Deutscher Bundestag Menschen ohne Papiere Ihr Recht auf Gesundheit und Zugang zu gesundheitlicher Versorgung – Maßgaben des SGB V Sachstand Wissenschaftliche Dienste © 2011 Deutscher Bundestag WD 9 – 3000/094 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 – 3000/094 Seite 2 Menschen ohne Papiere Ihr Recht auf Gesundheit und Zugang zu gesundheitlicher Versorgung – Maßgaben des SGB V Aktenzeichen: WD 9 – 3000/094-11 Abschluss der Arbeit: 16. August 2011 Fachbereich: WD 9; Gesundheit, Familie, Senioren, Frauen und Jugend Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 – 3000/094 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Menschen ohne Papiere: Ihr Recht auf Gesundheit und Zugang zu gesundheitlicher Versorgung 4 2. Literatur 5 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 – 3000/094 Seite 4 1. Menschen ohne Papiere: Ihr Recht auf Gesundheit und Zugang zu gesundheitlicher Versorgung Das Konfliktfeld der gesundheitlichen Versorgung von Menschen ohne Papiere bietet im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung nur eine hypothetische Schnittstelle.1 Die einzige Möglichkeit, nach der Menschen, die sich aufenthaltsrechtlich illegal in Deutschland befinden, einen Anspruch auf Leistungen der gesetzlichen Krankenkassen haben, besteht für unselbständig arbeitende Menschen, die nicht nur geringfügig beschäftigt sind.2 Unmittelbare Folge der Realisierung des Anspruchs ist jedoch die Aufdeckung des illegalen Aufenthaltsstatus, so dass es an der praktischen Relevanz für diese Fallgruppe fehlt. Vom dem Moment der Beschäftigungsaufnahme an besteht eine Versicherungspflicht durch den Arbeitgeber, §§ 5 Abs. 1 Nr. 1, 186 Abs. 1 SGB V. Dieser Pflicht wird der Arbeitgeber in der Regel nicht nachkommen, da die Beschäftigung von illegalen Einwanderern, bzw. Menschen ohne gültige Aufenthaltserlaubnis eine Ordnungswidrigkeit nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 c SchwarzArbG darstellt 3. Bei den in diesem Umfeld abgeschlossenen Beschäftigungsverhältnissen handelt es sich zudem in den allermeisten Fällen um „Schwarzarbeit“, so dass der Arbeitsvertrag nach § 1 SchwArbG i.V.m. § 134 BGB nichtig ist. Zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer besteht nichtsdestotrotz ein so genanntes faktisches Arbeitsverhältnis, aus dem auch ein Lohnanspruch besteht . Parallel dazu besteht ein rechtlicher Anspruch gegenüber der gesetzliche Krankenversicherung, da eine gesetzliche Versicherungspflicht durch den Arbeitsgeber besteht, die nicht dadurch ausgehebelt wird, dass das Beschäftigungsverhältnis nicht gemeldet wurde oder wegen Schwarzarbeit insgesamt nichtig ist4. Die Versicherungspflicht tritt kraft Gesetzes (und nicht erst mit der Meldung des Beschäftigungsverhältnisses oder deren Feststellung) ein.5 Es kommt auch nicht darauf an, ob der Versicherungspflichtige Kenntnis von der Regelung hat. Dies gilt auch für Ehe- 1 Die Frage, ob der grundrechtliche und menschenrechtliche Anspruch durch die einfachgesetzliche Ausgestaltung in § 1 Abs. 1 Nr. 5 Asylbewerberleistungsgesetz (einfachgesetzlich) hinreichend ausgestaltet oder durch die Übermittlungspflicht in § 87 Abs. 2 AufenthG faktisch ausgehöhlt wird, bleibt hierbei zuständigkeitshalber unbeachtet . In der Literatur wird vertreten, dass die Regelung in § 87 Abs. 2 AufenthG verfassungswidrig sei, da die Betroffenen in eine Zwangslage gebracht werden, die sie daran hindert, ihren Anspruch gegenüber der Krankenkasse oder dem Sozialamt geltend zu machen, da sie sich ansonsten selbst bezichtigen müssten. Durch das Sozialstaatsprinzip sei auch eine Vertrauensbasis verfassungsrechtlich abgesichert, die durch die Übermittlungspflicht der öffentlichen Stellen zerstört werde, vgl. Weichert, in: Huber, AufenthG Kommentar, § 87 Rn. 27. 