© 2020 Deutscher Bundestag WD 9 - 3000 - 086/20 PCR-Tests zum Nachweis einer Infektion mit SARS-CoV-2 (Stand: 28. Oktober 2020) Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 - 086/20 Seite 2 PCR-Tests zum Nachweis einer Infektion mit SARS-CoV-2 Aktenzeichen: WD 9 - 3000 - 086/20 Abschluss der Arbeit: 28. Oktober 2020 Fachbereich: WD 9: Gesundheit, Familie, Senioren, Frauen und Jugend Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 - 086/20 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Vorbemerkung 4 2. Überblick zu den Testverfahren 4 3. Zuverlässigkeit von PCR-Tests 6 4. Zuverlässigkeit von PCR-Schnelltests 9 5. Zur Frage des Rückschlusses eines positiven PCR- Testergebnisses auf die Kontagiösität des Getesteten 9 6. Zur Frage des simultanen Nachweises von Influenza 11 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 - 086/20 Seite 4 1. Vorbemerkung In der aktuellen Phase der Bekämpfung der Corona-Pandemie besteht weitgehend Einigkeit darüber , dass die Ausweitung von Tests einen unerlässlichen Beitrag leistet, um Neuinfektionen mit dem Coronavirus (SARS-CoV-2) erkennen und eindämmen zu können. Mit Hilfe der am 15. Oktober 2020 in Kraft getretenen Nationalen Teststrategie soll gezieltes Testen und eine schnelle und präzise Erfassung der Zahl und Verteilung von infizierten Personen ermöglicht werden. Damit sollen Infektionsketten vermieden und das Gesundheitssystem vor einer Überlastung geschützt werden .1 In den sozialen Netzwerken wird dagegen im Zusammenhang mit Tests verstärkt die Ansicht vertreten, dass viele derzeitige Testverfahren zum Nachweis einer Infektion mit SARS-CoV-2 unzuverlässig und häufig falsch positiv oder falsch negativ seien.2 Auch im Profifußball gab es zuletzt Berichte über falsch positive Testergebnisse.3 Auftragsgemäß gibt dieser Sachstand einen kurzen Überblick zu den Testverfahren und stellt unter Zugrundelegung einiger wissenschaftlicher Beiträge und Studien dar, wie die Zuverlässigkeit von PCR-Tests beurteilt wird. Weiterhin wird auf die aktuelle Diskussion eingegangen, inwieweit ein positives PCR-Testergebnis Aufschluss über die Kontagiösität (Ansteckungsfähigkeit) des Getesteten geben kann. Abschließend wird noch der Frage nachgegangen, ob und inwieweit ein PCR-Test simultan auch eine Infektion mit Influenza nachweisen könnte. 2. Überblick zu den Testverfahren Weltweit existieren bislang mehr als 700 verschiedene Produkte zum Nachweis einer Infektion4 mit SARS-CoV-2.5 Etablierte Testverfahren sind der sog. PCR-Test, der PCR-Schnelltest, der Antigentest und der Antikörpertest. Das am häufigsten genutzte Verfahren in Deutschland ist der PCR-Test mit wöchentlich derzeit rund eineinhalb Millionen Tests.6 Bei diesem Testverfahren wird Genmaterial des Virus direkt aus Probenmaterial (zumeist Nasen-Rachenabstriche) über hoch-sensitive, molekulare Testsysteme 1 Bundesministerium für Gesundheit, Die nationale Teststrategie (Stand: 22. Oktober 2020), abrufbar unter: https://www.bundesgesundheitsministerium.de/ministerium/meldungen/2020/nationale-teststrategie.html. 2 Siehe hierzu Klein, Oliver, Tausende falsche Ergebnisse? So zuverlässig sind Corona-Tests, zdf. nachrichten vom 21. August 2020, abrufbar unter: https://www.zdf.de/nachrichten/politik/coronavirus-pcr-tests-zuverlaessigkeit -100.html. 3 Eberwein, Bernd, Wirbel um "falsch positive" Corona-Tests im Profifußball, BR 24 vom 25. Oktober 2020, abrufbar unter: https://www.br.de/nachrichten/sport/wirbel-um-falsch-positive-corona-tests-im-profifussball,SERMrnl . 