WD 9 - 3000 - 066/18 (4. Oktober 2018) © 2018 Deutscher Bundestag Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. In den letzten Jahren hat sich der Trend des Tätowierens immer mehr verbreitet. In Deutschland ist inzwischen circa jeder Fünfte tätowiert. Unter den Frauen zwischen 25 und 34 Jahren hat jede Zweite ein Tattoo.1 Dies führt zu immer stärkeren wissenschaftlichen und politischen Diskussionen über die möglichen gesundheitlichen Folgen durch Tätowierungen und über geeignete Maßnehmen zu deren Vorbeugung. In der wissenschaftlichen Auseinandersetzung stehen vor allem die Tätowierfarben in der Kritik: Für die Herstellung der Tätowierfarben werden Stoffe verwendet, deren Wirkung auf den Körper bisher nicht abschließend geklärt ist. Als problematisch werden Inhaltsstoffe gesehen, deren Spaltprodukte kanzerogene aromatische Amine bilden können, vermeidbare Verunreinigungen durch Schwermetalle wie Nickel und Konservierungsstoffe, beispielsweise Benzylisothiazolinon oder Methylisothiazolinon, welche Allergien auslösen können.2 Auf europäischer Ebene beschäftigte sich der Europarat mit den möglichen gesundheitlichen Gefahren von Tätowiermitteln und verabschiedete im Zuge dessen zwei Resolutionen.3 Derzeit befindet sich auch die Europäische Chemikalienagentur (ECHA) in einem Bewertungsverfahren, das zu einer Beschränkung einzelner Stoffe für die Verwendung als Tätowierfarbe führen kann.4 In Deutschland erließ das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie die Tätowiermittel -Verordnung5. Diese Verordnung enthält, entgegen der Empfehlung des Europarates, keine Positivliste der verwendbaren Stoffe, sondern lediglich eine Negativliste. Sie enthält auch keine Regelungen zur Verwendung von Konservierungsstoffen.6 Das Land Baden-Württemberg stellte im Bundesrat am 10. Januar 2012 einen Antrag auf Ausweitung der Tätowiermittel-Verordnung und die Schaffung einer Positivliste, um einen besseren Verbraucherschutz zu gewährleisten . Der Antrag wurde durch den Bundesrat am 2. März 2012 angenommen.7 Nach § 4 Abs. 1 Nr. 3 Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch (LFGB)8 unterliegen Mittel zum Tätowieren und vergleichbare Stoffe den im Gesetz enthaltenen Regelungen zu kosmetischen Mitteln. Daher ist es nach § 26 Satz 1 Nr. 1 LFGB verboten, Tätowiermittel so herzustellen oder zu behandeln, dass sie bei bestimmungsgemäßem oder vorauszusehendem Gebrauch geeignet sind, die Gesundheit zu schädigen. Die Zuständigkeit für die Überwachung der Einhaltung dieses Wissenschaftliche Dienste Kurzinformation Rechtsgrundlagen für die Anwendung von Tätowiermitteln Kurzinformation Rechtsgrundlagen für die Anwendung von Tätowiermitteln Fachbereich WD 9 (Gesundheit, Familie, Senioren, Frauen und Jugend) Wissenschaftliche Dienste Seite 2 Verbots und des LFGB im Allgemeinen richtet sich gem. § 38 LFGB nach Landesrecht. Im Normalfall wird von den zuständigen Behörden der Länder die Zusammensetzung der Tätowierfarben stichprobenartig untersucht.9 Spezielle Fristen für diese Untersuchungen bestehen nicht. Auch § 36 Abs. 2 Infektionsschutzgesetz (IfSG)10 ist auf Tätowierer anwendbar, da es während des Tätowiervorgangs zu Infektionsübertragungen durch Blut kommen kann. Daher haben die Gesundheitsämter der