© 2021 Deutscher Bundestag WD 9 - 3000 - 063/21 Zur Aufsicht über stationäre Pflegeeinrichtungen Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 - 063/21 Seite 2 Zur Aufsicht über stationäre Pflegeeinrichtungen Aktenzeichen: WD 9 - 3000 - 063/21 Abschluss der Arbeit: 11. Juni 2021 Fachbereich: WD 9: Gesundheit, Familie, Senioren, Frauen und Jugend Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 - 063/21 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Qualitätsprüfungen nach den §§ 114 ff. Elftes Buch Sozialgesetzbuch 5 2.1. Prüfungen 5 2.2. Ergebnis und Konsequenzen 6 2.3. Zusammenarbeit mit den Heimaufsichten der Länder 7 3. Heimaufsicht nach den Gesetzen der Länder 7 3.1. Gesetzgebungskompetenz 7 3.2. Landesrechtliche Regelungen in Baden-Württemberg, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen 8 3.2.1. Baden-Württemberg 8 3.2.2. Niedersachsen 9 3.2.3. Nordrhein-Westfalen 10 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 - 063/21 Seite 4 1. Einleitung Die Zahl der Pflegebedürftigen stieg in den vergangenen Jahren bundesweit stetig an: Im Jahr 2015 lag die Zahl der Pflegebedürftigen bei 2,86 Millionen, im Jahr 2017 bei 3,41 Millionen und im Jahr 2019 bei 4,13 Millionen.1 Die Zahl der Menschen im Alter ab 67 Jahren nahm zwischen 1990 und 2018 um 54 Prozent von 10,4 Millionen auf 15,9 Millionen zu. In den nächsten 20 Jahren wird diese Zahl voraussichtlich um weitere 5 bis 6 Millionen auf mindestens 20,9 Millionen ansteigen.2 Durch diese Alterung der Gesellschaft ist ebenso mit einer stärkeren Inanspruchnahme stationärer Pflegeleistungen zu rechnen. Für vollstationäre Pflegeeinrichtungen soll künftig ein bundeseinheitlicher Personalschlüssel vorgegeben werden. Dies hat das Bundeskabinett am 2. Juni 2021 beschlossen, am 11. Juni 2021 soll das entsprechende Gesetz vom Deutschen Bundestag verabschiedet werden. Ebenso sollen danach ab dem 1. September 2022 nur noch Pflegeeinrichtungen zur Versorgung zugelassen werden , die ihre Pflege- und Betreuungskräfte nach Tarif bezahlen.3 Diese Entwicklung wird vom Bevollmächtigten der Bundesregierung als wichtige Maßnahme zur Sicherstellung der künftigen Pflegeversorgung begrüßt4, Sozialverbände und Krankenkassen übten im Rahmen einer Öffentlichen Anhörung im Gesundheitsausschuss am 7. Juni 2021 Kritik.5 Durch die mangelnde Gegenfinanzierung sei zu befürchten, dass die Kosten letztlich die Pflegebedürftigen tragen müssten.6 Die 1 Gesundheitsberichterstattung des Bundes, Pflegebedürftige (Anzahl und Quote). Gliederungsmerkmale: Jahre, Region, Alter, Geschlecht, 2021, abrufbar unter: https://www.gbe-bund.de/gbe/pkg_isgbe 5.prc_menu_olap?p_uid=gast&p_aid=19130652&p_sprache=D&p_help=0&p_indnr=510&p_indsp=138&p_ityp =H&p_fid. Dieser Link sowie alle weiteren Links wurden zuletzt abgerufen am 11. Juni 2021. 2 Statistisches Bundesamt (Destatis), Bevölkerung im Wandel. Annahmen und Ergebnisse der 14. koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung, 2019, S. 24 ff., abrufbar unter: https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressekonferenzen /2019/Bevoelkerung/pressebroschuere-bevoelkerung.pdf;jsessionid =3D3FCA14C07C2056FF8DD6B39812E8DD.live742?__blob=publicationFile. 