Deutscher Bundestag Organisation der Organvermittlung und -transplantation Internationaler Vergleich Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste © 2012 Deutscher Bundestag WD 9 – 3000-095/12 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 – 3000-095/12 Seite 2 Organisation der Organvermittlung und -transplantation Internationaler Vergleich Aktenzeichen: WD 9 – 3000-095/12 Abschluss der Arbeit: 22. August 2012 Fachbereich: WD 9: Gesundheit, Familie, Senioren, Frauen und Jugend Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 – 3000-095/12 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 6 2. Grundsätzliches zur Zuteilung von Organen 6 3. Länder im Eurotransplant-Verbund 8 3.1. Vermittlungsverfahren von Eurotransplant 8 3.2. Deutschland 9 3.2.1. Rechtliche Grundlagen 9 3.2.2. Beteiligte Institutionen 10 3.2.3. Vermittlungsverfahren 10 3.2.4. Kontrollmechanismen/Sanktionsmöglichkeiten 11 3.3. Belgien 12 3.3.1. Rechtliche Grundlagen 12 3.3.2. Beteiligte Institutionen 12 3.3.3. Vermittlungsverfahren 12 3.3.4. Kontrollmechanismen/Sanktionen 13 3.4. Luxemburg 13 3.4.1. Rechtliche Grundlagen 13 3.4.2. Beteiligte Institutionen 14 3.4.3. Vermittlungsverfahren 14 3.4.4. Kontrollmechanismen/Sanktionsmöglichkeiten 14 3.5. Niederlande 14 3.5.1. Rechtliche Grundlagen 14 3.5.2. Beteiligte Institutionen 15 3.5.3. Vermittlungsverfahren 15 3.6. Österreich 16 3.6.1. Rechtliche Grundlagen und Institutionen 16 3.6.2. Beteiligte Institutionen 17 3.6.3. Vermittlungsverfahren 17 3.6.4. Kontrollmechanismen/Sanktionsmöglichkeiten 17 4. Staaten außerhalb des Eurotransplant-Verbundes 18 4.1. Großbritannien 18 4.1.1. Rechtliche Grundlagen 18 4.1.2. Beteiligte Institutionen 18 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 – 3000-095/12 Seite 4 4.1.3. Vermittlungsverfahren 18 4.1.4. Kontrollmechanismen/Sanktionsmöglichkeiten 19 4.2. Schweiz 19 4.2.1. Rechtliche Grundlagen 19 4.2.2. Beteiligte Institutionen 19 4.2.3. Vermittlungsverfahren 20 4.2.4. Kontrollmechanismen/Sanktionsmöglichkeiten 20 4.3. Vereinigte Staaten von Amerika 21 4.3.1. Rechtliche Grundlagen 21 4.3.2. Beteiligte Institutionen 21 4.3.3. Vermittlungsverfahren 22 4.3.4. Kontrollmechanismen/Sanktionsmöglichkeiten 24 5. Weitere Staaten 24 5.1. Israel 24 5.2. Tschechien 25 6. Literatur 25 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 – 3000-095/12 Seite 5 - Zusammenfassung - Weltweit ist eine weitaus höhere Zahl an Patienten auf die Transplantation eines Organs angewiesen als Spenderorgane zur Verfügung stehen. Aufgrund dieses Organmangels ist eine Verteilung der verfügbaren Organe erforderlich. Um die Benachteiligung einzelner Patienten zu vermeiden und eine möglichst gerechte Zuteilung der Organe zu erreichen, gelten in vielen Ländern festgelegte Allokationskriterien. Diese unterscheiden sich jedoch zum Teil erheblich. Während einige Länder sehr konkrete Kriterien – zum Teil auf Gesetzesebene – verankert haben, beschränken sich andere Länder auf die Festlegung allgemeiner Regelungen. Wiederum andere haben bisher komplett auf die Aufstellung einheitlicher Kriterien verzichtet und/oder mit der Stiftung Eurotransplant eine internationale Organisation mit der grenzüberschreitenden Vermittlung von Organen betraut. Die Betrachtung der verschiedenen Zuteilungsverfahren und geltenden rechtlichen Rahmenbedingungen muss auf zwei Ebenen erfolgen. Zum einen sind die Voraussetzungen und Verfahrensweisen für die Aufnahme von Patienten in die Warteliste, die praktisch überall die Grundvoraussetzung für die Zuteilung eines Organs darstellt, zu untersuchen. Zum anderen ist die konkrete Allokation der Spenderorgane auf die in die Warteliste aufgenommenen Patienten zu betrachten . Sowohl im Hinblick auf die Warteliste als auch die Zuteilung der Organe bestehen große Unterschiede zwischen den verschiedenen nationalen Regelungen. Im Regelfall sind jedoch die Erfolgsaussicht und/oder Dringlichkeit der Transplantation wesentliche Kriterien bei der Entscheidung über die Aufnahme in die Warteliste sowie hinsichtlich der Organallokation. Insofern sind medizinische Faktoren zumeist von hoher Bedeutung im Zuteilungsverfahren. Darüber hinaus gibt es jedoch eine Vielzahl weiterer Faktoren, die ebenfalls berücksichtigt werden. So fließen teilweise wirtschaftliche Betrachtungen und soziale Aspekte in die Entscheidungen ein. Zum Teil werden bestimmte Austauschbilanzen – auf nationaler Ebene oder bezogen auf einzelne Transplantationszentren – in den Entscheidungsprozess einbezogen. Auch werden in einigen Ländern bestimmte Personengruppen bei der Organzuteilung bevorzugt. Dies kann Personen mit besonderen physiologischen Merkmalen ebenso betreffen wie Personen, die vor der Aufnahme in die Warteliste bereits selbst ein Organ gespendet haben. Im Einzelfall werden potenzielle Organspender bei der Organzuteilung bevorzugt berücksichtigt. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 – 3000-095/12 Seite 6 1. Einleitung Derzeit stehen in Deutschland circa 12.000 Patienten auf der sog. Warteliste für Spenderorgane. Da die Zahl der zur Verfügung stehenden Spenderorgane weit unter dieser Zahl liegt, warten die Patienten zumeist jahrelang auf ein geeignetes Organ, viele von ihnen vergeblich. So sterben derzeit im Durchschnitt täglich drei der in die Warteliste eingetragenen Patienten, bevor ihnen ein passendes Spenderorgan angeboten werden kann. In anderen Ländern ist die Situation ähnlich. Weltweit besteht ein – in Abhängigkeit von den jeweiligen Gegebenheiten unterschiedlich stark ausgeprägter – Organmangel. Aus dieser Tatsache heraus ergibt sich die Notwendigkeit zur Verteilung der verfügbaren Organe auf die Patienten. Die folgende Ausarbeitung beschäftigt sich mit den Voraussetzungen der Organvermittlung sowohl in Deutschland als auch in ausgewählten Ländern des europäischen Auslands und den USA. Zunächst werden die jeweils einschlägigen Rechtsnormen und die zuständigen Institutionen dargestellt. Danach wird das Vermittlungsverfahren einschließlich der geltenden Regeln zur Aufnahme von Patienten in die Warteliste erläutert. Darüber hinaus werden ggf. vorhandene Kontrollmechanismen und Sanktionsmöglichkeiten skizziert. Den länderspezifischen Ausführungen vorangestellt sind allgemeine Informationen hinsichtlich der Zuteilung von Organen. 2. Grundsätzliches zur Zuteilung von Organen In allen Ländern übersteigt die Zahl der Patienten, die ein Spenderorgan benötigen, die Zahl der verfügbaren Organe.1 Nicht jeder Patient kann demnach ein Spenderorgan erhalten; die verfügbaren Organe müssen zugeteilt werden. Die Zuteilung der Organe erfolgt dabei in zwei Schritten. Im Hinblick auf die Verteilung der Spenderorgane ist zunächst die Erfassung aller Patienten, die eine Organtransplantation benötigen, erforderlich. Aus diesem Grund werden in einem ersten Schritt in allen Ländern sog. Wartelisten geführt, in denen die Daten dieser Patienten erfasst sind. Um überhaupt bei der Zuteilung der Organe berücksichtigt werden zu können, ist es demnach erforderlich, in die Warteliste aufgenommen zu werden. Dazu ist die Erfüllung bestimmter Voraussetzungen erforderlich. Inwieweit diesbezüglich entsprechende landesweit einheitliche und schriftlich fixierte Richtlinien gelten, ist in den einzelnen Ländern unterschiedlich geregelt. In einigen Ländern werden neben den medizinischen Faktoren auch andere Kriterien, wie zum Beispiel wirtschaftliche Überlegungen oder das Lebensalter, bei der Entscheidung über die Aufnahme in die Warteliste berücksichtigt. Unabhängig davon, welche Kriterien für die Aufnahme in die Warteliste erfüllt sein müssen bzw. ob bestimmte Ausschlusskriterien2 gelten, stellt die Entscheidung über die Aufnahme in die Warteliste eine erste Auswahl im Hinblick auf die Zuteilungsentscheidung dar. Teilweise besteht die Annahme, dass bereits bei Aufnahme der Patienten in die Warteliste eine Art Rangfolge der Patienten erstellt wird, die jedem Patienten einen bestimmten Platz auf der Warteliste zuordnet. Eine derartige grundsätzliche Platzierung wird jedoch nicht vorgenommen und ist aufgrund der erforderlichen Übereinstimmung bestimmter physiologischer Merkmale von 1 Es ist nicht bekannt, dass in einzelnen Ländern kein Organmangel herrscht. 2 Hierzu zählen zum Beispiel ein zu schlechter Gesundheitszustand des Patienten, der der Durchführung einer schweren Operation entgegensteht, aber auch die mangelnde Bereitschaft und Fähigkeit des Patienten zur Mitwirkung an den erforderlichen Vor- und Nachuntersuchungen und –behandlungen (Compliance/Therapietreue). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 – 3000-095/12 Seite 7 Spender und Empfänger auch nicht möglich. Vielmehr wird eine Rangfolge der Patienten erst erstellt, wenn ein Spenderorgan zur Verfügung steht und ein Abgleich erforderlicher Daten erfolgen kann. Die Platzierung auf der Warteliste variiert insofern in Abhängigkeit vom jeweils verfügbaren Spenderorgan. Im zweiten Schritt erfolgt die Zuteilung (Allokation) der verfügbaren Spenderorgane auf die Patienten , die auf der Warteliste stehen. Da der Erfolg einer Transplantation wesentlich von der Übereinstimmung bestimmter physiologischer Merkmale – wie zum Beispiel der Blutgruppe – abhängt, ist die Kompatibilität von Spender und Empfänger weltweit eines der Hauptkriterien bei der Vermittlung der Spenderorgane. Darüber hinaus wird in der Regel die medizinische Dringlichkeit der Transplantation berücksichtigt. Für bestimmte Personen bestehen darüber hinaus teilweise besondere Regeln. So werden in einigen Ländern zum Beispiel Personen mit seltenen Gewebemerkmalen, hochimmunisierte Personen sowie Menschen mit bestimmten Blutgruppen3 bevorzugt bei der Zuteilung berücksichtigt. Dadurch sollen bestehende Nachteile aufgrund einer geringeren Wahrscheinlichkeit, dass verfügbare Spenderorgane kompatibel sind, ausgeglichen werden. Auch Kinder werden bei der Zuteilung von Organen – insbesondere bei Nieren – teilweise bevorzugt behandelt. Auch wenn bestimmte grundlegende Kriterien der Organallokation in allen Ländern übereinstimmend gelten, können andere von Land zu Land variieren. Derzeit existieren nicht in allen Ländern entsprechende Richtlinien. Zumindest auf Ebene der Mitgliedstaaten der Europäischen Union ist jedoch davon auszugehen, dass diese in Zukunft über derartige Richtlinien verfügen werden. Bis zum 27. August 2012 ist die EU-Richtlinie 2010/53/EU4 in nationales Recht umzusetzen. Nach Art. 4 der Richtlinie müssen alle Mitgliedstaaten ein System für Qualität und Sicherheit schaffen, das alle Phasen von der Spende bis zur Transplantation oder Entsorgung abdeckt.5 Die Organallokation kann entweder ausschließlich auf nationaler Ebene oder in staatenübergreifender Kooperation erfolgen, wie dies bei der Vermittlung durch die Stiftung Eurotransplant der Fall ist. Im Folgenden werden zunächst Länder betrachtet, die sich im Eurotransplant-Verbund befinden. Hierbei werden vor Betrachtung der speziellen nationalrechtlichen Regelungen allgemeine Informationen über Eurotransplant und deren Vermittlungsverfahren dargestellt. Im Anschluss daran werden Länder, bei denen die Organvermittlung auf nationaler Ebene angesiedelt ist, untersucht. 3 Organe eines Spenders mit der Blutgruppe 0 können zwar grundsätzlich unabhängig von der Blutgruppe allen Empfängern transplantiert werden, jedoch sind Personen mit der Blutgruppe 0 auf ein Spenderorgan mit derselben Blutgruppe angewiesen. Teilweise werden daher Personen mit der Blutgruppe 0 bei der Zuteilung von Organen , deren Spender ebenfalls die Blutgruppe 0 hat, bevorzugt. Vergleiche hierzu zum Beispiel http://www.bag.admin.ch/transplantation/00696/02570/03607/index.html?lang=de. 4 RICHTLINIE 2010/53/EU DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES vom 7. Juli 2010 über Qualitäts - und Sicherheitsstandards für zur Transplantation bestimmte menschliche Organe, im Internet abrufbar unter http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=OJ:L:2010:207:0014:0029:DE:PDF. Die Richtlinie wurde zunächst unter der Richtliniennummer 2010/45/EU veröffentlicht, die Bezeichnung jedoch im Nachhinein berichtigt. Vergleiche hierzu http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=OJ:L:2010:243:- 0068:0068:DE:PDF. 5 Derzeit befindet sich zum Beispiel in Österreich ein Gesetzesentwurf im Gesetzgebungsverfahren, der die Erstellung entsprechender Richtlinien vorsieht. Vergleiche hierzu Gliederungspunkt 3.6.1. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 – 3000-095/12 Seite 8 3. Länder im Eurotransplant-Verbund 3.1. Vermittlungsverfahren von Eurotransplant Die Stiftung Eurotransplant mit Sitz im niederländischen Leiden führt für die Mitgliedstaaten Belgien, Deutschland, Kroatien, Luxemburg, Niederlande, Österreich und Slowenien eine einheitliche Warteliste und vermittelt die verfügbaren Spenderorgane nach medizinischen und ethischen Gesichtspunkten. Durch die internationale Zusammenarbeit soll eine bessere Vermittlung der Organe ermöglicht werden. So erhöhen sich die Chancen, einen passenden Empfänger für ein Organ zu finden, mit der Zahl der auf ein Spenderorgan wartenden Patienten. Ziel ist dabei, möglichst für jedes Organ einen möglichst passenden Spender zu finden.6 Obwohl Eurotransplant eigene Richtlinien hinsichtlich der Organallokation erstellt hat (sog. Manual 7), erfolgt die Vergabe der Organe nicht in allen an Eurotransplant beteiligten Ländern einheitlich . Vielmehr muss Eurotransplant die jeweils geltenden nationalen Richtlinien bei der Zuteilung beachten.8 Die Berücksichtigung nationaler Besonderheiten erfolgt durch die Verankerung entsprechender Sonderklauseln im Manual.9 Aus diesem Grund gelten bestimmte Verfahrensregeln – wie zum Beispiel das in Deutschland praktizierte modifizierte bzw. beschleunigte Vermittlungsverfahren 10 – nur in einzelnen Ländern. Sofern keine landesspezifischen Regelungen gelten, finden die von Eurotransplant aufgestellten Kriterien Anwendung. Bei der Zuteilung durch Eurotransplant werden vier Prinzipien berücksichtigt. Hierbei handelt es sich um den zu erwartenden Erfolg nach der Transplantation, die durch Experten festgelegte Dringlichkeit, die Wartezeit und die nationale Organaustauschbilanz.11 Durch die Berücksichtigung der nationalen Austauschbilanz sollen die Benachteiligung einzelner Länder durch die Vermittlung über Eurotransplant vermieden und eine möglichst gerechte Verteilung der verfügbaren Organe erreicht werden. Aus diesem Grund soll die Zahl der von einem Land abgegebenen Organe und die Zahl der Organe, die dieses Land von anderen Ländern erhält, möglichst ausgeglichen werden. Länder mit einer negativen Austauschbilanz – die Zahl der abgegebenen Organe übersteigt die Zahl der erhaltenen Organe – werden bei der Organverteilung bevorzugt berücksichtigt . Bei der Verteilung von Spendernieren erhält ein Land mit einer negativen Austauschbilanz zum Beispiel Bonuspunkte und bei der Zuteilung von Spenderlebern besteht eine Angebotsverpflichtung seitens Eurotransplant.12 Da dieses Kriterium nicht medizinischer sondern politischer Natur ist, wird teilweise die Vereinbarkeit mit dem deutschen Transplantationsrecht – spe- 6 Allgemeine Informationen sind auf der Internetseite von Eurotransplant unter http://www.eurotransplant.org- /cms/index.php?page=pat_germany verfügbar. 7 Das Eurotransplant-Manual ist jedoch nicht veröffentlicht und stand daher der Verfasserin nicht zur Verfügung. Insofern konnte keine Auswertung des Manuals vorgenommen werden. 8 Das Parlament, Nr. 13, 26. März 2012, S. 3. 9 Vergleiche hierzu Bader (2010), S. 145. 10 Nach Auskunft der Deutschen Transplantationsgesellschaft (DTG) findet dieses Verfahren nur in Deutschland Anwendung. 11 Vergleiche hierzu Informationen von Eurotransplant, im Internet abrufbar unter http://www.eurotransplant.- org/cms/index.php?page=pat_germany. 12 Vergleiche hierzu Bader (2010), S. 405. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 – 3000-095/12 Seite 9 ziell mit § 12 Abs. 3 TPG – angezweifelt.13 Neben den genannten Kriterien fließt ein sog. Distanzfaktor in die Entscheidung über die Zuteilung verfügbarer Organe ein.14 Der zu erwartende medizinische Erfolg hängt von der Übereinstimmung bestimmter physiologischer Merkmale zwischen Spender und Empfänger ab. Einige davon wirken sich grundsätzlich auf den Transplantationserfolg aus, während andere nur bei der Transplantation bestimmter Organe Einfluss auf den Operationserfolg haben.15 Über ein Punktesystem, bei dem die einzelnen Faktoren unterschiedlich gewichtet sind, erfolgt die Vergabe der Organe. Eine Besonderheit gilt bei der Zuteilung von Nieren älterer Spender. Grundsätzlich werden Nieren durch das sog. Eurotransplant Kidney Allocation System (EKTAS) verteilt. Sofern der Spender jedoch das 65. Lebensjahr vollendet hat, werden dessen Nieren im Rahmen des sog. Eurotransplant Senior Programs (ESP) an Empfänger vergeben, die ebenfalls das 65. Lebensjahr bereits vollendet haben.16 Sofern innerhalb des Eurotransplant-Verbundes keine Vergabe des Spenderorgans möglich ist, wird das Organ außerhalb des Verbundes angeboten. 3.2. Deutschland 3.2.1. Rechtliche Grundlagen Die Grundlage des deutschen Transplantationsrechts ist das am 1. Dezember 1997 in Kraft getretene Gesetz über die Spende, Entnahme und Übertragung von Organen und Geweben (Transplantationsgesetz - TPG17). Es enthält die Voraussetzungen, die für die Entnahme, Vermittlung und Transplantation von Organen und Geweben erfüllt sein müssen. Hinsichtlich der Vermittlung von Organen sind sowohl Vorschriften zur Aufnahme von Patienten in die Warteliste als auch in Bezug auf die Verteilung verfügbarer Organe enthalten. Nach Maßgabe des TPG hat die Entscheidung über die Aufnahme in die Warteliste ebenso wie die Vermittlung der Organe nach Regeln zu erfolgen, die dem Stand der Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft entsprechen. Der Stand der Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft ist dabei von der Bundesärztekammer (BÄK) in Richtlinien festzustellen.18 Dieser gesetzlichen Verpflichtung ist die BÄK mit der Erstellung der Richtlinien für die Wartelistenführung und die Organvermittlung19 nachgekommen. Es besteht jeweils eine gesonderte Richtlinie für die Vermittlung der einzelnen Organe, somit für Herz, Lunge, Leber, Niere, Pankreas (Bauchspeicheldrüse) und Dünndarm. Die Richtlinien gliedern sich dabei jeweils in einen für alle vermittlungspflichtigen20 Organe identischen allgemei- 13 So zum Beispiel von Bader (2010), S. 406f. Eine Auseinandersetzung mit dieser Problematik kann im Rahmen dieser Ausarbeitung nicht erfolgen. 