© 2021 Deutscher Bundestag WD 9 - 3000 - 064/21 Gesundheitliche Risiken beim Mehrfachgebrauch von Einwegpfandflaschen Dokumentation Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 9 - 3000 - 064/21 Seite 2 Gesundheitliche Risiken beim Mehrfachgebrauch von Einwegpfandflaschen Aktenzeichen: WD 9 - 3000 - 064/21 Abschluss der Arbeit: 21. Juni 2021 Fachbereich: WD 9: Gesundheit, Familie, Frauen, Senioren und Jugend Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 9 - 3000 - 064/21 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Studien zu Gesundheitsrisiken durch Chemikalien in Einwegpfandflaschen 5 3. Mikroplastik 6 4. Fazit 10 Anhang 11 Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 9 - 3000 - 064/21 Seite 4 1. Einleitung In den Medien wird regelmäßig thematisiert, welche Flaschenart für Getränke sowohl aus ökologischer als auch aus gesundheitlicher Sicht empfehlenswert ist.1 Gefragt wurde in diesem Zusammenhang , ob und welche gesundheitlichen Risiken sich aus dem Mehrfachgebrauch von Einwegpfandflaschen ergeben können und ob Getränkedosen aus Metall in Anbetracht potentieller Gesundheitsrisiken eine sinnvolle Alternative darstellen. Einwegpfandflaschen (wie zum einem Teil auch Mehrwegpfandflaschen) werden in der Europäischen Union aus dem Kunststoff PET hergestellt.2 Hierbei kommen inzwischen weder Weichmacher noch die umstrittene chemische Verbindung Bisphenol A (BPA)3 zum Einsatz.4 Bereits 2011 wurde BPA in der Europäischen Union für die Herstellung von Plastiktrinkflaschen für Kleinkinder verboten, da Anhaltspunkte für eine schädigende hormonelle Wirkung vorlagen.5 Im Juni 2017 wurde BPA von der Europäischen Chemikalienagentur (ECHA) als „besonders besorgniserregender Stoff“ eingestuft.6 Flaschen aus PET gelten heute als gesundheitlich unbedenklich, auch bei einer Mehrfachverwendung .7 Bei Einwegpfandflaschen, die nicht aus PET bestehen und die vor allem im außereuropäischen Ausland eingesetzt werden, kommen als Risikofaktoren – insbesondere beim Mehrfachgebrauch – zwei Umstände in Betracht: zum einen eine Schadstoffbelastung der Flüssigkeit durch 1 Als Beispiele einschlägiger Veröffentlichungen siehe etwa: Böhm, A. (2020) Wasser aus Plastikflaschen: Harmlos oder gefährlich? rbb Fernsehen, Beitrag vom 25. August 2020, abrufbar unter: https://www.rbb-online .de/rbbpraxis/rbb_praxis_service/gesundes-wissen/wasser-plastik-flaschen-mikroplastik-gesundheit-schaedlich -gefahr.html (dieser und alle weiteren Links wurden zuletzt abgerufen am 17. Juni 2021); Allmann, J. F. (2018) Ist es schädlich, aus Plastikflaschen zu trinken? SPIEGEL Online, Beitrag vom 15. Juli 2018, abrufbar unter : https://www.spiegel.de/panorama/ist-aus-plastikflaschen-zu-trinken-ungesund-a-00000000-0003-0001- 0000-000002611393. 2 Zur Beschaffenheit von Einwegpfandflaschen aus Polyethylenterephthalat (PET) und Getränkedosen siehe: Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages, Einwegkunststoffgetränkeflasche oder Getränkedose, Sachstand vom 14. Juni 2021, WD 5 – 3000 – 048/21. 