3 Bundesministerium für Gesundheit (BMG), Pflegereform - Altenpflege wird besser bezahlt und der Beruf attraktiver , Meldung vom 2. Juni 2021, abrufbar unter: https://www.bundesgesundheitsministerium.de/ministerium /meldungen/20202021/pflegereform.html. 4 Bevollmächtigter der Bundesregierung für Pflege, Pflegereform: Mit „Siebenmeilenstiefeln“ in die richtige Richtung !, Mitteilung vom 2. Juni 2021, abrufbar unter: https://www.pflegebevollmaechtigter.de/pressemitteilungen .html. 5 Deutscher Bundestag, Ausschuss für Gesundheit, Öffentliche Anhörungen, Heftige Kritik an der geplanten Pflegereform , abrufbar unter: https://www.bundestag.de/ausschuesse/a14/anhoerungen#url=L2F1c3NjaH- Vlc3NlL2ExNC9hbmhvZXJ1bmdlbi84NDUxMDAtODQ1MTAw&mod=mod795762. 6 Geinitz, Christian, Kritik von allen Seiten an der Pflegereform, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 2. Juni 2021, abrufbar unter: https://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/kritik-von-allen-seiten-an-der-pflegereform- 17370370.html. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 - 063/21 Seite 5 Pflegereform soll darüber hinaus auch die Weiterentwicklung bestimmter Qualitätssysteme in der stationären Versorgung befördern.7 Stationäre Pflegeeinrichtungen werden einerseits gemäß den §§ 114 ff. Elftes Buch Sozialgesetzbuch – Soziale Pflegeversicherung (SGB XI)8 nach einem Prüfauftrag der Landesverbände der Pflegekassen von dem Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK), dem Prüfdienst des Verbandes der privaten Krankenversicherung e. V. (PKV-Prüfdienst) oder durch von den Landesverbänden der Pflegekassen bestellte Sachverständige und andererseits von den landesrechtlich zuständigen Verwaltungsbehörden (Heimaufsichten) geprüft. Die Prüfungen stehen dabei gleichberechtigt nebeneinander, wobei sie sich in Einzelheiten überschneiden können.9 Der vorliegende Sachstand erläutert die Grundsätze der Prüfung nach den §§ 114 ff. SGB XI und im Rahmen der Heimaufsicht, wobei beispielhaft die Regelungen der Bundesländer Baden-Württemberg , Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen vorgestellt werden. 2. Qualitätsprüfungen nach den §§ 114 ff. Elftes Buch Sozialgesetzbuch 2.1. Prüfungen 90 Prozent der Qualitätsprüfungen in stationären Pflegeeinrichtungen führen der MDK sowie von den Landesverbänden der Pflegekassen bestellte Sachverständige durch; 10 Prozent werden durch den PKV-Prüfdienst durchgeführt. Die Landesverbände der Pflegekassen sind grundsätzlich verpflichtet, in zugelassenen Einrichtungen mindestens einmal pro Jahr eine Regelprüfung zu veranlassen (§ 114 Abs. 2 S. 1 SBG XI). Mit Hilfe der Regelprüfung soll nach § 114 Abs. 2 S. 4 SGB XI kontrolliert werden, ob die Qualitätsanforderungen des SGB XI und der auf dieser Grundlage abgeschlossenen vertraglichen Vereinbarungen erfüllt werden. Sie erfasst insbesondere wesentliche Aspekte des Pflegezustandes und die Wirksamkeit der Pflege und Betreuungsmaßnahmen als Ergebnisqualität (§ 114 Abs. 2 S. 5 SGB XI). Dazu zählen z. B. die Mobilität und Selbstversorgung, krankheits- und therapiebedingte Anforderungen, aber auch die Gestaltung des Alltagslebens und die sozialen Kontaktmöglichkeiten.10 Der Prüfung der Struktur- und Prozessqualität (unmittelbare Rahmenbedingungen der Leistungserbringung sowie Ablauf, Durchführung 7 Formulierungshilfe für Änderungsanträge zum Entwurf eines Gesetzes zur Weiterentwicklung der Gesundheitsversorgung , S. 52 und 54, abrufbar über das BMG unter: https://www.bundesgesundheitsministerium.de/fileadmin /Dateien/3_Downloads/Gesetze_und_Verordnungen/GuV/G/Pflegereform_Formulierungshilfe_Aendantraege _GVWG_Kabinett.pdf. 8 Das Elfte Buch Sozialgesetzbuch – Soziale Pflegeversicherung – (Artikel 1 des Gesetzes vom 26. Mai 1994, BGBl. I S. 1014, 1015), das zuletzt durch Artikel 5 des Gesetzes vom 3. Juni 2021 (BGBl. I S. 1309) geändert worden ist. 9 Weber, in: Udsching/Schütze, SGB XI Soziale Pflegeversicherung, 5. Auflage 2018, Vorbemerkungen zu §§ 112 bis 120 Rn. 7. 10 Medizinischer Dienst des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen e.V. (MDS)/GKV-Spitzenverband (Hrsg.), Qualitätsprüfungs-Richtlinien Transparenzvereinbarung. Grundlagen der Qualitätsprüfungen nach den §§ 114 ff. SGB XI. Teil 2 – Stationäre Pflege, 2018, Anlage 1, abrufbar unter: https://www.mds-ev.de/uploads /media/downloads/_18-04-13_QPR_Teil_2_PTVS_FIN.pdf. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 - 063/21 Seite 6 und Evaluation der Leistungserbringung) wird im Rahmen des § 114 Abs. 2 S. 6 SGB XI eine nachrangige Bedeutung zugewiesen.11 Basis der Prüfungen sind u. a.12: die Maßstäbe und Grundsätze zur Sicherung und Weiterentwicklung der Pflegequalität nach § 113 SGB XI für die vollstationäre Pflege und für die Kurzzeitpflege in der jeweils aktuellen Fassung13, die Expertenstandards nach § 113a SGB XI14, die qualitätsrelevanten Inhalte der Verträge der Pflege- und der Krankenkassen mit der jeweiligen Pflegeeinrichtung und die Rahmenverträge nach § 75 SGB XI. Findet eine Prüfung aufgrund eines konkreten Anlasses statt, geht diese in der Regel über den jeweiligen Prüfanlass hinaus und umfasst eine vollständige Prüfung mit dem Schwerpunkt der Ergebnisqualität . Weitere Regelungen zur Durchführung des Prüfungsauftrags enthält § 114a SGB XI. 2.2. Ergebnis und Konsequenzen Der MDK, der PKV-Prüfdienst sowie die von den Landesverbänden der Pflegekassen für Qualitätsprüfungen bestellten Sachverständigen haben nach § 115 Abs. 1 S. 1 SGB XI das Ergebnis der Qualitätsprüfung sowie die dabei gewonnenen Daten und Informationen den Landesverbänden der Pflegekassen, den zuständigen Trägern der Sozialhilfe, den nach heimrechtlichen Vorschriften zuständigen Aufsichtsbehörden und der betroffenen Pflegeeinrichtung zum Zwecke der Erfüllung ihrer gesetzlichen Aufgaben mitzuteilen. Soweit bei einer Prüfung Qualitätsmängel festgestellt werden, entscheiden nach § 115 Abs. 2 SGB XI die Landesverbände der Pflegekassen nach Anhörung des Trägers der Pflegeeinrichtung 11 Udsching, in: Spickhoff, SGB XI, 3. Auflage 2018, § 114 Rn. 2. 