14 Ausführlich hierzu Bader (2010), S. 398ff. 15 Eine grobe Übersicht über die medizinischen Faktoren findet sich unter http://www.eurotransplant.org/cms/- index.php?page=organ_match_char. 16 Allgemeine Informationen sowie spezielle nationale Regelungen können der Internetseite von Eurotransplant entnommen werden, im Internet abruf unter http://www.eurotransplant.org/cms/index.php?page=esp. 17 Transplantationsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 4. September 2007 (BGBl. I S. 2206), zuletzt geändert durch Artikel 1 des Gesetzes vom 21. Juli 2012 (BGBl. I S. 1601). 18 Vergleiche hierzu § 16 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 und 5 TPG. 19 Diese sind im Internet abrufbar unter http://www.bundesaerztekammer.de/page.asp?his=0.7.45.8858.8870. 20 Dazu zählen nach § 1a Nr. 2 TPG die Organe Herz, Lunge, Leber, Niere, Bauchspeicheldrüse und Darm, sofern diese einem verstorbenen Spender entnommen wurden. Der Gesetzestext stellt diesbezüglich auf die §§ 3 und Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 – 3000-095/12 Seite 10 nen Teil und einen speziellen Teil, der besondere Vorschriften für die Vermittlung des jeweiligen Organs enthält. 3.2.2. Beteiligte Institutionen Die Vermittlung von Spenderorganen liegt in Deutschland in den Händen der sog. Vermittlungsstelle . Diese ist gemäß § 12 Abs. 2 S. 1 TPG für die Vermittlung der vermittlungspflichtigen Organe einzurichten oder zu beauftragen.21 Nach § 12 Abs. 2 S. 1 TPG kann der Sitz der Vermittlungsstelle auch außerhalb des Geltungsbereichs des Gesetzes liegen und diese Organe im Rahmen eines internationalen Organaustausches vermitteln. Die Vermittlung der Organe muss dabei gemäß § 12 Abs. 3 S. 1 TPG von der Vermittlungsstelle nach Regeln, die dem Stand der Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft entsprechen, insbesondere nach Erfolgsaussicht und Dringlichkeit für geeignete Patienten, erfolgen. Dabei sind die Wartelisten der Transplantationszentren als eine einheitliche Warteliste zu behandeln (§ 12 Abs. 3 S. 2 TPG). Als Vermittlungsstelle wird aufgrund einer vertraglichen Vereinbarung die Stiftung Eurotransplant tätig. Die von Eurotransplant anzuwendenden Vermittlungsregeln werden von der BÄK erstellt, die insofern am Vermittlungsprozess beteiligt ist. In den Vermittlungsprozess sind darüber hinaus die Transplantationszentren involviert, deren Ärzte über die Annahme bzw. Ablehnung von durch Eurotransplant angebotenen Spenderorganen entscheiden. Die Deutsche Stiftung Organtransplantation (DSO) ist hingegen nicht an der Vermittlung von Spenderorganen beteiligt und hat keinen Einfluss auf die Zuteilung der Organe. Die DSO ist jedoch Koordinationsstelle nach § 11 Abs. 1 S. 2 TPG und insofern für die Organisation der Spendenfälle zuständig. Im Vermittlungsverfahren tritt sie lediglich bei der Meldung eines verfügbaren Spenderorgans in Erscheinung. Steht ein Spenderorgan zur Verfügung, verschlüsselt sie nach Maßgabe des § 13 Abs. 1 S. 1 TPG die personenbezogenen Daten des Spenders und übermittelt diese an Eurotransplant. 3.2.3. Vermittlungsverfahren Wie bereits dargestellt ist die Aufnahme in die Warteliste der erste Schritt, um bei der Vergabe der Spenderorgane berücksichtigt zu werden. In Deutschland ist jedes Transplantationszentrum nach § 10 Abs. 2 Nr. 1 TPG verpflichtet, Wartelisten der zur Übertragung von vermittlungspflichtigen Organen angenommenen Patienten zu führen. Die Entscheidung über die Aufnahme in die Warteliste erfolgt dabei nach den Richtlinien der BÄK. Nach Maßgabe des TPG sind bei der Aufnahme in die Warteliste insbesondere Notwendigkeit und Erfolgsaussicht einer Organübertragung zu berücksichtigen. Neben den zu erfüllenden Voraussetzungen enthält die Richtlinie der BÄK sog. Kontraindikationen, also Faktoren, die einer Aufnahme in die Warteliste entgegenstehen . So kann zum Beispiel die fehlende Compliance des Patienten ein Ausschlusskriterium darstellen. 4 TPG ab, in denen die postmortale Organ-/Gewebespende geregelt ist. Die Regelungen zu den Wartelisten und den Vermittlungsverfahren von Organen gelten somit nicht für Spenderorgane, die lebenden Spendern entnommen wurden. Auf die Lebendspende wird daher im Rahmen dieser Ausarbeitung nicht eingegangen. 21 Die Einrichtung bzw. Beauftragung der Vermittlungsstelle erfolgt gemeinsam durch den Spitzenverband Bund der Krankenkassen, die BÄK und die Deutsche Krankenhausgesellschaft oder die Bundesverbände der Krankenhausträger . Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 – 3000-095/12 Seite 11 Sobald in Deutschland ein Spenderorgan zur Verfügung steht, wird dieses von der DSO an Eurotransplant gemeldet. Eurotransplant wiederum erstellt mit Hilfe eines organspezifischen algorithmischen Erkenntnisverfahrens auf Grundlage aller vorliegenden Patientendaten aus den Mitgliedstaaten 22 eine speziell auf das verfügbare Organ bezogene Warteliste. Die Patienten werden dann in der Reihenfolge ihrer Platzierung auf der Liste bei der Vergabe berücksichtigt. Zunächst wird das Organ dem Transplantationszentrum des auf der Liste erstplatzierten Patienten angeboten . Dieses sollte innerhalb von i.d.R. 30 Minuten bzw. bei Nieren innerhalb von einer Stunde entscheiden, ob das angebotene Organ für diesen Patienten angenommen wird. Besonderheiten gelten bei der Vergabe von sog. schwer vermittelbaren Organen. Dabei handelt es sich um Organe, deren Transplantation aus medizinischen Gründen nicht für alle Patienten angezeigt scheint. Mögliche Ursachen für eine Einstufung des Organs als schwer vermittelbar sind Funktionseinschränkungen des Organs oder bestimmte Vorerkrankungen des Spenders (Hepatitis , Meningitis etc.), ein höchst instabiler Zustand des Kreislaufs des Organspenders aber auch logistische oder organisatorische Gründe. Wird ein Organ als schwer vermittelbar eingestuft, gilt für dessen Vergabe ein modifiziertes oder beschleunigtes Vergabeverfahren. Das sog. modifizierte Vermittlungsverfahren findet Anwendung für Organe, die aufgrund von Vorerkrankungen des Spenders schwer vermittelbar sind. Dabei werden die entsprechenden Organe nur den Transplantationszentren angeboten, die gegenüber der Vermittlungsstelle die Bereitschaft zur Annahme derartiger Organe erklärt haben. Auf Patientenseite werden nur diejenigen berücksichtigt, die der Annahme eines schwer vermittelbaren Organs zugestimmt haben. Im Übrigen unterscheidet sich das Verfahren nicht vom Standardverfahren.23 Das sog. beschleunigte Vermittlungsverfahren („Rescue Allocation“) wird angewendet, wenn aufgrund einer Kreislaufinstabilität des Spenders oder aus logistischen oder organisatorischen Gründen der Verlust des Spenderorgans droht. Auch werden Organe im beschleunigten Verfahren vermittelt, wenn sie aus spender- oder organbedingten Gründen von drei bzw. fünf (bei Nieren ) Transplantationszentren abgelehnt wurden. Beim beschleunigten Verfahren erfolgt die Verteilung primär innerhalb einer Region. Eurotransplant stellt dabei dem Transplantationszentrum bzw. den Transplantationszentren eine Liste über mögliche Empfänger zur Verfügung. Der gegenwärtig am besten geeignete Patient wird von dem Zentrum bzw. den Zentren in der Reihenfolge der Auflistung ausgewählt. Sofern Patienten aus mehreren Transplantationszentren für die Zuteilung des Organs in Betracht kommen, erhält der Patient das Organ, dessen Transplantationszentrum als erstes das Angebot von Eurotransplant annimmt (sog. competetive center offer). Anwendung findet dieses Verfahren i.d.R. auch bei Spendern außerhalb des Eurotransplant- Verbundes.24 3.2.4. Kontrollmechanismen/Sanktionsmöglichkeiten Wie bereits dargestellt, liegt die Vermittlung der Organe in den Händen der international tätigen Stiftung Eurotransplant, wobei die diesbezüglich anzuwendenden Kriterien von der BÄK festge- 22 Patienten, die zum Zeitpunkt der Empfängersuche als nicht transplantabel gelten, werden im Vermittlungsverfahren nicht berücksichtigt. 23 Vergleiche hierzu Richtlinien der BÄK für die Wartelistenführung und die Organvermittlung, im Internet abrufbar unter http://www.bundesaerztekammer.de/page.asp?his=0.7.45.8858.8870. 24 Bader (2010), S. 165. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 – 3000-095/12 Seite 12 legt werden. Inwieweit die einschlägigen Richtlinien eingehalten werden, unterliegt der Kontrolle durch die BÄK. Zur Überprüfung von Allokationsauffälligkeiten hat die BÄK die sog. Prüfungskommission eingerichtet, die in regelmäßigen Abständen die Vermittlungsentscheidungen von Eurotransplant stichprobenartig kontrolliert.25 Ein Verstoß gegen die Vermittlungsrichtlinien stellt eine Ordnungswidrigkeit nach § 20 Abs. 1 Nr. 4 TPG dar, die nach § 20 Abs. 2 TPG mit einer Geldbuße von bis zu 30.000 Euro geahndet werden kann. 3.3. Belgien 3.3.1. Rechtliche Grundlagen In Belgien ist die Entnahme und Transplantation von Organen nach Maßgabe des im Jahr 1986 erlassenen und seitdem mehrfach geänderten Gesetzes über die Entnahme und Transplantation von Organen (Loi sur le prélèvement et la transplantation d'organes26, TPG-B) zulässig. Das Gesetz enthält u.a. Voraussetzungen für die Aufnahme in die Warteliste in einem belgischen Transplantationszentrum . Regelungen zur Zuteilung von Organen sind nicht im TPG-B enthalten. Diese wird zusammen mit der Entnahme von Organen im „Königlichen Erlass über die Entnahme und die Zuweisung von Organen menschlichen Ursprungs27 (KE)“ vom 24.11.1997 geregelt. 