© 2016 Deutscher Bundestag WD 9 - 3000 - 064/16 Regelungen zu Apothekenpreisen und zum Versandhandel von Arzneimitteln in ausgewählten EU-Ländern Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 - 064/16 Seite 2 Regelungen zu Apothekenpreisen und zum Versandhandel von Arzneimitteln in ausgewählten EU-Ländern Aktenzeichen: WD 9 - 3000 - 064/16 Abschluss der Arbeit: 3. November 2016 Fachbereich: WD 9: Gesundheit, Familie, Senioren, Frauen und Jugend Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 - 064/16 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Regelungen zum Versandhandel von Arzneimitteln im EU-Ausland 4 3. Apothekenpreisregelungen im EU-Ausland 5 3.1. Frankreich 5 3.2. Großbritannien 6 3.3. Niederlande 6 3.4. Dänemark 7 3.5. Spanien 7 3.6. Finnland 8 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 - 064/16 Seite 4 1. Einleitung Verschreibungspflichtige Arzneimittel unterliegen in Deutschland gemäß § 78 Abs. 1 und 2 Arzneimittelgesetz (AMG)1 einem einheitlichen Apothekenabgabepreis. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat am 19. Oktober 2016 entschieden, dass diese Preisbindung gegen das Unionsrecht verstößt.2 Der EuGH ist der Auffassung, die Preisbindung stelle eine nicht gerechtfertigte Beschränkung des freien Warenverkehrs im Sinne einer mengenmäßigen Einfuhrbeschränkung (Art. 34 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union - AEUV)3 dar. Vor diesem Hintergrund werden im Folgenden Regelungen zum Apothekenabgabepreis sowie zum Versandhandel von Arzneimitteln in anderen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union erläutert. 2. Regelungen zum Versandhandel von Arzneimitteln im EU-Ausland Der EuGH hat bereits im Jahr 2003 in seiner Entscheidung zur Versandapotheke DocMorris geurteilt , dass ein Verbot des Versandhandels mit rezeptfreien Medikamenten unionsrechtswidrig sei, nicht jedoch ein Verbot des Versandhandels mit rezeptpflichtigen Arzneimitteln.4 In der Folge haben auch diejenigen Mitgliedsstaaten, die den Versandhandel mit rezeptfreien Medikamenten zuvor verboten hatten, diesen erlaubt. Als bisher letzter Staat hat Österreich im Jahr 2015 den rezeptfreien Versandhandel zugelassen.5 Der Versandhandel mit rezeptpflichtigen Arzneimitteln ist hingegen nur in 7 von 28 Mitgliedsstaaten erlaubt. Neben Deutschland gehören dazu Großbritannien , die Niederlande, Dänemark, Finnland, Schweden und Estland.6 1 Gesetz über den Verkehr mit Arzneimitteln (Arzneimittelgesetz – AMG), in der Fassung vom 12.12.2005, (BGBl. I S. 3394), zuletzt geändert am 18.7.2016 (BGBl. I S. 1666), abrufbar unter: https://www.gesetze-im-internet .de/amg_1976/ (Stand: 3.11.2016). 2 Urteil vom 19.10.2016, C-148/15, abrufbar unter: http://curia.europa.eu/juris /document/document.jsf?text=&docid=184671&pageIndex=0&doclang=DE&mode=req&dir=&occ=first&part=1 (Stand: 3.11.2016). 3 Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV), in der Fassung aufgrund des am 1.12.2009 in Kraft getretenen Vertrages von Lissabon, zuletzt geändert mit Wirkung vom 1.7.2013 (ABl. EU L 112/21 vom 24.4.2012), abrufbar unter: https://dejure.org/gesetze/AEUV (Stand: 3.11.2016). 4 Urteil vom 11.12.2003, C-322/01, abrufbar unter: http://lexetius.com/2003,2688 (Stand: 3.11.1016). 5 Information des Österreichischen Bundesamtes für Sicherheit im Gesundheitswesen, abrufbar unter: http://www.basg.gv.at/news-center/news/news-detail/article/online-versand-fuer-rezeptfreie-medikamente-startet -1098/ (Stand: 3.11.2016). 