© 2021 Deutscher Bundestag WD 9 - 3000 - 090/20 Bonusprogramme der gesetzlichen Krankenkassen für gesundheitsbewusstes Verhalten Dokumentation Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsi chtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 9 - 3000 - 090/20 Seite 2 Bonusprogramme der gesetzlichen Krankenkassen für gesundheitsbewusstes Verhalten Aktenzeichen: WD 9 - 3000 - 090/20 Abschluss der Arbeit: 26. November 2020 Fachbereich: WD 9: Gesundheit, Familie, Senioren, Frauen und Jugend Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 9 - 3000 - 090/20 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Die gesetzliche Grundlage für Bonusprogramme der Krankenkassen 4 2. Arten der Bonusleistung 5 3. Beiträge und Studien zu den Bonussystemen der Krankenkassen 6 Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 9 - 3000 - 090/20 Seite 4 1. Die gesetzliche Grundlage für Bonusprogramme der Krankenkassen Die gesetzlichen Krankenkassen sollen gemäß § 65a Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) 1 Bonuszahlungen als Anreize für gesundheitsförderndes Verhalten anbieten. Die Möglichkeit, die Wahrnehmung von Leistungen zur Prävention und zur Früherkennung von Krankheiten zu fördern , wurde im Jahr 2004 eingeführt. Seitdem erfolgten mehrere Erweiterungen – zuletzt mit dem Masernschutzgesetz2 zur Bonifizierung auch von Schutzimpfungen –, und aus einer Kann-Vorschrift wurde eine verbindliche Regelung. Die aktuell gültige Fassung von § 65a Abs. 1 S. 1 SGB V lautet: „Die Krankenkasse bestimmt in ihrer Satzung, unter welchen Voraussetzungen Versicherte, die Leistungen zur Erfassung von gesundheitlichen Risiken und Früherkennung von Krankheiten nach den §§ 25, 25a und 26 oder Leistungen für Schutzimpfungen nach § 20i in Anspruch nehmen , Anspruch auf einen Bonus haben, der zusätzlich zu der in § 62 Absatz 1 Satz 2 genannten abgesenkten Belastungsgrenze zu gewähren ist.“ § 65a Abs. 1a SGB V sieht darüber hinaus vor, dass die Krankenkasse in ihrer Satzung bestimmen soll, unter welchen Voraussetzungen auch „Versicherte, die regelmäßig Leistungen der Krankenkassen zur verhaltensbezogenen Prävention nach § 20 Absatz 5 in Anspruch nehmen oder an vergleichbaren, qualitätsgesicherten Angeboten zur Förderung eines gesundheitsbewussten Verhaltens teilnehmen“ einen Bonusanspruch erhalten. Abs. 2 beinhaltet eine entsprechende Regelung zu Angeboten der betrieblichen Gesundheitsförderung. Nach Abs. 3 müssen sich die Bonusprogramme nach Abs. 1a selbst durch daraus entstehende Einsparungen finanzieren. Eine Vielzahl von Krankenkassen haben Bonusprogramme aufgelegt, in deren Ausgestaltung sie frei sind.3 Nach § 65a Abs. 1 SGB V bestimmen die Krankenkassen in ihren Satzungen, unter welchen Voraussetzungen ein Anspruch auf Bonusleistungen besteht. Der Anspruch der Versicherten auf die Bonuszahlung ergibt sich dabei nicht unmittelbar aus § 65a SGB V, sondern aus der Satzung der Krankenkasse. Diese Gestaltungsfreiheit überlässt es den Krankenkassen zu entscheiden, mit welchen Mitteln sie ihre Versicherten zu gesundheits- und kostenbewusstem Verhalten motivieren und welche Verhaltensweisen sie fördern wollen. Als gesundheitsbewusstes Verhalten kommen neben der Wahrnehmung von Früherkennungsuntersuchungen beispielsweise Gesundheitscoaching (Stressbewältigung , ausgewogene Ernährung, Entspannung etc.) und Sport in Betracht. Als Bonifizierungskriterium umfasst Sport insbesondere die aktive Mitgliedschaft in einem Sportverein, Fitnessstudio oder im Hochschulsport. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch, Gesetzliche Krankenversicherung, Artikel 1 des Gesetzes vom 20. Dezember 1988 (BGBl. I S. 2477), zuletzt geändert durch das Zweite Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite vom 19. Mai 2020 (BGBl. I S. 1018). 2 Gesetz für den Schutz vor Masern und zur Stärkung der Impfprävention vom 10. Februar 2020 (BGBl. I 2020 S. 148). 3 Roters, Dominik, in: Kasseler Kommentar Sozialversicherungsrecht, EL 2020, § 65a, Rn. 6. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 9 - 3000 - 090/20 Seite 5 Auch Arbeitgeber können einen Bonus erhalten, wenn sie in ihren Unternehmen betriebliche Gesundheitsförderung anbieten und auf diese Weise ein gesundheitsbewusstes, präventives Verhalten ihrer Beschäftigten fördern. Der Begriff des Bonus wird in § 65a SGB V nicht näher definiert. Als Bonusleistung wird von den Krankenkassen zumeist ein finanzieller Vorteil angeboten.4 Dieser kann in Form einer selbstständigen Leistung oder einer Zahlungsbefreiung erfolgen.5 Möglich ist auch eine Beitragsreduzierung .6 Bei einigen Krankenkassen erhalten die Versicherten unmittelbar eine Geld- oder Sachprämie . Eine Einführung von Bonusprogrammen in der privaten Krankenversicherung ist aktuell nicht ersichtlich.7 2. Arten der Bonusleistung In der Praxis gibt es unterschiedliche Systeme, mit denen die Krankenkassen ihre Bonusleistungen erbringen. Einen Überblick ohne Anspruch auf Vollständigkeit bieten diverse Vergleichsportale . Beispielhaft soll auf eine Übersicht der Krankenkassen mit den laut Portal höchsten Geldprämien (abrufbar unter: https://www.krankenkassen.de/gesetzliche-krankenkassen/leistungengesetzliche -krankenkassen/praevention-vorsorge-krankenkassen/geld/) sowie auf eine auch nach Altersstufen gestaffelte Liste verwiesen werden, die auch angibt, ob Sachprämien beinhaltet sind (abrufbar unter: https://www.krankenkasseninfo.de/leistungen/bonusprogramme/). Weit verbreitet sind Punktesysteme, bei denen die Versicherten für bestimmte Verhaltensweisen Punkte sammeln und diese wiederum ab dem Erreichen bestimmter Ziele in Geld- oder Sachprämien einlösen können.8 Ein solches Punktesystem wird beispielweise von der Allgemeinen Ortskrankenkasse (AOK) angeboten, vgl. https://www.aok.de/pk/plus/inhalt/bonusprogramm/9. Bei der Kaufmännischen Krankenkasse (KKH) wird ab drei Gesundheitsaktivitäten jede bestätigte Maßnahme mit einer Geldprämie von 10 Euro oder einem doppelt so hohen sog. „Gesundheits- 4 Ullrich, Nils-David, in: Berchtold/Huster/Rehborn, Gesundheitsrecht, 2. Auflage 2018, §65a, Rn. 6; Nebendahl, Matthias, in: Spickhoff, Medizinrecht, 3. Auflage 2018, § 65a, Rn. 5. 5 Gebert, Christian, Verhaltens- und verhältnisbezogene Primärprävention und Gesundheitsförderung im Recht der gesetzlichen Krankenkasse, 2020, S. 229. 6 Vgl. Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung der Gesetz lichen Krankenversicherung vom 8. September 2003, BT-Drs. 15/1525, S. 95. 7 Vgl. Private Krankenkasse PKV – Das Fachportal für Versicherung und Vorsorge, Versicherungslexikon, Bonustarif /Bonusprogramm, 2020, abrufbar unter: https://www.private-krankenkasse-pkv.de/versicherungslexikon /bonustarif-bonusprogramm. 8 Denker, Daniel/ Gummels, Marvin, in: AStW 2020, S. 727-729. 9 Dieser und alle weiteren Online-Nachweise zuletzt abgerufen am 23. November 2020. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 9 - 3000 - 090/20 Seite 6 budget“ belohnt, vgl. https://www.kkh.de/leistungen/bonusprogramm/erwachsene. Die Krankenkasse Securvita bietet sowohl Geld- als auch Sachprämien an, vgl. https://www.healthmiles .de/securvita-bonusprogramm/praemien.html. Der Begriff des Bonus kann jeden vermögenswerten Vorteil für den Versicherten umfassen;10 ein Gesundheitsbezug wird dabei nicht immer gewährleistet. So bieten Krankenkassen teilweise Produkte als Sachprämien an, die einen solchen nicht erkennen lassen: Die Barmer Krankenkasse bietet in ihrem Online - Prämienkatalog etwa Haarglätter, Akkuschrauber und Fensterreiniger an, wobei auch in der Beschreibung Angaben zum Gesundheitsbezug fehlen, vgl. https://www.barmer .de/unsere-leistungen/bonusprogramm/praemienshop/gesundheit-und-wellness, https://www.barmer.de/unsere-leistungen/bonusprogramm/praemienshop/multimedia-und-technik . Eine weitere mögliche Ausgestaltung von Bonusleistungen besteht in der zweckgebundenen Auszahlung einer Geldprämie. In diesem Fall erhalten die Versicherten eine Geldprämie nur zur Finanzierung bestimmter Maßnahmen mit Gesundheitsbezug.11 Einen solchen zweckgebundenen Bonus bietet beispielsweise die Krankenkasse BKK ProVita an, vgl. https://bkk-provita.de/leistungen /bonusprogramm-bkk-bonusplus/. 3. Beiträge und Studien zu den Bonussystemen der Krankenkassen Im Februar 2019 veröffentlichte das Bundesministerium für Gesundheit ein Forschungsgutachten , das sich auch mit den Ausgaben der Krankenkassen für Bonusprogramme auseinandersetzt: Moog, Stefan/ Vollmer, Janko/ Fetzer, Stefan/ Maday Carsten, Auswirkungen der Satzungsleistungen nach § 11 Abs. 6 SGB V auf den Wettbewerb innerhalb der Gesetzlichen Krankenversicherung und zur privaten Krankenversicherung, abrufbar unter: https://www.bundesgesundheitsministerium .de/fileadmin/Dateien/5_Publikationen/Gesundheit/Berichte/19-02-04_Prognos_Endbericht .pdf. Von den insgesamt 1,7 Mrd. Euro Ausgaben für die Satzungs- und Ermessensleistungen im Jahr 2016 entfielen danach 260,7 Mio. Euro auf die Bonusprogramme nach § 65a SGB V. Im Forschungsbericht wird auch auf die Frage eingegangen, welche Rolle die Bonus- und Prämienprogramme bei der Wahl der Krankenkasse spielen. Im Ergebnis bewerten ca. 55 Prozent der befragten Personen das Kriterium der Bonusprogramme für die Wahl der Krankenkasse als wichtig. Eine weitere Untersuchung zur Inanspruchnahme präventiver Maßnahmen im Jahr 2019 fragte danach, welche Faktoren bei der Nutzung von Verhaltensprävention bei Erwachsenen eine Rolle spielen. Sie kam zu dem Ergebnis, dass die Einflussfaktoren Geschlecht, Alter und Sozialstatus bzw. Bildungsstand die Inanspruchnahme verhaltenspräventiver Maßnahmen beeinflussen: 10 Nebendahl, Mathias, in: Spickhoff, Andreas (Hrsg.), Medizinrecht, 3. Auflage, 2018, SGB V, § 65a, Rn. 5. 11 Gebert, Christian, Verhaltens- und verhältnisbezogene Primärprävention und Gesundheitsförderung im Recht der gesetzlichen Krankenkasse, 2020, S. 234. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 9 - 3000 - 090/20 Seite 7 Jordan, Susanne, Inanspruchnahme präventiver Maßnahmen, Eine Analyse von Einflussfaktoren auf die Nutzung von Verhaltensprävention bei Erwachsenen, Dissertation, Fakultät für Gesundheitswissenschaften der Universität Bielefeld, 2019, abrufbar unter: https://pub.uni-bielefeld .de/record/2941520. Die Autorin stellt fest, dass die Art der Krankenversicherung, die Kassenarten der Gesetzlichen Krankenversicherung sowie eine ärztliche Beratung zum Gesundheitsverhalten mit der Inanspruchnahme von Bonusleistungen assoziiert waren. Danach waren Alter und Bildung, das Gesundheitsbewusstsein und die Nutzung einer Hausärztin bzw. eines Hausarztes sowie das Gesundheitsverhalten für eine Bonusprogrammteilnahme bedeutsam. Einem Sonderbericht des Bundesversicherungsamtes aus dem Jahr 2018 zufolge hat sich der gesetzgeberische Wille, die Versicherten mit dem Instrument der Bonusprogramme zu gesundheitsbewusstem Verhalten zu motivieren, in der Praxis nicht erfüllt: Bundesversicherungsamt, Sonderbericht