© 2020 Deutscher Bundestag WD 9 - 3000 - 071/20 Illegaler Drogenkonsum bei Jugendlichen Daten zum Umfang sowie Studien zu gesundheitlichen Auswirkungen Dokumentation Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 9 - 3000 - 071/20 Seite 2 Illegaler Drogenkonsum bei Jugendlichen Daten zum Umfang sowie Studien zu gesundheitlichen Auswirkungen Aktenzeichen: WD 9 - 3000 - 071/20 Abschluss der Arbeit: 3. September 2020 Fachbereich: WD 9: Gesundheit, Familie, Senioren, Frauen und Jugend Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 9 - 3000 - 071/20 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Daten zum Konsum illegaler Drogen bei Jugendlichen 4 2.1. Aktuelle Daten zum Konsum illegaler Drogen bei Jugendlichen 4 2.2. Trend beim Konsum illegaler Drogen durch Jugendliche 5 3. Studien und weitere Veröffentlichungen zu gesundheitlichen Auswirkungen des Konsums illegaler Drogen bei Jugendlichen 5 3.1. Gesundheitliche Auswirkungen des Konsums illegaler Drogen in der Gesamtbetrachtung 6 3.2. Gesundheitliche Auswirkungen des Konsums von Cannabis 8 Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 9 - 3000 - 071/20 Seite 4 1. Einleitung Auch Jugendliche im Alter von 12 bis 17 Jahren greifen bereits zu illegalen Drogen wie Cannabis, Heroin, Kokain, Ecstasy, Crystal Meth, Amphetamine, Crack und LSD, wobei Cannabis in dieser Altersgruppe mit Abstand am häufigsten konsumiert wird. Dabei entfaltet der Konsum illegaler Drogen vielerlei Wirkungen auf die Psyche, die oftmals als positiv empfunden werden. Dies hat zur Folge, dass die gesundheitlichen Risiken – körperlicher, aber auch psychischer Art – häufig unterschätzt oder in Kauf genommen werden. Die Dokumentation beschäftigt sich auftragsgemäß mit dem Umfang des Konsums illegaler Drogen bei Jugendlichen zwischen 12 und 17 Jahren sowie – bezogen auf diese Altersgruppe – mit Studien und weiteren Veröffentlichungen, die sich mit den gesundheitlichen Auswirkungen des Konsums illegaler Drogen insgesamt sowie speziell mit dem Konsum von Cannabis beschäftigen. 2. Daten zum Konsum illegaler Drogen bei Jugendlichen 2.1. Aktuelle Daten zum Konsum illegaler Drogen bei Jugendlichen Orth, Boris/Merkel, Christina, Die Drogenaffinität Jugendlicher in der Bundesrepublik Deutschland 2019, Rauchen, Alkoholkonsum und Konsum illegaler Drogen: aktuelle Verbreitung und Trends, Forschungsbericht der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA), 2020, abrufbar unter: https://www.bzga.de/fileadmin/user_upload/PDF/studien/Drogenaffinitaet_Jugendlicher _2019_Basisbericht.pdf (dieser sowie alle weiteren Links wurden zuletzt abgerufen am 3. September 2020). Die Drogenbeauftragte der Bundesregierung beim Bundesministerium für Gesundheit (BMG), Drogen- und Suchtbericht 2019, abrufbar unter: https://www.drogenbeauftragte.de/fileadmin/dateien -dba/Drogenbeauftragte/4_Presse/1_Pressemitteilungen /2019/2019_IV.Q/DSB_2019_mj_barr.pdf. Sowohl der Drogenaffinitäts-Bericht der BZgA als auch der Drogen- und Suchtbericht 2019 der Drogenbeauftragten der Bundesregierung beschäftigen sich mit dem Konsumumfang verschiedener illegaler Drogen. Der Bericht der BZgA beruht auf einer deutschlandweiten, repräsentativen Umfrage, die zum ersten Mal im Jahr 1973 durchgeführt wurde und seitdem im Abstand von drei bis vier Jahren wiederholt wird. An der Drogenaffinitätsstudie 2019 haben 7.000 Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene im Alter von 12 bis 25 Jahren teilgenommen, davon 2.735 Jugendliche im Alter von 12 bis 17 Jahren. Die Befragung wurde im Zeitraum 15. April bis 20. Juni 2019 durchgeführt. Danach haben im Jahr 2019 insgesamt 10,6 Prozent der Jugendlichen im Alter von 12 bis 17 Jahren (13,4 Prozent männliche Jugendliche und 7,6 Prozent weibliche Jugendliche ) in ihrem Leben mindestens einmal mindestens eine illegale Droge konsumiert (Tabelle 7). 