© 2019 Deutscher Bundestag WD 9 - 3000 - 087/19 Zum Weigerungsrecht von Krankenhäusern, Schwangerschaftsabbrüche vorzunehmen Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 - 087/19 Seite 2 Zum Weigerungsrecht von Krankenhäusern, Schwangerschaftsabbrüche vorzunehmen Aktenzeichen: WD 9 - 3000 - 087/19 Abschluss der Arbeit: 28. November 2019 Fachbereich: WD 9: Gesundheit, Familie, Senioren, Frauen und Jugend Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 - 087/19 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Weigerungsrecht 5 2.1. Zur Historie 5 2.2. Weigerungsrecht der Ärztinnen und Ärzte 6 2.3. Weigerungsrecht der Krankenhausleitungen und Krankenhausträger 7 3. Pflicht der Bundesländer zur Vorhaltung von Einrichtungen, die Schwangerschaftsabbrüche vornehmen 9 3.1. Rechtliche Grundlage im Schwangerschaftskonfliktgesetz 9 3.2. Stationärer Sicherstellungsauftrag im Zusammenhang mit der Vornahme von Schwangerschaftsabbrüchen 10 3.3. Ambulanter Sicherstellungsauftrag im Zusammenhang mit der Vornahme von Schwangerschaftsabbrüchen 12 3.4. Fazit 12 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 - 087/19 Seite 4 1. Einleitung Ein Schwangerschaftsabbruch ist nach § 218 Strafgesetzbuch (StGB)1 rechtlich verboten und steht grundsätzlich unter Strafe. Das Strafgesetzbuch sieht jedoch gemäß § 218a StGB unter bestimmten Voraussetzungen die Straffreiheit eines Schwangerschaftsabbruchs vor – nämlich dann, wenn eine Schwangere, die den Abbruch der Schwangerschaft verlangt, der Ärztin oder dem Arzt durch eine Bescheinigung nachgewiesen hat, dass sie sich mindestens drei Tage vor dem Eingriff hat beraten lassen, wenn der Schwangerschaftsabbruch von einer Ärztin oder einem Arzt vorgenommen wird und wenn seit der Empfängnis nicht mehr als zwölf Wochen vergangen sind (sogenannte „Beratungsregelung“ nach § 218a StGB). Hier handelt es sich dem Wortlaut nach um einen Tatbestandsausschließungsgrund, der die Rechtswidrigkeit unberührt lässt.2 Ein Schwangerschaftsabbruch aufgrund einer medizinisch-sozialen oder – innerhalb der ersten zwölf Schwangerschaftswochen – einer kriminologischen Indikation ist nicht rechtswidrig (§ 218a Absatz 2 und 3 StGB). Der oftmals operativ durchgeführte Schwangerschaftsabbruch wird ambulant oder stationär in einem Krankenhaus oder ambulant in einer Arztpraxis durchgeführt. Die Presse berichtete im Jahr 2017 von Krankenhäusern, die – von medizinischen Notfällen abgesehen – keine Schwangerschaftsabbrüche durchführen und sah beispielsweise in Niedersachsen zumindest zeitweise eine Versorgungslücke.3 Aktuell wird in der Presse die Weigerung der neuen ökumenischen Flensburger Klinik, spätestens ab 2026 – mit Ausnahme von medizinischen Notfällen – keine Schwangerschaftsabbrüche mehr durchzuführen, diskutiert.4 Der vorliegende Sachstand beschäftigt sich mit dem gesetzlich verankerten Weigerungsrecht, wonach niemand verpflichtet ist, an einem Schwangerschaftsabbruch mitzuwirken. In diesem Zusammenhang wird der Frage nachgegangen, ob sich auch Krankenhausträger auf das Weigerungsrecht berufen können. Des Weiteren wird auf die zum Weigerungsrecht im Spannungsfeld stehende Pflicht der Bundesländer, Einrichtungen vorzuhalten, die Schwangerschaftsabbrüche vornehmen , eingegangen. Dabei wird geprüft, ob der Sicherstellungsauftrag für die medizinische Versorgung die Durchführung von Schwangerschaftsabbrüchen abverlangen kann. 1 Strafgesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung vom 13. November 1998 (BGBl. I S. 3322), das zuletzt durch Artikel 2 des Gesetzes vom 19. Juni 2019 (BGBl. I S. 844) geändert worden ist. 2 Rogall in: Wolter, Systematischer Kommentar zum StGB, 9. Auflage 2017, § 218a Rn. 1. 3 Die Tageszeitung (taz), Die ungewollte Patientin, Bericht vom 6. März 2017. 4 Spiegel Online, Neue ökumenische Klinik will keine Abtreibungen vornehmen, Bericht vom 4. November 2019, abrufbar unter: https://www.spiegel.de/gesundheit/schwangerschaft/flensburg-neue-oekumenische-klinik-willkeine -abtreibungen-mehr-vornehmen-a-1294734.html (dieser sowie alle weiteren Links wurden zuletzt abgerufen am 28. November 2019); Kieler Nachrichten, Umstritten: Neue Klinik lehnt Schwangerschaftsabbrüche ab, Bericht vom 30. Oktober 2019. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 - 087/19 Seite 5 2. Weigerungsrecht 2.1. Zur Historie Das Weigerungsrecht wurde zunächst als Artikel 2 des Fünften Gesetzes zur Reform des Strafrechts vom 18. Juni 1974 (Fünftes Strafrechtsreformgesetz)5 eingeführt6 und hatte bereits den Wortlaut des heutigen § 12 des Gesetzes zur Vermeidung und Bewältigung von Schwangerschaftskonflikten (Schwangerschaftskonfliktgesetz – SchKG)7: (1) Niemand ist verpflichtet, an einem Schwangerschaftsabbruch mitzuwirken. (2) Absatz 1 gilt nicht, wenn die Mitwirkung notwendig ist, um von der Frau eine anders nicht abwendbare Gefahr des Todes oder einer schweren Gesundheitsschädigung abzuwenden. Die im Fünften Strafrechtsreformgesetz enthaltene Fristenregelung nach § 218a StGB wurde zwar im Februar 1975 vom Bundesverfassungsgericht (BVerfG) für verfassungswidrig erklärt;8 es bestand aber kein Anlass, weitere Vorschriften des Fünften Strafrechtsreformgesetzes für nichtig zu erklären.9 Das daraufhin am 18. Juni 1976 in Kraft getretene 15. Strafrechtsänderungsgesetz10 betraf Änderungsregelungen in der Hauptsache zu § 218a StGB. Das Weigerungsrecht blieb ohne Änderungen. Im Zuge einer weiteren Reform des Abtreibungsrechts durch das Schwangeren- und Familienhilfeänderungsgesetz11 vom 21. August 1995 wurde der Wortlaut des Artikels 2 Fünftes 5 BGBl I S. 1297. 6 Nach dem Gesetzentwurf der Fraktion der CDU/CSU, Entwurf eines Fünften Gesetzes zur Reform des Strafrechts (5. StrRG), Bundestags-Drucksache 7/554 vom 11. Mai 1973, S. 4., enthielt das Weigerungsrecht im damals geplanten § 218g StGB die Erweiterung, der zufolge niemand verpflichtet sein sollte, einen Schwangerschaftsabbruch zuzulassen. Die Formulierung „zuzulassen“ wurde im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens als zu unpräzise abgelehnt, da sie ein allgemeines Widerstandsrecht gegen Abbrüche zu enthalten scheine. Näher dazu: Laufhütte/Wilkitzki, Zur Reform der Strafvorschriften über den Schwangerschaftsabbruch in: Juristenzeitung 1976, S. 329 (337, insbesondere Fn. 154). 7 Schwangerschaftskonfliktgesetz vom 27. Juli 1992 (BGBl. I S. 1398), das zuletzt durch Artikel 2 des Gesetzes vom 22. März 2019 (BGBl. I S. 350) geändert worden ist. 8 BGBl I. S. 625, BVerfG, Urteil vom 25. Februar 1975 – 1 BvF 1/74 – 6/74 in: NJW 1975, S. 573. Die Fristenregelung wurde für verfassungswidrig erklärt, weil sie der Verpflichtung aus Artikel 2 Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, das werdende Leben auch gegenüber der Mutter wirksam zu schützen , "nicht in dem gebotenen Umfang gerecht geworden ist". 9 BVerfG, Urteil vom 25. Februar 1975 - 1 BvF 1, 2, 3, 4, 5, 6/74 in: NJW 1975, S. 573. 10 BGBl. I S. 1213. 11 BGBl. I S. 1050. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 - 087/19 Seite 6 Strafrechtsänderungsgesetz wortgleich als § 12 SchKG aufrechterhalten. So verweist auch die Gesetzesbegründung lediglich darauf, dass § 12 SchKG dem Artikel 2 des Fünften Strafrechtsreformgesetzes entspreche.12 2.2. Weigerungsrecht der Ärztinnen und Ärzte Nach § 12 Absatz 1 und 2 SchKG ist niemand verpflichtet, an einem Schwangerschaftsabbruch mitzuwirken, es sei denn, die Mitwirkung ist notwendig, um von der Frau eine anders nicht abwendbare Gefahr des Todes oder einer schweren Gesundheitsschädigung abzuwenden.13 Diese Ausnahmen sind nach einer Auffassung in der Literatur schon vom Wortlaut her nicht gleichzusetzen mit den Fällen der medizinischen Indikation, sondern seien auf akut drohende schwere Gesundheitsgefahren beschränkt.14 Das BVerfG und andere Teile der Literatur dagegen sehen hierin die medizinisch indizierten Fälle, so dass hier das Weigerungsrecht keine Anwendung finde.15 Das Weigerungsrecht wird teils als Ausfluss der Gewissensfreiheit nach Artikel 4 Absatz 