© 2019 Deutscher Bundestag WD 9 - 3000 - 081/18 Zur Frage gesundheitlicher Risiken durch quartäre Ammoniumverbindungen Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 - 081/18 Seite 2 Zur Frage gesundheitlicher Risiken durch quartäre Ammoniumverbindungen Aktenzeichen: WD 9 - 3000 - 081/18 Abschluss der Arbeit: 6. November 2018 Fachbereich: WD 9: Gesundheit, Familie, Senioren, Frauen und Jugend Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 - 081/18 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Überblick über konkrete Verbindungen 4 3. Eigenschaften und Verwendungsmöglichkeiten 5 3.1. Oberflächenaktive Produkte (z.B. Weichspüler) 5 3.2. Biozide Produkte (z.B. Desinfektionsmittel) 6 4. Rechtslage zur Verwendung von chemischen Stoffen 7 4.1. Rechtsgrundlagen auf EU-Ebene (REACH-, Biozid- und weitere Verordnungen) 7 4.2. Rechtsgrundlagen in Deutschland und zuständige Bewertungsstellen 9 4.3. Aktuelle Rechtslage für ausgewählte Verbindungen 10 5. Zur Risikobewertung 11 5.1. Wege der Exposition 11 5.1.1. Orale Aufnahme (QAV in Lebensmitteln) 11 5.1.2. Aufnahmen über die Haut und über Schleimhäute (QAV in Reinigungs- und medizinischen Produkten) 12 5.1.3. QAV in Luft und Umwelt 13 5.2. Zur Risikobewertung bei Aufnahme durch den Menschen 13 5.2.1. Benzalkoniumchloride (BAC) 13 5.2.2. Didecyldimethylammoniumchlorid (DDAC) 14 5.2.3. Chlormequat 16 5.3. Zu weiteren möglichen Risiken durch QAV 16 6. Weiterführender Beitrag zum Überblick über mögliche Auswirkungen 17 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 - 081/18 Seite 4 1. Einleitung Quartäre1 Ammoniumverbindungen (QAV) sind Verbindungen aus mehreren Atomen. Sie sind im chemischen Sinne organisch, beruhen also auf der Bindung mit Kohlenstoff. Charakterisiert werden QAV durch ein zentrales Stickstoffatom mit vier Bindungen, wobei die, an das Stickstoffatom gebundenen, kleineren Teile aus Kohlenstoff- und anderen Atomen bestehen.2 QAV finden in vielen Produkten des Alltags Verwendung, ohne dass dies für den Verbraucher oder auch für den produzierenden oder vertreibenden Unternehmer stets erkennbar ist.3 Dabei kommt es auf unterschiedlichen Wegen zu einer Einwirkung auf den Menschen. Öffentliche Aufmerksamkeit erhielten QAV u. a., als 2012 Rückstände dieser Stoffe in Speiseeis gefunden wurden . Diese Funde wurden zurückgeführt auf die Reinigung der Herstellungsgeräte mit QAV-haltigen Produkten und eine fehlende ausreichende Nachreinigung. Dadurch hätten sich die Reinigungsrückstände mit den Produktionsstoffen vermischt und seien so in das Speiseeis gelangt.4 Der Sachstand befasst sich auftragsgemäß mit den gesundheitlichen Folgen, die QAV-haltige Produkte für den Menschen bedeuten könnten. Dafür stellt die Arbeit die Rechtslage für den Umgang mit QAV dar, zeigt die Wege auf, durch die der Mensch diese Stoffe aufnehmen kann und stellt wissenschaftliche Arbeiten zur Risikobewertung von QAV vor. Die Risikobewertung unterliegt dabei der Schwierigkeit, dass unter QAV viele konkrete, sich in ihrem Aufbau unterscheidende Verbindungen zu fassen sind, die einen unterschiedlichen Grad der Wirksamkeit gegenüber unterschiedlichen Lebewesen haben können. Unsicherheitsfaktoren für die endgültige Bewertung können auch daraus resultieren, dass QAV in der Praxis i. d. R. mit Wasser oder anderen Stoffen gemischt sind. 2. Überblick über konkrete Verbindungen Zu den QAV werden u. a. folgende konkrete Verbindungen gezählt: Didecyldimethylammoniumchlorid (DDAC; CAS Nr. 7173-51-5/ EC Nr. 230-525-2), 1 Mitunter werden diese Stoffe auch als quaternäre Ammoniumverbindungen bezeichnet. Das ist u. a. auf die englische Bezeichnung als „quaternary ammonium compound“ zurückzuführen, in seiner deutschen Bedeutung aber nicht exakt. Während das Wort „quaternär“ eine Gesamtheit beschreibt, die aus vier Teilen besteht, beschreibt „quartär“ die zentrale Stellung eines Atoms mit vier Bindungen. 2 Siehe dazu: RÖMPP-Redaktion, quartäre Ammonium-Verbindungen, Februar 2013, https://roempp .thieme.de/roempp4.0/do/data/RD-17-00088 (Dieser und die folgenden Links wurden zuletzt abgerufen am 6. November 2018); Auszug aus Munzinger Online/Duden - Das große Fremdwörterbuch, 4. Auflage, Berlin 2007, aufzurufen über https://www.munzinger.de/search/query?query.id=query-duden. 3 Feld, Herbert, Problematische Verbreitung von quartären Ammoniumverbindungen in Alltagsprodukten, in: Oberflächen POLYSURFACES Nr. 05/2016, http://www.polymedia.ch/OP/Articles/view/306. 4 Über diesen Fall berichteten etwa: Blum-Rieck, Ursula/Schüle, Eberhard/Gronbach, Inge, Chemisches und Veterinäruntersuchungsamt Stuttgart, Desinfektionsmittelrückstände in Speiseeis, http://www.cvuas.de/pub/beitrag .asp?subid=1&Thema_ID=2&ID=1595. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 - 081/18 Seite 5 Benzalkoniumchloride (BAC)5, die wiederum ein Gemisch aus unterschiedlichen Verbindungen bezeichnen und zu denen auch o das Alkyl (C12-14) dimethylbenzylammoniumchlorid (ADBAC[C12-14]; CAS Nr. 85409-22-9/ EC Nr. 939-350-2 und 287-089-1), o das Alkyl (C12-16) dimethylbenzylammoniumchlorid (ADBAC[C12-16]; CAS Nr. 68424-85-1/ EC Nr. 270-325-2), o das Alkyl (C12-18) dimethylbenzylammoniumchlorid (ADBAC[C12-18]; CAS Nr. 68391-01-5/ EC Nr. 269-919-4) gehören sowie Chlormequat (CAS Nr. 999-81-5). Etliche weitere QAV sind über das Suchportal der European Chemicals Agency (ECHA) zu finden .6 In den nachfolgenden Ausführungen wird anstelle der genauen Bezeichnung der Verbindungen die o. g. Abkürzung verwendet. 