Länder die Möglichkeit, die hygienischen Bedingungen innerhalb der gewerberechtlich angemeldeten Studios zu überprüfen. Es handelt sich hierbei um eine Ermessensvorschrift , eine Pflicht zur Überprüfung besteht nicht. Für solche Überprüfungen haben die Länder Brandenburg, Sachsen, Mecklenburg-Vorpommern, Thüringen und Sachsen-Anhalt einen gemeinsamen Rahmenhygieneplan ausgearbeitet.11 Zusätzlich können die landesrechtlichen Hygiene -Verordnungen nach § 17 Abs. 4 IfSG Anwendung finden.12 Auch werden für die Tätowierer von den zuständigen Landesämtern Merkblätter zur richtigen Hygiene bereitgestellt, welche die Verwendung von Einmalnadeln- und Griffstücken empfehlen.13 Eine Pflicht zur Verwendung von Einmalprodukten gibt es hingegen nicht. Die Verwendung von Einmalprodukten, aber auch gewisse Qualifikationsanforderungen an die Tätowierer selbst stellt die Arbeitsgemeinschaft der wissenschaftlichen Fachgesellschaften e.V. mit ihren Leitlinien für die „Anforderungen der Hygiene beim Tätowieren“.14 Das Deutsche Institut für Normungen erarbeitet derzeit eine DIN 17169, die voraussichtlich Anfang nächsten Jahres veröffentlicht wird und ebenfalls Standards zur Tätowier-Hygiene festlegen soll.15 Diese Erarbeitung erfolgt unter anderem in Zusammenarbeit mit dem Bundesverband Tattoo, dem Verein Deutsche Organisierte Tätowierer e.V. und dem Verband der European Tattoo Artist. Diese haben darüber hinaus eigene Richtlinien für die Hygiene veröffentlicht. All diese Vorschriften stellen lediglich Empfehlungen dar und entfalten keine rechtliche Bindungswirkung. *** 1 Wissenschaftsmagazin des Bundesinstitutes für Risikobewertung, Gesundheitliche Risiken durch Tätowiermittel , 1/18, S.7, abrufbar unter https://www.bfr.bund.de/cm/350/bfr-2-go-ausgabe-1-2018.pdf. 2 Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR), Anforderungen an Tätowiermittel, Stellungnahme Nr. 013/2013 des BfR vom 28. August 2012, https://www.bfr.bund.de/de/a-z_index/taetowierung-4929.html; BfR, Nickel in Tätowiermitteln kann Allergien auslösen, Stellungnahme Nr. 012/2013 des BfR vom 25. Oktober 2012, https://www.bfr.bund.de/de/a-z_index/taetowierung-4929.html; Stiftung Warentest, Unter die Haut, test 8/2014, S. 91-93, https://www.test.de/Taetowierfarben-Giftige-Stoffe-in-zwei-Farben-4734508-0/?mc=kurzurl.tattoofarben (alle zuletzt abgerufen am 1. Oktober 2018). 3 CoE-Resolution ResAP (2003)2 on tattoos and permanent make-up, 19. Juni 2003 und CoE-Resolution ResAP (2008)1 on requirements and criteria for the safety of tattoos and permanent make-up, 20. Februar 2008. 4 ECHA-Pressemitteilung (ECHA/PR/17/18), Proposal to restrict hazardous substances in tattoo inks and permanent make-up, https://echa.europa.eu/de/ (Stand 1. Oktober 2018). Hierzu wird auf die Kurzinformation der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages verwiesen: „Fragen zu Rechtsvorschriften der Europäischen Union zum Gebrauch von Tätowiernadeln“, PE 6-133/1. 5 Verordnung über Mittel zum Tätowieren einschließlich bestimmter vergleichbarer Stoffe und Zubereitungen aus Stoffen (Tätowiermittel-Verordnung) vom 31. November 2008 (BGBl. I S. 2215), zuletzt geändert durch VO vom 26. Januar 2016 (BGBl. I S. 108). Kurzinformation Rechtsgrundlagen für die Anwendung von Tätowiermitteln Fachbereich WD 9 (Gesundheit, Familie, Senioren, Frauen und Jugend) Wissenschaftliche Dienste Seite 3 6 Piccinini, Paola/ Pakalin, Sazan/ Contor, Laura/ Bianchi, Ivana/ Senaldi, Chiara, JRC Science for policy report, Safety of tattoos and permanent make- up, Final report, 2016, S. 20. 