Deutscher Bundestag Lizensierung und Kontrolle von PID-Zentren in ausgewählten europäischen Ländern Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste WD 9 – 3000-086/11 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD9 – 3000 – 086/11 Seite 2 Lizensierung und Kontrolle von PID-Zentren in ausgewählten europäischen Ländern Aktenzeichen: WD 9 – 3000-086/11 Abschluss der Arbeit: 03.08.2011 Fachbereich: WD 9: Gesundheit, Familie, Frauen und Jugend Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD9 – 3000 – 086/11 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. PID-Zentren im europäischen Ausland - Länderbeispiele 4 2.1. Belgien 4 2.2. Dänemark 6 2.3. Frankreich 7 2.4. Großbritannien 8 2.5. Norwegen 10 2.6. Schweden 10 3. Zusammenfassung 11 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD9 – 3000 – 086/11 Seite 4 1. Einleitung In den meisten europäischen Ländern wird die Präimplantationsdiagnostik (PID) seit Jahren praktiziert. In den 1990er Jahren wurden die ersten Verfahren in Großbritannien durchgeführt, wo im Jahre 1995 das erste Kind nach einer PID zur Welt kam. Seitdem haben viele europäische Länder gesetzliche Regelungen zur PID getroffen. Explizit verboten wurde sie in Italien, Österreich und der Schweiz. Die nachfolgenden Beispiele sollen illustrieren, unter welchen Voraussetzungen und Auflagen die Präimplantationsdiagnostik in einigen ausgewählten Ländern in der Praxis durchgeführt wird. Besonderes Augenmerk liegt hierbei auf der Lizensierung und Kontrolle der PID-Zentren. Sofern Ethikkommissionen am Entscheidungsprozess für oder gegen eine PID beteiligt sind, wird dies berücksichtigt. 2. PID-Zentren im europäischen Ausland - Länderbeispiele 2.1. Belgien Im Bereich der Präimplantationsdiagnostik übt Belgien von jeher eine Vorreiterrolle aus. Dies liegt unter anderem an der sehr liberalen Gesetzgebung im Bereich der medizinischen und wissenschaftlichen Embryonenforschung und der assistierten Reproduktion (ART) im Allgemeinen. Erst im Jahre 2003 wurde ein Gesetz zur Embryonenforschung (Loi relative à la recherche sur les embryons in vitro, 11 Mai 20031) verabschiedet. Seit 2007 gibt es auch ein Gesetz, welches unter Titre VI die PID regelt (Loi relative à la procréation médicalement assistée et à la destination des embryons surnuméraires et des gamètes - 6 Juillet 20072). Darin werden die Richtlinien bestätigt, die bereits im Gesetz zur Embryonenforschung von 2003 festgeschrieben wurden. So ist es verboten Forschung und Behandlungen zu eugenischen Zwecken, das heißt zur Festlegung und Selektion von spezifischen nicht-pathologischen Merkmalen, durchzuführen. Es ist außerdem verboten Forschung oder Behandlung zur Geschlechtswahl durchzuführen, insofern dies nicht medizinisch begründbar ist. Es gibt keine gesetzliche Liste von Krankheiten und Gendefekten, bei denen Eltern eine PID verlangen dürfen. Jedes Zentrum entscheidet selbst über sein Angebot und über die Behandlung der betroffenen Paare. Lange Zeit gab es in Belgien keine Regelung über eine Lizensierung und Kontrolle von Zentren, in denen assistierte Reproduktionstechnologien durchgeführt werden. Zahlreiche Gesetzesentwürfe , die dies ändern wollten, scheiterten. Erst im Jahre 1995 wurde ein Gesetz zur Schaffung eines nationalen Beratungskomitees für Bioethik (Comité Consultatif de Bioéthique de Belgique) verabschiedet, das in 1997 seine Arbeit aufnahm. Im selben Jahr gab das Komitee Empfehlungen für eine Qualitätssicherung der ART-Zentren heraus, im Rahmen derer man vorschlug, die Zahl der ART-Zentren zu beschränken, Lizenzkriterien festzulegen, Qualitätskontrollen einzuführen und die Lizensierung zur PID nur solchen Zentren zu erteilen, die