10,4 Prozent aller Jugendlichen in dieser Altersgruppe (13,1 Prozent männliche Jugendliche und 7,5 Prozent weibliche Jugendliche) konsumierten schon einmal Cannabis. Das Ausprobieren irgendeiner anderen illegalen Droge außer Cannabis (also entweder Ecstasy, LSD, Amphetamin , Crystal Meth, Kokain, Crack, Heroin, neue psychoaktive Stoffe, Schnüffelstoffe oder psychoaktive Pflanzen oder eine Kombination dieser Substanzen) sei bei 1,7 Prozent aller 12- bis 17-Jährigen gegeben. Die Lebenszeitprävalenzen des Konsums dieser anderen Substanzen lägen einzeln betrachtet zwischen 0 Prozent (Crack, Heroin) und 0,6 Prozent (Ecstasy), also alle unter Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 9 - 3000 - 071/20 Seite 5 einem Prozent. Der Bericht zeigt auch weitere Unterteilungen hinsichtlich des Alters, des besuchten Schultyps sowie des Migrationshintergrunds auf (Tabellen 9 und 10). Nach den Ergebnissen zur Zwölf-Monats-Prävalenz haben 8,3 Prozent aller Jugendlichen im Alter von 12 bis 17 Jahren in den letzten zwölf Monaten vor der Befragung mindestens einmal mindestens eine der verschiedenen illegalen Drogen konsumiert (Tabelle 8), wobei der Geschlechtsunterschied (11 Prozent männlich und 5,4 Prozent weiblich) auffällt. Insgesamt 8,1 Prozent aller Jugendlichen konsumierten im Zeitraum der letzten zwölf Monate Cannabis (10,8 Prozent männlich und 5,4 Prozent weiblich). Der regelmäßige Cannabiskonsum in den letzten 12 Monaten (mindestens zehn Mal in den letzten zwölf Monaten) wird in der Altersgruppe mit 1,8 Prozent ausgewiesen. Ein Konsum irgendeiner anderen illegalen Droge außer Cannabis sei bezogen auf die letzten zwölf Monate bei 1,1 Prozent aller 12- bis 17-Jährigen gegeben. Die Konsumprävalenzen dieser anderen Substanzen lägen einzeln zwischen 0 Prozent (Crystal Meth, Crack und Heroin ) und 0,5 Prozent (Ecstasy). Der Bericht der Drogenbeauftragten der Bundesregierung kommt zu ähnlichen Ergebnissen. Danach liegt der „Jemalskonsum“ von Cannabis bei insgesamt 10 Prozent der Jugendlichen im Alter von 12 bis 17 Jahren. Der Konsum in den letzten zwölf Monaten wird mit 8 Prozent und der regelmäßige Konsum (mindestens zehn Mal in den letzten zwölf Monaten) mit 1,6 Prozent ausgewiesen . Bei dem Konsum von Heroin und Ecstasy werden nahezu gleiche Daten wie bei der aktuellen Drogenaffinitätsstudie der BZgA aufgeführt, die Daten zu den übrigen illegalen Drogen unterscheiden sich nicht wesentlich. 2.2. Trend beim Konsum illegaler Drogen durch Jugendliche Der Drogenaffinitätsbericht 2019 der BZgA gibt neben dem aktuellen Stand auch Auskunft darüber , inwieweit sich der Konsum illegaler Drogen in den letzten viereinhalb Jahrzehnten verändert hat. Die Anteile der 12- bis 17-jährigen Jugendlichen in den vier Konsummerkmalen – Lebenszeitprävalenz , zwölf-Monats-Prävalenz, 30-Tage-Prävalenz sowie regelmäßiger Konsum – waren danach im Hinblick auf andere illegale Drogen (außer Cannabis) im Jahr 1997 am höchsten . Seitdem sei der Konsum anderer illegaler Drogen als Cannabis zurückgegangen. Ein anderes Bild ergebe sich beim Cannabiskonsum: In der Gruppe der 12- bis 17-jährigen Jugendlichen setzte ab 1986 ein Anstieg der Lebenszeitprävalenz des Cannabiskonsums ein. Im Jahr 2004 wurde ein Niveau von rund 15 Prozent erreicht. Im Zeitraum von 2004 bis 2011 verringerte sich die Konsumerfahrung wieder. Danach stieg sie erneut an und betrug im Jahr 2019 rund zehn Prozent. Aktuell läge die Konsumerfahrung Jugendlicher mit Cannabis noch immer unter dem hohen Niveau von 2004. Aber die 12-Monats-Prävalenzen, die