© 2019 Deutscher Bundestag WD 9 - 3000 - 094/18 Zur Kostenerstattung von Schwangerschaftsabbrüchen durch die GKV Gesetzliche Grundlagen und Zahlen Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 - 094/18 Seite 2 Zur Kostenerstattung von Schwangerschaftsabbrüchen durch die GKV Gesetzliche Grundlagen und Zahlen Aktenzeichen: WD 9 - 3000 - 094/18 Abschluss der Arbeit: 28.11.2018 Fachbereich: WD 9: Gesundheit, Senioren, Familie, Frauen und Jugend Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 - 094/18 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Strafrechtliche Grundlagen 4 2. Bundesstatistik zur Anzahl von Schwangerschaftsabbrüchen 4 3. Kostenerstattung von Schwangerschaftsabbrüchen durch die GKV 5 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 - 094/18 Seite 4 1. Strafrechtliche Grundlagen Der Begriff des Schwangerschaftsabbruchs bezeichnet im Sinne des Strafgesetzbuches jede Einwirkung auf die Schwangere oder auf die Leibesfrucht, die das Absterben der Leibesfrucht im Mutterleib bewirken oder dazu führen soll, dass die Leibesfrucht in nicht lebensfähigem Zustand abgeht. § 218 Strafgesetzbuch (StGB)1 stellt den Schwangerschaftsabbruch grundsätzlich unter Strafe.2 Gemäß § 218a Abs. 1 StGB ist der Tatbestand des § 218 StGB nicht verwirklicht, wenn eine Schwangere, die den Abbruch der Schwangerschaft verlangt, dem Arzt durch eine Bescheinigung nach § 219 Abs. 2 Satz 2 StGB nachgewiesen hat, dass sie sich mindestens drei Tage vor dem Eingriff hat beraten lassen, wenn der Schwangerschaftsabbruch von einem Arzt vorgenommen wird und wenn seit der Empfängnis nicht mehr als zwölf Wochen vergangen sind. Ferner normieren § 218a Abs. 2 und 3 StGB den Ausschluss der Rechtswidrigkeit eines Schwangerschaftsabbruchs aufgrund medizinisch-sozialer oder kriminologischer Indikation. Die gemäß § 218a Abs. 1 StGB vorgeschriebene Beratung hat nach Maßgabe des § 219 Abs. 2 StGB in Verbindung mit den §§ 5 ff. SchKG durch eine anerkannte Schwangerschaftskonfliktberatungsstelle zu erfolgen. Sie ist gemäß § 6 Abs. 4 SchKG für die Schwangere unentgeltlich. Die Finanzierung der Beratungsstellen obliegt den Ländern und unterliegt der Regelung durch Landesrecht , vgl. § 4 SchKG. 2. Bundesstatistik zur Anzahl von Schwangerschaftsabbrüchen Über die unter den Voraussetzungen des § 218a Abs. 1 bis 3 StGB vorgenommenen Schwangerschaftsabbrüche wird gem. § 15 des Gesetzes zur Vermeidung und Bewältigung von Schwangerschaftskonflikten (Schwangerschaftskonfliktgesetz – SchKG)3 eine Bundesstatistik geführt. Im Jahr 2017 betrug die Zahl der gemeldeten Schwangerschaftsabbrüche 101.209. 4 Hiervon wurden 1 Strafgesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung vom 13. November 1998 (BGBl. I S. 3322), das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 30. Oktober 2017 (BGBl. I S. 3618) geändert worden ist. 2 Zur rechtshistorischen Entwicklung wird auf folgende Arbeit der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages verwiesen: Strafbarkeit des Schwangerschaftsabbruchs in Deutschland, Sachstand, WD 7 - 3000 - 064/17, vom 10. Mai 2017, abrufbar unter: https://www.bundestag .de/blob/514874/f2a95a4276de286f5233528983df76bb/wd-7-064-17-pdf-data.pdf (dieser und folgende Links zuletzt abgerufen am 28. November 2018). 