© 2018 Deutscher Bundestag WD 9 - 3000 - 085/18 Zur Einrichtung von Pflegekammern Stand, Entwicklungen und potentieller Regelungsbedarf Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 - 085/18 Seite 2 Zur Einrichtung von Pflegekammern Stand, Entwicklungen und potentieller Regelungsbedarf Aktenzeichen: WD 9 - 3000 - 085/18 Abschluss der Arbeit: 20. November 2018 Fachbereich: WD 9: Gesundheit, Familie, Senioren, Frauen und Jugend Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 - 085/18 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Zur Errichtung von Landespflegekammern 5 2.1. Erste Pflegekammer in Deutschland: Rheinland-Pfalz 6 2.2. Zweite Pflegekammer in Deutschland: Schleswig-Holstein 8 2.3. Dritte Pflegekammer in Deutschland: Niedersachsen 10 2.4. Sonderfall: Vereinigung der Pflegenden in Bayern 11 2.5. Sonderfall: Arbeitskammer im Saarland 12 2.6. Sonderfall: Arbeitnehmerkammer in Bremen 13 2.7. Stand der Diskussion in den anderen Bundesländern 14 3. Diskussion um die Errichtung einer Bundespflegekammer 16 3.1. Parallele Betrachtung der Bundesärztekammer 17 3.2. Regelungsbedarf bei Errichtung einer Bundespflegekammer 19 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 - 085/18 Seite 4 1. Einleitung Seit einigen Jahren schon wird diskutiert, ob im Bereich der Pflege die Einrichtung von Berufskammern sinnvoll und geboten wäre.1 Dabei geht es zum einen um die Frage, ob auf Länderebene – den Landesärztekammern vergleichbar – Pflegekammern gegründet werden sollten, zum anderen geht es um die Frage, ob eine bundesweite Vertretung – ähnlich wie die Bundesärztekammer – auch für den Pflegebereich wünschenswert wäre. Den Pflegekammern werden im Wesentlichen drei Aufgaben zugewiesen: die Standesvertretung, die Standesförderung und die Standesaufsicht; das heißt, eine Pflegekammer soll 1. als Standesvertretung die Stimme aller in Pflegeberufen arbeitenden Menschen sein und in dieser Funktion auch an der Rechtsetzung teilnehmen, 2. als Standesförderung, durch Fort- und Weiterbildungen und dem Erlass entsprechender Ordnungen, Beratungen und anderes ein hohes Niveau der Pflege sichern und 3. als Standesaufsicht Register über ihre Mitglieder führen, Berufspflichten in Berufsordnungen aufstellen, die Einhaltung dieser Pflichten überwachen und berufsrechtliche Verstöße verfolgen und sanktionieren.2 In der Regel besteht für Berufskammern eine Pflichtmitgliedschaft. Kammern vertreten also – im Unterschied zu frei gebildeten Verbänden oder Vereinen – alle Berufsangehörigen.3 Bei der Vertretung beruflicher Interessen können sich Überschneidungen zwischen Pflegekammern, Gewerkschaften und Berufsverbänden ergeben. Traditionell gehört zu den Aufgaben von Berufskammern auch die Einrichtung von Versorgungswerken; Zusatzversorgungen zur gesetzlichen Rentenversicherung werden aber für Pflegekammern derzeit nicht diskutiert.4 Die Einrichtung von Schlichtungsstellen und Ethikkommissionen ist dagegen vorgesehen. Nicht zu den Aufgaben von Kammern gehören Tarifverhandlungen, die Aufgabe von Gewerkschaften sind.5 1 Vgl. dazu: Schwinger, Die Pflegekammer: Eine Interessenvertretung für die Pflege?, in: Jacobs/Kuhlmey u. a. (Hrsg.), Pflege-Report 2016, Stuttgart 2016, S. 109 (112); Bauckhage-Hoffer, Die Errichtung der Pflegekammern – der Wahnsinn hat Methode, in: Gesundheit und Pflege : Rechtszeitschrift für das gesamte Gesundheitswesen 2014, Heft 1, S. 6; Roßbruch, Zur Errichtung von Pflegekammern: der Wahnsinn der Pflegekammergegner hat Methode, in: Gesundheit und Pflege : Rechtszeitschrift für das gesamte Gesundheitswesen 2014, Heft 2, S. 53. 2 Martini, Die Pflegekammer - Segen oder Fluch für die Pflegeberufe?, in: Wirtschaft und Verwaltung 2016, Heft 4, S. 253 (258 ff.); Hanika, Ihre erfolgreichen Pflegekammern in Deutschland und Europa, Berlin 2015, S. 82; Schwinger, Die Pflegekammer: Eine Interessenvertretung für die Pflege?, in: Jacobs/Kuhlmey u. a. (Hrsg.), Pflege-Report 2016, Stuttgart 2016, S. 109 (114 ff.). 3 Schwinger, Pflegekammer - Fortschritt oder neue Bürokratie? : Ein Blick nach Großbritannien und Schweden, in: Gesundheits- und Sozialpolitik : Zeitschrift für das gesamte Gesundheitswesen 70 (2016), Heft 1, S. 44 (48). 4 Beschlussrealisierung der Landesregierung Sachsen-Anhalt, Das Für und Wider der Einrichtung einer Pflegekammer prüfen, vom 12. August 2015 (LT-Drs. 6/4301), S. 11. 5 BVerfG, Beschluss vom 18. Dezember 1974 – 1 BvR 430/65, BVerfGE 38, S. 281; Scholz, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz-Kommentar, 84. EL, München 2018, Artikel 9 Rn. 196 ff. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 - 085/18 Seite 5 Als Argumente für die Errichtung von Pflegekammern werden unter anderem vorgebracht, dass sie der Festlegung und Weiterentwicklung von fachlichen Mindeststandards dienen, der Schaffung einer Berufsordnung mit ethischen Leitlinien für das Handeln der professionell Pflegendenden , der Verpflichtung zur kontinuierlichen Weiterbildung und der gebündelten Interessenvertretung . Gegen die Errichtung von Pflegekammern wird der zusätzliche finanzielle Aufwand bei zweifelhaftem Nutzen ins Feld geführt, insbesondere mit Blick auf die Pflichtmitgliedschaft. Kammern führten zu unnötig mehr Bürokratie, ohne die tatsächlichen Probleme – die schlechten Rahmenbedingungen und die niedrigen Löhne – lösen zu können. Mitunter wird argumentiert, dass Kammern einst für selbstständig ausgeübte Berufe gegründet worden seien und daher für Berufe mit größtenteils abhängig Beschäftigten nicht sinnvoll seien.6 Auf Länderebene sind in Deutschland seit 2014 bisher drei Pflegekammern als Körperschaften des öffentlichen Rechts gegründet worden; in weiteren drei Bundesländern existieren den Pflegekammern ähnliche Körperschaften.7 Auftragsgemäß beschäftigt sich dieser Sachstand zunächst mit den rechtlichen Voraussetzungen und dem Stand der Einrichtung von Pflegekammern auf Länderebene und fasst sodann den Diskussionsstand zur Gründung einer Bundespflegekammer zusammen. 