3 Umweltbundesamt (2010) Bisphenol A – Massenchemikalie mit unerwünschten Nebenwirkungen. Aktualisierte Fassung Juli 2010, S. 5, abrufbar unter: https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/publikation /long/3782.pdf. 4 Schriftliche Auskunft auf Anfrage durch das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) vom 14. Juni 2021; so auch: Sattlegger, L., Haider, T., Völker, C., Kerber, H., Kramm, J., Zimmermann, L. und Wurm, F.R. (2020) Die PET-Mineralwasserflasche. Chem. Unserer Zeit, 54: 14-20, https://doi.org/10.1002/ciuz.201900875. 5 Stiftung Warentest (2011) Bisphenol A – Babyflaschen ohne Gift. Beitrag vom 24. Februar 2011, abrufbar unter: https://www.test.de/Bisphenol-A-Babyflaschen-ohne-Gift-4206670-0/. 6 Nationale Regulierungsbehörden äußerten jedoch abweichende Meinungen, so die amerikanische Federal Drug Administration und das deutsche BfR, die BPA als deutlich weniger riskant einschätzen, da der Stoff in nur sehr geringen Mengen vorkomme, vgl. Otto, M. und von Mühlendahl, K.E. (2019) Bisphenol A - Neubewertung durch ECHA und EFSA. Allum – Energie, Umwelt und Gesundheit, Beitrag vom 1. Oktober 2019, abrufbar unter : https://www.allum.de/wissenswertes/bisphenol-neubewertung-echa-efsa. 7 Schriftliche Auskunft auf Anfrage durch das BfR vom 14. Juni 2021. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 9 - 3000 - 064/21 Seite 5 die verwendeten Stoffe, deren Konzentration durch eine Wiederverwendung gesteigert werden könnte; zum anderen das Auftreten von Mikroplastik, welches auf unterschiedlichen Wegen in die Flasche bzw. die darin enthaltene Flüssigkeit geraten könnte. In dieser Arbeit soll ein Einblick in die aktuelle Forschungslage hinsichtlich der gesundheitlichen Folgen der Nutzung von Einwegpfandflaschen gegeben werden. Studien, die sich explizit mit den gesundheitlichen Risiken des Mehrfachgebrauchs von Einwegpfandflaschen befassen, liegen allerdings – soweit ersichtlich – nicht vor.8 2. Studien zu Gesundheitsrisiken durch Chemikalien in Einwegpfandflaschen Costa, R., Maia, T., Almeida, E., Oliveira, J., do Nascimeno, R. (2021) Potential risk of BPA and phthalates in com-mercial water bottles: a minireview. Journal of Water and Health, 10.2166/wh.2021.202. Diese Publikation stellt den Forschungsstand zu Schadstoffen in Wasserflaschen dar. Angesichts sehr unterschiedlicher Studienergebnisse geht sie von einer „großen Varianz“ in der Schadstoffbelastung aus. In allen ausgewerteten Studien war Dibutylphthalat der am häufigsten gefundene Schadstoff in Trinkwasserflaschen; doch seien alle jeweils untersuchten Chemikalien (Bisphenol A, Dibutylphthalat, Benzylbutylphthalat und Diethylhexylphthalat) deutlich unter der maximal verträglichen Menge aufgetreten und stellten demnach kein ernsthaftes Gesundheitsrisiko dar.9 Die Autoren weisen jedoch darauf hin, dass sich die hormonelle Wirkung der Schadstoffe durchaus negativ auf die Gesundheit der Konsumierenden auswirken könne; diese Frage könne auf dem derzeitigen Forschungsstand nicht abschließend bewertet werden. Zaki, G., & Shoeib, T. (2018) Concentrations of several phthalates contaminants in Egyptian bottled water: Effects of storage conditions and estimate of human exposure. The Science of the total environment, 618, S. 142–150. Diese Studie mit Blick auf in Ägypten produzierte Wasserflaschen kommt zu einem ähnlichen Ergebnis wie eine ältere Studie aus Saudi-Arabien.10 In rund der Hälfte