gleichzeitig eine Abteilung für 1 Französische Version des Gesetzes vom 11. Mai 2003 unter http://staatsbladclip.zita.be/moniteur/lois/2003/05/28/loi-2003022592.html (Stand 25. Juli 2011) 2 Französische Version des Gesetzes vom 6. Juli 2007 unter http://staatsbladclip.zita.be/moniteur/lois/2007/07/17/loi-2007023090.html (Stand 25. Juli 2011) Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD9 – 3000 – 086/11 Seite 5 in vitro Fertilisation sowie eine Abteilung für Humangenetik besitzen.3 Daraufhin wurden im Jahre 1999 zwei königliche Verordnungen zur Festlegung von Kriterien bezüglich ART-Zentren erlassen (Arrêté royal fixant les critères de programmation applicables au programme de soins „médicine de la reproduction“ – 15 Février 19994 und Arrêté royal fixant les normes auxquelles les programmes de soins „médicine de la réproduction“ doivent répondre pour être agréées – 15 Février 19995). Diese sehen vor, die Anzahl der Zentren auf 1:700 000 Einwohner zu beschränken . Hierbei darf jedes Krankenhaus sowie jede Uniklinik nur ein solches Zentrum besitzen. Es ist außerdem nicht gestattet mehr als ein unabhängiges Zentrum pro Region einzurichten. Allerdings kann hier eine Ausnahmeregelung getroffen werden, falls in der betreffenden Region kein Zentrum in einem öffentlichen Krankenhaus oder einer Uniklinik vorhanden ist. Um eine Lizenz zu erhalten, muss jedes ART-Zentrum neben den allgemeinen Qualitätskriterien für Krankenhäuser6 zusätzliche Kriterien erfüllen, die das Personal, die Lokalitäten und die Ausstattung betreffen. Hierbei unterscheidet die Verordnung zwei verschieden Arten von ART- Zentren, Programm A und Programm B. Nur in Kliniken, die eine Lizenz für ein Programm B haben, dürfen in vitro Fertilisationen (IVF) durchgeführt werden. Jedes Zentrum muss von einem Facharzt für Frauenheilkunde und Geburtshilfe geleitet werden, der außerdem nachgewiesene Kenntnisse und Kompetenzen in der Anwendung von assistierten Reproduktionstechniken besitzt. Ihm zur Seite steht mindestens ein weiterer Facharzt mit den gleichen Kompetenzen. Beide müssen ausschließlich von der Klinik /der Universität beschäftigt sein und mindestens einer der Fachärzte muss auf Vollzeitbasis für das ART-Zentrum arbeiten. Je nach Art des Zentrums, muss der Chefarzt mindestens drei bis sechs Jahre Erfahrung auf dem Gebiet der assistierten Reproduktionstechniken nachweisen. Desweiteren benötigt das Zentrum genügend Personal, um seine Aufgaben ausüben zu können.7 Neben den Kriterien, die ein Zentrum A erfüllen muss, hat ein Zentrum B ein voll ausgestattetes Labor für assistierte Reproduktionstechniken einzurichten, in dem in vitro Fertilisationen durchgeführt werden können. Das Labor muss von einem Arzt oder einem Wissenschaftler geleitet werden, der nachgewiesene Kompetenzen im Bereich der biologi- 3 Zur Darstellung der Entwicklung der ART Regelungen in Belgien, Frankreich und Großbritannien Nippert, Irmgard, Präimplantationsdiagnostik – Ein Ländervergleich, Friedrich Ebert Stiftung, Berlin 2006 4 Französische Version der Verordnung abrufbar unter http://wallex.wallonie.be/PdfLoader.php?type=doc&linkpdf=8702-7834-3848 (Stand 22. Juli 2011) 5 Französische Version der Verordnung abrufbar unter http://wallex.wallonie.be/PdfLoader.php?type=doc&linkpdf=8703-7835-1096 (Stand 22. Juli 2011) 6 Arrêté royal du 15 Février 1999 relatif à l'évaluation qualitative de l'activité médicale dans les hôpitaux http://staatsbladclip.zita.be/moniteur/lois/1999/03/25/loi-1999022167.html (Stand 25. Juli 2011) 7 Die Aufgaben werden unter Kapitel 2 Art 3 der königlichen Verordnung vom 15. Februar 1999, die die Normen der ART-Zentren festlegt, definiert. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD9 – 3000 – 086/11 Seite 6 schen Aspekte der assistierten Reproduktionstechniken besitzt. Der Chef des Labors wird von mindestens einem Mitarbeiter mit den gleichen Kompetenzen unterstützt. Jedes Zentrum A muss mit mindestens einem Zentrum der Art B eine Zusammenarbeit aufbauen, während jedes Zentrum B eine Kollaboration mit mindestens einem Zentrum für Humangenetik abschließen muss. In dem neuen Gesetz zur assistierten Reproduktionsdiagnostik von 2007 werden auch ausdrücklich PID-Zentren erwähnt. Diese Zentren fallen unter den Typ B und müssen so zwangsläufig eine Partnerschaft mit einem Zentrum für Humangenetik abschließen, um eine Lizenz zu erhalten . Derzeit gibt es 6 ART-Zentren, in denen die PID durchgeführt wird. Um die Qualität der Behandlung und des Services in den ART-Zentren sicherzustellen, sieht die königliche Verordnung eine interne Kontrolle vor, deren Ergebnisse dann einer externen Evaluierung zur Verfügung gestellt werden. Hierfür muss das Zentrum Daten für jeden Patienten aufnehmen , die im Anhang 1 der königlichen Verordnung vom 15. Februar 1999 genau definiert sind. Die gespeicherten Daten werden für eine externe Qualitätskontrolle an das, durch den Erlass zur qualitativen Evaluierung von Krankenhäusern gegründeten, „Collège de Médecins“ 8weitergeleitet . Das „Collège de Médicens relatif à la Médecine reproductive“ hat die Aufgabe, die externe Kontrolle der ART-Zentren zu übernehmen und so die Qualität im Bereich der medizinischen Reproduktion zu gewährleisten. Die Mitglieder des Collège werden für einen Zeitraum von sechs Jahren vom Gesundheitsminister und vom Sozialminister ernannt. Das „Collège de Médecins“ liefert einen jährlichen Bericht über seine Arbeit. 2.2. Dänemark In Dänemark wurde der Bereich der Fortpflanzungsmedizin zum ersten Mal durch das Gesetz zur assistierten Reproduktion von 1997 geregelt. In 2006 wurde dieses Gesetz erneuert und überarbeitet . In § 7 trifft das Gesetz Regelungen der Präimplantationsdiagnostik. Diese wird in drei Fällen erlaubt: wenn ein hohes Risiko besteht, dass das Kind an einer schweren Erbkrankheit leiden wird wenn eine schwere Chromosomenanomalie festgestellt werden kann wenn durch HLA (Human Leukocyte Antigen)-Typisierung die Behandlung eines bereits lebenden schwerkranken Kindes möglich wird. Jede durchgeführte PID muss der nationalen Gesundheitsbehörde gemeldet und jeder Fall muss in einem ausführlichen Bericht dargestellt werden. Handelt es sich um die Diagnose einer Krankheit für die bisher noch keine PID durchgeführt wurde, bedarf es hierfür einer Genehmigung seitens der Gesundheitsbehörde. Dies gilt auch für jeden Fall von HLA-Typisierung. Die PID ist in Dänemark derzeit noch an ein Forschungsprotokoll gebunden, sodass sie nur in Universitätskliniken durchführt werden darf. Jedes Forschungsvorhaben, und demnach auch die 8 Informationen auf Französisch unter http://www.health.belgium.be/eportal/Healthcare/Consultativebodies/Doctorscolleges/index.htm?fodnlang=fr (Stand 25. Juli 2011) Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD9 – 3000 – 086/11 Seite 7 Durchführung der PID, muss seit dem Gesetz über das Komitee der biomedizinischen Forschungsethik 9 von einem regionalen Ethikkomitee genehmigt werden. Ein regionales Ethikkomitee muss aus mindestens sieben Mitgliedern bestehen, von denen drei aus der medizinischen Forschung und die anderen Mitglieder aus Fachbereichen ohne medizinische Qualifikation kommen sollten. Die Mitglieder sollten in der betreffenden Region aktiv sein und werden vom Bezirksrat ernannt. Alle sieben regionalen Ethikkomitees arbeiten gemeinsam unter der Dachorganisation „National Biomedical Research Ethics Committee“ zusammen. Alle Komitees geben jährliche Berichte über ihre Arbeit ab. Darin müssen alle Forschungsprojekte enthalten sein, die von den Komitees bearbeitet wurden. In Dänemark wurde bislang drei Zentren die Genehmigung zur Durchführung der PID erteilt. Dazu gehören das Rigshospitalet Kopenhagen, sowie die Universitätskliniken in Aarhus und Odense . Ursprünglich waren die Genehmigungen auf die Diagnose bestimmter Krankheiten beschränkt . Jedoch wurden die Listen nach und nach erweitert, sodass mittlerweile faktisch keine Beschränkungen mehr bestehen. 2.3. Frankreich Nach Großbritannien war Frankreich das zweite Land, in dem in 1982 ein sogenanntes „Retortenbaby “ zur Welt kam. Auch hier war die Forschung wesentlich schneller als die Gesetzgebung, denn erst im Jahre 1994 wurden die beiden Bioethikgesetze (Lois relatives à la bioéthique, loi n° 94-65310, loi n° 94-65411) eingeführt. Das zweite Gesetz definiert die Rahmenbedingungen aller assistierten Reproduktionstechnologien und somit auch die Pränataldiagnostik sowie die Präimplantationsdiagnostik. Im Jahre 1998 trat ein Erlass speziell zur PID in Kraft (decrée n° 98- 21612). In 2004 wurden die Bioethikgesetze überarbeitet und leicht geändert (Loi n°. 2004-800 du 6 août 200413). Ähnlich wie in Großbritannien gibt es in Frankreich eine zentrale Behörde, die die Befugnis zur Vergabe von Lizenzen besitzt und den Bereich der Biomedizin überwacht und kontrolliert. Die „Agence de la Biomédicine“ wurde mit dem Gesetz zur Bioethik aus dem Jahr 2004 gegründet. Unter ihre Aufsicht fallen Organspende, assistierte Reproduktionstechnologien, Embryonenforschung und Humangenetik. Ihre Hauptaufgabe besteht darin, Zentren und praktizierende Ärzte der verschiedenen Fachgebiete zu lizensieren, zu überwachen und alle Aktivitäten zu dokumen- 9 Englische Version des Gesetzes abrufbar unter http://www.cvk.sum.dk/English/actonabiomedicalresearch.aspx (Stand 28. Juli 2011) 10 Französische Version des Gesetzes unter http://www.legifrance.gouv.fr/affichTexte.do?cidTexte=JORFTEXT000000549619 (Stand 27. Juli 2011) 11 Französische Version des Gesetzes unter http://www.legifrance.gouv.fr/affichTexte.do?cidTexte=JORFTEXT000000549618 (Stand 27. Juli 2011) 12 Französische Version des Dekrets unter http://www.legifrance.gouv.fr/affichTexte.do?cidTexte=JORFTEXT000000570611&dateTexte= (Stand 27. Juli 2011) 13 Französische Version des Gesetzes unter http://www.legifrance.gouv.fr/affichTexte.do?cidTexte=JORFTEXT000000441469 (Stand 26. Juli 2011) Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD9 – 3000 – 086/11 Seite 8 tieren. Sie erstellt außerdem Richtlinien für die Behandlung und Forschung. Unterstellt ist die „Agence de la Biomédicine“ dem Gesundheitsministerium. Verschieden Beratungsorgane unterstützen die Arbeit der Behörde. Im „conseil d’orientation“ sitzen Mitglieder aus Sozial- und Geisteswissenschaften , Juristen, Parlamentarier, Mediziner und auch Mitglieder des „Comité Consultatif National d’Éthique“. Desweiteren gibt es einen wissenschaftlichen Rat „comité médical et scientifique“ und ein Gruppe von Experten zur Embryonenforschung „colléges des experts „recherche sur l’embryon humain et les cellules embryonnaire““ Die Präimplantationsdiagnostik kann nur in einem Zentrum durchgeführt werden, das zur Pränataldiagnostik zugelassen wurde. In Frankreich gibt es derzeit vier Zentren (Centres pluridisciplinaires de diagnostic prénatal (CPDPN) ), in denen die Präimplantationsdiagnostik durchgeführt wird: in Straßburg, Paris, Montpellier und Nantes. Für die pluridisziplinären Zentren zur Pränataldiagnostik gelten besondere Richtlinien. Sie können nur in einer Klinik oder einer privaten non-profit Einrichtung