3.3.2. Beteiligte Institutionen Es ist keine belgische Institution bekannt, die mit der grundsätzlichen Koordination von Organspenden und Transplantationen betraut wäre. Jedoch wurde auf Grundlage von Art. 3 KE der sog. Belgische Transplantationsrat eingerichtet. Der Rat hat die Aufgabe, dem König Maßnahmen u.a. zur optimalen Zuweisung der entnommenen Organe vorzuschlagen. Inwieweit entsprechende Vorschläge unterbreitet und ggf. angenommen wurden, ist nicht bekannt. Die Organzuteilung selbst wird durch eine Organzuweisungseinrichtung übernommen. Diese muss vom belgischen König gem. Art. 13bis TPG-B zugelassen werden und ist gem. Art. 13bis TPG-B i.V.m. Art. 6 KE mit der Koordination der Organzuteilung zwischen Transplantationszentren verschiedener Mitgliedstaaten betraut. Bei der Organzuweisungseinrichtung handelt es sich um die Stiftung Eurotransplant. 3.3.3. Vermittlungsverfahren Am Anfang eines jeden Vermittlungsverfahrens steht die Aufnahme des Patienten in die Warteliste , die unter den Voraussetzungen des Art. 13ter TPG-B möglich ist. Um von den Transplantationszentren in die Warteliste aufgenommen zu werden, muss der Patient entweder die belgische 25 Ausführlichere Informationen hierzu sind im Internet abrufbar unter http://www.bundesaerztekammer.de/- page.asp?his=3.71.9972.10676.10717.10718. 26 Der französische Gesetzestext ist im Internet abrufbar unter http://www.aciirt.be/downloads/loi19860613- donorganes.pdf. Eine deutsche Übersetzung ist – bei Eingabe des Stichwortes Transplantation in die Suchmaske – als Word-Dokument abrufbar unter http://www.scta.be/getdoc/df9030b7-3ff3-4f0c-84fec 938425f3ca5/TitreOff.aspx. 27 Die offizielle deutsche Übersetzung des Königlichen Erlasses ist im Internet abrufbar unter http://www.scta.be/MalmedyUebersetzungen/downloads/19971124.med.pdf. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 – 3000-095/12 Seite 13 Staatsbürgerschaft besitzen oder seinen Wohnsitz seit 6 Monaten in Belgien haben. Ferner ist eine Aufnahme auch dann möglich, wenn der Patient die Staatsangehörigkeit eines Staates, der derselben Organzuteilungseinrichtung (Eurotransplant) angehört wie Belgien, besitzt oder dort seit 6 Monaten seinen Wohnsitz hat. Weitere Kriterien für die Aufnahme auf die Warteliste werden durch das Gesetz nicht geregelt. Die Eintragung und Anerkennung der Patienten obliegt insofern den Transplantationszentren, wobei von der Berücksichtigung bestimmter medizinischer Voraussetzungen ausgegangen werden kann. Geführt wird die Warteliste gem. Art. 1 Nr. 5 KE von der Organzuteilungsorganisation. Art. 7 § 2 KE legt fest, welche Zuteilungskriterien mindestens von der Organzuteilungsorganisation zu berücksichtigen sind. Neben der Kompatibilität zwischen Organ und Empfänger fließt die medizinische Dringlichkeit und die tatsächliche Wartezeit des Empfängerkandidaten, eine vernünftige Gleichwertigkeit zwischen Anzahl der aus Belgien exportierten und importierten Organe sowie die Distanz zwischen dem Zentrum, in dem das Organ entnommen wird, und demjenigen , in dem es transplantiert wird, in die Entscheidung ein. 3.3.4. Kontrollmechanismen/Sanktionen Die Kontrolle über die Anwendung des TPG-B und der zu seiner Ausführung ergangenen Erlasse obliegt nach Art. 16 TPG-B dem Föderalen Öffentlichen Dienst Volksgesundheit, Sicherheit der Nahrungsmittelkette und Umwelt oder der Föderalagentur für Arzneimittel und Gesundheitsprodukte .28 Im Rahmen dieser Kontrollfunktionen haben die Beamten der entsprechenden Behörden jederzeit ein Zugangsrecht zu den Krankenhäusern sowie ein Recht auf Einholung aller notwendigen Auskünfte und Dokumente. Verstöße gegen die geltenden Transplantationsregelungen können nach Maßgabe von Art. 17 TPG-B geahndet werden. Liegt ein Verstoß gegen Art. 13ter TPG-B und damit gegen die gesetzlichen Vorgaben hinsichtlich der Aufnahme in die Warteliste vor, kann dieser nach Art. 17 § 3 TPG-B mit einer Gefängnisstraße von drei Monaten bis zu einem Jahr und/oder einer Geldbuße von 1.000 bis 10.000 Euro geahndet werden. Informationen zu Skandalen im Zusammenhang mit der Organallokation liegen nicht vor. 3.4. Luxemburg 3.4.1. Rechtliche Grundlagen In Luxemburg ist die Entnahme von Organen im sog. „Loi du 25 novembre 1982 réglant le prélèvement de substances d´origine humaine29“ geregelt. Neben Bestimmungen zur postmortalen Organentnahme und der Lebendspende sind darin einige allgemeine Bestimmungen zum Transplantationsrecht enthalten. Vorschriften zur Organverteilung sind nicht im Gesetz enthalten . Es liegen keine Informationen über die Existenz von Richtlinien oder grundsätzlichen Vorgaben hinsichtlich der Führung einer Warteliste sowie der Allokation von Organen vor. 28 Welche der beiden Institutionen konkret zuständig ist, ist nicht bekannt. 29 Das Gesetz ist im Internet abrufbar unter http://www.legilux.public.lu/leg/a/archives/1982/0098/- a098.pdf#page=2. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 – 3000-095/12 Seite 14 3.4.2. Beteiligte Institutionen Auch Luxemburg gehört zu den europäischen Ländern, die einen Vertrag mit Eurotransplant hinsichtlich der Vermittlung von Organen abgeschlossen haben. Inwieweit auf Landesebene eine Institution besteht, die mit der Organisation der Organspende im Allgemeinen und der Vermittlung von Organen im Speziellen betraut ist, ließ sich nicht eindeutig klären. Zur teilweise als zuständig bezeichneten Institution Luxembourg-Transplant (Luxtransplant) konnten keine Informationen ermittelt werden.30 Soweit bekannt ist, übermittelt diese die Daten von Organspendern an Eurotransplant.31 3.4.3. Vermittlungsverfahren Nach den vorliegenden Informationen werden in Luxemburg seit einem Jahr keine Transplantationen mehr durchgeführt.32 Es ist nicht bekannt, wann die letzte Transplantation in Luxemburg stattgefunden hat. Dies gilt auch im Hinblick auf das vor Einstellung der Operationen praktizierte Vermittlungsverfahren. Derzeit werden luxemburgische Patienten, die auf ein Spenderorgan angewiesen sind, zur Behandlung ans Ausland verwiesen und dort auf die jeweilige Warteliste gesetzt . Es ist anzunehmen, dass die Zuteilung eines Organs nach den dort jeweils geltenden Vorschriften erfolgt. Inwieweit die luxemburgischen Patienten im Vergleich zu den Patienten des jeweils behandelnden Landes gleichberechtigt berücksichtigt werden, ist nicht bekannt. 3.4.4. Kontrollmechanismen/Sanktionsmöglichkeiten Es ist nicht bekannt, ob und wie ggf. die Vermittlungstätigkeit von Eurotransplant kontrolliert wird. Anzunehmen ist, dass eine Kontrolle nach den Regelungen des behandelnden Landes erfolgt . 3.5. Niederlande 3.5.1. Rechtliche Grundlagen In den Niederlanden sind die grundsätzlichen Regelungen zum Transplantationsrecht im sog. Wet op de orgaandonatie (WOP33) festgelegt. Die Vermittlung von Organen erfolgt nach Maßgabe von Art. 18 WOP. Danach ist das sog. Organzentrum für die Organzuteilung zuständig. Die Allokationsentscheidung darf dabei lediglich auf Grundlage der Blut- und Gewebeübereinstimmung von Organspender und -empfänger, der medizinischen Dringlichkeit und anderer, mit dem Zustand des Organs zusammenhängender Umstände erfolgen. Sofern anhand dieser Faktoren keine Entscheidung getroffen werden kann, wird die Wartezeit der Patienten berücksichtigt. Nach Art. 18 WOP können durch allgemeine Rechtsverordnung darüber hinaus nähere Regeln be- 30 Zwar verweist zum Beispiel die Gesundheit Österreich GmbH (GÖG) auf Luxtransplant (vergleiche http://www.goeg.at/de/Bereich/Mitgliedschaft-Eurotransplant.html), allerdings führt der angegebene Link nicht auf die Internetseite dieser Institution. Eine andere Internetadresse ist nicht ermittelbar. 31 Vergleiche hierzu http://www.tageblatt.lu/nachrichten/luxemburg/story/10456559. 32 Vergleiche hierzu Angaben des luxemburgischen Gesundheitsministeriums, zitiert in einem Artikel von Tageblatt Online, im Internet abrufbar unter http://www.tageblatt.lu/nachrichten/luxemburg/story/10456559. 33 Der Gesetzestext in Originalsprache ist im Internet abrufbar unter http://wetten.overheid.nl/BWBR0008066/- geldigheidsdatum_22-08-2012. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 – 3000-095/12 Seite 15 stimmt werden. Es ist jedoch nicht bekannt, ob entsprechende Rechtsverordnungen oder Richtlinien vorliegen. 3.5.2. Beteiligte Institutionen Die Aufgaben des nach Art. 18 WOP für die Vermittlung zuständigen Organzentrums wurde der Nederlandse Transplantatie Stichting (NTS) übertragen. Die NTS hat die Vermittlung von Organen an die Stiftung Eurotransplant abgegeben.34 Sie ist daher nicht direkt in den Vermittlungsprozess eingebunden, sondern übermittelt lediglich die Patientendaten von Spendern und Patienten auf der Warteliste an Eurotransplant. Die Vermittlung der Organe erfolgt über Eurotransplant . 