Deutscher Bundestag Maßnahmen zur Qualitätssicherung im deutschen Gesundheitswesen Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste © 2009 Deutscher Bundestag WD 9 – 3000-070/10 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 – 3000-070/10 Seite 2 Maßnahmen zur Qualitätssicherung im deutschen Gesundheitswesen Aktenzeichen: WD 9 – 3000-070/10 Abschluss der Arbeit: 12. Mai 2010 Fachbereich: WD 9: Gesundheit, Familie, Senioren, Frauen und Jugend Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 – 3000-070/10 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Zusammenfassung 4 2. Rechtliche Grundlagen der Qualitätssicherung und deren Funktion 4 3. Institutionen und Verfahren 6 4. Modellprogramm „Förderung der medizinischen Qualitätssicherung der Bundesregierung“ 7 5. Qualitätssicherung in Krankenhäusern, Fallbeispiel Klinik-Führer Rhein-Ruhr 7 6. Anmerkungen 10 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 – 3000-070/10 Seite 4 1. Zusammenfassung Qualitätssicherung hat seit 1999 eine wichtige Rolle in den Bemühungen um eine Reform der gesetzlichen Krankenversicherung gespielt. Das Instrumentarium wurde Schritt für Schritt entwickelt . Qualitätssicherung soll dem Wettbewerb um die Patienten sowie der Effizienzsteigerung dienen. Eine zentrale Rolle nimmt der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) als oberstes Organ der gemeinsamen Selbstverwaltung ein. Er legt in Richtlinien und Leitlinien die Normen für die Qualitätssicherung vor. Um diese zu entwickeln, bedient er sich des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) und des AQUA-Instituts für angewandte Qualitätsförderung und Forschung im Gesundheitswesen. Die Leitlinien sollen den Standards evidenzbasierter Medizin entsprechen. Zur Zeit steht eine Richtlinie über einrichtungs- und sektorübergreifende Maßnahmen der Qualitätssicherung vor ihrer Verabschiedung. In die Chronikerprogramme sind über 5,4 Mio. Patienten eingeschrieben. Mit dem Modellprogramm „Förderung der medizinischen Qualitätssicherung der Bundesregierung “ sind insbesondere Maßnahmen zur Patientenbeteiligung und zum Benchmarking in der Gesundheitsversorgung gefördert worden. Die Qualitätssicherung in Krankenhäusern ist stetig verbessert worden. Es gibt allerdings Kritik daran, dass die eingesetzten Indikatoren nicht ausreichend seien. Im Übrigen seien die Berichte nur für wenige Patienten verständlich und würden nur von einer kleinen Zahl von Patienten genutzt . Daher gibt es Ansätze, die Patientenorientierung zu verbessern bzw. deren Sicht in die Bewertungen mit einzubeziehen. 2. Rechtliche Grundlagen der Qualitätssicherung und deren Funktion Die Sicherung der Qualität der Leistungserbringung ist seit 1999 im Neunten Abschnitt des SGB V geregelt und schrittweise erweitert worden. Im Entwurf eines Gesetzes zur Reform der gesetzlichen Krankenversicherung ab dem Jahr 2000 (GKV-Gesundheitsreform 2000) wird in der Begründung zum Entwurf zu § 136 ausgeführt: „Durch die Verpflichtung der Leistungserbringer zur Beteiligung an einrichtungsübergreifenden Qualitätssicherungsmaßnahmen wird die Möglichkeit geschaffen, die Qualität der Arbeit auch im Vergleich zu anderen Leistungserbringern zu beurteilen und so mögliche Qualitätsdefizite zu erkennen und abzustellen. Mit einrichtungsübergreifenden Maßnahmen