für einen aktuelleren Konsum stehen, näherten sich im Jahr 2019 bei den 12- bis 17-Jährigen wieder dem Niveau von 2004 an. 3. Studien und weitere Veröffentlichungen zu gesundheitlichen Auswirkungen des Konsums illegaler Drogen bei Jugendlichen Drogenkonsum über einen längeren Zeitraum ist mit körperlichen Gesundheitsrisiken verbunden . Bei den illegalen Drogen wird das Risiko noch durch chemisch verunreinigte Zusätze ver- Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 9 - 3000 - 071/20 Seite 6 stärkt. Zahlreiche Einzelstudien zu den Folgen insbesondere des Cannabiskonsums liefern allerdings teils gegenläufige Befunde1, so dass insgesamt im Folgenden vor allem aktuelle Übersichtsarbeiten vorgestellt werden, die sich mit den gesundheitlichen Auswirkungen bei jugendlichen Konsumenten beschäftigen. Dabei unterscheiden die Arbeiten meist zwischen kurz- und langfristigen Beeinträchtigungen der Gesundheit. 3.1. Gesundheitliche Auswirkungen des Konsums illegaler Drogen in der Gesamtbetrachtung Trabi/Müller, Substanzbezogene Störungen bei Jugendlichen, Prävalenz, Konsummuster, Risikoprofil und Behandlungsindikationen in: Monatsschrift Kinderheilkunde 167, 101–108, 2019, abrufbar unter: https://link.springer.com/article/10.1007/s00112-018-0615-y. Der Beitrag gewährt anhand der Auswertung vorhandener Fachliteratur einen Überblick über die gesundheitlichen Auswirkungen verschiedener illegaler Drogen auf Jugendliche. Angeführt werden einerseits gesundheitliche Auswirkungen der Drogen unmittelbar nach dem Konsum sowie Folgen bei einem Langzeitgebrauch. Die Autoren unterscheiden dabei zwischen sog. Neuen Psychoaktiven Substanzen (NPS)2 und Cannabis. Unmittelbar nach dem Konsum führten NPS zu Bluthochdruck und Hyperthermie, wodurch auch die Gefahr einer körperlichen Schädigung vorliege. Bei Langzeitanwendung von NPS könne es zu Problemen im Verdauungs- und im Urogenitalsystem – wie schweren Nierenschäden und sehr heftigen Bauchkrämpfen sowie Gedächtnisstörungen – kommen. In höherer Dosierung werde auch die Entstehung von Psychosen begünstigt; in extremen Überdosierungen könne eine Vergiftung zu Koma und Tod führen. 1 Thomasius, Rainer, Gesundheitliche Auswirkungen von Cannabismissbrauch bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen in: Duttge, Gunnar/Holm-Hadulla, Rainer/Müller, Jürgen et al., Verantwortungsvoller Umgang mit Cannabis, Medizinische, juristische und psychosoziale Perspektiven, Göttinger Schriften zum Medizinrecht, Band 23, 2017, S. 27 ff (29). 2 Das BMG äußert sich zu NPS folgendermaßen: „Neue psychoaktive Stoffe (NPS) sind meist synthetische Stoffe, die gelegentlich auch als ‚Designerdrogen‘, ‚Research Chemicals‘ oder auch rechtlich fehlgehend als ‚Legal Highs‘ bezeichnet werden.[…] Der Konsum von NPS kann schwere Folgen nach sich ziehen: Die Symptome reichen von Übelkeit, heftigem Erbrechen, Herzrasen und Orientierungsverlust über Kreislaufversagen, Ohnmacht, Lähmungserscheinungen und Wahnvorstellungen bis hin zum Versagen der Vitalfunktionen. In Deutschland und dem übrigen Europa sind Todesfälle aufgetreten, bei denen der Konsum einer oder mehrerer dieser Stoffe nachgewiesen werden konnte.“ Näheres siehe BMG, Glossar, Neue psychoaktive Stoffe (NPS), abrufbar unter: https://www.bundesgesundheitsministerium.de/service/begriffe-von-a-z/n/nps.html. Die Drogenbeauftragte der Bundesregierung äußert sich wie folgt: „Neue psychoaktive Stoffe (NPS) sind synthetische Substanzen, die in ihrer Wirkung bekannten Substanzen wie Cannabis, Ecstasy oder Amphetaminen ähneln, aber zum Teil eine deutlich höhere Potenz haben. Die Produkte werden verharmlosend als "Räuchermischungen", "Badesalze" o.ä. angeboten.