von 108 untersuchten Wasserproben von sechs verschiedenen Produzenten wurden Spuren von Dibutylphthalat (DBP) und Diethylhexylphthalat (DEHP) nachgewiesen. Die Autoren heben allerdings hervor, dass die im Wasser vorgefundenen Konzentrationen der beiden Phthalate bei einem gewöhnlichen Wasserkonsum nicht mehr als 0.72 Prozent (DBP) bzw. 0.16 Prozent (DEHP) der täglichen maximal verträglichen Menge entsprachen. Gesundheitliche Risiken infolge der Schadstoffbelastung lägen aus Sicht der Autoren daher nicht vor. 8 Schriftliche Auskunft auf Anfrage durch das BfR vom 14. Juni 2021. 9 Zu den spezifischen Migrationswerten, d.h. der Menge der hier aufgeführten Stoffe, die gemäß Verordnung (EU) Nr. 10/2011 vom 14. Januar 2011 (abrufbar unter: https://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUri- Serv.do?uri=OJ:L:2011:012:0001:0089:DE:PDF) maximal in Lebensmittel übergehen darf, siehe Anhang. 10 Al-Saleh, I., Shinwari, N., Alsabbaheen, A. (2011) Phthalates residues in plastic bottled waters. The Journal of toxicological sciences, 36(4), S. 469–478. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 9 - 3000 - 064/21 Seite 6 Ugboka, U. G., Ihedioha, J. N., Ekere, N. R. & Okechukwu, F. O. (2020) Human health risk assessment of bisphenol A released from polycarbonate drinking water bottles and carbonated drinks exposed to sunlight in Nigeria. International Journal of Environmental Analytical Chemistry , abrufbar unter: https://www.tandfonline.com/doi/full/10.1080/03067319.2020.1759572?scroll=top&needAccess =true. Diese Studie betrachtet das Vorkommen von BPA in Plastikflaschen in Nigeria. Ihre Ergebnisse bestätigen die Schlussfolgerungen der oben genannten Untersuchungen: Zwar ließ sich nachweisen , dass sich BPA unter der Einwirkung von Sonnenlicht aus dem Plastik lösen und in die Flüssigkeit gelangen kann. Jedoch seien die gemessenen Mengen so gering, dass auch ein täglicher Konsum der belasteten Flüssigkeiten kein Gesundheitsrisiko für Erwachsene oder Kinder darstelle . 3. Mikroplastik Für etwaige Gesundheitsschäden durch den (Wieder-)Gebrauch von Pfandflaschen kommen weiterhin Mikroplastikpartikel in Betracht. Die Erforschung von Mikroplastik ist ein verhältnismäßig junges Forschungsgebiet, sodass bisher keine abschließende Definition von Mikroplastik existiert .11 Gemeinhin werden jedoch Plastikstücke, welche kleiner als fünf Millimeter sind, als Mikroplastik bezeichnet.12 Grundsätzlich wird zwischen primärem und sekundärem Mikroplastik unterschieden. Während primäres Mikroplastik bewusst hergestellt und in Produkten wie Peelings oder Zahnpasta eingesetzt wird, ist sekundäres Mikroplastik ein Zerfallsprodukt.13 Dieses entsteht durch die Fragmentierung von größeren Plastikteilen. Äußere Umwelteinflüsse, wie UV-Strahlung, mechanische Zerreibung oder Einwirkung anderer Stoffe, beanspruchen das Plastik, wodurch dieses im Zeitablauf zerteilt wird. Nach dem heutigen Wissensstand wird davon ausgegangen, dass es sich bei 11 Übersicht über die Definitionsversuche bei: Fürhacker, M. (2020) Warum eine Risikoabschätzung und Grenzwertsetzung für Mikrokunststoffe in der aquatischen Umwelt problematisch ist. Österreichische Wasser- und Abfallwirtschaft, 72 (2020), S. 362 f. 12 Umweltbundesamt (2020) Was ist Mikroplastik? Beitrag vom 21. Februar 2020, abrufbar unter: https://www.umweltbundesamt .de/service/uba-fragen/was-ist-mikroplastik. 