Gleichstellung von Männern und Frauen in Deutschland Maßnahmen, Sichtweisen, Darstellung in den Medien - Ausarbeitung - © 2007 Deutscher Bundestag WD 9 - 085/07 Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages Gleichstellung von Männern und Frauen in Deutschland Ausarbeitung WD 9 - 085/07 Abschluss der Arbeit: 06.07.2007 Fachbereich WD 9: Gesundheit, Familie, Senioren, Frauen und Jugend Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Die Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste sind dazu bestimmt, Mitglieder des Deutschen Bundestages bei der Wahrnehmung des Mandats zu unterstützen. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Diese bedürfen der Zustimmung des Direktors beim Deutschen Bundestag. - 3 - 1. Die wichtigsten Maßnahmen in der Gleichstellungspolitik1 1.1. Gesetzliche Regelungen der vergangenen Jahrzehnte 1977 Reform des Ehe- und Familienrechts: Das BGB nimmt von dem Leitbild der Hausfrauenehe Abschied und verzichtet auf die Vorgabe von Ehemodellen. Bei Eheschließung kann auf Wunsch der Name der Frau gemeinsamer Familienname werden. Im Ehescheidungsrecht wird das Schuldprinzip zugunsten des Zerrüttungsprinzips aufgegeben . Der Versorgungsausgleich wird eingeführt. Sein Ziel ist die soziale Sicherung der geschiedenen nichterwerbstätigen Frau und Mutter. 1980 Unterhaltsvorschussgesetz: Sicherung des Unterhalts alleinstehender Mütter und Väter durch Unterhaltsvorschüsse oder –ausfalleistungen. 1983 und 1984: Abschaffung von Regelungen im Rentenrecht, durch die sich diskontinuierliche Erwerbsverläufe von Frauen bei der Rentenberechnung nachteilig auswirken . 1985 Steuerbereinigungsgesetz: steuerliche Nachteile Alleinerziehender gegenüber Ehepaaren werden beseitigt. Das Namensrecht wird mehrfach geändert, so dass Frauen mit der Eheschließung nicht mehr unbedingt den Namen ihres Partners annehmen müssen . 1986 Bundeserziehungsgeldgesetz: Gesetz über die Gewährung von Erziehungsgeld und Erziehungsurlaub. 1987 Kindererziehungsleistungsgesetz: Beginn der Berücksichtigung von Kindererziehungszeiten bei der Rentenberechnung. 1991 Öffnung der Bundeswehr für Frauen: 1991 im Sanitätsdienst und Militärmusikdienst , seit 2000 nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofes auch für den freiwilligen Dienst an der Waffe. 1992 Erziehungsurlaub: Verlängerung auf drei Jahre und Verknüpfung mit Kündigungsschutz , bzw. dreijähriger Arbeitsplatzgarantie. 1 Quellen:- DJI (2006). Gleichstellung auf dem Prüfstand. - - http://www.lpb-bw.de/publikationen/stadtfra/frauen4.htm [Stand 02.07.2007]. - BMFSFJ (2006) Erziehungsgeld, Elternzeit. Das Bundeserziehungsgeldgesetz. - http://bundesrecht.juris.de/agg/index.html [Stand 02.07.2007]. - 4 - 1992 Rente: Verbesserung der Anerkennung von Kindererziehungszeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung. Für Kinder werden jetzt 3 Jahre in der Rente angerechnet (vorher nur ein Jahr). Andere Rentenregelungen, die diskontinuierliche Beschäftigung diskriminiert haben, entfallen. 1993 Gleichstellung bei Arbeitslosigkeit: In das Arbeitsförderungsgesetz wird eine Regelung aufgenommen, wonach Frauen entsprechend ihrem Anteil an den Arbeitslosen an den Maßnahmen der aktiven Arbeitsmarktpolitik teilhaben sollen. 1994 Ergänzung des Verfassungsgrundsatzes: Der alte Passus „Männer und Frauen sind gleichberechtigt“ wird ergänzt um den Zusatz „Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.“ 1994 Das Zweite Gleichgestellungsgesetz hat folgende Schwerpunkte: Förderung von Frauen und von Vereinbarkeit von Familie und Beruf in der Bundesverwaltung. Verschärfung des Verbotes der Benachteiligung wegen des Geschlechtes im Arbeitsleben. Gesetz gegen sexuelle Belästigung. Bundesgremiengesetz verlangt von den entsendenden Institutionen (Verbänden), auf den Geschlechterproporz der von ihnen entsandten Personen zu achten. 