© 2021 Deutscher Bundestag WD 9 - 3000 - 089/20 Prävention und Gesundheitsförderung im internationalen Kontext Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 - 089/20 Seite 2 Prävention und Gesundheitsförderung im internationalen Kontext Aktenzeichen: WD 9 - 3000 - 089/20 Abschluss der Arbeit: 5. Januar 2021 Fachbereich: WD 9: Gesundheit, Familie, Senioren, Frauen und Jugend Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 - 089/20 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Vorbemerkung 4 2. Rechtsgrundlagen 4 3. Strategien und Formen der Prävention 6 3.1. Der Setting-Ansatz 6 3.2. Primär-, Sekundär- und Tertiärprävention 7 4. Die Umsetzung der Präventionsstrategien und ihre wirtschaftliche Bedeutung 8 5. Internationaler Vergleich 9 5.1. Länder mit weit fortgeschrittener Umsetzung von Präventionsstrategien 9 5.2. Länder mit verstärkten Bemühungen zur Umsetzung von Präventionsstrategien 11 5.3. Länder mit nur ansatzweise umgesetzten Präventionsstrategien 13 6. Fazit 14 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 - 089/20 Seite 4 1. Vorbemerkung Die Ottawa-Charta1 der Weltgesundheitsorganisation (WHO) aus dem Jahr 1986 hat erstmals Strategien der Gesundheitsförderung festgelegt und dieses Ziel im internationalen Gesundheitswesen verankert.2 Nach der Definition der Ottawa-Charta will Gesundheitsförderung allen Menschen ein höheres Maß an Selbstbestimmung über ihre Gesundheit ermöglichen und sie so zur Stärkung ihrer Gesundheit befähigen. Die Charta betont, dass die Verantwortung für Gesundheitsförderung nicht nur im Gesundheitssektor liege. Die Gestaltung gesundheitsförderlicher Lebensräume sei vielmehr eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, da verändernde Lebens-, Arbeits- und Freizeitbedingungen entscheidenden Einfluss auf die Gesundheit hätten. Prävention wiederum umfasst Maßnahmen, die das Auftreten, die Ausbreitung und die negativen Auswirkungen von Krankheiten oder Gesundheitsstörungen verhindern sollen.3 Sie wirkt durch Beseitigung von Krankheitsursachen, durch Vorsorgeuntersuchungen und Frühbehandlung von Krankheitsrisiken. Daraus lässt sich ableiten, dass Gesundheitsförderung und Prävention voneinander abgrenzbare und zugleich einander ergänzende Strategien sind, die auf die Erhaltung und Verbesserung des Gesundheitszustandes der Bevölkerung zielen. Allerdings werden die beiden Begriffe im allgemeinen wie im wissenschaftlichen Sprachgebrauch oft synonym verwendet. Im Folgenden soll auftragsgemäß ein Überblick über Rechtsgrundlagen von Prävention bzw. Gesundheitsförderung im internationalen Kontext sowie über deren Stellenwert und Umsetzungsstrategien in ausgewählten Ländern gegeben werden. 2. Rechtsgrundlagen Der Gedanke der gesundheitlichen Vorsorge ist im europäischen Kontext verankert, insbesondere im Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV)4 und in der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRCh)5. Gemäß Art. 6 S. 2 lit. a) AEUV kann die Europäische Union (EU) Maßnahmen zum Schutz und zur Verbesserung der menschlichen Gesundheit tref- 1 Ottawa-Charta zur Gesundheitsförderung, 1986, abrufbar unter: https://www.euro.who.int/__data/assets /pdf_file/0006/129534/Ottawa_Charter_G.pdf, dieser und alle weiteren Online-Nachweise zuletzt abgerufen am 5. Januar 2021; einen historischen Überblick über die Entwicklung der Ottawa-Charta und ihre Rahmenbedingungen findet sich in Ruckstuhl, Brigitte, Gesundheitsförderung – Entwicklungsgeschichte einer neuen Public Health-Perspektive, 2. Auflage, 2020. 2 Baumgarten, Kerstin/ Sterdt, Elena, Innovative Strategien der Gesundheitsförderung, in: Die Perspektive(n) der Gesundheitsförderung, 2019, S. 282. 3 Franzkowiak, Peter, Prävention und Krankheitsprävention, in: Leitbegriffe der Gesundheitsförderung und Prävention , Glossar zu Konzepten, Strategien und Methoden, 2018, S. 776. 4 Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union vom 1. Dezember 2009 (Abl. EG C 115, S. 47), zuletzt geändert durch die Akte über die Bedingungen des Beitritts der Republik Kroatien und die Anpassungen des Vertrags über die Europäische Union, des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union und des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft vom 1. Juli 2013 (Abl. EU L 112, S. 21). 5 Charta der Grundrechte der Europäischen Union vom 26. Oktober 2012 (Abl. EU C 326, S. 391). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 - 089/20 Seite 5 fen. Diese Maßnahmen werden in Art. 168 Abs. 1 und Abs. 5 AEUV konkretisiert. Danach unterstützt die EU die Mitgliedstaaten bei der Bekämpfung von schweren Krankheiten sowie bei der Erforschung der Ursachen, der Übertragung und Verhütung dieser Krankheiten. Ziel dieser Regelungen ist u. a. die Verhütung von Krankheiten und die Beseitigung von Ursachen für die Gefährdung der körperlichen und geistigen Gesundheit. Nach Art. 35 S. 1 GRCh hat jeder Mensch das Recht auf Gesundheitsvorsorge. Die Gesundheitsvorsorge umfasst auch Leistungen der Prävention .6 Elemente der Prävention und Gesundheitsförderung finden sich darüber hinaus in der Europäischen Sozialcharta7 und im UN-Sozialpakt8. So enthält Art. 11 der Europäischen Sozialcharta die Verpflichtung der Vertragsparteien zur Ursachenbekämpfung und zur Vorbeugung von epidemischen , endemischen und anderen Krankheiten. Hiernach sind Maßnahmen zu ergreifen, die das persönliche Verantwortungsbewusstsein in Gesundheitsfragen stärken sollen. Daneben sind in Art. 12 des UN-Sozialpaktes Maßnahmen zur Vorbeugung, Behandlung und Bekämpfung von Krankheiten geregelt. In Deutschland wurden mit dem Präventionsgesetz9 im Jahr 2015 zahlreiche gesetzliche Regelungen zur Umsetzung von Präventionsstrategien geschaffen. Zentrale Vorschriften hierbei sind §§ 20 bis 20k Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V)10, durch welche die Gesundheitsförderung im Alltag gestärkt werden soll. § 20 SGB V enthält die Verpflichtung der Krankenkassen, in ihren Satzungen Leistungen zur Prävention und Gesundheitsförderung vorzusehen. § 20a SGB V regelt Leistungen zur Gesundheitsförderung und Prävention in Lebenswelten und § 20d SGB V bildet den Rechtsrahmen für die Schaffung einer nationalen Präventionsstrategie. Daneben sollen die Krankenkassen nach § 65a SGB V Bonuszahlungen als Anreize für gesundheitsförderndes Verhalten anbieten, wenn Versicherte Früherkennungsuntersuchungen wahrnehmen und an entsprechenden Angeboten teilnehmen (sog. Bonifizierung).11 Die Bundesregierung hat im Oktober 2020 eine neue „Strategie zu Globaler Gesundheit“ verabschiedet , die sich zu den gesundheitsfördernden Zielen der WHO bekennt, eine aktive Rolle der 6 Gebert, Christian, Verhaltens- und verhältnisbezogene Primärprävention und Gesundheitsförderung im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung, 2020, S. 51. 7 Gesetz zur Europäischen Sozialcharta vom 18. Oktober 1961 (BGBl. II 1964, S. 1261). 8 Internationaler Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte vom 19. Dezember 1966 (BGBl. II 1973, S. 1569). 9 Gesetz zur Stärkung der Gesundheitsförderung und der Prävention vom 17. Juli 2015 (BGBl. I 2015, S. 1368, 1781). 10 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch, Gesetzliche Krankenversicherung, Artikel 1 des Gesetzes vom 20. Dezember 1988 (BGBl. I 1988, S. 2477), zuletzt geändert durch das Zweite Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite vom 19. Mai 2020 (BGBl. I 2020, S. 1018). 11 Siehe hierzu auch Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages, Bonusprogramme der gesetzlichen Krankenkassen für gesundheitsbewusstes Verhalten, Dokumentation, 26. November 2020, WD 9 - 090/20. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 - 089/20 Seite 6 EU bei der Bewältigung globaler Herausforderungen im Gesundheitsbereich befürwortet und unter anderem für ein Europäisches Zentrum zur Prävention und Kontrolle von Krankheiten (ECDC) eintritt.12 3. Strategien und Formen der Prävention Die Verwirklichung dieser gesetzlich verankerten Ziele erfordert plausible Umsetzungsstrategien. Auf Grundlage der Ottawa-Charta der WHO bildet der sog. Setting-Ansatz die Kernstrategie der Gesundheitsförderung und Prävention.13 Zudem wird zwischen Primär-, Sekundär- und Tertiärprävention unterschieden. 