13 Umweltbundesamt (2016) Mikroplastik. Entwicklung eines Umweltbewertungskonzepts. Erste Überlegungen zur Relevanz von synthetischen Polymeren in der Umwelt. S. 14 ff., abrufbar unter: https://www.umweltbundesamt .de/sites/default/files/medien/378/publikationen/texte_32_2016_mikroplastik_entwicklung_eines_umweltbewertungskonzeptes .pdf; zu der Risikoeinschätzung von Primärplastik: BfR (2014) Polyethylenhaltige Mikrokunststoffpartikel: Gesundheitsrisiko durch die Verwendung von Hautreinigungs- und Zahnpflegemitteln ist unwahrscheinlich. Stellungnahme Nr. 032/2014 vom 3. Januar 2014, abrufbar unter: https://www.bfr.bund.de/cm/343/polyethylenhaltige-mikrokunststoffpartikel-gesundheitsrisiko-durch-die-verwendung -von-hautreinigungs-und-zahnpflegemitteln-ist-unwahrscheinlich.pdf. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 9 - 3000 - 064/21 Seite 7 dem in der Umwelt vorgefundenen Mikroplastik hauptsächlich um sekundäres Mikroplastik handelt ,14 das zu Studienzwecken in aufwendigen Verfahren gesammelt werden muss.15 Die Erforschung des Aufkommens von Mikroplastik in Lebensmitteln und damit einhergehenden gesundheitlichen Risiken befindet sich noch in der Anfangsphase. Gesicherte Aussagen hinsichtlich der Risikobewertung sind daher bislang nicht möglich.16 Dies liegt unter anderem in dem ubiquitären Vorkommens von sekundäre Mikroplastik begründet.17 Die Plastikpartikel können bereits aus der Umgebung (bspw. aus der Luft) in die Nahrungsmittel gelangen,18 sodass ein Forschungsschwerpunkt in der Entwicklung adäquater Untersuchungsmethoden besteht.19 Demnach können die aktuellen Untersuchungsergebnisse – je nach Forschungsansatz und -methode – starken Schwankungen unterliegen.20 Dennoch konnte in Studien Mikroplastik in Lebensmitteln nachgewiesen werden, sodass die hier aufgeführten Studien einen Einblick in die aktuelle Forschungslage ermöglichen.21 Singh, Tvisha. (2021) Generation of microplastics from the opening and closing of disposable plastic water bottles. Journal of Water and Health. 10.2166/wh.2021.025, abrufbar unter: https://iwaponline.com/jwh/article/doi/10.2166/wh.2021.025/81464/Generation-of-microplasticsfrom -the-opening-and. 14 BfR (2019) Mikroplastik: Fragen, Forschung und offene Fragen. Beitrag vom 5. Juni 2019, S. 1, abrufbar unter: https://www.bfr.bund.de/cm/343/mikroplastik-fakten-forschung-und-offene-fragen.pdf. 15 Sieg, H., Böhmert, L., Lampen, A. (2019) Mikroplastik in Lebensmitteln: Orale Aufnahme, Toxikologie und Risikobewertung . Umwelt + Mensch Informationsdienst 1/2019, S. 31. 16 Zu der Einordnung und Bewertung von Forschungsergebnissen zu Mikroplastik, vgl. Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (2021) Mikroplastik in Lebensmitteln. Beitrag vom 23. Februar 2021, abrufbar unter: https://www.bmu.de/themen/gesundheit-chemikalien/gesundheit-und-umwelt/lebensmittelsicherheit /verbraucherschutz/mikroplastik/. 