sind insbesondere Maßnahmen gemeint, die vergleichende Prüfungen ermöglichen und zum Ziel haben, die Ergebnisqualität zu verbessern“ (1). Die Aufgaben der Arbeitsgemeinschaft zur Förderung der Qualitätssicherung in der Medizin wurden in § 137 b SGB V konkretisiert und erweitert. In § 137 c SGB V wurde in Anlehnung an die in der ambulanten Versorgung etablierten Verfahren ein Gremium geschaffen, das Art und Qualität der im Rahmen von Krankenhausbehandlungen erbrachten Leistungen unter Berücksichtigung des allgemein anerkannten Standes der medizinischen Erkenntnisse überprüfen sollte. In § 137 Abs. 1 Nr. 4 SGB V wurden Vergütungsabschläge für Krankenhäuser vorgesehen, die ihre Verpflichtungen zur Qualitätssicherung nicht einhalten. In § 137 e SGB V wurde ein Koordinierungssauschuss gebildet, der Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 – 3000-070/10 Seite 5 auf der Grundlage evidenzbasierter Leitlinien Kriterien für eine zweckmäßige und wirtschaftliche Leistungserbringung für mindestens zehn Krankheiten je Jahr beschließen sollte, bei denen Hinweise auf unzureichende, fehlerhafte oder übermäßige Versorgung bestehen und deren Beseitigung Morbidität und Mortalität der Bevölkerung nachhaltig beeinflussen kann. 2001 wurde das Instrument der strukturierten Behandlungsprogramme in das SGB V aufgenommen (2). Nach §137 f SGB V sollten vier bis sieben Behandlungsprogramme (Disease- Management-Programme) entwickelt werden, um die Qualität der Versorgung chronisch Kranker zu verbessern. Der Koordinierungsausschuss sollte die Anforderungen für die Behandlung nach evidenzbasierten Leitlinien und die Qualitätssicherungsmaßnahmen empfehlen. Mit dem GKV-Modernisierungsgesetz wurde 2003 ein nächster Schritt vollzogen (3). Der nach § 91 SGB V als sektorenübergreifende Einrichtung der gemeinsamen Selbstverwaltung gebildete G – BA erhielt die Aufgabe, die Anforderungen an die Qualitätssicherung im ambulanten und stationären Bereich vorzugeben. Dazu gehören z.B. die Festlegung für Anforderungen an die Qualitätssicherung in Krankenhäusern und Mindestanforderungen für die Fortbildungspflichten für Fachärzte in Krankenhäusern. Der G-BA kann Untersuchungs- und Behandlungsmethoden von der Finanzierung durch die GKV durch den Erlass einer Richtlinie ausschließen. Zur Stärkung der Kompetenz der Patienten wurde dem G – BA die Aufgabe übertragen, ihnen Informationen zu Krankheiten, die hohe Versorgungsrelevanz haben, zur Verfügung zu stellen. Der Geltungsbereich des § 135a SGB V wurde erweitert, wobei der Umfang der Maßnahmen im Qualitätsmanagement im ambulanten Beeich nicht dem im stationären Bereich gleichzusetzen sei. In § 139 a SGB V wurde das IQWiG verankert. Es sollte zu Fragen von grundsätzlicher Bedeutung für die Qualität und Wirtschaftlichkeit von Leistungen tätig werden, die im Rahmen der GKV erbracht werden. Mit dem Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV- Wettbewerbsstärkungsgesetz) wurde 2007 die Qualitätssicherung vertieft (4). § 137 SGB V fasst die unterschiedlichen Vorschriften zusammen und dehnt die Qualitätssicherung auf den ambulanten Bereich aus. Konsequenzen, wenn Leistungserbringer ihre Verpflichtungen zur Qualitätssicherung nicht einhalten, können in Vergütungsabschlägen bestehen, aber auch darüber hinaus gehen. Der G-BA legt