zum Wettbewerb in der gesetzlichen Krankenversicherung , 2018, S. 147, abrufbar unter: https://www.bundesamtsozialesicherung.de/fileadmin/redaktion /allgemeine_dokumente/Taetigkeitsberichte/20180404Sonderbericht_web.pdf. Demnach werden die Bonusprogramme dazu genutzt, junge, gesunde sowie sportliche Versicherte an die Krankenkasse zu binden. Dies wird als Verfehlung der eigentlichen Zielgruppe von Bonusprogrammen bezeichnet. Aus Sicht des Bundesversicherungsamtes sind die gesetzlichen Anforderungen an die angebotenen Bonusprogramme nicht hoch genug, die Regelungen zur Evaluierung der Bonusprogramme zu unbestimmt. Es wird daher die Einführung eines Maximalwertes für Ausgaben nach § 65a SGB V vorgeschlagen. Darüber hinaus wird in dem Bericht festgestellt , dass Bonusprogramme oft in der Mitgliederwerbung unzulässig eingesetzt werden, indem ein Sofortbonus als Halte- oder Wechselprämie eingesetzt wird. Die Bonusprogramme der Krankenkassen waren 2017 auch Thema der GKV-Trendstudie: Bonusprogramme in der GKV zwischen Motivation und Kundenbindung, S. 5ff., abrufbar unter: https://www.gesundheitsforen.net/portal/media/gesundheitsforen/studien_und_zertifizierungen /studien_1/bonusprogramme_in_der_gkv/Studienflyer_GKV_Bonusprogramme.pdf. Nach der Untersuchung, die auf einer Online-Befragung der Versicherten der GKV beruht, wird die Belohnung für gesundes Verhalten von drei Viertel der Befragten befürwortet, wobei die Belohnung insbesondere von Jüngeren und Neukunden positiv beurteilt wird. Hiernach nutzten im Jahr 2017 27 % der gesetzlich Krankenversicherten das Bonusprogramm ihrer Krankenkasse, 53 % hingegen hatten noch nie ein Bonusprogramm genutzt. Eine von der Verbraucherzentrale NRW in Auftrag gegebene Untersuchung aus dem Jahr 2015 kritisiert die Zweckentfremdung der Bonusprogramme durch die Krankenkassen: „Zwanzig von dreißig hier untersuchten Krankenkassen haben mindestens eine Maßnahme im Bonusprogramm , die kein gesundheitsförderndes Verhalten verlangt...“: Untersuchung der Verbraucherzentrale NRW, Bonusprogramme der gesetzlichen Krankenkassen, 2015, S. 8, abrufbar unter: https://www.verbraucherzentrale.nrw/sites/default/files/migration_files /media236794A.pdf. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 9 - 3000 - 090/20 Seite 8 Darüber hinaus kommt die Untersuchung zu dem Ergebnis, dass Versicherte im Durchschnitt Bonuszahlungen in Höhe von 170 Euro pro Jahr erhalten, wobei die Krankenkassen für den maximalen Geldwert drei bis zwanzig Maßnahmen verlangen. Danach belohnten die Krankenkassen am häufigsten ein gesundes Körpergewicht. An zweiter Stelle stehe der Nachweis, Nichtraucher zu sein. In diesem Zusammenhang moniert die Untersuchung den Umstand, dass primär nicht gesundes Verhalten, sondern das „Gesundsein“ belohnt werde. Als Stichprobe dieser Untersuchung dient rund die Hälfte der größten in NRW geöffneten gesetzlichen Krankenkassen. Die Liste enthält 65 Krankenkassen. Die bereits genannte Verfehlung der eigentlichen Zielgruppe von Bonusprogrammen wurde bereits im Jahr 2013 thematisiert: Fischer, Florian, Ökonomische Anreize als Instrumente der Präventionspolitik, in: Prävention und Gesundheitsförderung 2, 2013, S. 113, abrufbar unter: https://link.springer.com/article /10.1007/s11553-012-0363-0. Der Beitrag kritisiert den Umstand, dass die Maßnahmen eher von gesundheitsbewussten Menschen genutzt würden und dass der Zweck der Bonusprogramme damit ins Leere laufe. Danach sei der „typische“ Bonusprogrammteilnehmer weiblich, gesundheitsbewusst und gehöre der Oberschicht an.12 Für diese Gruppe seien Bonuszahlungen ein „Mitnahmeeffekt“.13 Die Kritik im