[…] Die größten Stoffgruppen sind synthetische Cannabinoide und synthetische Cathinone (Amphetaminderivate ).“ Näheres siehe Die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Neue psychoaktive Stoffe, abrufbar unter: https://www.drogenbeauftragte.de/themen/suchtstoffe-und-suchtformen/illegale-drogen/nps/neuepsychoaktive -stoffe.html?L=0#:~:text=Neue%20psychoaktive %20Stoffe%20(NPS)%20sind,%22%2C%20%22Badesalze%22%20o. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 9 - 3000 - 071/20 Seite 7 Unmittelbare Folge des Cannabiskonsums seien eine verminderte Konzentration, Denk- und Koordinationsstörungen. Zu Langzeitfolgen wird ausgeführt: „Langzeitnebenwirkungen betreffen v. a. psychische Funktionen, aber auch Veränderungen im Immun- und im Hormonsystem werden beschrieben. Des Weiteren konnten deutliche Beeinträchtigungen kognitiver Funktionen und auch eine Volumenverminderung der Hippocampusregion gezeigt werden. Bezüglich der Regenerationsfähigkeit dieser Veränderungen gibt es wahrscheinlich einen Unterschied, ob der Cannabiskonsum vor oder nach dem 15. Lebensjahr begonnen wurde.“ Guerri, Consuelo/ Pascual, Maria, Impact of neuroimmune activation induced by alcohol or drug abuse on adolescent brain development in: International Journal of Developmental Neuroscience, 77:89-98, 2019, abrufbar unter: https://onlinelibrary.wiley.com/doi/full/10.1016/j.ijdevneu .2018.11.006. Die Wissenschaftler kommen in ihrer Auswertung zugrunde liegender Studien zu dem Ergebnis, die Unreife des jugendlichen Gehirns mache es anfälliger für die Auswirkungen von Alkoholund Drogenmissbrauch (Cannabis, Kokain, Opioide, Amphetamine, anabole androgene Steroide). Der Gebrauch von illegalen Substanzen und Alkohol könne im Jugendalter normale physiologische Prozesse verändern mit der Folge langfristiger kognitiver Störungen und Verhaltensstörungen einschließlich der Veranlagung zu Drogenmissbrauch im späteren Leben. Speziell Cannabis könne zu Psychosen im Erwachsenenalter führen. McKetin, Rebecca/ Leung, Janni/ Stockings, Emily et al., Mental health outcomes associated with the use of amphetamines: A systematic review and meta-analysis in: EClinicalMedicine, Vol. 16 (2019), p8197; abrufbar unter: https://www.thelancet.com/action/showPdf?pii=S2589- 5370%2819%2930177-4. Der aktuellen Metaanalyse liegen 59 Studien zugrunde; darunter auch solche, die sich mit dem Konsum von Amphetaminen bei jungen Menschen wie Heranwachsenden ab 14 Jahren und jungen Erwachsenen beziehen. Die Analyse gibt einen Überblick über den Zusammenhang zwischen dem Konsum von Amphetaminen und psychischen Erkrankungen. Danach birgt der Konsum von Amphetaminen ein höheres Risiko auf die Ausbildung einer Psychose. Die Drogenbeauftragte der Bundesregierung beim Bundesministerium für Gesundheit, Drogenund Suchtbericht 2019 sowie Die Drogenbeauftragte der Bundesregierung beim Bundesministerium für Gesundheit, 1.398 Menschen an illegalen Drogen gestorben, Pressemitteilung vom 24. März 2020, abrufbar unter: https://www.drogenbeauftragte.de/presse/pressekontakt-und-mitteilungen /2020/i-quartal/1398-menschen-an-illegalen-drogen-gestorben.html sowie Bundeskriminalamt (BKA), Rauschgiftkriminalität, Bundeslagebild 2017 – Tabellenanhang, S. 16, abrufbar unter: https://www.bka.de/DE/AktuelleInformationen/StatistikenLagebilder/Lagebilder /Rauschgiftkriminalitaet/rauschgiftkriminalitaet_node.html?cms_gts=52346_Dokumente %253DdateOfIssue_dt%252Bdesc. Ebenso beschreibt der bereits genannte Drogen- und Suchtbericht 2019 der Drogenbeauftragten der Bundesregierung die gesundheitlichen – akuten und langfristigen – Folgen des Konsums der verschiedenen illegalen Drogen. So werden z. B. als akute Folgen des Kokainkonsums