6 Pressemitteilung der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA) vom 25.10.2016, abrufbar unter https://www.abda.de/pressemitteilung/drei-viertel-aller-eu-staaten-verbieten-versandhandel-mit-rezeptpflichtigen -arzneimitteln/ (Stand: 3.11.2016). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 - 064/16 Seite 5 3. Apothekenpreisregelungen im EU-Ausland Die deutsche Preisbindung betrifft den Apothekenabgabepreis, der sich aus dem Herstellerabgabepreis zuzüglich Großhandelszuschlag, Apothekenzuschlag und Mehrwertsteuer zusammensetzt . Die Apothekenpreisbindung ergibt sich aus der Tatsache, dass die Großhandels- und Apothekenzuschläge in der Arzneimittelpreisverordnung7 festgelegt sind, wodurch ein einheitlicher Apothekenabgabepreis erreicht wird. Die Zuschläge setzen sich nach den §§ 2 und 3 der Arzneimittelpreisverordnung aus einem bestimmten Prozentsatz des Herstellerpreises und einem Festbetrag zusammen. Ein Vergleich mit anderen EU-Staaten gestaltet sich schwierig, da hinsichtlich der einzelnen Komponenten des Apothekenabgabepreises oft unterschiedliche Regelungen gelten. So sind in vielen EU-Ländern die Herstellerabgabepreise gesetzlich festgelegt, nicht jedoch die darauf anfallenden Zuschläge. Die meisten Mitgliedsstaaten bestimmen ihre Arzneimittelpreise, indem sie die Herstellerabgabepreise in anderen EU-Ländern vergleichen und daraus den Durchschnittswert bilden.8 Der Großteil der vergleichenden Quellen konzentriert sich daher auf Regelungen zum Herstellerabgabepreis, während sich nur wenige Quellen mit Bestimmungen zu Apothekenabgabepreisen befassen. Letztlich lassen sich daher nur zu wenigen Ländern Aussagen hinsichtlich einer Bindung für Apothekenabgabepreise treffen. 3.1. Frankreich In Frankreich werden die Herstellerabgabepreise zwischen dem „Comité économique des produits de santé“ (CEPS) – zusammengesetzt aus Vertretern der öffentlichen Verwaltung und der gesetzlichen Kranken- und Zusatzversicherungen – und den Pharmaunternehmen ausgehandelt. Die darauf anfallenden Zuschläge für den Großhandel werden anhand einer Verordnung geregelt. Im Jahr 2012 wurde eine Marge von 6,68 Prozent für Medikamente, deren Preise unter 450 Euro liegen, festgelegt. Ab einem Preis von 450 Euro liegt die Marge bei null. Der Apothekerzuschlag setzt sich aus einer Pauschale und einer prozentualen Marge zusammen und sinkt, je teurer das Medikament ist. Der Mehrwertsteuersatz beträgt für erstattungsfähige Medikamente 2,1 Prozent, im Gegensatz zu 19 Prozent in Deutschland.9 7 Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisV), vom 14.11.1980 (BGBl. I S. 2147), zuletzt geändert am 27.3.2014 (BGBl. I S. 261), abrufbar unter: https://www.gesetze-im-internet.de/ampreisv/BJNR021470980.html (Stand: 3.11.2016). 8 Report der Europäischen Kommisssion: External reference pricing of medicinal products: simulation-based considerations for cross-country coordination, S. 21, abrufbar unter: http://ec.europa.eu/health/systems_performance _assessment/docs/erp_reimbursement_medicinal_products_en.pdf (Stand: 3.11.2016). 9 Vergleichsstudie des Zentrums für Europäischen Verbraucherschutz e.V. über Medikamentenpreise in Deutschland und Frankreich, S. 6, abrufbar unter: http://www.evz.de/fileadmin/user_upload/eu-verbraucher/PDF/Berichte /medikamenten-vergleichsstudie-DE-mit_tabelle_01.pdf (Stand: 3.11.2016). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 - 064/16 Seite 6 Bei nicht erstattungsfähigen Medikamenten werden Preise und Zuschläge vom Hersteller und Zwischenhändler frei bestimmt, wodurch es zu teilweise erheblichen Preisunterschieden zwischen den einzelnen Apotheken kommt.10 Dagegen besteht für rezeptpflichtige Arzneimittel eine Preisbindung, da die Großhandels- und Apothekerzuschläge ebenso festgelegt sind wie in Deutschland. Da jedoch der Versandhandel mit rezeptpflichtigen Arzneimitteln in Frankreich verboten ist, hat das Urteil des EuGH hinsichtlich dieser Medikamente keine Auswirkungen auf die französische Preisgestaltung. 3.2. Großbritannien Zur Kontrolle der Arzneimittelpreise finden in Großbritannien in meist fünfjährigem Abstand Verhandlungen zwischen dem Nationalen Gesundheitsdienst („National Health Service“ - NHS) und der „Association of the British Pharmaceutical Industry“ (ABPI) statt. Die dabei erzielte vertragliche Einigung, das „Pharmaceutical Price Regulatory Scheme“ (PPRS), bestimmt nur Preisobergrenzen , keine bindenden Preise.11 Die Apothekenpreise sowohl für verschreibungspflichtige als auch rezeptfreie Arzneimittel werden folgendermaßen bestimmt: Der NHS erstattet den Apotheken den Großhandelspreis abzüglich der Kostenbeteiligung des Verbrauchers und eines Großhändlerrabatts. Die Höhe des Großhändlerrabattes wird durch den NHS geschätzt und stimmt nur durchschnittlich mit den tatsächlichen Rabatten überein. Da die einzelnen Apotheken mit den Großhändlern die Rabatte frei verhandeln , erhalten sie einen Anreiz zum Abschluss günstiger Rabattverträge.12 Eine Preisbindung für Apotheken existiert in Großbritannien folglich nicht. 3.3. Niederlande In den Niederlanden besteht keine Preisbindung. Nur Höchstgrenzen für Herstellerabgabepreise sind gesetzlich geregelt.13 Die darauf anfallenden Apothekenzuschläge werden von den einzelnen 10 Vergleichsstudie des Zentrums für Europäischen Verbraucherschutz e.V. über Medikamentenpreise in Deutschland und Frankreich, S. 6, abrufbar unter: http://www.evz.de/fileadmin/user_upload/eu-verbraucher/PDF/Berichte /medikamenten-vergleichsstudie-DE-mit_tabelle_01.pdf (Stand: 3.11.2016). 11 Information des „Parliamentory Office of Science & Technology”, abrufbar unter: https://www.parliament .uk/documents/post/postpn_364_Drug_Pricing.pdf (Stand: 3.11.2016). 12 Drabinski, Thomas/Eschweiler, Jan/Schmidt, Ulrich: Preisbildung von Arzneimitteln im internationalen Vergleich , Berlin [u.a.] 2008, S. 80, vgl. auch die Übersicht in: Busse, Reinhard/Panteli, Dimitra/Henschke, Cornelia : Arzneimittelversorgung in der GKV und in 15 anderen europäischen Gesundheitssystemen, Berlin 2015, S. 43, abrufbar unter: https://www.gkv-spitzenverband.de/media/dokumente/presse/pressekonferenzen_gespraeche /2015_2/pk_20150615_arzneimittel/06_Studie_Arzneimittelversorgung_Juni_2015.pdf (Stand: 3.11.2016). 13 Zuidberg, Christel: The pharmaceutical system of the Netherlands, Wien 2010, S. 6, abrufbar unter: http://whocc.goeg.at/Literaturliste/Dokumente/BooksReports/The%20pharmaceutical%20system %20of%20the%20Netherlands_FINAL.pdf (Stand: 2.11.2016), vgl. auch die Information des Niederländischen Gesundheitsministeriums auf https://www.government.nl/topics/medicines/contents/keeping-medicinesaffordable (Stand: 3.11.2016). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 - 064/16 Seite 7 Krankenkassen mit den Apothekerverbänden ausgehandelt.14 Die Apothekenverkaufspreise sind somit abhängig von der jeweiligen Krankenkasse des Versicherten.15 3.4. Dänemark In Dänemark besteht eine Preisbindung für alle apothekenpflichtigen Medikamente. Die Großhandelspreise , also die Herstellerabgabepreise zuzüglich Großhandelszuschlag, werden von den pharmazeutischen Unternehmen frei bestimmt und für einen Zeitraum von jeweils 14 Tagen festgesetzt . Nach Ablauf dieses Zeitraums ist die Festsetzung eines neuen Preises möglich. Preisänderungen werden an die „Danish Medicines Agency“ gemeldet, die die geänderten Preise an die Apotheken weitergibt.16 Die Apothekenzuschläge für rezeptpflichtige Arzneimittel sind gesetzlich geregelt,17 sodass diese in allen Apotheken einen identischen Verkaufspreis haben. 3.5. Spanien Eine Preisbindung für rezeptpflichtige Arzneimittel existiert auch in Spanien. Die Herstellerabgabepreise werden von der Medikamentenpreiskommission („Comisión de Precios de los Medicamentos “) des Gesundheitsministeriums bestimmt.18 Die Großhandels- und Apothekenzuschläge sind festgesetzt: Die Großhandelszuschläge betragen 7,6 Prozent, die Apothekenzuschläge liegen bis zu einem Arzneimittelpreis von 91 Euro bei 26 Prozent, bei teureren Medikamenten gibt es feste Margen.19 14 Drabinski, Thomas/Eschweiler, Jan/Schmidt, Ulrich: Preisbildung von Arzneimitteln im internationalen Vergleich , Berlin [u.a.] 2008, S. 74; Busse, Reinhard/Panteli, Dimitra/Henschke, Cornelia: Arzneimittelversorgung in der GKV und in 15 anderen europäischen Gesundheitssystemen, Berlin 2015, S. 42, abrufbar unter: https://www.gkv-spitzenver-band.de/media/dokumente/presse/pressekonferenzen_gespraeche /2015_2/pk_20150615_arzneimittel/06_Studie_Arzneimittelversorgung_Juni_2015.pdf (Stand: 3.11.2016). 15 Information des Niederländischen Gesundheitsministeriums auf: https://www.government.nl/topics/medicines /question-and-answer/what-do-i-pay-for-prescription-drugs (Stand: 3.11.2016). 16 Information der „Danish Medicines Agency“, abrufbar unter: https://laegemiddelstyrelsen.dk/en/reimbursement /prices (Stand: 3.11.2016). Die Verkaufspreise von Arzneimitteln können in einer Datenbank unter http://medicinpriser.dk/?lng=2 (Stand: 3.11.2016) abgerufen werden. 17 Information der „Danish Medicines Agency“, abrufbar unter: https://laegemiddelstyrelsen.dk/en/reimbursement /prices/conversion-to-consumer-price (Stand: 3.11.2016). 18 Drabinski, Thomas/Eschweiler, Jan/Schmidt, Ulrich: Preisbildung von Arzneimitteln im internationalen Vergleich , Berlin [u.a.] 2008, S. 70. 19 Busse, Reinhard/Panteli, Dimitra/Henschke, Cornelia: Arzneimittelversorgung in der GKV und in 15 anderen europäischen Gesundheitssystemen, Berlin 2015, S. 43, abrufbar unter: https://www.gkv-spitzenverband .de/media/dokumente/presse/pressekonferenzen_gespraeche/2015_2/pk_20150615_arzneimittel/06_Studie _Arzneimittelversorgung_Juni_2015.pdf (Stand: 3.11.2016). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 - 064/16 Seite 8 3.6. Finnland Auch in Finnland besteht eine Preisbindung aufgrund feststehender Großhandels- und Apothekerzuschläge . Da alle Apotheken ihre Arzneimittel bei einem einzigen Großhändler beziehen,20 sind die Großhandelspreise für jede Apotheke identisch. Die Apothekerzuschläge sind im „Council of State Decree on the price list for drugs“ gesetzlich festgelegt.21 Ende der Bearbeitung 20 Information der „Pharma Industry Finland“, abrufbar unter: http://www.pif.fi/en/medicine/medicine-distribution (Stand: 3.11.2016). 21 Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD): Competition Issues in the Distribution of Pharmatceuticals, Finland, 2014, abrufbar unter: http://www.oecd.org/officialdocuments/publicdisplaydocmentpdf /?cote=DAF/COMP/GF/WD(2014)35&docLanguage=En (Stand: 3.11.2016).