7 Entschließung des Bundesrates zum besseren Verbraucherschutz bei Tätowiermitteln vom 11. Januar 2012, BR-Drs. 13/12. 8 Lebensmittel-, Bedarfsgegenstände- und Futtermittelgesetzbuch (Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch - LFGB) in der Fassung der Bekanntmachung vom 3. Juni 2013 (BGBl. I S. 1426), zuletzt geändert durch G vom 30. Juni 2017 (BGBl. I S. 2147). 9 Vgl. Bayerisches Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit, Primäre aromatische Amine/Azo-Farbstoffe /-Pigmente in bunten Tattoofarben - Untersuchungsergebnisse 2013 und 2016; Piccinini, Paola/ Pakalin, Sazan/ Contor, Laura/ Bianchi, Ivana/ Senaldi, Chiara, JRC Science for policy report, Safety of tattoos and permanent make- up, Final report, 2016, S. 35 ff.; Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit, Bericht zur Lebensmittelsicherheit 2013, S. 6 ff, https://www.bvl.bund.de/SharedDocs/Downloads/01_Lebensmittel /01_lm_mon_dokumente/01_Monitoring_Berichte/lmm_bericht_2013.html (alle zuletzt abgerufen am 1. Oktober 2018); vgl. auch die Antwort des Bayerischen Staatsministeriums für Umwelt und Verbraucherschutz auf die Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Kerstin Celina (Bündnis 90/ DIE GRÜNEN) vom 07. Februar 2018, aus der sich ergibt, dass alle bayerischen Gesundheitsämter im Jahr 2018 jeweils vier Tattoostudios auf die Einhaltung der Hygienebestimmungen untersuchen sollten. Auf Grundlage dieser Untersuchung solle dann erörtert werden, ob die Hygieneregeln nachgebessert werden müssen. Die Anfrage ist als Landtags-Drucksache 17/21857 abrufbar. 10 Gesetz zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen (Infektionsschutzgesetz - IfSG) vom 20. Juli 2000 (BGBl. I S. 1045), zuletzt geändert durch Gesetz vom 17. Juli 2017 (BGBl. I S. 2615). 11 Länder-Arbeitskreis zur Erstellung von Hygieneplänen nach § 36 IfSG, Rahmenhygieneplan für Einrichtungen und Gewerbe, bei denen durch Tätigkeiten am Menschen Krankheitserreger durch Blut übertragen werden können , https://www.gesunde.sachsen.de/download/Download_Gesundheit/RHPl_Tatoo_etc.pdf. 12 So etwa Verordnung zur Verhütung übertragbarer Krankheiten (Hygiene-Verordnung) vom 11. August 1987 (GVBl. S. 291, BayRS 2126-1-1-G), die zuletzt durch Verordnung vom 15. Mai 2006 (GVBl. S. 312) geändert worden ist. 13 Bayrisches Landesamtes für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit, Merkblatt für Tattoo- und Piercingstudios – Anforderung an die Hygiene-,https://www.lgl.bayern.de/downloads/gesundheit/hygiene/doc/merkblatt_tattoo _piercingstudios_betreiber.pdf . 14 Arbeitskreis "Krankenhaus- & Praxishygiene" der AWMF, Leitlinien zur Hygiene in Klinik und Praxis - Anforderungen der Hygiene beim Tätowieren, https://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/029-024l_S1_Hygieneanforderungen _beim_Taetowieren_01.pdf . 15 https://www.din.de/de/mitwirken/normenausschuesse/nadl/projekte/wdc-proj:din21:231067170 (Stand 1. Oktober 2018).