genannt: Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 9 - 3000 - 071/20 Seite 8 Krampfanfälle, Schock, Verwirrtheit und Bewusstseinsstörungen, die zum Koma führen können, gesteigerte Aggressivität, paranoide Wahnvorstellungen, Halluzinationen, Lähmung des Atemzentrums sowie Herzinfarkt. Als langfristige Folgen eines Kokainkonsums werden genannt: Abhängigkeit, Schwächung des Immunsystems, starker Gewichtsverlust, Schädigung von Blutgefäßen, Leber, Herz und Nieren, Angst und Verwirrtheit, Depressionen, Schlafstörungen, Antriebs- und Konzentrationsstörungen, Stimmungsschwankungen, Persönlichkeitsveränderungen und Psychosen mit Halluzinationen. Zu den gesundheitlichen Auswirkungen gehören auch die durch illegalen Drogenkonsum ausgelösten Todesfälle einschließlich der Unfälle und Suizide, die im Zusammenhang mit dem Drogenkonsum stehen. Laut Drogen- und Suchtbericht 2019 starben im Jahr 2018 in Deutschland 1.276 Menschen an den Folgen ihres Drogenkonsums bei einem Durchschnittsalter von 38 Jahren (weiblich) bzw. 38,6 Jahren (männlich). Eine Aufschlüsselung der Altersstruktur sei für das Jahr 2018 nicht erhoben worden. Mehr als die Hälfte der Drogentoten seien nach dem Konsum von Heroin oder Morphin verstorben. Gegenüber 2017 (1.272 Personen) sei die Zahl der drogenbedingten Todesfälle nahezu gleich geblieben. Laut BKA sind im Jahr 2017 zwei Personen im Alter von 14 bis 17 Jahren drogenbedingt verstorben, während es im Jahr zuvor fünf Personen gewesen seien. 3.2. Gesundheitliche Auswirkungen des Konsums von Cannabis Hoch, Eva/ Friemel, Chris/ Schneider, Miriam, Cannabis: Potenzial und Risiko, Eine wissenschaftliche Bestandsaufnahme, 2019, abrufbar unter: https://www.bundesgesundheitsministerium .de/fileadmin/Dateien/5_Publikationen/Drogen_und_Sucht/Berichte/Hoch_et_al_Cannabis _Potential_u_Risiko_SS.pdf sowie dazugehöriger Kurzbericht, abrufbar unter: https://www.bundesgesundheitsministerium.de/fileadmin/Dateien/5_Publikationen/Drogen _und_Sucht/Berichte/Kurzbericht/171127_Kurzbericht_CAPRis.pdf. Diese im Auftrag des BMG erschienene Literaturrecherche hat sich zum Ziel gesetzt, den internationalen wissenschaftlichen Kenntnisstand zum Potenzial und zu Risiken von Cannabinoiden in den letzten zehn Jahren zusammen zu fassen und zu bewerten (CaPRis- Studie). Gesichtet wurden dabei über 2.000 wissenschaftliche Publikationen, die aus fünf internationalen Datenbanken ausgewählt wurden. Als Risiken des Gebrauchs pflanzlicher und synthetischer Cannabinoide werden aufgezeigt: Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 9 - 3000 - 071/20 Seite 9 Somatik (akute, kardiovaskuläre Risiken, wie Bluthochdruck und beschleunigter Puls sowie Risiko bei chronischem Konsum für respiratorische Symptome wie Husten, keuchender Atem, Engegefühle in der Brust; Entwicklungsstörungen des Fötus), Kognition (Lern- und Gedächtnisdefizite, Störungen von Aufmerksamkeitsprozessen, verlangsamte Reaktionszeiten), Abhängigkeitsentwicklung, psychische Störungen (Angststörungen, Depressionen und Suizidalität, bipolare Störungen , Psychosen), soziale Folgen (z. B. Beeinträchtigungen im Bildungserfolg) sowie erhöhtes Unfallrisiko im Straßenverkehr unter dem Einfluss von Cannabis. Der frühe Cannabiskonsumbeginn in der Adoleszenz sei ein besonderer Risikofaktor. Zur Frage, inwieweit der Konsum von Cannabis bei Jugendlichen eine Auswirkung auf die schulischen Leistungen und das Ausbildungsniveau haben kann, kommt die Studie zu dem Ergebnis, dass eine Kausalität zwischen jugendlichem Cannabiskonsum und geringem Bildungserfolg bisher zwar nicht bewiesen sei. Die Befundlage von internationalen Längsschnittstudien sei diesbezüglich allerdings als überzeugend und vertrauenswürdig