17 MiPAq, FAQ – Mikroplastik, abrufbar unter: https://webarchiv.typo3.tum.de/TUM/wasser-mipaq/mipaq/faqmikroplastik /index.html. 18 Forschungsübersicht über das Vorkommen von Mikroplastik in der Umwelt und das entsprechende Vorkommen : MiPAq, FAQ – Mikroplastik, abrufbar unter: https://webarchiv.typo3.tum.de/TUM/wasser-mipaq/mipaq /faq-mikroplastik/index.html. 19 Sieg, H., Böhmert, L., Lampen, A. (2019) Mikroplastik in Lebensmitteln: Orale Aufnahme, Toxikologie und Risikobewertung . Umwelt + Mensch Informationsdienst 1/2019, S. 35; Braun, U. et al. (2020) Mikroplastik-Analytik. Probenahme, Probenaufbereitung und Detektionsverfahren. Stand: November 2020, abrufbar unter: https://bmbf-plastik.de/sites/default/files/2020-11/Statuspapier_Mikroplastik%20Analytik_Plastik %20in%20der%20Umwelt_2020.pdf. 20 MiPAq, FAQ – Mikroplastik, abrufbar unter: https://webarchiv.typo3.tum.de/TUM/wasser-mipaq/mipaq/faqmikroplastik /index.html. 21 Bayerisches Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (2020) Mikroplastik – ein Thema des Verbraucherschutzes , Beitrag vom 16. April 2020, abrufbar unter: https://www.lgl.bayern.de/lebensmittel/chemie /kontaminanten/mikroplastik/#lebensmitteln; EFSA (2016) Presence of microplastics and nanoplastics in food, with particular focus on seafood. EFSA Journal, Vol. 14 2016, S. 19 ff., abrufbar unter: https://efsa.onlinelibrary .wiley.com/doi/epdf/10.2903/j.efsa.2016.4501. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 9 - 3000 - 064/21 Seite 8 In dieser Studie konnte nachgewiesen werden, dass der Großteil des Mikroplastiks durch das Öffnen und Schließen der Flasche in die Flüssigkeit gelange. Durch den wiederholten Einsatz der Flasche könne es zum Abrieb von Partikeln kommen, welche dann die Mikroplastik-Konzentration in der Flüssigkeit erhöhen könnten. Schmymanski, Darena (2018) Untersuchungen von Mikroplastik in Lebensmitteln und Kosmetika . Beitrag vom 15. Januar 2018, abrufbar unter: https://www.cvua-mel.de/index.php/aktuell /138-untersuchung-von-mikroplastik-in-lebensmitteln-und-kosmetika#a21. Die Untersuchung vergleicht unterschiedliche Getränkeverpackungen miteinander. Dabei wurden neben Glas, Einweg- und Mehrweg-PET-Flaschen auch Getränkekartons in den Blick genommen . Dabei konnte in allen Verpackungsformen Mikroplastik nachgewiesen werden, wobei ein hohes Partikelaufkommen insbesondere in Mehrweg-PET-Flaschen festgestellt wurde. Dabei waren etwa 80 Prozent aller nachgewiesen Partikel dem kleinsten untersuchten Größenbereich von fünf bis 20 Mikrometer zuzuordnen. Bei der Betrachtung der Forschungsergebnisse wird von den Forschenden allerdings zu bedenken gegeben, dass Mikroplastik bereits über die Luft in jede Mahlzeit gerate und bisher noch keine negativen Effekte auf Menschen nachgewiesen werden konnten, sodass bisher keine abschließende Risikobewertung möglich sei. Weiterhin handle es sich bei dem vorgefundenen Mikroplastik nicht um solche Partikel, die mit der Schadstoffbelastung der Umwelt in Verbindung gebracht werden. Vielmehr würden Lebensmittelverpackungen unter hohen Standards hergestellt. Oßmann, B. E., Sarau, G., Holtmannspötter, H. et al. (2018) Small-sized microplastics and pigmented particles in bottled mineral water. Water Research, Vol. 141, S. 307-316. Auch in dieser Untersuchung konnte sowohl in (Einweg-)Plastikflaschen als auch in Glasflaschen Mikroplastik nachgewiesen werden. Die