1995 Schwangerschaftsabbruch: das Bundesverfassungsgericht schreibt die Beratung vor einem Schwangerschaftsabbruch als verpflichtend vor. 1996 Recht auf Kindergartenplatz: der Rechtsanspruch auf einen (halbtägigen) Kindergartenplatz wird Gesetz und zwar für Kinder ab dem vollendeten 3 Lebensjahr. 1997 Gewalt in der Ehe: Vergewaltigung in der Ehe wird unter Strafe gestellt. 2001 Reform des Bundeserziehungsgeldgesetzes: Rechtsanspruch auf Teilzeitarbeit für Väter, bessere Möglichkeiten für Frauen, durch Teilzeitbeschäftigung den Kontakt zum Beruf auch während des Erziehungsurlaubs aufrecht zu erhalten. Abkehr vom Leitbild des geltenden Erziehungsgeldgesetzes, das immer noch von der traditionellen Aufgabenteilung zwischen den Geschlechtern mit Zuweisung der Kinderbetreuung an Mütter und der Ernährerrolle an Väter ausgeht und auch fördert. 2001 Gesetz zur Elternzeit (vorher: Erziehungsurlaub): Väter und Mütter können ihre Kinder in den ersten drei Jahren gemeinsam erziehen und betreuen. In dieser Zeit haben sie einen Anspruch auf Teilzeitarbeit von bis zu 30 Wochenstunden in Betrieben mit mehr als 15 Beschäftigten. - 5 - 2001 Neues Gleichstellungsgesetz des Bundes für die Bundesverwaltung: Es regelt u. a. die bevorzugte Einstellung von Frauen bei gleicher Eignung und Leistung in der Bundesverwaltung. Das Gesetz wird vielfach von anderen Einrichtungen, die dem öffentlichen Dienst gleichgestellt sind, übernommen. 2002 Gewaltschutzgesetz: Täter können von der gemeinsamen Wohnung weggewiesen werden, Gewaltschutzanordnungen wie Kontakt- und Annährungsverbote können ausgesprochen werden. 2006 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG): Mit diesem Gesetz kommt Deutschland seiner Verpflichtung nach, vier Richtlinien der Europäischen Gemeinschaft zum Schutz vor Diskriminierung in nationales Recht umzusetzen. Die Richtlinien betreffen verschiedene Bereiche der deutschen Rechtsordnung - der Schwerpunkt liegt im Bereich von Beschäftigung und Beruf, die Bestimmungen gelten gleichermaßen etwa für Arbeitnehmer, Auszubildende oder für den öffentlichen Dienst. Betroffen ist aber auch das Zivilrecht, also Rechtsbeziehungen zwischen Privatpersonen - insbesondere Verträge mit Lieferanten, Dienstleistern oder Vermietern. 2007 Elterngeldgesetz (BMFSFJ (2006)): Das Elterngeld löst das Erziehungsgeld ab. Bei dem einkommensabhängigen Elterngeld handelt es sich um eine Lohnersatzleistung von 67 % des vorherigen Nettoeinkommens bis zu einer Höchstgrenze von 1.800 Euro. Ausgezahlt wird das Elterngeld maximal 14 Monate (12+2 Monate), wobei ein Elternteil alleine höchstens 12 Monate Anspruch auf die volle Auszahlung hat. Die zwei weiteren Monate stehen dem jeweils anderen Partner (meistens den Vätern) als Option zur Verfügung, die aber nicht genutzt werden muss. 1.2. Initiativen zur Verbesserung der Vereinbarkeit von Beruf und Familie Ausbau der Kinderbetreuung: Das 2005 in Kraft getretene Tagesbetreuungsausbaugesetz verpflichtet die Kommunen, bis 2010 ein ausreichendes Betreuungsangebot für die Unter-Dreijährigen zu schaffen. Vor allem in Westdeutschland soll die Zahl der Krippenplätze von jetzt 60.000 um 230.000 neue Angebote erhöht werden. Allianz für die Familie 35/06: Unter dem Dach der "Allianz für die Familie" sind seit Mitte 2003 mittelfristig angelegte Initiativen für eine bessere Balance von Familie und Arbeitswelt gebündelt. Starke Partner aus Wirtschaft, Verbänden und Politik setzen sich öffentlich und beispielhaft für eine familienfreundliche Unternehmenskultur und Arbeitswelt ein. - 6 - 1.3. Andere Initiativen Zusätzlich gibt es in Deutschland eine Reihe von Initiativen zur Förderung von Frauen im Arbeitsleben, in der Bildung, in der Informations- und Kommunikationstechnologie, in der Landwirtschaft und im ländlichen Bereich, im Alter2. 