2. Zur Errichtung von Landespflegekammern Kammern als selbstverwaltende Körperschaften des öffentlichen Rechts können nur durch formelles Gesetz errichtet werden.8 Die Gesetzgebungskompetenz zur Errichtung solcher Körperschaften folgt dabei der Kompetenz in der Sache: Kammern regeln traditionell in Deutschland die Berufsausübung ihrer Mitglieder, die für die Pflege der Gesetzgebungskompetenz der Länder untersteht . Auch im Bereich der Pflege können daher Berufskammern in Form von selbstverwaltenden Körperschaften des öffentlichen Rechts durch Landesgesetz gebildet werden.9 6 Vgl. die aufgeführten Argumente in: Schwinger, Die Pflegekammer: Eine Interessenvertretung für die Pflege?, in: Jacobs/Kuhlmey u. a. (Hrsg.), Pflege-Report 2016, Stuttgart 2016, S. 111; Bauckhage-Hoffer, Die Errichtung der Pflegekammern – der Wahnsinn hat Methode, in: Gesundheit und Pflege : Rechtszeitschrift für das gesamte Gesundheitswesen 2014, Heft 1, S. 6 (7 f.). Vgl. auch: Beschlussrealisierung der Landesregierung Sachsen-Anhalt, Das Für und Wider der Einrichtung einer Pflegekammer prüfen, vom 12. August 2015 (LT-Drs. 6/4301), S. 15 f. 7 Eine Übersicht zur Errichtung von Pflegekammern in den einzelnen Bundesländern (mit Ausnahme von Bremen ) mit Angaben zu den Vertretern der jeweiligen Pro- und Contra-Position ist vom AOK-Verlag am 19. Oktober 2018 zusammengestellt worden und abrufbar unter: https://www.aok-verlag.info/de/news/Errichtung-von- Pflegekammern-in-den-einzelnen-Bundeslaendern/28/. (Dieser und die folgenden Links wurden zuletzt abgerufen am 19. November 2018.) 8 BVerfG, Beschluss vom 9. Mai 1972 – 1 BvR 518/62, BVerfGE 33, S. 125 (156 f.); BVerfG, Beschluss vom 5. Dezember 2002 – 2 BvL 5/98, BVerfGE 107, S. 59 (92 ff.). 9 Martini, Die Pflegekammer - Segen oder Fluch für die Pflegeberufe?, in: Wirtschaft und Verwaltung 2016, Heft 4, S. 253 (270). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 - 085/18 Seite 6 2.1. Erste Pflegekammer in Deutschland: Rheinland-Pfalz Das Rheinland-Pfälzische Heilberufsgesetz (HeilBG R-P)10 wurde 2014 überarbeitet und die Gründung einer Landespflegekammer, nach § 2 HeilBG R-P als Körperschaft des öffentlichen Rechts, darin vorgesehen. Dieser Konzeption gingen nach Angaben des Gesetzesentwurfs eine landesweite Informationskampagne mit Veranstaltungen, Diskussionsrunden und Flyern des Ministeriums für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Demografie sowie eine Befragung der zukünftigen Mitglieder voraus. Informiert wurde dabei über die Aufgaben einer Landespflegekammer, ihre Strukturen und Finanzierung und ihre grundsätzliche Bedeutung.11 Die Befragung wurde im ersten Quartal 2013 durchgeführt. Die Teilnehmer mussten sich registrieren , um abstimmen zu können. Von den am Ende gezählten 7.033 Stimmen, entschieden sich etwas über drei Viertel für die Einrichtung einer Pflegekammer.12 Die erste Landespflegekammer Deutschlands wurde dann zum 1. Januar 2016 in Rheinland-Pfalz errichtet. Dafür wurde ein Jahr vor der Errichtung durch das fachlich zuständige Ministerium13 ein Gründungsausschuss zusammengestellt, in dem Mitglieder der betroffenen Berufsgruppen, vorgeschlagen durch die Berufsverbände und Gewerkschaften, saßen. Der Gründungsausschuss hatte die Aufgabe, die späteren Mitglieder der Kammer zu ermitteln. Anschließend wurde die erste Vertreterversammlung gewählt.14 Gerichtliche Schritte gegen die Errichtung der Pflegekammer blieben erfolglos.15 Pflichtmitglieder der Kammer sind nach § 1 Abs. 1 Nr. 6 bis 7, Abs. 2 und § 4 Abs. 1 Nr. 4 HeilBG R-P grundsätzlich alle Personen, die einen der folgenden Berufe in Rheinland-Pfalz ausüben : Gesundheits- und Krankenpflegerinnen und Gesundheits- und Krankenpfleger, Gesundheits- und Kinderkrankenpflegerinnen und Gesundheits- und Kinderkrankenpfleger sowie 10 Heilberufsgesetz (HeilBG) vom 19. Dezember 2014 (GVBl. S. 302, Gliederungs-Nr: 2122-1), zuletzt geändert durch Artikel 4 des Gesetzes vom 16. Februar 2016 (GVBl. S. 37). 11 Begründung zum Gesetzesentwurf der Landesregierung zum Heilberufsgesetz (HeilBG) vom 10. Juni 2014 (LT- Drs. 16/3626), S. 63. 12 Weidner/Laag u. a. für Deutsches Institut für angewandte Pflegeforschung e.V., Abschlussbericht – Befragungsund Registrierungsstelle zur Einrichtung einer Landespflegekammer in Rheinland-Pfalz, Köln 2013, abrufbar unter: https://www.dip.de/fileadmin/data/pdf/projekte/BadP21_Abschlussbericht_Pflegekammer_Endf.pdf. 13 Derzeit ist für die Landespflegekammer das Ministerium für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Demografie zuständig . 14 Siehe dazu die §§ 111, 1 Abs. 1 Nr. 5 bis 7 und 4 Abs. 1 Nr. 4 HeilBG R-P. 15 Das BVerfG nahm eine erhobene Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung an, BVerfG, Kammerbeschluss ohne Begründung vom 19. Juli 2016 – 2 BvR 2220/15, juris. Positive Feststellung der rechtmäßigen Errichtung durch: VG Mainz, Urteil vom 06. April 2017 – 4 K 438/16.MZ, GewArch 2017, S. 290. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 - 085/18 Seite 7 Altenpflegerinnen und Altenpfleger. Die Landespflegekammer wirkt gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 und 3 HeilBG R-P bei den Aufgaben des öffentlichen Gesundheitswesens mit und nimmt die beruflichen, wirtschaftlichen und sozialen Belange der Kammermitglieder in ihrer Gesamtheit wahr. Konkrete Aufgaben zählt das Gesetz in § 3 Abs. 2 auf und betont in § 3 Abs. 7 die Übertragungsmöglichkeit weiterer Aufgaben auf die Kammer durch Gesetz und Rechtsverordnung. Die Einrichtung eines Versorgungswerkes gehört nicht zu den Aufgaben und Kompetenzen der Landespflegekammer. Bei den weit überwiegend in einem Arbeitsverhältnis sozialversicherungspflichtig beschäftigten Kammermitgliedern bleibt es bei der Absicherung im Rahmen ihrer Sozialversicherungen .16 Nach § 4 Abs. 3 HeilBG R-P stimmt die Landespflegekammer berufsübergreifende Angelegenheiten in der Versorgung mit der Landesärztekammer und Landespsychotherapeutenkammer in einem eigens gebildeten gemeinsamen Beirat ab. Die Landespflegekammer richtet gemäß § 7 HeilBG R-P einen Schlichtungsausschuss ein, der auf Antrag Streitigkeiten aus der Berufsausübung von Kammermitgliedern behandeln kann. Darüber hinaus ist die Errichtung von oder der Beitritt zu länderübergreifenden gemeinsamen Schlichtungsausschüssen möglich. Die Kammer kann nach § 6 Abs. 5 ff. HeilBG R-P eine eigene und mit den anderen Landeskammern gemeinsame oder länderübergreifende Ethikkommissionen errichten . Darüber hinaus kann die Kammer: Satzungen erlassen, § 15 HeilBG R-P, Verwaltungsakte erlassen, ausdrücklich in § 3 Abs. 2 Nr. 4 2. Halbsatz HeilBG R-P für die Beseitigung berufsrechtswidriger Zustände erwähnt, Zertifikate ausstellen, § 3 Abs. 3 HeilBG R-P, die Einleitung eines berufsgerichtlichen Verfahrens17 erwirken, § 76 Abs. 1 Nr. 1 HeilBG R-P, ein Verzeichnis über ihre Mitglieder führen, § 3 Abs. 10 HeilBG R-P, soweit zur Aufgabenerfüllung notwendig, Daten erheben, verarbeiten und übermitteln, §§ 1 Abs. 5, 3 Abs. 2 Nr. 8 und 3 Nr. 3 und Abs. 4 und 10, 21 Abs. 3 und Gebühren und Beiträge erheben, §§ 16, 3 Abs. 11 HeilBG R-P. Die Pflichten der Kammermitglieder richten sich nach der Satzung der Kammer, § 15 Abs. 1 HeilBG R-P. Die Berufspflichten der Mitglieder regelt die Berufsordnung im Detail, §§ 23 f. 16 So die Begründung zum Gesetzesentwurf der Landesregierung zum Heilberufsgesetz (HeilBG) vom 10. Juni 2014 (LT-Drs. 16/3626), S. 73. 