© 2020 Deutscher Bundestag WD 9 - 3000 - 065/20 Zur Funktionalität von Mund-Nasen-Bedeckungen (MNB) als Schutzmaßnahme bei der Bekämpfung der Corona-Pandemie Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 065/20 Seite 2 Zur Funktionalität von Mund-Nasen-Bedeckungen (MNB) als Schutzmaßnahme bei der Bekämpfung der Corona-Pandemie Aktenzeichen: WD 9 - 3000 - 065/20 Abschluss der Arbeit: 27. August 2020 Fachbereich: WD 9: Gesundheit, Familie, Senioren, Frauen und Jugend Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 065/20 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Vorbemerkung 4 2. Übertragungswege des Virus 6 2.1. Studien aus Deutschland 6 2.2. Studien aus den USA 8 2.3. Studien aus China und Japan 10 2.4. Ergebnis 10 3. Maskentypen 11 3.1. Mund-Nasen-Schutzmasken (MNS) 11 3.2. Partikelfiltrierende Halbmasken (FFP) 12 3.3. Mund-Nasen-Bedeckungen (MNB) 12 4. Studien zur Wirksamkeit von Masken 12 4.1. Erfahrungen hinsichtlich der Einführung einer Maskenpflicht 13 4.2. Filterwirkung von Masken 14 5. Gesundheitliche Schäden durch das Tragen von Masken 17 6. Verhältnismäßigkeit 18 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 065/20 Seite 4 1. Vorbemerkung In einigen asiatischen Ländern wie China, Japan oder Taiwan ist das Tragen von Masken im Falle einer Infektion seit Jahren, spätestens aber seit dem SARS1-Ausbruch 2003, im Stadtbild keine Seltenheit mehr. Die Bewohner tragen die Masken, um ihre Mitmenschen vor Infektionen zu schützen.2 Auch die WHO empfiehlt das Tragen von Masken im Zusammenhang mit dem COVID-19-Ausbruch seit dem 5. Juni 2020 für die breite Öffentlichkeit.3 Der Begriff der „Maske“ wird vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) als Oberbegriff für alle Arten der Bedeckung von Mund und Nase verwendet.4 Seit dem Beginn der Corona-Pandemie wurden auch in Deutschland diverse Maßnahmen zur Eindämmung der Verbreitung des Virus SARS-CoV-2 getroffen. So erließen die Bundesländer unter anderem Verordnungen, in denen eine Pflicht zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung in bestimmten Situationen vorgesehen ist.5 Auch das Robert Koch-Institut (RKI) empfiehlt das Tragen „in bestimmten Situationen im öffentlichen Raum als einen weiteren Baustein, um Risikogruppen zu schützen und den Infektionsdruck und damit die Ausbreitungsgeschwindigkeit von COVID-19 in der Bevölkerung zu reduzieren.“6 Mund-Nasen-Bedeckungen (MNB) werden kommerziell oder privat hergestellt und bestehen meist aus handelsüblichen Baumwollstoffen, so das RKI. In ihrer Funktionsweise entsprächen sie am ehesten einer Mund-Nasen-Schutzmaske (MNS, auch OP-Maske), jedoch handele es sich nicht um ein Medizinprodukt, weshalb keine entsprechende Prüfung durchgeführt werde. Das Institut empfiehlt ausdrücklich, die Medizinprodukte 1 Schweres Akutes Respiratorisches Syndrom. 2 Friebe, Sinnvoll oder nicht: Atemschutzmasken im Check, in: Tagesspiegel vom 27. April 2020, abrufbar unter: https://www.tagesspiegel.de/wissen/coronavirus-vorbeugung-sinnvoll-oder-nicht-atemschutzmasken-imcheck /25703314.html (dieser sowie alle weiteren Links wurden zuletzt abgerufen am 18. August 2020). 3 WHO Director General´s opening remarks at the briefing on COVID-19 vom 5. Juni 2020: https://www.who.int/dg/speeches/detail/who-director-general-s-opening-remarks-at-the-media-briefing-on-covid -19---5-june-2020; Advice on the use of masks in the context of COVID-19, abrufbar unter: https://apps.who.int/iris/bitstream/handle/10665/332293/WHO-2019-nCov-IPC_Masks-2020.4-eng.pdf?sequence =1&isAllowed=y. 4 Siehe: https://www.bfarm.de/SharedDocs/Risikoinformationen/Medizinprodukte/DE/schutzmasken.html. 5 Siehe etwa die SARS-CoV-2-Infektionsschutzverordnung des Landes Berlin in der aktuellen Fassung vom 4. August 2020, abrufbar unter: https://www.berlin.de/corona/massnahmen/verordnung/. 6 Mund-Nasen-Bedeckung im öffentlichen Raum als weitere Komponente zur Reduktion der Übertragungen von COVID-19, Strategie-Ergänzung zu empfohlenen Infektionsschutzmaßnahmen und Zielen, in: Epidemiologisches Bulletin vom 7. Mai 2020, S. 3, abrufbar unter: https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Archiv /2020/Ausgaben/19_20.pdf?__blob=publicationFile. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 065/20 Seite 5 den Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen vorzubehalten und zur privaten Nutzung nur davon Gebrauch zu machen, wenn eine ausreichende Produktion gesichert ist.7 Seit der Einführung der Pflicht zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung kam aber auch immer wieder Kritik an dieser Maßnahme auf. So wies Frank Ulrich Montgomery, Vorstandsvorsitzender des Weltärztebundes, auf die Gefahren hin, die die unsachgemäße Verwendung von Masken und die Missachtung des Mindestabstands mit sich bringen könnten. Die Politik habe es versäumt , ausreichend medizinische Masken zur Verfügung zu stellen.8 Auch wird immer wieder auf mögliche Gefahren beim Umgang mit den Masken hingewiesen. So könnten schlecht sitzende Masken dazu führen, dass Menschen sich immer wieder ins Gesicht fassten, um die Maske zurecht zu rücken.9 Da die Außenseite der gebrauchten Maske potentiell erregerhaltig sei, empfiehlt das BfArM deshalb, diese möglichst nicht zu berühren, um eine Kontamination der Hände zu verhindern.10 Auch die Abstandsregel werde aufgrund eines falschen Sicherheitsempfindens weniger beachtet.11 Zudem könnten Masken bei unsachgemäßer Anwendung auch Keime übertragen, nämlich dann, wenn sie nicht ausreichend gereinigt und richtig entsorgt würden.12 Das BfArM stellt deshalb eine Reihe von Hinweisen für Anwender zur Handhabung von Mund-Nasen-Bedeckungen zur Verfügung, um eine sichere Nutzung zu gewährleisten .13 7 Mund-Nasen-Bedeckung im öffentlichen Raum als weitere Komponente zur Reduktion der Übertragungen von COVID-19, Strategie-Ergänzung zu empfohlenen Infektionsschutzmaßnahmen und Zielen, in: Epidemiologisches Bulletin vom 7. Mai 2020, S. 3, 5, abrufbar unter: https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Archiv /2020/Ausgaben/19_20.pdf?__blob=publicationFile. 8 „Pflicht für nicht funktionierende Masken ist ein Armutszeugnis“, Frank Ulrich Montgomery im Gespräch mit Dirk Müller, in: Deutschlandfunk vom 27. April 2020, abrufbar unter: https://www.deutschlandfunk.de/weltaerztepraesident -montgomery-pflicht-fuer-nicht.694.de.html?dram:article_id=475525. 9 Friebe, Sinnvoll oder nicht: Atemschutzmasken im Check, in: Tagesspiegel vom 27. April 2020, abrufbar unter: https://www.tagesspiegel.de/wissen/coronavirus-vorbeugung-sinnvoll-oder-nicht-atemschutzmasken-imcheck /25703314.html. 10 Siehe Empfehlungen des BfArM, abrufbar unter: https://www.bfarm.de/SharedDocs/Risikoinformationen/Medizinprodukte /DE/schutzmasken.html. 11 WHO Director General´s opening remarks at the briefing on COVID-19 vom 5. Juni 2020: https://www.who.int/dg/speeches/detail/who-director-general-s-opening-remarks-at-the-media-briefing-on-covid -19---5-june-2020. 