WD 9 - 3000 - 073/20 (7. September 2020) © 2020 Deutscher Bundestag Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Eine allgemein anerkannte Definition des Begriffs „Behandlungsfehler“ gibt es im deutschen Recht nicht. Im Sinne des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V)1 liegen Behandlungsfehler dann vor, wenn gegen die Regeln des ärztlichen Standards verstoßen worden ist, wobei nicht nur Fehler von Ärzten dazu gehören, sondern auch Fehler von deren Hilfspersonen und anderen Personen , die bei der Bekämpfung einer Krankheit mit medizinischen Mitteln tätig werden.2 Auch im Sinne des Bürgerlichen Gesetzbuchs (§ 630a BGB) liegt ein Behandlungsfehler dann vor, wenn die „Leistung der versprochenen Behandlung“ verfehlt wird. Diese Leistung hat nach den zum Zeitpunkt der Behandlung bestehenden, allgemein anerkannten fachlichen Standards zu erfolgen (§ 630a Abs. 2 BGB).3 Der Arzt muss laut Rechtsprechung diejenigen Maßnahmen ergreifen , „die von einem gewissenhaften und aufmerksamen Arzt aus berufsfachlicher Sicht seines Fachbereichs vorausgesetzt und erwartet werden“.4 Als Orientierung hierbei dienen die Leitlinien medizinischer Fachgesellschaften, die auf aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen und in der Praxis bewährten Verfahren beruhen.5 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) - Gesetzliche Krankenversicherung – vom 20. Dezember 1988 (BGBl. I S. 2477, 2482), zuletzt geändert durch Art. 311 VO vom 19. Juni 2020, (BGBl. I S. 1328, 1364). 2 Lang in: Becker/Kingreen, SGB V, Gesetzliche Krankenversicherung, 7. Auflage 2020, § 66 SGB V, Rn. 1-2; Roters in: Kasseler Kommentar Sozialversicherungsrecht, Werkstand: 109. EL Mai 2020, § 66 SGB V, Rn. 4; Nolte in: Kasseler Kommentar Sozialversicherungsrecht, Werkstand: 109. EL Mai 2020, § 28 SGB V, Rn. 8: Eine Ärztliche Behandlung liegt nach § 28 Abs. 1 S. 1 SGB V nur vor, wenn die Tätigkeit den Regeln der ärztlichen Kunst entspricht, d. h. den anerkannten Grundsätzen und Methoden der Medizin. 3 Deuring, Silvia, Arzthaftungsrecht, JuS 2020, 489. 4 BGH, Urteil vom 29. November 1994 - VI ZR 189/93 (Oldenburg), Keine Festlegung des medizinischen Standards ohne Sachverständigengrundlage, NJW 1995, 776 (777). 5 Vgl. etwa die Leitlinien der Bundeärztekammer. Wissenschaftliche Dienste Kurzinformation Ärztliche Behandlungsfehler Kurzinformation Ärztliche Behandlungsfehler Fachbereich WD 9 (Gesundheit, Familie, Senioren, Frauen und Jugend) Wissenschaftliche Dienste Seite 2 Zwar existiert in Deutschland keine Bundesstatistik zu Behandlungsfehlern. Es werden jedoch jährlich aktuelle Statistiken vom Medizinischen Dienst des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen (MDS) und den Gutachterkommissionen und Schlichtungsstellen der Ärztekammern erstellt . Diese setzen sich aus der Anzahl der bearbeiteten Anträge, der geprüften Sachverhalte und der festgestellten Behandlungsfehler zusammen.6 Patienten, die Schadensersatz nach einem ärztlichen Behandlungsfehler geltend machen möchten , haben dafür in Deutschland zwei Möglichkeiten: eine außergerichtliche Einigung über Gutachterkommissionen und Schlichtungsstellen der Ärztekammern oder den Klageweg über ein Zivilgericht .7 In Deutschland wird die überwiegende Zahl der Fälle außergerichtlich geregelt – nicht zuletzt deshalb, weil außergerichtliche Verfahren kürzer und weniger kostspielig für die Patienten sind.8 Die Betroffenen tragen die Beweislast, dass ein Behandlungsfehler vorliegt, dass ihnen ein körperlicher, seelischer oder materieller Schaden entstanden ist und dass dieser Schaden durch den Behandlungs- oder Aufklärungsfehler verursacht wurde.9 Für alle Versicherten der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV)10, die Schadensersatzansprüche geltend machen wollen, gewährt das SGB V Unterstützung. So verpflichtet § 66 SGB V die Krankenkassen, ihre Versicherten bei der Verfolgung von Schadensersatzansprüchen zu unterstützen , die aus Behandlungsfehlern bei der Inanspruchnahme von Versicherungsleistungen entstanden sind.11 *** 6 Medizinischer Dienst des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen, Behandlungsfehlergutachten der MDK 2009-2018, abrufbar unter: https://www.mds-ev.de/mdk-statistik/infografiken-zu-mdk-behandlungsfehlergutachten .html; Bundesärztekammer, Behandlungsfehler- Statistik, abrufbar unter: https://www.bundesaerztekammer .de/patienten/gutachterkommissionen-schlichtungsstellen/behandlungsfehler-statistik/; Bundesministerium für Gesundheit, Patientenrechte, abrufbar unter: https://www.bundesgesundheitsministerium.de/themen /praevention/patientenrechte/behandlungsfehler.html. 7 Behandlungsfehler. Ein Leitfaden für Patienten, hrsg. von Techniker Krankenkasse Hamburg, Stand: Januar 2018. Die privatrechtlichen Regelungsgrundlagen finden sich in §§ 630a - 630h BGB. Detailliert zu zivilrechtlicher Arzthaftung, Medizinschadensrecht und strafrechtlicher Arzthaftung: Münchener Anwalts- Handbuch Medizinrecht, hrsg. von Tilman Clausen und Jörn Schroeder-Printzen, München 2020, S. 1-447. 8 Schlegel/Voelzke in jurisPK-SGB V, 3. Auflage 2016, Stand: 6. Januar 2020, Rn. 15. 9 Behandlungsfehler, Ein Leitfaden für Patienten, hrsg. von Techniker Krankenkasse Hamburg, Stand: Januar 2018, S. 10. 10 In Deutschland sind rund 90 Prozent der Bevölkerung über die Gesetzliche Krankenversicherung abgesichert. 11 Sofern sie nicht nach § 116 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) auf die Krankenkasse selbst übergegangen sind und von dieser selbst geltend gemacht werden müssen.