gegründet werden. Das Zentrum muss mindestens einen Facharzt für Frauenheilkunde und Geburtshilfe beschäftigen, sowie einen Mitarbeiter mit einer Ausbildung und Erfahrungen im Bereich der Ultraschalluntersuchung des Fötus, einen Facharzt für Pädiatrie und einen Facharzt für medizinische Genetik. Außerdem verlangen die Vorschriften einen festangestellten Psychiater ebenso wie einen Spezialisten für Pathologie. Zusätzlich benötigt das Zentrum ausreichend qualifizierte Fachkräfte für die genetische Analyse und einen genetischen Berater. Alle Ärzte und Mitarbeiter eines CPDPN benötigen eine eigene Lizenz, um Behandlungen und Tests durchführen zu können. Die Lizenzen für Ärzte sowie für Zentren gelten für jeweils 5 Jahre und müssen danach erneuert werden. Die PID ist nur in besonderen Ausnahmefällen gestattet, wenn der Arzt eines CPDPN ein besonders hohes Risiko für die Weitergabe von Erbanlagen, die zu einer schweren genetischen Erkrankung führen können, feststellt. Innerhalb der gesetzlichen Rahmenbedingung ihrer Lizenz haben die Zentren die Freiheit, die Detailfragen zur PID selbst zu entscheiden, beispielsweise was unter einer „besonders schweren Erberkrankung “ zu verstehen ist. So werden in den vier unterschiedlichen Zentren mitunter Diagnosemöglichkeiten für verschiedene Krankheiten und Gendefekte angeboten. Jedes Zentrum muss einen jährlichen Bericht an die „Agence de la Biomédicine“ abliefern. 2.4. Großbritannien Das Vereinigte Königreich war das erste Land, in dem 1978 ein Kind durch eine in vitro Fertilisation geboren wurde und auch die Technik der Präimplantationsdiagnostik wurde in Großbritannien entwickelt. Diese wurde in 1990 eingeführt. Im gleichen Jahr verabschiedete man den „Human Fertilisation and Embryology Act“14, der den gesamten Bereich der assistieren Reproduktionstechnologien und der Embryonenforschung auf eine rechtliche Grundlage stellte. Die Präimplantationsdiagnostik wird unter Schedule 2 §1 geregelt. Demnach ist das Testen von Embryonen erlaubt, um festzustellen, ob der Embryo nach der Geburt lebensfähig wäre und wenn das Risiko besteht, dass der Embryo einen genetischen oder chromosomalen Defekt besitzt. Im „Human Fertilisation and Embryology Act“ wurde die Gründung der „Human Fertilisation and Embryology Authority“ (HFEA) beschlossen, die ein Jahr später gegründet wurde. Zu den Aufgaben der HFEA gehört die Lizensierung und Überwachung von Kliniken, in denen IVF an- 14 Englische Version des Gesetzes abrufbar unter http://www.legislation.gov.uk/ukpga/1990/37/contents (Stand 25. Juli 2011) Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD9 – 3000 – 086/11 Seite 9 geboten wird. Sie nimmt außerdem Bildungsaufgaben wahr, ist Kommunikationsorgan mit der Öffentlichkeit und eine Beratungsinstitution der Regierung. Die HFEA besteht aus 21 Mitgliedern , die vom britischen Gesundheitsminister ernannt werden. Die Zusammensetzung der Mitglieder muss so gestaltet sein, dass unabhängige Urteile garantiert sind. Daher dürfen nur 50% der Mitglieder aus den Disziplinen Medizin und Embryonenforschung stammen. Die restlichen Mitglieder kommen aus anderen Bereichen, wie den Rechts-, Sozial-und Geisteswissenschaften. Die HFEA ist dem Gesundheitsminister Rechenschaft schuldig und publiziert einen jährlichen Bericht über ihre Arbeit. Um eine Lizenz für eine spezielle Behandlungsmethode, also beispielsweise für die PID, zu erhalten , muss die betreffende Klinik zunächst online einen Bewerbungs- und Fragebogen ausfüllen , um zu klären, für welche Lizenz sich das Zentrum genau bewirbt. Daraufhin lässt die HFEA dem Zentrum Informationen über das weitere Verfahren zukommen. Jedem Zentrum wird ein Prüfer zugewiesen, der den Kliniken