4 Anmerkung: Dabei ist allerdings darauf hinzuweisen, dass es hier nicht um die Frage der Kontagiösität geht. 5 WHO, COVID-19 Target product profiles for priority diagnostics to support response to the COVID-19 pandemic v.1.0 (Stand: 28. September 2020), abrufbar unter: https://www.who.int/publications/m/item/covid-19-targetproduct -profiles-for-priority-diagnostics-to-support-response-to-the-covid-19-pandemic-v.0.1. 6 PCR steht für Polymerase-Chain-Reaction (Polymerase-Kettenreaktion). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 - 086/20 Seite 5 nachgewiesen. Die reine Analysezeit beträgt nach Angaben des Robert Koch-Instituts (RKI) im Regelfall etwa vier bis fünf Stunden. Die Zeit zwischen Probenentnahme und Ergebnismitteilung könne ein bis zwei Tage betragen, da der Transport der Probe ins Labor, die vorbereitenden Arbeiten und die Ergebnisübermittlung hinzugerechnet werden müssen.7 Der sog. PCR-Schnelltest nutzt die gleiche Methode, allerdings vereinfacht. Der Test kann direkt vor Ort mit einem mobilen Gerät durchgeführt werden und die Ergebnisse liegen wegen der wegfallenden Transportzeit zu den Laboren schon nach wenigen Stunden vor. Mit dem sog. Antigentest kann eine akute Infektion bereits in wenigen Minuten nachgewiesen werden. Das Antigen-(Schnell-)Testformat basiert auf dem Nachweis von viralem Protein in respiratorischen Probenmaterialien. Allerdings befinde sich das Verfahren noch in der Entwicklungsphase und weise nach Ansicht des RKI eine Infektion nicht so zuverlässig nach wie ein PCR-Test. So liege die analytische Sensitivität von Antigentests aufgrund des Testprinzips unterhalb der analytischen Sensitivität der PCR-Tests, die als Referenzmethode gilt.8 Bis auf Weiteres sei daher eine Bestätigung positiver Antigen-Testergebnisse durch einen PCR-Test erforderlich. Soweit die Leistungsfähigkeit der Antigentests hinreichend validiert und entsprechend gegeben sei, könne die PCR-Diagnostik durch Antigentests entlastet werden. Mit dem sog. Antikörpertest ist schließlich ein indirekter Nachweis einer Infektion mit SARS-CoV-2 möglich. Durch den Antikörpertest kann festgestellt werden, ob SARS-CoV-2-spezifische Antikörper im Blut/Serum des Betroffenen vorhanden sind, was insbesondere für epidemiologische Fragestellungen zur Klärung der Verbreitung des Virus sinnvoll ist. SARS-CoV-2-spezifische Antikörper können sowohl während der akuten Infektionsphase als auch nach dem Abklingen von Symptomen bzw. Eliminierung des Virus aus dem Körper nachgewiesen werden. Das RKI verweist jedoch darauf, dass nach derzeitigem Kenntnisstand ein serologischer Nachweis von SARS-CoV-2-spezifischen Antikörpern noch keine eindeutige Aussage zur Infektiosität oder zum Immunstatus der Betroffenen zulasse. Antikörpertests seien zur Feststellung einer aktuellen Infektion daher nicht geeignet, können aber die Diagnostik ergänzen.9 Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfiehlt den Einsatz von immuno-diagnostischen Schnelltests derzeit nur im Kontext von Forschungsprojekten.10 7 Ausführlich RKI, Diagnostik (Stand: 16. September 2020), abrufbar unter: https://www.rki.de/Shared- Docs/FAQ/NCOV2019/FAQ_Liste_Diagnostik.html. 8 RKI, Diagnostik (Stand: 16. September 2020), abrufbar unter: https://www.rki.de/Shared- Docs/FAQ/NCOV2019/FAQ_Liste_Diagnostik.html. 9 Ausführlich RKI, Diagnostik (Stand: 16. September 2020), abrufbar unter: https://www.rki.de/Shared- Docs/FAQ/NCOV2019/FAQ_Liste_Diagnostik.html. 10 WHO, Advice on the use of point-of care immunodiagnostic tests for COVID-19 (Stand: 8. April 2020), abrufbar unter: https://www.who.int/news-room/commentaries/detail/advice-on-the-use-of-point-of-care-immunodiagnostic -tests-for-covid-19. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 - 086/20 Seite 6 3. Zuverlässigkeit von PCR-Tests Die Richtigkeit der Ergebnisse von diagnostischen Tests wird grundsätzlich von der Qualität der Probenentnahmen, dem Transport, der Durchführung und Befundung und auch von der Verbreitung einer Krankheit und dem Umfang der Testungen beeinflusst. Je seltener die Erkrankung ist und je ungezielter getestet wird, umso höher sind die Anforderungen an Sensitivität und Spezifität der zur Anwendung kommenden Tests. Sensitivität und Spezifität sind die wesentlichen Parameter für die operative Zuverlässigkeit von Tests. Die Sensitivität ist der Prozentsatz, mit dem eine erkrankte Person als positiv getestet wird. Die Spezifität ist der Prozentsatz, zu dem nicht infizierte Personen als gesund erkannt werden.11 Dem RKI zufolge liegt die analytische Spezifität von PCR-Tests bei nahezu 100 Prozent und gilt als „Goldstandard“ für die Diagnostik. Dies begründet das RKI mit dem Funktionsprinzip von PCR-Tests und den hohen Qualitätsanforderungen in deutschen Laboren. Bei korrekter Durchführung und fachkundiger Beurteilung der Ergebnisse geht das RKI folglich von einer sehr geringen Zahl falsch positiver Befunde aus, die die Einschätzung der Lage nicht verfälschen würden.12 Dennoch verweist das RKI darauf, dass SARS-CoV-2-Tests in der praktischen Anwendung im Allgemeinen keine hundertprozentige Sensitivität bzw. Spezifität aufweisen können und die Ergebnisse zudem vom Testzeitpunkt und der Abnahmetechnik abhängig seien.13 Unmittelbar nach Ansteckung sei bspw. ein diagnostischer Nachweis noch nicht möglich, da in dieser Phase der Infektion noch keine nachweisbare Vermehrung des Virus im oberen Respirationstrakt erfolge. Auch sei bei tiefen Atemwegsinfektionen die alleinige Testung von Probenmaterial aus dem Oro- und Nasopharynx zum Ausschluss einer Infektion nicht geeignet, da in dieser Phase der Erkrankung ggf. nur Material aus dem unteren Respirationstrakt oder aber Stuhlproben positiv seien. Auch bei wiederholt negativen PCR-Nachweisen kann daher nach Ansicht des RKI eine Infektion nicht vollends ausgeschlossen werden. Empfohlen wird bei Patienten mit negativem PCR-Test, aber begründetem Verdacht auf eine SARS-CoV-2-Infektion, eine Wiederholung des Tests durchzuführen . Eine zweimalige bzw. zeitversetzte Testung (z. B. am Tag 5 bis 7 nach Exposition) erhöhe die Aussagekraft und reduziere das Restrisiko.14 11 RKI, Coronavirus SARS-CoV-2 – Hinweise zur Testung von Patienten auf Infektion mit dem neuartigen Coronavirus SARS-CoV-2 (Stand: 5. Oktober 2020), abrufbar unter: https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges _Coronavirus/Vorl_Testung_nCoV.html. 12 RKI, Diagnostik (Stand: 16. September 2020), abrufbar unter: https://www.rki.de/Shared- Docs/FAQ/NCOV2019/FAQ_Liste_Diagnostik.html. 13 RKI, Bericht zur Optimierung der Laborkapazitäten zum direkten und indirekten Nachweis von SARS-CoV-2 im Rahmen der Steuerung von Maßnahmen, (Stand: 7. Juli 2020), abrufbar unter: https://www.rki.de/DE/Content /InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Laborkapazitaeten.pdf?__blob=publicationFile. 14 RKI, Coronavirus SARS-CoV-2 – Hinweise zur Testung von Patienten auf Infektion mit dem neuartigen Coronavirus SARS-CoV-2 (Stand: 05. Oktober 2020), abrufbar unter: https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges _Coronavirus/Vorl_Testung_nCoV.html. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 - 086/20 Seite 7 Bei diskrepanten Ergebnissen innerhalb eines Tests bzw. unklaren/unplausiblen Ergebnissen der PCR-Testung (z. B. grenzwertige Ct-Werte, untypischer Kurvenverlauf) müsse dem RKI zufolge eine sorgfältige Bewertung und Validierung durch einen in der PCR-Diagnostik erfahrenen und zur Durchführung der Diagnostik ermächtigten Arzt erfolgen. Ggfs. müsse zur Klärung eine geeignete laborinterne Überprüfung (z. B. Wiederholung mit einem anderen Testsystem) erfolgen bzw. eine neue Probe angefordert werden. So solle der Befund eine klare Entscheidung im Hinblick auf die Meldung ermöglichen.15 Dass der Zeitpunkt der Probenentnahme für das Testergebnis eine besondere Relevanz habe, zeigt auch eine Studie der Johns Hopkins Universität.16 Die Forscher kommen zu dem Schluss, dass die Ergebnisse von PCR-Tests auf SARS-CoV-2-Infektionen insbesondere zu Beginn einer möglichen Infektion sorgfältig geprüft werden sollten. Wenn der klinische Verdacht hoch sei, sollte eine Infektion nicht allein aufgrund des PCR-Ergebnisses ausgeschlossen werden. Vereinzelt wird kritisiert, dass sich das RKI bei Angaben zu Sensitivität und Spezifität der in Deutschland verwendeten PCR-Tests „bedeckt halten“ würde. Die oft zitierte, nahezu hundertprozentige Sensitivität unter Laborbedingungen würde in der Praxis nie erreicht werden können, weil beim Testen erhebliche Unsicherheitsfaktoren hinzukämen.17 So stellte auch ein systematisches Review, das 957 negativ getestete Personen durch einen wiederholten Abstrich überprüfte, fest, dass bis zu 54 Prozent der Getesteten einen falsch negativen PCR-Test erhalten hätten. Die Beweissicherheit des Reviews wird von den Autoren aber als sehr gering angegeben.18 Auch zwei Studien aus Wuhan untersuchten falsch negative PCR-Tests bei Patienten. Die Autoren der ersten Studie stellten bei ihrer Untersuchung von 213 Patienten unter Verwendung eines von der chinesischen Aufsichtsbehörde genehmigten PCR-Testverfahrens dar, dass in den Tagen 1 bis 7 nach Krankheitsbeginn rund 11 Prozent der Sputum-, 27 Prozent der Nasen- und 40 Prozent der Halsproben als falsch negativ eingestuft worden seien.19 In der zweiten Studie habe man bei 173 15 RKI, Diagnostik (Stand: 15. Oktober 2020), abrufbar unter: https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges _Coronavirus/Vorl_Testung_nCoV.html. 16 Kucirka, Lauren et al, Variation in False-Negative Rate of Reverse Transcriptase Polymerase Chain Reaction– Based SARS-CoV-2 Tests by Time Since Exposure, in: Annals of Internal Medicine vom 18. August 2020, abrufbar unter: https://www.acpjournals.org/doi/10.7326/M20-1495. 17 Schlenger, Ralf, PCR-Tests auf SARS-CoV-2: Ergebnisse richtig interpretieren, in: Deutsches Ärzteblatt vom 12. Juni 2020, abrufbar unter: https://www.aerzteblatt.de/archiv/214370/PCR-Tests-auf-SARS-CoV-2-Ergebnisserichtig -interpretieren. Kritisch dazu Christoph Lübbert in einem Leserbrief des Ärzteblatts vom 3. August 2020, abrufbar unter: https://www.aerzteblatt.de/archiv/214890/PCR-Tests-auf-SARS-CoV-2-Hohe-Sensitivitaet. 18 Arevalo-Rodriguez, Ingrid, False-negative results of initial RT-PCR assays for covid-19: a systematic review, in: medRxiv vom 13. August 2020, abrufbar unter: https://www.medrxiv.org/content /10.1101/2020.04.16.20066787v2.full.pdf. 19 Yang, Yang et al, Evaluating the accuracy of different respiratory specimens in the laboratory diagnosis and monitoring the viral shedding of 2019-nCoV infections, in: medRxiv vom 17. Februar 2020, abrufbar unter: https://www.medrxiv.org/content/10.1101/2020.02.11.20021493v2. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 - 086/20 Seite 8 hospitalisierten Patienten eine Spezifität der PCR-Tests von rund 67 Prozent festgestellt.20 Die genannten Studien würden daher nahelegen, dass die Sensitivität für viele verfügbare Tests wesentlich geringer sei als zunächst angenommen und ein Sensitivitätswert der PCR-Tests von 70 Prozent realistisch erscheine.21 Zur Qualitätssicherung der PCR-Diagnostik werden regelmäßig sog. Ringversuche durchgeführt.22 Im April 2020 wurde unter der Leitung von INSTAND e. V. als Referenzinstitution der Bundesärztekammer in Abstimmung mit der Gemeinsamen Diagnostikkommission der Deutschen Vereinigung zur Bekämpfung der Viruskrankheiten (DVV e. V.) und der Gesellschaft für Virologie (GfV e. V.) ein ExtraRingversuch zum Virusgenom-Nachweis von SARS-CoV-2 initiiert. Dieser Extra INSTAND Ringversuch wurde in Kooperation mit dem Nationalen Konsiliarlaboratorium für Coronaviren an der Charité durchgeführt. Zur Prüfung der Testsensitivität wurden vier verschieden konzentrierte Proben mit SARS-CoV-2 an 463 Labore aus 36 Ländern, davon 284 deutsche Labore verschickt. Für die drei SARS-CoV-2-postiven Proben im Verdünnungsbereich zwischen 1:1.000 bis 1:100.000 wurden dem Bericht zufolge unabhängig von der untersuchten Gen-Region überwiegend richtig positive Ergebnisse (98,8 Prozent bis 99,7 Prozent) gemeldet. Bezogen auf die negativen, also nicht mit SARS-CoV-2 infizierten Proben kommen die Autoren des Versuchs zu dem Ergebnis, dass die Tests – unabhängig von der untersuchten Gen-Region – zwischen 97,8 Prozent und 98,6 Prozent richtige Ergebnisse lieferten. Die hohen Erfolgsquoten würden daher insgesamt eine sehr gute Leistungsfähigkeit der Ringversuchsteilnehmer und der angewendeten Testformate repräsentieren.23 Eine großangelegte internationale Metaanalyse, in der insgesamt 16 Studien ausgewertet wurden, um die Genauigkeit diagnostischer Tests zu erforschen, kommt zu dem Ergebnis, dass der PCR- Test der „Goldstandard“ für die Diagnose von SARS-CoV-2 bleibe. Je nach Art der Probe und Stadium der Krankheit können jedoch auch andere Methoden vorgezogen werden. Schließlich sei eine Kombination von klinischen, molekularen und serologischen diagnostischen Tests dringend zu empfehlen, um eine ausreichende Empfindlichkeit und Spezifität zu erreichen.24 20 Zhao, Juanjuan et al, Antibody Responses to SARS-CoV-2 in Patients With Novel Coronavirus Disease 2019, in: Oxford Academic vom 28. Mai 2020, abrufbar unter: https://academic.oup.com/cid/advance-article /doi/10.1093/cid/ciaa344/5812996. 21 Woloshin, Steven, False Negative Tests for SARS-CoV-2 Infection — Challenges and Implications, in: The New England Journal of Medicine vom 6. August 2020, abrufbar unter: https://www.nejm.org/doi/full/10.1056/NEJMp2015897. 22 Ein Ringversuch ist eine Methode der externen Qualitätssicherung für Testverfahren und Labore. Bei einem Ringversuch werden verdeckt identische Proben an verschiedene Labore verschickt. Durch den Vergleich der Ergebnisse können Aussagen über die Testgenauigkeit und die Qualität der Labore gemacht werden. 23 Virologische INSTAND Ringversuche, Kommentar zum Extra Ringversuch Gruppe 340 Virusgenom-Nachweis - SARS-CoV-2 aktualisiert am 3. Juni 2020, abrufbar unter: https://www.instand-ev.de/System/rv-files /340%20DE%20SARS-CoV-2%20Genom%20April%202020%2020200502j.pdf. 24 Böger, Beatriz et al, Systematic review with meta-analysis of the accuracy of diagnostic tests for COVID-19, in: American Journal of Infection Control vom 10. Juli 2020, abrufbar unter: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles /PMC7350782/. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 - 086/20 Seite 9 Eine amerikanische Studie schließlich hat neun PCR-Tests aus den USA, China, Hongkong und Deutschland verglichen. Die Studie kommt zu dem Ergebnis, dass alle untersuchten Tests SARS-CoV-2 nachweisen konnten. Der am Institut für Virologie der Charité entwickelte E-Sarbeco-Test erzielte dabei sehr gute Ergebnisse.25 4. Zuverlässigkeit von PCR-Schnelltests Auch die sog. PCR-Schnelltests waren bereits Gegenstand einiger Studien. Eine im Vereinigten Königreich durchgeführte Untersuchung