12 Friebe, Sinnvoll oder nicht: Atemschutzmasken im Check, in: Tagesspiegel vom 27. April 2020, abrufbar unter: https://www.tagesspiegel.de/wissen/coronavirus-vorbeugung-sinnvoll-oder-nicht-atemschutzmasken-imcheck /25703314.html. 13 Hinweise des BfArM zur Verwendung von Mund-Nasen-Bedeckungen (z. B. selbst hergestellte Masken, „Community - oder DIY-Masken“), medizinischen Gesichtsmasken, sowie partikelfiltrierenden Halbmasken (FFP1, FFP2 und FFP3) in Zusammenhang mit dem Coronavirus (SARS-CoV-2/ Covid-19), Stand: 26. Juni 2020, abrufbar unter: https://www.bfarm.de/SharedDocs/Risikoinformationen/Medizinprodukte/DE/schutzmasken.html. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 065/20 Seite 6 Die vorliegende Ausarbeitung beschäftigt sich zunächst mit den Übertragungswegen von SARS-CoV-2 und den verschiedenen Masken, bevor diverse Studien zu deren Wirksamkeit überblicksweise vorgestellt werden und die Möglichkeit gesundheitlicher Schädigungen durch das Tragen von Masken geprüft wird. Im Rahmen einer Übersicht der bisherigen Rechtsprechung zur Pflicht zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung sowie einer Auswertung der Studienergebnisse wird anschließend die Verhältnismäßigkeit der Masken in den Blick genommen. Dabei ist zu beachten, dass die Studien häufig verschiedene Ziele verfolgen und dabei unterschiedliche Methoden angewendet wurden, weshalb die Ergebnisse nur bedingt vergleichbar sind. 2. Übertragungswege des Virus Die Übertragungswege von SARS-CoV-2 waren vor allem zu Beginn der Pandemie unklar, und sie werden auch nach wie vor weiter erforscht, damit wirksame Maßnahmen zur Eindämmung des Virus getroffen werden können. Nach aktuellen Erkenntnissen des Robert Koch-Instituts ist der Hauptübertragungsweg des Virus die respiratorische Aufnahme von virushaltigen Flüssigkeitspartikeln , wobei auch eine Kontaktübertragung durch kontaminierte Oberflächen nicht auszuschließen sei.14 Die Flüssigkeitspartikel entstünden beim Atmen, Husten, Sprechen, Singen und Niesen. Unterschieden würden größere Tröpfchen von kleineren Partikeln, wie Aerosolen und Tröpfchenkernen, die kleiner als 5 µm seien. Beim Atmen, Sprechen, Schreien und Singen entstünden vor allem Aerosole, während es beim Husten und Niesen auch größere Tröpfchen gebe. Die größeren Tröpfchen sänken direkt zu Boden, wohingegen die kleinen Partikel für eine längere Zeit in der Luft schweben könnten. Die Gefahr eines Kontakts mit den virushaltigen Flüssigkeitspartikeln sei im Umkreis von ein bis zwei Metern ausgehend von der infizierten Person am höchsten. Während eine Übertragung durch Aerosole in kleinen, schlecht belüfteten Räumen auch bei einem Abstand von mehr als zwei Metern stattfinden könne, sinke deren Konzentration bei durchgängiger Belüftung. Im Freien sei das Risiko einer Ansteckung bei Wahrung des Mindestabstands sehr gering.15 Zahlreiche Untersuchungen von Wissenschaftlern unterstützen diese Annahmen. Aufgrund der Vielzahl der Studien kann hier nur eine Auswahl vorgestellt werden. 2.1. Studien aus Deutschland Am Hermann-Rietschel-Institut der Technischen Universität Berlin wurden unter der Leitung von Martin Kriegel diverse Untersuchungen zur Verbreitung von Aerosolen durchgeführt. Allerdings wurde hier mit Daten gearbeitet, die sich auf Grippeviren beziehen. Ob die Ergebnisse auf SARS-CoV-2 übertragen werden können, sei nicht abschließend geklärt.16 Die Wissenschaftler kamen unter anderem zu dem Ergebnis, dass Aerosole sich auch ohne Lüftungsanlagen im ganzen 14 SARS-CoV-2 Steckbrief zur Coronavirus-Krankheit 2019 (COVID-19) mit Stand vom 7. August 2020, abrufbar unter: https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Steckbrief.html#doc13776792body- Text1. 15 SARS-CoV-2 Steckbrief zur Coronavirus-Krankheit 2019 (COVID-19) mit Stand vom 7. August 2020, abrufbar unter: https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Steckbrief.html#doc13776792body- Text1. 16 Kriegel/Hartmann, Risikobewertung von Innenräumen zu virenbeladenen Aerosolen, Preprint, veröffentlicht am 2. Juli 2020, abrufbar unter: https://blogs.tu-berlin.de/hri_sars-cov-2/wp-content/uploads/sites /154/2020/06/kriegel_hartmann_2020_DE_v2.pdf. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 065/20 Seite 7 Raum verteilen könnten. Grund dafür seien die sogenannten freien Konvektionsströme, also Strömungen , die unter anderem wir Menschen durch unsere Körperwärme verursachen.17 Sie berechneten zudem, wie lange eine gesunde Person sich zusammen mit einer infizierten Person in einem Raum aufhalten müsste, bis sie so viele Aerosole aufgenommen habe, dass eine Ansteckung möglich sei. Dabei gingen sie davon aus, dass eine Infektionsgefahr bei 3.000 eingeatmeten Viren bestehe - wobei bisher nicht geklärt sei, wie viele Viren tatsächlich notwendig seien, um eine Infektion auszulösen.18 Zudem gingen die Wissenschaftler davon aus, dass jedes Aerosolpartikelchen ein Virus enthält. Sie berechneten beispielsweise, dass man sich in einem Zwei-Personen- Büro mit einer Größe von 20 m² und einer Höhe von drei Metern bei einem typischen Luftwechsel von 2 l/h ca. 80 Minuten, nachdem die infizierte Person eingetreten ist, aufhalten könne, bis man 3.000 Viren eingeatmet habe. Die Wissenschaftler räumen jedoch selbst ein, dass jeweils auch die konkrete Lüftungssituation berücksichtigt werden müsse. Zudem hätten die Aussagen keine Bedeutung für das Nahfeld, da die Partikelkonzentration in diesem Bereich deutlich höher sei. Die Wissenschaftler untersuchten auch die Verbreitung von Aerosolen in einem geschlossenen Klassenraum mit 25 Schülern, wobei sie zu dem Ergebnis kamen, dass der Raum bei einer infizierten Person schon „nach zwei Minuten voll mit infektiösen Viren“ sei.19 Sie empfehlen für den Unterricht ab Herbst daher Unterrichtseinheiten mit einer Länge von 30 Minuten und einer anschließenden Pause von 15 Minuten, in der intensiv gelüftet werden könne und in der die Schüler den Raum verlassen könnten.20 Bei diesen Veröffentlichungen handelt es sich um Preprints .21 17 Kriegel/ Hartmann, Ausbreitungsdistanz und -dynamik von Aerosolen in Innenräumen durch Konvektionsströme , Preprint, veröffentlicht am 22. Juli 2020, abrufbar unter: https://blogs.tu-berlin.de/hri_sars-cov-2/wpcontent /uploads/sites/154/2020/07/kriegel_hartmann_2020_aerosolausbreitung.pdf. 18 Die Daten beruhen auf Untersuchungen zu herkömmlichen Grippeviren, siehe z. B. Nikitin et al., Influenza virus aerosols in the air and their infectiousness, in: Adv Virol. 2014; 2014, abrufbar unter: https://www.hindawi.com/journals/av/2014/859090/. 19 Interview mit Martin Kriegel, in: Artun, „Aerosole sind in Minuten überall“, vom 27. Juli 2020, abrufbar unter: https://www.faz.net/aktuell/gesellschaft/gesundheit/coronavirus/corona-infektion-warum-der-luftaustausch-inraeumen -wichtig-ist-16876038.html 20 Artun, „Aerosole sind in Minuten überall“, vom 27. Juli 2020, abrufbar unter: https://www.faz.net/aktuell/gesellschaft /gesundheit/coronavirus/corona-infektion-warum-der-luftaustausch-in-raeumen-wichtig-ist- 16876038.html, Video der Simulation abrufbar unter: https://www.youtube.com/watch?v=J5B-XYaO9jc. 21 Als Preprints werden Arbeiten bezeichnet, die vor dem sogenannten Peer Review, einer Begutachtung durch Fachkollegen, und vor der Veröffentlichung in einem Fachmagazin, bereits auf entsprechenden Plattformen veröffentlicht werden. Die Ergebnisse können dadurch schneller für die weitere Forschung genutzt und bewertet werden, gleichzeitig sind sie jedoch mit Vorsicht zu interpretieren, da eine Qualitätskontrolle durch Peer Review aussteht. Die Preprints, die im weiteren Verlauf der Arbeit vorgestellt werden, sind durch einen entsprechenden Fußnoten-Vermerk erkennbar; Zur Diskussion um Preprints und die Qualität von Studien zu COVID-19, abrufbar unter: https://www.cochrane.de/de/news/zur-diskussion-um-preprints-und-die-qualit %C3%A4t-von-studien-zu-covid-19. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 065/20 Seite 8 2.2. Studien aus den USA Wissenschaftlern aus Florida gelang es erstmals, SARS-CoV-2-Lebendviren in Aerosolen in der Luft nachzuweisen. Dazu nahmen sie Proben aus den Krankenzimmern zweier COVID-19-Patienten im Abstand von zwei bis fünf Metern von den Patienten. Für diese Studie wurden zum einen nur Proben von zwei Patienten genommen; zum anderen handelt es sich auch hier zunächst um ein Preprint, das noch der Begutachtung durch Fachkollegen bedarf. 22 Am Medical Center der Universität von Nebraska, USA, wurden Luft- und Oberflächenproben aus den Zimmern 13 isolierter COVID-19-Patienten untersucht. Überall im Zimmer sei SARS-CoV-2 nachgewiesen worden, weshalb davon auszugehen sei, dass sich das Virus sowohl über Tröpfchen und Oberflächenkontamination, als auch über die Luft ausbreiten könne, auch wenn die Wissenschaftler keine infektiösen Viruspartikel fanden. Das Vorhandensein von Symptomen bei den Patienten hätte dabei keinen Einfluss auf die Verbreitung der Viren gehabt.23 In einer weiteren Studie aus den USA wurde die Stabilität des Virus in Aerosolen und auf verschiedenen Stoffen gemessen, wobei die Aerosole künstlich erzeugt wurden. Das Virus sei dabei während des gesamten Experiments, das drei Stunden dauerte, in Aerosolen lebensfähig geblieben . Auf Edelstahl und Kunststoff seien beispielsweise nach 72 Stunden noch lebensfähige Viren nachgewiesen worden.24 Wissenschaftler von der Tulane University in New Orleans, USA, hätten zudem nachgewiesen, dass Virenpartikel in Aerosolen in Größenordnungen von 1-3 μm auch über einen Zeitraum von 16 Stunden in der Luft überlebensfähig und auch infektiös blieben und dabei ihre Form und Struktur beibehielten.25 Entsprechende Erkenntnisse liefert auch eine Studie von Wissenschaftlern des National Institute of Diabetes and Digestive and Kidney Diseases (NIDDK) in den USA, die mithilfe eines in einen dunklen Raum projizierten Lasers Tröpfchen sichtbar machten, um diese zählen zu können. Dazu 22 Viable SARS-CoV-2 in the air of a hospital room with COVID-19 patients, Preprint, veröffentlicht am 3. August 2020, abrufbar unter: https://www.medrxiv.org/content/10.1101/2020.08.03.20167395v1; deutsche Zusammenfassung: Forscher weisen erstmals Coronaviren in der Luft nach, in: Zeit Online vom 12. August 2020, abrufbar unter: https://www.zeit.de/wissen/gesundheit/2020-08/aerosole-forschung-coronaviren -luft-studie-hochansteckend-virus-uebertragung. 23 Santarpia et al., Aerosol and Surface Transmission Potential of SARS-CoV-2, Preprint, veröffentlicht am 3. Juni 2020, abrufbar unter: https://www.medrxiv.org/content/10.1101/2020.03.23.20039446v3. 24 van Doremalen et al., Aerosol and Surface Stability of SARS-CoV-2 as compared with SARS-CoV-1, New England Journal of Medecine 2020, 382: 1564-1567, abrufbar unter: https://www.nejm.org/doi/full/10.1056/nejmc2004973. 25 Fears, Roy et al., Comparativ dynamic aerosol efficiencies of three emergent coronaviruses and the unusual persistance of SARS-CoV-2 in aerosol suspensions, Preprint, vom 18. April 2020, abrufbar unter: https://www.medrxiv.org/content/10.1101/2020.04.13.20063784v1.article-info, deutsche Zusammenfassung unter: https://coronavirus.schumacher-online.com/artikel/publikationen/luftuebertragung-sars-cov-2-16-stunden -stabil. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 065/20 Seite 9 musste eine Testperson 25 Sekunden lang laut den Satz „Stay healthy“ (bleib gesund) wiederholen . Die Wissenschaftler kamen zu dem Ergebnis, dass bei lautem Sprechen pro Minute mehr als 1.000 virusbelastete Tröpfchen entstehen könnten. Diese Tröpfchen blieben acht, teilweise bis zu 14 Minuten in geschlossenen Räumen in der Luft.26 Zuvor hatten diese Wissenschaftler belegt, dass die Anzahl der ausgestoßenen Tröpfchen mit zunehmender Lautstärke ebenfalls zunehme.27 In Mount Vernon, Washington, USA, kam es während einer Chorprobe des Skagit Valley Chorales am 10. März 2020 zu einem sogenannten „Superspreading Event“, das von Wissenschaftlern anschließend untersucht wurde. Ein Chormitglied hatte zu diesem Zeitpunkt bereits Symptome, daher gingen die Wissenschaftler davon aus, dass diese Person der Primärfall war, auf den die übrigen Ansteckungen zurückgingen. Im Anschluss an die Probe seien 33 von 61 Chorsängern nachweislich infiziert gewesen und weitere 20 Personen hätten die entsprechenden Symptome aufgewiesen. In der Folge seien zwei Personen gestorben. Auch hier scheine die Hauptübertragung über die Luft gelaufen zu sein, da die Mitglieder auf Berührungen und engen Kontakt verzichtet hätten.28 Auch eine Untersuchung von Wissenschaftlern aus Texas und Kalifornien, USA, zeigte, dass die Übertragung über die Luft der dominante Infektionsweg sei. Belegt wird diese Annahme mit Zahlen aus dem chinesischen Wuhan, Italien und New York - Regionen, die von dem Virus besonders betroffen waren. In Wuhan wurde das Tragen von Masken zeitgleich mit anderen Maßnahmen angeordnet, während in Italien und New York zunächst andere Maßnahmen getroffen worden waren. Italien führte die Maskenpflicht dann am 6. April 2020 ein, New York am 17. April 2020. Die Wissenschaftler verglichen die Daten vor und nach der Einführung der Maskenpflicht in Italien und New York mit den Zahlen aus Wuhan. Sie kamen zu dem Ergebnis, dass die Maßnahme in Italien vom 6. April bis zum 9. Mai 2020 mehr als 78.000 Infektionen, in New York vom 17. April bis zum 9. Mai 2020 mehr als 66.000 Infektionen verhindert habe. Das Tragen von Masken sei daher das effektivste Mittel im Kampf gegen das Virus, andere Maßnahmen wie Abstandhalten und Quarantäne reichten allein nicht aus.29 26 Stadnytskyi et al., The airborne lifetime of small speech dorplets and their potential importance of SARS-CoV-2 transmission, in: PNAS, 2. Juni 2020, abrufbar unter: https://www.pnas.org/content/117/22/11875, deutsche Zusammenfassung abrufbar unter: https://science.orf.at/stories/3200761/. 27 Stadnytskyi et al., Visualizing Speech-Generated Oral Fluid Droplets with Laser Light Scattering, in: NEJM 2020; 382, 2061-2063, abrufbar unter: https://www.nejm.org/doi/10.1056/NEJMc2007800. 28 Miller et al., Transmission of SARS-CoV-2 by inhalation of respiratory aerosol in the Skagit Valley Chorale superspreading event vom 18. Juni 2020, Preprint, abrufbar unter: https://www.medrxiv.org/content /10.1101/2020.06.15.20132027v2. 29 Zhang et al., Identifying airborne transmission as the dominant route for the spread of COVID-19 in: PNAS, 11. Juni 2020, abrufbar unter: https://www.pnas.org/content/early/2020/06/10/2009637117; siehe auch die Dokumentation der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages, Gesundheitspolitische Maßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus SARS-CoV-2 – Informationen zu aktuellen Studien vom 14. Juli 2020, WD 9 - 3000 - 051/20. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 065/20 Seite 10 2.3. Studien aus China und Japan Forscher aus Guangzhou (China) untersuchten einen Ausbruch in einem klimatisierten Restaurant in Guangzhou, über den sich im Ergebnis zehn Personen aus insgesamt drei Familien infiziert hatten. Eine ausschließliche Tröpfchenübertragung halten die Wissenschaftler für unmöglich , da die Tröpfchen teilweise mehrere Meter hätten zurücklegen müssen. Sie kommen daher zu dem Ergebnis, dass eine Übertragung über Aerosole vor allem in vollen und schlecht belüfteten Räumen möglich sei. Die Luftströmungsrichtung stimme mit der Verbreitung der Aerosole überein. Sie räumten jedoch ebenfalls ein, dass sich keiner der Mitarbeiter oder anderen Gäste infiziert hätte. Zudem seien auch die Abstrichproben der Klimaanlagen negativ gewesen. 30 Erkenntnisse ergeben sich auch aus einer Studie aus Japan, beauftragt durch das Ministry of Health, Labour and Welfare, bei der insgesamt 110 Fälle und deren Übertragungswege untersucht worden waren. Von den 110 Fällen seien 27 Primärfälle gewesen. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Primärfälle das Virus übertrugen, sei in geschlossenen Räumen 18,7 Mal höher als im Freien gewesen.31 2.4. Ergebnis Betrachtet man die Studienergebnisse, so erscheint eine Übertragung des Virus auch durch Aerosole als höchstwahrscheinlich. Seit dem 9. Juli 2020 erkennt auch die WHO diesen Übertragungsweg an. Sie betont aber, dass die Übertragung über die Luft bisher noch nicht direkt nachgewiesen werden konnte. Es sei mehr Forschung in diesem Bereich notwendig; bei den vorhandenen Studienergebnissen handele es sich vielfach erst um Preprints.32 Die Anerkennung der Übertragungsmöglichkeit über die Luft ist nicht zuletzt eine Reaktion auf eine entsprechende Forderung von 239 Wissenschaftlern an die WHO.33 Diese verwiesen in einem gemeinsamen Brief auf unterschiedliche Studien, die die Annahme nahelegten, dass auch eine Übertragung über die Luft möglich sei. Die WHO selbst hatte eine Meta-Studie in Auftrag gegeben. Demnach sind insgesamt 172 Studien unter anderem zu dem Ergebnis gekommen, dass eine körperliche Distanz von mehr als einem Meter das Ansteckungsrisiko um 82 Prozent vermindere, wobei sich die Schutzwirkung mit jedem weiteren Meter verdopple – die Berechnungen gingen bis zu einem Abstand von 30 Lu et al., COVID-19 Outbreak Associated with Air Conditioning in Restaurant Gangzhou, China, 2020, Studie, veröffentlicht am 2. April 2020, abrufbar unter: https://wwwnc.cdc.gov/eid/article/26/7/20-0764_article; Studie fortgeführt von Li et al., Evidence for probable aerosol transmission of SARS-CoV-2 in a poorly ventilated restaurant , Preprint abrufbar unter: https://www.medrxiv.org/content/10.1101/2020.04.16.20067728v1. 31 Nishiura et al., Closed environments facilitate secondary transmission coronavirus disease 19 (COVID-19), Preprint , Version vom 16. April 2020, abrufbar unter: https://www.medrxiv.org/content /10.1101/2020.02.28.20029272v2. 32 Transmission of SARS-CoV-2: implications for infection prevention precautions, vom 9. Juli 2020, abrufbar unter : https://www.who.int/news-room/commentaries/detail/transmission-of-sars-cov-2-implications-for-infection -prevention-precautions. 33 Offener Brief, abrufbar unter: https://academic.oup.com/cid/article/doi/10.1093/cid/ciaa939/5867798 (Stand: 10. August 2020); Informationen in: Spiegel, WHO erkennt Verbreitung von SARS-CoV-2 über die Luft an, vom 10. Juli 2020, abrufbar unter: https://www.spiegel.de/wissenschaft/medizin/coronavirus-who-erkennt-aerosoluebertragung -an-a-e536b41a-c9f7-4566-9e6e-32ebf86a7251. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 065/20 Seite 11 drei Metern. Zudem senke ein Mund-Nasen-Schutz das Ansteckungsrisiko um 85 Prozent. Für die Studie wurden allerdings nicht nur Studien zu COVID-19, sondern auch zu anderen Krankheiten wie MERS (Middle East Respiratory Syndrome) und SARS (Schweres Akutes Respiratorisches Syndrom) herangezogen.34 3. Maskentypen Seit Beginn der Corona-Pandemie gibt es vielfältige Maskenvariationen auf dem Markt. Das BfArM verwendet den Begriff der „Maske“, wie bereits erläutert, als Oberbegriff für alle Arten der Bedeckung von Mund und Nase.35 Dabei muss unterschieden werden zwischen Masken, die Medizinprodukte darstellen und daher unter das Medizinprodukterecht fallen, und Masken, die aus handelsüblichen Stoffen bestehen, im Alltag getragen werden und entweder selbst hergestellt oder industriell angefertigt werden.36 Bei den Masken, die dem Medizinprodukterecht unterliegen , wird im Wesentlichen unterschieden zwischen den Mund-Nasen-Schutzmasken (MNS), auch bekannt als OP-Masken oder chirurgische Masken und den partikelfiltrierenden Halbmasken (FFP-Masken, filtering face piece). 3.1. Mund-Nasen-Schutzmasken (MNS) Die MNS dienen vor allem dem Fremdschutz.37 Genutzt werden diese Masken überwiegend, um zu verhindern, dass Patienten bei der Behandlung durch infektiöse Tröpfchen vom Behandelnden infiziert werden. Sie können bei einem festen Sitz mitunter auch den Träger selbst schützen, jedoch ist dies nicht der vorrangige Zweck der MNS-Masken.38 Für den Träger bieten Medizinische Gesichtsmasken in der Regel kaum Schutz gegenüber erregerhaltigen Aerosolen. Sie können jedoch Mund- und Nasenpartie des Trägers vor einem direkten Auftreffen von exspirierten Tröpfchen des Gegenübers schützen sowie vor einer Erregerübertragung durch direkten Kontakt mit den Händen. 34 Physical distancing, face masks and eye protection to prevent person-to-person transmission of SARS-CoV-2 and COVID-19: a systematic review and meta-analysis, in: The Lancet volume 396 issue 10242 page 1973-1987, abrufbar unter: https://www.thelancet.com/journals/lancet/article/PIIS0140-6736(20)31142-9/fulltext; eine deutsche Zusammenfassung ist abrufbar unter: https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/113442/WHO-Studieuntersucht -Schutzwirkung-von-sozialer-Distanz-und-Mund-Nase-Schutz. 35 Informationen des BfArM unter: https://www.bfarm.de/SharedDocs/Risikoinformationen/Medizinprodukte /DE/schutzmasken.html. 36 Siehe Empfehlungen des BfArM, abrufbar unter: https://www.bfarm.de/SharedDocs/Risikoinformationen/Medizinprodukte /DE/schutzmasken.html und Empfehlungen der BAuA zum Einsatz von Schutzmasken im Zusammenhang mit SARS-CoV-2, abrufbar unter: https://www.baua.de/DE/Themen/Arbeitsgestaltung-im-Betrieb /Coronavirus/pdf/Schutzmasken.pdf?__blob=publicationFile&v=14. 37 Siehe Empfehlungen des BfArM, abrufbar unter: https://www.bfarm.de/SharedDocs/Risikoinformationen/Medizinprodukte /DE/schutzmasken.html. 38 Siehe Empfehlungen des BfArM, abrufbar unter: https://www.bfarm.de/SharedDocs/Risikoinformationen/Medizinprodukte /DE/schutzmasken.html. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 065/20 Seite 12 3.2. Partikelfiltrierende Halbmasken (FFP) FFP-Masken hingegen dienen vor allem dem eigenen Schutz im Rahmen des Arbeitsschutzes. Es gibt einerseits Masken ohne Ausatemventil, die sowohl die eingeatmete, als auch die ausgeatmete Luft filtern und andererseits Masken mit Ventil, die nur die eingeatmete Luft filtern und somit keinen Fremdschutz bieten.39 Unterschieden werden kann zwischen FFP1-, FFP2- und FFP3- Masken, die ein unterschiedliches Schutzniveau aufweisen. So schützt nach den Empfehlungen der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) beispielsweise nur die FFP3- Maske sicher vor Aerosolen.40 Das Robert Koch-Institut empfiehlt, bei der Versorgung von Verdachtsfällen und bestätigten COVID-19-Patienten mindestens FFP2-Masken zu verwenden.41 3.3. Mund-Nasen-Bedeckungen (MNB) Vor allem für den Privatgebrauch gibt es mittlerweile zahlreiche Mund-Nasen-Bedeckungen (MNB), die im Alltag in der Öffentlichkeit getragen werden. Diese haben kein gesetzlich vorgeschriebenes Prüfverfahren durchlaufen und dürfen daher nicht als Medizinprodukte in den Verkehr gebracht werden.42 Inwieweit die Mund-Nasen-Bedeckungen sowohl einen Eigen- als auch einen Fremdschutz bieten, ist bisher nicht abschließend geklärt und hängt zudem von unterschiedlichen Faktoren wie beispielsweise dem verwendeten Material ab. Überblicksartig sollen einige Studien vorgestellt werden, die die Schutzwirkung der MNB untersucht haben. Es muss jedoch darauf hingewiesen werden, dass die Untersuchungen zum aktuellen Zeitpunkt nicht abgeschlossen sind und täglich neue Erkenntnisse hinzukommen. 4. Studien zur Wirksamkeit von Masken Im Folgenden soll ein Überblick über aktuelle Studien zur Wirksamkeit von Masken gegeben werden. Dabei muss unterschieden werden zwischen Studien, die sich mit Erfahrungen der Einführung einer Maskenpflicht beschäftigen, und Studien, die gezielt die Wirksamkeit einzelner Masken untersuchen. Die Auswirkungen des unsachgemäßen Gebrauchs von Masken, wie das falsche Tragen dieser (beispielsweise die ausschließliche Bedeckung des Mundes), der nicht 39 Siehe Empfehlungen des BfArM, abrufbar unter: https://www.bfarm.de/SharedDocs/Risikoinformationen/Medizinprodukte /DE/schutzmasken.html. 40 Empfehlungen der BAuA zum Einsatz von Schutzmasken im Zusammenhang mit SARS-CoV-2, abrufbar unter: https://www.baua.de/DE/Themen/Arbeitsgestaltung-im-Betrieb/Coronavirus/pdf/Schutzmasken .pdf?__blob=publicationFile&v=14. 41 Empfehlungen des Robert Koch-Instituts mit Stand vom 5. Juni 2020, abrufbar unter: https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Hygiene.html. 42 Siehe Empfehlungen des BfArM, abrufbar unter: https://www.bfarm.de/SharedDocs/Risikoinformationen/Medizinprodukte /DE/schutzmasken.html. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 065/20 Seite 13 rechtzeitige Wechsel von Einmalmasken43 oder die unzureichende Reinigung von MNB wurden bisher nur vereinzelt untersucht. 4.1. Erfahrungen hinsichtlich der Einführung einer Maskenpflicht In der oben beschriebenen Studie von Wissenschaftlern aus Texas und Kalifornien, USA, zur Übertragung des Virus über die Luft kamen die Wissenschaftler zu dem Ergebnis, dass das Tragen von Masken das effektivste Mittel im Kampf gegen das Virus sei und tausende Infektionen verhindert habe. 44 Erfahrungen mit der Einführung einer Maskenpflicht wurden in Deutschland zuerst in Jena gemacht ; die Stadt hatte diese bereits am 6. April 2020 eingeführt (in den meisten Regionen erfolgte eine Einführung um den 27. April 2020). Um die Wirksamkeit der Maßnahme zu erforschen, erschufen die Wissenschaftler für einen Vergleich ein „synthetisches Jena“ mit später eingeführter Maskenpflicht, indem sie nach anderen kreisfreien Städten und Landkreisen suchten, die unter anderem eine vergleichbare medizinische Infrastruktur und eine ähnliche Bevölkerungsdichte aufwiesen, sowie bei der Entwicklung der Fallzahlen mit Jena übereinstimmten. Sie kamen zu dem Ergebnis, dass es im „realen Jena“ weniger neue Fälle als im „synthetischen Jena“ gegeben habe. Während im „realen Jena“ die Fälle innerhalb von 20 Tagen von 142 auf lediglich 158 gestiegen seien, habe das Vergleichsmodell einen Anstieg auf 205 Fälle ergeben. Anschließend wurden Landkreise gesucht, die eine Maskenpflicht bis zum 22. April 2020 eingeführt hatten, und mit Landkreisen verglichen, in denen es eine Maskenpflicht ab dem 27. April 2020 oder später gab. Die Unterschiede seien zwar nicht so stark wie beim synthetischen Jena gewesen, aber dennoch signifikant und groß. Das Aufrechterhalten der Maskenpflicht sei nach Ansicht der Wissenschaftler ein kosteneffektiver, wenig ökonomieschädlicher und demokratieverträglicher Weg für die Eindämmung von COVID-19.45 In einem Fachbeitrag begutachteten Wissenschaftler aus den USA und Taiwan bereits vorhandene Studien und kamen zu dem Ergebnis, dass es wichtig sei, Masken vor allem an Orten, an denen sich viele Personen gleichzeitig aufhielten, zu tragen. Sie halten das Tragen von Masken im Innenbereich auch bei einem Abstand von 6 feet (ca. 1,83 Meter) und mehr für wichtig, da vor 43 Das Robert Koch-Institut empfiehlt für die Allgemeinbevölkerung ausdrücklich die Verwendung von Mund- Nasen-Bedeckungen (MNB), um einen Engpass bei den MNS und FFP-Masken zu vermeiden, siehe: https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Archiv/2020/Ausgaben/19_20.pdf?__blob=publicationFile; werden MNS oder FFP-Masken verwendet, ist zu beachten, dass es sich um Einmalmasken handelt, deren Reinigung sehr aufwendig ist und die nur im Ausnahmefall wiederverwendet werden sollten, siehe: https://www.baua.de/DE/Themen/Arbeitsgestaltung-im-Betrieb/Coronavirus/pdf/Schutzmasken .pdf?__blob=publicationFile&v=14 sowie: https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/111617/Regierung-billigt- Wiederverwendung-von-Schutzmasken-in-Ausnahmefaellen. 44 Siehe Gliederungspunkt 2.2. 45 Wälde et al., Face Masks Considerably Reduce, COVID-19 Cases in Germany: A Synthetic Control Method Approach , Discussion Paper Series, Juni 2020, abrufbar unter: http://ftp.iza.org/dp13319.pdf; die deutsche Kurzfassung ist abrufbar unter: https://download.uni-mainz.de/presse/03_wiwi_corona_masken_paper_zusammenfassung .pdf; siehe auch die Dokumentation der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages, Gesundheitspolitische Maßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus SARS-CoV-2 – Informationen zu aktuellen Studien vom 14. Juli 2020, WD 9 - 3000 - 051/20. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 065/20 Seite 14 allem Aerosole sich weit verbreiten könnten und bisher nicht eindeutig gesagt werden könne, welcher Abstand als sicher gelte. Die Wissenschaftler stellten fest, dass in Ländern wie Taiwan, Singapur und Südkorea, die schon früh eine Maskenpflicht eingeführt hatten, vergleichsweise wenige Infektionen aufgetreten seien. Verglichen wird Taiwan (24 Millionen Einwohner) mit 441 Infektionen und 7 Toten mit New York (20 Millionen Einwohner) mit 353.000 Infektionen und 24.000 Toten (Stand 21. Mai 2020). Es wird jedoch auch klargestellt, dass Taiwan neben einer Pflicht zum Tragen einer Maske eine Reihe anderer Maßnahmen ergriff, die auf einem nach dem SARS-Ausbruch im Jahr 2003 aufgestellten Plan zur Bekämpfung von Epidemien beruhten. Unter anderem sei ein Exportverbot für medizinische Schutzmasken verhängt, die Produktion dieser erhöht und sichergestellt worden, dass die Masken zu angemessenen Preisen erworben werden konnten. Somit sei es diesbezüglich zu keinem Engpass gekommen.46 4.2. Filterwirkung von Masken