3.5.3. Vermittlungsverfahren Nach den vorliegenden Informationen entscheiden die Transplantationszentren über die Aufnahme in die nationale Warteliste. Die Entscheidung, welche Patienten mit welchen Daten in die Warteliste aufgenommen werden, trifft das gesamte Transplantationsteam (Ärzte und Pflegepersonal ) gemeinsam. Inwieweit diesbezüglich national einheitliche Kriterien gelten und ob diese ausschließlich medizinischer Natur sind, ist nicht bekannt.35 Die Allokation verfügbarer Spenderorgane erfolgt grundsätzlich durch Eurotransplant, wobei die letztendliche Entscheidung über die Annahme des Organangebots bei den Transplantationszentren liegt. Nach Angaben niederländischer Ärzte wird in fast allen Fällen („99,9 Prozent“) das Organ dem Patienten transplantiert, der von Eurotransplant vorgeschlagen wurde. In den Fällen, in denen das Transplantationsteam das angebotene Organ als nicht passend für den vorgeschlagenen Patienten einstuft, wird das Organ vom Transplantationszentrum einem anderen Patienten zugeteilt.36 3.5.4. Kontrollmechanismen/Sanktionsmöglichkeiten Es liegen keine Informationen über bestehende Kontrollmechanismen sowie Sanktionsmöglichkeiten vor. Es sind keine Betrugsfälle bei der Organzuteilung bekannt. Zurückgeführt wird das auf das sog. „Mehraugenprinzip“, dessen Einführung im Zuge der aktuellen Diskussion zum Teil auch für das deutsche Transplantationsrecht gefordert wird.37 34 Vergleiche hierzu Informationen auf der Internetseite von NTS, im Internet abrufbar unter http://www.transplantatiestichting.nl/, insbesondere http://www.transplantatiestichting.nl/transplantatie/- orgaantransplantatie/betrokken-organisaties. 35 Vergleiche hierzu einen Bericht der Tagesschau vom 10. August 2012, im Internet abrufbar unter http://www.tagesschau.de/ausland/organ110.html. 36 Vergleiche Fn. 35. 37 Vergleiche Fn. 35. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 – 3000-095/12 Seite 16 3.6. Österreich 3.6.1. Rechtliche Grundlagen und Institutionen In Österreich existiert kein spezielles Transplantationsgesetz, das die rechtlichen Grundlagen der Organspende und –transplantation regelt. Vielmehr sind entsprechende Regelungen Bestandteil des Bundesgesetzes über Krankenanstalten und Kuranstalten (KAKuG38). Einschlägig sind die §§ 62a bis 62e KAKuG, in denen die Grundvoraussetzungen für eine postmortale Organentnahme geregelt sind. Jedoch sind weder im KAKuG noch in anderen Gesetzen Vorschriften zur Zuteilung von verfügbaren Spenderorganen zu finden. Insofern gibt es derzeit in Österreich keine gesetzlichen Vorgaben hinsichtlich der zu berücksichtigenden Vermittlungskriterien.39 Auch in Bezug auf die Aufnahme von Patienten in die Wartelisten existieren in Österreich keine Regelungen. Die Auswahl der Patienten, die in die Wartelisten aufgenommen werden, liegt im Ermessen der behandelnden Ärzte. Berücksichtigt werden dabei verschiedene Kriterien, von denen einige nicht-medizinischer Natur sind. Hierzu zählen: das Lebensalter, andere körperliche Voraussetzungen, Intellekt, Einsichtsfähigkeit sowie Disziplin und Gehorsam gegenüber den behandelnden Ärzten. Die letztgenannten Punkte dienen der Sicherstellung der postoperativen Therapie.40 Anderen Quellen zufolge fließen in die Entscheidung darüber hinaus wirtschaftliche Überlegungen sowie das soziale Umfeld ein.41 Es ist jedoch nicht bekannt, um welche konkreten Faktoren es sich hierbei handelt. Aktuell befindet sind der Ministerialentwurf eines Organtransplantationsgesetzes (OTPG42) im österreichischen Gesetzgebungsverfahren. Dieser dient der Umsetzung einer EU-Richtlinie43 zur Angleichung der auf europäischer Ebene bestehenden Unterschiede der Qualitäts- und Sicherheitsstandards bei der Entnahme und Transplantation von Organen. § 10 Satz 1 OTPG-Entwurf sieht vor, dass die Gesundheit Österreich GmbH (GÖG)44 unter Einbindung des bei ihr zur Beratung in Transplantationsfragen eingerichteten Beirats Richtlinien für alle Phasen von der Spende bis zur Transplantation oder Entsorgung zu erarbeiten und im Internet zu veröffentlichen hat. Die Richtlinien haben Verfahrensweisen hinsichtlich der Regeln für die Zuteilung von Organen zu 38 Bundesgesetz über Krankenanstalten und Kuranstalten (KAKuG) StF: BGBl. Nr. 1/1957 (NR: GP VIII AB 164 S. 22. BR: S. 121.), im Internet abrufbar unter http://www.ris.bka.gv.at/GeltendeFassung/Bundesnormen/- 10010285/KAKuG%2c%20Fassung%20vom%2015.08.2012.pdf. 39 Vergleiche hierzu Böning (2009), S. 153. 40 Vergleiche hierzu Grießler (2006), S. 135. 41 Hohmann (2003), S. 153. 42 Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Transplantation von menschlichen Organen (Organtransplantationsgesetz - OTPG) eingeführt werden soll, der Gesetzestext sowie der Stand des Gesetzgebungsverfahrens sind im Internet abrufbar unter http://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXIV/ME/ME_00401/index.shtml. 43 Richtlinie 2010/53/EU über Qualitäts- und Sicherheitsstandards für zur Transplantation bestimmte menschliche Organe, ABl. Nr. L 207 vom 06.08.2010, S. 14 (berichtigt durch ABl. Nr. L 243 vom 16.09.2010, S. 68). Nach Art. 4 der Richtlinie haben die Mitgliedstaaten ein System von Qualität und Sicherheit einzurichten. Vergleiche hierzu Erläuterungen zum Entwurf des Organtransplantationsgesetzes, im Internet abrufbar unter http://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXIV/ME/ME_00401/fname_263176.pdf . 44 Die GÖG wurde als nationales Forschungs- und Planungsinstitut für das Gesundheitswesen und als entsprechende Kompetenz- und Förderstelle für die Gesundheitsförderung am 1. August 2006 per Bundesgesetz errichtet . Informationen zur GÖG sind im Internet abrufbar unter http://www.goeg.at/. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 – 3000-095/12 Seite 17 enthalten (§ 10 Satz 2 Nr. 4 OTPG-Entwurf), die dem Stand der medizinischen Wissenschaft – insbesondere nach Erfolgsaussicht und Dringlichkeit für geeignete Patientinnen/Patienten – zu entsprechen haben. Die Kriterien der Stiftung Eurotransplant International sind dabei zu berücksichtigen . Es ist derzeit nicht absehbar, inwieweit der Gesetzesentwurf in der derzeitigen Fassung nach Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens tatsächlich in Kraft treten wird, auch liegt bislang kein Entwurf der Zuteilungsrichtlinie vor. Über die zukünftig geltenden Kriterien kann daher derzeit nur gemutmaßt werden. 3.6.2. Beteiligte Institutionen In Österreich existiert keine nationale Vermittlungsstelle. Die Vermittlung der Organe erfolgt über Eurotransplant. Daneben sind auch die Transplantationszentren am Vermittlungsverfahren beteiligt. Dies ist zum einen im Vorfeld des eigentlichen Vermittlungsverfahrens bei der Entscheidung über die Aufnahme in die Warteliste der Fall. Zum anderen liegt die Entscheidung über die Zuteilung des Organs in bestimmten Fällen bei den Transplantationszentren.45 3.6.3. Vermittlungsverfahren Steht ein Spenderorgan in Österreich zur Verfügung, wird dies von der jeweiligen Krankenanstalt an den zuständigen Transplantationskoordinator gemeldet. Dieser meldet das verfügbare Organ seinerseits an die für die Vermittlung zuständige Stiftung Eurotransplant. Es erfolgt keine nationale Koordinierung. Die Vermittlung der Organe erfolgt nach den von Eurotransplant festgelegten Kriterien an die Patientinnen und Patienten, die auf den Wartelisten für die einzelnen Organe stehen. Die Vermittlungskriterien für die einzelnen Organe unterscheiden sich, wobei Erfolgsaussicht und Dringlichkeit, geografische Zuteilungskriterien sowie die Wartedauer im Vordergrund stehen.46 Da Österreich derzeit keine eigenen Zuteilungskriterien formuliert hat, erfolgt die Zuteilung der Organe anhand der Kriterien von Eurotransplant und insofern nicht nach den Kriterien, die in Deutschland Anwendung finden.47 Wird das gemeldete Organ nicht von Eurotransplant benötigt, kann das meldende Transplantationszentrum selbstständig – ohne Vorgaben – über die Zuteilung des Organs entscheiden. Dies ist dann der Fall, wenn kein Patient hochdringlich das Organ benötigt oder es keine ideale Übereinstimmung der Gewebemerkmale des Spenders mit einem Empfänger gibt. Nach den vorliegenden Informationen sind die in den einzelnen Krankenanstalten angewendeten Kriterien nicht schriftlich niedergelegt und unterscheiden sich.48 Es ist nicht bekannt, wie häufig eine Zuteilung des Organs in die Zuständigkeit des Transplantationszentrums fällt. 3.6.4. Kontrollmechanismen/Sanktionsmöglichkeiten Aufgrund der fehlenden rechtlichen Regelungen der Zuteilungskriterien bestehen in Österreich auch keine diesbezüglichen Kontrollmechanismen bzw. Sanktionsmöglichkeiten. Verstöße gegen 45 Vergleiche hierzu Gliederungspunkt 3.6.3. 46 Vergleiche hierzu Angaben des österreichischen Bundesministeriums für Gesundheit, im Internet abrufbar unter http://www.bmg.gv.at/home/Schwerpunkte/Medizin/Blut_Gewebe_Organe/Organe/. 47 Vergleiche Böning (2009), S. 154. 48 Vergleiche Böning (2009), S. 154 sowie Hohmann (2003), S. 152f. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 – 3000-095/12 Seite 18 die Vereinbarungen mit Eurotransplant werden nicht geahndet, es erfolgt lediglich eine Rechtfertigung des entsprechenden Transplantationszentrums gegenüber Eurotransplant.49 Es liegen keine Informationen über eventuell in der Vergangenheit in Österreich aufgetretene Skandale im Zusammenhang mit der Organspende vor. 4. Staaten außerhalb des Eurotransplant-Verbundes Wie bereits dargestellt, haben sich nur sieben europäische Staaten für die Vermittlung von Spenderorganen über die Stiftung Eurotransplant entschieden. Die im Folgenden dargestellten Länder teilen verfügbare Organe auf nationaler Ebene zu. 4.1. Großbritannien 4.1.1. Rechtliche Grundlagen Die Rechtsgrundlage für die Organentnahme bildet der Human Tissue Act50 aus dem Jahr 2004, der den bis dahin geltenden Human Tissue Act aus dem Jahr 1961, den Anatomy Act aus dem Jahr 1984 sowie den Human Organ Transplant Act aus dem Jahr 1989 ersetzte. Soweit ersichtlich, sind darin keine speziellen Regelungen hinsichtlich der Organallokation enthalten. Für jedes Organ existieren detaillierte Allokationskriterien, die von speziellen Arbeitsgruppen (advisory groups) in Zusammenarbeit mit dem Gesundheitsministerium erarbeitet wurden.51 4.1.2. Beteiligte Institutionen Die Vermittlung von Spenderorganen in Großbritannien liegt seit dem Jahr 2005 in den Händen von National Health Service Blood and Transplant (NHSBT52). Alle Patienten, die auf ein Spenderorgan warten, werden in einer Warteliste (National Transplant Database) registriert. Die Führung der Warteliste obliegt ebenso wie die Zuteilung der Organe der NHSBT. 4.1.3. Vermittlungsverfahren Mögliche Organspender werden an die NHSBT gemeldet, die dann nach den einschlägigen Allokationsrichtlinien eine Zuteilung der Organe vornimmt. Bei der Zuteilung der Organe werden die Kriterien Blutgruppe, Alter und Größe von Spender und Empfänger sowie bei Nieren die Übereinstimmung der Gewebe (tissue type match) berücksichtigt. Bei Patienten, die auf ein Herz oder eine Leber warten, ist darüber hinaus die Dringlichkeit der Transplantation ein Zuteilungskriterium . Die Vergabe des Organs erfolgt vorrangig an Patienten, die dringend auf die Transplantati- 49 Vergleiche Böning (2009), S. 156f. 50 Der Originalgesetzestext ist im Internet abrufbar unter http://www.legislation.gov.uk/ukpga/2004/- 30/pdfs/ukpga_20040030_en.pdf. 51 Die einzelnen Richtlinien sind abrufbar unter http://www.organdonation.nhs.uk/ukt/about_- transplants/organ_allocation/organ_allocation.asp. Eine Auswertung der Richtlinien war aufgrund des beschränkten zeitlichen Rahmens nicht möglich. Informationen zu den advisory groups finden sich im Internet unter http://www.organdonation.nhs.uk/ukt/about_us/advisory_groups/advisory_groups.asp. 52 Die NHSBT entstand aus dem Zusammenschluss von UK Transplant und dem National Blood Service. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 – 3000-095/12 Seite 19 on angewiesen sind (urgent patient). Sofern sich kein Patient mit einer entsprechenden Einstufung auf der Warteliste befindet, erfolgt die Zuteilung unter Berücksichtigung des Alters und der Übereinstimmung der Blutgruppe von Spender und Empfänger. Um die Zeit zwischen Organentnahme und Transplantation möglichst gering zu halten, fließt auch die räumliche Entfernung zwischen Spender und möglichem Empfänger in die Entscheidung ein.53 4.1.4. Kontrollmechanismen/Sanktionsmöglichkeiten Es liegen keine Informationen über Kontrollmechanismen sowie Sanktionsmöglichkeiten im Hinblick auf das Organvermittlungsverfahren vor. 4.2. Schweiz 4.2.1. Rechtliche Grundlagen In der Schweiz existieren bereits auf Verfassungsebene Regelungen hinsichtlich des Transplantationsrechts . Nach Art. 119a Bundesverfassung54 erlässt der Bund Vorschriften auf dem Gebiet der Transplantation. Dabei legt er insbesondere Kriterien für eine gerechte Zuteilung von Organen fest. Grundlage für das Transplantationswesen ist das Transplantationsgesetz (TPG-S55) in der Schweiz. Darin sind die Rahmenbedingungen für die Transplantation von Organen einschließlich der maßgebenden Kriterien für die Zuteilung der Organe enthalten. Das TPG Schweiz wird konkretisiert durch die Organzuteilungsverordnung (OZV56) sowie die Organzuteilungsverordnung EDI (OZV EDI57). Die OZV enthält Bestimmungen hinsichtlich der Aufnahme von Patienten in die Warteliste sowie allgemeine und organspezifische Zuteilungskriterien und –prioritäten. Die Zuteilungskriterien wiederum werden durch die OZV EDI konkretisiert. 4.2.2. Beteiligte Institutionen Die Schweiz gehört nicht zu den Mitgliedstaaten von Eurotransplant. Mit der auf nationaler Ebene stattfindenden Vermittlung von Spenderorganen ist gemäß Art. 19 TPG-S in der Schweiz die sog. Nationale Zuteilungsstelle betraut. Nach Art. 38 Abs. 1 OZV ist dies die Schweizer Stiftung für Organspende und Transplantation (Swisstransplant). Dieser obliegt nach Art. 19 TPG-S sowohl die Führung der gesamtschweizerischen Warteliste als auch die Organzuteilung. Darüber hinaus sind auch die Transplantationszentren am Verteilungsverfahren beteiligt. Zum einen entscheiden sie – unter Berücksichtigung gesetzlicher Vorgaben – über die Aufnahme der Patienten 53 Vergleiche hierzu http://www.organdonation.nhs.uk/ukt/about_transplants/organ_allocation/- organ_allocation.asp. 54 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 (Stand am 11. März 2012), im Internet abrufbar unter http://www.admin.ch/ch/d/sr/101/index.html. 55 Bundesgesetz über die Transplantation von Organen, Geweben und Zellen (Transplantationsgesetz) vom 8. Oktober 2004 (Stand am 1. Juli 2007), im Internet abrufbar unter http://www.admin.ch/ch/d/sr/8/810.21.de.pdf. 56 Verordnung über die Zuteilung von Organen zur Transplantation (Organzuteilungsverordnung) vom 16. März 2007 (Stand am 15. Oktober 2008), im Internet abrufbar unter http://www.admin.ch/ch/d/sr/8/810.212.4.de.pdf. 57 Verordnung des EDI (Eidgenössisches Departement des Innern) über die Zuteilung von Organen zur Transplantation (Organzuteilungsverordnung EDI) vom 2. Mai 2007 (Stand am 1. Juli 2012), im Internet abrufbar unter http://www.admin.ch/ch/d/sr/8/810.212.41.de.pdf . Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 – 3000-095/12 Seite 20 in die Warteliste. Zum anderen entscheidet Swisstransplant nach Rücksprache mit den Transplantationszentren über die Zuteilung der Organe. 4.2.3. Vermittlungsverfahren Die Entscheidung über die Aufnahme in die Warteliste liegt bei den Transplantationszentren, die hierbei ausschließlich medizinische Gründe berücksichtigen dürfen (Art. 21 Satz 2 TPG-S). Jeder Patient darf nur einmal auf der Warteliste für das jeweilige Organ stehen. Konkrete Vorgaben zur Führung der Warteliste einschließlich bestimmter Aufnahmekriterien sind in den Art. 3-8 OZV enthalten. Für Personen, die keinen Wohnsitz in der Schweiz haben, gelten neben den grundsätzlich zu erfüllenden Voraussetzungen (medizinische Indikation, fehlende Kontraindikationen) zusätzliche Kriterien. Im Hinblick auf die Organzuteilung sind die Art. 16 – 18 TPG-S einschlägig. Berücksichtigt werden die Kriterien medizinische Dringlichkeit, Wohnsitz in der Schweiz, medizinischer Nutzen und Wartezeit.58 Augenmerk wird darüber hinaus auf die Chancengleichheit der Patienten, die auf ein Spenderorgan warten, gelegt. So werden Personen mit bestimmten physiologischen Merkmalen59 – die zu einer Verringerung der Wahrscheinlichkeit, ein passendes Spenderorgan zu erhalten, führen können – bei der Vergabe von Spenderorganen besonders berücksichtigt. Die eigentliche Zuteilung der Organe erfolgt in enger Zusammenarbeit mit den Transplantationszentren . Swisstransplant gleicht die medizinischen Daten des Spenderorgans mit denen der Patienten , die sich auf der Warteliste befinden, mit Hilfe eines internetbasierten Computerprogramms (SOAS – Swiss Organ Allocation System) ab und trifft eine erste Auswahl. Nach erfolgter Rückversicherung bei den Transplantationszentren der möglichen Empfänger hinsichtlich der Aktualität der Empfängerdaten, entscheidet Swisstransplant über die Organzuteilung.60 Sofern für ein verfügbares Spenderorgan in der Schweiz kein passender Empfänger gefunden werden kann, wird dieses im Ausland angeboten. Zu diesem Zweck bestehen Übereinkünfte mit anderen Ländern. 4.2.4. Kontrollmechanismen/Sanktionsmöglichkeiten In der Schweiz sind Kontrollmechanismen und Sanktionsmöglichkeiten Bestandteil der gesetzlichen Grundlagen zum Transplantationsrecht. So obliegt dem BAG nach Art. 63 Abs. 1 TPG-S die Kontrolle über die Einhaltung des TPG-S. Zur Erfüllung dieser Kontrollaufgabe sind in Art. 63 58 Auf die detaillierte Darstellung der einzelnen Kriterien wird im Rahmen dieser Ausarbeitung verzichtet. Diese können der ODV EDI entnommen werden. 59 Dies betrifft vor allem hochimmunisierte Personen, deren Blut eine große Anzahl verschiedener Antikörper aufweist, und Menschen mit der Blutgruppe 0, die nur Organe mit derselben Blutgruppe empfangen können, während Organe von Spendern mit der Blutgruppe 0 grundsätzlich allen Patienten unabhängig von ihrer Blutgruppe transplantiert werden können. Vergleiche hierzu http://www.bag.admin.ch/transplantation/00696/- 02570/03607/index.html?lang=de. 60 Zum Ablauf des Zuteilungsverfahrens vergleiche die Informationen des Bundesministeriums für Gesundheit (BAG), im Internet abrufbar unter http://www.bag.admin.ch/transplantation/00696/02570/02571/- index.html?lang=de, aber auch Informationen von Swisstransplant, im Internet abrufbar unter https://www.swisstransplant.org/l1/organspende-transplantation/organspende-transplantation-spenderempfaenger -zuteilung-koordination-warteliste.php. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 – 3000-095/12 Seite 21 Abs. 2 und 3 TPG-S Rechte des BAG festgelegt. So kann es notwendige Proben erheben und die Zollorgane mit einer derartigen Erhebung beauftragen, erforderliche Auskünfte und Unterlagen verlangen und die erforderliche Unterstützung anfordern. Auch hat das BAG das Recht zum Betreten von Grundstücken, Betrieben und Räumen sowie zur Durchsuchung von Fahrzeugen. Sämtliche am Transplantationsprozess beteiligte Personen und Institutionen sind nach Art. 64 TPG-S zur Unterstützung des BAG verpflichtet. Zur Sanktionierung von Vergehen gegen die einschlägigen Bestimmungen enthält das TPG-S in den Art. 69ff. TPG-S Strafbestimmungen. Diese beziehen sich auch auf die Vorschriften hinsichtlich der Wartelistenführung und der Organzuteilung. Wer vorsätzlich Personen bei der Aufnahme in die Warteliste oder bei der Zuteilung von Organen diskriminiert oder Organe nicht nach den maßgebenden Kriterien zuteilt, wird mit Gefängnis oder einer Geldbuße bis zu 200.000 Franken bestraft. Erfolgt die Tat fahrlässig, beträgt die Strafe bis zu sechs Monate Gefängnis oder eine Geldbuße von bis zu 100.000 Franken. Bei einer gewerbsmäßigen Tat kann eine Gefängnisstrafe von bis zu fünf Jahren oder eine Geldbuße von bis zu 500.000 Franken verhängt werden. Eine Verletzung von Meldepflichten – zu der zum Beispiel die Meldung über die Aufnahme in die Warteliste gehört – kann nach Art. 70 TPG-S ebenfalls mit Gefängnis oder einer Geldbuße von bis zu 50.000 Franken bestraft werden. Es liegen keine Informationen über eventuelle Unregelmäßigkeiten bei der Organvergabe und daraus resultierende Skandale in der Schweiz vor. 4.3. Vereinigte Staaten von Amerika 4.3.1. Rechtliche Grundlagen Der National Organ Transplant Act (NOTA), der im Jahr 1984 in Kraft getreten ist, bildet die Grundlage für das Transplantationsrecht in den Vereinigten Staaten von Amerika (USA). Darüber hinaus existieren verschiedene Richtlinien bzw. Grundsätze (sog. policies) zur Wartelistenführung und Organallokation.61 4.3.2. Beteiligte Institutionen Das United Network for Organ Sharing (UNOS) ist eine privatrechtliche Institution, der u.a. die Erstellung einheitlicher Allokationsrichtlinien obliegt. Das Organ Procurement and Transplantation Network (OPTN) wird von der UNOS im Auftrag des Department of Health and Human Services (DHHS) geführt und ist u.a. für die Erstellung der Richtlinien hinsichtlich der Organspende verantwortlich. Als Bindeglied zwischen dem Organspender und dem –empfänger werden die sog. Organ Procurement Organizations (OPO) tätig. Derzeit existieren 58 dieser Institutionen, die für alle Transplantationszentren in einer bestimmten Region organisatorische Aufgaben übernehmen , u.a. die Vermittlung von Organen. 62 Hierzu hat jede OPO gemäß NOTA eigene Allokationsrichtlinien zu erstellen. Inwieweit diese US-weit vereinheitlich sind, ist nicht bekannt. 61 Diese sind im Internet abrufbar unter http://optn.transplant.hrsa.gov/policiesAndBylaws/policies.asp. 62 Vergleiche hierzu UNOS (2008) S. 9 sowie UNOS (2011), S. 4f. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 – 3000-095/12 Seite 22 4.3.3. Vermittlungsverfahren Auch in den USA ist die Aufnahme in eine Warteliste Grundvoraussetzung für die Zuteilung eines Organs. Dieser Grundsatz ist in den Richtlinien von UNOS bezüglich der Warteliste63 geregelt . Anders als in anderen Staaten existiert in den USA nicht nur eine – von UNOS geführte – nationale Warteliste. Vielmehr führt jedes Transplantationszentrum eine eigene Warteliste.64 Über die Aufnahme in die jeweilige Liste entscheiden die einzelnen Transplantationszentren. Es gibt keine Vorgaben dahingehend, dass sich ein Patient auf die Warteliste eines bestimmten Transplantationszentrums setzen lassen muss. Die Entscheidung liegt allein beim Patienten. Hat sich dieser für ein Transplantationszentrum entschieden, nimmt er mit diesem Kontakt auf. In einem Gespräch mit dem Transplantationsteam wird evaluiert, ob der Patient sich als Organempfänger eignet und in die Warteliste aufgenommen wird. In diese Entscheidung fließen neben den medizinischen Faktoren auch wirtschaftliche und soziale Aspekte ein. So werden im Evaluationsgespräch sowohl die finanzielle Situation einschließlich des Krankenversicherungsstatus und sonstiger vorhandener Ressourcen als auch vorhandene Unterstützung im familiären Umfeld und Freundeskreis thematisiert.65 Kommt das Transplantationszentrum zu der Einschätzung, dass der Patient geeignet ist, wird dieser auf die Warteliste gesetzt. Es ist nicht bekannt, wie die genannten Faktoren gewichtet werden und ob die Aufnahme in die Warteliste allein aus finanziellen Gründen abgelehnt werden kann. Darüber hinaus ist nicht bekannt, inwieweit sich die angewendeten Regelungen von Transplantationszentrum zu Transplantationszentrum unterscheiden. Zwar liegen Informationen darüber vor, dass nach Vorgaben des DHHS aus dem Jahr 1998, die – trotz zunächst starker Kritik seitens der UNOS – im Jahr 1999 in Kraft getreten sind, US-weit einheitliche Kriterien hinsichtlich der Aufnahme in die Warteliste erstellt werden sollten.66 Die geltende Richtlinie bezüglich der Warteliste enthält jedoch keine entsprechenden Regelungen. Die Tatsache , dass ein Patient nach der Ablehnung eines Transplantationszentrums hinsichtlich der Aufnahme in die Warteliste sich bei einem anderen Transplantationszentrum um die Aufnahme in dessen Warteliste bemühen kann67, spricht ebenfalls gegen das Vorhandensein einheitlicher Regelungen . Unabhängig davon, ob ein Patient bereits bei einem Transplantationszentrum auf der Warteliste steht, kann er sich jederzeit bei weiteren Transplantationszentren um die Aufnahme in die Warteliste bewerben. Die Aufnahme in mehrere Listen ist möglich (sog. multiple listing) und kann sich unter Umständen positiv auf die Wartezeit auswirken.68 Da die einzelnen Transplantationszentren teilweise eigene Tests durchführen, sind ggf. Doppeluntersuchungen erforderlich. Nicht alle Krankenversicherungen übernehmen die Kosten für doppelte Untersuchungen, insofern ist 63 Organ Distribution: UNOS Patient Waiting List, im Internet abrufbar unter http://optn.transplant.hrsa.gov/- PoliciesandBylaws2/policies/pdfs/policy_4.pdf. 64 Das genaue Verhältnis dieser Wartelisten zueinander ist unklar. So ist nicht bekannt, ob die regional erstellten Wartelisten im Rahmen des Zuteilungsprozesses zusammengeführt werden oder zunächst stets eine regionale (ggf. unter Berücksichtigung der medizinischen Dringlichkeit) und ggf. im Anschluss eine nationale Vermittlung erfolgt. Vergleiche hierzu die folgenden Ausführungen. 65 UNOS (2011), S. 7. 66 Schweizerischer Bundesrat (2001), S. 104f. 67 Vergleiche hierzu UNOS (2011), S. 13. 68 Dieser Vorteil besteht allerdings nicht bei der Aufnahme in die Warteliste von zwei oder mehr Transplantationszentren , die zu einer OPO gehören, UNOS (2011), S. 7 und 14. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 – 3000-095/12 Seite 23 es zum Teil von der finanziellen Situation der Patienten abhängig, ob sie sich um die Aufnahme in mehrere Wartelisten bemühen. Steht ein Organ zur Verfügung, erfolgt durch das Computersystem der UNOS die Erstellung einer organspezifischen Warteliste. Die Allokationskriterien unterscheiden sich dabei von Organ zu Organ, stellen jedoch weder auf den Wohlstand, sozialen Status oder die Staatsbürgerschaft ab.69 Auch das Geschlecht sowie die Religion sind unbeachtlich.70 Berücksichtigt werden vielmehr die Übereinstimmung bestimmter physiologischer Daten (einschließlich Größe und Gewicht) sowie die medizinische Dringlichkeit einer Transplantation. Aber auch die räumliche Entfernung zwischen dem Krankenhaus des Spenders und dem des Empfängers, die Zahl der Spender in der Region71 und die Kriterien des Transplantationszentrums/OPO hinsichtlich der Annahme von Organen fließen in die Erstellung der jeweiligen Rangfolge ein.72 Patienten, die in der Vergangenheit bereits ein (Teil-)Organ gespendet haben, werden bei der Zuteilung von Organen bevorzugt berücksichtigt.73 Das Organ wird den zuerst gelisteten Personen angeboten, wobei ab Listenplatz zwei das Angebot unter dem Vorbehalt der Annahme durch den erst- bzw. bessergelisteten Patienten steht. Dazu werden die entsprechenden Transplantationszentren von der UNOS oder den OPOS kontaktiert, erhalten ein Angebot über das Spenderorgan und entscheiden über die Annahme des angebotenen Organs. Zumindest in der Vergangenheit basierte die Organverteilung in den USA auf einer sog. localfirst -Politik innerhalb von elf festgelegten Regionen. Danach sollte eine Zuteilung der Organe zunächst an Patienten des Entnahmekrankenhauses erfolgen. Erst im Anschluss daran wurden auch Patienten der Umgebung und danach der gesamten USA bei der Vermittlung berücksichtigt. Die Reformvorschläge des DHHS aus dem Jahr 1998 erstreckten sich auch auf die Änderung der Allokationskriterien. So sollte der Einfluss geografischer Faktoren dahingehend reduziert werden , dass Organe zunächst Patienten mit der höchsten medizinischen Dringlichkeit zugeteilt werden. Nach den vorliegenden Informationen sind die Vorgaben des DHHS im Jahr 1999 in Kraft getreten, obwohl sie von der UNOS stark kritisiert worden waren.74 Wie bereits dargestellt, wird die medizinische Dringlichkeit derzeit bei der Organzuteilung berücksichtigt. Inwieweit hierbei ein grundsätzlicher Vorrang dieses Kriteriums vor regionalen Gesichtspunkten besteht, ist nicht bekannt. Da jedoch nach Angaben der UNOS die meisten OPOs die Organe zunächst in 69 UNOS (2011), S. 13. 