führt zu dem Ergebnis, dass der Schnelltest im Vergleich zum Labortest eine Sensitivität von 94 Prozent und eine Spezifität von 100 Prozent aufweise.26 Eine chinesische Studie stellte bei PCR-Tests eine Sensitivität von 97,2 Prozent, bei PCR-Schnelltests eine Sensitivität von 83,3 Prozent fest.27 Daraus schließen die Autoren, dass PCR-Schnelltests bei negativen Ergebnissen grundsätzlich wiederholt werden sollten, um eine falsche Diagnose zu verhindern. Wegen der geringeren Zuverlässigkeit von PCR-Schnelltests wird auch vertreten, dass diese vorwiegend für Testungen in Notaufnahmen, Ambulanzen oder Pflegeeinrichtungen verwendet werden sollten. Für ihre Benutzung seien außerdem gewisse medizinische Vorkenntnisse erforderlich, weshalb sie sich nicht für die Durchführung zu Hause eignen würden.28 5. Zur Frage des Rückschlusses eines positiven PCR-Testergebnisses auf die Kontagiösität der Getesteten Fällt der PCR-Test positiv aus, stellt sich die Frage, welche Schlussfolgerungen insbesondere auf die Kontagiösität der Getesteten gezogen werden können. Diskutiert wird aktuell darüber, inwieweit ein positives Testergebnis Auskunft über den Grad der Kontagiösität geben kann.29 25 Vogels, Chantal et al, Analytical sensitivity and efficiency comparisons of SARS-COV-2 qRT-PCR primer-probe sets, in: medRxiv vom 26. April 2020, abrufbar unter: https://www.medrxiv.org/content /10.1101/2020.03.30.20048108v3.full.pdf+html. 26 Gibani, Malick, Assessing a novel, lab-free, point-of-care test for SARS-CoV-2 (CovidNudge): a diagnostic accuracy study, in: The Lancet vom 17. September 2020, abrufbar unter: https://www.thelancet.com/action /showPdf?pii=S2666-5247%2820%2930121-X. 27 Long, Chunqin et al, Diagnosis oft he Coronavirus disease (COVID-19): rRT-PCR or CT?, in: ELSEVIER vom 11. März 2020, abrufbar unter: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC7102545/. 28 Orth, Matthias, in: Apotheken Umschau, Corona-Nachweis: Die Testverfahren im Überblick, 15. September 2020, abrufbar unter: https://www.apotheken-umschau.de/Coronavirus/Corona-Nachweis-Die- Testverfahren-im-Ueberblick-558071.html#:~:text=Wie%20funktionert%20der%20PCR%2DTest,%2C%20Nasen %2D%20oder%20Rachenraum%20ben%C3%B6tigt. 29 Bergner, Annina, Bedeutet positiv getestet gleich ansteckend? Ct-Wert als Maß für die Infektiosität, in: Deutsche Apotheker Zeitung online vom 22. Oktober 2020, abrufbar unter: https://www.deutsche-apotheker-zeitung .de/news/artikel/2020/10/22/ct-wert-als-mass-fuer-die-infektiositaet. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 - 086/20 Seite 10 Was den genauen Zeitraum betrifft, in dem Kontagiösität bei einer Infektion mit SARS-CoV-2 besteht , ist nach Aussage des RKI nicht klar definiert. Als sicher gelte aber, dass die Ansteckungsfähigkeit in der Zeit um den Symptombeginn am größten sei und dass ein erheblicher Teil von Transmissionen bereits vor dem Auftreten erster klinischer Symptome erfolge. Zudem sei gesichert, dass bei normalem Immunstatus die Kontagiösität im Laufe der Erkrankung abnehme, und dass schwer erkrankte Patienten mitunter länger infektiöses Virus ausscheiden als mild-moderat erkrankte Patienten .30 Im Zusammenhang mit PCR-Tests verweist das RKI darauf, dass das Genmaterial von SARS-CoV-2 bei vielen Patienten noch Wochen nach Symptombeginn mittels PCR-Untersuchung nachweisbar gewesen sei. Folglich könnten positive PCR- Ergebnisse nicht zwangsläufig mit der Ansteckungsfähigkeit gleichgesetzt werden.31 Auch eine großangelegte Studie des Koreanischen Center for Disease (CDC), die Kontaktpersonen von genesenen Patienten mit erneut positiver PCR untersucht habe, zeige, dass diese positiven PCR-Ergebnisse nicht zwingend mit