© 2020 Deutscher Bundestag WD 9 - 3000 - 082/20 Mitwirkungsrechte der Eltern in Kindertageseinrichtungen Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 - 082/20 Seite 2 Die Mitwirkungsrechte der Eltern in Kindertageseinrichtungen Aktenzeichen: WD 9 - 3000 - 082/20 Abschluss der Arbeit: 23. Oktober 2020 Fachbereich: WD 9: Gesundheit, Familie, Senioren, Frauen und Jugend Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 - 082/20 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Das elterliche Erziehungsrecht im außerschulischen Bereich und im Schulwesen 5 2.1. Der Schulbegriff 5 2.2. Das Elternrecht im außerschulischen Bereich 6 2.3. Das Elternrecht im Schulwesen 6 3. Die rechtliche Ausgestaltung des Elternprimats in Kindertageseinrichtungen 7 3.1. Bundeseinheitliche Regelungen 8 3.2. Elternbeteiligung auf Landesebene 9 4. Die Träger von Kindertageseinrichtungen 12 4.1. Öffentliche und freie Jugendhilfe 12 4.2. Gestaltungsfreiheit und Zusammenarbeit von Trägern der Jugendhilfe 12 5. Fazit 13 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 - 082/20 Seite 4 1. Einleitung Das elterliche Erziehungsrecht (Elternrecht) ist in Art. 6 Abs. 2 Satz 1 Grundgesetz (GG)1 verankert . Danach sind Pflege und Erziehung der Kinder das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Unter dem Begriff „Pflege“ ist die allgemeine Sorge für die Person des Kindes, für sein körperliches Wohlbefinden und für seine geistige und charakteristische Entwicklung zu verstehen.2 „Erziehung“ meint hingegen die Sorge für die Ausbildung und Bildung durch Entfaltung der Fähigkeiten des Kindes.3 Jedes Kind hat das Recht auf die freie Entfaltung und Entwicklung seiner Persönlichkeit. Dabei spielt die Erziehung in Kindertageseinrichtungen eine wichtige Rolle. Die Kindertageseinrichtung unterstützt die Eltern in ihrem Erziehungsauftrag , ermöglicht die Vereinbarkeit von Familie und Beruf und trägt damit zum gesunden Aufwachsen des Kindes bei. Die Eltern können grundsätzlich frei von staatlichen Einflüssen und Eingriffen nach eigenen Vorstellungen darüber entscheiden, wie sie die Pflege und Erziehung ihrer Kinder gestalten und damit ihrer Verantwortung als Erziehungsberechtigte gerecht werden wollen. Der Staat greift im Rahmen seines Wächteramtes erst ein, wenn die Eltern nicht in der Lage sind, ihrer Verantwortung nachzukommen. Dieser Vorrang der elterlichen Verantwortung beruht auf der Erwägung, dass die Interessen des Kindes in der Regel am besten von den Eltern wahrgenommen werden.4 Die Pflicht zur Pflege und Erziehung des Kindes ist ein wesensbestimmender Bestandteil des Elternrechts . Denn die Rechte, die sich für die Eltern aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG ergeben, finden ihre Rechtfertigung allein in dem Bedürfnis des Kindes nach Schutz und Hilfe. Das Kindeswohl muss das Ziel der elterlichen Pflege und Erziehung sein. Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG. Das Grundgesetz statuiert damit Pflege und Erziehung zwar als eigenes Grundrecht und korrespondierende Pflicht der Eltern, stellt sie aber in den Dienst des Kindeswohls. Der vorliegende Sachstand grenzt zunächst das elterliche Erziehungsrecht im Rahmen von Schule einerseits und dem außerschulischen Bereich andererseits voneinander ab. Er befasst sich anschließend mit der Ausgestaltung der Elternbeteiligung in Kindertageseinrichtungen, einerseits auf der Grundlage der bundesrechtlichen Regelungen, andererseits – am Beispiel von Berlin und Nordrhein-Westfalen – unter Hinweis auf das Landesrecht. Abschließend geht der Sachstand der Frage nach, inwieweit sich Elternrechte aus den für die Träger der Jugendhilfe geltenden Bestimmungen ergeben. 1 Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland vom 23. Mai 1949 (BGBl. S.1), zuletzt geändert durch Art.1 des Gesetzes vom 29. September 2020 (BGBl. I S.2048). 2 Brosius-Gersdorf, Frauke, in: Dreier - Grundgesetz-Kommentar, 3. Auflage 2013, Art. 6, Rn. 155. 3 Badura, Peter, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz-Kommentar, 90. EL 2020, Art. 6, Rn. 107. 4 BVerfG, Urteil vom 9. Februar 1982 - 1 BvR 845/79, in: NJW 1982, 1375. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 - 082/20 Seite 5 2. Das elterliche Erziehungsrecht im außerschulischen Bereich und im Schulwesen Die Verantwortung in Bezug auf die Erziehung des Kindes wird nach dem Grundgesetz von Eltern und Staat geteilt. Sowohl die Eltern als auch der Staat sind verpflichtet, Lebensbedingungen zu schaffen, die für die Persönlichkeitsentwicklung des Kindes erforderlich sind.5 Problematisch ist dabei die Frage, inwieweit das Elternrecht gemäß Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG in den Schulbereich hineinwirkt und ob die elterliche Mitbestimmung an Grundschulen anders zu beurteilen ist als an Einrichtungen der vorschulischen Bildung. Das Grundgesetz differenziert in Art. 6 und 7 GG zwischen dem außerschulischen Bereich und dem Schulwesen. Dem Staat werden in diesen Bereichen jeweils unterschiedliche Befugnisse zuerkannt . Für die Abgrenzung spielt dabei die Definition des Begriffs Schule eine wichtige Rolle. 2.1. Der Schulbegriff Die Frage, wie der Begriff „Schule“ zu definieren ist, wird unterschiedlich beantwortet.6 Nach Rechtsprechung und herrschender Lehre ist der Begriff in Anlehnung an die Definition von Heckel organisatorisch-formal zu bestimmen.7 Danach ist Schule eine auf gewisse Dauer angelegte , an fester Stätte unabhängig vom Wechsel der Lehrer und Schüler in überlieferten Formen organisierte Einrichtung der Erziehung und des Unterrichts, die durch planmäßige und methodische Unterweisung eines größeren Personenkreises in einer Mehrzahl allgemeinbildender oder berufsbildender Fächer bestimmte Bildungs- und Erziehungsziele zu verwirklichen bestrebt ist, und die nach Sprachsinn und allgemeiner Auffassung als Schule angesehen wird. Nach einem eher funktionalen Schulbegriff ist unter Schule dagegen jede Form der Vermittlung von Bildung und bildungsbezogener Erziehung zu verstehen, die geeignet und erforderlich ist, um Kinder zu selbstbestimmten und verantwortungsbewussten, in die soziale Gemeinschaft integrierten Bürgern zu entwickeln und ihre Teilhabe an Ausbildung, Studium und Beruf sicherzustellen .8 Diese Ansicht verzichtet auf wichtige Merkmale des traditionellen Schulbegriffs, wie größerer Personenkreis, Mehrzahl von Fächern und Unterricht an fester Stätte. Hiernach seien Kindertageseinrichtungen Schule i. S .d. Art. 7 Abs. 1 GG, wenn sie Bildungsaufgaben wahrnehmen . Soweit die Betreuung der Kinder im Vordergrund stehe, würden diese dem nichtschulischen Bereich zugeordnet.9 5 BVerfG, Urteil vom 19. Februar 2013 - 1 BvL 1/11, in: NJW 2013, 847. 6 Thiel, Markus, in: Sachs, Grundgesetz Kommentar, 8. Auflage 2018, Art. 7, Rn. 8; Brosius-Gersdorf, Frauke, in: Dreier - Grundgesetzkommentar, 3. Auflage 2013, Art. 7, Rn. 30 ff. 7 BVerfG, Urteil vom 8. April 1987 - 1 BvL 8/84, in: NJW 1987, 2359; Heckel, Hans, Deutsches Privatschulrecht, 1955, S. 218. 8 Brosius-Gersdorf, Frauke, in: Dreier - Grundgesetzkommentar, 3. Auflage 2013, Art. 7, Rn. 35. 9 Brosius-Gersdorf, Frauke, in: Dreier - Grundgesetzkommentar, 3. Auflage 2013, Art. 7, Rn. 38. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 - 082/20 Seite 6 2.2. Das Elternrecht im außerschulischen Bereich Außerhalb des Schulwesens sind vorrangig die Eltern für die Pflege und Erziehung des Kindes zuständig.10 Der Staat darf sich in die Kinderpflege und -erziehung nur ausnahmsweise „einmischen “. Im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe, wozu insbesondere auch Kindertageseinrichtungen gehören, ist der Staat gemäß Art. 6 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 GG auf Wächteramt und Trennungsmaßnahmen zur Abwehr von Gefahren für das Kindeswohl beschränkt.11 In diesem Bereich sind die staatlichen Befugnisse dem Pflege- und Erziehungsrecht der Eltern aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG untergeordnet. Hier besteht folglich kein Spannungsverhältnis zwischen elterlichem Erziehungsrecht und dem staatlichen Erziehungsauftrag. Vielmehr stellt das Verhältnis eine Regel -Ausnahme-Konstellation dar. Nach den Ausführungen zum Schulbegriff werden Kindertageseinrichtungen nicht dem Schulwesen zugerechnet, sodass der schulische Bildungs- und Erziehungsauftrag des Staates nach Art. 7 Abs. 1 GG nicht zur Anwendung kommt. Dabei