dafür Grundsätze fest. Inhalt und Umfang der Qualitätsberichte der Krankenhäuser blieben unverändert. Der G-BA wurde verpflichtet, einen einheitlichen und gemeinsam abgestimmten Datensatz zu vereinbaren. Es müssen Mindestmengen bei planbaren Leistungen von Krankenhäusern erreicht werden. Mit dem neuen § 137 a SGB V wurde dem G-BA die Aufgabe übertragen, die Anforderungen an die Qualitätssicherung festzulegen. Eine stärker wissenschaftlich ausgerichtete Institution sollte Normen und Werkzeuge für die Qualitätsmessung entwickeln. Dem IQWiG wurde in § 139 a SGB V die bisher vom G-BA wahrgenommene Aufgabe übertragen, die Versicherten über Krankheiten mit besonderer Relevanz zu informieren. Das Institut hat seine Arbeitsmethoden an den Standards der evidenzbasierten Medizin auszurichten. Neben Patientenvertretern sollen auch Wissenschaftler und Arzneimittelhersteller frühzeitig Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten. Die Bereitstellung von Qualitätsdaten wird unter verschiedenen Zielsetzungen betrieben. So soll der Qualitätswettbewerb um Patienten gestärkt werden. Dieser scheint bereits in bestimmten Regionen begonnen zu haben (5). Im Ruhrgebiet, in Berlin und Hamburg publizieren Krankenhäuser freiwillig Qualitätsdaten, die über den durch die Vorschriften vorgegebenen Rahmen hinausgehen . Es können weiter durch den Vergleich der Leistungserbringer Effizienzreserven identifiziert Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 – 3000-070/10 Seite 6 werden (6). Durch die Einhaltung von Behandlungsleitlinien, die Einführung von Mindestmengen oder die Vermeidung von Fehlern hätten nach Angaben von Wübker 1997 in den USA zwischen 1,6 % und 2,8% der gesamten Gesundheitsausgaben eingespart werden können. 3. Institutionen und Verfahren Der G-BA als oberstes Beschlussgremium der Selbstverwaltung im Gesundheitswesen beschließt nach § 137 SGB V sektorenübergreifende Richtlinien zur Qualitätssicherung. Beschlüsse werden vom Unterausschuss Qualitätssicherung vorbereitet. Der Anlage 1 sind Informationen zur Struktur des Unterausschusses sowie zu den von ihm initiierten Beschlüssen zu entnehmen. Dazu gehört z.B. eine Richtlinie über einrichtungs- und sektorenübergreifende Maßnahmen der Qualitätssicherung . Der Vorsitzende des G-BA hat vor einiger Zeit in einem Artikel die weiteren Vorhaben des G-BA im Bereich der Qualitätssicherung dargestellt (Anlage 2) (7). In §139 a SGB V ist das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen verankert (Anlage 3). Das Institut hat den aktuellen medizinischen Wissensstand zu diagnostischen und therapeutischen Verfahren zu recherchieren und zu bewerten, Stellungnahmen zu Fragen der Qualität der im Rahmen der GKV erbrachten Leistungen zu erstellen, evidenzbasierte Leitlinien von wichtigen Krankheiten zu bewerten, Empfehlungen zu Disease-Management- Programmen abzugeben sowie für alle Bürger allgemein verständliche Informationen zu Qualität und Effizienz in der Gesundheitsversorgung sowie zu Diagnostik und Therapie von Krankheiten mit erheblicher epidemiologischer Bedeutung bereitzustellen (8). Das IQWiG erhält seine Aufträge vom G-BA und vom Bundesministerium der Gesundheit (BMG). Es kann auch in eigener Verantwortung Themen aufgreifen. Um den unterschiedlichen Bildungsniveaus in der Bevölkerung gerecht zu