© 2019 Deutscher Bundestag WD 9 - 3000 - 065/19 Durchführung von Titerbestimmungen zur Evaluierung des Impferfolges Dokumentation Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 9 - 3000 - 065/19 Seite 2 Aktenzeichen: WD 9 - 3000 - 065/19 Abschluss der Arbeit: 6. September 2019 Fachbereich: WD 9: Gesundheit, Familie, Senioren, Frauen und Jugend Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 9 - 3000 - 065/19 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Begriffsbestimmung 4 2. Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (STIKO) 4 3. Titerbestimmungen zur Evaluierung des Impferfolges 4 4. Titerbestimmungen im Rahmen bevölkerungsbezogener Überwachung der Seroprävalenz 6 5. Titerbestimmungen im Rahmen des Zulassungsverfahrens von Impfstoffen 6 Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 9 - 3000 - 065/19 Seite 4 1. Begriffsbestimmung Die Ermittlung des Titers1 (auch Impftiter oder Schutztiter genannt) ist eine Methode zur Beurteilung der Immunität des Körpers gegen eine bestimmte Krankheit. Zur Bestimmung des Titers wird eine Blutprobe fortlaufend verdünnt. Die weitestgehende Verdünnung, bei der noch eine Immunität nachweisbar ist, wird als Titer angegeben. Durch eine Titeruntersuchung kann in Erfahrung gebracht werden, ob und wie viele Antikörper im Körper gegen bestimmte Krankheitserreger nach einer vorausgegangenen Impfung vorhanden sind. Vergleiche hierzu: Dr. med. Zeilberger , Karlheinz, Impftiter - wie immun sind Sie?, in: NetDoktor, 21. April 2015, abrufbar über https://www.netdoktor.de/impfungen/impftiter-wie-immun-sind-sie-1557.html. 2. Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (STIKO) Titerbestimmungen nach Impfungen zum Zwecke der Überprüfung der Immunität gegen Masern werden von der Ständigen Impfkommission (STIKO) nicht routinemäßig empfohlen. Lediglich in Ausnahmefällen sei eine Titerbestimmung sinnvoll, so zum Beispiel zur Überprüfung des Impferfolges bei Personen mit einer Immundefizienz bzw. -suppression. Problematisch ist nach Angaben der STIKO, dass die in klinischen Laboratorien verwendeten Testmethoden häufig keine ausreichende Sensitivität und Spezifität aufweisen würden und so keine sichere Aussage zum Bestehen einer Immunität getroffen werden könne. Siehe hierzu: Empfehlungen der Ständigen Impfkommission beim Robert Koch-Institut – 2019/2020, Epidemiologisches Bulletin, 22. August 2019, Kapitel 6.6, abrufbar über https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Archiv /2019/Ausgaben/34_19.pdf?__blob=publicationFile. 3. Titerbestimmungen zur Evaluierung des Impferfolges Patienten können nach einer erfolgten Masernimpfung beim Arzt oder bei bestimmten Laboren Titerbestimmungen zur Überprüfung des Impferfolges vornehmen lassen. Soweit die Untersuchung ärztlich nicht angeordnet wird und ohne medizinische Notwendigkeit erfolgt, sind die Kosten der Titerbestimmung vom Patienten zu tragen. Es gibt bislang keine Angaben dazu, in wie vielen Fällen solche Titerbestimmungen vorgenommen werden. Das Robert Koch-Institut (RKI) rät zur Bestimmung der Masernimmunität von einer Titerbestimmung ab. Dies wird insbesondere damit begründet, dass nach zwei erfolgten Masernimpfungen ein zuverlässiger Schutz gegen Masern gewährleistet sei. Siehe hierzu: Antworten auf häufig gestellte Fragen (FAQ) zum Thema Masern auf der Internetseite des RKI (Stand 23. Februar 2015), abrufbar über https://www.rki.de/SharedDocs/FAQ/MMR/Masern/Liste_Masern.html. Es sind keine Studien bekannt, bei denen zum Zwecke der allgemeinen Evaluierung des Erfolgs der Immunisierung durch die Impfung mit den in Deutschland gängigen Masern-Kombinationsimpfstoffen (M-M-RVaxPro, Priorix, Priorix-Tetra und ProQuad) Titerbestimmungen vorgenommen worden sind. 1 Der Begriff „Titer“ stammt von dem französischen Wort „titre“ = „Feingehalt des Goldes“, siehe https://www.wissen.de/wortherkunft/titer. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 9 - 3000 - 065/19 Seite 5 In einer nicht-interventionellen Studie (Anwendungsbeobachtung) werden derzeit Titerkontrollen zur Überprüfung des Impferfolges von Masern, Mumps und Röteln bei Patienten mit chronisch entzündlichen Darmerkrankungen, Autoimmunhepatitis und nach Lebertransplantationen auch unter der bestehenden Immunsuppression durchgeführt. Ziel der Anwendungsbeobachtung ist es, zuverlässige Daten über den Impfstatus dieser Personengruppe zu erhalten, da solche bislang in Deutschland fehlen. Siehe hierzu: Prof. Dr. M. Radke und Dr. S., Anwendungsbeobachtung des Impferfolges von Masern-, Mumps- und Röteln Erst- und Zweitimpfungen bei Kindern und Jugendlichen mit chronisch entzündlichen Darmerkrankungen, Autoimmunhepatitis oder Zustand nach Lebertransplantation, 20. November 2017, abrufbar über https://www.pei.de/SharedDocs/Downloads/awb/nis-0401-0500/0420-beoplan.pdf?__blob=publication File&v=1. Im Rahmen der Studie wird der Masern-, Mumps-, Röteln-Lebendimpfstoff Priorix verwendet. Es nehmen 400 Probanden teil. Das geplante Ende der Studie ist der 1. Dezember 2020. Siehe hierzu die Informationen zur Studie auf der Seite des Paul-Ehrlich Instituts: Nicht-interventionelle Studie (Anwendungsbeobachtung) NIS-Nr.: 420, abrufbar über https://www.pei.de/Shared- Docs/awb/nis-0401-0500/0420.html. In den Jahren 2008 und 2009 hat das Landesgesundheitsamt Baden-Württemberg gemeinsam mit dem RKI eine Querschnittsstudie in zehn Beobachtungsgesundheitsämtern durchgeführt, mit der unter anderem die Durchimpfung sowie die Maserntiter bei insgesamt 1.382 Viertklässlern (wovon bei 801 Kindern mindestens eine Antikörperbestimmung vorlag) erhoben wurden. Ziel dieser Untersuchung war die Bestimmung des Anteils der Kinder, die ausweislich ihres Impfpasses eine oder zwei Impfungen gegen Masern, Mumps und Röteln erhalten haben, sowie die Bestimmung des Anteils der Kinder, für die ausweislich ihres serologischen Status Immunität gegen Masern, Mumps und Röteln angenommen werden kann. Darüber hinaus sollten die Anteile an Kindern, bei denen eine ausreichende Immunität mit der erhobenen Impfanamnese korreliert, an Kindern, bei denen trotz nachgewiesener Impfanamnese keine ausreichende Immunität besteht (Impfversager), an Kindern, bei denen eine ausreichende Immunität besteht, ohne dass sie eine Impfung erhalten haben, sowie an Kindern mit fehlender Immunität, die auch keine Impfung erhalten haben, bestimmt werden. Siehe: Landesgesundheitsamt Baden-Württemberg in Kooperation mit dem Robert Koch-Institut, Impfprävalenz und Immunschutz gegenüber Masern, Mumps, Röteln und FSME bei Viertklässlern in Baden-Württemberg 2008/09, Dezember 2011, abrufbar über https://lb.boa-bw.de/frontdoor/deliver/index/docId/3780/file/impfpraevalenz_und_immunschutz .pdf. In Finnland wurde im Rahmen einer Studie die Persistenz von Antikörpern gegen Masern, Mumps und Röteln nach erfolgter (zweifacher) Masern-, Mumps-, Röteln-Impfung (MMR) mit dem Impfstoff M-M-R II von Merck & Co., Inc. (welcher die Komponenten des in Deutschland zugelassenen MMRV-Impfstoffs ProQuad enthält) über einen Zeitraum von 20 Jahren (von 1982 bis 2002) in derselben Personengruppe (353 Kinder) untersucht. Siehe: Davidkin, Irja/ Jokinen, Sari/ Broman, Mia/ Leinikki, Pauli/ Peltola, Heikki, Persistence of Measles, Mumps, and Rubella Antibodies in an MMR-Vaccinated Cohort: A 20-Year Follow-up, in: The Journal of Infectious Diseases , Volume 197, Issue 7, 1 April 2008, Pages 950–956. Anlage 1 Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 9 - 3000 - 065/19 Seite 6 4. Titerbestimmungen im Rahmen bevölkerungsbezogener Überwachung der Seroprävalenz Es gibt einige bevölkerungsbezogene Untersuchungen, bei denen Titerbestimmungen vorgenommen wurden, um den Stand des Eliminierungsprozesses der Masern in Deutschland und weltweit zu bewerten. Um den Fortschritt der Elimination zu messen und voranzutreiben, wurde in einer Untersuchung des RKI im Zeitraum von 2003 bis 2006 die Masernanfälligkeit spezifischer Altersgruppen überprüft . Das Ziel war hier insbesondere, Gruppen zu ermitteln, für die besondere Impfkampagnen vorgenommen werden sollten, um die vorgegebenen Impfquoten zu erreichen. Hierzu wurden bei 13.977 Kindern und Jugendlichen im Alter von eins bis 17 Jahren unter anderem Masern-Immunglobulin -G-Antikörper mittels ELISA-Tests2 gemessen und mit Informationen zur Durchimpfung dieser verglichen. Siehe hierzu: Poethko-Müller C/ Mankertz A: Sero-epidemiology of measlesspecific IgG antibodies and predictive factors for low or missing titres in a German populationbased cross-sectional study in children and adolescents (KiGGS), 2011, in: Vaccine, 29 (45), pp. 7949-7959, abrufbar über https://edoc.rki.de/handle/176904/1271. Vergleiche hierzu auch: Poethko-Müller C/ Mankertz A: Durchimpfung und Prävalenz von IgG- Antikörpern gegen  Masern bei Kindern und Jugendlichen in Deutschland, in: Bundesgesundheitsblatt – Gesundheitsforschung – Gesundheitsschutz, 2013, S. 1243-1253, abrufbar über: https://link.springer.com/content/pdf/10.1007%2Fs00103-013-1790-6.pdf (Deutscher Beitrag zur Studie des RKI). 5. Titerbestimmungen im Rahmen des Zulassungsverfahrens von Impfstoffen Titerbestimmungen werden im Rahmen des Zulassungsverfahrens von Impfstoffen, für welches in Deutschland das Paul Ehrlich-Institut (PEI) zuständig ist, vorgenommen. Für den Kombinationsimpfstoff Priorix-Tetra siehe: Zulassungsbescheid Zulassungs-Nummer PEI.H.04773.01.1., Kapitel 5.1. Die Masern-, Mumps- und Röteln-Antikörpertiter wurden hier mit kommerziell erhältlichen ELISA-Tests bestimmt. In dem Zulassungsbescheid wird auf drei klinische Studien aus Europa (Österreich, Finnland, Deutschland, Griechenland und Polen) und eine klinische Studie aus Asien (Singapur) verwiesen. Anlage 2 Auch im Rahmen des europäischen Zulassungsverfahrens durch die European Medicines Agency (EMA) werden Titerbestimmungen vorgenommen. Vergleiche hierzu den Europäischen Öffentlichen Beurteilungsbericht (EPAR) für M-M-RVaxPro, Anhang 1, Zusammenfassung der Merkmale des Arzneimittels, Kapitel 5.1, abrufbar über https://www.ema.europa.eu/en/documents/productinformation /m-m-rvaxpro-epar-product-information_de.pdf. 2 ELISA (enzyme-linked immunosorbent assays) ist ein Verfahren zur Bestimmung der Konzentration von Antigenen oder Antikörpern, das auf der Interaktion von Antigen und Antikörper sowie einer enzymatischen Farbreaktion beruht, siehe http://www.medizinfo.de/waldundwiese/fsme/elisa.htm. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 9 - 3000 - 065/19 Seite 7 Für den Kombinationsimpfstoff ProQuad siehe: Europäischer Öffentlicher Beurteilungsbericht (EPAR), Anhang 1, Zusammenfassung der Merkmale des Arzneimittels, Kapitel 5.1. In dem Bericht wird darauf hingewiesen, dass zwar formale Effektivitätsstudien mit ProQuad nicht durchgeführt worden seien, dass aber gleichwohl die Wirksamkeit des MMR-Impfstoffes (hergestellt von Merck & Co., Inc.) wie auch des Varizellen-Lebendimpfstoffs (Oka/Merck), deren Komponenten in ProQuad enthalten seien, durch viele Studien belegt sei. Der Bericht ist abrufbar über https://www.ema.europa.eu/en/documents/product-information/proquad-epar-product-information _de.pdf. ***