stellt das Kindeswohl die Grenze des Elternrechts dar. Im Falle einer Kollision von Elternrecht und Kindeswohl ist dem Kindeswohl Vorrang einzuräumen.12 Unterhalb der Schwelle der Kindeswohlgefährdung sind staatliche Pflege- und Erziehungsmaßnahmen unzulässig.13 Dabei ist unerheblich, dass der Staat mit den Maßnahmen eine gute, bessere oder bestmögliche Pflege und Erziehung des Kindes bezweckt.14 Denn auch in diesem Fall würde der Staat seine gesetzlichen Kompetenzen überschreiten und das Primat des Elternrechts im außerschulischen Bereich missachten.15 2.3. Das Elternrecht im Schulwesen Im Bereich der Schule sind die Rollen zwischen den Eltern und dem Staat anders verteilt. Der Staat ist in der Schule nicht auf das ihm durch Art. 6 Abs. 2 Satz GG zugewiesene Wächteramt beschränkt. Vielmehr steht das gesamte Schulwesen gemäß Art. 7 Abs. 1 GG unter der Aufsicht des Staates. Zugleich sichert Art. 7 Abs. 2 und 5 GG den Eltern gewisse Rechte im Hinblick auf die weltanschauliche Erziehung in der Schule. Daraus kann jedoch nicht geschlossen werden, dass Art. 7 Abs. 2 und 5 GG als lex specialis abschließend die Reichweite des elterlichen Erziehungsrechts im Schulwesen regeln. Die Vorschrift muss in einem Sinnzusammenhang mit Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG gesehen werden.16 Im Bereich der Schule treffen Erziehungsrecht und Erziehungsverantwortung der Eltern auf den Bildungs- und Erziehungsauftrag des Staates.17 10 Brosius-Gersdorf, Frauke, in: Dreier - Grundgesetzkommentar, 3. Auflage 2013, Art. 6, Rn. 141. 11 Badura, Peter, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz-Kommentar, 90. EL, 2020, Art. 6, Rn. 137 ff. 12 BVerfG, Urteil vom 21. Mai 1974 - 1 BvL 22/71, in: NJW 1974, 1609. 13 BVerfG, Urteil vom 21. Dezember 1977 - 1 BvL 1/75, in: NJW 1978, 807. 14 BVerfG, Urteil vom 17. Februar 1982 - 1 BvR 188/80. 15 Badura, Peter, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz-Kommentar, 90. EL, 2020, Art. 6, Rn. 139. 16 BVerfG, Urteil vom 9. Februar 1982 - 1 BvR 845/79, in: NJW 1982, 1375. 17 Hesselberger, Dieter, in: Leibholz/Rinck, Grundgesetz, Stand: 03/2020, Art. 7, Rn. 30. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 - 082/20 Seite 7 Die Erziehung des Kindes wird im Schulwesen zur gemeinsamen Aufgabe der Eltern und des Staates. Sie ist in einem sinnvollen, aufeinander bezogenen Zusammenwirken zu erfüllen.18 Sowohl der Staat als auch die Eltern müssen das Kind bei der Entwicklung zu einer eigenverantwortlichen Persönlichkeit innerhalb der Gemeinschaft unterstützen und fördern. Nach der Rechtsprechung ist der staatliche Bildungs- und Erziehungsauftrag dem Elternrecht nicht nach-, sondern gleichgeordnet.19 Dies führt zu einem Spannungsverhältnis zwischen elterlicher und staatlicher Erziehungsgewalt, dessen Auflösung im Einzelfall zu entscheiden ist.20 Im Konfliktfall bedarf es daher einer Abwägung der widerstreitenden Interessen. Hierzu zieht die herrschende Meinung die sog. Drei-Bereiche -Lehre als grobe Orientierungshilfe heran.21 Danach ist im außerschulischen Bereich ein Primat des elterlichen Erziehungsrechts, bei Grundentscheidungen im Schulwesen eine Pflicht zur Berücksichtigung des schulischen Gesamtplans der Eltern und im innerschulischen Bereich das Überwiegen der staatlichen Schulaufsicht anzunehmen.22 In den Fällen, in denen das Elternrecht in den schulischen Bereich hineinwirkt, ist dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechend ein Ausgleich der verfassungsrechtlichen Positionen zu suchen.23 3. Die rechtliche Ausgestaltung des Elternprimats in Kindertageseinrichtungen Angesichts des Strukturwandels der Familie ist anerkannt, dass die Kindertageseinrichtung eine Sozialisationsfunktion erfüllt, die die Eltern heute nicht mehr erfüllen können.24 In diesem Zusammenhang hat das Bundesverfassungsgericht betont, dass die Betreuung im Kindergarten die Eltern und andere Erziehungsberechtigte bei der Erziehung beratend unterstützen, Kinder vor Gefahren für ihr Wohl schützen und dazu beitragen soll, positive Lebensbedingungen für Kinder und ihre Familien zu schaffen.25 Ausgehend vom Vorrang der elterlichen Verantwortung in der frühkindlichen Erziehung, die sich aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG ergibt, sollen die Fachkräfte der 18 BVerfG, Urteil vom 9. Februar 1982 - 1 BvR 845/79, in: NJW 1982, 1375. 