3.1. Der Setting-Ansatz Der Setting-Ansatz beruht auf dem Grundgedanken, dass Gesundheit nicht allein durch ärztliche Versorgung gewährleistet werden kann. Vielmehr müsse die Förderung der Gesundheit an den alltäglichen Lebensbereichen ansetzen, in denen die Menschen den größten Teil ihrer Zeit verbringen (z. B. Kindergarten, Schule, Arbeitsplatz etc.).14 Der Ansatz konzentriert sich auf den Abbau gesundheitlicher Ungleichheiten und die Herstellung von Chancengleichheit.15 Die Umsetzung dieser Strategie erfordert die Stärkung von Kompetenzen und Ressourcen der Individuen, die Entwicklung gesundheitsfördernder Rahmenbedingungen und die systematische Einbindung einer Vielzahl von Personen und deren Lebenswelten. An dem Setting-Ansatz orientieren sich viele, meist von der WHO initiierte Präventions- und Gesundheitsförderungsprogramme. Auch im deutschen Präventionsgesetz finden sich Elemente des Setting-Ansatzes,16 etwa in § 20a Abs. 1 SGB V, der die Leistungen zur Gesundheitsförderung und Prävention in den „Lebenswelten“ regelt. Innerhalb des Setting-Ansatzes wird zwischen Verhaltens- und Verhältnisprävention unterschieden: Verhaltensprävention zielt auf die Beeinflussung individuellen Verhaltens, wohingegen die Verhältnisprävention Umweltfaktoren in den Blick nimmt.17 12 Strategie der Bundesregierung zu globaler Gesundheit. Verantwortung – Innovation – Partnerschaft, herausgegeben vom Bundesministerium für Gesundheit, Oktober 2020, abrufbar unter: https://www.bundesgesundheitsministerium .de/fileadmin/Dateien/5_Publikationen/Gesundheit/Broschueren/GlobaleGesundheitsstrategie _Web.pdf. 13 Baumgarten, Kerstin/ Sterdt, Elena, Innovative Strategien der Gesundheitsförderung, in: Die Perspektive(n) der Gesundheitsförderung, 2019, S. 284. 14 Vgl. Weinbrenner, Susanne/ Wörz, Markus/ Busse, Reinhard, Gesundheitsförderung in Europa, 2007, S. 23. 15 Baumgarten, Kerstin/ Sterdt, Elena, Innovative Strategien der Gesundheitsförderung, in: Die Perspektive(n) der Gesundheitsförderung, 2019, S. 285. 16 Hartung, Susanne/ Rosenbrock, Rolf, Settingansatz – Lebensweltansatz, in: Leitbegriffe der Gesundheitsförderung und Prävention, Glossar zu Konzepten, Strategien und Methoden, 2018, S. 893. 17 Weinbrenner, Susanne/ Wörz, Markus/ Busse, Reinhard, Gesundheitsförderung in Europa, 2007, S. 23. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 - 089/20 Seite 7 Verhaltenspräventive Maßnahmen sind der Fachliteratur zufolge deutlich weniger wirksam als die Verhältnisprävention.18 Dies sei darauf zurückzuführen, dass sich die Verhaltensprävention auf die Eigenverantwortung der Menschen stütze. Die Steuerung des individuellen Verhaltens durch Anreizsysteme berge aber die Gefahr, dass die Menschen ihre Gesundheit geringschätzten .19 Zudem stelle sich hier die Frage, wie stark ein Staat in die Autonomie seiner Bürgerinnen und Bürger eingreifen dürfe. Präventionsmaßnahmen, die allein an die Nachfrageseite gerichtet seien, könnten daher ungenügend sein. Es bedürfe zusätzlich einer Regulierung des Verhaltens der Anbieter.20 3.2. Primär-, Sekundär- und Tertiärprävention Die Gesundheitsprävention lässt sich weiterhin in drei Kategorien unterteilen, nämlich Primär-, Sekundär- und Tertiärprävention.21 Die Primärprävention zielt darauf ab, Gesundheitsrisiken zu vermeiden, um den Ausbruch einer Krankheit oder sonstigen gesundheitlichen Störung zu verhindern.22 Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass die Adressaten der Primärprävention in der Regel gesunde Menschen sind. Maßnahmen der Sekundärprävention sind hingegen darauf gerichtet, eine Krankheit im Frühstadium zu erkennen bzw. einzudämmen.23 Die Tertiärprävention greift erst ein, wenn eine Krankheit bereits festgestellt ist, und versucht dann, ein Fortschreiten der Erkrankung zu verhindern.24 In der Praxis kann sich eine trennscharfe Abgrenzung zwischen den einzelnen Kategorien aufgrund möglicher Überschneidungen als schwierig erweisen. Im Bereich der Primärprävention gibt es in der Fachliteratur Zweifel daran, dass in Deutschland die Umsetzung von Maßnahmen effizient gelingt - insbesondere im Vergleich zu Australien, den USA und Großbritannien.25 Zur Vermeidung von gesundheitsschädlichen Verhaltensweisen wie z. B. des Rauchens, eines übermäßigen Alkoholkonsums und von Fettleibigkeit setzt die deutsche 18 Effertz, Tobias, Kosten und Nutzen von Prävention und Gesundheitsförderung, in: Die Perspektive(n) der Gesundheitsförderung , 2019, S. 323. 19 Hofmarcher, Maria, Eigenverantwortung im Gesundheitssystem verlangt eine Symphonie klug abgestimmter Regulierungen, in: Schwerpunkt Freiheit und Verantwortung, 2014, S. 606. 20 Vgl. Hofmarcher, Maria, Eigenverantwortung im Gesundheitssystem verlangt eine Symphonie klug abgestimmter Regulierungen, in: Schwerpunkt Freiheit und Verantwortung, 2014, S. 606. 21 Weinbrenner, Susanne/ Wörz, Markus/ Busse, Reinhard, Gesundheitsförderung in Europa, 2007, S. 21. 22 Gebert, Christian, Verhaltens- und verhältnisbezogene Primärprävention und Gesundheitsförderung im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung, 2020, S. 28. 