3. Eigenschaften und Verwendungsmöglichkeiten Die Wirkung von QAV wird anhand von Beispielen aus der Praxis aufgezeigt. 3.1. Oberflächenaktive Produkte (z.B. Weichspüler) QAV sind teilweise oberflächenaktiv. Das bedeutet, sie setzen die Oberflächenspannung einer Flüssigkeit oder die Grenzflächenspannung zweier Stoffe herab. So können oberflächenaktive Verbindungen das Vermischen von Wasser und Öl ermöglichen oder das Entstehen von Tropfen auf einer Oberfläche vermeiden und stattdessen das Abfließen auch kleiner Wassermengen ermöglichen . Der Aufbau solcher Verbindungen weist einen wasseranziehenden und einen wasserabstoßenden Teil auf. Dadurch setzen sich diese Verbindungen stets an der Grenzfläche von Wasser ab, durchbrechen damit diese und die anliegende Grenzfläche und reduzieren so die Oberflächenspannung zwischen den Stoffen.7 Aufgrund dieser Eigenschaft werden QAV mitunter in Weichspülern oder Shampoos benutzt.8 Das liegt zum einen an der oben erklärten Fähigkeit, Fette leichter aufzulösen. Zudem legen sie sich während des Waschvorganges auf die Fasern der Kleidungsstücke und verhindern auf diese Art das Entstehen festerer Verbindungen zwischen den einzelnen Fasern. Nach dem Waschen reduzieren sie so die Reibung, die zwischen den einzelnen Fasern besteht und sorgen damit für ein 5 Unter dem Begriff Benzalkoniumchloride werden auch die Stoffe mit den CAS Nr. 8001-54-5 und 63449-41-2 geführt. 6 Über 400 Einträge sind über die Suche nach „quaternary ammonium compound“ zu finden unter: https://echa.europa.eu/de/home. 7 RÖMPP-Redaktion, quartäre Ammonium-Verbindungen, Februar 2013, https://roempp.thieme.de/roempp 4.0/do/data/RD-17-00088; Behler, Ansgar/ RÖMPP-Redaktion, Tenside, Dezember 2007, https://roempp .thieme.de/roempp4.0/do/data/RD-20-00650. 8 Institut für Produktqualität, Quartäre Ammoniumverbindungen, https://www.produktqualitaet.com/de/lebensmittel /rueckstaende/quartaere-ammoniumverbindungen.html. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 - 081/18 Seite 6 weicheres Gefühl der Wäsche. Zugleich ist ihre positive Ladung dazu geeignet, das ungewollte Aufladen der Fasern zu verhindern.9 3.2. Biozide10 Produkte (z.B. Desinfektionsmittel) Ihre oberflächenaktive Wirkung befähigt diese QAV, sich an die Zellmembran von Lebewesen zu heften, wodurch diese durchlässig wird und ihre Funktion verliert. Dadurch entsteht eine desinfizierende , keimabtötende Wirkung. Zur Desinfektion werden QAV in einem breiten Anwendungsbereich verwendet. Der Wirkstoff wird zu diesem Zweck in Krankenhäusern, bei der Lebensmittelverarbeitung und in der Industrie benutzt.11 Dort werden nicht nur die Böden, sondern auch das Operationsbesteck und Untersuchungsinstrumente, die Produktionsmaschinen sowie andere Geräte mit Hilfe von QAV gereinigt. Auch pharmazeutische Produkte können QAV enthalten , als Konservierungsmittel in Nasensprays oder als Wirkstoff in chemischen Verhütungsmitteln .12 Im medizinischen Bereich können QAV auch als Antiseptika gegen oberflächliche Verbrennungen , in Wundsalben und in Mund-und-Hand-Spülungen Anwendung finden.13 QAV können auch dem präventiven Schutz vor dem Befall mit Bakterien oder Lästlingen dienen und bspw. als Pflanzenschutzmittel/Pflanzenstärkungsmittel und Dünger14, oder auch als Wirkstoff in Chemie-Toiletten15 genutzt werden. QAV finden auch in zahnärztlichen Produkten, so etwa in Materialien zur Behandlung des Zahninneren oder in Klebesystemen, Verwendung.16 9 Eine Erklärung dazu findet sich auch auf spektrum.de, dem Onlineauftritt der Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH: Jeschke, Rainer, Wie spülen Weichspüler weich?, https://www.spektrum.de/frage/wiespuelen -weichspueler-weich/600499. 10 Biozide sind Mittel, die gegen schädliche oder lästige Lebewesen, Pilze, Algen und Bakterien eingesetzt werden (Umweltbundesamt, Biozide, https://www.umweltbundesamt.de/themen/chemikalien/biozide). 11 Siehe dazu die Ausführungen des Österreichischen Umweltbundesamtes von 2005: Uhl, Maria/Gans, Oliver u. a., Grundlagen zur Risikoabschätzung für quaternäre Ammoniumverbindungen, Umweltbundesamt Berichte BE- 271, Wien 2005, S. 5, http://www.umweltbundesamt.at/fileadmin/site/publikationen/BE271.pdf. 12 Einen Überblick über die vielfältigen Anwendungen von QAV bietet Feld, Herbert, Problematische Verbreitung von quartären Ammoniumverbindungen in Alltagsprodukten, in: Oberflächen POLYSURFACES Nr. 05/2016, http://www.polymedia.ch/OP/Articles/view/306. 13 Lachapelle, Jean-Marie, A comparison of the irritant and allergenic properties of antiseptics, in: European Journal of Dermatology, January 2014/ 24-1, S. 3-9, https://link.springer.com/content /pdf/10.1684%2Fejd.2013.2198.pdf. 14 Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit, Rückstände von quartären Ammoniumverbindungen in Lebensmitteln vom 2. Juli 2012, https://www.bvl.bund.de/DE/04_Pflanzenschutzmittel/06_Fachmeldungen /2012/Rueckstaende_Ammonium.html. 15 Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage – Drucksache 13/5250 – vom 24. Juli 1996, BT-Drs. 13/5335, S. 2, http://dipbt.bundestag.de/doc/btd/13/053/1305335.pdf. 16 Siehe dazu: Zhang, Yu/Chen, Yinyan u. a., Quaternary ammonium compounds in dental restorative materials, in: Dental Materials Journal 2018, 37(2), S. 183-191, https://www.jstage.jst.go.jp/article/dmj/37/2/37_2017- 096/_pdf/-char/en. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 - 081/18 Seite 7 4. Rechtslage zur Verwendung von chemischen Stoffen Bei der Betrachtung der möglichen Risiken einer Verwendung von QAV stellt sich die Frage nach deren rechtlicher Behandlung. Die Verwendung von chemischen Stoffen im Allgemeinen und QAV im Besonderen ist durch ein dichtes Netz an Rechtssätzen geregelt. Die Verwendung chemischer Stoffe in Produkten und die Folgen für den Menschen sind Gegenstand diverser Regelungen auf EU- und nationaler Ebene. Die Verfahren zur Zulassung und Genehmigung der Wirkstoffe laufen zum Teil noch. Auch außerhalb des Anwendungsbereichs der EU-Verordnungen bleiben Unternehmen für ihre Produkte in der Verantwortung. Ein Produzent haftet für das Verwenden chemischer Stoffe und dessen Folgen z.B. nach dem Produkthaftungsgesetz und dem Strafgesetzbuch, abhängig von der Pflichtverletzung und den Folgen.17 4.1. Rechtsgrundlagen auf EU-Ebene (REACH-, Biozid- und weitere Verordnungen) Werden innerhalb der EU chemische Stoffe oder Produkte, die solche Stoffe enthalten, hergestellt oder importiert und übersteigt der Umfang des genutzten Stoffes im Gesamtgewicht dabei eine Tonne, dann muss der Hersteller oder der Importeur diesen Stoff registrieren, Artikel 6 und 7 der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 (REACH-Verordnung)18. Die Aufsicht über das Verfahren hat die Europäische Chemikalienagentur (ECHA), Artikel 75 ff. REACH-Verordnung. Die Bewertung der Stoffe wird durch die zuständige Behörde eines Mitgliedsstaates vorbereitet, Artikel 44 ff. REACH-Verordnung.19 Daneben werden besonders besorgniserregende Stoffe auf eine sogenannte Kandidatenliste gesetzt , Artikel 59 REACH-Verordnung. Von dieser Kandidatenliste werden einzelne Stoffe anschließend geprüft und in Anhang XIV der REACH-Verordnung aufgenommen. Stoffe, die in Anhang XIV der REACH-Verordnung aufgeführt sind, unterliegen einem Verbot zur Verwendung und zum Inverkehrbringen, es sei denn, für die konkrete Verwendung wird eine Zu- 17 Zur Produkthaftung findet sich eine kurze Einführung auf der Seite der IHK Pfalz, Recht - Produkthaftung nach dem Produkthaftungsgesetz, abzurufen unter: https://www.pfalz.ihk24.de/recht/recht/Produkthaftungnachdem- ProdHaftG/1274084. 18 Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Dezember 2006 zur Registrierung , Bewertung, Zulassung und Beschränkung chemischer Stoffe (REACH), zur Schaffung einer Europäischen Chemikalienagentur, zur Änderung der Richtlinie 1999/45/EG und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 793/93 des Rates, der Verordnung (EG) Nr. 1488/94 der Kommission, der Richtlinie 76/769/EWG des Rates sowie der Richtlinien 91/155/EWG, 93/67/EWG, 93/105/EG und 2000/21/EG der Kommission (ABl. L 396 S. 1, ber. 2007 L 136 S. 3[4]) Celex-Nr.3 2006 R 1907, zuletzt geändert durch ÄndVO (EU) Nr. 2018/1513 vom 10. Oktober 2018 (ABl. L 256 S. 1). Die Verordnung kann abgerufen werden unter: http://data.europa .eu/eli/reg/2006/1907/oj. 19 Eine Einleitung und Übersicht zu diesem Verfahren ist zu finden bei: Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin , Die REACH-Verordnung, https://www.baua.de/DE/Themen/Anwendungssichere-Chemikalienund -Produkte/Chemikalienrecht/REACH/REACH.html. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 - 081/18 Seite 8 lassung erteilt oder es liegen andere Ausnahmen vor, Artikel 56 ff. REACH-Verordnung. Beschränkungen für die Verwendung einzelner Stoffe finden sich in Anhang XVII der REACH-Verordnung , siehe dazu die Artikel 67 ff. REACH-Verordnung. Für Biozidprodukte gilt die speziellere Verordnung (EU) Nr. 528/2012 (Biozid-Verordnung)20. Biozidprodukte und ihre Wirkstoffe bedürfen dabei gem. Artikel 17 Absatz 1 und 19 Absatz 1 lit. a) der Biozid-Verordnung einer Zulassung bzw. Genehmigung. Die Genehmigung des Biozidwirkstoffes erfolgt auf europäischer Ebene durch die Europäische Kommission, die sich auf die Bewertung des Wirkstoffes durch die zuständige Behörde eines Mitgliedsstaates und die Stellungnahme der ECHA stützt, siehe dazu Art. 7 ff. Biozid-Verordnung. Die Zulassung des konkreten Biozidprodukts kann dann auf nationaler Ebene vorgenommen werden, Art. 17 Biozid-Verordnung .21 Pflanzenschutzmittel werden nach der Verordnung (EG) Nr. 1107/200922 zugelassen. Dem anfangs als Pflanzenschutzmittel zugelassenen DDAC wurde diese Zulassung wieder entzogen, womit derzeit DDAC und BAC keine zugelassenen Wirkstoffe für Pflanzenschutzmittel darstellen. Die Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung eines chemischen Stoffes wird durch die Verordnung (EU) Nr. 1272/2008 (CLP-Verordnung)23 geregelt.24 20 Verordnung (EU) Nr. 528/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2012 über die Bereitstellung auf dem Markt und die Verwendung von Biozidprodukten (ABl. L 167, S. 1). Die Verordnung kann abgerufen werden unter: http://data.europa.eu/eli/reg/2012/528/oj. 21 Eine Einleitung und Übersicht zu diesem Verfahren ist zu finden bei: Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin , Die Biozid-Verordnung, https://www.baua.de/DE/Themen/Anwendungssichere-Chemikalienund -Produkte/Chemikalienrecht/Biozide/Biozide.html. 22 Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Oktober 2009 über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln und zur Aufhebung der Richtlinien 79/117/EWG und 91/414/EWG des Rates (ABl. L 309, S. 1), zuletzt geändert durch Verordnung (EU) Nr. 2018/605 vom 19. April 2018 (ABl. L 101, S. 33). Die Verordnung kann abgerufen werden unter: https://eur-lex.europa.eu/eli/reg/2009/1107/oj. 23 Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über die Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung von Stoffen und Gemischen, zur Änderung und Aufhebung der Richtlinien 67/548/EWG und 1999/45/EG und zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 (ABl. L 353, S. 1), zuletzt geändert durch Verordnung (EU) Nr. 2018/1480 vom 4. Oktober 2018 (ABl. L 251, S. 1). Die Verordnung kann abgerufen werden unter: http://data.europa.eu/eli/reg/2008/1272/oj. 24 Eine Einleitung und Übersicht zu den Einstufungen nach der CLP-Verordnung ist zu finden bei: Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin, Die CLP-Verordnung, https://www.baua.de/DE/Themen/Anwendungssichere -Chemikalien-und-Produkte/Chemikalienrecht/CLP/CLP_node.html (mit weiteren Verweisen). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 - 081/18 Seite 9 Die zulässige Auswirkung der Anwendung von Pestiziden auf Lebensmittel regelt die Verordnung (EG) Nr. 396/200525 in Form von Rückstandshöchstgehalten, die durch Produkte nicht überschritten werden dürfen. Für nicht explizit aufgeführte Pestizide gilt dabei der Standardwert für den Rückstandshöchstgehalt aus Artikel 18 Absatz 1 lit. b) von 0,01 mg/kg. Finden sich Rückstände eines Pestizids in einer höheren Menge in den in Anhang I der Verordnung aufgeführten Erzeugnissen, ist eine Verarbeitung zu Lebens- oder Futtermitteln verboten, Artikel 19 der Verordnung . Um gerade auch kleinen Unternehmen das Verständnis der Rechtslage unter diesen Verordnungen zu erleichtern, sieht die REACH-Verordnung die Etablierung nationaler Helpdesks vor. In Deutschland ist dieser sogenannte REACH-CLP-Biozid Helpdesk bei der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin eingerichtet. Er beantwortet als zentrale Stelle alle Fragen zur Registrierung, Bewertung, Zulassung, Einstufung und Kennzeichnung von chemischen Stoffen. Zugleich informiert er über die Umsetzung der Verordnungen.26 4.2. Rechtsgrundlagen in Deutschland und zuständige Bewertungsstellen In Deutschland sind die obigen Verordnungen unmittelbar geltendes Recht, das durch das Gesetz zum Schutz vor gefährlichen Stoffen (ChemG) 27 komplettiert wird. Folgende Stellen sind nach § 4 ChemG mit der Bewertung und Zulassung von Chemikalien befasst: die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin, als Bundesstelle für Chemikalien der Fachaufsicht des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit und als Bewertungsstelle für Sicherheit und Gesundheitsschutz der Beschäftigten der Fachaufsicht des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales unterliegend, das Umweltbundesamt als Bewertungsstelle Umwelt und das Bundesinstitut für Risikobewertung, als Bewertungsstelle Gesundheit und Verbraucherschutz mit der Fachaufsicht durch das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit. 25 Verordnung (EG) Nr. 396/2005 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Februar 2005 über Höchstgehalte an Pestizidrückständen in oder auf Lebens- und Futtermitteln pflanzlichen und tierischen Ursprungs und zur Änderung der Richtlinie 91/414/EWG des Rates (ABl. L 70, S. 1), zuletzt geändert durch Verordnung (EU) Nr. 2018/1049 vom 25. Juli 2018 (ABl. L 189, S. 9). Diese Verordnung kann abgerufen werden unter: http://data.europa.eu/eli/reg/2005/396/oj. 26 Der Online-Auftritt des Helpdesks ist zu erreichen über: https://www.reach-clp-biozid-helpdesk.de/de/Helpdesk /Der-Helpdesk.html. 27 Gesetz zum Schutz vor gefährlichen Stoffen (Chemikaliengesetz - ChemG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 28. August 2013 (BGBl. I S. 3498, 3991), zuletzt geändert durch Gesetz vom 18. Juli 2017 (BGBl. I S. 2774). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 - 081/18 Seite 10 4.3. Aktuelle Rechtslage für ausgewählte Verbindungen Die Rechtslage stellt sich für die unterschiedlichen QAV auch unterschiedlich dar. Einige QAV wurden mit Beschluss der Europäischen Kommission vom 8. November 201628 als biozide Wirkstoffe ausdrücklich nicht genehmigt. Informationen über die einzelnen Verbindungen können über die Stoffdatenbanken der ECHA mit Hilfe der CAS Nummern abgerufen werden:29 ADBAC[C12-14] (CAS Nr. 85409-22-9/ EC Nr. 939-350-2 und 287-089-1) und ADBAC[C12-18] (CAS Nr. 68391-01-5/ EC Nr. 269-919-4) befinden sich derzeit noch im Verfahren zur Zulassung biozider Wirkstoffe. ADBAC[C12-16] (CAS Nr. 68424-85-1/ EC Nr. 270-325-2) und DDAC (CAS Nr. 7173-51-5) befinden sich derzeit ebenfalls noch im Verfahren zur Zulassung biozider Wirkstoffe. Für die Verwendung der Wirkstoffe als Holzschutzmittel liegt eine Genehmigung jedoch bereits vor. Eine Übersicht über die Biozidprodukte, die die oben genannten Wirkstoffe enthalten, sowie über ihre Verkehrsfähigkeit kann über die Internetseite der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin mit Hilfe der CAS Nummern abgerufen werden.30 Der Rückstandshöchstgehalt für DDAC und BAC wurde durch Verordnung (EU) Nr. 1119/201431 für die im Anhang zu dieser Verordnung enthaltenen Nahrungskategorien auf 0,1 mg/kg festgelegt . 