werden, erstellt das Institut seine Informationen in verschiedenen Niveaus der Verständlichkeit (9). Visuelle und multimediale Elemente sollen den Text unterstützen. Der Begriff „erhebliche epidemiologische Bedeutung“ wird vom IQWiG anhand folgender Kriterien definiert: Mortalität, Häufigkeit, Häufigkeit der Inanspruchnahme medizinischer Leistungen, Behandlungskosten, krankheitsbedingte Fehlzeiten am Arbeitsplatz, Einschränkung der Lebensqualität und andere relevante Folgen (10). Bei der Bewertung diagnostischer Verfahren werden die Kriterien Mortalität, Morbidität und gesundheitsbezogene Lebensqualität ebenfalls angewendet (11). Medizinische Leitlinien sollen zur Verbesserung und Sicherung der medizinischen Qualität in der Patientenversorgung dienen (12). Durch die Formulierung von konkreten Handlungsempfehlungen sollen unangemessene Unterschiede reduziert und die Versorgung verbessert werden. Für die Maßnahme muss ein Nutzen nachgewiesen werden, sie muss relevant für das Gesundheitssystem sein, sie muss verfügbar und zugelassen sein, sie muss notwendig sein, eine sichere Anwendung durch Ärzte und Patienten muss möglich sein und sie muss finanzierbar sein (13). Das IQWiG gibt auch Empfehlungen zu Disease-Management-Programmen ab (14). Sie beinhalten eine abgestimmte, koordinierte Versorgung über Sektorengrenzen hinweg auf der Basis der besten verfügbaren wissenschaftlichen Evidenz (15). Inzwischen gibt es Programme für die Behandlung von sechs Krankheiten (Diabetis mellitus Typ 1 oder Typ 2, koronare Herzkrankheit, Asthma bronchiale, chronisch obstruktive Lungenerkrankungen (COPD), Brustkrebs). Am Programm Diabetis mellitus Typ 2 nehmen über 2,8 Mio. Patienten, am Programm koronare Herzkrankheit 1,3 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 – 3000-070/10 Seite 7 Mio. Patienten teil. Insgesamt sind (Stand Oktober 2009) 5,4 Mio. Patienten in den zugelassenen Programmen eingeschrieben. Bis 2009 hat der G-BA in Zusammenarbeit mit dem BQS Institut für Qualität & Patientensicherheit z.B. Vorgaben für die Berichterstattung von Krankenhäusern erarbeitet. Das Institut wird von der Bundesärztekammer, der Deutschen Krankenhausgesellschaft, Spitzenverbänden der Krankenkassen und der Privaten Krankenversicherung getragen. Es wurde allerdings davon gesprochen , dass sich die in beiden Organisationen repräsentierten Vertreter der Selbstverwaltung gegenseitig behinderten (16). Im August 2009 hat der G-BA mit dem AQUA-Institut für angewandte Qualitätsförderung und Forschung im Gesundheitswesen einen Vertrag über die Entwicklung von Verfahren zur Messung und Darstellung der Versorgungsqualität gemäß §137 a SGB V abgeschlossen (Anlage 4)(17). Im November erteilte der G-BA die ersten Aufträge. Das AQUQ-Institut soll Indikatoren und Instrumente für die Konisation (gynäkologischer Eingriff), die Katarakt- (grauer Star) Operationen, die PTCA (perkutane transluminale Coronarangioplastie), ein Verfahren zur Behandlung von Herzkranzgefäßverengungen sowie für das kolorektale Karzinom (Darmkrebsbehandlung) entwickeln. 