1 Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland (GG)16 und teils als ein Baustein des durch das ärztliche Berufsbild geprägten Persönlichkeitsrechts nach Artikel 2 Absatz 1 i. V. m. Artikel 12 Absatz 1 GG betrachtet.17 Einer Begründung, warum der Einzelne sich weigert, bedarf es nicht.18 Die Mitwirkung an einem Schwangerschaftsabbruch – immer ausgenommen die Fälle drohender schwerer Gesundheitsgefahren – darf nicht nur gegenüber der Schwangeren, sondern ebenfalls gegenüber Arbeitgebenden und Krankenkassen verweigert werden. Auch wenn die Ärztin oder der Arzt sich generell weigern, solche Abbrüche vorzunehmen, dürfen sich daraus keine beruflichen Nachteile ergeben.19 Ebenso ist das ärztliche Hilfspersonal zur Verweigerung befugt, 12 Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (13. Ausschuss), Entwurf eines Schwangeren- und Familienhilfeänderungsgesetzes (SFHÄndG), Bundestags-Drucksache 13/1850 vom 28. Juni 1995, S. 7 und 21. 13 Ergänzend bestimmt § 14 Absatz 1 der Musterberufsordnung für die in Deutschland tätigen Ärztinnen und Ärzte: „Ärztinnen und Ärzte sind grundsätzlich verpflichtet, das ungeborene Leben zu erhalten. Der Schwangerschaftsabbruch unterliegt den gesetzlichen Bestimmungen. Ärztinnen und Ärzte können nicht gezwungen werden , einen Schwangerschaftsabbruch vorzunehmen oder ihn zu unterlassen.“ 14 Ulsenheimer in: Laufs/Kern, Handbuch des Arztrechts, 5. Auflage 2019, § 153 Der Schwangerschaftsabbruch, Rn. 70; Merkel in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, StGB, 5. Auflage 2017, § 218a Rn. 165; Rogall in: Wolter, Systematischer Kommentar zum StGB, 9. Auflage 2017, § 218a Rn 68. 15 BVerfG, Urteil vom 28. Mai 1993 - 2 BvF 2/90, 4/92, 5/92 in: NJW 1993, S. 1751 (1763); Ellwanger, Schwangerschaftskonfliktgesetz , 1997, § 12 Rn. 4. 16 Rogall in: Wolter, Systematischer Kommentar zum StGB, 9. Auflage 2017, § 218a Rn 65. Die Berücksichtigung von Gewissensgründen war auch der gesetzgeberische Grund für die Regelung, vgl. Erster Bericht des Sonderausschusses für die Strafrechtsreform zu dem von den Fraktionen der SPD, FDP eingebrachten Entwurf eines Fünften Gesetzes zur Reform des Strafrechts (5. StrRG), Bundestags-Drucksache 7/1981 (neu) vom 24. April 1974, S. 18. 17 BVerfG, Urteil vom 28. Mai 1993 - 2 BvF 2/90, 4/92, 5/92 in: NJW 1993, S. 1751 (1763). 18 Eser/Weißer in: Schönke/Schröder, StGB, 30. Auflage 2019, § 218a Rn. 84. 19 BVerfG, Urteil vom 28. Mai 1993 - 2 BvF 2/90, 4/92, 5/92 in: NJW 1993, S. 1751 (1763); Kröger in: Leipziger Kommentar, Strafgesetzbuch, 12. Auflage 2018, § 218a Rn. 80. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 - 087/19 Seite 7 soweit es unmittelbar betroffen ist, wie z. B. Operationsschwestern. Auch soll die Beschränkung von Krankenhäusern auf bestimmte Fallgruppen oder auf schwere Fälle eines Abbruchs möglich sein.20 Ob das Weigerungsrecht nach dem SchKG auch dann gilt, wenn die Ärztin bzw. der Arzt sich zum Abbruch von Schwangerschaften vertraglich verpflichtet hatte, ist umstritten. Einerseits wird das Weigerungsrecht als nicht vertraglich abdingbar eingestuft21, andererseits wird vertreten , dass durch den freiwilligen Vertragsabschluss das Selbstbestimmungsrecht insoweit eingeschränkt werde, dass eine Berufung auf das Weigerungsrecht rechtsmissbräuchlich sei. Eine sachgerechte Behandlung der Frauen nach § 13 Absatz 1 SchKG erfordere eine gewisse vertragliche Absicherung. Eine Berufung auf § 12 Absatz 1 SchKG sei nicht mehr möglich. Eine vertragliche Verpflichtung zur Mitwirkung an einem Schwangerschaftsabbruch unter Verweis auf einen nach Vertragsschluss entstandenen Gewissenskonflikt sei hinfällig.22 2.3. Weigerungsrecht der Krankenhausleitungen und Krankenhausträger Ob sich auch Krankenhausleitungen bzw. Krankenhausträger als juristische Personen unter Hinweis auf § 12 Absatz 2 SchKG weigern können, ist dagegen umstritten. Teilweise wird dies bejaht .23 Nach allgemeinem Sprachverständnis sei „niemand“ umfassend zu verstehen und nicht auf natürliche