28 Durchführungsbeschluss (EU) 2016/1950 der Kommission vom 4. November 2016 über die Nichtgenehmigung bestimmter biozider Wirkstoffe gemäß der Verordnung (EU) Nr. 528/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates, C/2016/6921 (ABl. L 300, S. 14–18). Der Beschluss kann abgerufen werden unter: http://data.europa .eu/eli/dec_impl/2016/1950/oj. 29 Informationen über biozide Wirkstoffe sind abrufbar unter: https://echa.europa.eu/de/information-on-chemicals /biocidal-active-substances. Informationen über chemische Stoffe im Allgemeinen sind abrufbar unter: https://echa.europa.eu/de/home. 30 BAUA, Suche nach Biozidprodukten, https://www.baua.de/DE/Biozid-Meldeverordnung/Offen/offen.html. 31 Verordnung (EU) Nr. 1119/2014 der Kommission vom 16. Oktober 2014 zur Änderung des Anhangs III der Verordnung (EG) Nr. 396/2005 des Europäischen Parlaments und des Rates hinsichtlich der Höchstgehalte an Rückständen von Benzalkoniumchlorid und Didecyldimethylammoniumchlorid in oder auf bestimmten Erzeugnissen (ABl. L 304 vom 23. Oktober 2014, S. 43). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 - 081/18 Seite 11 Chlormequat (CAS Nr. 999-81-5) ist eine als Pflanzenschutzmittel genutzte und zugelassene QAV.32 Weitere Informationen zu der fehlenden Zulassung von DDAC und BAC als Pflanzenschutzmittel sind über die EU Pestizide Datenbank der Europäischen Kommission zu finden.33 5. Zur Risikobewertung 5.1. Wege der Exposition 5.1.1. Orale Aufnahme (QAV in Lebensmitteln) Das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) verkündete im Jahr 2012, dass es das Inverkehrbringen zweier Pflanzenstärkungsmittel, bzw. eines Zusatzstoffes verboten hatte. In beiden Mitteln wurden die QAV DDAC und BAC gefunden, obwohl diese Stoffe bei der Beantragung der Listung nicht angegeben worden waren. Das BVL befürchtete eine Überschreitung der zulässigen Rückstandshöchstgehalte bei Anwendung der betroffenen Mittel. Es hielt den Pflanzenschutz jedoch nicht für den wahrscheinlichsten Ursprung für Kontaminationen von Lebensmitteln. Zu diesem Zeitpunkt war als Pflanzenschutzmittel ausschließlich die QAV DDAC und diese auch nur für Zierpflanzen zugelassen. Rückstände blieben nach Ansicht des BVL durch die Zubereitung auf mit Bioziden behandelten Oberflächen zurück. Wenn auf diesen Oberflächen anschließend Lebensmittel zubereitet werden würden, könnten die QAV an ihnen haften bleiben.34 Im aktuellen Bericht zur Lebensmittelsicherheit 2016 – Monitoring berichtet das BVL von Rückständen der QAV DDAC und BAC in Ananas, Himbeeren, Pfirsichen/Nektarinen, Kopfsalat, Porree , Rhabarber, Spargel, Weißkohl, Zucchini, in Gewebe von Rehen/Hirschen sowie in Weißwein. Bis auf zwei Einzelbefunde lagen dabei alle Rückstände unter der Grenze von 0,1 mg/kg. Die gefundenen Rückstände werden auch hier – so das BVL – auf die Anwendung entsprechender Desinfektions - und Reinigungsmittel zurückgeführt.35 32 Siehe dazu den Eintrag in der EU Pestizide Datenbank der Europäischen Kommission zu Chlormequat, http://ec.europa.eu/food/plant/pesticides/eu-pesticides-database/public/?event=activesubstance.detail&language =EN&selectedID=1119. 33 Europäische Kommission, EU Pestizide Datenbank, Didecyldimethylammonium chloride http://ec.europa .eu/food/plant/pesticides/eu-pesticides-database/public/?event=activesubstance.detail&language=DE&selected ID=1226 und Benzalkonium chloride, http://ec.europa.eu/food/plant/pesticides/eu-pesticides-database /public/?event=activesubstance.detail&language=DE&selectedID=1016. 34 So das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit, Rückstände von quartären Ammoniumverbindungen in Lebensmitteln vom 2. Juli 2012, https://www.bvl.bund.de/DE/04_Pflanzenschutzmittel /06_Fachmeldungen/2012/Rueckstaende_Ammonium.html. 35 Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit, BVL-Report 12.4 - Berichte zur Lebensmittelsicherheit - Monitoring 2016, Berlin 2017, S. 3, 34, https://www.bvl.bund.de/SharedDocs/Downloads/01_Lebensmittel /01_lm_mon_dokumente/01_Monitoring_Berichte/archiv/lmm_bericht_2016.html. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 - 081/18 Seite 12 Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) erklärte für gefundene Rückstände von DDAC in Milchprodukten und Zitrusfrüchten im ersten Fall die unzureichende Reinigung nach dem Desinfektionsvorgang der Produktionsmaschinen und im zweiten Fall im Schwerpunkt die Nacherntebehandlung in Vorbereitung des Exports als Ursachen der Kontaminationen.36 5.1.2. Aufnahmen über die Haut und über Schleimhäute (QAV in Reinigungs- und medizinischen Produkten) Durch ihre Verwendung zur Desinfektion ist die Aufnahme von QAV über die Haut auf vielen Wegen möglich. So werden in Krankenhäusern Operationsbesteck und Untersuchungsinstrumente mit QAV-haltigen Reinigungsmitteln behandelt und anschließend vom medizinischen Personal genutzt. Auch pharmazeutische Produkte können QAV enthalten, so z. B. als Konservierungsmittel in Nasensprays und als Wirkstoff in chemischen Verhütungsmitteln, und entsprechende Wirkungen bei Anwendern auslösen. Eine allgemeine Reinigung der Flächen wird auch außerhalb von Krankenhäusern etwa in produzierenden Unternehmen eingesetzt. Schließlich befinden sich QAV auch in Beschichtungen oder Veredelungen anderer