4. Modellprogramm „Förderung der medizinischen Qualitätssicherung der Bundesregierung “ Seit 1991 gibt es das Modellprogramm „Förderung der medizinischen Qualitätssicherung der Bundesregierung“, dessen Ziel es war, Qualitätssicherungsmaßnahmen in unmittelbar patientenbezogenen Leistungsbereichen der ambulanten und stationären Versorgung zu erproben. Förderschwerpunkt war z.B. das Programm „Patient als Partner im medizinischen Entscheidungsprozess “. Bei diesem Programm sollte modellhaft an zehn Krankheiten gezeigt werden, wie eine partnerschaftliche Beteiligung von Patienten an der medizinischen Entscheidungsfindung realisiert werden kann (18). Das Projekt zur Patientensicherheit soll die Umsetzung der Agenda Patientensicherheit 2005 und den Masterplan des Aktionsbündnisses Patientensicherheit umzusetzen . Beim Benchmarking in der Patientenversorgung geht es darum, Verbesserungspotentiale in der Gesundheitsversorgung zu identifizieren und nutzbar zu machen. Zwischen 2003 und 2007 wurden 10 Projekte durchgeführt. Dazu gehörten z.B. die geriatrische Patientenversorgung oder psychiatrische Akutversorgung. Eine Übersicht über die Projekte und die beiden Fallbeispiele ist in Anlage 5 enthalten. 5. Qualitätssicherung in Krankenhäusern, Fallbeispiel Klinik-Führer Rhein-Ruhr Krankenhäuser sollen durch ein internes Qualitätsmanagement die Prozesse und Ergebnisse optimieren . Für die Zertifizierung steht u.a. das KTQ-Modell (Kooperation für Transparenz und Qualität im Gesundheitswesen) zur Verfügung (19). Krankenhäuser sind nach § 137 SGB V seit 2003 verpflichtet, regelmäßig alle zwei Jahre einen strukturierten Qualitätsbericht zu erstellen. Da an den bisher veröffentlichten Berichten Kritik geäußert wurde, hat der G-BA die Regelungen teilweise neu gefasst. Die letzte Änderung stammt vom 19.3.2009 (Anlage 6) (20). In der Anlage 7 ist ein Auszug aus dem Qualitätsbericht einer Klinik enthalten. Daneben gibt es mittlerweile eine Reihe von speziellen Auswertungen durch Krankenkassen und Externe. Beispiele sind für Knie- Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 – 3000-070/10 Seite 8 gelenk-Operationen, bzw. als Auszug aus der Weißen Liste der Bertelsmann Stiftung in den Anlagen 8 und 9 enthalten. Aus Sicht von Verbrauchervertretern ist bisher eine unabhängige, nutzerorientierte und vergleichbare Darstellung von Qualitätsdaten nicht forciert worden (21). Vor diesem Hintergrund haben Patienten- und Verbraucherorganisationen mit der Bertelsmann Stiftung ein Internetportal (www.Weisse-liste.de) entwickelt. Dabei sollen auch Daten zur Behandlungsqualität abgebildet und die Erfahrungen der Patienten einbezogen werden. Damit sind allerdings bloße Zufriedenheitsbefragungen nicht gemeint. Wübker formuliert in seiner Untersuchung die Defizite von Bewertungen folgendermaßen: „Unzureichendes Interesse der Patienten, die Qualitätsdaten für die Entscheidungsfindung zu nutzen, ist im Wesentlichen darauf zurückzuführen, dass verfügbare Informationen für Patienten schlecht aufbereitet und unverständlich sind, nicht als relevant empfunden werden sowie Patienten kein Vertrauen in die bereitgestellten Daten haben“ (22). Aus Patientensicht wird dem Arzt mit seinen klinischen, sozialen und kommunikativen Kompetenzen bei der Gewährleistung der Versorgungsqualität eine wichtige Rolle zugesprochen (23). Bei der Messung von Qualität treten allerdings eine Reihe von Problemen auf. Zur Messung von Qualität werden Indikatoren verwendet, die Qualität jedoch immer nur in Teilen darstellen können . Außerdem sind die Indikatoren