2. Einstellung der jüngeren Generation zur Gleichstellung3 Heute gehen junge Frauen und Männer selbstverständlich davon aus, dass sie gleiche Startbedingungen und Rechte haben. Je nach Geschlecht, Bildung und Milieuprovenienz unterscheiden sich die Vorstellungen von der Reichweite der Gleichstellung: Während Frauen höherer Bildung den Prozess längst nicht für abgeschlossen halten und ihn selbstverständlich fortsetzen wollen, sehen vor allem Männer geringer Bildung das Ziel längst erreicht. Viele Bemühungen gehen ihrer Meinung nach über das Ziel hinaus, sind überflüssig oder gar sinnlos. Frauen mit Abitur demonstrieren eine selbstbewusste Geschlechtsidentität. Sie sehen ihre eigene berufliche und private Perspektive optimistisch und entwickeln ihre Lebenspläne mit Blick auf ihre Chancen und Optionen. Sie haben weder eine kämpferische Haltung gegen die Männer(wie die erste Generation der Frauenbewegung), noch lassen sie sich von potenziellen Hürden und Hemmnissen verunsichern. Diese Frauen sind der Emanzipationsbewegung nicht "dankbar", sehen sich nicht als Nachfolgegeneration der Frauenbewegung, identifizieren sich auch nicht mit ihr, sondern nehmen die Rechte und Möglichkeiten für Frauen heute als selbstverständlich wahr. Es ist für sie eine normale Wirklichkeit, die nicht mehr hinterfragt, begründet oder verteidigt werden muss. Die Gleichstellungspolitik erfährt von ihnen eine positive Wertschätzung, weil diese traditionelle Tabus aufgebrochen, Frauen aus ungerechten Strukturen und Rollenbildern befreit und die rechtlichen Grundlagen gelegt hat. Doch das ist für sie Vergangenheit. Die junge Frau von heute erklärt sich selbst dafür verantwortlich, ihr Recht in der Partnerschaft , in Beruf und Freizeit sowie im Umgang der Geschlechter miteinander auch durchzusetzen. Sie delegiert diese Aufgabe nicht an eine staatliche Instanz, sondern will 3 Die Ergebnisse beziehen sich auf eine qualitative Untersuchung des BMFSFJ (2007), bei der 20- jährige Frauen und Männer zu Lebensentwürfen, Rollenbildern und Einstellungen zur Gleichstellung befragt wurden. - 7 - die praktische Durchsetzung selbst in die Hand nehmen. Diese Frauen haben auch die klare Haltung, nur mit einem Mann zusammen sein zu wollen, der ihre Vorstellung von gleichgestellter Partnerschaft teilt – sei es bei Fragen der Erwerbstätigkeit, sei es bei der Erziehung von Kindern. Sie haben für sich erkannt, dass völlige Gleichstellung eine unrealistische und schlechte Utopie ist. Sie sehen sich nicht als (potenzielle) Opfer noch wirksamer traditioneller Rollenbilder. Diese Frauen jonglieren mit Klischees von Emanzipation; ebenso mit traditionellen Stereotypen von "Frau-sein" und "Mann-sein". Dabei ist in ihrer Kommunikation nicht auf den ersten Blick zu erkennen, ob sie mit Klischees spielen, sich ernsthaft damit identifizieren oder sich distanzieren. Kern ist ein selbstbewusster und unverkrampfter Bezug zum Thema "Gleichberechtigung und Gleichstellung". Es stellt für diese Frauen subjektiv keine Hürde, kein Problem dar. Sie gehen optimistisch davon aus, dass sie mit einer guten Ausbildung (v. a. Studium) beruflich erfolgreich sein werden, Karriere machen, und wenn ein Kind kommt, sich Haushalt, Erziehung und Beruf mit ihrem Partner gerecht teilen. Aber sie wollen sich da jetzt auch noch nicht festlegen, sondern sich alle Optionen offen lassen. Im Unterschied zu ihnen spüren Männer gleicher Bildung (also ihre potenziellen Partner ) eine tiefe Ambivalenz: Sie teilen rational und ideell die Maximen der Gleichberechtigung . Gleichzeitig sind