23 Weinbrenner, Susanne/ Wörz, Markus/ Busse, Reinhard, Gesundheitsförderung in Europa, 2007, S. 21. 24 Gebert, Christian, Verhaltens- und verhältnisbezogene Primärprävention und Gesundheitsförderung im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung, 2020, S. 28. 25 Vgl. Effertz, Tobias, Kosten und Nutzen von Prävention und Gesundheitsförderung, in: Die Perspektive(n) der Gesundheitsförderung, 2019, S. 323. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 - 089/20 Seite 8 Gesundheitspolitik u. a. auf Informationskampagnen und auf Selbstverpflichtungen der Industrie . Da diese Informationskampagnen mit finanziell starken Marketingbudgets der Industrie konkurrierten , sei ein Scheitern leicht nachzuvollziehen.26 4. Die Umsetzung der Präventionsstrategien und ihre wirtschaftliche Bedeutung Das Konzept der Gesundheitsförderung auf der Grundlage der Ottawa-Charta wird fortlaufend weiterentwickelt. Immer wieder finden internationale Konferenzen der WHO zum Thema Prävention und Gesundheitsförderung statt. Zuletzt wurde die globale Konferenz zur Gesundheitsförderung in Shanghai im Jahr 2016 durchgeführt.27 Für September 2021 ist die Europäische Konferenz über gesundheitsförderliche Bewegung in Nizza geplant.28 Zudem finden regelmäßig internationale Veranstaltungen statt, die Prävention und Gesundheitsförderung mit Blick auf bestimmte Krankheiten thematisieren. Inwiefern die einzelnen Staaten die von der WHO vorgegebenen Strategien umsetzen, ist allerdings fraglich. Die WHO fordert die Mitgliedsstaaten immer wieder auf, stärkere Anreize zur gesundheitlichen Risikoprävention zu schaffen.29 Damit ist die Hoffnung verbunden, dass solche Maßnahmen den Gesundheitszustand positiv beeinflussen und dies zu einer Verringerung der Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen führt.30 In den Industriestaaten ist ein stetiges Wachstum der Gesundheitswirtschaft zu erkennen.31 Um die steigenden Gesundheitskosten ausgleichen zu können, greifen viele dieser Länder auf Maßnahmen der Prävention und Gesundheitsförderung zurück.32 Der Ausgabenanteil für Prävention und Gesundheitsförderung beträgt in den OECD-Ländern etwa drei Prozent der Gesamtausgaben 26 Effertz, Tobias, Kosten und Nutzen von Prävention und Gesundheitsförderung, in: Die Perspektive(n) der Gesundheitsförderung , 2019, S. 323. 27 9. Globale Konferenz zur Gesundheitsförderung mit dem Motto: Gesundheit für alle und alle für Gesundheit: https://www.euro.who.int/de/media-centre/events/events/2016/11/9th-global-conference-on-health-promotion; ein Überblick über die zentralen Konferenzen der WHO findet sich bei Kaba-Schönstein, Lotte, Gesundheitsförderung 3, Entwicklung nach Ottawa, in: Leitbegriffe der Gesundheitsförderung und Prävention, Glossar zu Konzepten , Strategien und Methoden, 2018, S. 249. 28 Nähere Informationen zur Konferenz sind abrufbar unter: https://www.euro.who.int/de/mediacentre /events/events/2021/09/health-enhancing-physical-activity-hepa-europe-2021-conference. 29 Reichert, Arndt-Rüdiger, Dienen GKV-Bonusprogramme der Risikoelektion?, in: Zukunftsperspektiven der Gesundheitswirtschaft , 2012, S. 283. 30 König, Hans-Helmut, Ökonomische Evaluation von Gesundheitsförderung und Prävention, in: Leitbegriffe der Gesundheitsförderung und Prävention, Glossar zu Konzepten, Strategien und Methoden, 2018, S. 696. 31 Reichert, Arndt-Rüdiger, Dienen GKV-Bonusprogramme der Risikoelektion?, in: Zukunftsperspektiven der Gesundheitswirtschaft , 2012, S. 283. 32 König, Hans-Helmut, Ökonomische Evaluation von Gesundheitsförderung und Prävention, in: Leitbegriffe der Gesundheitsförderung und Prävention, Glossar zu Konzepten, Strategien und Methoden, 2018, S. 696. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 - 089/20 Seite 9 für Gesundheit.33 In vielen dieser Länder sind die Ausgaben für Prävention und Gesundheitsförderung allerdings stark von der wirtschaftlichen Lage abhängig.34 So haben Länder mit hohen Staatsschulden bspw. in der Eurokrise im Jahr 2010 vorrangig im Bereich der Prävention und Gesundheitsförderung gespart.35 5. Internationaler Vergleich In Bezug auf die Verwirklichung von Präventionszielen wird in der Fachliteratur auf internationaler Ebene grob zwischen drei Gruppen differenziert – Länder mit weit fortgeschrittener Umsetzung von Präventionsstrategien, Länder mit verstärkten Bemühungen zur Umsetzung von Präventionsstrategien und Länder mit nur ansatzweise umgesetzten Präventionsstrategien. 