Während die Schutzwirkung von medizinischen Schutzmasken bereits ausführlich untersucht worden ist, gibt es zu den provisorischen Mund-Nasen-Bedeckungen, die nicht als Medizinprodukte verkauft werden, bisher wenige Erkenntnisse. Seit dem Ausbruch der Corona-Pandemie wird deren Schutzwirkung untersucht, wobei die Untersuchungen in vielen Fällen noch nicht abgeschlossen sind. Einige bereits veröffentlichte Studien werden im Folgenden vorgestellt. Eine bereits 2008 veröffentlichte Studie aus den Niederlanden kam zu dem Ergebnis, dass jede Art von Gesichtsmaske einen Schutz vor Atemwegsinfektionen biete, wobei die medizinischen Mund-Nasen-Schutzmasken (MNS) mehr Schutz böten als einfache Stoffmasken, und die FFP- Masken wiederum mehr Schutz als die MNS. Getestet wurden in einem Kurzzeitexperiment mit 39 Personen und einem Langzeitexperiment mit 22 Personen eine FFP2-Maske, eine MNS und eine selbstgemachte Maske aus einem Geschirrtuch. Im Ergebnis hätten alle Masken die Verbreitung von größeren Tröpfchen und Aerosolen reduziert, seien stabil gewesen, unabhängig von der Tragedauer, aber abhängig vom Material und der Passform, wobei selbstgemachte und teilweise auch MNS vermutlich keinen großen Schutz gegen kleine Partikel böten. Somit seien auch selbstgemachte Masken immer noch effektiv, wenn auch nicht so effektiv wie medizinische.47 In einer vorzeitigen Veröffentlichung in einem Fachmagazin, das monatlich von den Centers of Disease Control and Prevention in den USA herausgegeben wird, analysierten Wissenschaftler verschiedene bereits existierende Studien zur Wirksamkeit von Stoffmasken. Sie kamen zu dem Ergebnis, dass diese nicht in medizinischen Einrichtungen getragen werden sollten, da sie im Vergleich zu medizinischen Masken einen deutlich geringeren Schutz aufwiesen. Für die Bevölkerung seien sie jedoch geeignet, wenn nicht genug medizinische Masken vorhanden seien. 46 Prather et al., Reducing transmission of SARS-CoV-2, in: Science 2020, 1422-1424, abrufbar unter: https://science .sciencemag.org/content/368/6498/1422; siehe auch die Dokumentation der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages, Gesundheitspolitische Maßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus SARS-CoV-2 – Informationen zu aktuellen Studien vom 14. Juli 2020, WD 9 - 3000 - 051/20. 47 Sabel et al., Professional and Home-Made Face Masks reduce Exposure to Respiratory Infections among the General Population, in: PLoS One. 2008; 3(7): e2618, abrufbar unter: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles /PMC2440799/. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 065/20 Seite 15 Zudem könne der Schutz von Stoffmasken erhöht werden, indem das passende Material in mehreren Schichten verwendet und die Masken so angepasst würden, dass möglichst wenige Öffnungen blieben. Außerdem sei eine tägliche Reinigung wichtig.48 In einer Studie der American Chemical Society wurden verschiedene Stoffmasken, unter anderem Baumwolle, Seide oder Chiffon, hinsichtlich ihrer Filtrationsleistung bei unterschiedlich großen Aerosolpartikeln getestet. Die Forscher prüften auch die Wirksamkeit einer unterschiedlichen Anzahl von Stofflagen. Zudem kombinierten sie verschiedene Stoffe, wie z. B. Baumwolle und Seide. Die Stoffe seien mithilfe einer Versuchsapparatur getestet worden, ein Versuch mit Probanden habe nicht stattgefunden. Verwendet worden sei eine Luftströmung, wie sie der Atmung eines Menschen im Ruhezustand entspreche. Die Forscher kamen zu dem Ergebnis, dass die Masken umso effizienter seien, je enger das Gewebe und je höher die Fadenanzahl sei. Dies gelte vor allem für Baumwollstoffe, die in der Studie insgesamt gute Ergebnisse erzielt hätten. Besonders geeignet seien Baumwollmasken mit zwei Lagen, zwischen denen sich Watte befindet. Auch Stoffe wie Chiffon und Seide könnten aufgrund ihrer elektrostatischen Effekte, die vor allem sehr kleine Aerosole abfangen, sehr wirksam sein, wobei sich die Effizienz mit der Anzahl der Stofflagen erhöhe. Eine Kombination verschiedener Stoffe sei dabei besonders geeignet, da durch die unterschiedliche Beschaffenheit der Stoffe unterschiedlich große Aerosole abgefangen werden könnten. Die Filtrationsleistung ähnelte der Leistung, die die amerikanische Atemschutzmaske N 95 (entspricht dem europäischen FFP2-Standard) erbringt. Die Forscher weisen jedoch darauf hin, dass Öffnungen zwischen der Maske und dem Gesicht, unabhängig vom Stoff, die Wirksamkeit schon bei einer Öffnung von einem Prozent der Maskenfläche um bis zu 50 Prozent reduziert sein könne. Eine auf das Gesicht zugeschnittene Passform sei daher unumgänglich.49 An der Florida Atlantic University wurden ebenfalls verschiedene Stoffmasken getestet. Getestet wurden dabei locker gebundene Masken aus einem gefalteten Stofftaschentuch und einem Halstuch , selbstgenähte, gut sitzende, zweilagige Baumwollmasken und kegelförmige Masken aus industrieller Produktion. Um die Filterwirkung zu überprüfen, wurden die Masken um einen Schaufensterpuppenkopf gebunden und mithilfe einer Pumpe Husten und Niesen simuliert. Mithilfe von künstlich erzeugtem Nebel wurden die ausgestoßenen Partikel sichtbar gemacht. Im Experiment habe die Baumwollmaske am besten abgeschnitten (der Atemstrahl betrug 2,5 inches, ca. 6,3 cm), gefolgt von der kegelförmigen Maske (8 inches, ca. 20,3 cm), dem Stofftaschentuch (1 foot 3 zoll, ca. 38,1 cm) und dem Halstuch (3 feet 3 inches, ca. 109 cm). Beim Husten ohne Schutz habe der Atemstrahl hingegen 8 feet betragen, was ungefähr 2,4 m entspricht. Festgestellt 48 Chughtai et al., Effectiveness of Cloth Masks for Protection Against Severe Acute Respiratory Syndrome Corona virus 2, in: Emerg Infect Dis 2020 Oct (28. Juli 2020), abrufbar unter: https://wwwnc.cdc.gov/eid/article /26/10/20-0948_article. 49 Konda et al., Aerosol Filtration Efficiency of Common Fabrics Used in Respiratory Cloth Masks, in: ACS Nano 2020, 14, 5, 6339-6347, abrufbar unter: https://pubs.acs.org/doi/10.1021/acsnano.0c03252; eine Zusammenfassung ist abrufbar unter: https://www.msn.com/de-de/nachrichten/coronavirus/neue-us-studie-mehrlagige-stoffmasken -sch%C3%BCtzen-genauso-gut-vor-corona-wie-medizinische-masken/ar-BB13jkRL sowie unter: https://www.sciencedaily.com/releases/2020/04/200424081648.htm. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 065/20 Seite 16 wurde jedoch auch, dass keine der Masken völlig dicht war, weshalb der Mindestabstand und die Hygienevorschriften weiterhin eingehalten werden müssten.50 In einer weiteren Studie von Wissenschaftlern aus den USA und Großbritannien wurden verschiedene Materialien auf ihre Filterwirkung für den Maskenträger selbst getestet. Am wirkungsvollsten habe, erwartungsgemäß, die FFP3-Maske geschützt. Nach 30 Sekunden habe sie zu 99 Prozent, nach 20 Minuten noch zu 94 Prozent geschützt. Unter den Haushaltsmaterialien habe ein Staubsaugerbeutel mit einer Schutzwirkung von 83 Prozent nach 30 Sekunden und einer Schutzwirkung von 58 Prozent nach 20 Minuten am besten abgeschnitten. Schals hingegen hätten nach 30 Sekunden nur 44 Prozent, nach 20 Minuten sogar nur noch 24 Prozent der Partikel gefiltert. Nicht berücksichtigt worden sei, dass Stoffmasken häufig eine schlechtere Passform als medizinische Masken aufweisen. Auch die Übertragung von Viren von den Händen auf die Maske sei nicht mit in die Untersuchung einbezogen worden.51 Eine Studie der Universität Hongkong vom April 2020 untersuchte die Effektivität von MNS- Masken, indem 246 Probanden, die an unterschiedlichen Atemwegsinfektionen (Influenzaviren, Rhinoviren, saisonale Coronaviren) litten, für 30 Minuten mit und ohne Maske atmen sollten. Nach 30 Minuten Atmung mit der Maske waren – anders als bei der Atmung ohne Maske – die Coronaviren weder in Tröpfchen noch in Aerosolen nachweisbar (anders als die Influenza- und Rhinoviren). Es handelte sich zwar nicht um SARS-CoV-2, da die Größe der Viren jedoch vergleichbar ist, gehen die Forscher davon aus, dass das Tragen von MNS die Verbreitung auch dieser Viren vermindern kann.52 Am Institut für Strömungsmechanik und Aerodynamik der Universität der Bundeswehr München wurde die Atemströmung mit und ohne Maske verglichen. Die Forscher kamen zu dem Ergebnis , dass einfache selbstgenähte Masken vor allem dem Fremdschutz, nicht aber dem Selbstschutz dienten. Zum Selbstschutz müssten diese Masken einen Filter enthalten, der auch kleinste Tröpfchen filtert, wobei auch Staubsaugerbeutel mit Feinstaubfilter für die Maskenherstellung geeignet seien. Die Filterwirkung von Mund-Nasen-Schutzmasken sei auch dann weitgehend bestehen geblieben, wenn die Masken befeuchtet worden seien. Allerdings werde das Tragen einer 50 Verma et al., Visualizing the effectiveness of face masks in obstructing respiratory jets, in: Physics of Fluids 32, 061708 (2020), abrufbar unter: https://aip.scitation.org/doi/10.1063/5.0016018; eine deutsche Zusammenfassung ist abrufbar unter: https://www.br.de/nachrichten/wissen/corona-schutzmasken-aus-stoff-welche-schuetzen -am-besten,S3OzIAx. 51 Wilson et al., COVID-19 and use of non-traditional masks: how do various materials compare in reducing the risk of infection for mask wearers, in: Journal of Hospital Infection, volume 105, issue 4, p. 640-642, August 01, 2020, abrufbar unter: https://www.journalofhospitalinfection.com/article/S0195-6701(20)30276-0/fulltext. 52 Leung et al., Respiratory virus shedding in exhaled breath and efficacy of face maskes, in: Nature Medicine 26, 676-680 (2020), abrufbar unter https://www.nature.com/articles/s41591-020-0843-2.pdf; eine deutsche Zusammenfassung ist abrufbar unter https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/111714/Chirurgische-Gesichtsmaskenhalten -Coronaviren-zurueck; weitere Informationen in: „Studien zur Wirksamkeit von Schutzmasken gegen SARS-CoV-2“, Kurzinformation der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages vom 28. Mai 2020, WD 9 – 3000 – 47/20, abrufbar unter: https://www.bundestag.de/resource /blob/702524/0aadb59d08c3c4434658df3de976db3a/WD-9-047-20-pdf-data.pdf. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 065/20 Seite 17 Maske unangenehmer und immer mehr Luft werde an der Maske vorbeiströmen, da sich der Strömungswiderstand aufgrund der Feuchtigkeit vergrößere.53 Nachdem Kritik an der Empfehlung zur Herstellung von Masken aus Staubsaugerbeuteln aufgekommen war, warnen die Forscher nun selbst vor der Nutzung von Beuteln, die chemische Zusätze enthalten. Auch weisen sie darauf hin, dass einige Hersteller von der Nutzung der Staubsaugerbeutel als Masken abraten.54 In der Zusammenschau zeigen die bereits veröffentlichten Studien, dass auch provisorische Mund-Nasen-Bedeckungen einen Schutz bieten. Dieser ist, abhängig, vom Material, der Passform und der Reinigung der Maske, jedoch meist geringer als der Schutz medizinischer Masken. Trotz allem besteht eine große Einigkeit, dass solche Stoffmasken allgemein getragen werden sollten, da sie zumindest einigen Schutz böten und die medizinischen Masken so den Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen vorbehalten blieben. 5. Gesundheitliche Schäden durch das Tragen von Masken Im Laufe der letzten Monate kam immer wieder Kritik an der Maskenpflicht auf. Zum einen wurde vor einer unsachgemäßen Anwendung der Masken gewarnt,55 zum anderen wurde auf angeblich negative Folgen des Tragens hingewiesen. So wurden beispielsweise die Ergebnisse einer Doktorarbeit von der Technischen Universität München aus dem Jahr 200456 verbreitet, die angeblich zu dem Ergebnis gekommen sei, dass man schon unter den einfachen OP-Masken zu viel Kohlendioxid (CO2) aus dem eigenen Atem einatme , wodurch es zu schnellerer Atmung und unregelmäßigem Herzschlag komme. Es stellte sich jedoch heraus, dass lediglich der CO2-Gehalt im Blut der Testpersonen erhöht gewesen sei, zu schnellerer Atmung und unregelmäßigem Herzschlag sei es nicht gekommen. Nach der Studie seien die CO2-Werte tatsächlich erhöht gewesen, nach dem Absetzen der Maske aber schnell wieder gefallen. Auch ein Abfall der Sauerstoffsättigung sei nicht nachgewiesen worden.57 In einer Untersuchung am Universitätsklinikum Leipzig prüften Forscher die körperliche Belastbarkeit von gesunden Personen beim Tragen einer OP-Maske sowie einer FFP2-Maske. Mund-Nasen -Bedeckungen aus Stoff wurden dabei nicht getestet, die Forscher beschränkten sich auf die medizinischen Masken. Untersucht wurde die körperliche Belastbarkeit von 12 gesunden Männern , die sich jeweils einem Test ohne Maske, mit OP-Maske und mit FFP2-Maske unterzogen. Die Ergebnisse zeigten, dass die Masken die körperliche Belastbarkeit einschränkten, wobei die 53 Kähler/Hain, Strömungsanalysen zur SARS-CoV-2-Schutzmaskendebatte, Version vom 11. April 2020, abrufbar unter: https://www.unibw.de/lrt7/stroemungsanalysen-zur-sars-cov-2-schutzmaskendebatte. 54 Kähler/Hain, Strömungsanalysen zur SARS-CoV-2-Schutzmaskendebatte, Version vom 11. April 2020, S. 21, abrufbar unter: https://www.unibw.de/lrt7/stroemungsanalysen-zur-sars-cov-2-schutzmaskendebatte. 55 Siehe dazu die Vorbemerkung. 56 Butz, „Rückatmung von Kohlendioxid bei Verwendung von Operationsmasken als hygienischer Mundschutz an medizinischem Fachpersonal“, 2004, abrufbar unter: https://mediatum.ub.tum.de/doc/602557/602557.pdf. 57 Doktorarbeit über OP-Masken von 2004 verneint Atemnot und Sauerstoffmangel, dpa-Faktencheck vom 4. Mai 2020, abrufbar unter: https://www.presseportal.de/pm/133833/4587771. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 065/20 Seite 18 FFP2-Maske eine stärkere Belastung darstellte. Die so genannte kardiopulmonale Leistungsfähigkeit (Leistungsfähigkeit des Herz-Lungen-Systems58) sei signifikant reduziert gewesen, die Atmung , vor allem das Volumen und die höchstmögliche Geschwindigkeit der Luft beim Ausatmen , war beeinträchtigt. Im Stoffwechsel sei zudem eine schnellere Ansäuerung des Blutes bei Anstrengung registriert worden (Laktat59). Auch in Fragebögen, in denen die Teilnehmer ihr subjektives Empfinden angaben, habe sich eine erhebliche Beeinträchtigung ihres Wohlbefindens gezeigt. Trotzdem betont der Klinikdirektor Prof. Ulrich Laufs, dass der Mund-Nasen-Schutz wichtig sei, um die Verbreitung von SARS-CoV-2 einzudämmen. Jedoch müssten die Erkenntnisse bei den Corona-Schutzmaßnahmen berücksichtigt werden. Zudem stelle sich für die Arbeitswelt die Frage, ob Menschen, die mit Maske körperlich anstrengende Tätigkeiten verrichten müssen, häufiger Pause machen müssten.60 6. Verhältnismäßigkeit Die von den Ländern verordnete Maskenpflicht war bereits vielfach Gegenstand von Gerichtsentscheidungen . Eine Ausarbeitung der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages vom 30. April 2020 beschäftigte sich ausführlich mit der Prüfung der Verhältnismäßigkeit von Mund- Nasen-Bedeckungen. 