12 MDS/GKV-Spitzenverband (Hrsg.), Qualitätsprüfungs-Richtlinien Transparenzvereinbarung. Grundlagen der Qualitätsprüfungen nach den §§ 114 ff. SGB XI. Teil 2 – Stationäre Pflege, 2018, S. 11, abrufbar unter: https://www.mds-ev.de/uploads/media/downloads/_18-04-13_QPR_Teil_2_PTVS_FIN.pdf. 13 MDS, Maßstäbe und Grundsätze für die Qualität, die Qualitätssicherung und -darstellung sowie für die Entwicklung eines einrichtungsinternen Qualitätsmanagements nach § 113 SGB XI in der vollstationären Pflege vom 23. November 2018, zuletzt geändert in Anlage 3 am 30. Juli 2019, abrufbar unter: https://www.mdsev .de/fileadmin/dokumente/Publikationen/SPV/Expertenstandards_113/Pflege_Qualitaet_MuG_stationaer _190730_Gesamt.pdf; MDS. Maßstäbe und Grundsätze für die Qualität, die Qualitätssicherung und -darstellung sowie für die Entwicklung eines einrichtungsinternen Qualitätsmanagements nach § 113 SGB XI in der Kurzzeitpflege vom 8. September 2020, abrufbar unter: https://www.mds-ev.de/fileadmin/dokumente/Publikationen /SPV/Expertenstandards_113/MuG_Kurzzeitpflege_200908.pdf. 14 Deutsches Netzwerk für Qualitätsentwicklung in der Pflege (DNQP), Expertenstandard nach § 113a SGB XI. „Erhaltung und Förderung der Mobilität in der Pflege“, Aktualisierung 2020, abrufbar unter: https://www.gs-qsapflege .de/wp-content/uploads/2020/12/Expertenstandard-%E2%80%9EErhaltung-und-Fo%CC%88rderung-der- Mobilita%CC%88t-in-der-Pflege%E2%80%9C-Aktualisierung-2020.pdf. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 - 063/21 Seite 7 und der beteiligten Trägervereinigung unter Beteiligung des zuständigen Trägers der Sozialhilfe, welche Maßnahmen zu treffen sind, erteilen dem Träger der Einrichtung hierüber einen Bescheid und setzen ihm darin zugleich eine angemessene Frist zur Beseitigung der festgestellten Mängel. Werden festgestellte Mängel nicht fristgerecht beseitigt, sind die vereinbarten Pflegevergütungen für die Dauer der Pflichtverletzung entsprechend zu kürzen (§ 115 Abs. 3 SGB XI). Die Landesverbände der Pflegekassen können zudem gemeinsam den Versorgungsvertrag nach § 74 SGB XI kündigen. 2.3. Zusammenarbeit mit den Heimaufsichten der Länder Die Landesverbände der Pflegekassen, der MDK und PKV-Prüfdienst arbeiten nach § 117 SGB XI mit den nach heimrechtlichen Vorschriften zuständigen Aufsichtsbehörden der Länder bei der Zulassung und der Überprüfung der Pflegeeinrichtungen, insbesondere durch regelmäßige gegenseitige Information und Beratung wie z. B. Terminabsprachen für eine gemeinsame oder arbeitsteilige Überprüfung von Pflegeeinrichtungen oder die Verständigung über im Einzelfall notwendige Maßnahmen, eng zusammen. So werden Doppelprüfungen möglichst vermieden und die Belastung der Pflegebedürftigen und der Aufwand der Einrichtungsträger verringert.15 Die Landesverbände der Pflegekassen, der MDK und der PKV-Prüfdienst haben die Möglichkeit, mit den nach Landesrecht zuständigen Aufsichtsbehörden Modellvorhaben zu entwickeln sowie Vereinbarungen zu treffen (§ 117 Abs. 1 und 2 SGB XI). Diese sollen dem Ziel dienen, das Vorgehen bei den Qualitätsprüfungen nach dem SGB XI und nach heimrechtlichen Vorschriften besser zu koordinieren .16 3. Heimaufsicht nach den Gesetzen der Länder 3.1. Gesetzgebungskompetenz Gemäß Art. 74 Abs. 1 Nr. 7 Grundgesetz (GG)17 liegt die öffentliche Fürsorge auf dem Gebiet der konkurrierenden Gesetzgebung. Danach haben die Länder gemäß Art. 72 Abs. 1 GG die Befugnis zur Gesetzgebung, soweit der Bund von seiner Gesetzgebungszuständigkeit nicht durch Gesetz Gebrauch gemacht hat. Mit der Föderalismusreform aus dem Jahr 2006 wurde Art. 74 Abs. 1 15 Evers, in: BeckOK Sozialrecht, SGB XI, § 117 Rn.2. 