Hinblick auf die Zweckdienlichkeit der Bonusprogramme findet sich auch in einem weiteren, im Jahr 2012 veröffentlichten Werk: Claßen, Gabriele, Wie effektiv sind Bonusprogramme der Krankenkassen?, Ergebnisse einer Längsschnittstudie zur Einschätzung der Bonusprogrammteilnehmer hinsichtlich einer gesundheitsbewussten Lebensführung, 2012, S. 17ff., Leseprobe abrufbar unter: https://www.pabst-publishers .com/neuerscheinungen/detailansicht.html?tt_products%5BbackPID%5D=167&tt_products %5Bproduct%5D=1206&tt_pr ducts%5Bcat%5D=42&cHash=970d4426c29c4f22844fd05b052a8260. Darin wird festgestellt, dass die Frage, ob Bonusprogramme effektiv sind, bisher nicht hinreichend untersucht worden sei. Das übergeordnete Ziel, dass Versicherte durch die Teilnahme an Bonusprogrammen ihr Verhalten positiv ändern, konnte demnach nicht belegt werden. Eine weitere Studie aus dem Jahr 2009 befasst sich mit der Frage, ob die Teilnahme an einem Bonusprogramm der gesetzlichen Krankenversicherung die Inanspruchnahme von primär- und sekundärpräventiven Maßnahmen erhöht: 12 Die Quelle bezieht sich dabei auf Schnee, Melanie, Neue Versorgungs- und Versicherungsformen in der GKV: Wer kennt sie und wer nutzt sie?, in: Newsletter der Bertelsmann-Stiftung Gütersloh, 2007. 13 Unter Bezugnahme auf Blöß, Timo, Bonusprogramme: Kassen wollen Prävention fördern, in: Deutsches Ärzteblatt , 2004, S. 107-109. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 9 - 3000 - 090/20 Seite 9 Gesundheit in Deutschland aktuell 2009, S. 23ff., abrufbar unter: https://www.rki.de/DE/Content /Gesundheitsmonitoring/Gesundheitsberichterstattung/GBEDownloads B/GEDA09.pdf?__blob=publicationFile. Danach nahmen in Deutschland im Jahr 2009 21,5 % der gesetzlich Versicherten an einem Bonusprogramm teil. Hiervon nahmen über ein Fünftel Maßnahmen zur Bewegungsförderung wahr. Bei den Personen ohne Bonusprogramm liegt dieser Anteil bei einem Zehntel. Privat Versicherte bezahlen im Vergleich zu gesetzlich Versicherten fast doppelt so häufig die Teilnahme an einem verhaltenspräventiven Angebot vollständig selbst. Eine Literaturanalyse aus dem Jahr 2009 konstatiert die Bedeutung von Zusatzelementen wie Erinnerungssystemen und dem Abbau von Informations-, Wissens- und Fähigkeitsbarrieren, um die Teilnahmeraten von Präventionsmaßnahmen zu erhöhen: Scherenberg, Viviane/ Glaeske, Gerd, Anreizkomponenten von Bonusprogrammen der gesetzlichen Krankenkassen, 2009, S. 45ff., abrufbar unter: http://www.nachwuchswissenschaftler .org/2009/1/69/ZfN-2009-1-69.pdf. Eine weitere Studie aus dem Jahr 2009 untersucht die Teilnehmerstrukturen und den ökonomischen Nutzen präventiver Bonusprogramme: Friedrichs, Michael/ Friedel, Heiko/ Bödeker, Wolfgang, Teilnehmerstruktur und ökonomischer Nutzen präventiver Bonusprogramme in der betrieblichen Krankenversicherung, in: Das Gesundheitswesen 2009, S. 623-627, abrufbar unter: https://www.thieme-connect.com/products/ejournals /html/10.1055/s-0029-1239571#N67524. Die Autoren stellen fest, dass die Bonusprogramme zum damaligen Zeitpunkt einen jährlichen Nutzen von mindestens 129 Euro pro teilnehmender Person zur Folge hatten. Die Bonusprogramme seien stärker von Männern ab 40 und von Frauen zwischen 30 und 50 Jahren genutzt worden, wobei die Höhe der Schulbildung mit der Teilnahmebereitschaft positiv korrelierte. Der Studie zufolge lag die Teilnehmerquote im Jahr 2009 bei 1,4 Prozent. Wie hoch die aktuelle Teilnehmerzahl in Deutschland ist, lässt sich auf Basis evidenzbasierter Studien nicht beziffern.14 *** 14 So auch Gronwald, Thomas, Anreizsysteme der gesetzlichen Krankenkassen zur Steuerung des Gesundheitsverhaltens , 2017, S. 29.