sie geplagt von einer fundamentalen Unsicherheit in Bezug auf gleichaltrige Frauen: Diese sind für sie zugleich attraktiv und suspekt, gerade weil sie ein massives Selbstbewusstsein demonstrieren, ein modernes Rollenbild haben und keine Schwäche (mehr) zeigen. Aber den Männern fehlen in Bezug auf ihre eigene "neue Geschlechtsidentität" die positiven Vorbilder zur Orientierung. Junge Männer sind mit der Kindheitserfahrung (1980er Jahre) sozialisiert, dass der Vater der Haupternährer ist und die Mutter "auch" erwerbstätig sein will und kann. Das haben sie als Lockerung der traditionellen Rollenteilung erlebt – aber nicht als Auflösung der Rollenteilung . Ihre – normale und normative – Perspektive ist die, dass Frauen neue Chancen und Möglichkeiten bekamen, ohne dass damit für die Männer (ihre Väter) Einschränkungen oder neue Aufgaben (Haushalt, Erziehung) verbunden wären: Anhebung der Frauen auf das Niveau der Männer ohne Abstriche für diese. Die Männer höherer Schulbildung wollen sich von den in ihrer Kindheit erlebten (partiell-) traditionellen Rollenbildern lösen, sind auf der Suche nach einer flexiblen Rollenidentität gegen ihre eigene - 8 - Sozialstationserfahrung. Während sie in diesem Prozess eine Balance suchen, erfahren sie Frauen gleicher Bildung (ihre potenziellen Partnerinnen) als "extrem" selbstsicher und taff. Gleichwohl wollen sie als Lebenspartnerin auf keinen Fall eine Frau mit einer traditionellen Rollenvorstellung, sondern unbedingt eine moderne, intelligente und selbstständige Frau, mit der sie auf Augenhöhe Konversation führen können. Ihre bisherigen Erfahrungen mit ihren Freundinnen sind neben allen emotionalen Höhenflügen auch geprägt vom Eindruck, dass sie von ihnen "überrannt" und "bevormundet" werden: Zum Beispiel berichten Männer, dass in ihrer subjektiven Wahrnehmung ihre Freundin über die Beziehung entscheidet und sich die Männer in einer passiven Rolle fühlen. Auch Männer mittlerer Bildung, vor allem aber jene mit geringer Bildung, spüren Unsicherheiten in Bezug auf das andere Geschlecht. Aber diese Unsicherheiten sind anderer Art als bei jungen Männern mit Abitur. Ein Grund ist, dass sie andere Frauenbilder haben: Auf der einen Seite sehen sie die ihnen überlegenen Studentinnen (spätere "Business-Frauen"), denen sie sich verbal und hierarchisch unterlegen fühlen. Auf der anderen Seite die Frauen gleicher Bildung (ihre potenziellen Partnerinnen), die mal Zicke, mal Tussi sind – aber mit ihren Eigenschaften als Frau je nach Situation und Bedarf spielen. Im Unterschied zu den Männern höherer Bildung, die sich auf ein dauerhaftes Arrangement gleichgestellter Partnerschaft einstellen, ist bei Männern geringer /mittlerer Bildung die Unsicherheit auf die Phase der Partnerfindung und Partnerbindung beschränkt. Es kommt für sie darauf an, eine Frau zu finden; wenn man sie erst "hat", da sind sie sicher, greift die ihnen sympathischere traditionelle Rollenteilung. Sie selbst wollen nicht an den Herd und den Wickeltisch gedrängt werden. Sie wollen moderat moderne, selbständige Frauen, die als Mütter natürlich ("naturgegeben") gerne Erziehung und Haushalt übernehmen – und dazu, wenn es irgendwie geht, etwas zum Einkommen dazuverdienen. Diese Männer können und wollen sich nicht vorstellen, später einmal für die Erziehung ihres Kindes zu Hause zu bleiben – lieber würden sie ihr Kind den Eltern oder Schwiegereltern anvertrauen. Auch im Beruf erscheinen ihnen weitere Gleichstellungen völlig absurd: Frauen als Schweißerin, Maschinenschlosserinnen , Straßenarbeiterinnen, Dachdeckerinnen etc. – hier sehen sie zum einen körperliche Unterschiede (Kraft), zum anderen eine ihnen vorbehaltene Sphäre, in der Frauen nur stören bzw. Sonderrechte haben müssten (erotische