16 Gesetzentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes zur Neuausrichtung der Pflegeversicherung (Pflege- Neuausrichtungs-Gesetz – PNG), Bundestags-Drucksache 17/9369 vom 23. April 2012, S. 50. Zu einem Modellprojekt siehe: MDK Baden-Württemberg, „Entbürokratisierung von externen Qualitätsprüfungen" § 117 (2) SGB XI Phase I., Projektbericht, 2014, abrufbar unter: https://sozialministerium.baden-wuerttemberg.de/fileadmin /redaktion/m-sm/intern/downloads/Downloads_Pflege/Modellprojekt-Entbuerokratisierung_Bericht_Phase- I.pdf. Zum Beispiel einer Vereinbarung siehe: Vereinbarung nach § 25 Abs. 1 S. 3 WTPG zur Zusammenarbeit zwischen dem Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Baden-Württemberg, dem Prüfdienst des Verbands der Privaten Krankenversicherung e.V., den Landesverbänden der Pflegekassen und dem Ministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familie, Frauen und Senioren Baden-Württemberg, 2015, abrufbar unter: https://sozialministerium .baden-wuerttemberg.de/fileadmin/redaktion/m-sm/intern/downloads/Downloads_Pflege/Vereinbarung _Zusammenarbeit_MDK-PK-Pfk-SM_2015.pdf. 17 Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 100-1, veröffentlichten bereinigten Fassung, das zuletzt durch Artikel 1 u. 2 Satz 2 des Gesetzes vom 29. September 2020 (BGBl. I S. 2048) geändert worden ist. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 - 063/21 Seite 8 Nr. 7 GG dahingehend ergänzt, dass nur die öffentliche Fürsorge ohne das Heimrecht erfasst ist.18 Das ordnungsrechtliche Heimrecht ist somit kein Teil der konkurrierenden Gesetzgebung mehr. Da das Heimrecht weder der konkurrierenden noch der ausschließlichen Gesetzgebungskompetenz des Bundes nach Art. 73 GG unterliegt, befindet sich die Gesetzgebungskompetenz für das Heimrecht gemäß Art. 30, 70 GG bei den Ländern. Sie alle haben inzwischen eigene Heimgesetze erlassen.19 3.2. Landesrechtliche Regelungen in Baden-Württemberg, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen Die Heimaufsichten der Bundesländer prüfen – neben der Ergebnisqualität – vorrangig die Struktur - und Prozessqualität wie die Anforderungen zum Betrieb einer Pflegeeinrichtung und die personelle Ausstattung.20 3.2.1. Baden-Württemberg Maßgebliche Rechtsgrundlage für die Heimaufsicht in Baden-Württemberg ist das Wohn-, Teilhabe - und Pflegegesetz (WTPG)21. Dieses schützt die Interessen und Bedürfnisse der Heimbewohner 22 (§ 1 WTPG). Alle stationären Einrichtungen werden nach § 17 WTPG einmal im Jahr von der unteren Heimaufsichtsbehörde (Land- und Stadtkreise) im Rahmen der Regelprüfung kontrolliert . Dabei handelt es sich um unangemeldete Heimbegehungen, die jederzeit möglich sind. Darüber hinaus können anlassbezogene Heimbegehungen stattfinden, z. B. bei Beschwerden von Bewohnern oder Angehörigen. 18 Im Gesetzgebungsverfahren wurden die Auswirkungen auf den Bereich des Heimrechts teilweise kritisch gesehen . Bedenken bestanden insbesondere hinsichtlich eines verringerten Schutzes der Bewohner wegen fehlender einheitlicher Standards sowie hinsichtlich übermäßiger Bürokratie durch eine Zersplitterung und Vervielfältigung der Regelungen innerhalb des Bundesgebietes. Siehe dazu die Sachverständigenstellungnahmen anlässlich der öffentlichen Anhörung des Rechtsausschusses des Bundestages am 2. Juli 2006. 