Forschenden konnten hierbei noch kleinere Partikel – mit einer Größe von rund einem Mikrometer – feststellen. Winkler, A., Santo, N. Ortenzi, M. A. et al. (2019) Does mechanical stress cause microplastic release from plastic water bottles? Water Research, Jg. 166, 115082. In dieser Untersuchung wurden Einweg-Plastikflaschen mechanischen Einwirkungen (bspw. Zerdrücken , Knautschen) ausgesetzt. Diese mechanische Behandlung führte nicht zu einer Steigerung des Mikroplastikanteils. Weiterhin konnten durch die mechanischen Einwirkungen keine behandlungsbedingten Risse an der Flascheninnenwand festgehalten werden, woraus geschlossen wurde, dass der gesteigerte Mikroplastikanteil nicht auf das Flaschenmaterial an sich zurückgehe . Die Forschenden vermuten, dass vielmehr der erhöhte Mikroplastikanteil auf das Öffnen und Schließen der Flasche, also auf den Deckel- und Flaschenhalsbereich, zurückzuführen sei. Mintenig, S. M., Löder, M. G. J., Primpke, S., Gerdts, G. (2019) Low numbers of microplastics detected in drinking water from ground water sources. Science of The Total Environment, Vol. 648, S. 631-635. In dieser Studie wurde nicht nur in Flaschenwasser, sondern auch in Leitungswasser Mikroplastik aufgefunden. In der Studie konnten unterschiedliche Plastiksorten in der Größe zwischen 50 und 150 Mikrometer nachgewiesen werden. Dabei wird vermutet, dass das Mikroplastik aus Werkzeugen stammt, welche bei der Wasserklärung eingesetzt werden. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 9 - 3000 - 064/21 Seite 9 Zurzeit gehen sowohl die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit, das BfR als auch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) davon aus, dass von Mikropartikeln keine gesundheitlichen Schäden für Menschen ausgehen.22 Für eine abschließende Risikoeinschätzung einer etwaigen Gesundheitsbeeinträchtigung durch Mikroplastik im Zuge der Lebensmittelaufnahme besteht bisher kein hinreichendes Forschungsbild.23 Damit die Stoffe überhaupt im Körper eine Wirkung entfalten können, müssen sie mehrere Schutzschichten überwinden, die den Körper vor der Schadstoffaufnahme schützen.24 Bisher besteht noch eine unzureichende Datenlage, sodass die Auswirkungen von Mikroplastik auf die inneren Barrieren noch nicht abschließend hinsichtlich eines bestehenden Risikos bewertet werden können.25 Nach Einschätzung des BfR ist davon auszugehen, dass Mikroplastikpartikel, die kleiner als ein Millimeter sind, vollständig über den Darm wieder ausgeschieden werden.26 Obwohl nur wenig über die Verteilung von Mikroplastik im Körper bekannt ist, hält es die WHO für wahrscheinlich, dass nur Partikel mit einer Größe unter 150 Mikrometer die Darmbarriere grundsätzlich überwinden könnten, wobei wiederum Partikel kleiner als 1,5 Mikrometer im Körper verteilt werden könnten.27 Mikroplastik sei hierbei theoretisch in mehrerer Hinsicht als Gefahrenquelle denkbar. Zum einen könnte das Mikroplastik selbst in den Körper und die Organe gelangen. Dabei gelten die Partikel jedoch weitgehend als unreaktiv, sodass deren Gefahren – ungeachtet offener Forschungsfragen – als gering eingeschätzt werden.28 Zum anderen ist denkbar, dass Zusatzstoffe, wie Weichmacher 22 BfR (2019) Mikroplastik: Fakten, Forschung und offene Fragen. Beitrag vom 5. Juni 2019, S. 5, abrufbar unter: https://www.bfr.bund.de/de/mikroplastik__fakten__forschung_und_offene_fragen-192185.html; WHO (2019) Microplastics in Drinking-Water. S. 24 ff, abrufbar unter: https://www.who.int/publications/i/item /9789241516198. 