Anspielungen und Phantasien machen dies deutlich: Frauen mit Spaghettiträgern auf dem Dach; im schweißnassen Top in der Werkshalle). - 9 - Frauen mit mittlerer/geringer Schulbildung fühlen sich mit ihren Aussichten im Partnerschaftsverhältnis wohl. Sie sehen nur Vorteile in nahezu allen Lebensbereichen: Freie Berufswahl und Berufsausübung für Frauen, gleichberechtigtes Verfügen über Geld und Macht in der Beziehung u. a. "Mehr Gleichstellung" erscheint ihnen suspekt, denn sie haben hier keine Ziele und fürchten, dass weitere Schritte auch eine Last für die Frauen sein könnten. Es würde auch ihr eigenes Lebensmodell (Teilzeitarbeit und Mutter) in Gefahr bringen, sie zwingen, neue Rollen zu adaptieren, die sie möglicherweise nicht ausfüllen können (Karrierefrau mit Kind). Gleichstellung wird in der Altersgruppe der 20-Jährigen als Thema der Frauen für Frauen begriffen: Gleichstellung bringt Verbesserungen für Frauen und zwar als Aufhebung früherer Benachteiligung (z. B. gleicher Lohn bei gleicher Arbeit; gleiche Karrierechancen ; berufliche und private Selbstverwirklichung). "Man" und "frau" ahnen, dass dies Konsequenzen für das Zusammenleben und Zusammenarbeiten der Geschlechter hat – aber konkrete Erfahrungen, auch von Hürden und Konflikten, haben sie noch nicht. Männer fühlen sich – im Unterschied zu den Frauen – massiv verunsichert und in der Defensive: Denn sie nehmen die Dynamik, die Power und das offensive Selbstbewusstsein allein auf Seiten der Frauen wahr – sie selbst sehen in diesem Prozess für sich (noch) keine aktive Rolle, haben auch (noch) keine positive Vision für ihre Rolle als Mann. Gleichstellungspolitik wird noch als Reparatur- und Subventionspolitik für Frauen wahrgenommen, nicht als Politik für beide Geschlechter, nicht als gestaltende kreative Politik. Damit arbeitet Gleichstellungspolitik – in der Wahrnehmung der Zwanzigjährigen – an Defiziten und nimmt Männer als Zielgruppe noch nicht in den Blick. 3. Gleichstellung in den Medien 3.1. Status Quo Frauen sind optisch präsenter geworden, vor allem im Fernsehen. Sie spielen große und kleine Rollen, treten als Showmasterinnen und Fernsehmütter, Kommissarinnen und Supergirls auf und sie moderieren politische Talkshows und große Nachrichtensendungen . Der Frauenanteil in Medienberufen hat sich stetig erhöht und liegt inzwischen bei 40 %. Die Verteilung in den verschiedenen Mediensektoren und in den unterschiedlichen Altersklassen differiert allerdings deutlich. Hinsichtlich der Führungspositionen ist - 10 - zwar auch ein Wandel eingetreten, dennoch sinkt hier wie in anderen Branchen auch der Frauenanteil gegenüber den unteren Dienstgraden rapide ab4. Auch wenn vieles dafür spricht, dass sich die Situation der Frauen langsam einer wirklichen Gleichstellung nähert , kann von einer ausgewogenen Darstellung von Männern und Frauen in den Medien noch nicht die Rede sein. Der Frauenanteil in Nachrichtensendungen liegt weltweit lediglich bei 21 % Zu diesem Ergebnis kommt die internationale Studie „Global Media Monitoring Project" (GMMP)5, die weltweit die Geschlechterverhältnisse in den Hauptnachrichten der Medien analysiert. In die Untersuchung flossen rund 13.000 Nachrichten aus Zeitungen, Hörfunk- und Fernsehsendungen in 76 Ländern ein. Als Nachrichtensubjekte dominieren mit 79 Prozent nach wie vor Männer - und dies in allen Themenbereichen. 