nicht immer geeignet (24). Von ärztlicher Seite wird z.B. die Festlegung von Mindestmengen für medizinische Leistungen in Krankenhäusern kritisch hinterfragt . So gibt es kontroverse Meinungen zur Festsetzung von Mindestmengen bei der Versorgung von Neugeborenen mit sehr niedrigem Geburtsgewicht. Während Zorn darauf verweist, dass der beobachtete Zusammenhang zwischen Leistungsmenge und Ergebnisqualität lediglich eine statistische Assoziation und keinen Zusammenhang darstelle (25), vertritt D. Pfeiffer die Auffassung, dass bei der Einführung einer Mindestmenge von mindestens 5o Fällen pro Jahr eine Konzentration auf 106 Kliniken erfolgen werde und durch die Spezialisierung etwa 110 Säuglinge pro Jahr weniger sterben würden (26). Der Expertenkreis „Qualitätsindikatoren“ beim ärztlichen Zentrum für Qualität in der Medizin kommt zu dem Ergebnis, dass ein Vergleich von Leistungserbringern oftmals an der Unmöglichkeit scheitere, die unterschiedlich zusammengesetzte Patientenklientel und unterschiedliche Ausrichtung medizinischer Einrichtungen mit Hilfe statistischer Adjustierungsverfahren zu berücksichtigen (27). Kritisch wird auch der Bekanntheitsgrad der Qualitätsberichte und deren Lesbarkeit gesehen. Zorn geht davon aus, dass weniger als 10% der Patienten Krankenhausberichte lesen (28). Der G- BA hat deshalb eine Informationskampagne gestartet, um den Bekanntheitsgrad zu erhöhen (29). Friedemann u.a. kommen zu dem Ergebnis, dass die Qualitätsberichte der Krankenhäuser nur für Patienten lesbar sind, die über überdurchschnittliche Lese- und Sprachfähigkeiten verfügen (30). Die zwischen Vertretern der stationären und ambulanten Pflegeeinrichtungen und dem GKV- Spitzenverband 2008 vereinbarte Schulnotensystematik versucht diesem Dilemma zu entgehen. Die Prüfung wird in mehrere Qualitätsbereiche unterteilt, z.B. in Pflege und medizinische Versorgung sowie den Umgang mit demenzkranken Bewohnern (31). Ergänzt wird sie durch eine Befragung der Bewohner bzw. Kunden. Die Ergebnisse werden dann mit Schulnoten von sehr gut bis mangelhaft bewertet. Die Teilergebnisse fließen in eine Gesamtnote ein, wobei die Befragung der Bewohner/Kunden separat in einer zweiten Gesamtnote berücksichtigt wird. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 – 3000-070/10 Seite 9 2005 wurde durch den Initiativkreis Ruhrgebiet in Zusammenarbeit mit der Boston Consulting Group der Klinikführer Rhein-Ruhr veröffentlicht (32). Die neueste Version stammt aus 2008/09 (33). An der Untersuchung beteiligten sich 75 Krankenhäuser mit 410 Fachabteilungen. Die Arztund Patientenbefragungen wurde vom Picker Institut durchgeführt (34). In die Bewertung flossen folgende Elemente ein: - eine Patientenbefragung. Pro Fachabteilung wurden im Frühjahr 2007 stationär behandelte Patienten angeschrieben, die mindestens zwei Nächte im Krankenhaus verbracht hatten (35). Die Rücklaufquote betrug 57%. Für die Veröffentlichung wurden Aspekte ausgewählt, die Einfluss darauf haben, ob das Krankenhaus weiterempfohlen wird. Dies waren das Verhalten von Arzt zu Patient, das Verhalten von Pflegepersonal zu Patient und der Erfolg der Behandlung. - eine Ärztebefragung. Für jeden der untersuchten 19 Fachbereiche wurden drei typische Krankheitsbilder ausgewählt. Die für das Fachgebiet befragten Ärzte sollten angeben, in