19 BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 16. April 2002 - 1 BvR 279/02, in: Zentralblatt für Jugendrecht (ZfJ) 2002, 431-434. 20 Langenfeld, Christine, in: Dörr/Grote/Marauhn EMRK/GG Konkordanzkommentar, 2. Auflage 2013, Kapitel 24, Rn. 19. 21 Oppermann, Thomas, in: Handbuch des Staatsrechts VI, 2. Auflage 2001, § 139, Rn. 79. 22 Langenfeld, Christine, in: Dörr/Grote/Marauhn EMRK/GG Konkordanzkommentar, 2. Auflage 2013, Kapitel 24, Rn. 19. 23 Langenfeld, Christine, in: Dörr/Grote/Marauhn EMRK/GG Konkordanzkommentar, 2. Auflage 2013, Kapitel 24, Rn. 19. 24 Struck, Jutta, in: Wiesner, SGB VIII, Kinder und Jugendhilfe Kommentar, 5. Auflage 2015, § 24, Rn. 16. 25 Vgl. BVerfG, Beschluss vom 10. März 1998 - 1 BvR 178/97, in: Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht (NVwZ) 1998, 834. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 - 082/20 Seite 8 Kindertageseinrichtungen und die Eltern zusammenarbeiten. Wie diese Zusammenarbeit auszugestalten ist und wie die Eltern in der Erziehung und Bildung in Kindertageseinrichtungen zu beteiligen sind, ist bundesrechtlich und darüber hinaus landesrechtlich geregelt. 3.1. Bundeseinheitliche Regelungen Regelungen, die Kindertageseinrichtungen betreffen, werden vom Kompetenztitel der öffentlichen Fürsorge gemäß Art. 74 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 GG erfasst und gehören somit zum Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung, da der Schwerpunkt des Kindergartenwesens eine fürsorgende Betreuung mit dem Ziel einer Förderung sozialer Verhaltensweisen und damit präventiver Konfliktvermeidung ist.26 Im Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung können die Länder nur dann eigene Regelungen erlassen, wenn der Bund von seiner Gesetzgebungskompetenz keinen Gebrauch gemacht hat. Nach Art. 72 Abs. 2 GG hat der Bund auf dem Gebiet der öffentlichen Fürsorge nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 7 GG das Gesetzgebungsrecht, wenn und soweit die Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse oder die Wahrung der Rechts- oder Wirtschaftseinheit eine bundesgesetzliche Regelung erforderlich macht. Mit der Schaffung des Achten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB VIII)27 hat der Bund von seiner Gesetzgebungskompetenz Gebrauch gemacht. Nähere Bestimmungen zum Elternrecht in der Kindertageseinrichtung finden sich in SGB VIII. Gemäß § 1 Abs. 1 SGB VIII besteht ein Anspruch auf frühkindliche Bildung, Erziehung und Betreuung und nach § 24 SGB VIII konkret auf die Förderung in Kindertageseinrichtungen. In § 1 Abs. 2 SGB VIII findet sich eine Wiederholung des Wortlauts von Art. 6 Abs. 2 GG. Durch die starke Betonung des Erziehungsrechts der Eltern wird verdeutlicht, dass das Elternrecht auch gegenüber der öffentlichen Jugendhilfe Vorrang hat.28 Dies zeigt sich zudem darin, dass die Kinderund Jugendhilfe nach dem SGB VIII als Familienhilfe konzipiert ist.29 Nach § 9 Nr. 1 SGB VIII sind die von den Personenberechtigten bestimmten Grundrichtungen der Erziehung und die Rechte der Personenberechtigten zu beachten. Dabei ist unter dem Begriff Grundrichtung die religiöse , weltanschauliche, politische und insbesondere die pädagogische Ausrichtung der Erziehung zu verstehen.30 In bestimmten Fällen, insbesondere bei erzieherischen Hilfen, die in der Gruppe geleistet werden, lässt sich eine faktische Begrenzung des Elternrechts allerdings nicht vermeiden.31 Die Grundrichtung der Erziehung muss jedoch nicht in jedem Fall übernommen 26 BverfG, Beschluss vom 10. März 1998 - 1 BvR 178/97, in: NVwZ 1998, 834. 27 Achtes Buch Sozialgesetzbuch – Kinder und Jugendhilfe – in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. September 2012 (BGBl. I S. 2022), zuletzt geändert durch Artikel 3 Absatz 5 des Gesetzes vom 9. Oktober 2020 (BGBl. I S. 2075). 28 Winkler, Jürgen, in: Beck Online-Kommentar Sozialrecht, Stand: 1. September 2020, § 1, SGB VIII, Rn. 12. 29 Winkler, Jürgen, in: Beck Online-Kommentar Sozialrecht, Stand: 1. September 2020, § 1, SGB VIII, Rn. 12. 