© 2019 Deutscher Bundestag WD 9 - 3000 - 096/18 Fragen zur Erfassung von Daten im Gesundheitsbereich Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 - 096/18 Seite 2 Fragen zur Erfassung von Daten im Gesundheitsbereich Aktenzeichen: WD 9 - 3000 - 096/18 Abschluss der Arbeit: 5. Dezember 2018 Fachbereich: WD 9: Gesundheit, Senioren, Familie, Frauen und Jugend Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 - 096/18 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Vorbemerkung 4 2. Abrechnung von Krankenhausleistungen auf Basis des sog. G-DRG-Systems 4 3. Die elektronische Gesundheitskarte 5 4. Krankheitsregister 6 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 - 096/18 Seite 4 1. Vorbemerkung Der weitere Ausbau der gesundheitlichen Versorgung durch mehr Zusammenarbeit und Vernetzung gehört zu den wichtigen Zielen, die sich die Bundesregierung für diese Legislaturperiode gesetzt hat. Hierzu gehört auch die Weiterentwicklung des stationären und ambulanten Systems, gerade im Hinblick auf Kodierung und Dokumentation.1 Essentielle Informationsquellen bei der fortschreitenden Digitalisierung und Vernetzung im Gesundheitswesen sind die Erfassung, die Sammlung und die Auswertung von Patientendaten. Dies stellt das Gesundheitswesen vor erhebliche datenschutzrechtliche Herausforderungen, was im Folgenden am Beispiel des sog. G-DRG-Systems, der elektronischen Gesundheitskarte sowie im Hinblick auf Krankheitsregister aufgezeigt wird. 2. Abrechnung von Krankenhausleistungen auf Basis des sog. G-DRG-Systems Bis zum Jahr 2002 erfolgte die Abrechnung stationärer Krankenhausleistungen in der Bundesrepublik Deutschland anhand eines Mischsystems aus Fallpauschalen und Sonderentgelten. Im Jahr 2003 wurde ein neues, leistungsorientiertes Entgeltsystem eingeführt, um einerseits die Qualität der stationären Behandlung sowie andererseits die Wirtschaftlichkeit des Krankenhausbetriebs zu fördern.2 Die Vorschrift des § 17b Absatz 1 Satz 1, Absatz 2 Satz 1 des Gesetzes zur wirtschaftlichen Sicherung der Krankenhäuser und zur Regelung der Krankenhauspflegesätze (Krankenhausfinanzierungsgesetz - KHG)3 hatte dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen und dem Verband der privaten Krankenversicherung hierzu aufgegeben, ein durchgängiges, leistungsorientiertes und pauschalierendes Vergütungssystem, nach dem Vorbild international bereits eingesetzten Vergütungssysteme auf der Grundlage sogenannter Diagnosis Related Groups (DRG) zu vereinbaren. DRGs fassen eine Vielzahl unterschiedlicher Diagnosen- und Prozedurenkombinationen zu Gruppen mit vergleichbarem ökonomischem Aufwand in möglichst auch medizinisch-klinisch homogenen Gruppen zusammen. In Deutschland ist inzwischen ein eigenständiges DRG-System als Fallpauschalensystem etabliert (G-DRG). Als Fallpauschalensystem wird hierin jeder DRG in Abhängigkeit vom durchschnittlichen Behandlungsaufwand ein Zahlenwert zugeordnet, auf dessen Grundlage eine Fallpauschale 1 Vgl. „Ein neuer Aufbruch für Europa, eine neue Dynamik für Deutschland, ein neuer Zusammenhalt für unser Land“, Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD, 19. Legislaturperiode, März 2018, S. 97, abrufbar unter: https://www.bundesregierung.de/resource/blob/975226/847984/5b8bc23590d4cb2892b31c987ad672b7/2018- 03-14-koalitionsvertrag-data.pdf?download=1. Dieser Link sowie alle weiteren wurden zuletzt abgerufen am 5. Dezember 2018. 2 Vgl. Entwurf eines Gesetzes zur Einführung des diagnose-orientierten Fallpauschalensystems für Krankenhäuser (Fallpauschalengesetz-FPG), Gesetzentwurf der Fraktionen der SPD und Bündnis 90/Die Grünen, BT- Drs. 14/6893, S. 26. 3 Krankenhausfinanzierungsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 10. April 1991 (BGBl. I S. 886), das zuletzt durch Art. 6 des Gesetzes vom 17. Juli 2017 (BGBl. I S. 2581) geändert worden ist. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 - 096/18 Seite 5 berechnet wird.4 Anhand der jeweiligen Fallpauschale wird sodann der einzelne Behandlungsfall abgerechnet. Mit der Einführung, Weiterentwicklung und Pflege des G-DRG-Systems haben die Selbstverwaltungspartner gemäß § 10 Absatz 2 Satz 3 KHG das Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus (InEK) beauftragt. Hierzu sind dem InEK nach Maßgabe des § 21 KHEntG Daten des Krankenhauses sowie einzelner Patienten zu übermitteln. Nach Übermittlung der Daten erfolgt deren Plausibilitätsprüfung . Ist diese Prüfung abgeschlossen, darf die Herstellung eines Personenbezugs gem. § 21 Absatz 3 Satz 2 KHEntG nicht mehr möglich sein. Die anschließende Veröffentlichung der Daten setzt somit deren Anonymisierung voraus. 3. Die elektronische Gesundheitskarte Seit dem 1. Oktober 2011 wurde im Rahmen der Gesetzlichen Krankenversicherung sukzessive die elektronische Gesundheitskarte (eGK) eingeführt. Sie hat zum 31. Dezember 2013 die bisherige Krankenversichertenkarte abgelöst und gilt seit dem 1. Januar 2015 als der grundlegende Berechtigungsnachweis für die Inanspruchnahme ärztlicher Leistungen, vgl. §§ 15, 291 Absatz 1 Satz 2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V)5. Durch die elektronische Dokumentation von Behandlungsdaten auf der eGK soll die ärztliche Versorgung der Versicherten qualitativ verbessert, sowie effizienter und wirtschaftlicher gestaltet werden, vgl. §§ 291 Absatz 1, 291a Absatz 1 SGB V. Verschiedene Leistungserbringer erhalten einen besseren Überblick über bisherige Diagnosen und Behandlungen, so werden Fehl- und Doppelbehandlungen vermieden. Einwilligungs- und Interventionsmöglichkeiten des Versicherten erhöhen die Patientensouveränität sowie den Datenschutz . §§ 15, 291, 291a SGB V kategorisieren insofern nach Pflichtangaben, Pflichtanwendungen sowie einwilligungsfähigen freiwilligen Angaben und Anwendungen („Verbotsnorm mit Erlaubnisvorbehalt “).6 § 291a SGB V ermächtigt demgemäß zur Speicherung personenbezogener Daten und regelt differenziert Zugriffs- und Übermittlungsbefugnisse in personeller sowie sachlicher Hinsicht . Die §§ 291, 291a SGB V enthalten Verweise auf Bestimmungen des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG)7, gehen diesen im Übrigen als leges speciales jedoch vor.8 Das Verhältnis des § 291a SGB V zur Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, 4 Vgl. den G-DRG-Fallpauschalenkatalog 2018, https://www.g-drg.de/G-DRG-System_2018/Fallpauschalen-Katalog /Fallpauschalen-Katalog_2018. 5 Das Fünfte Buch Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Krankenversicherung – (Artikel 1 des Gesetzes vom 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477, 2482), das zuletzt durch Artikel 4 des Gesetzes vom 17. August 2017 (BGBl. I S. 3214) geändert worden ist. 6 Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 18. November 2014 – B 1 KR 35/13 R, ZD 2015, 441, 443 Rn. 15. 7 Bundesdatenschutzgesetz vom 30. Juni 2017 (BGBl. I S. 2097). 8 BSG, Urteil vom 18. November 2014 – B 1 KR 35/13 R, ZD 2015, 441, 443 Rn. 15. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 - 096/18 Seite 6 zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung – DS-GVO)9 ist noch nicht abschließend geklärt.10 4. Krankheitsregister In Deutschland gibt es kein zentrales nationales Krankheitsregister, jedoch eine Vielzahl an krankheits- bzw. behandlungsspezifischen Registern auf regionaler sowie auf nationaler Ebene. Die Bundesregierung fördert die Versorgungsforschung sowie die Forschung zum Aufbau patientenbezogener Register, die hohe Qualitätsstandards erfüllen und Modellcharakter haben. So werden zum Beispiel Registerkonzepte für seltene Erkrankungen, Krebserkrankungen oder Herzerkrankungen entwickelt.11 Zu unterscheiden sind klinische und epidemiologische Krankheitsregister. Klinische Krankheitsregister zielen darauf, die Behandlungs- und Versorgungsqualität zu verbessern. Hierzu werden klinik- und einzelfallbezogen Daten zu Erkrankung und Therapie erfasst. Epidemiologische Krankheitsregister dienen in erster Linie dazu, Informationen über die Häufigkeit und Verbreitung einer bestimmten Krankheit zu erfassen und auszuwerten. Hierdurch können einerseits Erkenntnisse über Erkrankungsursachen gewonnen werden, andererseits sind epidemiologische Krankheitsregister für die Beurteilung der aktuellen Versorgungssituation und gesundheitspolitische Entscheidungen über deren zukünftige Entwicklung von Bedeutung. Beispiele für bereits bestehende nationale Krankheitsregister sind: - das Deutsche Kinderkrebsregister, - das Deutsche Register