5.1. Länder mit weit fortgeschrittener Umsetzung von Präventionsstrategien Nach einer Studie der Technischen Universität Berlin aus dem Jahr 2007 ist in den Ländern der ersten Gruppe die Umsetzung der Präventionsstrategien weit fortgeschritten.36 Hierzu gehören u. a. Dänemark, Finnland, die Niederlande, Schweden und Großbritannien.37 In diesen Ländern werden Präventionsprogramme erfolgreich umgesetzt und regelmäßig aktualisiert. Hierbei stellt insbesondere Schweden ein Beispiel für eine erfolgreiche nationale Präventionspolitik dar. Die schwedische Bevölkerung genießt innerhalb der EU mit 65 Jahren die höchste Erwartung an Lebensjahren ohne erhebliche Erkrankungen und Behinderungen (sog. „healthy life expectancy“), wobei dies für Männer und Frauen gilt.38 Die Zahl der Raucher nimmt stark ab.39 Nur zwölf Prozent der Erwachsenen in Schweden rauchen täglich; das ist ein Rückgang von 33 Gmeinder, Michael/ Morgan, David/ Mueller, Michael, How much do OECD Countries spend on Prevention?, in: OECD Health Working Papers No. 101, 2017, S. 38. 34 Eine ausführliche Darstellung der Ausgaben der OECD-Länder für Prävention und Gesundheitsförderung ist abrufbar unter: https://read.oecd-ilibrary.org/social-issues-migration-health/how-much-do-oecd-countries-spendon -prevention_f19e803c-en#page39. 35 Effertz, Tobias, Kosten und Nutzen von Prävention und Gesundheitsförderung, in: Die Perspektive(n) der Gesundheitsförderung , 2019, S. 318. 36 Weinbrenner, Susanne/ Wörz, Markus/ Busse, Reinhard, Gesundheitsförderung in Europa, 2007, S. 24 f., neuere Studien, die den Umsetzungsstand der Prävention in verschiedenen Ländern zueinander ins Verhältnis setzen, sind nicht ersichtlich. 37 Weinbrenner, Susanne/ Wörz, Markus/ Busse, Reinhard, Gesundheitsförderung in Europa, 2007, S. 24 f. 38 Europäische Kommission, State of Health in the EU Sweden Country Health Profile 2017, abrufbar unter: https://www.euro.who.int/__data/assets/pdf_file/0012/355998/Health-Profile-Sweden-Eng.pdf?ua=1. 39 Socialstyrelsen – National Board of Health and Welfare, Disease Prevention in the Swedish Healthcare System: Health situation, national guidelines and implementation, 2013, abrufbar unter: https://www.ndphs.org/documents/4922/Sweden%20Disease%20prevention%20guidlines.pdf. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 - 089/20 Seite 10 19 Prozent seit dem Jahr 2000 und die niedrigste Rate unter den EU-Ländern.40 Das schwedische Gesundheitssystem zeichnet sich durch große finanzielle und personelle Ressourcen aus.41 Die im Jahr 2003 in elf Zielen gefasste Gesundheitspolitik wurde 2010 in drei Strategiebereiche gegliedert : Schaffung gesunder Lebensbedingungen, Verbesserung der öffentlichen Gesundheit und Reduzierung von Alkohol- und Drogenkonsum sowie Spielsucht. Dabei wurde besonderes Augenmerk auf die Förderung der sozialen und politischen Teilnahme und Einflussnahme der Bevölkerung gelegt.42 Maßnahmen der öffentlichen Gesundheit, die sich an die gesamte Bevölkerung richten, haben seit langem einen hohen Stellenwert. Das von der Regierung beauftragte National Board of Health and Welfare hat die Aufgabe übernommen, nationale Richtlinien für die Methoden der Krankheitsprävention zu erstellen und wird dabei von einer großen Anzahl von Experten mit wissenschaftlicher und klinischer Erfahrung unterstützt.43 Um den Gesundheitszustand der Bevölkerung aufzuzeigen und Veränderungen der öffentlichen Gesundheitspolitik zu überwachen, ist für alle zwei Jahre eine Berichterstattung („Public Health Reporting“) vorgesehen .44 Darüber hinaus werden stets neue Wege und Methoden gesucht, um der Bedeutung von Prävention gerecht zu werden. So wird aktuell das neue Modell „Social Impact Bond“ getestet, das eine Zusammenarbeit von privaten Investoren mit dem öffentlichen Sektor ermöglicht und bei der Prävention von Typ-2-Diabetes zur Anwendung kommen soll.45 Ein weiteres Beispiel für eine erfolgreiche Gesundheitspolitik im Bereich der Prävention stellt der genannten Studie zufolge Großbritannien dar.46 Die Präventivmedizin ist im britischen Gesundheitssystem fest etabliert; prädiktive und personalisierte Ansätze nehmen deutlich zu.47 Im Laufe der Zeit haben Maßnahmen im Bereich der öffentlichen Gesundheit zu erheblichen Verbesserungen der Gesundheit geführt.48 Der National Health Service (NHS) hat sich zu einem der 40 Europäische Kommission, State of Health in the EU, Sweden, Country Health Profile 2017, abrufbar unter: https://www.euro.who.int/__data/assets/pdf_file/0012/355998/Health-Profile-Sweden-Eng.pdf?ua=1. 