Stoffe und können sich an der Oberfläche dieser Stoffe absetzen. So enthalten bspw. Fahrzeuglacke für den Innen- und Außenbereich QAV, die dann durch die Berührung des Lenkrads oder anderer Stellen auf den Menschen einwirken können. Einen Überblick über die vielfältigen Wirkungswege von QAV auf den Menschen bietet: Feld, Herbert, Problematische Verbreitung von quartären Ammoniumverbindungen in Alltagsprodukten , in: Oberflächen POLYSURFACES Nr. 05/2016, http://www.polymedia.ch/OP/Articles /view/306. Anlage 1 36 Bundesinstitut für Risikobewertung, Gesundheitliche Bewertung der Rückstände von Didecyldimethylammoniumchlorid (DDAC) in Lebensmitteln - Stellungnahme Nr. 027/2012 des BfR vom 9. Juli 2012, ergänzt am 21. Januar 2013, S. 1, 10 f., 14 f., https://www.bfr.bund.de/cm/343/gesundheitliche-bewertung-der-rueckstaendevon -didecyldimethylammoniumchlorid-ddac-in-lebensmitteln.pdf. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 - 081/18 Seite 13 5.1.3. QAV in Luft und Umwelt In der Literatur wird auch die Aufnahme von QAV über die Luft, durch die Nutzung von Desinfektionssprays , diskutiert.37 Darüber hinaus gelangen QAV durch Abwässer und durch das Düngen der Felder mit Klärschlamm, in dem sich QAV abgesetzt haben, in die Umwelt, insbesondere in Böden und Gewässer.38 5.2. Zur Risikobewertung bei Aufnahme durch den Menschen 5.2.1. Benzalkoniumchloride (BAC) Für ADBAC[C12-14] (CAS Nr. 85409-22-9)39 und ADBAC[C12-16] (CAS Nr. 68424-85-1)40 wurden anhand der Studien der bei der ECHA eingereichten Registrierungsdossiers Grenzwerte abgeleitet , die bei Menschen nicht überschritten werden sollten (derived-no-effect-level = DNEL). Diese Werte betragen für die Bevölkerung bei langer, regelmäßiger Aufnahme über die Luft 1,64 mg/m³, über die Haut 3,4 mg/kg Körpergewicht/Tag und oral 3,4 mg/kg Körpergewicht/Tag. Nach den warnenden Angaben der eingereichten Dossiers kann diese Substanz schwere Hautverbrennungen und Augenschäden verursachen, ist sehr toxisch für Wasserlebewesen und ist schädlich , wenn sie geschluckt wird oder in die Augen gerät. Ein Rückstandsgehalt von 6,66 mg/kg von BAC in Milch und Milchprodukten wurde vom BfR als potentielle Quelle für eine akute Gesundheitsgefährdung eingestuft. Dabei könne es zu reversiblen klinischen Symptomen als Folge einer Reizwirkung im Magen-Darm-Trakt kommen.41 37 Vincent, Guillaume/Kopferschmitt-Kubler, Marie Christine u. a., Sampling and Analysis of Quaternary Ammonium Compounds (QACs) Traces in Indoor Atmosphere, in: Environmental Monitoring and Assessment, October 2007, Volume 133, Issue 1-3, S. 25-30, https://link.springer.com/content/pdf/10.1007%2Fs10661-006-9556- 3.pdf. 38 Zhang, Chang/Cui, Fang u. a., Quaternary ammonium compounds (QACs): A review on occurrence, fate and toxicity in the environment, in: Science of The Total Environment, Volumes 518–519 vom 15. Juni 2015, S. 352-362, https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0048969715002727?via%3Dihub. 39 Siehe dazu insgesamt: ECHA, Benzyl-C12-14-alkyldimethylammonium chlorides – Brief Profile, https://echa.europa .eu/de/brief-profile/-/briefprofile/100.226.389 (Unter dem Reiter „Scientific Properties“). 40 Siehe dazu insgesamt: ECHA, Quaternary ammonium compounds, benzyl C12-16 (even numbered)-alkyldimethyl chlorides – Brief Profile, https://echa.europa.eu/de/brief-profile/-/briefprofile/100.226.358 (Unter dem Reiter „Scientific Properties“). 41 So das Bundesinstitut für Risikobewertung, Gesundheitliche Bewertung der Rückstände von Benzalkoniumchlorid in Lebensmitteln - Stellungnahme Nr. 032/2012 des BfR vom 13. Juli 2012, S. 1, 10 f., 14 f., https://www.bfr.bund.de/cm/343/gesundheitliche-bewertung-der-rueckstaende-von-benzalkoniumchlorid-inlebensmitteln .pdf. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 - 081/18 Seite 14 In der Fachliteratur wird von starken Reizungen der menschlichen Haut als Reaktion auf BAC berichtet, die schon bei einer Verdünnung von 0,1% des Wirkstoffes und Abdeckung der betroffenen Stelle entstehen könnten. BAC wird zudem als Auslöser von Allergien qualifiziert42 und es wird von Fällen allergischer Kontaktdermatitis in Folge der Anwendung von BAC in Reinigungsmitteln , Kontaktlinsenlösungen, Augentropfen und in Mitteln gegen Geschwüre am Bein berichtet43. 5.2.2. Didecyldimethylammoniumchlorid (DDAC) Für DDAC (CAS Nr. 7173-51-5) wurden durch die eingereichten Registrierungsdossiers ebenfalls DNEL-Grenzwerte ermittelt. Diese beziehen sich allerdings allein auf Personen, die mit dem Wirkstoff arbeiten. Hier beträgt das DNEL für eine lange, regelmäßige Aufnahme über die Haut 8,6 mg/kg Körpergewicht/Tag und oral 18,2 mg/m³. Auch DDAC kann nach diesen Angaben schwere Hautverbrennungen und Augenschäden verursachen , ist sehr toxisch für Wasserlebewesen und ist schädlich, wenn es geschluckt wird oder in die Augen gerät. Zudem wird es als entflammbar bewertet.44 In der Fachliteratur wird von Reizungen der Haut und der Bronchien, atopischer Sensibilisierung und Berufsasthma als Folge von DDAC berichtet.45 Für DDAC wird ein starkes Potential für dermale Sensibilisierung angenommen.46 42 Lachapelle, Jean-Marie, A comparison of the irritant and allergenic properties of antiseptics, in: European Journal of Dermatology, January 2014/ 24-1, S. 3-9, https://link.springer.com/content /pdf/10.1684%2Fejd.2013.2198.pdf; Bekanntmachung des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung (BMA) vom 1. Juli 1999 (IIIc 1-35125-5) über die Änderung und Ergänzung der Technischen Regeln für Gefahrstoffe, Bundesarbeitsblatt 7-8/1999, S. 39-90 (78-80), Anlage 2. 