WD 9 - 3000 - 080/16 (6. Januar 2017) © 2017 Deutscher Bundestag Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Versterben die Eltern eines Minderjährigen, so wird diesem gemäß §§ 1773, 1774 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)1 durch das Familiengericht ein Vormund bestellt. Der Vormund ist dazu verpflichtet , das Kind rechtlich zu vertreten und für seine Person und sein Vermögen zu sorgen (§ 1793 BGB). Die Personensorge umfasst gemäß §§ 1800, 1631 Abs. 1 BGB auch das Recht und die Pflicht, über den Aufenthalt des Kindes zu bestimmen. Der Vormund ist jedoch nicht dazu verpflichtet, das Kind bei sich aufzunehmen.2 § 1731 Abs. 1a BGB bestimmt nur, dass der Vormund regelmäßigen persönlichen Kontakt zu dem Mündel halten und es im Regelfall einmal im Monat besuchen soll. Aufgrund seines Aufenthaltsbestimmungsrechts ist der Vormund befugt, das Kind in einer Pflegefamilie oder einem Heim unterzubringen.3 Die Heimerziehung ist in § 34 des Achten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB VIII)4 geregelt und dort definiert als „Hilfe zur Erziehung in einer Einrichtung über Tag und Nacht“. Ein Anspruch auf diese Hilfe besteht gemäß § 27 SGB Abs. 1 SGB VIII, „wenn eine dem Wohl des Kindes oder des Jugendlichen entsprechende Erziehung nicht gewährleistet ist und die Hilfe für seine Entwicklung geeignet und notwendig ist.“ Die Heimerziehung soll gemäß § 34 Satz 2 SGB VIII entweder einer Rückkehr in die Familie dienlich sein, die Erziehung in einer anderen Familie vorbereiten oder auf längere Zeit angelegt sein und auf ein selbstständiges Leben vorbereiten. Seit dem Ende des 19. Jahrhunderts gab es in Deutschland sogenannte Säuglingsheime, die ausschließlich der Unterbringung von Säuglingen und Kleinkindern dienten. Diese Heime standen 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), in der Fassung vom 2.1.2002 (BGBl. I S. 42, 2909; 2003 I S. 738), zuletzt geändert am 24.5.2016 (BGBl. I S. 1190), abrufbar unter: http://www.gesetze-im-internet.de/bgb/ (Stand: 10.1.2017). 2 Wagenitz, in: Münchener Kommentar zum BGB, 6. Aufl. 2012, § 1800 BGB, Rn. 8. 3 Wagenitz, in: Münchener Kommentar zum BGB, 6. Aufl. 2012, § 1800 BGB, Rn. 5, 9. 4 Sozialgesetzbuch, Achtes Buch (SGB VIII), Kinder und Jugendhilfe, in der Fassung vom 11.9.2012 (BGBl. I S. 2022), zuletzt geändert am 23.12.2016 (BGBl. I S. 3234), abrufbar unter: https://www.gesetze-im-internet .de/sgb_8/ (Stand: 10.1.2017). Wissenschaftliche Dienste Kurzinformation Zur Heimunterbringung von Waisenkindern unter drei Jahren Kurzinformation Zur Heimunterbringung von Waisenkindern unter drei Jahren Fachbereich WD 9 (Gesundheit, Familie, Senioren, Frauen und Jugend) Wissenschaftliche Dienste Seite 2 bereits Anfang des 20. Jahrhunderts in der Kritik, da schon damals der Zusammenhang zwischen früher Heimunterbringung und Entwicklungs- und Bindungsstörungen bekannt war.5 Im Laufe der siebziger Jahre des 20. Jahrhunderts wurden die Säuglingsheime in der Bundesrepublik weitgehend abgeschafft.6 Da es jedoch für die Unterbringung in einem Kinderheim keine gesetzliche Altersgrenze gibt, kommt diese grundsätzlich auch heute für Säuglinge oder Kleinkinder in Betracht . Allerdings wird in der juristischen Literatur darauf hingewiesen, dass eine Heimunterbringung bei diesen Altersgruppen zu vermeiden sei und aufgrund der positiven Bindungswirkung die Vermittlung in eine Familie immer Vorrang habe.7 Eine Heimunterbringung dürfe höchstens vorübergehend erfolgen, bis eine Pflegefamilie oder Adoptiveltern gefunden seien.8 Dementsprechend ist die Heimerziehung von Säuglingen und Kleinkindern in den letzten Jahrzehnten kontinuierlich zurückgegangen. Während 1970 15.724 Kinder unter sechs Jahren in Heimen untergebracht waren,9 waren es 2014 noch 3.798 Kinder, davon 827 unter drei Jahren und weitere 276 Kinder unter einem Jahr.10 *** 5 Vgl. etwa v. Pfaundler, Die Physiologie des Neugeborenen, in: Döderlein (Hrsg.), Handbuch der Geburtshilfe, Band I, Wiesbaden 1915. Zur Hospitalismusforschung siehe auch: Rieländer, Sozialwaisen – Kleinkinder ohne Familie, Auswirkungen des Hospitalismus, Zeitschrift der „Gesellschaft für Sozialwaisen“ e.V., 1982, abrufbar unter: http://zwangsadoptierte-ddr.de/wp-content/uploads/2013/03/Hospitalismus.pdf (Stand: 10.1.2017). 6 Burschel, Säuglingsheime: Die „vergessenen“ Kinderheime der „Wirtschaftswundergesellschaft“, in: Damberg /Frings/Jähnichen/Kaminsky (Hrsg.), Mutter Kirche – Vater Staat? Geschichte, Praxis und Debatten der konfessionellen Heimerziehung seit 1945, 2010, S. 305 ff. (S. 334). 7 Vgl. Winkler, in: Rolfs/Giesen/Kreikebohm/Udsching, Beck’scher Online-Kommentar Sozialrecht, 42. Aufl. 2016, § 34 SGB VIII, Rn. 2. 8 Vgl. Wiesner, in: SGB VIII, Kinder- und Jugendhilfe, 5. Aufl. 2015, § 34 SGB VIII, Rn. 47; Tillmanns, in: Münchener Kommentar zum BGB, 6. Aufl. 2012, § 34 SGB VIII, Rn. 3. 9 Wiesner, in: SGB VIII, Kinder- und Jugendhilfe, 5. Aufl. 2015, § 34 SGB VIII, Rn. 16. 10 Statistisches Bundesamt, Statistiken der Kinder- und Jugendhilfe, Heimerziehung 2014, abrufbar unter: https://www.destatis.de/DE/Publikationen/Thematisch/Soziales/KinderJugendhilfe/HeimerziehungBetreute- Wohnform5225113147004.pdf?__blob=publicationFile (Stand: 10.1.2017).