für Stammzelltransplantationen (DRST), - das Deutsche Reanimationsregister (German Resuscitation Registry - GRR), - das DIVI-Register-Versorgungsforschung-Intensivmedizin, - das Substitutionsregister, - das Endoprothesenregister Deutschland (EPRD), - das deutsche Register zur Langzeitbeobachtung der Therapie mit Biologika, Biosimilars und Januskinase (JAK)-Inhibitoren bei erwachsenen Patientinnen und Patienten mit rheumatoider Arthritis (RABBIT) und das Register zur Langzeitbeobachtung von Patienten mit axialer Spondyloarthritis (axSpA) oder Psoriasis-Arthritis (PsA) (Rabbit-Spa). Die Deutsche Diabetes-Gesellschaft (DDG) ist aktuell mit dem Aufbau eines nationalen Diabetesregisters befasst, um die Aktivitäten bereits bestehender dezentraler Diabetesregister zu bündeln 9 Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung), ABl. L 119, 4. Mai 2016. 10 Kasseler Kommentar zum SGB-Schifferdecker, § 291a SGB V Rn. 21. 11 Vgl. https://www.gesundheitsforschung-bmbf.de/de/modellhafte-register-konzeptentwicklungsphase-7167.php. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 - 096/18 Seite 7 und zu vernetzen.12 Zwei bereits etablierte deutschlandweite Diabetesregister sind die „Diabetes- Patienten-Verlaufsdokumentation“ (DPV) sowie die „Diabetes-Versorgungs-Evaluation“ (DIVE). Ebenfalls auf Bundesebene (beim Robert-Koch-Institut) zusammen getragen werden Krebsregisterdaten , die zuvor auf Landesebene erfasst wurden.13 Rechtliche Grundlage ist hier das Bundeskrebsregisterdatengesetz (BKRG)14. In der Regel enthalten die einzelnen Register jeweils gesonderte Datenschutzbestimmungen. Deren Rechtsgrundlagen liegen in Abhängigkeit von der rechtlichen Organisationsform der das Register führenden Institution grundsätzlich im Bundesdatenschutzgesetz (wenn es sich bei der Institution um eine öffentliche oder nichtöffentliche Stelle i. S. d. § 1 Absatz 1 BDSG handelt) oder in landesrechtlichen Datenschutzbestimmungen15, sofern nicht die Vorschriften der DS-GVO unmittelbare Anwendung finden. Art. 9 DS-GVO untersagt im Grundsatz die Verarbeitung personenbezogener Daten. Die Bestimmung enthält aber eine Reihe von Ausnahmen, so etwa für Fälle, in denen die Betroffenen in die Verarbeitung der personenbezogenen Daten eingewilligt haben (Art. 9 Absatz 2 a) DS-GVO) oder dann, wenn die Verarbeitung zum Beispiel für Zwecke der Gesundheitsvorsorge erforderlich ist (Art. 9 Absatz 2 h) DS-GVO) und – speziell in diesen Fällen – bei der Verarbeitung der Daten besondere in Art. 9 Absatz 3 DS-GVO genannte Vorgaben beachtet werden. Auf bundesrechtlicher Ebene ergeben sich für die Verarbeitung patientenbezogener Daten in Krankheitsregistern maßgebliche Ausnahmen insbesondere aus den §§ 22 Absatz 1 Nr. 1 b), 27 Absatz 1 BDSG. Für diese Fälle enthält § 22 Absatz 2 BDSG Vorgaben zur Durchführung von Maßnahmen zum Schutz der betroffenen Personen. Für die Datenverarbeitung zu wissenschaftlichen Forschungs- und statistischen Zwecken ist nach Maßgabe des § 27 Absatz 3 BDSG zusätzlich die Anonymisierung verarbeiteter personenbezogener Daten vorgeschrieben sowie deren Veröffentlichung gemäß § 27 Absatz 4 BDSG grundsätzlich an die Voraussetzung der Einwilligung der betroffenen Person geknüpft . *** 12 Vgl. Pressemeldung der DDG vom 09.05.2018, https://www.deutsche-diabetes-gesellschaft.de/presse/ddg-pressemeldungen /meldungen-detailansicht/article/versorgung-und-behandlung-von-menschen-mit-diabetes-verbessern -diabetologen-fordern-nationales-diab.html. 13 Vgl. https://www.krebsdaten.de/Krebs/DE/Home/homepage_node.html. 14 Bundeskrebsregisterdatengesetz vom 10. August 2009 (BGBl. I S. 2702, 2707). 15 Beispielsweise das Gesetz über die klinische und epidemiologische Krebsregistrierung im Land Nordrhein - Westfalen (Landeskrebsregistergesetz - LKRG NRW) vom 2. Februar 2016 (GV. NRW 2016, S. 89) sowie das Gesetz zum Schutz personenbezogener Daten im Gesundheitswesen (Gesundheitsdatenschutzgesetz - GDSG NW) vom 22. Februar 1994 (GV. NW. S. 84), geändert durch § 35 PsychKG v. 17. Dezember 1999 (GV. NRW. S. 662); Artikel 2 des Gesetzes v. 5. April 2005 (GV. NRW. S. 414), in Kraft getreten am 1. Juli 2005; Artikel 2 des Gesetzes vom 2. Februar 2016 (GV. NRW. S. 94), in Kraft getreten am 1. April 2016.