30 Tillmanns, Kerstin, in: Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 8. Auflage 2020, § 9 SGB VIII, Rn. 3. 31 Tillmanns, Kerstin, in: Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 8. Auflage 2020, § 9 SGB VIII, Rn. 3. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 - 082/20 Seite 9 werden, insbesondere, wenn diese gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen die guten Sitten verstößt. Für die Sicherung der Kontinuität des Erziehungsprozesses und zum Wohl der Kinder setzt § 22a Abs. 1 Nr. 1 SGB VIII eine Kooperation zwischen Eltern und Fachkräften der Kindertageseinrichtung voraus. Diese Zusammenarbeit ist im Hinblick auf die primäre Erziehungsverantwortung der Eltern von Bedeutung. Zwar wird das Elternrecht durch den fachlichen Arbeitsauftrag der Tageseinrichtung zum Teil relativiert, dieser Auftrag ist jedoch – anders als im Schulwesen – nicht mit einer gleichgeordneten staatlichen Erziehungsbefugnis verbunden.32 Darüber hinaus sieht § 22a Abs. 2 SGB VIII ausdrücklich eine Beteiligung der Eltern an den Entscheidungen in wesentlichen Angelegenheiten der Erziehung, Bildung und Betreuung vor. Diese Regelung ist wiederum Ausfluss der starken verfassungsrechtlichen Stellung der Eltern aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG. Zu den wesentlichen Angelegenheiten gehören insbesondere: Die Veränderung des pädagogischen Konzepts der Einrichtung, die Einstellung oder Kündigung von Fachkräften , die Ausgestaltung der Öffnungszeiten, die Festsetzung von Beiträgen sowie die Veränderung von Außenanlagen.33 Das SGB VIII sieht allerdings auch hier nur eine Rahmenverpflichtung vor, die im Landesrecht durch Ausführungsgesetze zu Kindertageseinrichtungen der Länder sowie Organisationsformen und Organe der Elternmitwirkung konkreter geregelt wird. Besteht aus Sicht des Bundes diesbezüglich Handlungsbedarf, so kann er unter der Voraussetzung der Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse oder der Wahrung der Rechts- oder Wirtschaftseinheit im gesamtstaatlichen Interesse darauf reagieren und entsprechende Änderungen oder Ergänzungen im SGB VIII vornehmen. 3.2. Elternbeteiligung auf Landesebene Jedes Bundesland hat ein eigenes Gesetz, welches die Art der Elternbeteiligung in Kindertagesstätten regelt. Daher sind die Mitwirkungsmöglichkeiten in Kindertageseinrichtungen von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich. Dabei sehen viele landesrechtliche Regelungen eine starke Beteiligung der Eltern in Kindertageseinrichtungen vor. So wird beispielsweise in § 14 des Berliner Kindertagesförderungsgesetzes (KitaFöG)34 festgelegt, dass die Fachkräfte der Kindertageseinrichtungen verpflichtet sind, die Eltern regelmäßig über die Entwicklung ihrer Kinder zu informieren und ihre Beteiligung an gemeinsamen Unternehmungen zu fördern. Danach sind die Eltern in Fragen der Konzeption und deren organisatorischer und pädagogischer Umsetzung in der Arbeit der Tageseinrichtungen zu beteiligen. Darüber hinaus regelt das Gesetz die Zusammensetzung und die Funktionsweise der Elternversammlung, Elternvertretung und Elternausschüsse. 32 Struck, Jutta, in: Wiesner SGB VIII, 5. Auflage 2015, § 22a, Rn. 6. 33 Winkler, Jürgen, in: Beck Online-Kommentar Sozialrecht, Stand: 1. September 2020, § 1, SGB VIII, Rn. 13. 34 Gesetz zur Förderung von Kindern in Tageseinrichtungen und Kindertagespflege vom 23. Juni 2005, zuletzt geändert durch Artikel 1 des Gesetzes vom 11. Juni 2020. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 - 082/20 Seite 10 Auch in Nordrhein-Westfalen wird den Eltern ein großes Mitspracherecht im Kita-Alltag gewährt . In Art. 8 der Verfassung für das Land Nordrhein-Westfalen (NRW-Landesverfassung)35 ist verankert, dass das natürliche Recht der Eltern, die Erziehung und Bildung ihrer Kinder zu bestimmen , die Grundlage des Erziehungs- und Schulwesens bildet. Nach § 2 Abs. 3 des Kinderbildungsgesetzes (KiBiz)36 haben das pädagogische Personal und die Kindertagespflegepersonen den Bildungs- und Erziehungsauftrag im regelmäßigen Dialog mit den Eltern durchzuführen und deren erzieherische Entscheidungen zu achten. Die konkrete Art der Elternmitwirkung durch Elternversammlungen und Elternbeiräte ist in §§10 ff. KiBiz geregelt. Vergleichbar stark ausdifferenziert sind u. a. das Brandenburgische KitaG37, das Hamburger Kibe G38, das KiföG Mecklenburg-Vorpommern39, das Niedersächsische KitaG40, das KiföGSachsen- Anhalt41, das KiTaG Schleswig-Holstein42 und das ThürKigaG Thüringen43. 