WD 9 - 3000 - 070/19 (1. Oktober 2019) © 2019 Deutscher Bundestag Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Gesetzlich Krankenversicherte haben nach § 32 Absatz 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V)1 unter bestimmten Voraussetzungen einen Anspruch auf Versorgung mit Heilmitteln wie Physiotherapie , Ergotherapie, Logopädie sowie Podologie. Allerdings zeigt eine Analyse der Bundesagentur für Arbeit einen Fachkräftemangel in einigen Gesundheitsberufen wie auch der Versorgung mit Physiotherapie und Podologie auf.2 Um einem Fachkräftemangel entgegen zu wirken und eine flächendeckende Versorgung mit Heilmitteln zu gewährleisten, wurde § 125 SGB V (damals Rahmenempfehlungen und Verträge) durch das Gesetz zur Stärkung der Heil- und Hilfsmittelversorgung (Heil- und Hilfsmittelversorgungsgesetz - HHVG)3 vom 4. April 2017 grundlegend reformiert: Dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen (GKV-Spitzenverband) und den Bundesverbänden der Heilmittelerbringer wurde in § 125 Absatz 1 Satz 4 Nummer 5 SGB V a.F.4 auferlegt, in ihren (unverbindlichen) Rahmenempfehlungen über die einheitliche Versorgung mit Heilmitteln auch Vorgaben für die Vergütungsvereinbarungen in den Ländern zum Nachweis der tatsächlich gezahlten Tariflöhne oder Arbeitsentgelte zu regeln. Dies sollte helfen, durch Transparenzvorgaben eine bessere Berücksichtigung von Tariflöhnen 1 Das Fünfte Buch Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Krankenversicherung – (Artikel 1 des Gesetzes vom 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477, 2482), das zuletzt durch Artikel 12 des Gesetzes vom 9. August 2019 (BGBl. I S. 1202) geändert worden ist. 2 Bundesagentur für Arbeit, Fachkräfteengpassanalyse, Dezember 2018, z. B. S. 9 und 10, abrufbar unter: https://statistik.arbeitsagentur.de/Statischer-Content/Arbeitsmarktberichte/Fachkraeftebedarf-Stellen/Fachkraefte /BA-FK-Engpassanalyse.pdf (dieser sowie alle weiteren Links wurden zuletzt abgerufen am 30. September 2019). 3 BGBl. I S. 778. 4 Siehe hierzu die Fassung des § 125 vom 4. April 2017 gültig bis 10. Mai 2019. Wissenschaftliche Dienste Kurzinformation Zur Erhöhung der Vergütung von Fachkräften in den Heilmittelberufen Kurzinformation Zur Erhöhung der Vergütung von Fachkräften in den Heilmittelberufen Fachbereich WD 9 (Gesundheit, Familie, Senioren, Frauen und Jugend) Wissenschaftliche Dienste Seite 2 und Arbeitsentgelten bei den nach dem zweiten Absatz vorgesehenen Vergütungsverhandlungen auf Landesebene zu erreichen, um so steigende Vergütungen für Heilmittelleistungen auch den Angestellten der Leistungserbringer zugutekommen zu lassen.5 Der durch das HHG neu gefasste § 125 Absatz 2 Satz 2 SGB V a.F. nahm die Heilmittelverträge , die nach damaliger Gesetzeslage zwischen den Krankenkassen und Landesverbänden der Heilmittelerbringer und nicht auf Bundesebene geschlossen wurden, für die Jahre 2017 bis 2019 von der Geltung des bis dahin bestehenden Grundsatzes der Beitragsstabilität nach § 71 SGB V6 aus, um eine größere Flexibilität bei der Vereinbarung der Heilmittelpreise zu ermöglichen. Dadurch entfiel die sogenannte Grundlohnsumme als maximale Obergrenze für Verhandlungen. Mit dem Gesetz für schnellere Termine und bessere Versorgung (Terminservice- und Versorgungsgesetz - TSVG)7 vom 6. Mai 2019 wurden diese Regelungen erneut geändert: Der Abschluss von Rahmenempfehlungen8 zur Versorgung mit Hilfsmitteln ist grundsätzlich nicht mehr vorgesehen, vgl. § 125 Absatz 1 und 2 SGB V. Vielmehr werden nunmehr bundeseinheitlich verbindliche Verträge für jeden Heilmittelbereich geschlossen. Diese Verträge werden erstmals zum 1. Juli 2020 zwischen dem GKV-Spitzenverband und den Spitzenorganisationen der Heilmittelerbringer abgeschlossen. 9 Dazu sind nach § 125 Absatz 2 Nummer 9 SGB V als Bestandteil des Vertrages „Vergütungsstrukturen für die Arbeitnehmer unter Berücksichtigung der tatsächlich gezahlten Arbeitsentgelte“ zu regeln. Zum Nachweis der tatsächlich gezahlten Arbeitsentgelte hat die Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege dem GKV-Spitzenverband auf dessen Anforderung eine Statistik zu übersenden, die insbesondere die Anzahl der Arbeitnehmer, deren geleistete Arbeitsstunden sowie die geleisteten Entgelte enthalten soll. Zudem wurde die Aufhebung des Grundsatzes der Beitragsstabilität entfristet und die Grundlohnsummenanbindung für diesen Versorgungsbereich generell aufgehoben (vgl. § 125 Absatz 3 Satz 3 SGB V). 5 Butzer in: Becker/Kingreen, SGB V, Gesetzliche Krankenversicherung, 6. Auflage 2018, § 125 Rn. 6; Wabnitz in Spickhoff, Medizinrecht, 3. Auflage 2018, § 125 SGB V Rn. 2. 