einzustufen. Früher (unter 15 Jahren) und häufiger Cannabiskonsum in der Adoleszenz seien mit geringem Bildungserfolg assoziiert. Es zeichne sich auch ein Zusammenhang zwischen einem erhöhten Risiko für Angststörungen und einem frühen Konsumbeginn (unter 16 Jahren), langjährigem, wöchentlichem Gebrauch und aktueller Cannabisabhängigkeit ab. Zusammenfassend belegten die evidenzbasierten Fakten ein erhöhtes Risiko für negative psychische, organische und soziale Konsequenzen im Zusammenhang mit dem Freizeitgebrauch von Cannabis. Hieraus ergebe sich die Notwendigkeit geeigneter Maßnahmen zur Aufklärung, Prävention und Risikominimierung, insbesondere zum Schutz von Jugendlichen . Orr, Catherine/ Spechler, Philip/ Cao, Zhipeng et al., Grey Matter Volume Differences Associated with Extremely Low Levels of Cannabis Use in Adolescence in: The Journal of Neuroscience, 6 March 2019, 39 (10) 1817-1827, abrufbar unter: https://www.jneurosci.org/content /jneuro/39/10/1817.full.pdf sowie kritisch dazu Müller, Thomas, Studie bei Jugendlichen, Verändern schon wenige Joints das Gehirn? in: Ärztezeitung 2019, abrufbar unter: https://www.aerztezeitung.de/Medizin/Veraendern-schon-wenige- Joints-das-Gehirn-253829.html sowie Kröplin, Tim/ Sontheimer, Leonie, Cannabis: Wird Kiffen gefährlicher? in: Zeit Online, 18. Januar 2019, abrufbar unter: https://www.zeit.de/wissen/gesundheit/2019-01/cannabis-konsum -gefahren-wirkstoffgehalt-anstieg. Die im Jahr 2019 veröffentlichte Studie untersuchte den Zusammenhang zwischen dem Konsum geringer Mengen an Cannabis und die dadurch bedingte Veränderung der grauen Substanz im Gehirn Jugendlicher. An der Studie nahmen 46 Jugendliche im Alter von 14 Jahren teil, die nach eigenen Angaben bisher erst ein- oder zweimal Cannabis konsumiert hatten. Eine gleich große Kontrollgruppe von Mädchen und Jungen im gleichen Alter hatte dagegen noch keine Erfahrungen mit Cannabis gemacht. Bei allen Teilnehmern analysierten die Forscher dann im Besonderen das Volumen der grauen Hirnmaterie, also des Bereichs der Großhirnrinde, in dem die meisten Hirnzellen liegen, um mögliche Unterschiede feststellen zu können. Laut den Untersuchungen des Forschungsteams zeigten sich zwischen beiden Gruppen Unterschiede: Die Jugendlichen, die Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 9 - 3000 - 071/20 Seite 10 ein- oder zweimal Cannabis konsumierten, wiesen in einigen Hirnarealen ein leicht erhöhtes Volumen der grauen Hirnsubstanz auf. Solche Veränderungen gingen in den Kognitions- und Verhaltenstests mit einem erhöhten Risikoverhalten, stärkeren Ängsten, einer psychomotorischen Verlangsamung sowie Defiziten beim logischen Denken einher. Kritische Stimmen geben hier zu bedenken, dass nur eine kleine Gruppe von 46 Heranwachsenden untersucht worden sei, der Cannabiskonsum auf subjektiven Angaben beruhe und es unklar sei, ob die Veränderungen durch Cannabis tatsächlich verursacht worden seien. Es könne eine reverse Kausalität bestehen, da Menschen mit bestimmten Hirnveränderungen oder einem hohen Risiko für psychische Störungen vielleicht eher zu Suchtmitteln greifen würden als andere. Vaucher, Julien/ Keating, Brendan/ Lasserre, Aurélie et al., Cannabis use and risk of schizophrenia : a Mendelian randomization study in: Molekular Psychiatrie, 23, pages 1287–1292 (2018), abrufbar unter: https://www.nature.com/articles/mp2016252. Diese Meta-Studie kommt zum Ergebnis, dass der Konsum von Cannabis die Wahrscheinlichkeit einer Schizophrenie zumindest erhöhe. Nicht belegt sei, ob der Cannabiskonsum eine Schizophrenie kausal verursache. Die Studie bezieht sich nicht konkret auf jugendliche Konsumenten, weist jedoch darauf hin, dass der Konsum unter jungen