3 Schwangerschaftskonfliktgesetz vom 27. Juli 1992 (BGBl. I S. 1398), das zuletzt durch Artikel 14 Nummer 1 des Gesetzes vom 20. Oktober 2015 (BGBl. I S. 1722) geändert worden ist. 4 vgl. Statistisches Bundesamt (Hg.), Gesundheitsberichterstattung des Bundes, Tabelle „Schwangerschaftsabbrüche , u.a. nach Merkmalen der Schwangerschaftsabbruchstatistik“, http://www.gbe-bund.de/gbe10/abrechnung .prc_abr_test_logon?p_uid=gast&p_aid=0&p_knoten=VR&p_sprache=D&p_suchstring=schwangerschaftsabbruch . Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 - 094/18 Seite 5 96,1 Prozent nach der sog. „Beratungsregelung“ gemäß § 218a Abs. 1 StGB vorgenommen.5 Im Vergleich zur Zahl von 98.721 Schwangerschaftsabbrüchen im Jahr 2016 war das eine Zunahme um 2,5 Prozent.6 Im zweiten Quartal 2018 hat die Zahl gegenüber dem entsprechenden Vorjahreszeitraum um 2,7 Prozent abgenommen.7 3. Kostenerstattung von Schwangerschaftsabbrüchen durch die GKV Gemäß § 24b Abs. 1 Satz 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V)8 haben Versicherte der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) bei einem nicht rechtswidrigen Abbruch der Schwangerschaft einen umfassenden Anspruch auf Leistungen; als nicht rechtswidrig gilt dabei der Schwangerschaftsabbruch aufgrund einer medizinisch-sozialen oder einer kriminologischen Indikation gemäß § 218a Abs. 2 bzw. 3 StGB. Welche Leistungen dieser Anspruch umfasst, wird in § 24b Abs. 2 SGB V konkretisiert: Hiernach gehören dazu die ärztliche Beratung über die Erhaltung und den Abbruch der Schwangerschaft, die ärztliche Untersuchung und Begutachtung zur Feststellung der Voraussetzungen für den nicht rechtswidrigen Schwangerschaftsabbruch sowie die ärztliche Behandlung, Versorgung mit Arznei-, Verbands- und Heilmitteln und Krankenhauspflege . Der Leistungsanspruch umfasst für die (seltenen) Fälle des § 218a Abs. 2 und 3 StGB somit auch die Kosten für die Vornahme des Schwangerschaftsabbruchs selbst.9 Der Leistungsanspruch bei Schwangerschaftsabbrüchen nach der „Beratungsregelung“ gemäß § 218a Abs. 1 StGB ist dagegen eingeschränkt: Nach § 24b Abs. 3 SGB V umfasst er ebenso die ärztliche Beratung über die Erhaltung und den Abbruch der Schwangerschaft, Versorgung mit Arznei-, Verbands- und Heilmitteln und Krankenhauspflege – die ärztliche Behandlung allerdings mit Ausnahme der Vornahme des Abbruchs und der Nachbehandlung bei komplikationslosem Verlauf.10 Die Kosten für die Durchführung des eigentlichen Schwangerschaftsabbruchs hat die Schwangere in diesen Fällen somit grundsätzlich selbst zu tragen. Eine Ausnahme sieht § 19 5 Statistisches Bundesamt, Fachserie 12, Reihe 3 2017: „Gesundheit – Schwangerschaftsabbrüche 2017“, S. 8.; dem steht die Zahl von 984.901 Lebendgeburten im Jahr 2017 gegenüber, https://www.destatis.de/DE/Zahlen- Fakten/Indikatoren/LangeReihen/Bevoelkerung/lrbev04.html. 6 Destatis, Pressemitteilung Nr. 074 vom 06.03.2018, https://www.destatis.de/DE/PresseService/Presse/Pressemitteilungen /2018/03/PD18_074_233.html. 7 Destatis, Pressemittelung Nr. 350 vom 18.09.2018, https://www.destatis.de/DE/PresseService/Presse/Pressemitteilungen /2018/09/PD18_350_233.html;jsessionid=D96BAE7BAE171B018993E1C8BCC205C0.InternetLive1. 8 Das Fünfte Buch Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Krankenversicherung – (Artikel 1 des Gesetzes vom 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477, 2482), das zuletzt durch Artikel 4 des Gesetzes vom 17. August 2017 (BGBl. I S. 3214) geändert worden ist. 9 Diese machten in den Jahren 2015 bis 2017 3,7 bis 3,9 Prozent der Fälle aus, vgl. Statistisches Bundesamt (Hg.), Gesundheitsberichterstattung des Bundes, Tabelle „Schwangerschaftsabbrüche, u.a. nach Merkmalen der Schwangerschaftsabbruchstatistik“, http://www.gbe-bund.de/gbe10/abrechnung.prc_abr_test_logon ?p_uid=gast&p_aid=0&p_knoten=VR&p_sprache=D&p_suchstring=schwangerschaftsabbruch. 