Personen beschränkt.24 Öffentliche Körperschaften würden durch natürliche Personen vertreten und repräsentiert und diesen könne die Berufung auf das Weigerungsrecht nicht verwehrt werden.25 So könne auch die Krankenhausleitung bzw. der Krankenhausträger die Zulassung des Abbruchs verweigern.26 Dafür, dass Ärztinnen und Ärzte in einem Krankenhaus an die Entscheidung der Weigerung der Krankenhausleitung bzw. des Krankenhausträgers gebunden seien, spreche auch, dass ein verantwortungsbewusst durchgeführter Abbruch nicht Sache eines 20 Kröger in: Leipziger Kommentar, StGB, 12. Auflage 2018, § 218a Rn. 80; Eser/Weißer in: Schönke/Schröder, StGB, 30. Auflage 2019, § 218a Rn. 85; Gropp in: Münchener Kommentar zum StGB, 3. Auflage 2017, § 218a Rn.102. 21 Ulsenheimer in: Laufs/Kern, Handbuch des Arztrechts, 5. Auflage 2019, § 153, Der Schwangerschaftsabbruch, Rn. 71; Esser, Der Arzt im Abtreibungsstrafrecht, 1992, S. 100; BVerfG, Urteil vom 28. Mai 1993 - 2 BvF 2/90, 4/92, 5/92 in: NJW 1993, S. 1751 (1763). 22 Gitter/Wendling, „Recht“ auf Sterilisation und Schwangerschaftsabbruch? in: Eser/Hirsch, Sterilisation und Schwangerschaftsabbruch, 1980, S. 201 f; Maier, Mitwirkungsverweigerung beim Schwangerschaftsabbruch in: NJW 1974, S. 1404 (1409 f.). 23 OLG Zweibrücken, Urteil vom 28. März 2000 - OLG Zweibrücken Urteil 28.03.2000 5 U 19/99 in: Medizinrecht 2000, S. 540; Eser/Weißer in: Schönke/Schröder, StGB, 30. Auflage 2019, § 218a Rn. 84; Gropp in: Münchener Kommentar zum StGB, 3. Auflage 2017, § 218a Rn. 99; Gitter/Wendling, „Recht“ auf Sterilisation und Schwangerschaftsabbruch ? in: Eser/Hirsch, Sterilisation und Schwangerschaftsabbruch, 1980, S. 201 (205). 24 Eser/Weißer in: Schönke/Schröder, StGB, 30. Auflage 2019, § 218a Rn. 84; Gropp in: Münchener Kommentar zum StGB, 3. Auflage 2017, § 218a Rn. 99. 25 Gitter/Wendling, „Recht“ auf Sterilisation und Schwangerschaftsabbruch? in: Eser/Hirsch, Sterilisation und Schwangerschaftsabbruch, 1980, S. 205. 26 Eser/Weißer in: Schönke/Schröder, StGB, 30. Auflage 2019, § 218a Rn. 84; Ellwanger, Schwangerschaftskonfliktgesetz , 1997, § 12 Rn. 2. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 - 087/19 Seite 8 Einzelnen sei.27 Nach anderer Meinung ist die Vorschrift aus einer auf den Einzelnen zielenden Gewissensklausel hervorgegangen, so dass öffentlich-rechtliche Krankenhäuser sich nicht darauf berufen könnten; wohl aber kirchliche Träger von Krankenhäusern. Andernfalls würde der Krankenhausträger eine ethische Entscheidung für Untergebene treffen, obwohl eine solche Entscheidung höchstpersönlicher Natur sei und allein die individuelle Konfliktsituation betreffe. Die Weigerung könne nicht für andere erklärt werden.28 Auch wird darauf hingewiesen, dass Krankenhäuser in öffentlicher Trägerschaft in besonderem Maße der Allgemeinheit verpflichtet seien. Ihr Versorgungsauftrag zugunsten der Bevölkerung auf dem Gesundheitssektor sei, anders als bei Krankenhäusern in privater Trägerschaft, nicht in ihr Belieben gestellt.29 Der mehrheitlich beschlossene Antrag der damaligen Regierungskoalition äußerte sich nicht explizit zum Weigerungsrecht einer Krankenhausleitung. Er enthielt folgende Begründung zur Weigerung : „Sie kann nicht von irgend jemandem verbindlich für andere, sondern nur von jedem für sich selbst entschieden werden.“30 Dagegen erklärte die damalige für Familie zuständige Ministerin noch während der parlamentarischen Debatte im Rahmen der dritten Lesung: „Die Ärzte werden durch kein Gesetz gezwungen, Schwangerschaftsabbrüche vorzunehmen. Ihre freie Entscheidung wie die aller Mitwirkenden – und auch der Krankenhausträger – ist gesetzlich garantiert.“31 Auch der Erste Bericht des Sonderausschusses für die Strafrechtsreform zu einem weiteren Gesetzesentwurf führte aus: „Entsprechendes gilt für die Träger von Krankenhäusern und Kliniken. Sie sollen grundsätzlich nicht gezwungen werden können, Patientinnen zum Zweck des Schwangerschaftsabbruchs aufzunehmen.