23 Schymanski, D. (2019) Mikroplastik: die Geister, die wir riefen. Journal of Consumer Protection and Food Safety 2019, S. 3; hierzu auch: Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Stephan Protschka , Berengar Elsner von Gronow, Peter Felser, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der AfD, „Die Gefahren von Mikro- und Nanoplastik in Lebensmitteln“ (Drucksacke 19/21016), Bundestagsdrucksache 19/21311 vom 28. Juli 2020, S. 4 ff., abrufbar unter: https://dserver.bundestag.de/btd/19/213/1921311.pdf. 24 Übersicht über die unterschiedlichen zu überwindenden Barrieren: Sieg, H., Böhmert, L., Lampen, A. (2019) Mikroplastik in Lebensmitteln: Orale Aufnahme, Toxikologie und Risikobewertung. Umwelt + Mensch Informationsdienst 1/2019, S. 31 (34). 25 Zu der Unsicherheit des Aufnahmeweges in den menschlichen Körper: BfR (2019) Mikroplastik: Fakten, Forschung und offene Fragen. Beitrag vom 5. Juni 2019, S. 4, abrufbar unter: https://www.bfr.bund.de/de/mikroplastik __fakten__forschung_und_offene_fragen-192185.html; übersichtlich hierzu: BfR (2019) Kleine Teile – große Wirkung? BfR2Go 2/2019, S. 7 ff. 26 BfR (2019) Mikroplastik: Fakten, Forschung und offene Fragen. Beitrag vom 5. Juni 2019, S. 4, abrufbar unter: https://www.bfr.bund.de/de/mikroplastik__fakten__forschung_und_offene_fragen-192185.html. 27 WHO (2019) Microplastics in Drinking-Water. S. 29 ff., abrufbar unter: https://www.who.int/publications/i/item /9789241516198. 28 Sieg, H., Böhmert, L., Lampen, A. (2019) Mikroplastik in Lebensmitteln: Orale Aufnahme, Toxikologie und Risikobewertung . Umwelt + Mensch Informationsdienst 1/2019, S. 33. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 9 - 3000 - 064/21 Seite 10 oder Farbstoffe, die bei der Herstellung von Plastik eingesetzt werden, im Körper freigesetzt werden . Ob dies jedoch tatsächlich der Fall ist, ist bis heute weitestgehend ungeklärt.29 Sofern Mikroplastik als Träger dieser Stoffe in Betracht kommt, bestehen rechtlich verbindliche EU-Höchstgehalte bzw. nationale Höchstgehalte für Rückstände und Kontaminanten. Bei einer Überschreitung dieser Höchstgehalte dürfen Lebensmittel nicht in den Verkehr gebracht werden.30 4. Fazit Der (Mehrfach-)Gebrauch von Einwegpfandflaschen aus PET, die nach EU-Standards ohne Weichmacher und ohne BPA hergestellt werden, gilt als gesundheitlich unbedenklich. Über die Risiken des Gebrauchs von nicht PET-Flaschen gibt es mehrere Studien. Überwiegend kommen sie zu dem Ergebnis, dass zwar bedenkliche Stoffe abgesondert werden können, dass dies aber in einem so geringen Ausmaß der Fall ist, dass gesundheitlich bedenkliche Grenzwerte nicht überschritten werden. Dementsprechend sieht auch das BfR – zumindest mit Blick auf gesundheitliche Gefahren – keinen Grund, Getränkedosen gegenüber Einwegpfandflaschen vorzuziehen. Es verweist vielmehr auf Artikel 3 Absatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 1935/2004, nach der