10 Vg. die detaillierte Auflistung ausgenommener Leistungen in § 24b Abs. 4 SGB V. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 - 094/18 Seite 6 Abs. 1 SchKG für den Fall vor, dass der Schwangeren die Kostentragung finanziell nicht zuzumuten ist. § 19 Abs. 2 SchKG sieht insofern derzeit eine Einkommensgrenze von 1001 Euro vor. Die Kosten, die der GKV hierdurch entstehen, erstatten gemäß § 22 SchKG die Länder. Auf der Grundlage dieser gesetzlichen Regelungen sind der GKV für vertragsärztliche Leistungen zum Schwangerschaftsabbruch im Jahr 2017 insgesamt Kosten in Höhe von 4.986.901 Euro entstanden ; im Jahr 2016 in Höhe von 4.662.490 Euro sowie im Jahr 2015 in Höhe von 4.637.639 Euro. Auf die Vornahme von Schwangerschaftsabbrüchen aufgrund medizinisch-sozialer oder kriminologischer Indikation entfiel hiervon im Jahr 2017 ein Betrag von 84.836 Euro; im Jahr 2016 von 71.049 Euro und im Jahr 2015 von 83.726 Euro. Zusätzlich sind der GKV für stationär durchgeführte Schwangerschaftsabbrüche im Jahr 2017 Kosten in Höhe von 2.066.514 Euro entstanden , in Höhe von 1.897.189 Euro im Jahr 2016 und in Höhe von 1.755.344 Euro im Jahr 2015.11 Um Schwangeren in Notsituationen weitere Handlungsoptionen zu eröffnen, die ihren eigenen Bedürfnissen und gleichermaßen denen ihrer ungeborenen Kinder Rechnung tragen, hat der Gesetzgeber das Gesetz zum Ausbau der Hilfen für Schwangere und zur Regelung der vertraulichen Geburt vom 28. August 201312 erlassen. Im Zeitraum bis zum 30. September 2016 wurde dieses Gesetz evaluiert.13 Dabei zeigte sich, dass die Möglichkeit einer vertraulichen Geburt in vielen Fällen tatsächlich die Entscheidung gegen einen Abbruch der Schwangerschaft erleichtert hat.14 Die Kosten, die im Zusammenhang mit einer anonymen Geburt sowie der Vor- und Nachsorge entstehen, übernimmt gemäß § 34 Abs. 1 SchKG der Bund. Die Kostenübernahme erfolgt entsprechend der Vergütung für Leistungen der GKV bei Schwangerschaft und Mutterschaft. *** 11 Zahlen vom GKV-Spitzenverband auf Anfrage der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages. Dabei weist der GKV-Spitzenverband darauf hin, dass die Kostenangaben möglicherweise nicht vollständig sind und Fehler bei der Datenübermittlung nicht ausgeschlossen werden können. 12 In Kraft getreten am 1. Mai 2014¸ BGBl. I, S. 2458. 13 Sommer/Ornig/Karato (2017): „Evaluation zu den Auswirkungen aller Maßnahmen und Hilfsangebote die auf Grund des Gesetzes zum Ausbau der Hilfen für Schwangere und zur Regelung der vertraulichen Geburt ergriffen wurden“, BMFSFJ (Hrsg.), https://www.bmfsfj.de/blob/117408/478c56ffffc1645cdbf850bf7157ac72/evaluationhilfsangebote -vertrauliche-geburt-data.pdf; Bericht der Bundesregierung zu den Auswirkungen aller Maßnahmen und Hilfsangebote, die auf Grund des Gesetzes zum Ausbau der Hilfen für Schwangere und zur Regelung der vertraulichen Geburt ergriffen wurden (BT-Drucks. 18/13100). 14 Bericht der Bundesregierung zu den Auswirkungen aller Maßnahmen und Hilfsangebote, die auf Grund des Gesetzes zum Ausbau der Hilfen für Schwangere und zur Regelung der vertraulichen Geburt ergriffen wurden (BT- Drucks. 18/13100, S. 26).