“32 Einige Jahre später, Anfang 1980, vertrat die Bundesregierung wiederum die Auffassung, dass „das im Gesetz geregelte Weigerungsrecht für Einzelpersonen , Ärzte und Krankenschwestern, aber auch für private und kirchliche Träger von Krankenhäusern gilt.“ Dagegen könnten sich Länder und Gemeinden als Teil der öffentlichen Gewalt nicht auf diese Vorschrift berufen. Andernfalls würden Teile der öffentlichen Gewalt auf Landes- oder Kreisebene durch Weigerungsbeschlüsse vom Bundesgesetzgeber getroffene und allein in seiner 27 Scholz, Keine Verpflichtung zur Mitwirkung an Schwangerschaftsabbrüchen in: Niedersächsisches Ärzteblatt April 2017, abrufbar unter: http://www.haeverlag.de/nae/n_beitrag.php?id=5540. 28 Kröger in: Leipziger Kommentar, Strafgesetzbuch, 12. Auflage 2018, § 218a Rn. 81; Grupp, Die Beschränkung von Schwangerschaftsabbrüchen durch Kreistagsbeschlüsse in: NJW 1977, S. 329 (331). 29 Maier, Mitwirkungsverweigerung beim Schwangerschaftsabbruch in: NJW 1974, S. 1404 (1408). Vgl. auch Kröger in: Leipziger Kommentar, Strafgesetzbuch, 12. Auflage 2018, § 218a Rn. 81. Kröger bezweifelt, dass Krankenausträger unter Berufung auf § 12 Absatz 2 SchKG befugt sind, Schwangerschaftsabbrüche aus nichtmedizinischer Indikation allgemein aus dem Leistungsangebot auszunehmen. 30 Erster Bericht des Sonderausschusses für die Strafrechtsreform zu dem von den Fraktionen der SPD, FDP eingebrachten Entwurf eines Fünften Gesetzes zur Reform des Strafrechts (5. StrRG), Bundestags-Drucksache 7/1981 (neu) vom 24. April 1974, S. 19. 31 Deutscher Bundestag, 95. Sitzung Bonn, 25. April 1974, 6403. 32 Erster Bericht des Sonderausschusses für die Strafrechtsreform, Bundestags-Drucksache 7/1982 vom 10. April 1074, S. 20. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 - 087/19 Seite 9 Kompetenz liegende Entscheidungen de facto partiell außer Kraft setzen und damit das föderative System gefährden.33 Eine richterliche Entscheidung zu dieser Thematik ist bisher nicht herbeigeführt worden. 3. Pflicht der Bundesländer zur Vorhaltung von Einrichtungen, die Schwangerschaftsabbrüche vornehmen 3.1. Rechtliche Grundlage im Schwangerschaftskonfliktgesetz Nach § 13 Absatz 2 SchKG stellen die Länder ein ausreichendes Angebot ambulanter und stationärer Einrichtungen zur Vornahme von Schwangerschaftsabbrüchen sicher. Um dieser Verpflichtung nachzukommen, können sie Angebote privater Einrichtungen berücksichtigen, müssten aber bei nicht ausreichender Versorgungslage eigene Einrichtungen schaffen. Dabei sind sie auf Ärztinnen und Ärzte angewiesen, die bereit sind, Schwangerschaftsabbrüche durchzuführen.34 Die Bereitschaft, Schwangerschaftsabbrüche durchzuführen, darf deshalb zur Einstellungsvoraussetzung gemacht werden. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) im Jahr 1991 ausdrücklich entschieden.35 Schließlich sieht der Gesetzgeber vor, dass einer Schwangeren bei einem Abbruch ärztliche Hilfe zuteilwird (vgl. § 218a Absatz 1 Nummer 2 sowie Absätze 2 bis 4 StGB). Hintergrund der Entscheidung war, dass auch ein öffentliches Krankenhaus Schwangerschaftsabbrüche anbieten soll und Frauen nicht allein an private Einrichtungen verwiesen werden sollten. Es sei dem sich Bewerbenden zuzumuten, zur Vermeidung eines Gewissenskonfliktes von der Bewerbung abzusehen und die sich daraus ergebenden Nachteile hinzunehmen. Der zuständige Bundestags-Ausschuss ging von einer Verpflichtung der Länder aus, für das Bereitstehen ärztlicher Hilfe zum Schwangerschaftsabbruch in einer Entfernung zu sorgen, die von der Schwangeren keine über einen Tag hinausgehende Abwesenheit von ihrem Wohnort verlangt .36 Schon das BVerfG hatte in seinem Urteil von 1993 als Eckdaten für eine An- und Rückreise der Schwangeren – auch mit öffentlichen Verkehrsmitteln – einen Tag veranschlagt.37 So enthält die Antwort des niedersächsischen Ministeriums für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung auf eine Kleine Anfrage vom März 2019 die Aussage, dass die weiteste Strecke, bis eine 33 Unterrichtung durch die Bundesregierung, Bericht der „Kommission zur Auswertung der Erfahrungen mit dem reformierten § 218 des Strafgesetzbuches" Stellungnahme der Bundesregierung, Bundestags-Drucksache 8/3630 vom 31. Januar 1980, III. 34 Kluth, Die Neufassung des § 218 STGB – Ärztlicher Auftrag oder Zumutung an den Ärztestand? in: Medizinrecht 1996, S. 546 (548). 