43 Von einem Fall berichtend und auf weitere verweisend: Corazza, Monica/Virgilli, Annarosa, Airborne allergic contact dermatitis from benzalkonmium chloride, in: Contact Dermatitis 28/1993, S. 195-196, https://doi.org/10.1111/j.1600-0536.1993.tb03395.x. 44 ECHA, Didecyldimethylammonium chloride – Brief Profile, https://echa.europa.eu/de/brief-profile/-/briefprofile /100.027.751. 45 Vincent, Guillaume/Kopferschmitt-Kubler, Marie Christine u. a., Sampling and Analysis of Quaternary Ammonium Compounds (QACs) Traces in Indoor Atmosphere, in: Environmental Monitoring and Assessment, October 2007, Volume 133, Issue 1-3, S. 25-30, https://link.springer.com/content/pdf/10.1007%2Fs10661-006-9556- 3.pdf. 46 Anderson, Stacey E./Shane, Hillary u. a., Evaluation of the irritancy and hypersensitivity potential following topical application of didecyldimethylammonium chloride, in: Journal of Immunotoxicology, 2016/ 13-4, S. 557-566, https://www.tandfonline.com/doi/pdf/10.3109/1547691X.2016.1140854?needAccess=true. In aktualisierter Form und unter anderen Gesichtspunkten auch: Shane, Hillary L./Lukomska, Ewa u. a., Divergent hypersensitivity responses following topical application of the quaternary ammonium compound, didecyldimethylammonium bromide, in: Journal of Immunotoxicology, 2017, Vol. 14, No. 1, S. 204-214, https://www.tandfonline.com/doi/pdf/10.1080/1547691X.2017.1397826?needAccess=true. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 - 081/18 Seite 15 Der Assessment Report der zuständigen italienischen Behörde im EU-Verfahren zur Zulassung des Wirkstoffes DDAC als Holzschutzmittel kommt zu dem Ergebnis, dass den Risiken für Anwender und Kinder aber auch die Umwelt bei Verwendung des Wirkstoffs durch Beschränkungen der Verwendbarkeit und Schutzmaßnahmen bei der Anwendung begegnet werden kann.47 Im Zusammenhang mit im Jahre 2012 in Obst- und Gemüseerzeugnissen gefundenen Rückständen von DDAC prüfte das BfR die gesundheitlichen Folgen der Aufnahme dieses Stoffes.48 Dabei wurden Grenzwerte zur Aufnahme von DDAC durch den Menschen unter zwei Betrachtungen ermittelt. Die sog. akute Referenzdosis (ARfD) bildet den Grenzwert, der über einen Tag aufgenommen werden kann, während die akzeptable tägliche Aufnahme (ADI) den Grenzwert beschreibt , der über die gesamte Lebenszeit täglich aufgenommen werden kann. Das BfR kam, auch unter Berücksichtigung amerikanischer und niederländischer Ergebnisse, zu einem ADI-Wert von 0,1 mg/kg Körpergewicht pro Tag sowie zu einer ARfD von 0,1 mg/kg Körpergewicht. Die niederländische Behörde vertrat dagegen einen ARfD von 0,61 mg/kg Körpergewicht. Damit machten die 2012 gefundenen Rückstände nach Einschätzung des BfR eine Gesundheitsgefährdung der Verbraucherinnen und Verbraucher unwahrscheinlich. In den allgemeinen Ausführungen zur Toxizität von DDAC verwies das BfR auf vorhandene Studien , die u. a. folgende Ergebnisse hatten: Akute Toxizität: So wurde Mortalität bei oraler Aufnahme durch Ratten ab 275 mg/kg Körpergewicht und bei dermaler Aufnahme durch Ratten und Kaninchen ab 1000 mg/kg Körpergewicht festgestellt. Kurzzeittoxizität: Bei einer 90-tägigen täglichen Aufnahme von 175,4 mg/kg Körpergewicht wurde bei Ratten u. a. Mortalität, verringerte Futteraufnahme und Gewichtsverlust festgestellt. Bei Hunden wurde bei einer ein Jahr andauernden täglichen Aufnahme von 30/20 mg/kg Körpergewicht u. a. verringerte Futteraufnahme und Gewichtsverlust festgestellt . Langzeittoxizität: Bei Ratten wurde bei einer zweijährigen täglichen Aufnahme von 64 mg/kg Körpergewicht u. a. Gewichtsverlust festgestellt. Erbgutverändernde Eigenschaften, sowie krebserzeugende Eigenschaften und Auswirkungen auf die Fruchtbarkeit konnten nicht nachgewiesen werden. 47 Siehe dazu im Detail: Italy, Assessment Report 2015, http://dissemination.echa.europa.eu/Biocides/ActiveSubstances /0067-08/0067-08_Assessment_Report.pdf und den Überblick über die einzelnen Studien dazu bei: ECHA, http://dissemination.echa.europa.eu/Biocides/factsheet?id=0067-08. 48 Dazu insgesamt: Bundesamt für Risikobewertung, Gesundheitliche Bewertung der Rückstände von Didecyldimethylammoniumchlorid (DDAC) in Obst- und Gemüseerzeugnissen, Stellungnahme Nr. 024/2012 des BfR vom 29. Juni 2012, https://www.bfr.bund.de/cm/343/gesundheitliche-bewertung-der-rueckstaende-von-ddac-in-obstund -gemueseerzeugnissen.pdf. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 - 081/18 Seite 16 Die European Food Safety Authority (EFSA) setzte sich u. a. im Jahre 2013 mit den Grenzwerten für DDAC auf Lebensmitteln, insbesondere Zitrusfrüchten auseinander. Anlass war ein Importtoleranzantrag für die Einfuhr von Zitrusfrüchten aus Südafrika, der einen Grenzwert von 6 mg/kg für Rückstände von DDAC auf Früchten vorsah. In ihrer Stellungnahme kam die EFSA zu einer eher ablehnenden Haltung, die sie mit lückenhaften Informationen zu der Praxis der Nacherntebehandlung in Südafrika und zu Auswirkungen solcher Rückstände auf das Vieh begründete. Die EFSA hielt, jedoch auf die Unsicherheiten in der Datenlage hinweisend, eine Gefährdung der menschlichen Gesundheit durch den Verzehr entsprechender Früchte nicht für wahrscheinlich. Der zugrundegelegte ADI von 0,1 mg/kg Körpergewicht und der ARfD von 0,61 mg/kg Körpergewicht werde durch den Verzehr der Früchte nicht überschritten.49 5.2.3. Chlormequat Im Rahmen des Review Reports für den Wirkstoff Chlormequat hatte die EFSA eine ADI von 0.04 mg/kg Körpergewicht/Tag und eine ARfD von 0.09 mg/kg Körpergewicht ermittelt.50 5.3. Zu weiteren möglichen Risiken durch QAV Bereits nach einer frühen Studie aus 2005 können QAV durch Kläranlagen nur begrenzt aus dem Abwasser gefiltert werden. Das Österreichische Umweltbundesamt veranlasste 2005 eine Studie zur Risikobewertung von QAV. Die Studie kam zu dem Ergebnis, dass Krankenhäuser und Wäschereien der überwiegende Ursprung für QAV in Abwässern seien. Dabei sei die Toxizität von QAV schwierig zu bewerten, da sich die verschiedenen QAV unterschiedlich verhielten und in Verbindung mit anderen Substanzen ihre Eigenschaften veränderten. Zudem reagierten, in diesem Fall Fische und Algen, je nach Spezies unterschiedlich auf die Substanzen. Für eine umfassende Bewertung fehlten zudem ausreichende weitere Studien.51 In der Fachliteratur ist bekannt, dass sich BAC nicht vollständig durch Kläranlagen aus dem Abwasser filtern lassen. Eine toxische Konzentration für die aquatische Umwelt sei jedoch nicht zu erwarten. Dies sei mit der Ionenpaarbildung mit anderen Stoffen zu erklären.52 Neben der be- 49 EFSA, Reasoned opinion on the setting of an import tolerance for didecyldimethylammonium chloride (DDAC) in citrus, http://www.efsa.europa.eu/en/efsajournal/pub/3246. 50 Siehe dazu: EFSA, Review report for the active substance chlormequat vom 7. Mai 2009, abzurufen als “list_chlormequat.pdf” unter: http://ec.europa.eu/food/plant/pesticides/eu-pesticides-database /public/?event=activesubstance.detail&language=EN&selectedID=1119. 51 Siehe dazu: Uhl, Maria/Gans, Oliver u. a., Grundlagen zur Risikoabschätzung für quaternäre Ammoniumverbindungen , Umweltbundesamt BERICHTE BE-271, Wien 2005, S. 47, 133, 144 f., http://www.umweltbundesamt .at/fileadmin/site/publikationen/BE271.pdf. 52 Sütterlin, Heike, Untersuchung des Umweltverhaltens ausgewählter quartärer Ammoniumverbindungen und ihrer Wirkung gegenüber Umweltbakterien, Dissertation, Freiburg 2007, https://freidok.uni-freiburg .de/data/2916. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 - 081/18 Seite 17 grenzten Filterung durch die Kläranlagen führe auch die aktive Nutzung der Klärschlämme für die Düngung in der Landwirtschaft zu einer Exposition von QAV in der Umwelt.53 Eine andere Ansicht verweist auf die Unsicherheiten in der Bewertung. Das Zusammenwirken verschiedener Stoffe verändere die konkrete Wirkung.54 Die Arbeit weist auf andere Studien hin, in denen Konzentrationen der Stoffe in Oberflächengewässern, Sedimenten solcher Gewässer und in Seewasser nachgewiesen wurden. Die stete Nutzung von QAV führe zu einer steten Belastung der Gewässer und ihrer Bewohner. Ein potentielles Risiko könne daher nicht ausgeschlossen werden.55 Anlage 3 Die stete Nutzung von QAV führe zu Anreicherungen in Bodenschichten, die wiederum Resistenzentwicklungen in Agroökosystemen erklären könnten. Auch eine Resistenzentwicklung gegen Antibiotika könnte durch solche Anreicherungen gefördert werden.56 6. Weiterführender Beitrag zum Überblick über mögliche Auswirkungen Einen Überblick über das Bewertungsverfahren von Biozidwirkstoffen und -produkten sowie die Wege der Einwirkung auf den Menschen und die Umwelt, bietet folgender Artikel: Pieper, Christina /Schwebke, Ingeborg/Noeh, Ingrid/Uhlenbrock, Katharina/Hübner, Nils-Olaf/Soleck, Roland, Antimikrobielle Produkte im Haushalt - eine Betrachtung zu Auswirkungen auf Gesundheit und Umwelt sowie zum Nutzen für den Anwender, in: Hygiene & Medizin, 2014/39 – 3, S. 68-76, https://www.bfr.bund.de/cm/343/antimikrobielle-produkte-im-haushalt.pdf. Anlage 4 *** 53 Zhang, Chang/Cui, Fang u. a., Quaternary ammonium compounds (QACs): A review on occurrence, fate and toxicity in the environment, in: Science of The Total Environment, Volumes 518–519 vom 15. Juni 2015, S. 352- 362, https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0048969715002727?via%3Dihub. 54 So auch: Russo, Chiara/Kundi, Michael u. a., Benzalkonium Chloride and Anticancer Drugs in Binary Mixtures: Reproductive Toxicity and Genotoxicity in the Freshwater Crustacean Ceriodaphnia dubia, in: Archives of Environmental Contamination and Toxicology, May 2018, Volume 74, Issue 4, S. 546-556, https://link.springer.com/article/10.1007%2Fs00244-017-0473-y. 55 Di Nica, V./Gallet, J. u. a., Toxicity of Quaternary Ammonium Compounds (QACs) as single compounds and mixtures to aquatic non-target microorganisms: Experimental data and predictive models, in: Ecotoxicology and Environmental Safety August 2017/142, S. 567-577. 56 Ankündigung des Projekts unter: Universität Gießen, Quartäre Ammoniumverbindungen im Boden – Projektlaufzeit bis 2018, https://www.uni-giessen.de/fbz/fb09/institute/bodenkunde/boden/forschung/dfg3988. Veröffentlichung unter: Mulder, Ines/Siemens, Jan u. a., Quaternary ammonium compounds in soil: implications for antibiotic resistance development, in: Reviews in Environmental Science and Bio/Technology, (2018) 17, S. 159-185, https://link.springer.com/content/pdf/10.1007%2Fs11157-017-9457-7.pdf.