41 Europäische Kommission, State of Health in the EU, Sweden, Country Health Profile 2017, abrufbar unter: https://www.euro.who.int/__data/assets/pdf_file/0012/355998/Health-Profile-Sweden-Eng.pdf?ua=1. 42 Hartung, Susanne/ Rosenbrock, Rolf, Gesundheitspolitik, in: Leitbegriffe der Gesundheitsförderung und Prävention , Glossar zu Konzepten, Strategien und Methoden, 2018, S. 532. 43 Socialstyrelsen – National Board of Health and Welfare, Disease Prevention in the Swedish Healthcare System: Health situation, national guidelines and implementation, 2013, abrufbar unter: https://www.ndphs.org/documents/4922/Sweden%20Disease%20prevention%20guidlines.pdf. 44 Krim, Talia, Preventative healthcare can rescue Swedish healthcare, abrufbar unter: https://www.ri.se/en/ourstories /preventative-healthcare-can-rescue-swedish-healthcare. 45 Nähere Informationen zu diesem Projekt sind abrufbar unter: https://www.ri.se/en/our-stories/preventativehealthcare -can-rescue-swedish-healthcare. 46 Weinbrenner, Susanne/ Wörz, Markus/ Busse, Reinhard, Gesundheitsförderung in Europa, 2007, S. 24 f. 47 Grosios, Konstantina/ Gahan B., Peter/ Burbidge, Jande, Overview of healthcare in the UK, in: EPMAJ, 2010, S. 529-534, abrufbar unter: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC3405352/. 48 Department of Health and Social Care, Advancing our health: prevention in the 2020s – consultation document, 2019, abrufbar unter: https://www.gov.uk/government/consultations/advancing-our-health-prevention-in-the- 2020s/advancing-our-health-prevention-in-the-2020s-consultation-document. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 - 089/20 Seite 11 größten Gesundheitssysteme der Welt entwickelt. In Bezug auf die Verbesserung der vorbeugenden Versorgung wurden vom NHS sechs wichtige klinische Ziele festgelegt. Dies sind die Bekämpfung von Fettleibigkeit, die Verringerung von Alkoholschäden, die Behandlung von Drogenabhängigkeit , die Senkung der Raucherquote, die Verbesserung der sexuellen Gesundheit und die Verbesserung der psychischen Gesundheit.49 Auf dem Weg zu einer rauchfreien Gesellschaft wurden bereits nennenswerte Fortschritte erzielt. In den letzten 25 Jahren hat sich die Raucherquote in Großbritannien halbiert. Diese lag 2018 bei 14,4 Prozent und ist damit eine der niedrigsten Raucherquoten in Europa.50 Parallel dazu sind in England Sterblichkeitsraten durch Herzkrankheiten und Schlaganfall gesunken.51 Diese positive Bilanz sei das Ergebnis jahrzehntelanger konzentrierter Anstrengungen und staatlicher Maßnahmen.52 Dennoch bestünden Defizite: Die Kluft zwischen Reich und Arm werde immer größer, die gesundheitliche Ungleichbehandlung in der Folge immer deutlicher, da Reiche leichteren Zugang zu Gesundheitsdiensten hätten.53 Der NHS bemüht sich aktuell vor allem um eine Ausweitung des Diabetes-Präventionsprogramms und um die Eindämmung von Krankheiten, die auf Tabak- und Alkoholkonsum zurückgehen.54 5.2. Länder mit verstärkten Bemühungen zur Umsetzung von Präventionsstrategien In den Ländern der zweiten Gruppe, in die etwa Deutschland, Frankreich, Irland und Luxemburg eingeordnet werden, sind der Studie zufolge verstärkt Bemühungen zur Etablierung der Gesundheitsförderung zu erkennen, die Umsetzung gelinge jedoch nicht immer.55 So befindet sich etwa in Frankreich die Prävention in einer Phase der Entwicklung. Zwar lag die durchschnittliche Lebenserwartung in Frankreich im Jahr 2018 bei 80 Jahren und ist damit eine der höchsten der Welt. Neuere Untersuchungen weisen aber darauf hin, dass die Rate der vorzeitigen Sterblichkeit zu hoch und die Unterschiede zwischen den sozialen Schichten zu groß 49 Grosios, Konstantina/ Gahan B., Peter/ Burbidge, Jande, Overview of healthcare in the UK, in: EPMAJ, 2010, S. 529-534, abrufbar unter: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC3405352/. 50 Department of Health and Social Care, Advancing our health: prevention in the 2020s – consultation document, 2019, abrufbar unter: https://www.gov.uk/government/consultations/advancing-our-health-prevention-in-the- 2020s/advancing-our-health-prevention-in-the-2020s-consultation-document. 51 Public Health England, Health profile for England: 2018, Chapter 2: trends in mortality, abrufbar unter: https://www.gov.uk/government/publications/health-profile-for-england-2018/chapter-2-trends-in-mortality. 