Menschen besonders hoch sei und diese deshalb dem benannten Risiko in besonderer Weise ausgesetzt seien. Mooney-Leber, Sean/ Gould, Thomas, The long-term cognitive consequences of adolescent exposure to recreational drugs of abuse in: Learning and Memory, 2018 Sep; 25(9): 481–491, abrufbar unter: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC6097759/. Die Veröffentlichung beschäftigt sich mit den kognitiven Langzeitfolgen eines Drogenkonsums im Jugendalter. Die Autoren konzentrieren sich dabei auf die Drogen Alkohol, Nikotin und Cannabis und geben einen Überblick über die in Human- und Tierstudien gefundenen Ergebnisse. Danach könne der Konsum von Cannabis bei Jugendlichen zu akuten und zu anhaltenden Aufmerksamkeitsdefiziten und zur Beeinträchtigung der Verhaltensflexibilität führen. Brecht, Frank/ Botte, Claudine, Cannabis und die gesundheitlichen Risiken in: Gesundheit und Pflege (GuP), 2/2018, S. 51 ff. Der Beitrag beschäftigt sich mit bisherigen Forschungsergebnissen und zieht das Fazit, dass die grundlegenden Umbaumaßnahmen des Gehirns im jugendlichen Alter durch den Einfluss von Cannabis irritiert würden. Der frühe Einstieg in den Cannabiskonsum könne nachhaltige Beeinträchtigungen der kognitiven Leistungsfähigkeit auch in Form einer Intelligenzminderung nach sich ziehen. Zudem steige die Gefahr, bei langem Cannabis-Konsum an einer Psychose zu erkranken , stark an. Auch wenn bei der Entstehung einer schizophrenen Psychose genetische Determinanten eine wichtige Rolle spielten, so erhöhe der Cannabiskonsum das Krankheitsrisiko. Thomasius, Rainer, Gesundheitliche Auswirkungen von Cannabismissbrauch bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen in: Duttge, Gunnar/ Holm-Hadulla, Rainer/ Müller, Jürgen et al., Verantwortungsvoller Umgang mit Cannabis, Medizinische, juristische und psychosoziale Perspektiven , Göttinger Schriften zum Medizinrecht, Band 23, 2017, S. 27 ff. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 9 - 3000 - 071/20 Seite 11 Der Beitrag beschäftigt sich mit verschiedenen Studien und liefert u. a. eine Zusammenschau der cannabisbezogenen, akuten psychischen Folgestörungen sowie der komorbiden psychischen Störungen . Cannabisbezogene, akute psychische Folgestörungen seien vor allem: Euphorie oder Dysphorie, Entspannung, psychomotorische Verlangsamung, kognitive Störungen (Konzentration, Aufmerksamkeit, Reaktionszeit, Gedächtnis), formale Denkstörungen (assoziative Lockerung, Beschleunigung, Weitschweifigkeit, Ideenflucht), Wahrnehmungsstörungen (Erleben von Zeit und Raum, Farben und Berührungsempfinden , bei höherer Dosis Halluzinationen), Depersonalisations- und Derealisationserleben, Gleichgültigkeit, Angst und Panikreaktionen. Bei Kindern und Jugendlichen zeigten sich Einschränkungen und Entwicklungsbeeinträchtigungen besonders häufig im schulischen und zwischenmenschlichen Bereich, in der Familie, in Beziehungen zu Gleichaltrigen und in einer Verschlechterung des psychosozialen Funktionsniveaus . Als komorbide psychische Störungen werden genannt: Störungen des Sozialverhaltens, depressive Störungen, Angststörungen, sozialphobische Störungen, Essstörungen, beginnende Borderline-Persönlichkeitsstörungen, antisoziale Persönlichkeitsentwicklungen, Psychosen, erhöhtes Auftreten von Suizidgedanken, Aggressivität und Impulsivität einschließlich Hyperkinetisches Syndrom3. Die Risiken für die Entwicklung einer jeweiligen Störung seien dabei unterschiedlich ausgeprägt. Hall, Wayne/ Renström, Maria/ Poznyak, Vladimir, Cannabis, The health and social effects of nonmedical cannabis use, World Health Organization (WHO), 2016, abrufbar unter: https://www.who.int/substance_abuse/publications/msbcannabis.pdf. 3 Nach dem Pschyrembel Online ist eine hyperkinetische Störung eine psychische Störung im Kindes-, Jugendund Erwachsenenalter mit Unaufmerksamkeit, Hyperaktivität und Impulsivität, die in einem für den Entwicklungsstand des Betroffenen abnormen Ausmaß situationsübergreifend auftritt. Sie wird auch als Aufmerksamkeitsdefizit -Hyperaktivitätsstörung (ADHS) bezeichnet. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 9 - 3000 - 071/20 Seite 12 Der Bericht der WHO fasst die Forschungsergebnisse einer Vielzahl internationaler Wissenschaftler zusammen und betrachtet u. a. die gesundheitlichen Auswirkungen von nichtmedizinischem Cannabiskonsum mit speziellem Fokus auf Cannabiskonsumenten im Jugendalter. Insbesondere Effekte auf Jugendliche, welche regelmäßig und über einen längeren Zeitraum Cannabis konsumierten , werden in dem Bericht näher betrachtet und zusammengestellt. Als Kurzzeitfolgen werden vor allem genannt: Panikattacken, kurzweilige Euphorie, Halluzinationen und Brechreiz, Bewusstseins-, Verhaltens- und Wahrnehmungsstörungen, verzögerte Reaktionszeiten, Verdopplung des Unfallrisikos bei Autofahrern, die unter Cannabiseinfluss stehen. Als Langzeitfolgen werden vor allem genannt: Verursachung einer Abhängigkeit (Abhängigkeitsrisiko bei Erstkonsumierenden 1:10, bei einem täglichen Konsum 1:3), Rückzug aus dem alltäglichen Leben, Depressionen, Psychosen/Wahnvorstellungen/Schizophrenie , allgemeine Anspannung, erhöhte Selbstmordgefährdung sowie chronisch-obstruktive Bronchitis/Lungenerkrankungen, Einschränkungen des Erinnerungsvermögen sowie des Intelligenzquotienten bei dauerhaftem Konsum, Veränderungen der Hirnstruktur, gesteigertes Infarkt- und Schlaganfallrisiko bereits in jungen Jahren bei dauerhaftem Cannabiskonsum , um ein Vielfaches erhöhte Todesrate bei Langzeitkonsumenten. Besonders bei Jugendlichen (14-16 Jahre) seien die negativen Folgen eines regelmäßigen Cannabiskonsums und die daraus resultierende Suchtgefährdung weitaus stärker ausgeprägt als bei Erwachsenen. French, Leon/ Gray, Courtney/ Leonard, Gabriel et al., Early Cannabis Use, Polygenic Risk Score for Schizophrenia, and Brain Maturation in Adolescence in: The Journal of the American Medical Association (JAMA) Psychiatry. 2015 October ; 72(10): 1002–1011, abrufbar unter: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC5075969/. An der Studie nahmen rund 1.575 Personen zwischen 12 und 21 Jahren teil. Laut Forschungsteam kann Cannabis bei männlichen Jugendlichen Einfluss auf die Reifung der Hirnrinde haben, was wiederum das Risiko für Schizophrenie erhöhe. Dies träfe allerdings nur dann zu, wenn die Teilnehmer gleichzeitig ein genetisch bedingt erhöhtes Risiko für Schizophrenie aufwiesen . Deutsche Gesellschaft für Suchtforschung und Suchttherapie (DG-Sucht), Stellungnahme zur Legalisierungsdebatte des nicht-medizinischen Cannabiskonsums, beschlossen vom Vorstand der DG-Sucht am 9. Juli 2015 in: SUCHT (2016), 62, S. 163-166, abrufbar unter: https://econtent.hogrefe .com/doi/full/10.1024/0939-5911/a000428 sowie Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 9 - 3000 - 071/20 Seite 13 Hoch, Eva/ Bonnet, Udo/ Thomasius, Rainer et al., Risiken bei nichtmedizinischem Gebrauch von Cannabis in: Deutsches Ärzteblatt, 2015; 112: 271–8, abrufbar unter: https://www.aerzteblatt .de/archiv/169158/Risiken-bei-nichtmedizinischem-Gebrauch-von-Cannabis#literatur. Die Stellungnahme der DG-Sucht und die als Literaturrecherche ausgestaltete Forschungsarbeit führen ebenso – bereits genannte – gesundheitliche Auswirkungen physischer und psychischer Art auf. Auch sie betonen, dass der Cannabiskonsum in der Adoleszenz das Risiko für eine solche Auswirkung erhöhe. ***