welchem Krankenhaus sie sich selbst behandeln lassen würden (36). Die Rücklaufquote betrug 20%. Neben den Erfahrungen mit den Fachabteilungen und dem Wissen um deren technische Ausstattung dürften auch eine bereits bestehende Zusammenarbeit eine Rolle spielen. - eine Fallzahlenanalyse. Für die 19 untersuchten Fachbereiche wurden je drei Eingriffe ausgewählt , die häufig durchgeführt werden (37). Die Fallzahl gilt als Hinweis auf die Erfahrung einer Fachabteilung in einem bestimmten Gebiet. - eine Qualitätsanalyse. Die Bundesgeschäftstelle Qualitätssicherung (BQS) hat Qualitätsmerkmale ausgewählt, die sie zur Veröffentlichung in strukturierten Qualitätsberichten empfiehlt. Im Klinik-Führer wurden wegen der Fülle der Daten nur ausgewählte Behandlungen dokumentiert und ausgewertet (38). Für die Behandlungsqualität werden Referenzbereiche für den betrachteten Qualitätsindikator angegeben. Für den Indikator „Wundinfektionsrate nach Knieprothesenimplantation “ ist z.B. das Ergebnis 0% wünschenswert. Bei der Darstellung der Ergebnisse werden diese in Form von Thermometern präsentiert. Wübker hat in seiner Untersuchung geprüft, ob Informationen über die Behandlungsqualität Einfluss auf die Wahl des behandelnden Krankenhauses haben. In der Konsequenz verlieren die nicht publizierenden Krankenhäuser aus dem Rhein-Ruhr-Gebiet relative Fallzahlen und Marktanteile an ihre publizierende Konkurrenz (39). Krankenhäuser mit unterdurchschnittlicher Qualität werden weniger oft gewählt als solche mit überdurchschnittlicher Qualität. Krankenhäuser mit unterdurchschnittlicher Qualität werden überwiegend von Patienten aus ihrer direkten Umgebung genutzt. Die Ergebnisse lassen sich allerdings nicht uneingeschränkt auf andere Regionen übertragen, da sich das Ruhrgebiet durch einen hohen Verstädterungsgrad und eine hohe Krankenhausdichte auszeichnet (40). Die Entwicklung zu mehr Transparenz bei der Leistungserbringung von Krankenhäusern wird auch an den Aktivitäten der Initiative Qualitätsmedizin deutlich. 92 Kliniken veröffentlichten im April ihre Qualitätsergebnisse (Anlage 10). Die Initiative hat sich zum Ziel gesetzt, bei Abweichungen vom Leistungsstand anderer Kliniken die Ursachen mit Hilfe des Peer-Review- Verfahrens zu klären und Maßnahmen zur Verbesserung einzuleiten. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 – 3000-070/10 Seite 10 6. Anmerkungen (1) Deutscher Bundestag, Drucksache 14/1245, Begründung zu Nummer 76 (§ 136), S 86 (2) Gesetz zur Reform des Risikostrukturausgleichs in der gesetzlichen Krankenversicherung vom 10.12.2001, BGBl I , S 3465 (3) Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung vom 14.11.2003, BGLl I , S 2190 (4) Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung vom 26.3.2007, BGBl I, S 378 (5) Ansgar Wübker, Effizienzreserven, Wettbewerbspotentiale und Selektionsaktivitäten im deutschen Gesundheitswesen – neue empirische Erkenntnisse, Schriftenreihe Gesundheitswirtschaft Bd. 7, Wegscheid 2009, S 17 (6) Ebenda, S 24 (7) Rainer Hess, Herausforderungen an ein qualitätsorientiertes Gesundheitssystem – die Rolle des Gemeinsamen Bundesausschusses, in: Nils C. Bandelow, Florian Eckert, Robin Rüsenberg (Hrsg.), Gesundheit 2030, Qualitätsorientierung im Fokus von Politik, Wirtschaft, Selbstverwaltung und Wissenschaft, Wiesbaden 