61 Das notwendige legitime Ziel, so heißt es dort, sei der „Schutz der Gesundheit der Bevölkerung und insbesondere eine Verhinderung der Überlastung des Gesundheitssystems “.62 Bei der Prüfung der Geeignetheit wie auch der Erforderlichkeit werde dem Verordnungsgeber in der Rechtsprechung ein Einschätzungsspielraum zugebilligt. Bei der Beurteilung der Angemessenheit hätten auch die Verwaltungsgerichte im einstweiligen Rechtsschutz entschieden klargestellt, dass das Leben und die Gesundheit höchste Rechtsgüter seien. Die Eingriffe in andere Freiheitsrechte wögen demgegenüber weniger schwer.63 58 Informationen unter: https://www.medizin1.uk-erlangen.de/hector-center/diagnostik-und-therapie/diagnostische -methoden/muskelkraft-koerperliche-aktivitaet-und-kardiopulmonale-leistungsfaehigkeit/. 59 Informationen unter: https://www.medizin1.uk-erlangen.de/hector-center/diagnostik-und-therapie/diagnostische -methoden/muskelkraft-koerperliche-aktivitaet-und-kardiopulmonale-leistungsfaehigkeit/. 60 Fikenzer et al., Effects of Surgical and FFP2/N95 face masks on cardiopulmonary exercise capacity, in: Clinical Research in Cardiology 2020, abrufbar unter: https://link.springer.com/article/10.1007/s00392-020-01704-y; eine deutsche Zusammenfassung ist abrufbar unter: https://www.uniklinikum-leipzig.de/presse/Seiten/Pressemitteilung _7089.aspx, sowie unter: https://www.mdr.de/sachsen/leipzig/leipzig-leipzig-land/corona-studiemasken -beschraenken-belastbarkeit-100.html. 61 „Mund-Nasen-Bedeckung“ und Freiheitsrechte, Ausarbeitung der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages vom 30. April 2020, WD 3 - 3000 - 109/20, abrufbar unter: https://www.bundestag.de/resource /blob/696624/b661d3e87184fbfce136ae8af0926fc1/WD-3-109-20-pdf-data.pdf. 62 „Mund-Nasen-Bedeckung“ und Freiheitsrechte, Ausarbeitung der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages vom 30. April 2020, WD 3 - 3000 - 109/20, S. 14; siehe auch: VG Hamburg, 10 E 1784/20, Beschluss vom 27. April 2020, https://openjur.de/u/2200122.html. 63 Siehe unter anderem VG Hamburg, 10 E 1784/20, Beschluss vom 27. April 2020, https://openjur .de/u/2200122.html. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 065/20 Seite 19 Auch die Rechtsprechung der Gerichte seit dem 30. April 2020 sieht die Maskenpflicht zumindest im einstweiligen Rechtsschutz als verhältnismäßig an.64 So entschied das Oberverwaltungsgericht Münster in seinem Beschluss vom 19. Mai 2020 folgendermaßen: „Auch § 2 Abs. 3 Satz 1 CoronaSchVO65 erweist sich nach gegenwärtiger Erkenntnislage als angemessen . So sieht die Regelung keine generelle „Maskenpflicht“ im öffentlichen Raum vor, sondern beschränkt die Verpflichtung zum Tragen einer Mund-Nase-Bedeckung räumlich und zeitlich auf bestimmte soziale Situationen. Zudem wird nicht das Tragen eines chirurgischen Mund- Nasen-Schutzes oder einer sog. partikelfiltrierenden Halbmaske verlangt, sondern lediglich einer einfachen Bedeckung, wie sie zum Beispiel eine Alltagsmaske, ein Schal oder ein Tuch darstellen (§ 2 Abs. 3 Satz 1 i. V. m. Abs. 2 Satz 1 CoronaSchVO). Diese Bedeckungen können, wenn sie nicht ohnehin vorhanden sind, selbst hergestellt oder im örtlichen Handel kostengünstig erworben werden. [Ausführungen zu Ausnahmen von der Maskenpflicht und gleich wirksamen Schutzmaßnahmen] Hinzu kommt, dass die Verordnung in ihrer zeitlichen Geltung zum einen befristet ist und den Verordnungsgeber zum anderen davon unabhängig eine fortwährende Beobachtungs - und Überprüfungspflicht trifft, die sich mit zunehmender Dauer der ergriffenen Maßnahmen verdichtet.“66 Das Oberverwaltungsgericht Weimar kommt in seinem Beschluss vom 3. Juli 2020 zu einem vergleichbaren Ergebnis: „Nach der summarischen Prüfung drängt sich auch nicht auf, dass die Regelung unter Abwägung der gegenläufigen verfassungsrechtlichen Positionen bei der gebotenen Gesamtbetrachtung unangemessen ist. Der beabsichtigte Verordnungszweck steht nicht außer Verhältnis zu der Schwere des Eingriffs. Die Maßnahme führt zwar unverkennbar zu einer Beeinträchtigung der Handlungsfreiheit der gesamten Bevölkerung. Dieses Recht wird jedoch nicht unbeschränkt gewährt, sondern unterliegt einem Gesetzesvorbehalt und tritt hier im Ergebnis gegenüber dem mit der Verordnung bezweckten Schutz von Leib und Leben (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) zurück. Die Einschränkungen sind vorübergehend hinzunehmen im Hinblick auf die Durchsetzung überragend gewichtiger Gemeinwohlbelange. Hierbei ist neben der zeitlichen Befristung der Maßnahme und den gewichtigen Ausnahmegründen insbesondere auch für die Pflicht zur Verwendung einer Mund-Nasen -Bedeckung zu berücksichtigen, dass diese nur in kurzen Zeiträumen und nur in bestimmten Alltagssituationen gilt.“67 64 Siehe etwa OVG Lüneburg, 13 MN 238/20, Beschluss vom 6. Juli 2020; VG Köln, 6 L 1246/20, Beschluss vom 17. Juli 2020. 65 Die Entscheidung bezieht sich auf die mit Art. 1 der Vierten Verordnung zur Änderung von Rechtsverordnungen zum Schutz vor dem Coronavirus SARS-CoV-2 vom 8. Mai 2020 (GV. NRW. S. 340a) erlassene, am 11. Mai 2020 in Kraft getretene und am 15. Mai 2020 geänderte (GV. NRW. S. 340d) Verordnung zum Schutz vor Neuinfizierungen mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 (Coronaschutzverordnung - CoronaSchVO) aus Nord- Rhein-Westfalen. 66 OVG Münster, 13 B 557/20.NE, Beschluss vom 19. Mai 2020, juris, Rn. 114f. 67 OVG Weimar, 3 EN 391/20, Beschluss vom 3. Juli 2020, juris, Rn. 88. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 065/20 Seite 20 Die in dieser Arbeit vorgestellten Studien unterstützen die Argumentation der Gerichte. So geht inzwischen aus zahlreichen Studien hervor, dass Masken dazu beitragen können, die Ausbreitung von COVID-19 einzudämmen. Auch wenn Mund-Nasen-Bedeckungen, wie sie von der Bevölkerung im öffentlichen Raum getragen werden, nicht so effektiv wie medizinische Masken sind, leisten sie dennoch einen Beitrag zur Verhinderung der Ausbreitung des Virus. Vor allem in geschlossenen Räumen ist es sinnvoll, sie zu tragen: Da sich Aerosole, wie die Studien zeigten, mitunter deutlich weiter als 1,5 bis 2 Meter verbreiten, reicht das Einhalten des Mindestabstandes in geschlossenen Räumen alleine nicht aus. Eine Maskenpflicht erscheint daher auch dann verhältnismäßig, wenn der Mindestabstand zu anderen Personen eingehalten werden kann, beispielsweise in schwach besetzten Zugabteilen. Auch das Robert Koch-Institut empfiehlt seit einiger Zeit das Tragen von Masken im öffentlichen Raum als „weiteren Baustein, um Übertragungen zu reduzieren“.68 *** 68 „Mund-Nasen-Bedeckungen im öffentlichen Raum als weitere Komponente zur Reduktion der Übertragungen von COVID-19“, in: Epidemiologisches Bulletin 19/2020, S. 3ff., abrufbar unter: https://www.rki.de/DE/Content /Infekt/EpidBull/Archiv/2020/Ausgaben/19_20.pdf?__blob=publicationFile.