6 Der Grundsatz der Beitragssatzstabilität hatte zur Folge, dass den Vergütungsanpassungen von der durchschnittlichen Veränderungsrate der beitragspflichtigen Einnahmen der Mitglieder der Krankenkassen, welche das Bundesministerium für Gesundheit jährlich bis zum 15. September des Vorjahres feststellt (§ 71 Absatz 3 SGB V), eine Obergrenze gesetzt wurde (§ 71 Absatz 2 SGB V). Durch die Aufhebung der Geltung des Grundsatzes der Beitragssatzstabilität sind somit auch Vertragsabschlüsse oberhalb der Veränderungsrate möglich. Weitere Einzelheiten zur Grundlohn-Veränderungsrate sind abrufbar über den GKV-Spitzenverband unter: https://www.gkv-spitzenver-band.de/krankenversicherung/krankenhaeuser/budgetverhandlungen/gl_veraenderungsrate /gl_veraenderungsrate.jsp. 7 BGBl. I S. 646. 8 Lediglich in Bezug auf die Ausgestaltung einer barrierefreien Praxis soll es nach § 125 Absatz 4 SGB V eine Empfehlung geben. 9 Gemäß der Übergangsregelung nach § 125b SGB V wurden Bundeshöchstpreise mit Geltung ab 1. Juli 2019 veröffentlicht . Einzelheiten sind abrufbar über den GKV-Spitzenverband unter: https://www.gkv-heilmittel .de/fuer_heilmittelerbringer/heilmittelpreise/heilmittelpreise.jsp. Kurzinformation Zur Erhöhung der Vergütung von Fachkräften in den Heilmittelberufen Fachbereich WD 9 (Gesundheit, Familie, Senioren, Frauen und Jugend) Wissenschaftliche Dienste Seite 3 Auch wenn der Gesetzeswortlaut klarstellt, dass die Verträge Vergütungsstrukturen für die Arbeitnehmer und damit für die Angestellten in den Praxen enthalten müssen, so ist ihm nicht eindeutig zu entnehmen, dass eine Vergütungserhöhung im Heilmittelbereich auf Angestellte ausgeweitet werden muss. Der bis zum 30. Juni Jahr 2020 bundesweit zu schließende Vertrag bleibt diesbezüglich abzuwarten. Im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens zum HHVG hatte der Ausschuss für Gesundheit das Problem bereits angesprochen: „Zudem ist zu gewährleisten, dass steigende Vergütungen für Heilmittelleistungen auch den angestellten Therapeutinnen und Therapeuten zugutekommen.“10 Ein Antrag forderte, durch gesetzliche Maßnahmen sicherzustellen, dass die in den Praxen Angestellten von der Erhöhung der Leistungsvergütung in mindestens derselben prozentualen Steigerung profitieren, wurde allerdings abgelehnt.11 Es existiert entsprechend keine eindeutige gesetzliche Regelung, dass die in den Praxen Angestellten von einer Vergütungserhöhung profitieren müssen. Der Bundesrat hatte in seiner Stellungnahme zum Gesetzentwurf HHVG darauf hingewiesen , dass die Bezahlung der angestellten Mitarbeitenden nicht Gegenstand der Verträge nach § 125 SGB V sei, sondern dem bilateralen arbeitsrechtlichen Vertragsverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer obliege. Die Transparenzvorgaben dienten dazu, die tatsächlichen Arbeitsentgelte im Rahmen der Vertragsverhandlungen berücksichtigen zu können.12 Auch nach Auffassung des Bundesministeriums für Gesundheit liegt es in der Verantwortung der Praxisinhaber , die Vergütungserhöhung an die Angestellten weiter zu geben.13 Allerdings erwartet die Bundesregierung, dass Vergütungssteigerungen den Angestellten in den Praxen auch tatsächlich zugutekommen.14 *** 10 Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit (14. Ausschuss) zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Heil- und Hilfsmittelversorgung (Heil- und Hilfsmittelversorgungsgesetz – HHVG) sowie zu diversen Anträgen, Bundestags-Drucksache 18/11205 vom 15. Februar 2017, S. 66. 11 Antrag des Abgeordneten Dr. Achim Kessler sowie weiterer Abgeordneter und der Fraktion Die Linke., Flächendeckende Versorgung mit Physiotherapie und anderen Heilmitteln sichern, Bundestags-Drucksache 19/4887 vom 10. Oktober 2018. Zur Ablehnung des Antrags vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit (14. Ausschuss) zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Heil- und Hilfsmittelversorgung (Heil- und Hilfsmittelversorgungsgesetz – HHVG) sowie zu diversen Anträgen , Bundestags-Drucksache 18/11205 vom 15. Februar 2017, S. 6 und S. 154. 12 Gesetzentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Heil- und Hilfsmittelversorgung, (Heil- und Hilfsmittelversorgungsgesetz – HHVG), Anlage 3, Stellungnahme des Bundesrates, Bundestags- Drucksache 18/10186 vom 2. November 2016, S. 48, abrufbar unter: http://dipbt.bundestag .de/dip21/btd/18/101/1810186.pdf. 13 Dr. Roy Kühne, Therapieverbände zu BMG-Stellungnahme, September 2018, Frage 11, abrufbar unter: https://www.dr-roy-kuehne.de/therapieverbande-zu-bmg-stellungnahme.html. 14 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage des Abgeordneten Dr. Achim Kessler, weiterer Abgeordneter und der Fraktion Die Linke., Sicherstellung der physiotherapeutischen Versorgung, S. 2, Bundestags-Drucksache 19/3912 vom 17. August 2018.