52 Department of Health and Social Care, Advancing our health: prevention in the 2020s – consultation document, 2019, abrufbar unter: https://www.gov.uk/government/consultations/advancing-our-health-prevention-in-the- 2020s/advancing-our-health-prevention-in-the-2020s-consultation-document. 53 Grosios, Konstantina/ Gahan B., Peter/ Burbidge, Jande, Overview of healthcare in the UK, in: EPMAJ, 2010, S. 529-534, abrufbar unter: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC3405352/. 54 Department of Health and Social Care, Advancing our health: prevention in the 2020s – consultation document, 2019, abrufbar unter: https://www.gov.uk/government/consultations/advancing-our-health-prevention-in-the- 2020s/advancing-our-health-prevention-in-the-2020s-consultation-document. 55 Weinbrenner, Susanne/ Wörz, Markus/ Busse, Reinhard, Gesundheitsförderung in Europa, 2007, S. 24 f. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 - 089/20 Seite 12 seien.56 Auch der Alkoholkonsum sei einer der höchsten der OECD-Länder.57 In den letzten Jahren beobachte man im Gesundheitsbereich eine zunehmende Fokussierung auf die Prävention. Die jüngsten Reformen im Gesundheitsbereich, die 2016 verabschiedet wurden, legten einen Schwerpunkt insbesondere auf die Förderung der Gesundheit und des Wohlbefindens junger Generationen . Die Entwicklung zentralisierter Programme zur Primär- und Sekundärprävention und die Überwachung und Bewertung durch zentrale Stellen ließen dabei klarere Strukturen erkennen als in anderen Ländern, zeigten aber nicht unbedingt bessere Ergebnisse. Den Hauptkritikpunkt bei der Analyse des französischen Präventionssystems bildet die mangelnde Koordination zwischen den dezentralen Agenturen, welche die Präventionsprogramme umsetzen.58 Die Prävention hat auch in Deutschland mittlerweile einen hohen Stellenwert eingenommen. Seit ihrer Gründung im Jahr 1967 verfolgt die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) als Bundesoberbehörde im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) das Ziel, Gesundheitsrisiken vorzubeugen und gesundheitsfördernde Lebensweisen zu unterstützen. 59 Darüber hinaus ist die BzGA mit der Umsetzung der im Präventionsgesetz beschlossenen Maßnahmen beauftragt, vgl. etwa § 20a Abs. 3 sowie § 20e Abs. 1 SGB V. Daneben wird seit dem Jahr 2010 das ebenfalls beim BMG angesiedelte Robert Koch-Institut (RKI) als nationales Public-Health-Institut ausgebaut, das für die Erkennung, Verhütung und Bekämpfung übertragbarer Krankheiten zuständig ist.60 Setting-basierte Maßnahmen werden seitdem stärker betont. Zudem erhalten immer mehr Menschen Präventions- und Gesundheitsförderungsmaßnahmen von ihrer Krankenkasse.61 Die durchschnittliche Lebenserwartung lag in Deutschland im Jahr 2017 bei 80,7 Jahren und damit knapp über dem EU-Durchschnitt, der bei 80,6 Jahren lag.62 Rauchen stellt in Deutschland das größte vermeidbare Gesundheitsrisiko dar; an den Folgen des Rauchens sterben hier jährlich 56 Buzyn, Agmès, 25 key measures in French preventive healthcare policy, 2018, abrufbar unter: https://uk.ambafrance .org/25-key-measures-in-French-preventive-healthcare-policy. 57 OECD Health policy overview, 2016, abrufbar unter: https://www.oecd.org/france/Health-Policy-in-France-January -2016.pdf. 58 Caredda E./ Gilardi F./ Morciano L., The Governance of Prevention in France, in: Biomedicine & Prevention issues, 2018, S. 171, abrufbar unter: https://www.biomedicineandprevention.com/manuscript/governance-prevention -france. 59 Nähere Informationen zur BzGA abrufbar unter: https://www.bzga.de/ueber-uns/aufgaben-und-ziele/. 60 Das RKI als nationales Public-Health-Institut, Übersichtsartikel aus dem Jubiläumsbuch 125 Jahre Robert Koch- Institut, hrsg. vom RKI, abrufbar unter: https://www.rki.de/DE/Content/Institut/Public_Health/Beitrag_Jubilaeumsbuch .html. 61 Caredda E./ Gilardi F./ Morciano L., The Governance of Prevention in Germany, in: Biomedicine & Prevention issues, 2018, S. 172, abrufbar unter: https://www.biomedicineandprevention.com/manuscript/governance-prevention -Germany. 62 Europäische Kommission, State of Health in the EU, Sweden, Country Health Profile 2017, abrufbar unter: https://www.euro.who.int/__data/assets/pdf_file/0012/355998/Health-Profile-Sweden-Eng.pdf?ua=1. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 - 089/20 Seite 13 über 170.000 Menschen.63 Im Vergleich zu Nichtrauchern haben Raucher ein bis zu 80 Prozent höheres Risiko für allgemeine Sterblichkeit.64 Seit den 1980er Jahren ist eine leichte Senkung der Raucherquote zu sehen.65 Die Raucherquote liegt insgesamt bei ca. 23,8 Prozent, wobei Männer häufiger rauchen als Frauen.66 Übermäßiger Alkoholkonsum stellt ein weiteres großes Gesundheitsrisiko für die deutsche Bevölkerung dar. Mit 24,3 Prozent bei Frauen und 42,1 Prozent bei Männern liegt die Prävalenz monatlichen Rauschtrinkens deutlich über dem EU-Durchschnitt, in dem der Anteil bei Frauen bei 12,2 Prozent und bei Männern bei 28 Prozent liegt.67 5.3. Länder mit nur ansatzweise umgesetzten Präventionsstrategien Bei der dritten Gruppe (z. B. Portugal, Italien, Spanien, Griechenland) sind nach den Ergebnissen der Studie kaum Ansätze zur Umsetzung der Präventionsstrategien- und ziele vorhanden.68 In Italien ist der Nationale Präventionsplan das wichtigste Politik- und Planungsinstrument im Bereich der Prävention. Dieser wird alle drei bis fünf Jahre vorgelegt und beinhaltet die Organisation und Umsetzung von Präventionsaktivitäten.69 Mit 80,7 Jahren war Italien das Land mit der zweithöchsten Lebenserwartung in Europa im Jahr 2017.70 Allerdings gibt es große Unterschiede zwischen dem Norden und dem Süden des Landes. Die Lebenserwartung im Süden lag im Jahr 2018 um 2,9 Jahre unterhalb derer im Norden. Fettleibigkeit und andere verhaltensbedingte Risikofaktoren führen der Fachliteratur zufolge zu insgesamt schlechteren Ergebnissen in den südli- 63 Bundesministerium für Gesundheit, Glossar, Rauchen, abrufbar unter: https://www.bundesgesundheitsministerium .de/service/begriffe-von-a-z/r/rauchen.html. 64 Aktuelle Statistiken auch zu anderen Gesundheitsrisiken finden sich in: Gesundheitsberichterstattung des Bundes , Journal of Health Monitoring, Juni 2017, abrufbar unter: https://www.rki.de/DE/Content/Gesundheitsmonitoring /Gesundheitsberichterstattung/GBEDownloadsJ/JoHM_2017_02_Gesundheitsverhalten.pdf?__blob=publication File. 65 Bundesministerium für Gesundheit, Glossar, Rauchen, abrufbar unter: https://www.bundesgesundheitsministerium .de/service/begriffe-von-a-z/r/rauchen.html. 66 Bundesministerium für Gesundheit, Glossar, Rauchen, abrufbar unter: https://www.bundesgesundheitsministerium .de/service/begriffe-von-a-z/r/rauchen.html. 67 Gesundheitsberichterstattung des Bundes, Journal of Health Monitoring, Juni 2017, abrufbar unter: https://www.rki.de/DE/Content/Gesundheitsmonitoring/Gesundheitsberichterstattung/GBEDownloads J/JoHM_2017_02_Gesundheitsverhalten.pdf?__blob=publicationFile. 68 Weinbrenner, Susanne/ Wörz, Markus/ Busse, Reinhard, Gesundheitsförderung in Europa, 2007, S. 24 f. 69 Caredda E./ Gilardi F./ Morciano L., The Governance of Prevention in Italy, in: Biomedicine & Prevention issues, 2018, S. 173, abrufbar unter: https://www.biomedicineandprevention.com/manuscript/governance-prevention -italy. 70 Eine Statistik zu der Lebenserwartung in den EU-Ländern im Jahr 2017 findet sich auch in: Europäische Kommission , State of Health in the EU, Sweden, Country Health Profile 2017, abrufbar unter: https://www.euro.who.int/__data/assets/pdf_file/0012/355998/Health-Profile-Sweden-Eng.pdf?ua=1. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 - 089/20 Seite 14 chen Regionen Italiens. Dies ist wiederum darauf zurückzuführen, dass im Süden weniger Vorsorgeuntersuchungen erfolgen und geringere Finanzmittel für die Prävention zur Verfügung gestellt werden.71 6. Fazit Prävention und Gesundheitsförderung haben in vielen Ländern an Bedeutung gewonnen. Der Ländervergleich zeigt, dass in den Ländern, die frühzeitig unabhängige Institutionen mit der Gesundheitsförderung beauftragt haben, die Umsetzung von Präventionsstrategien besser gelingt. Ungeachtet aller Fortschritte bestehen allerdings vielerorts Schwierigkeiten bei der Umsetzung der von der WHO entwickelten und forcierten Strategien. Danach sollten Prävention und Gesundheitsförderung nicht allein als Teil der Gesundheitsversorgung verstanden werden, sondern als integraler Bestandteil einer gesundheitsfördernden Gesamtpolitik, die im Idealfall alle Lebensbereiche einschließt. *** 71 Caredda E./ Gilardi F./ Morciano L., The Governance of Prevention in Italy, in: Biomedicine & Prevention issues, 2018, S. 173, abrufbar unter: https://www.biomedicineandprevention.com/manuscript/governance-prevention -italy.