70 UNOS (2008), S. 13. Allerdings ist in diesem Zusammenhang auf das Verfahren zur Aufnahme in die Warteliste zu verweisen. Da in diese Entscheidung auch wirtschaftliche Faktoren einfließen (können), wirken sich diese im Ergebnis auch auf die Zuteilung der Organe aus. Dies gilt umso mehr, als die – unter Umständen vorteilhafte – doppelte Registrierung teilweise finanzielle Ressourcen erfordert, über die nicht jeder Patient verfügt. 71 Es ist nicht klar, ob hierbei auf die Region des Spenders oder des Empfängers abgestellt wird. Anzunehmen ist jedoch, dass die Region des Empfängers betrachtet wird. 72 UNOS (2008), S. 17. 73 Vergleiche hierzu Punkte 3.5.5.2. und 3.5.11.6 der Allokationskriterien für Spendernieren, im Internet abrufbar unter http://optn.transplant.hrsa.gov/PoliciesandBylaws2/policies/pdfs/policy_7.pdf. Eine ähnliche Regelung besteht in Israel, vergleiche Gliederungspunkt 5.1. 74 Vergleiche hierzu Schweizerischer Bundesrat (2001), S. 104f. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 – 3000-095/12 Seite 24 ihrem eigenen Zuständigkeitsgebiet verteilen und erst im Anschluss hieran ggf. eine Vermittlung in anderen Gebieten erfolgt, kann davon nicht zwangsläufig ausgegangen werden.75 4.3.4. Kontrollmechanismen/Sanktionsmöglichkeiten Es ist nicht bekannt, ob und ggf. welche Kontrollmechanismen sowie Sanktionsmöglichkeiten in den USA existieren. Auch in den USA werden derzeit Diskussionen über das Transplantationswesen und die Zuteilung von Organen geführt. Im Mittelpunkt steht jedoch – anders als in Deutschland, wo die Zuteilungskriterien an sich diskutiert werden – der illegale Organhandel. Vor einigen Wochen wurde ein Amerikaner zu zweieinhalb Jahren Haft verurteilt, da er mittellose Einwanderer als Organspender in Israel angeworben hatte. Diese wurden in die USA eingeflogen und dort als entfernte Verwandte ausgegeben. Die auf diese Art gewonnenen Organe wurden vermögenden Kunden gegen Entgelt transplantiert.76 5. Weitere Staaten Neben den bereits dargestellten Regelungen existieren auch in anderen Ländern Besonderheiten im Hinblick auf die Allokation von Spenderorganen. Im Folgenden werden ausgewählte einzelstaatliche Regelungen in Kürze dargestellt.77 5.1. Israel In Israel wird seit Beginn des Jahres 2010 das Vorliegen eines Organspendeausweises bei der Erstellung der Warteliste berücksichtigt. Es wurden drei Kategorien geschaffen, die bei der Ermittlung des jeweiligen Organempfängers bevorzugt berücksichtigt werden. In Abhängigkeit davon, zu welcher Personengruppe der auf ein Organ wartende Patient gehört, bekommt dieser im Zuteilungsverfahren eine bestimmte Anzahl an zusätzlichen Punkten. Zur ersten Gruppe gehören die Personen, die ihre Zustimmung zur Organspende im Organspendeausweis dokumentiert haben. Der Organspendeausweis muss allerdings bereits drei Jahre vor der Transplantation ausgefüllt worden sein.78 Zur zweiten Gruppe, die im Verhältnis zur ersten Gruppe mit dem halben Wert im Vergleich zu anderen Personen priorisiert werden, gehören Patienten ohne eigenen Organspendeausweis jedoch mit einem Verwandten ersten Grades, der für sich einen Organspendeausweis ausgefüllt hat. In die dritte Kategorie fallen Personen, die selbst oder deren Verwandte ersten Grades postmortal oder zu Lebzeiten ein Organ gespendet haben. Patienten der letzten Gruppe werden im Verhältnis drei zu fünf im Vergleich zur ersten Gruppe priorisiert. Die dargestellten Regelungen gelten nicht, sofern ein Patient dringend auf eine Herz-, Lungen- oder Lebertrans- 75 UNOS (2008), S. 10. Vergleiche hierzu auch Conrads (2000), S. 76. 76 Ausführlich hierzu ein Bericht der Tagesschau, im Internet abrufbar unter http://www.tagesschau.de/- ausland/organ106.html. Vergleiche hierzu auch die amerikanische Berichterstattung, zum Beispiele Artikel der New York Times, im Internet abrufbar unter www.nytimes.com/2011/10/28/nyregion/guilty-plea-to-kidneyselling -charges.html, sowie der Huffington Post, im Internet abrufbar unter www.huffingtonpost.com/- 2012/07/11/levy-izhak-rosenbaum-illegal-sale-kidneys_n_1665927.html. 77 Auf die ausführliche Darstellung wurde aufgrund des zeitlichen Auftragsrahmens verzichtet. 78 Im ersten Jahr nach Inkrafttreten der Gesetzesänderung musste zwischen dem Ausfüllen des Ausweises und der Transplantation mindestens ein Jahr vergangen sein. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 – 3000-095/12 Seite 25 plantation angewiesen ist. Auch für Minderjährige und Personen, die rechtlich nicht zum Ausfüllen eines Organspendeausweises befähigt sind, gelten die Neuregelungen nicht.79 5.2. Tschechien In Tschechien wird bei der Zuteilung von Spendernieren die sog. Zentrumsbilanz als zusätzliches Allokationskriterium berücksichtigt. Zunächst werden die Empfänger ermittelt, deren Blutgruppe mit denen des Spenders übereinstimmen und deren Gewebemerkmale eine Verträglichkeit von Spender- und Empfängergewebe nicht ausschließen. Ist diese Vorauswahl getroffen, werden in festgelegter Reihenfolge bestimmte Patientengruppen im Rahmen des sog. verpflichtenden Austauschs vorrangig berücksichtigt. Hierbei handelt es sich um die folgenden Gruppen bzw. Kriterien: Dringlichkeit, Full House80, Kinder, besonderer Vorrang81, Langzeit- Wartelistenpatienten sowie eine bestimmte Zentrumsbilanz. Weist ein Transplantationszentrum eine positive Bilanz von mehr als sechs Nieren auf – hat es also mehr als sechs Nieren an die Warteliste abgegeben, die es nicht selbst transplantiert hat – wird es bei der Zuteilung bevorzugt. Erst wenn die Berücksichtigung der genannten Kriterien zu keiner Zuteilung führt, greift das Standardverfahren. Danach hat das Transplantationszentrum, welches die Niere entnommen hat, Anspruch auf die erste entnommene Niere. Das Transplantationszentrum wählt aus seiner Warteliste einen Patienten aus. Die zweite Niere wird den übrigen Zentren angeboten, wobei die Zentrumsbilanz für die Reihenfolge der Berücksichtigung maßgebend ist. So erhält das Transplantationszentrum mit der besten Bilanz das erste Angebot. Zentren mit einer negativen Bilanz werden zuletzt berücksichtigt.82 6. Literatur Ashenazi, Tamar (u.a.) (2010), A new law for allocation of donor organs in Israel, in: The Lancet, Volume 375, 27. März 2010. Bader, Mathis (2010), Organmangel und Organverteilung, Mohr Siebeck, Tübingen 2010, [P 5130782]. Böning, Jochen (2009), Kontrolle im Transplantationsgesetz – Aufgaben und Grenzen der Überwachungs - und der Prüfungskommission nach den §§ 11 und 12 TPG, Peter Lang Internationaler Verlag der Wissenschaften, Frankfurt am Main 2009, [M 588785]. Conrads, Christoph (2000), Rechtliche Grundsätze der Organallokation – Verteilung des Mangels oder Mängel der Verteilung?, Nomos Verlagsgesellschaft Baden-Baden, 1. Auflage Baden-Baden 2000, [P 586372]. Grießler, Erich (2006), Zur Diskussion von Transplantation und Xenotransplantation in Österreich : Zwei Nicht-Debatten, in: Transplantationsmedizin – Kulturelles Wissen und Gesellschaft- 79 Ashkenazi u.a. (2010). Vergleiche hierzu auch http://idw-online.de/pages/de/news350359. 80 Unter dem sog. Full House wird die absolute Übereinstimmung bestimmter Gewebemerkmale verstanden. 81 Im Rahmen des besonderen Vorrangs werden zum Beispiel, die kombinierte Transplantationen benötigen, bevorzugt berücksichtigt. 82 Vergleiche hierzu Norba (2009), S. 285ff. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 – 3000-095/12 Seite 26 liche Praxis, Manzei, Alexandra/Schneider, Werner (Hrsg.), agenda Verlag, Münster 2006, [P 5117761]. Hohmann, Elmar Sebastian (2003), Das Transplantationswesen in Deutschland, Österreich und der Schweiz – Unter Einbeziehung ethischer und rechtspolitischer Aspekte, Peter Lang Europäischer Verlag der Wissenschaften, Frankfurt am Main 2003, [P 5102036]. Norba, Daniela (2009), Rechtsfragen der Transplantationsmedizin aus deutscher und europäischer Sicht, Duncker & Humblot GmbH, Berlin 2009, [P 5126451]. Schweizerischer Bundesrat (2001), Botschaft zum Bundesgesetz über die Transplantation von Organen, Geweben und Zellen (Transplantationsgesetz), 12. September 2001, im Internet abrufbar unter http://www.admin.ch/ch/d/ff/2002/29.pdf. UNOS (2008), Partnering With Your Transplant Team - The Patient’s Guide to Transplantation, im Internet abrufbar unter http://www.unos.org/docs/PartneringWithTransplantTeam.pdf. UNOS (2011), Talking About Transplantation – What Every Patient Needs to Know, im Internet abrufbar unter http://www.unos.org/docs/WEPNTK.pdf.