Kontagiösität gleichzusetzen seien.32 Ein wichtiges Kriterium zur Bestimmung der Kontagiösität könnte der sog. Ct-Wert (cyclethreshold -Wert) liefern. Dieser Laborwert gibt an, wie viele Zyklen ein PCR-Test durchlaufen musste, um ein positives Ergebnis zu zeigen. Je höher der Wert ist, desto weniger Viruslast ist vorhanden. Nach Ansicht von Christan Drosten, Leiter des Instituts für Virologie an der Charité, sollte in diesem Zusammenhang vermehrt auf Infektiosität statt auf Infektion getestet werden. Drosten führt aus, dass „eine niedrige Viruslast bedeutet, dass ein Patient nicht mehr ansteckend ist. Würden wir uns zutrauen, aus den inzwischen vorliegenden wissenschaftlichen Daten eine Toleranzschwelle der Viruslast abzuleiten, könnten Amtsärzte diejenigen sofort aus der Abklingzeit entlassen , deren Viruslast bereits unter die Schwelle gesunken ist. Es würden wohl die allermeisten sein.“33 Einige Arbeitsgruppen haben sich bereits mit einer möglichen Korrelation der Virusgenomlast und der Anzüchtbarkeit der in der Probe enthaltenen Viren in Zellkultur als Maß für die Infektiosität 30 Mit zahlreichen Nachweisen anführend RKI, SARS-CoV-2 Steckbrief zur Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19), Nr. 10: Dauer der Ansteckungsfähigkeit (Kontagösität), (Stand: 16. Oktober 2020), abrufbar unter: https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Steckbrief.html#doc13776792bodyText11. 31 RKI, SARS-CoV-2 Steckbrief zur Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19), Nr. 10: Dauer der Ansteckungsfähigkeit (Kontagösität), (Stand: 16. Oktober 2020), abrufbar unter: https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges _Coronavirus/Steckbrief.html#doc13776792bodyText11. 32 Korea Centers for Disease Control, Findings from investigation and analysis of re-positive cases (Stand: 15. Mai 2020), abrufbar unter: https://www.cdc.go.kr/board/board.es?mid=&bid=0030&act=view&list_no=367267&nPage=1. 33 Drosten, Christian, Zweite Corona Welle: Ein Plan für den Herbst (Gastbeitrag), in: Zeit Online vom 5. August 2020, abrufbar unter: https://www.zeit.de/2020/33/corona-zweite-welle-eindaemmung-massnahmenchristian -drosten/komplettansicht. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 - 086/20 Seite 11 beschäftigt. Diese auch vom RKI zitierten Arbeiten legen einen Zusammenhang zwischen dem Ct-Wert und der Anzüchtbarkeit in Zellkultur nahe.34 Auch an dieser Stelle verweist das RKI jedoch darauf, dass bei der Beurteilung der Übertragbarkeit der o. g. Ergebnisse auf die eigenen Befunde stets der Zeitpunkt der Probennahme in Bezug auf den Krankheitsverlauf, die Qualität sowie die Art des Materials bzw. der Abstrichort, die Aufarbeitung und das verwendete Testsystem zu berücksichtigen seien.35 Dass die Kontagiösität der Getesteten durch die ermittelte Virusmenge bestimmt werden könne, stößt aber auch auf Kritik. Nach der Ansicht von Ulf Dittmer, Leiter des Instituts für Virologie am Universitätsklinikum Essen, sollten zwar bei einem positiven PCR-Testergebnis die Ct-Werte an die Gesundheitsämter übermittelt werden, jedoch sollte bei der Beurteilung der Kontagiösität nicht allein auf den Ct-Wert abgestellt werden. Die PCR-Tests der verschiedenen Hersteller könnten voneinander abweichen, oder mit dem Teststäbchen könnte nur wenig Virusmaterial gesammelt worden sein, was Einfluss auf den gemessenen Ct-Wert haben könnte. Klarheit könne dann nur ein zweiter Test verschaffen. Ist der Wert danach gleich oder höher, sei es sehr wahrscheinlich, dass sich nur noch sehr geringe Virusmengen im Körper befinden würden. Auch Michael Müller, Vorsitzender des Berufsverbandes Akkreditierte Labore in der Medizin, vertritt die