2009, S 114 ff (8) § 139 a, Abs. 3 SGB V (9) Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen, Allgemeine Methoden, Version 3.0 vom 27.5.2008, S 61 (10) Ebenda, S 67 f (11) Ebenda, S 48 (12) Ebenda, S 53 (13) Ebenda, S 55 (14) Ebenda, S 58 f (15) Bundesministerium für Gesundheit, Strukturierte Behandlungsprogramme (16) Carola Reimann, Timo Trefzer, Qualitätssicherung im Gesundheitswesen: Bewährtes weiterentwickeln , Transparenz erhöhen, neue Anreize setzen, in: Nils C. Bandelow, Florian Eckert, Robin Rüsenberg (Hrsg.), Gesundheit 2030, Qualitätsorientierung im Fokus von Politik, Wirtschaft , Selbstverwaltung und Wissenschaft, Wiesbaden 2009, S 47 (17) G-BA- Pressemitteilung, 13.11.2009, G-BA erteilt AQUA-Institut erste Aufträge Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 – 3000-070/10 Seite 11 (18) Projektträger im DLR, Modellprogramm zur Förderung der medizinischen Qualitätssicherung (19) Bundesministerium für Gesundheit, Sicherung der Qualität im Gesundheitswesen, S 26 (20) GKV-Spitzenverband, Qualitätsberichte der Krankenhäuser, Pressemitteilung, 6.4.2010 (21) Stefan Etgeton, Perspektiven der Sicherung und Entwicklung von Qualität und der Einbezug der Patientensicht – ein Zukunftsmodell?, in: Nils C. Bandelow, Florian Eckert, Robin Rüsenberg (Hrsg.), Gesundheit 2030, Qualitätsorientierung im Fokus von Politik, Wirtschaft, Selbstverwaltung und Wissenschaft, Wiesbaden 2009, S 102 vgl. auch Reimann, a.a.O., S48 f (22) Wübker, a.a.O., S 106 (23) D. Ose, G. Grande, B. Badura, W. Greiner, Patienteninformation zur Bewertung von Gesundheitseinrichtungen , in: Prävention und Gesundheitsförderung, Heft 3, 2008, S 156 (24) Reimann, a.a.O., S 49 (25) Ulrich Zorn, Zukunft eines qualitätsorientierten Gesundheitswesens aus Sicht der Ärzteschaft , in : Nils C. Bandelow, Florian Eckert, Robin Rüsenberg (Hrsg.), Gesundheit 2030, Qualitätsorientierung im Fokus von Politik, Wirtschaft, Selbstverwaltung und Wissenschaft, Wiesbaden 2009, S 155 (26) Doris Pfeiffer, Verantwortung für Leistungskatalog und Versorgungsqualität, in: Gesellschaftspolitische Kommentare, Sonderausgabe Nr. 2/09 S 44 (27) Ose, a.a.O., S 155 (28) Zorn, a.a.O., S 160 (29) G-BA, Bekanntheitsgrad der Qualitätsberichte soll weiter erhöht werden, Pressemitteilung Nr. 3/10 (30) J. Friedemann, H.-J.Schubert, D. Schwappach, Zur Verständlichkeit der Qualitätsberichte deutscher Krankenhäuser: Systematische Auswertung und Handlungsbedarf, in: Das Gesundheitswesen , Heft 1, 2009, S 3 (31) Doris Pfeiffer, Herausforderungen an ein qualitätsorientiertes Gesundheitssystem der Zukunft aus Sicht des GKV-Spitzenverbandes, in: Nils C. Bandelow, Florian Eckert, Robin Rüsenberg (Hrsg.), Gesundheit 2030, Qualitätsorientierung im Fokus von Politik, Wirtschaft, Selbstverwaltung und Wissenschaft, Wiesbaden 2009, S 134 (32) Wübker, a.a.O., S 107 (33) Klinik-Führer Rhein-Ruhr 2008/2009: Wo wurde untersucht? (34) Klinik-Führer Rhein-Ruhr 2008/2009, Methodik Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 – 3000-070/10 Seite 12 (35) Klinik-Führer Rhein-Ruhr 2008/2009, Patientenbefragung (36) Klinik-Führer Rhein-Ruhr 2008/2009, Ärztebefragung (37) Klinik-Führer Rhein-Ruhr 2008/2009, Fallzahlenanalyse (38) Klinik-Führer Rhein-Ruhr 2008/2009, Qualitätsanalyse (39) Wübker, a.a.O., S 126 (40) Ebenda, S 128