während des Lizensierungsprozesses zur Seite steht. Als nächstes muss die Klinik sicher stellen, dass sie angemessene Einrichtungen besitzt, wie beispielsweise private Behandlungsräume und die richtige Luftqualität in den Laboratorien. Außerdem muss die Klinik die Richtlinien und Ansprüche des „Code of Practice“15 erfüllen, der die Kriterien für die Genehmigung und Führung von ART-Zentren festlegt. Hier gibt es spezielle Richtlinien für die Lizensierung von Präimplantationsdiagnostik. Das Zentrum muss sicherstellen , dass Embryonen, bei denen eine Biopsie durchgeführt wurde, niemals gemeinsam mit nicht untersuchten Embryonen eingesetzt werden, kein Embryo auf genetische Informationen hin untersucht wird, die nicht ausdrücklich von der HFEA genehmigt wurden, kein Embryo in den Mutterleib eingesetzt wird, bei dem dies dennoch geschehen ist, die PID nicht dazu benutzt wird, Embryonen nach ihrem Geschlecht auszuwählen, insofern dies aus sozialen und nicht aus gesundheitlichen Gründen geschieht. Bei der PID in Großbritannien spielt neben den gesetzlichen Vorschriften auch die individuelle Situation und Einschätzung der Paare eine wichtige Rolle. Bei jedem Verfahren zur Präimplantationsdiagnostik wird eine individuelle Bewertung des Falles durch das Zentrum vorgenommen . Bis zum Jahre 2009 musste jedes neue Testverfahren für eine bestimmte Erkrankung, die in einer Klinik noch nicht untersucht wurde, separat von der HFEA lizensiert werden. Seit einer Änderung der Regelungen wurde dieses Verfahren jedoch vereinfacht. Es gibt nun eine Liste mit Krankheiten für deren Diagnose eine PID zugelassen ist. Für eine HLA-Typisierung benötigt man weiterhin eine Einzelfallgenehmigung. Innerhalb der HFEA gibt es ein „Ethics and Law Advisory Committee“, welches sich mit den ethischen und rechtlichen Fragen der Arbeit der HFEA beschäftigt. Die Treffen des „Ethics and Law Advisory Commitees“ finden etwa vier bis fünf Mal jährlich statt, aus denen ein Bericht hervorgeht, der der Öffentlichkeit auf der Internetseite der HFEA zugänglich gemacht wird. Das Komitee hat ausschließlich eine beratende Funktion und die Entscheidungen, die in den Sitzun- 15 HFEA Code of Practice abrufbar unter http://www.hfea.gov.uk/docs/8th_Code_of_Practice.pdf (Stand 3. August 2011) Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD9 – 3000 – 086/11 Seite 10 gen getroffen werden, haben keinerlei Auswirkungen auf die individuelle Behandlungen von ART Patienten.16 2.5. Norwegen In Norwegen wird die PID durch das Gesetz zur Biotechnologie (bioteknologiloven17)aus dem Jahr 2004 geregelt. Durch eine Gesetzesänderung in 2008 wurden die sehr strikten Bestimmungen zur PID etwas gelockert. Nur Paare, die in Norwegen leben und die ein hohes Risiko haben, ein Kind mit einem schweren Gendefekt oder einer schweren Erberkrankung zur Welt zu bringen , haben Zugang zur Präimplantationsdiagnostik. Tests zur Aufdeckung chromosomaler Anomalien sind davon ausgeschlossen. HLA-Typisierungen können in Ausnahmefällen gestattet werden. Bevor betroffene Paare sich für eine PID bewerben können, müssen sie sich von einem Zentrum für Humangenetik den schweren Gendefekt, der an das Kind übertragen werden könnte, bestätigen lassen. Dort wird ihnen eine umfassende Beratung zum Thema PID und zu relevanten Alternativen angeboten. Sie müssen sich außerdem einer Untersuchung unterziehen, in der festgestellt werden soll, ob das Paar für eine in vitro Fertilisation geeignet ist. Sind diese Bedingungen erfüllt , muss sich das Paar offiziell für eine PID beim „Preimplementation Genetic Diagnosis Board“ (norwegisch: preimplantasjonsdiagnostikknemnda (PGD-nemnda)) bewerben. Das „Preimplementation Genetic Diagnosis