17 Siehe dazu die §§ 51 ff. HeilBG R-P. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 - 085/18 Seite 8 HeilBG R-P. Das Gesetz sieht dafür grundsätzlich in § 21 HeilBG R-P vor, dass der jeweilige Heilberuf gewissenhaft ausgeübt werden muss und stellt in § 22 HeilBG R-P besondere Berufspflichten auf.18 Jedes Mitglied der Kammer muss die Aufnahme, Beendigung oder Verlegung ihrer beruflichen Tätigkeit unverzüglich der Kammer melden, § 1 Abs. 5 und 2 Satz 1 und 4 Satz 1 HeilBG R-P. Dasselbe gilt für Personen, die eine der Pflegekammer unterfallende Tätigkeit in Deutschland ausüben, nach § 1 Abs. 4 Satz 1 HeilBG R-P jedoch nicht Mitglieder der Kammern sind. Darüber hinaus müssen die Mitglieder gemäß § 16 Abs. 1 HeilBG R-P ihre Kammer durch Beiträge finanzieren. 2.2. Zweite Pflegekammer in Deutschland: Schleswig-Holstein In Schleswig-Holstein wurde durch das Gesetz zur Errichtung einer Kammer für die Heilberufe in der Pflege (Kammererrichtungsgesetz S-H)19 und das Pflegeberufekammergesetz (PBKG S-H)20 die Errichtung der bundesweit zweiten Pflegekammer vorgesehen. Die sogenannte Pflegeberufekammer ist als Körperschaft des öffentlichen Rechts organisiert, § 1 Kammererrichtungsgesetz S-H und § 1 PBKG S-H. Deren Gründung war in dem Koalitionsvertrag 2012 - 2017 „Bündnis für den Norden - Neue Horizonte für Schleswig-Holstein“ zwischen der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands, Landesverband Schleswig-Holstein, dem Bündnis 90/Die Grünen, Landesverband Schleswig-Holstein , und dem Südschleswigschen Wählerverband, Landesverband, vorgesehen.21 Das Ministerium für Soziales, Gesundheit, Familie und Gleichstellung ließ dafür 2013 eine Umfrage unter den potentiell betroffenen Berufsangehörigen durchführen. Dabei stimmte eine knappe Mehrheit der nach vorgegebenem Quotenschlüssel ausgewählten und exemplarisch befragten 1.170 Personen für die Pflegekammer.22 18 z. B. zur Fortbildung und Dokumentation. 19 Gesetz zur Errichtung einer Kammer für die Heilberufe in der Pflege, bekanntgemacht als Artikel 1 des gleichnamigen Gesetzes vom 16. Juli 2015 (GVOBl. S. 206, Gliederungs-Nr: 2122-8). 20 Gesetz über die Kammer und die Berufsgerichtsbarkeit für die Heilberufe in der Pflege (Pflegeberufekammergesetz – PBKG), bekanntgemacht als Artikel 2 des Gesetzes zur Errichtung einer Kammer für die Heilberufe in der Pflege vom 16. Juli 2015 (GVOBl. S. 206, Gliederungs-Nr: 2122-9), zuletzt geändert durch Artikel 34 des Gesetzes vom 2. Mai 2018 (GVOBl. S. 162). 21 Koalitionsvertrag (VI.2.4, Zeile 2057-2061); Begründung im Gesetzesentwurf der Landesregierung zum Gesetz zur Errichtung einer Kammer für die Heilberufe in der Pflege vom 16. Dezember 2014 (LT-Drs. 18/2569), S. 2. 22 TNS Infratest Sozialforschung GmbH, im Auftrag des Ministeriums für Soziales, Gesundheit, Familie und Gleichstellung des Landes Schleswig-Holstein, Abschlussbericht zur Meinungsumfrage zur Errichtung einer Pflegekammer in Schleswig-Holstein vom 18. Oktober 2013, abrufbar unter: https://www.schleswig-holstein .de/DE/Fachinhalte/P/pflege/Downloads/pflege_PflegeUndBegleitung_Pflegeberufekammer_abschlussbericht .pdf?__blob=publicationFile&v=1. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 - 085/18 Seite 9 Für die Gründung der Pflegeberufekammer wurde vom zuständigen Ministerium und unter Berücksichtigung der Vorschläge von Berufs- und Fachverbänden, Gewerkschaften sowie Berufsangehörigen ein Errichtungsausschuss gebildet. Der Errichtungsausschuss ermittelte die potentiellen Mitglieder der Pflegeberufekammer und organisierte die erste Wahl der Kammerversammlung .23 Die konstituierende Sitzung der Kammerversammlung fand am 21. April 2018 statt. Pflichtmitglieder der Kammer sind nach § 2 Abs. 1 PBKG S-H alle Personen, die im Besitz einer Erlaubnis zum Führen der Berufsbezeichnung Altenpflegerin oder Altenpfleger, Gesundheits- und Krankenpflegerin oder Gesundheits- und Krankenpfleger oder Gesundheits- und Kinderkrankenpflegerin oder Gesundheits- und Kinderkrankenpfleger sind oder eine vergleichbare Berufsbezeichnung führen dürfen und die einen dieser Berufe in Schleswig-Holstein ausüben. Die Pflegeberufekammer wirkt grundsätzlich bei den Aufgaben des öffentlichen Gesundheitsund Pflegewesens mit und nimmt die beruflichen und sozialen Belange der Kammermitglieder in ihrer Gesamtheit wahr, § 3 Abs. 1 Satz 1 PBKG S-H. In § 3 Abs. 1 Satz 2 PBKG S-H bestimmt das Gesetz weitere, konkrete und nicht abschließend aufgezählte Aufgaben der Kammer und ermächtigt in § 3 Abs. 3 PBKG S-H die Aufsichtsbehörde zur Ergänzung dieser Aufgaben durch Rechtsverordnung . Die Errichtung einer Ethikkommission ist der Pflegeberufekammer in § 5 PBKG S-H vorgegeben und einer Schlichtungskommission in § 6 PBKG S-H erlaubt. Die Kammer kann darüber hinaus: Satzungen erlassen, § 40 Abs. 1 Landesverwaltungsgesetz24 sowie §§ 4, 5, 9, 10, 31 PBKG S-H, Verwaltungsakte erlassen, wofür ihr in § 3 Abs. 4 PBKG S-H ausdrücklich Verwaltungsaktsbefugnis im Rahmen ihrer Aufgaben eingeräumt wurde, Zertifikate ausstellen, § 4 PBKG S-H, berufsgerichtliche Verfahren und entsprechende Ermittlungsverfahren einleiten, § 41 Abs. 3 PBKG S-H und die §§ 65 Abs. 1, 66 Abs. 1 Heilberufegesetz (HBG S-H)25, Verzeichnisse über ihre Mitglieder führen, § 7 Abs. 2 Satz 1 PBKG S-H, 23 Siehe dazu die §§ 1 ff. Kammererrichtungsgesetz S-H. 24 Allgemeines Verwaltungsgesetz für das Land Schleswig-Holstein (Landesverwaltungsgesetz - LVwG -) in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. Juni 1992 (GVOBl. S. 243, 534, Gliederungs-Nr. 20-1), zuletzt geändert durch Gesetz vom 25. September 2018 (GVOBl. S. 648). 25 Gesetz über die Kammern und die Berufsgerichtsbarkeit für die Heilberufe (Heilberufekammergesetz - HBKG) vom 29. Februar 1996 (GVOBl. S. 248, Gliederungs-Nr. 2122-6), zuletzt geändert durch Artikel 35 des Gesetzes vom 2. Mai 2018 (GVOBl. S. 162). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 - 085/18 Seite 10 Daten erheben, verarbeiten und übermitteln für die Erstellung jährlicher Statistiken und ihre anderen Aufgaben, §§ 7 Abs. 2, 3 und 4, 8 Abs. 2, 3, 5 und 6 PBKG S-H, Gebühren und Beiträge erheben, § 10 PBKG S-H. Die Pflichten der Mitglieder ergeben sich für die Berufsausübung insbesondere aus der Berufsordnung , § 31 PBKG S-H. Bereits gesetzlich werden die Mitglieder verpflichtet, ihren Beruf entsprechend dem allgemein anerkannten Stand pflegewissenschaftlicher, medizinischer und weiterer bezugswissenschaftlicher Erkenntnisse auszuüben, § 29 Abs. 1 PBKG S-H. Einzelne weitere Pflichten werden in § 30 PBKG S-H aufgezählt.26 Daneben sind die Mitglieder der Kammer zur Meldung solcher Umstände verpflichtet, die ihre Kammermitgliedschaft berühren, § 7 PBKG S-H. Schließlich finanzieren die Mitglieder die Pflegeberufekammer durch Beiträge, § 10 Abs. 1 PBKG S-H. 2.3. Dritte Pflegekammer in Deutschland: Niedersachsen In Niedersachsen wurde mit § 1 Kammergesetz für die Heilberufe in der Pflege (PflegeKG Nds)27 die Errichtung einer Landespflegekammer, gemäß § 1 Abs. 2 Satz 1 PflegeKG Nds als Körperschaft des öffentlichen Rechts, beschlossen. Über die Errichtung einer Pflegekammer wurde in Niedersachsen durch die Infratest dimap Gesellschaft für Trend- und Wahlforschung mbH eine Umfrage durchgeführt.28 Von den 1.039 im Quoten-Auswahlverfahren befragten potentiellen Mitgliedern einer solchen Kammer stimmten 67 Prozent für die Errichtung einer Pflegekammer, jedoch nur 42 Prozent für das Einführen der Pflichtmitgliedschaft. Für die Gründung wurde vom zuständigen Ministerium ein Errichtungsausschuss gebildet, der, auch unter Berücksichtigung von Vorschlägen der Berufs- und Fachverbände der Pflegeberufe, mit Angehörigen der späteren Kammermitglieder besetzt wurde, § 39 PflegeKG Nds. Dieser Errichtungsausschuss erließ die ersten Ordnungen der Kammer, erstellte ein Wählerverzeichnis mit den Angaben zu den Kammermitgliedern und organisierte die erste Wahl der Kammerversammlung , §§ 40 ff. PflegeKG Nds. Die konstituierende Kammerversammlung fand am 8. August 2018 statt. 26 Z. B. Fortbildung, Dokumentation und Verschwiegenheit. 27 Kammergesetz für die Heilberufe in der Pflege (PflegeKG) vom 14. Dezember 2016 (Nds. GVBl. S. 261, Gliederungs -Nr. 83000). 28 Infratest dimap - Gesellschaft für Trend- und Wahlforschung mbH, Evaluationsstudie „Pflegekammer Niedersachsen “ im Auftrag des Niedersächsischen Ministeriums für Soziales, Frauen, Familie, Gesundheit und Integration vom 12. Januar 2013, abrufbar unter: http://www.ms.niedersachsen.de/startseite/themen/soziales/pflegeversicherung /pflegekammer/pflegekammer-niedersachsen-110014.html. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 - 085/18 Seite 11 Zu den Pflichtmitgliedern der Pflegekammer gehört nach § 2 Abs. 1 PflegeKG Nds, wer die Erlaubnis hat, die Berufsbezeichnung Altenpflegerin oder Altenpfleger, Gesundheits- und Krankenpflegerin oder Gesundheits- und Krankenpfleger oder Gesundheits- und Kinderkrankenpflegerin oder Gesundheits- und Kinderkrankenpfleger zu führen, und diesen Beruf in Niedersachsen ausübt. Zu den in § 9 Abs. 1 PflegeKG Nds aufgezählten Aufgaben der Kammer gehört es, den öffentlichen Gesundheitsdienst bei der Erfüllung seiner Aufgaben zu unterstützen und im Einklang mit den Interessen der Allgemeinheit gemeinsame berufliche Belange der Kammermitglieder wahrzunehmen . Durch Rechtsverordnung der Landesregierung können der Kammer nach § 11 Satz 1 PflegeKG Nds weitere Aufgaben übertragen werden. Die Kammer errichtet gemäß § 10 PflegeKG Nds eine Ethikkommission. Die Kammer kann darüber hinaus: Satzungen erlassen, siehe §§ 6 und 15 PflegeKG Nds, Berufsvergehen in einem Rügeverfahren ahnden, § 26 PflegeKG Nds, ein Verzeichnis ihrer Mitglieder führen, vgl. § 36 Abs. 1 PflegeKG Nds, Daten erheben, verarbeiten und übermitteln, §§ 5, 36 und 42 PflegeKG Nds, Beiträge und Gebühren erheben, § 8 PflegeKG Nds. Die Berufspflichten der Mitglieder ergeben sich aus den §§ 24 f. PflegeKG Nds und der Berufsordnung . Im Grundsatz gilt die Pflicht aus § 24 Satz 1 PflegeKG Nds, den Beruf gewissenhaft auszuüben . Die Mitglieder müssen der Kammer Umstände mitteilen, die für ihre Mitgliedschaft von Bedeutung sind und jene Auskünfte erteilen, die für die Aufgabenerfüllung der Kammer notwendig sind, § 5 PflegeKG Nds. Schließlich müssen die Mitglieder nach § 8 Abs. 1 Satz 1 PflegeKG Nds die Kammer durch ihre Beiträge finanzieren. 2.4. Sonderfall: Vereinigung der Pflegenden in Bayern Eine den Pflegekammern in Rheinland-Pfalz, Scheswig-Holstein und Niedersachsen vergleichbare Kammer besteht in Bayern nicht. Im Jahr 2013 wurde dort eine Umfrage durchgeführt, bei der die per Zufallsstichprobe ausgewählten 1.118 Befragten sich zu 50 Prozent für die Errichtung Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 - 085/18 Seite 12 einer Pflegekammer aussprachen, zugleich in der Mehrheit aber die Pflichtmitgliedschaft und den Mitgliedsbeitrag als Ablehnungsgründe gegen die Errichtung ansahen.29 2017 verabschiedete Bayern das Pflegendenvereinigungsgesetz (PfleVG Bay)30 durch das die sogenannte „Vereinigung der Pflegenden in Bayern“ gegründet wurde, die zwar als selbstverwaltende Körperschaft des öffentlichen Rechts organisiert ist, deren Mitgliedschaften jedoch freiwillig sind, § 1 Abs. 1 und 2 Satz 1 PfleVG Bay. Mit dieser Gestaltung trug die Landesregierung den Umfrageergebnissen Rechnung.31 Dementsprechend wird die Finanzierung der Vereinigung auch nicht durch Mitgliedsbeiträge, sondern gemäß Artikel 6 Abs. 1 PflegeVG Bay durch den Staatshaushalt sichergestellt. Zur Errichtung wurde durch das zuständige Staatsministerium ein Gründungsausschuss gebildet, für dessen Besetzung auch die Vorschläge der, für die einschlägigen Pflegeberufe tätigen Berufsverbände und Vereinigungen berücksichtigt wurden, Artikel 7 PflegeVG Bay. Dieser Ausschuss beruft anschließend und spätestens zwölf Monate nach seiner Bestellung die erste Mitgliederversammlung ein. Die Vereinigung wird gemäß Artikel 2 Abs. 1 Satz 1 PflegeVG Bay ebenfalls im Bereich der Rechtsetzung , der Erhebung von Daten und dem Aufstellen von Statistiken, der Begutachtung und Benennung von Sachverständigen und der Beratung ihrer Mitglieder tätig. Die Vereinigung selbst erlässt jedoch keine Berufsordnung und auch keine Weiterbildungsordnung. Sie ist allein für die Überwachung dieser durch Rechtsverordnung32 des Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege erlassbaren Ordnungen zuständig, Artikel 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 PflegeVG Bay. Bisher sind solche Ordnungen noch nicht erlassen worden. 2.5. Sonderfall: Arbeitskammer im Saarland Auch im Saarland wurde keine Pflegekammer gegründet. Dort existiert jedoch eine sogenannte Arbeitskammer, bei der alle Arbeitnehmer Pflichtmitglieder sind. Die Arbeitskammer geht auf 29 Den Teilbereich der quantitativen Umfrage betreffend: TNS Infratest Sozialforschung GmbH, im Auftrag der Hochschule München die diese Umfrage im Auftrag des Bayerischen Staatsministeriums für Umwelt und Gesundheit und des Bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege erstellte, Bayerische Pflegekräftebefragung Abschlussbericht, München November 2013, https://www.hm.edu/allgemein/aktuelles /news/newsdetail_81537.de.html. 30 Gesetz zur Errichtung einer Vereinigung der Pflegenden in Bayern (Pflegendenvereinigungsgesetz – PfleVG) vom 24. April 2017 (GVBl. S. 78, BayRS 2124-2-G). 