86 Prozent aller Pressesprecher und 83 Prozent aller Experten, die in den Nachrichten auftreten , sind Männer. Nur in zehn Prozent aller Berichte stehen Frauen im Mittelpunkt. Nachrichten werden vorwiegend von Männern gemacht und präsentiert. Eine Ausnahme stellt das Fernsehen dar: Dort werden die Nachrichten mittlerweile zu 57 Prozent von Frauen präsentiert. In den Zeitungen bilden Berichterstatterinnen mit 29 Prozent weiterhin eine Minderheit. Die weltweiten Tendenzen spiegelten sich auch in deutschen Medien, wie der Journalistinnenbund (JB), der seit 1995 die GMMP-Untersuchung der deutschen Nachrichtenmedien koordiniert, in seiner Dokumentation6 belegt. Immerhin ist der Anteil von Frauen in den Nachrichten in Deutschland innerhalb von zehn Jahren deutlich gestiegen - und zwar von 12 Prozent im Jahr 1995 auf 22 Prozent im Jahr 2005. Im internationalen Vergleich bewegt sich Deutschland am Stichtag erstmals um einen Prozentpunkt über dem Weltdurchschnitt. Spitzenwerte innerhalb Europas erzielen die Länder Belgien mit einem Frauenanteil von 31 Prozent, gefolgt von Schweden (30 Prozent) und Finnland (29 Prozent). In Lateinamerika rangieren Kolumbien (30 Prozent), in Nordamerika die USA (28 Prozent), in 4 http://www.frauenrat-nw.de/frauenrat-publi-info-2005_1-ausschuesse.htm 5 Die Erhebung des WAAC (Word Association for Christian Communication) wird alle fünf Jahre durchgeführt, zuletzt 2005. Siehe hierzu: http://www.wacc.org.uk/, http://www.whomakesthenews.info/ - 11 - Afrika Ruanda (29 Prozent) sowie in Asien Bangladesch und Japan (jeweils 26 Prozent) an erster Stelle. 3.2. Maßnahmen Mit dem Ziel bei Entscheidungen und Prozessen in der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit die gesellschaftlich, sozial und kulturell geprägten Geschlechterrollen von Männern und Frauen zu berücksichtigen, hat das BMFSFJ eine Checkliste7 entwickelt. Sie bietet – in Form von Fragen – Anregungen zu einem noch bewussteren Umgang mit Sprache und Bildern. Mit dem vom Niedersächsischen Ministerium für Soziales, Frauen, Familie und Gesundheit verliehenen Frauen-Medienpreis oder dem jährlich ausgelobten Medienpreis der Zeitschrift Emma werden Medien-Produktionen ausgezeichnet, die ein differenziertes Frauenbild zeigen und deren Ziel es ist, eine realitätsnahe und komplexe Lebenswelt heutiger Frauen sichtbar zu machen8. 4. Literaturverzeichnis BMFSFJ (2005). Checkliste Gender Mainstreaming bei Maßnahmen der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit. Abrufbar unter: http://www.bmfsfj.de/RedaktionBMFSFJ/Abteilung4/Pdf-Anlagen/gm-checklistepressearbeit ,property=pdf,bereich=,rwb=true.pdf [Stand 6.7.07]. BMFSFJ (2006) Erziehungsgeld, Elternzeit. Das Bundeserziehungsgeldgesetz. BMFSFJ (2007). 20-jährige Frauen und Männer heute. Lebensentwürfe, Rollenbilder, Einstellung zur Gleichstellung. 6 „Präsenz von Frauen in den Nachrichten. Medienbeobachtungen 2005“. Die Dokumentation enthält u. a. die quantitative und qualitative Auswertung von zwölf Fernseh- und acht Radio- Nachrichtensendungen öffentlich-rechtlicher und privater Sender sowie die von zehn Tageszeitungen am genannten Stichtag. Ergänzt wird sie durch eine Zwölf-Wochen-Presseanalyse, die von einem Studienseminar an der Universität Lüneburg unter Leitung von Prof. Dr. Jutta Röser begleitend zum GMMP durchgeführt wurde. 7 BMFSFJ (2005). 8 Siehe hierzu: http://www.heise.de/tp/r4/artikel/19/19464/1.html [Stand 6.7.07)]. - 12 - DJI (2006) Gleichstellung auf dem Prüfstand, Nr. 5. http://www.dji.de/cgibin /projekte/output.php?projekt=570&Jump1=LINKS&Jump2=20#Gesetzliche [Stand 29.06.2007]. FrauenRat INFO 2005/1. Abrufbar unter: http://www.frauenrat-nw.de/frauenrat-publiinfo -2005_1-ausschuesse.htm [Stand 06.07.07]. IBP Die wichtigsten Etappen zur Gleichberechtigung. http://www.lpb-bw.de/publikationen/stadtfra/frauen4.htm [Stand 02.07.2007]. Journalistinnenbund (2006). Präsenz von Frauen in den Nachrichten. Medienbeobachtungen 2005. Kaul, Christa, Tamara (2005). Frauenbild und Frauenpräsenz in den Medien. Abrufbar unter: http://www.heise.de/tp/r4/artikel/19/19464/1.html [Stand 6.7.07)].