Materialien und Gegenstände , die dazu bestimmt sind, mit Lebensmitteln in Berührung zu kommen, so hergestellt werden müssen, dass sie im Rahmen der üblichen Verwendung keine Bestandteile auf Lebensmittel in Mengen abgeben, die unter anderem dazu geeignet sind, die menschliche Gesundheit zu gefährden .31 Dieses Fazit gilt ungeachtet der Frage der Umweltverträglichkeit der jeweiligen Verpackungsmaterialien .32 *** 29 Sieg, H., Böhmert, L., Lampen, A. (2019) Mikroplastik in Lebensmitteln: Orale Aufnahme, Toxikologie und Risikobewertung . Umwelt + Mensch Informationsdienst 1/2019, S. 33. 30 Übersicht zu den Anforderungen an Lebensmittelkontaktmaterialien: EFSA, Lebensmittelkontaktmaterialien. Abrufbar unter: https://www.efsa.europa.eu/de/topics/topic/food-contact-materials; BMU (2021) Mikroplastik in Lebensmitteln. Beitrag vom 23. Februar 2021, abrufbar unter: https://www.bmu.de/themen/gesundheit-chemikalien /gesundheit-und-umwelt/lebensmittelsicherheit/verbraucherschutz/mikroplastik/. 31 Verordnung (EG) Nr. 1935/2004 vom 27. Oktober 2004, abrufbar unter: https://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/Lex UriServ.do?uri=OJ:L:2004:338:0004:0017:de:PDF. 32 Für einen Vergleich der Ökobilanz unterschiedlicher Getränkeverpackungen: Umweltbundesamt (2016) Prüfung und Aktualisierung der Ökobilanzen für Getränkeverpackungen. Nr. 19/2016, S. 80 ff. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 9 - 3000 - 064/21 Seite 11 Anhang Spezifische Migrationswerte und Beschränkungen der oben genannten Weichmacher DBP, BBP und DEHP sowie von BPA gemäß Anhang I der Verordnung (EU) Nr. 10/2011:33 Stoff Spezifischer Migrationsgrenzwert [mg/kg] Beschränkungen Phthalsäure, Dibutylester (DBP) 0,3 Nur zur Verwendung als a) Weichmacher in Mehrwegmaterialien und -gegenständen , die mit fettfreien Lebensmitteln in Berührung kommen; b) technisches Hilfsagens in Polyolefinen in Konzentrationen von bis zu 0,05 % im Enderzeugnis Phthalsäure, Benzylbutylester (BBP) 30 Nur zur Verwendung als a) Weichmacher in Mehrwegmaterialien und -gegenständen ; b) Weichmacher in Einwegmaterialien und -gegenständen , die mit fettfreien Lebensmitteln in Berührung kommen, außer Säuglingsanfangsnahrung und Folgenahrung gemäß der Richtlinie 2006/141/EG sowie Getreidebeikost und andere Beikost für Säuglinge und Kleinkinder gemäß der Richtlinie 2006/125/EG; c) technisches Hilfsagens in Konzentrationen von bis zu 0,1 % im Enderzeugnis 33 Verordnung (EU) Nr. 10/2011 vom 14. Januar 2011, abrufbar unter: https://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUri Serv.do?uri=OJ:L:2011:012:0001:0089:DE:PDF. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 9 - 3000 - 064/21 Seite 12 Phthalsäure, Bis(2-ethylhexyl )ester (DEHP) 1,5 Nur zur Verwendung als a) Weichmacher in Mehrwegmaterialien und -gegenständen , die mit fettfreien Lebensmitteln in Berührung kommen; b) technisches Hilfsagens in Konzentrationen von bis zu 0,1 % im Enderzeugnis 2,2-Bis(4-hydroxyphenyl )propan (BPA) 0,6 Nicht zu verwenden bei der Herstellung von Säuglingsflaschen aus Polycarbonat. Nicht zu verwenden bei der Herstellung von Trinkgefäßen und Flaschen, die aufgrund ihrer auslaufsicheren Ausführung für Säuglinge und Kleinkinder bestimmt sind.