35 Verfassung für das Land Nordrhein-Westfalen vom 28. Juni 1950, zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes vom 30. Juni 2020 (GV. NRW S.644). 36 Gesetz zur frühen Bildung und Förderung von Kindern vom 1. August 2008, zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes vom 3. Dezember 2019 (GV. NRW 2019 S. 894). 37 Zweites Gesetz zur Ausführung des Achten Buches des Sozialgesetzbuches – Kinder- und Jugendhilfe vom 27. Juni 2004 (GVBl. I S.384), zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes zur Qualitäts- und Teilhabeverbesserung in der 7. Legislaturperiode in der Kinder- und Jugendhilfe vom 25. Juni 2020 (GVBl. I Nr. 18). 38 Hamburger Kinderbetreuungsgesetz vom 27. April 2004 (HmbGVBl. S.211), zuletzt geändert durch Neuntes Gesetz zur Änderung des Hamburger Kinderbetreuungsgesetzes vom 27. November 2019 (HmbGVBl. S.404). 39 Gesetz zur Einführung der Elternbeitragsfreiheit, zur Stärkung der Elternrechte und zur Novellierung des Kindertagesförderungsgesetzes Mecklenburg-Vorpommern vom 4. September 2019 (GVOBl. M-V S.558). 40 Gesetz über Tageseinrichtungen für Kinder vom 7. Februar 2002 (Nds. GVBl. S.57), zuletzt geändert durch Art. 7 des Gesetzes zur Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes in Niedersachsen vom 24. Oktober 2019 (Nds. GVBl. S. 300). 41 Gesetz zur Förderung und Betreuung von Kindern in Tageseinrichtungen und in Tagespflege des Landes Sachsen -Anhalt (GVBl. LSA S.48), zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes zur Weiterentwicklung der Qualität und zur Teilhabe in der Kindertagesbetreuung vom 16. Januar 2020 (GVBl. LSA S.2). 42 Gesetz zur Förderung von Kindern in Tageseinrichtungen und Tagespflegestellen vom 12. Dezember 1991 (GVOBl. Schl.-H. S.651), zuletzt geändert durch Art. 26 des Gesetzes zur Änderung schul- und hochschulrechtlicher Vorschriften vom 8. Mai 2020 (GVOBl. Schl.-H. S. 220). 43 Thüringer Gesetz über die Bildung, Erziehung und Betreuung von Kindern in Kindergärten, anderen Kindertageseinrichtungen und in der Kindertagespflege als Ausführungsgesetz zum Achten Buch Sozialgesetzbuch vom 18. Dezember 2017 (GVBl. S. 276), zuletzt geändert durch Art. 11 Thüringer Covid-19-Pandemiegesetzes vom 11. Juni 2020 (GVBl. S. 277). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 - 082/20 Seite 11 In einigen Ländern gibt es demgegenüber allgemein gehaltene Regelungen für die elterliche Mitwirkung . So ist in § 2 des KiTaG44 Baden-Württemberg relativ abstrakt geregelt, dass die Tageseinrichtungen die Erziehung und Bildung des Kindes in der Familie unterstützen und ergänzen sollen. Ähnlich verhält es sich mit der Rechtslage in Bayern. Zwar ist nach der Verfassung des Freistaates Bayern der Wille der Eltern für die Erziehung ausschlaggebend. Die Regelungen zur Mitwirkung der Eltern im BayKiBiG45 sind jedoch abstrakt. Daneben gibt es Landesgesetze, die den Rahmen zwar klar definieren, den Trägern der Kitas jedoch einen höheren Ausgestaltungsspielraum lassen. Darunter fallen das KitaG Rheinland- Pfalz46, das saarländische SKBBG47, das KitaG Sachsen48, das HKJGB Hessen49 und das Bremische BremKTG.50 In allen Vorschriften ist jedoch übereinstimmend festgelegt, dass die Kita mit den Eltern zusammenarbeiten und diese über wesentliche Entscheidungen informieren solle.51 Die Mitbestimmung und Beteiligung der Eltern wird in der Regel in allen Bundesländern in Form von Elternbeiräten, Elternversammlungen, Elternausschüssen oder Elternvertretungen gewährleistet , wobei die konkreten Bezeichnungen, Rechte und der Umfang der Beteiligung je nach Bundesland variieren. Im Rahmen dieser Beteiligungsformen haben die Eltern ein Anhörungs- und Beratungsrecht bei wesentlichen Entscheidungen in der Kita. Dies bedeutet, dass ein regelmäßiger Austausch mit den Eltern stattfinden muss. 44 Gesetz über die Betreuung und Förderung von Kindern in Kindergärten, anderen Tageseinrichtungen und der Kindertagespflege vom 19. März 2009 (GBl. S. 161), zuletzt geändert durch Art. 28 des Gesetzes zum Abbau verzichtbarer Formerfordernisse vom 11. Februar 2020 (GBl. S. 37). 