35 BVerwG, Urteil vom 13. Dezember 1991 – 7 C 26/90 in: NJW 1992, S. 773 (774). 36 Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (13. Ausschuss), Entwurf eines Schwangeren- und Familienhilfeänderungsgesetzes (SFHÄndG), Bundestags-Drucksache 13/1850 vom 28. Juni 1995, S. 22. 37 BVerfG, Urteil vom 28. Mai 1993 - 2 BvF 2/90, 4/92, 5/92 in: NJW 1993, S. 1751 (1772). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 - 087/19 Seite 10 Schwangere eine die Schwangerschaft abbrechende Stelle erreicht, nicht mehr als 100 km beträgt .38 Nach Auffassung der Bundesregierung obliegt die Einschätzung, inwieweit die Zahl der Einrichtungen ausreichend ist, dem jeweiligen Bundesland.39 Damit Schwangere, die einen Abbruch in Erwägung ziehen, schnell Informationen zu durchführenden Stellen erhalten, wurde § 13 SchKG mit dem Gesetz zur Verbesserung der Information über einen Schwangerschaftsabbruch vom 22. März 201940 um einen dritten Absatz ergänzt. Danach führt die Bundesärztekammer (BÄK) eine monatlich aktualisierte und im Internet veröffentlichte Liste der Ärztinnen und Ärzte sowie der Krankenhäuser und Einrichtungen, die zur Durchführung von Schwangerschaftsabbrüchen nach § 218a Absatz 1 bis 3 StGB bereit sind und dies der BÄK mitgeteilt haben. 3.2. Stationärer Sicherstellungsauftrag im Zusammenhang mit der Vornahme von Schwangerschaftsabbrüchen Den Bundesländern obliegt zudem die Krankenhausplanung (vgl. § 6 Gesetz zur wirtschaftlichen Sicherung der Krankenhäuser und zur Regelung der Krankenhauspflegesätze – Krankenhausfinanzierungsgesetz , KHG41).42 Die Länder finanzieren dabei die Investitionskosten im Wege der öffentlichen Förderung. Ein Krankenhaus hat nach § 8 KHG einen Rechtsanspruch auf staatliche Förderung für Investitionen, wenn es in den Krankenhausplan des jeweiligen Bundeslandes aufgenommen worden ist. Die Literatur geht davon aus, dass das Angebot zur Vornahme von Schwangerschaftsabbrüchen nicht Teil einer Krankenhausplanung sein könne und die öffentliche Förderung der Krankenhäuser nicht von ihrer Bereitschaft zur Vornahme von Abbrüchen abhängig gemacht werden dürfe.43 Dies gelte jedenfalls für die Schwangerschaftsabbrüche nach der 38 Niedersächsischer Landtag, Kleine Anfrage der Abgeordneten Sylvia Bruns und weiterer Abgeordneter, Schwangerschaftsabbruch, Drucksache 18/3382 vom 2. April 2019, abrufbar unter: https://www.nilas.niedersachsen .de/starweb/NILAS/servlet.starweb?path=NILAS/lisshfl.web&id=NILASWEBDOKFL&format =WEBDOKFL&search=%28DART%3DD+AND+WP%3D18+AND+DNR%2CKORD%3D3382%29. 39 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Ulle Schauws, weiterer Abgeordneter und der Fraktion Bündnis90/Die Grünen, Informationen über das Angebot von Einrichtungen zur Vornahme des Schwangerschaftsabbruches, Bundestags-Drucksache 19/6519 vom 14. Dezember 2018, S. 2. 40 BGBl. I S. 350. 41 Krankenhausfinanzierungsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 10. April 1991 (BGBl. I S. 886), das zuletzt durch Artikel 14 des Gesetzes vom 6. Mai 2019 (BGBl. I S. 646) geändert worden ist. 42 Die Krankenhausversorgung der Bevölkerung und damit den Sicherstellungsauftrag für die stationäre Krankenhausversorgung in Form der Errichtung und Unterhaltung nach Maßgabe des Krankenhausplans haben die Länder zum Teil auf die Landkreise und kreisfreien Städte übertragen. So z. B. Niedersachsen, § 1 Satz 1 des niedersächsischen Krankenhausgesetzes vom 19. Januar 2012. 43 Kröger in: Leipziger Kommentar, Strafgesetzbuch, 12. Auflage 2018, § 218a Rn. 81; Scholz, Keine Verpflichtung zur Mitwirkung an Schwangerschaftsabbrüchen in: Niedersächsisches Ärzteblatt April 2017, abrufbar unter: http://www.haeverlag.de/nae/n_beitrag.php?id=5540; Ellwanger, Schwangerschaftskonfliktgesetz, 1997, § 13 Rn. 2. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 - 087/19 Seite 11 „Beratungsregelung“44, da es sich hierbei zwar um ein nicht mit Strafe bedrohtes, aber dennoch rechtswidriges Angebot handele.45 Das BVerfG äußerte sich im Jahr 1993 im Zusammenhang mit der Frage, ob der Bundesgesetzgeber die obersten Landesbehörden46 als zuständig für das Vorhalten eines Angebotes an Einrichtungen zur Vornahme von Schwangerschaftsabbrüchen bestimmen dürfe, und führte aus: „[…] daß es Aufgabe des Staates sei, für ein ausreichendes Angebot an Abbrucheinrichtungen auch in der Fläche des Landes im Sinne einer Auswahlmöglichkeit zwischen stationären und ambulanten Einrichtungen zu sorgen. Eine so verstandene Sicherstellung verlangt ein umfassendes Konzept jeweils für das ganze Land. Gefordert sein können flächenbezogene Erhebungen des voraussichtlichen Bedarfs und der bereits vorhandenen Einrichtungen sowie – ähnlich wie bei der Krankenhausplanung – eine landesweite infrastrukturelle Planung, in welche die Einrichtungen privater, frei gemeinnütziger, kommunaler oder staatlicher Träger aufzunehmen und aufeinander abzustimmen sind. Sollen Einrichtungen zum Schwangerschaftsabbruch privaten oder kommunalen Krankenhausträgern zur Pflicht gemacht werden, so bedarf es hierzu gesetzlicher Regelungen , durch die in einer rechtsstaatlichen Anforderungen genügenden Bestimmtheit Maßstäbe und Befugnisse für die erforderlichen behördlichen Anordnungen festgelegt werden.“47 Entsprechende gesetzliche Regelungen liegen offenbar nicht vor. Eine landesrechtliche Regelung im Zusammenhang mit der Vorhaltungspflicht hatte Nordrhein-Westfalen getroffen: § 2 Absatz 3 des Krankenhausgestaltungsgesetzes des Landes Nordrhein-Westfalen48 führte aus, dass das Krankenhaus , soweit möglich, auf ein Angebot nach § 13 Absatz 2 SchKG mitwirkt. Diese Regelung ist am 30. März 2108 im Zuge einer Verwaltungsvereinfachung außer Kraft getreten.49 Auch das BVerwG und weitere Teile der Literatur gehen davon aus, dass medizinisch nicht indizierte Schwangerschaftsabbrüche von der herkömmlichen Zweckbestimmung eines Krankenhauses im Sinne des § 2 Nummer 1 KHG (Heilung oder Linderung von Krankheiten, Leiden oder 44 Mehr als 98 Prozent der durchgeführten Schwangerschaftsabbrüche waren in den Jahren 2017 und 2018 auf die „Beratungsregelung“ zurück zu führen, Statistisches Bundesamt, Schwangerschaftsabbrüche nach rechtlicher Begründung, Dauer der Schwangerschaft und vorangegangene Lebendgeborene, 2011 bis 2018, abrufbar unter: https://www.destatis.de/DE/Themen/Gesellschaft-Umwelt/Gesundheit/Schwangerschaftsabbrueche/Tabellen /rechtliche-begruendung.html. 45 Scholz, Keine Verpflichtung zur Mitwirkung an Schwangerschaftsabbrüchen in: Niedersächsisches Ärzteblatt April 2017, abrufbar unter: http://www.haeverlag.de/nae/n_beitrag.php?id=5540. 46 Vgl. hierzu Artikel 15 des Schwangeren- und Familienhilfegesetzes vom 27. Juli 1992, BGBl. I S. 1398. 47 BVerfG, BVerfG, Urteil vom 28. Mai 1993 - 2 BvF 2/90, 4/92, 5/92 in: NJW 1993, S. 1751 (1771). 48 Krankenhausgestaltungsgesetz des Landes Nordrhein-Westfalen vom 11. Dezember 2007 in der Fassung vom 25. März 2015. 49 Die Aufhebung erfolgte im Rahmen des Gesetzes zum Abbau unnötiger und belastender Vorschriften im Land Nordrhein-Westfalen – Entfesselungspaket I, Gesetz- und Verordnungsblatt (GV. NRW.), Ausgabe 2018 Nr. 8 vom 29. März 2018 Seite 171 bis 192, abrufbar unter: https://recht.nrw.de/lmi/owa/br_vbl_detail _text?anw_nr=6&vd_id=16894&vd_back=N172&sg=0&menu=1. Genannt wurden redaktionelle Gründe, vgl. Gesetzentwurf der Landesregierung Gesetz zum Abbau unnötiger und belastender Vorschriften im Land Nordrhein -Westfalen – Entfesselungspaket I, Drucksache 17/1046 vom 26. Oktober 2017, abrufbar unter: https://www.landtag.nrw.de/portal/WWW/dokumentenarchiv/Dokument/MMD17-1046.pdf. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 - 087/19 Seite 12 Körperschäden, Leistung von Geburtshilfe) bzw. im Sinne des § 107 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V)50, wonach Krankenhäuser Einrichtungen sind, die der Krankenhausbehandlung oder Geburtshilfe dienen, nicht umschlossen seien.51 Damit dürften Schwangerschaftsabbrüche überwiegend nicht unter die von den öffentlichen Krankenhäusern sicherzustellende krankenhausärztliche Versorgung fallen. Auch die Einordnung der Durchführung von Abbrüchen als „Qualitätskriterium“ im Rahmen der Krankenhausplanung52 wird abgelehnt.53 3.3. Ambulanter Sicherstellungsauftrag im Zusammenhang mit der Vornahme von Schwangerschaftsabbrüchen Der Sicherstellungsauftrag für die ambulante Versorgung liegt bei den Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen). So findet sich für die Fälle nicht rechtswidriger Schwangerschaftsabbrüche eine Regelung in § 75 Absatz 9 SGB V, wonach die KVen mit Einrichtungen nach § 13 des SchKG, also insbesondere auch mit Krankenhäusern, auf deren Verlangen Verträge über die ambulante Erbringung der nicht rechtswidrigen Schwangerschaftsabbrüche aufgeführten ärztlichen Leistungen zu schließen haben. Die Kostenübernahme nicht rechtswidriger Schwangerschaftsabbrüche ist zwar nach § 24b Absatz 1 Satz 1 SGB V eine Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung.54 Der Gesetzgeber stellt durch die gesonderte Regelung in § 75 SGB V diese Kostenübernahme (selbst von nicht rechtswidrigen Schwangerschaftsabbrüchen) als Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung außerhalb des Sicherstellungs- und Gewährleistungssystems des § 75 Absatz 1 SGB V dar.55 Regt die KV einen entsprechenden Vertragsabschluss an, so besteht für die Einrichtung nach § 13 SchKG dem entsprechend kein Kontrahierungszwang.56 3.4. Fazit Das Schwangerschaftskonfliktgesetz schafft ein Spannungsfeld zwischen der Verpflichtung der Bundesländer, ein Angebot von Einrichtungen zur Vornahme von Abbrüchen sicherzustellen, 50 Das Fünfte Buch Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Krankenversicherung – (Artikel 1 des Gesetzes vom 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477, 2482), das zuletzt durch Artikel 12 des Gesetzes vom 9. August 2019 (BGBl. I S. 1202) geändert worden ist. 51 BVerwG, Urteil vom 13. Dezember 1991 – 7 C 26/90 in: NJW 1992, S. 773 (774f.); Reit in: Rolfs/Giesen/Kreikebohm /Udsching, Beck Online-Kommentar Sozialrecht, Stand: 1. März 2015, § 24b SGB V, Rn. 7; Hirsch/Weißauer , Die Auswirkungen der Neuregelung des Schwangerschaftsabbruchs auf die Ärzte, das nichtärztliche Hilfspersonal und die Krankenhausträger in: Bayerisches Ärzteblatt 1977, S. 578 (583). 52 § 6 Absatz 1a KHG sieht vor, dass durch Landesrecht weitere Qualitätsanforderungen zum Gegenstand der Krankenhausplanung gemacht werden können. 53 Scholz, Keine Verpflichtung zur Mitwirkung an Schwangerschaftsabbrüchen in: Niedersächsisches Ärzteblatt April 2017, abrufbar unter: http://www.haeverlag.de/nae/n_beitrag.php?id=5540. 54 Kostenübernahmen bei rechtswidrigen, aber straffreien Abbrüchen nach der „Beratungsregelung“ sind im Hinblick auf den Abbruch an sich keine Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung. 55 Hesral in: Schlegel/Voelzke, juris Praxiskommentar-SGB V, 3. Aufl. 2016, § 75 Rn. 203. 56 Klückmann in: Hauck/Noftz, SGB V, Stand: August 2013, § 75 Rn. 21. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 - 087/19 Seite 13 und dem persönlichen Weigerungsrecht der Ärztin bzw. des Arztes, einen Schwangerschaftsabbruch durchzuführen. Nicht eindeutig geklärt ist dabei, ob auch Krankenhausträger und Klinikleitungen von diesem Weigerungsrecht Gebrauch machen können. Wenn sie dieses Recht in Anspruch nehmen, wäre eine dadurch entstehende Gefährdung der Sicherstellung problematisch. Eine Lösung ist denkbar etwa durch gesetzliche Regelungen der Länder, mit denen sie (zumindest den öffentlichen) Krankenhäusern die Durchführung von Schwangerschaftsabbrüchen verbindlich auferlegen, um ihrem Sicherstellungsaufrag gerecht zu werden. ***