31 Begründung des Gesetzentwurfes der Staatsregierung zur Errichtung einer Vereinigung der bayerischen Pflege vom 11. Oktober 2016 (LT-Drs. 17/13226), S. 1 f. 32 Eine gesetzliche Verordnungsermächtigung für das Staatsministerium für Gesundheit und Pflege liegt vor: Artikel 34 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 lit. a des Gesetzes über den öffentlichen Gesundheits- und Veterinärdienst, die Ernährung und den Verbraucherschutz sowie die Lebensmittelüberwachung (Gesundheitsdienst- und Verbraucherschutzgesetz – GDVG) vom 24. Juli 2003 (GVBl. S. 452, ber. S. 752, BayRS 2120-1-U/G), zuletzt geändert durch Artikel 39b Abssatz 7 des Gesetzes vom 15. Mai 2018 (GVBl. S. 230). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 - 085/18 Seite 13 Entwicklungen ab 1925 zurück und wird derzeit durch das Gesetz Nr. 1290 über die Arbeitskammer des Saarlands33 geregelt.34 Bei dieser Arbeitskammer besteht ein Referat „Pflege“, das sich vergleichbar einer Pflegekammer mit den Angelegenheiten der Pflegeberufe beschäftigt.35 Das Referat berät die in der Pflege tätigen Mitglieder, nimmt an der Rechtsetzung teil, engagiert sich in der Öffentlichkeitsarbeit und organisiert Fort- und Weiterbildungsveranstaltungen. Satzungen zu Berufsausübungspflichten, wie Berufs- und Weiterbildungsordnungen erlässt die Arbeitskammer nicht. 2.6. Sonderfall: Arbeitnehmerkammer in Bremen Ein vergleichbarer Sonderfall findet sich im Bundesland Bremen, in dem eine Arbeitnehmerkammer besteht, deren historische Grundlage bereits 1921 zu finden ist.36 Bei der auf dem Gesetz über die Arbeitnehmerkammer im Lande Bremen37 beruhenden Körperschaft des öffentlichen Rechts sind alle Arbeitnehmer sowie die zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten Pflichtmitglieder . Ob neben dieser Kammer auch eine Pflegekammer eingerichtet werden soll, ist derzeit politisch noch nicht beantwortet. Vor der Errichtung einer Pflegekammer sollen aktuell die Erfahrungen in den anderen Bundesländern abgewartet werden.38 33 Gesetz Nr. 1290 über die Arbeitskammer des Saarlandes vom 8. April 1992 (Amtsbl. S. 590, Gliederungs-Nr. 700-3), zuletzt geändert durch das Gesetz vom 15. Februar 2006 (Amtsbl. S. 474, 530). 34 Zur historischen Entwicklung und verfassungsrechtlichen Zulässigkeit siehe: BVerfG, Beschluss vom 18. Dezember 1974 – 1 BvR 430/65, BVerfGE 38, S. 281-312. 35 Siehe hierzu den entsprechenden Online-Auftritt auf der Internet-Präsenz der Arbeitskammer: https://www.arbeitskammer .de/ak-themenportale/pflege/ak-referat-pflege.html. 36 Zur historischen Entwicklung und verfassungsrechtlichen Zulässigkeit siehe: BVerfG, Beschluss vom 18. Dezember 1974 – 1 BvR 430/65, BVerfGE 38, S. 281-312. 37 Gesetz über die Arbeitnehmerkammer im Lande Bremen vom 28. März 2000 (Brem.GBl. S. 83, Gliederungs-Nr. 70-c-1), zuletzt geändert durch Geschäftsverteilung des Senats vom 05.07.2011 und 13.12.2011 (Brem.GBl. 2012 S. 24). 38 So Senatorin Stahmann, Plenarprotokoll der 66. Sitzung der Bremischen Bürgerschaft – Landtag vom 21. Juni 2018 (LT-Drs. 19/66), S. 5388 ff. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 - 085/18 Seite 14 2.7. Stand der Diskussion in den anderen Bundesländern In Baden-Württemberg wurde 2018 durch die Kantar Public - Kantar Deutschland GmbH eine Umfrage durchgeführt. Dabei wurden durch Zufallsstichprobe 2.699 potentielle Kammermitglieder befragt, wovon 68 Prozent die Errichtung einer Pflegekammer befürworteten.39 Ein Gesetzesentwurf des Ministeriums wurde bis Ende 2018 angekündigt.40 In Berlin wurden in einer Umfrage von August 2014 bis August 2015 ausgewiesene Experten zu den Argumenten für und gegen eine Pflegekammer und durch Stichproben ausgewählte potentielle Kammer-Mitglieder zu ihrer Einstellung zur Errichtung einer Pflegekammer parallel befragt. Von den durch Stichproben befragten 1.196 Personen sprachen sich 58,8 Prozent für die Errichtung einer Pflegekammer aus.41 Eine zusätzliche Umfrage unter den Auszubildenden fand zwischen Juni und August 2015 statt. Dabei wurden 731 Personen befragt, die sich zu 59,1 Prozent für die Errichtung einer Pflegekammer aussprachen.42 Seit 2017 befindet sich ein Gesetzesentwurf der CDU zur Errichtung einer Pflegekammer im Gesetzgebungsverfahren, überwiesen an den Ausschuss für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung.43 In Brandenburg sollten durch das Forschungsinstitut Psyma Health & CARE ab Mai 2018 ca. 2.000 Pflegefachkräfte zur Errichtung einer Pflegekammer befragt werden.44 Das Ergebnis dieser Befragung steht noch aus. 39 Kantar Public - Kantar Deutschland GmbH, Abschlussbericht zur Pflegekräftebefragung in Baden-Württemberg im Auftrag für das Ministerium für Soziales und Integration Baden-Württemberg, München Juli 2018, abrufbar unter: https://sozialministerium.baden-wuerttemberg.de/fileadmin/redaktion/m-sm/intern/downloads/Downloads _Gesundheits-_Pflegeberufe/Pflegekammer-Hauptbericht_kantar_24-07-2018.pdf. 40 So berichtet in: Landtag von Baden-Württemberg, Sozialausschuss lehnt Gesetzentwurf zur Änderung des Wohn-, Teilhabe- und Pflegegesetzes ab, 20. September 2018, abrufbar unter: https://www.landtagbw .de/home/aktuelles/pressemitteilungen/2018/september/972018.html. 41 Alice Salomon Hochschule Berlin, Abschlussbericht der Studie zur Akzeptanz einer Pflegekammer im Land Berlin im Auftrag der Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales Berlin von September 2015, abrufbar unter : https://www.ash-berlin.eu/forschung/forschungsprojekte-a-z/kammer-studie/. 42 Alice Salomon Hochschule Berlin, Abschlussbericht der Online-Befragung der Schülerinnen und Schüler der Kranken- und Altenpflegeschulen zur Akzeptanz einer Pflegekammer im Land Berlin im Auftrag der Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales Berlin von September 2015, abrufbar ebenfalls unter: https://www.ashberlin .eu/forschung/forschungsprojekte-a-z/kammer-studie/. 43 Entwurf der Fraktion CDU eines Gesetzes über die Errichtung einer Pflegekammer Berlin vom 21. März 2017 (LT-Drs. 18/0213). 44 So durch das Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie angekündigt, abrufbar unter: https://masgf.brandenburg.de/cms/detail.php/bb1.c.593412.de und https://www.dialog-pflegekammer.de/dialog -pflegekammer.html. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 - 085/18 Seite 15 In Hamburg stimmten nur 36 Prozent der 1.103 zwischen 2013 und 2014 durch die Info GmbH durch repräsentative Zufallsauswahl befragten, potentiellen Kammermitglieder für die Errichtung einer Pflegekammer.45 Eine Pflegekammer wurde nicht eingerichtet. In Hessen sollten zwischen Juni und August 2018 der Großteil der Pflegenden im Bundesland durch das Hessische Statistische Landesamt zur Errichtung einer Pflegekammer befragt werden.46 In einer ersten Pressemitteilung gab das Hessische Ministerium für Soziales und Integration bekannt , dass bei der Umfrage 51,1 Prozent der Befragten gegen und 42,9 Prozent für eine Pflegekammer stimmten.47 In Mecklenburg-Vorpommern wurden 2014 im Rahmen verschiedener Untersuchungen zur Erstellung eines Sozialberichtes die Antworten aus 752 von Beschäftigten aus dem Bereich Pflege ausgefüllten Fragebögen ausgewertet.48 Die Beschäftigen wurden durch Zufallsstichproben ausgewählt und entschieden sich zu 73 Prozent für die Errichtung einer Pflegekammer. Eine Landespflegekammer existiert derzeit nicht. In Nordrhein-Westfalen wurde das Meinungsforschungsinstitut INFO GmbH mit der Befragung der potentiellen Kammermitglieder beauftragt. Die Umfrage sollte nach einer Informationskampagne im Oktober 2018 unter 1.500 durch Stichprobe ermittelten Personen durchgeführt werden. Das Ergebnis soll im ersten Quartal 2019 dem Ausschuss für Arbeit, Gesundheit und Soziales mitgeteilt werden.49 45 Info GmbH, Ergebnisse einer repräsentativen Befragung zur Errichtung einer Pflegekammer in Hamburg im Auftrag der Behörde für Gesundheit und Verbraucherschutz der Freien und Hansestadt Hamburg, Januar 2014, abrufbar unter: https://www.hamburg.de/berufe-im-gesundheitswesen/4126426/pflegekammer-befragung-infoflyer /. 46 So zu finden auf dem Online-Auftritt der Zeitschrift Pflegewissenschaft: Landespflegerat Hessen, Befragung zur Pflegekammer in Hessen – Einlösung des Versprechens der schwarz-grünen Koalition?, https://www.pflegewissenschaft .info/widerrufsrecht/78-pflegejournal/nachrichten/7672-befragung-zur-pflegekammer-in-hessen. 47 Hessisches Ministerium für Soziales und Integration, Hessische Pflegefachkräfte haben über die Einrichtung einer Pflegekammer abgestimmt, vom 16. November 2018, abrufbar unter: https://soziales.hessen .de/presse/pressemitteilung/hessische-pflegefachkraefte-haben-ueber-die-einrichtung-einer-pflegekammerabgestimmt . 48 Zentrum für Sozialforschung Halle e.V. an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Sozialberichterstattung zur Situation der Pflegeberufe in Mecklenburg-Vorpommern im Auftrag des Ministeriums für Arbeit, Gleichstellung und Soziales des Landes Mecklenburg-Vorpommern, September 2015, S. 18 f., 125, abrufbar unter : https://www.regierung-mv.de/Landesregierung/sm/Soziales/?id=10396&processor=veroeff. 49 Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen, Bericht des Ministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales zur Information und Befragung der professionell Pflegenden hinsichtlich einer Interessenvertretung vom 17. September 2018 (LT-Drs. 17/115), Anlage 1 S. 2. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 - 085/18 Seite 16 In Sachsen wurde zwischen 2010 und 2011 eine Querschnittsstudie zu dem Thema erstellt und 2.582 Pflegekräfte befragt, von denen 69,8 Prozent für die Errichtung einer Pflegekammer stimmten .50 Eine Pflegekammer existiert in Sachsen derzeit nicht. In Sachsen-Anhalt und in Thüringen existieren keine Landespflegekammern und es wurden auch keine entsprechenden Umfragen durchgeführt. 3. Diskussion um die Errichtung einer Bundespflegekammer Nach Artikel 70 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG)51 haben grundsätzlich die Länder das Recht der Gesetzgebung, soweit das Grundgesetz nicht dem Bund Gesetzgebungsbefugnisse verleiht oder soweit der Bund im Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung nicht von seiner Zuständigkeit Gebrauch gemacht hat. Zu den Gebieten der konkurrierenden Gesetzgebung gehört die Zulassung zu ärztlichen und anderen Heilberufen (Art. 74 Abs. 1 Nr. 19 GG);52 die Gesetzgebungskompetenz für die Berufsausübung von Pflegeberufen liegt dagegen bei den Ländern. Die Gründung einer Bundespflegekammer in Form einer selbstverwaltenden Körperschaft des öffentlichen Rechts ist also aufgrund dieser Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern ausgeschlossen. Den Landespflegekammern bleibt es aber unbenommen, sich für ihre Aufgabenerfüllung zusammenzuschließen und – analog zur „Bundesärztekammer“ – eine „Bundespflegekammer “ als privatrechtliche Vereinigung zu gründen.53 Tatsächlich wurde bereits ein erster Schritt zur Gründung einer Bundespflegekammer von der Landespflegekammer Rheinland-Pfalz und dem Deutschen Pflegerat e.V. unternommen, die Einrichtung einer sogenannten Gründungskonferenz. Aufgabe dieses Zusammenschlusses soll es sein, über die Errichtung, Struktur, Finanzierung und Ausrichtung einer Bundespflegekammer zu diskutieren und Vorschläge zu entwickeln.54 50 Zusammengefasst zu finden unter: Spielbauer, Ergebnisse der Basisbefragung zur Errichtung eine Pflegekammer in Sachsen, 2011, abrufbar unter: https://www.pflegerat-sachsen.de/ (dort am unteren Ende der Startseite). 51 Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland (GG) in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 100-1, veröffentlichten bereinigten Fassung, zuletzt geändert durch Artikel 1 des Gesetzes vom 13. Juli 2017 (BGBl. I S. 2347). 52 Schwinger, Pflegekammer - Fortschritt oder neue Bürokratie? : Ein Blick nach Großbritannien und Schweden, in: Gesundheits- und Sozialpolitik : Zeitschrift für das gesamte Gesundheitswesen 70 (2016), Heft 1, S. 44 (45). 53 Zur Vereinigungsmöglichkeit für Körperschaften des öffentlichen Rechts: für die Bundesärztekammer OVG Münster, Urteil vom 26. September 1974 - XIII A 271/73, NJW 1975, S. 1475 (1476); für die Arbeitsgemeinschaft hessischer Industrie- und Handelskammern BVerwG, Urteil vom 23. Juni 2010 – 8 C 20/09, BVerwGE 137, S. 171 (173). Eine Bundesvereinigung als eingetragenen Verein haben die Landeszahnärztekammern und Landestierärztekammern und als nicht eingetragenen Verein die Landesärztekammern und Landespsychotherapeutenkammern gegründet. Eine Übersicht dazu ist zu finden bei: Jendrsczok/Raiß, Die Bundespflegekammer, Hannover 2017, S. 86 ff. 54 Siehe dazu den Onlineauftritt dieser Gründungskonferenz unter: http://bundespflegekammer.de/index .php/startseite.html. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 - 085/18 Seite 17 Über die Art der Zusammenarbeit zwischen den Landespflegekammern wird aber auch unabhängig von dieser Gründungskonferenz diskutiert. In institutionalisierter Form wird die Bundespflegekammer als nicht eingetragener55 und alternativ als eingetragener Verein56 vorgezeichnet. Daneben wird auch die Möglichkeit einer bloßen Zusammenarbeit der einzelnen Kammern ohne organisatorische Verselbstständigung erwogen.57 Durch den begrenzten Handlungsspielraum ihrer Mitglieder wären auch die Aufgaben einer Bundespflegekammer begrenzt. Maßgeblich blieben die Vereinheitlichung der Berufspflichten sowie die stärkere Teilnahme am politischen Willensbildungsprozess .58 3.1. Parallele Betrachtung der Bundesärztekammer Für die Errichtung einer Bundespflegekammer wird, wie bereits erwähnt, häufig der Vergleich mit der Bundesärztekammer angestellt.59 Die Bundesärztekammer entstand aus dem Zusammenschluss der einzelnen Landesärztekammern, zuerst 1947 durch Gründung einer Arbeitsgemeinschaft der Westdeutschen Ärztekammern und anschließend 1991 durch Beteiligung aller deutschen Ärztekammern.60 Die Bundesärztekammer ist ein nicht eingetragener Verein, dessen Mitglieder die Landesärztekammern, also Körperschaften des öffentlichen Rechts, sind.61 Die Bundesärztekammer führt ihre Aufgaben auf ihre Mitglieder, die Landesärztekammern, zurück . Dasselbe gilt grundsätzlich für ihre Kompetenzen, wobei insbesondere die Satzungskompetenzen der Landesärztekammern auf ihrem Recht zur Selbstverwaltung beruhen und nicht auf den Bundesverein übertragen werden können.62 Damit stehen der Bundesärztekammer weniger 55 So auch: Hanika, Ihre erfolgreichen Pflegekammern in Deutschland und Europa, Berlin 2015, S. 155. 56 So von: Jendrsczok/Raiß, Die Bundespflegekammer, Hannover 2017, S. 102. 57 Schwinger, Pflegekammer - Fortschritt oder neue Bürokratie? : Ein Blick nach Großbritannien und Schweden, in: Gesundheits- und Sozialpolitik : Zeitschrift für das gesamte Gesundheitswesen 70 (2016), Heft 1, S. 44 (48). 58 Hanika, Ihre erfolgreichen Pflegekammern in Deutschland und Europa, Berlin 2015, S. 156 f. 59 Schwinger, Die Pflegekammer: Eine Interessenvertretung für die Pflege?, in: Jacobs/Kuhlmey u. a. (Hrsg.), Pflege-Report 2016, Stuttgart 2016, S. 109 (122). 60 Zur Geschichte im Überblick: die eigene Zusammenfassung auf dem Online-Auftritt der Bundesärztekammer unter https://www.bundesaerztekammer.de/ueber-uns/geschichte-der-baek/. Zur Geschichte vertiefend: Berger, Die Bundesärztekammer, Baden-Baden 2005, S. 36 ff. 61 Scholz/Middel, in: Spickhoff (Hrsg.), Medizinrecht, 3. Auflage, München 2018, TPG § 16 Rn. 2; Laufs, in: Laufs/Kern, Handbuch des Arztrechts, 4. Auflage, München 2010, § 13 Rn. 13; Berger, Die Bundesärztekammer, Baden-Baden 2005, S. 45 f. 62 Satzungskompetenz kann nur juristischen Personen des öffentlichen Rechts eingeräumt werden (vgl. BVerfG, Urteil vom 14. Juli 1959 – 2 BvF 1/58 –, BVerfGE 10, S. 20 (49 f.); BVerfG, Beschluss vom 9. Mai 1972 – 1 BvR 518/62, BVerfGE 33, S. 125 (156 f.). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 - 085/18 Seite 18 Kompetenzen zur Verfügung als den Landesärztekammern. In der Folge erlässt die Bundesärztekammer lediglich Muster-Berufsordnungen und Muster-Weiterbildungsordnungen, über deren Bindung die Landesärztekammern selbstständig entscheiden.63 Der Bundesärztekammer sind durch Bundesgesetze jedoch weitere Kompetenzen eingeräumt worden. An vielen Stellen sind Rechte auf Beteiligung64, Stellungnahme und Anhörung zugunsten der Bundesärztekammer vorgesehen, zum Beispiel gegenüber dem Gemeinsamen Bundesausschuss nach den §§ 91 Abs. 5, 136 Abs. 3, 136b Abs. 1 Satz 2, 137a Abs. 7, 137d Abs. 4 Satz 2 Solzialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V)65. Umstritten ist, ob die Bundesärztekammer faktisch zur Rechtsetzung fähig und ermächtigt ist. Die gesetzgeberische Technik nutzt Verweise auf bestehende Richtlinien der Bundesärztekammer (z.B. § 9 Abs. 1 Medizinprodukte-Vertreiberverordnung66) oder ermächtigt diese zum Erlass entsprechender Richtlinien (z.B. § 18 Abs. 1 und 2 Transfusionsgesetz67). Zu den vom Gesetzgeber erteilten Kompetenzen der Bundesärztekammer gehört auch § 16 Abs. 1 Transplantationsgesetz (TPG)68. Diese Vorschrift beauftragt die Bundesärztekammer, in Richtlinien den Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse z. B. für die Feststellung des Todes und die Regeln zur Organvermittlung festzustellen. Diesen Richtlinien kommt gemäß § 16 Abs. 1 Satz 2 TPG Vermutungswirkung zu. Daher herrscht Streit, ob es sich bei den Richtlinien um nicht bindende Sachverständigeneinschätzungen oder um bindende Normen handelt, deren verfassungsrechtliche Zulässigkeit wiederum umstritten ist.69 63 Berger, Die Bundesärztekammer, Baden-Baden 2005, S. 71. 64 Die Beteiligung der Bundesärztekammer in § 136 SGB V erfordert nicht ihre Zustimmung zum Ergebnis (Becker, in: Becker/Kingreen (Hrsg.), SGB V, Gesetzliche Krankenversicherung, 6. Auflage, München 2018, § 136 Rn. 12. 65 Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Krankenversicherung – Artikel 1 des Gesetzes vom 20. Dezember 1988 (BGBl. I S. 2477, 2482), zuletzt geändert durch Artikel 4 des Gesetzes vom 17. August 2017 (BGBl. I S. 3214). 66 Verordnung über das Errichten, Betreiben und Anwenden von Medizinprodukten (Medizinprodukte-Betreiberverordnung - MPBetreibV) in der Fassung der Bekanntmachung vom 21. August 2002 (BGBl. I S. 3396), zuletzt geändert durch Artikel 4 der Verordnung vom 7. Juli 2017 (BGBl. I S. 2842). 67 Gesetz zur Regelung des Transfusionswesens (Transfusionsgesetz - TFG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 28. August 2007 (BGBl. I S. 2169), zuletzt geändert durch Artikel 3 des Gesetzes vom 18. Juli 2017 (BGBl. I S. 2757). 68 Gesetz über die Spende, Entnahme und Übertragung von Organen und Geweben (Transplantationsgesetz - TPG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 4. September 2007 (BGBl. I S. 2206), zuletzt geändert durch Artikel 2 des Gesetzes vom 18. Juli 2017 (BGBl. I S. 2757). 69 Siehe dazu: Wissenschaftliche Dienste des Bundestages, Ermächtigung der Bundesärztekammer zum Erlass von Richtlinien gemäß § 16 Abs. 1 Transplantationsgesetz vom 19. Juni 2014 (WD 3 – 3000 – 094/14), S. 9 ff., abrufbar unter: https://www.bundestag.de/blob/422404/b5fe73334e6cc00e74915a46f6c8bb6f/wd-3-094-14-pdfdata .pdf; aktuell auch: BGH, Urteil vom 28.6.2017 – 5 StR 20/16, NJW 2017, S. 3249 (3251): Hier werden die Richtlinien als „Form exekutiver Rechtsetzung“ qualifiziert. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 - 085/18 Seite 19 Umstritten ist, ob eine Delegation der Rechtsetzungsbefugnisse auf die Bundesärztekammer mit Art. 80 Abs. 1 GG im Einklang steht, demgemäß nur die Bundesregierung, ein Bundesminister oder die Landesregierungen durch Gesetz ermächtigt werden dürfen, Rechtsverordnungen zu erlassen . Die Definition von Rechtsverordnungen ist allerdings umstritten,70 sodass Art. 80 GG hier nicht eindeutig anwendbar ist. Ein zweiter Ansatz der Kritik stellt auf das Demokratieprinzip aus Art. 20 Abs. 1 und 2 Satz 1 GG ab, nach dem geltendes Recht durch den Willen des Volkes legitimiert sein muss. Da die Richtlinien gemäß § 16 Abs. 3 Satz 1 TPG durch das Bundesministerium für Gesundheit genehmigt werden müssen, wird der Ausgleich dieses grundsätzlichen Legitimationsdefizits angenommen. Schließlich findet sich auch Kritik an der inhaltlichen Offenheit der gesetzgeberischen Ermächtigung zum Richtlinienerlass. Dem wird entgegen gehalten, dass die Entscheidung in medizinischen Fragen bei der ärztlichen Behandlung im Detail bei dem Arzt liege und die Richtlinie nicht mehr als den Konsens aller Ärzte darstelle.71 3.2. Regelungsbedarf bei Errichtung einer Bundespflegekammer Die Gründung einer Bundespflegekammer durch die Landespflegekammern bedarf keiner gesonderten gesetzlichen Ermächtigung. Unabhängig davon finden sich trotzdem solche Ermächtigungen in den gesetzlichen Grundlagen der bisher geschaffenen Landespflegekammern und der Vereinigung der Pflegenden in Bayern: für Rheinland-Pfalz in § 3 Abs. 9 HeilBG R-P, für Schleswig-Holstein in § 3 Abs. 5 PBKG S-H, für Niedersachsen in § 9 Abs. 2 PflegeKG Nds und für Bayern in Artikel 2 Abs. 3 PflegeVG Bay. Gesetzgeberisches Tätigwerden auf Bundesebene ist nur dann notwendig, wenn eine Einbindung der Bundespflegekammer vergleichbar mit der Bundesärztekammer gewollt ist. Dabei wäre zu berücksichtigen , dass bereits an diversen Stellen in den verschiedenen Büchern des Sozialgesetzbuches die Beteiligung von Verbänden oder Berufsorganisationen der Pflegeberufe auf Bundesebene vorgesehen ist. Eine gesetzliche Definition dieser Begriffe besteht nicht. Der Begriff „Verbände“ wird im SGB V für öffentlich-rechtliche, aber auch zivilrechtliche Vereinigungen benutzt.72 Eine Bundespflegekammer könnte daher als ein solcher Verband, aber auch als Berufsorganisation verstanden werden. Rechte zur Anhörung, Stellungnahme oder Beteiligung werden den Verbänden und Berufsorganisationen der Pflegeberufe auf Bundesebene an den nachfolgend aufgeführten Stellen im SGB V und Sozialgesetzbuch Elftes Buch (SGB XI)73 eingeräumt: § 63 Abs. 3c Satz 4 SGB V: Den Verbänden ist vor der Entscheidung des Gemeinsamen Bundesausschusses zu den Heilkundetätigkeiten, die im Rahmen von Modellvorhaben auf 70 Uhle, in: Epping/Hillgruber, Beck OK Grundgesetz, 38. Edition, München 2018, Artikel 80 Rn. 1 f. 71 Scholz/Middel, in: Spickhoff (Hrsg.), Medizinrecht, 3. Auflage, München 2018, TPG § 16 Rn. 3f. 72 Vgl. dazu die §§ 207 Abs. 1 Satz 2 und 20e Abs. 1 Satz 2 SGB V für die Landesverbände der Krankenkassen als öffentlich-rechtliche Körperschaften und für den Verband der Privaten Krankenversicherung als e.V. 73 Sozialgesetzbuch (SGB) - Elftes Buch (XI) - Soziale Pflegeversicherung – Artikel 1 des Gesetzes vom 26. Mai 1994 (BGBl. I S. 1014, 1015), zuletzt geändert durch Artikel 9 des Gesetzes vom 18. Juli 2017 (BGBl. I S. 2757). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 - 085/18 Seite 20 die Angehörigen bestimmter Pflegeberufe übertragen werden können, Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. § 119b Abs. 2 SGB V: Vereinbarungen zu Anforderungen an eine kooperative und koordinierte ärztliche und pflegerische Versorgung von pflegebedürftigen Versicherten in stationären Pflegeeinrichtungen werden im Benehmen mit den Verbänden geschlossen. § 132g Abs. 3 Satz 2 SGB V: Den Verbänden ist bei Vereinbarungen zu Inhalt und Anforderungen der Versorgungsplanung nach § 132g Abs. 1 und 2 SGB V, Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. § 136 Abs. 3 Halbsatz 1 SGB V: Berufsorganisationen der Pflegeberufe sind bei Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses zur Qualitätssicherung zu beteiligen. § 136b Abs. 1 Satz 3 SGB V: Berufsorganisationen der Pflegeberufe sind bei Beschlüssen des Gemeinsamen Bundesausschusses nach § 136b Abs. 1 Satz 1 SGB V zur Qualitätssicherung im Krankenhaus zu beteiligen. § 137a Abs. 7 Nr. 6 SGB V: Berufsorganisationen der Krankenpflegeberufe sind bei der Entwicklung von Maßnahmen zur Qualitätssicherung und zur Darstellung der Versorgungsqualität im Gesundheitswesen nach § 137a Abs. 3 SGB V zu beteiligen. § 17 Abs. 1 Satz 2 SGB XI: Die Verbände sind bei Richtlinien des Spitzenverbandes Bund der Pflegekassen zur pflegefachlichen Konkretisierung der Inhalte des Begutachtungsinstruments nach § 15 sowie zum Verfahren der Feststellung der Pflegebedürftigkeit nach § 18 zu beteiligen. § 17 Abs. 1a Satz 3 SGB XI: Den Verbänden ist bei der Erstellung der Pflegeberatungs- Richtlinien Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. § 53c Satz 2 SGB XI: Die Verbände sind bei der Erstellung von Richtlinien zur Qualifikation und zu den Aufgaben zusätzlicher Betreuungskräfte in stationären Pflegeeinrichtungen anzuhören. § 75 Abs. 6 Satz 2 SGB XI: Mit den Verbänden muss bei der Erstellung von Empfehlungen zum Inhalt der Rahmenverträge nach § 75 Abs. 1 SGB XI eng zusammengearbeitet werden. § 78 Abs. 2 Satz 4 SGB XI: Die Verbände sind vor Erstellung und Fortschreibung des Pflegehilfsmittelverzeichnisses anzuhören. § 113 Abs. 1 Satz 1 SGB XI: Die Verbände sind an Vereinbarungen zu Maßstäben und Grundsätzen für die Qualität, Qualitätssicherung und Qualitätsdarstellung in der ambulanten und stationären Pflege sowie für die Entwicklung eines einrichtungsinternen Qualitätsmanagements zu beteiligen. § 113a Abs. 1 Satz 4 SGB XI: Die Verbände sind bei der Entwicklung und Aktualisierung wissenschaftlich fundierter und fachlich abgestimmter Expertenstandards zur Sicherung und Weiterentwicklung der Qualität in der Pflege zu beteiligen. § 113b Abs. 2 Satz 5 SGB XI: Ein Vertreter der Verbände (ohne Begrenzung auf die Bundesebene ) soll Mitglied im Qualitätsausschuss gemäß § 113b SGB XI sein. § 113b Abs. 7 Satz 1 SGB XI: Das Nähere zur Arbeitsweise des Qualitätsausschusses ist u. a. mit den Verbänden zu vereinbaren. § 113c Abs. 2 Satz 1 SGB XI: Die Verbände wirken beratend bei der Sicherstellung der Entwicklung und Erprobung eines wissenschaftlich fundierten Verfahrens zur einheitlichen Bemessung des Personalbedarfs in Pflegeeinrichtungen nach qualitativen und quantitativen Maßstäben mit. § 114a Abs. 7 Satz 6 SGB XI: Die Verbände sind bei der Erstellung von Richtlinien über die Durchführung der Prüfung der in Pflegeeinrichtungen erbrachten Leistungen und deren Qualität nach § 114 sowohl für den ambulanten als auch für den stationären Bereich zu beteiligen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 - 085/18 Seite 21 § 115 Abs. 1a Satz 10 SGB XI: Die Verbände sind an Qualitätsdarstellungsvereinbarungen im Sinne des § 115 Abs. 1a Satz 4 SGB XI zu beteiligen. § 115a Abs. 1 Satz 1, 4 Satz 3 und 5 Satz 3 SGB XI: Die Verbände sind bei der Anpassung der Richtlinien und Vereinbarungen im Rahmen der Übergangsregelungen nach § 115a SGB XI zu beteiligen. ***