Board“ ist eine eigens zu diesem Zweck eingerichtete Behörde, die jeden PID Fall einzeln beurteilt und über die Durchführung entscheidet. Die Behörde besteht aus acht Mitgliedern, mit unterschiedlichen professionellen Hintergründen aus Medizin , Genetik, Recht und Ethik. Zudem gibt es zwei Laienvertreter, von denen einer von einer Erbkrankheit betroffen ist. So kann durch persönliche Erfahrung beleuchtet werden, wie man sich ein Leben mit einer schweren Erbkrankheit vorzustellen hat. Fällt das Urteil der Behörde positiv aus, ist sie es, die festlegt, wo die Behandlung durchgeführt wird. Sollte das Diagnoseverfahren für eine bestimmte Krankheit in Norwegen nicht angeboten werden, verweist die Behörde auf Zentren im Ausland, die diese durchführen. Ebenso wie die PID Behandlung in Norwegen selbst, werden auch die Kosten von Behandlungen im Ausland durch das nationale Gesundheitssystem getragen. Die Entscheidungen der Behörde können vor Gericht angefochten werden. Die PID kann nur in Zentren durchgeführt werden, die eine Genehmigung durch das Gesundheitsministerium erhalten haben. 2.6. Schweden In Schweden wird die PID durch das Gesetz über genetische Integrität (genetisk integritet18) aus dem Jahre 2006 geregelt. Danach ist die Untersuchung des Embryos in vitro erlaubt, sofern einer 16 Informationen zur HFEA und ihren Organen auf der Internetseite der HFEA http://www.hfea.gov.uk/ (Stand 03. August 2011) 17 Norwegische Version des Gesetzes abrufbar unter http://www.lovdata.no/cgiwift /wiftldles?doc=/usr/www/lovdata/all/nl-20031205-100.html&dep=alle&titt=bioteknologiloven& (Stand 29.Juli 2011) 18 Schwedische Version des Gesetzes abrufbar unter http://www.notisum.se/rnp/sls/lag/20060351.htm (Stand 01.08.2011) Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD9 – 3000 – 086/11 Seite 11 der beiden Eltern unter einer schweren unheilbaren und tödlichen monogenetischen oder chromosomalen Erbkrankheit leidet, die mit einer großen Wahrscheinlichkeit auf Nachkommen übertragen würde (Kap 4 § 2). Verboten ist die Auswahl der Embryonen nach anderen als pathologischen Gesichtspunkten. Die Präimplantationsdiagnostik an sich bedarf keiner Bewilligung. Jedoch ist ein genetischer Test der Eltern nur unter strengen Auflagen möglich und muss von der zuständigen Aufsichtsbehörde genehmigt werden (Kap 3 § 1-3). Auch HLA-Typisierung ist in Ausnahmefällen ähnlich wie in Norwegen mit Bewilligung der Gesundheitsbehörde erlaubt. Eine in vitro Fertilisation darf in Schweden nur in öffentlich finanzierten Krankenhäusern durchgeführt werden (Kap 7 § 4). Eigene PID Zentren gibt es nicht, da das Verfahren nicht bewilligt werden muss. Zur Zeit wird die PID in zwei Krankenhäusern durchgeführt. 3. Zusammenfassung Zusammenfassend ist festzustellen, dass die Gesetzeslage in den Ländern, die PID erlauben, sehr unterschiedlich ist. Einige Länder wie Frankreich und Großbritannien haben strikte Auflagen, die PID Zentren erfüllen müssen, während andere Länder wie Schweden keine Genehmigungspflicht eingeführt haben. Die meisten Länder erlauben PID nur für eine begrenzte Auswahl an Krankheiten , was meist vom Gesundheitsministerium oder einer eigens dafür eingerichteten Behörde kontrolliert wird. Lediglich in Belgien haben ART-Zentren gänzlich freie Hand, was das Behandlungsangebot betrifft. Ethikkommissionen spielen bei der Genehmigung von PID oder der Zulassung von ART-Zentren in den meisten Fällen nur eine Nebenrolle. Sie dienen als Beratungsorgan, haben jedoch keinen Einfluss auf den eigentlichen Entscheidungsprozess. Eine Ausnahme stellt hier Dänemark dar, wo die PID noch als Forschungsprojekt gilt und als solches von einem regionalen Ethikrat genehmigt werden muss.