Auffassung, dass der PCR-Test grundsätzlich nicht feststellen könnte, wie stark positiv ein Mensch infiziert sei. Würden die Ct-Werte stets an die Gesundheitsämter übermittelt, bestehe seiner Meinung nach das Risiko, dass die Werte missverstanden werden könnten.36 6. Zur Frage des simultanen Nachweises von Influenza Dem RKI zufolge ist eine Diagnose von Influenza grundsätzlich bereits aufgrund klinischer Merkmale und Symptome relativ zuverlässig durch Ärzte möglich, ohne dass zusätzliche Labortests durchgeführt werden müssten. In Einzelfällen könnten aber frühzeitige Laboruntersuchungen Therapieentscheidungen unterstützen. In diesen Fällen könnten Influenzaviren ebenfalls mit der PCR-Methode zuverlässig nachgewiesen und charakterisiert werden.37 Testverfahren, die mehrere Erreger in einem Test detektieren können, bezeichnet man auch als Multiplex-Tests. Sandra Ciesek, Leiterin der Virologie an der Uniklinik Frankfurt, wies in einem Podcast darauf hin, es würden bereits mehrere Hersteller an Tests arbeiten, mit denen 34 Auszugsweise National Centre for Infectious Diseases and Chapter of Infectious Disease Physicians / Academy of Medicine in Singapore, Position Statement: Period of Infectivity to Inform Strategies for De-isolation for COVID-19 Patients vom 23. Mai 2020, abrufbar unter: https://www.ams.edu.sg/view-pdf.aspx?file=media %5C5556_fi_331.pdf&ofile=Period+of+Infectivity+Position+Statement+(final)+23-5-20+(logos).pdf. 35 RKI, Hinweise zur Testung von Patienten auf Infektion mit dem neuartigen Coronavirus SARS-CoV-2 (Stand: 15. Oktober 2020), abrufbar unter: https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus /Vorl_Testung_nCoV.html#doc13490982bodyText8. 36 Wiedergegeben nach Grill, Markus und Ludwig, Kristina, Positiv getestet, aber nicht ansteckend, in: Süddeutsche Zeitung vom 7. Oktober 2020, abrufbar unter: https://www.sueddeutsche.de/politik/coronavirus-test-ctwert -umfrage-gesundheitsaemter-1.5057646. 37 RKI, Influenza (Stand: 25. September 2019), abrufbar unter: https://www.rki.de/SharedDocs/FAQ/Influenza /FAQ_Liste.html. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 - 086/20 Seite 12 SARS-CoV-2 und Influenza in einem Test simultan nachgewiesen werden könnten.38 Neben den wissenschaftlichen Erkenntnissen und dem Interesse der Betroffenen an einer umfassenden Diagnose , könnten durch derartige Tests möglicherweise auch die Laborkapazitäten geschont werden. Der Pharmakonzern Roche hat angegeben, bereits von der US-Gesundheitsbehörde FDA die Notfallzulassung für einen kombinierten Test auf SARS-CoV-2 und gleichzeitig auf die Influenza-Viren A/B erhalten zu haben, wodurch nun eine simultane Prüfung auf diese beiden Virengruppen möglich sei.39 Auch die sanaGroup hat offenbar einen PCR-Schnelltest entwickelt, mit dem simultan eine Testung auf SARS-CoV-2 und Influenza möglich sei.40 *** 38 Ciesek, Sandra, (57) Coronavirus-Update: Goldstandard bleibt der PCR-Test vom 24. September 2020, abrufbar unter: https://www.ndr.de/nachrichten/info/57-Coronavirus-Update-Goldstandard-bleibt-der-PCR-Test,podcastcoronavirus 244.html#Multiplex-Tests. 39 Handelszeitung (Schweiz), Zulassung für Roche in den USA für kombinierten Corona- und Grippetest vom 04. September 2020, abrufbar unter: https://www.handelszeitung.ch/news/zulassung-fur-roche-den-usa-fur-kombinierten -corona-und-grippetest. 40 Jäckel, Catharina et al, Durchbruch in Hamburg: Grippe oder Corona? So funktioniert der neue Schnelltest, in: Hamburger Abendblatt vom 17. Oktober 2020, abrufbar unter: https://www.abendblatt.de/hamburg/article 230693906/Corona-oder-grippe-Schnelltest-PCR-Kosten-Dauer-Hamburg-Sanagroup-MedSan-HSV-Bundesliga -DFL-Thomas-Wuestefeld.html