steuerpflichtig ist und auch nicht als unbeschränkt steuerpflichtig behandelt wird und darüber hinaus die weiteren Voraussetzungen nach § 1 Abs. 1 BKGG erfüllt. Einen Anspruch auf Kindergeld für sich selbst hat ein Kind, wenn es in Deutschland einen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hat, Vollwaise ist oder den Aufenthalt seiner Eltern nicht kennt und nicht bei einer anderen Person als Kind zu berücksichtigen ist, § 1 Abs. 2 BKGG. 14 Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, zuletzt geändert durch Artikel 1 des Gesetzes vom 15. November 2019 (BGBl. I S. 1546). 15 BVerfG, Beschluss vom 10. Juli 2012, Az. 1 BvL 2/10, Rn. 27 ff. (juris). 16 BVerfG, Beschluss vom 10. Juli 2012, Az. 1 BvL 2/10, Rn. 53 ff. (juris). 17 Vgl. Gesetzesentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes zur weiteren steuerlichen Förderung der Elektromobilität und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften, BT-Drs. 19/13436, S. 125. 18 § 1 Absatz 1 a Satz 1 des Gesetzes über die Gewährung von Erziehungsgeld und Erziehungsurlaub (Bundeserziehungsgeldgesetz - BErzGG) in der Fassung des Gesetzes über Maßnahmen zur Bewältigung der finanziellen Erblasten im Zusammenhang mit der Herstellung der Einheit Deutschlands, zur langfristigen Sicherung des Aufbaus in den neuen Ländern, zur Neuordnung des bundesstaatlichen Finanzausgleichs und zur Entlastung der öffentlichen Haushalte (Gesetz zur Umsetzung des Föderalen Konsolidierungsprogramms - FKPG) vom 23. Juni 1993 (Bundesgesetzblatt I Seite 944). 19 BVerfG, Beschluss vom 6. Juli 2004, Az. 1 BvR 2515/95, BVerfGE 111, 176ff. 20 Einkommensteuergesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 8. Oktober 2009 (BGBl. I S. 3366, 3862), zuletzt geändert durch Artikel 2 des Gesetzes vom 21. Dezember 2019 (BGBl. I S. 2886). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 - 096/19 Seite 7 Im Hinblick auf ausländische Staatsangehörige sind die Anspruchsvoraussetzungen in § 1 Abs. 3 BKGG geregelt. Die einzelnen Tatbestände sind dabei wortgleich zu § 1 Abs. 7 BEEG und wurden ebenfalls zum 1. März 2020 neu gefasst.21 Die Ausführungen zum Anspruch auf Elterngeld gelten daher ebenfalls für den Anspruch auf Kindergeld nach dem BKGG. *** 21 Gesetz zur weiteren steuerlichen Förderung der Elektromobilität und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften vom 12. Dezember 2019, BGBl. I S. 2451.