45 Bayerisches Gesetz zur Bildung, Erziehung und Betreuung von Kindern in Kindergärten, anderen Kindertageseinrichtungen und in Tagespflege vom 8. Juli 2005 (GVBl. S. 236), zuletzt geändert durch § 1 des Gesetzes vom 23. Dezember 2019 (GVBl. S. 743) und § 2 des Gesetzes vom 23. Dezember 2019 (GVBl. S. 747). 46 Kindertagesstättengesetz vom 15. März 1991 (GVBl. S. 79), zuletzt geändert durch Art. 3 des Gesetzes vom 3. September 2019 (GVBl. S. 213). 47 Saarländisches Kinderbetreuungs- und bildungsgesetz vom 18. Juni 2008 (Amtsbl. S. 1254), zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes zur Änderung des saarländischen Kinderbetreuungs- und bildungsgesetzes und weiterer Vorschriften vom 19. Juni 2019 (Amtsbl. I S. 564). 48 Gesetz über Kindertageseinrichtungen vom 15. Mai 2009 (SächsGVBl. S. 225), zuletzt geändert durch Art. 22 des Gesetzes vom 14. Dezember 2018 (SächsGVBl. S. 782). 49 Hessisches Kinder- und Jugendhilfegesetzbuch vom 18. Dezember 2006 (GVBl. I S. 698), zuletzt geändert durch Art. 1, 2 des Sechsten Änderungsgesetzes vom 25. Juni 2020 (GVBl. S. 436). 50 Bremisches Gesetz zur Förderung von Kindern in Tageseinrichtungen und in Tagespflege vom 19. Dezember 2000 (Brem.GBl. S. 491), zuletzt geändert durch Art.1 des Gesetzes vom 5. März 2019 (Brem. GBl. S. 76). 51 Eylert, Andreas, Elternmitbestimmung in der Kita: Rechtliche Rahmenbedingungen und institutionalisierte Formen , in: Erziehungs- und Bildungspartnerschaften, 2012, S. 191. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 - 082/20 Seite 12 4. Die Träger von Kindertageseinrichtungen Gemäß § 22 Abs. 3 SGB VIII haben die Träger der Kindertageseinrichtungen den Auftrag zur Erziehung , Bildung und Betreuung des Kindes. Inhaltlich konkretisierende Vorgaben sind jedoch nicht geregelt. Aufgrund des Landesrechtsvorbehalts nach § 26 SGB VIII wird die Konkretisierung den Ländern überlassen. Das SGB VIII verlangt lediglich, dass die Entwicklung des Kindes zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit gefördert wird. Zwar finden sich im § 22a SGB VIII einige Hinweise zur inhaltlichen Ausgestaltung des Förderauftrages , diese gelten jedoch nur für die Träger der öffentlichen Jugendhilfe. Insofern muss hier zwischen Träger der öffentlichen und freien Jugendhilfe differenziert werden. 4.1. Öffentliche und freie Jugendhilfe Die Eltern haben gemäß § 5 SGB VIII ein Wunsch- und Wahlrecht im Hinblick auf die Kindertageseinrichtung . Dieses Recht der Eltern bildet die Grundlage der Gestaltungsfreiheit der Träger. Damit sollen die Eltern die Möglichkeit haben, eine Kindertagesstätte nach ihrer Wertorientierung zu wählen. Zur Umsetzung dieses Rechts legt § 3 Abs. 1 SGB VIII fest, dass die Erziehung, Bildung und Betreuung in der Kindertageseinrichtung durch die Vielfalt von Trägern unterschiedlicher Wertorientierung und die Vielfalt von Inhalten, Arbeitsmethoden- und Formen geprägt ist. So orientieren sich manche Einrichtungen an den Grundsätzen der Waldorfpädagogik, der Freinet-Pädagogik oder an der Fröbelpädagogik. Daneben gibt es Musikkindergärten, Bewegungskindergärten oder Waldkindergärten. Welche Träger der öffentlichen Jugendhilfe zuzurechnen sind, regelt das Landesrecht. In der Regel sind es die kreisfreien Städte oder die Landkreise.52 Freie Jugendhilfe hingegen umfasst auch nicht anerkannte sowie nicht mit öffentlichen Mitteln geförderte Träger. Die wichtigsten Beispiele für Träger der freien Jugendhilfe sind Kirchen und Religionsgemeinschaften, Jugendverbände, Jugendgruppen, Selbsthilfegruppen und privatgewerbliche freie Träger.53 4.2. Gestaltungsfreiheit und Zusammenarbeit von Trägern der Jugendhilfe Die inhaltliche Gestaltungsfreiheit der freien Jugendhilfe folgt aus § 4 Abs. 1 Satz 2 SGB VIII. Danach hat die öffentliche Jugendhilfe die Selbständigkeit der freien Jugendhilfe in Zielsetzung und Durchführung ihrer Aufgaben sowie in der Gestaltung ihrer Organisationsstruktur zu achten. So sind die Träger der freien Jugendhilfe in der