2 Darunter fallen auch deren Ehegatten und Kinder, die nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 SGB V mitversichert sind. 3 Eine weitergehende Strafbarkeit nach §10 SchwarzArbG ergibt sich bei der Beschäftigung von Ausländern ohne Genehmigung zu ungünstigen Arbeitsbedingungen. Für den Arbeitnehmer ist die Strafbarkeit in § 9 SchwarzArbG geregelt, da häufig auch der Betrugstatbestand zum Nachteil der Versichertengemeinschaft oder des Staates verwirklicht ist, sieht §9 eine formale Subsidiarität zu § 263 StGB vor, vgl. Heintschel-Heinegg, in: Beck´scher Online-Kommentar StGB, Arbeitsstafrecht Rn. 104. 4 Fodor, Rechsgutachten, S. 141, in: Alt/Fodor, Rechtlos? Menschen ohne Papiere. 5 Peters, in: Kasseler Kommentar SGB V, § 185 Rn. 4. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 – 3000/094 Seite 5 gatten und Kinder von rechtswidrig beschäftigten Personen ohne Aufenthaltsrecht, die über § 10 Abs. 1 Nr. 1 SGB V mitversichert sind.6 Nach § 186 SGB V beginnt die Mitgliedschaft versicherungspflichtiger Personen mit dem Tag des Eintritts in das Beschäftigungsverhältnis. Der unselbständig arbeitende Migrant ohne Papiere wird in Unwissenheit oder aus Angst vor Aufdeckung der Illegalität seines Aufenthalts sein Wahlrecht hinsichtlich einer Krankenversicherung nach § 173 Abs. 2 SGB V nicht geltend machen . Nach § 175 Abs. 3 SGB V wird bei Nichtausübung der Wahl der Arbeitgeber (als die zur Meldung verpflichtete Stelle) oder der gemeinsame Spitzenverband eine Krankenkasse aussuchen . Aus den oben genannten Gründen wird der Arbeitgeber auch in diesem Zusammenhang nicht tätig werden. Ohne eine Mitteilung über das abgeschlossene Beschäftigungsverhältnis wird auf diesem Weg zumindest keine Mitgliedschaft bei einer bestimmten Krankenkasse abgeschlossen . Der Anspruch bleibt daher in den allermeisten Fällen rein hypothetischer Natur. Menschen, die sich illegal in der Bundesrepublik aufhalten, könnten mit dem Nachweis des konkreten Beschäftigungsverhältnisses , der in vielen Fällen schon schwer zu erbringen sein wird, ihren Arbeitgeber „verraten“ und dessen Ordnungswidrigkeit anzeigen. Mit der Meldung des Arbeitsverhältnisses bei der Krankenkasse deckten sie zudem ihren eigenen illegalen Aufenthaltsstatus auf, da die gesetzlichen Krankenkassen verpflichtet sind, die Kenntnis über die fehlende Aufenthaltserlaubnis als öffentliche Stelle an die Ausländerbehörde weiterzuleiten, § 87 Abs. 2 AufenthaltsG. Der materielle Anspruch gegen die Krankenkasse wäre bei einer Inanspruchnahme jedenfalls weitergehend als jener aus § 5 Abs. 1 Nr. 5 Asylbewerberleistungsgesetz, der nur eine eingeschränkte medizinische Versorgung vorsieht. Aufgrund der mit der Realisierung unmittelbar verbundenen Aufdeckung des illegalen Aufenthaltsstatus spielt die Kostenregelung jedoch in der Praxis keine Rolle. 2. Literatur Fodor, Ralf, Rechtsgutachten zum Problemkomplex des Aufenthalts von ausländischen Staatsangehörigen ohne Aufenthaltsrecht und ohne Duldung in Deutschland, in: Alt, Jörg, Fodor, Ralf (Hrsg.), Rechtlos? Menschen ohne Papiere, 2001 Karlsruhe Heintschel-Heinegg ,Bernd von, Beck´scher Online Kommentar zum StGB, Stand: 1. Mai 2011 Huber, Bertold, Aufenthaltsgesetz Kommentar, 1.Auflage München 2010 Leiterer, Stephan (Hrsg.), Kasseler Kommentar zum SGB V, Stand: 1. April 2011 Rolfs, Christian, Giesen, Richard, Kreikebohm, Ralf, Udsching, Peter (Hrsg.), Beck´scher Online- Kommentar zum SGB, Stand 1.Juni 2011 6 Fodor, Rechtsgutachten, S. 170, in: Alt/Fodor, Rechtlos? Menschen ohne Papiere.