Bestimmung ihres Tätigkeitsbereichs und der Ausgestaltung der Leistungen unabhängig.54 Zwar sollen die Träger der öffentlichen Jugendhilfe die Realisierung des Förderungsauftrags in den Einrichtungen anderer Träger durch entsprechende Maßnahmen sicherstellen. Auch hier schreibt das SGB VIII aber nicht vor, wie die Sicherstellung im konkreten Fall erfolgen soll. Aufgrund der inhaltlichen Gestaltungsfreiheit der Träger wäre die Schaffung eines Maßnahmenkatalogs zur Sicherstellung der Realisierung des Förderungsauftrags auch nicht möglich. Der Gesetzgeber kann im Hinblick auf die Selbständigkeit der freien Ju- 52 Winkler, Jürgen, in: Beck Online-Kommentar Sozialrecht, Stand: 1. September 2020, § 4, Rn. 1. 53 Winkler, Jürgen, in: Beck Online-Kommentar Sozialrecht, Stand: 1 September 2020, § 3, Rn. 4. 54 Wiesner, Reinhard, in: Wiesner, SGB V III, Kinder und Jugendhilfe Kommentar, 5. Auflage 2015, § 3, Rn. 13. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 - 082/20 Seite 13 gendhilfe nur den Träger der Verwaltung zur Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben einseitig verpflichten .55 Dies wird in der Gesetzessystematik deutlich. Alle Leistungspflichten, die durch das SGB VIII begründet werden, richten sich gemäß § 3 Abs. 2 Satz 2 SGB VIII nur an die Träger der öffentlichen Jugendhilfe. Das SGB VIII sieht eine Zusammenarbeit der öffentlichen mit der freien Jugendhilfe vor, vgl. hierzu § 4 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII. Die partnerschaftliche Zusammenarbeit von öffentlicher und privater Jugendhilfe soll auf der Ebene der Gleichordnung erfolgen.56 Die freie Jugendhilfe erbringt dabei eine staatlich zu verantwortende Leistung. Sie ist dennoch selbständig und agiert nicht als Beliehene oder Erfüllungsgehilfin des Staates.57 Das Prinzip der Gleichordnung ist nicht absolut und auch nicht verfassungsrechtlich vorgegeben .58 Im gesetzessystematischen Zusammenhang wird es indes an mehreren Stellen im Zuge wächteramtlicher Aufgabenwahrnehmung, insbesondere durch die Gesamtverantwortung des öffentlichen Trägers nach § 79 SGB VIII, relativiert. Der öffentliche Träger hat stets zu prüfen, welche Einrichtungen und Veranstaltungen für das Angebot der Jugendhilfe nach den örtlichen Verhältnissen erforderlich sind und ob sie ausreichend zur Verfügung stehen.59 Dies wird durch seine freien Träger gegenüber bestehenden Gestaltungsrechten zur Abwehr von Kindeswohlgefährdungen , §§8a, 72a SGB VIII, und durch Vorkehrungen bei der Sicherstellung der Förderziele in Kindertageseinrichtungen nach § 22 Abs. 5 SGB VIII legitimiert. 5. Fazit Bereits aus der Verfassung lässt sich ein Recht der Eltern auf Mitwirkung in Kindertageseinrichtungen ableiten. Dieses Recht wird in diversen Gesetzen und Regelungen ausdifferenziert. So werden die bundesrechtlichen Vorgaben des SGB VIII in landesrechtlichen Regelungen der Bundesländer konkretisiert. Zwar werden die Mitwirkungsrechte der Eltern in den Ländern unterschiedlich stark geregelt. Die Kindertageseinrichtungen sind aber nach allen landesrechtlichen Vorschriften verpflichtet, mit den Eltern zusammenzuarbeiten und diese über wichtige Entscheidungen zu informieren. In den meisten Kita-Gesetzen der Länder ist die Beteiligung der Eltern an wesentlichen Entscheidungen ausdrücklich geregelt. Danach sind die Eltern insbesondere in Fragen der Konzeption und deren organisatorischer und pädagogischer Umsetzung in der Arbeit der Kindertageseinrichtung zu beteiligen. Die tatsächliche Mitwirkung der Eltern erfolgt meist über Elternbeiräte, Elternversammlungen und andere stellvertretende Beteiligungsformen. *** 55 Wiesner, Reinhard, in: Wiesner, SGB V III, Kinder und Jugendhilfe Kommentar, 5. Auflage 2015, § 3, Rn. 14. 56 Tillmanns, Kerstin, in: Münchener Kommentar zum BGB, 8. Auflage 2020, § 4 SGB VIII, Rn. 3. 57 BVerfG, Urteil vom 18. Juli 1967 - 2 BvF 3/62; 2 BvF 4/62; 2 BvF 5/62; 2 BvF 6/62; 2 BvF 7/62; 2 BvF 8/62; 2 BvR 139/62; 2 BvR 140/62; 2 BvR 334/62; 2 BvR 335/62, in: NJW 1967, 1795. 58 Luthe, Ernst-Wilhelm, in: Schlegel/Voelzke Juris Praxiskommentar SGB VIII, § 4, Rn. 15. 59 Luthe, Ernst-Wilhelm, in: Schlegel/Voelzke Juris Praxiskommentar SGB VIII, § 4, Rn. 16.