19 Eine Übersicht über die aktuellen heimrechtlichen Regelungen bietet: Dickmann, Frank, Heimrecht, in: Covid- 19. Rechtsfragen zur Corona-Krise, Schmidt, Hubert (Hrsg.), 2020, S. 137-152. Von der Gesetzgebungskompetenz der Länder nicht erfasst sind zivilrechtliche Aspekte für die Vertragsgestaltung zur Überlassung von Wohnraum und zur Erbringung von Pflege- oder Betreuungsleistungen, welche das Wohn- und Betreuungsvertragsgesetz (WBVG) vom 29. Juli 2009 regelt. Siehe hierzu Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages, Aufsicht über besondere Wohnformen der Eingliederungshilfe, WD 6 – 3000- 049/21, Sachstand vom 7. Juni 2021, S. 5 sowie Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages, Mitwirkungsrechte in Einrichtungen des „Betreuten Wohnens“ nach dem Heimrecht des Bundes und der Länder, WD 9 - 3000 - 016/15, Ausarbeitung vom 19. März 2015, S. 8 f., abrufbar unter: https://www.bundestag.de/resource /blob/410046/4174f80437e9fde78637f627e8c84d26/WD-9-016-15-pdf-data.pdf. 20 Richter, Ronald, Die Prüflogik des Gesetzgebers: Überschneidungen und Unterschiede zwischen MDK-Prüfung und heimaufsichtlicher Überwachung, in: Gesundheit und Pflege (GuP), 2012, S. 58. 21 Verkündet als Art. 1 des Gesetzes vom 20. Mai 2014 (GBl. S.241); in Kraft getreten am 31. Mai 2014 gemäß Art. 3 Satz 1 dieses Gesetzes. 22 Aus Gründen der einfacheren Lesbarkeit wird bei Personenbezeichnungen die männliche Form gewählt. Gemeint sind immer alle Geschlechter. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 - 063/21 Seite 9 § 10 WTPG beinhaltet die konkreten Anforderungen an den Betrieb einer stationären Einrichtung . Diese darf u. a. nur betrieben werden, wenn eine angemessene Qualität der Betreuung und der Verpflegung der Bewohner gewährleistet und die Pflege entsprechend dem allgemein anerkannten Stand medizinisch-pflegerischer Erkenntnisse erbracht wird. Werden bei einer Überprüfung Mängel festgestellt, berät die zuständige Behörde nach § 21 WTPG zunächst den Träger oder den Anbieter über die Möglichkeiten zur Beseitigung der Mängel. Stellt der Betreiber eines Heims die Mängel nicht ab, so kann die zuständige Behörde u. a. die zur Beseitigung der Mängel erforderlichen Anordnungen treffen (§ 22 WTPG). Die Prüfung geschieht in enger Zusammenarbeit mit den Pflegekassen, deren Landesverbänden, dem MDK, dem PKV-Prüfdienst und den zuständigen Trägern der Sozialhilfe. Die Beteiligten informieren sich gegenseitig, koordinieren ihre Prüftätigkeit und Termine und streben Einvernehmen über Maßnahmen zur Qualitätssicherung und zur Beseitigung von Mängel an (§ 25 WTPG). 3.2.2. Niedersachsen In Niedersachsen gilt das Niedersächsische Gesetz über unterstützende Wohnformen (NuWG).23 Das NuWG verfolgt den Zweck, die Rechte von Bewohnern unterstützender Einrichtungen wie Heimen zu schützen. Diese Rechte sind insbesondere in § 1 NuWG niedergelegt. Zuständig für die Einhaltung dieser Rechte sind nach § 19 Abs. 1 Nr. 1 NuWG die Landkreise und kreisfreien Städte. Diese Heimaufsichtsbehörden führen zur Kontrolle wiederkehrende und anlassbezogene Prüfungen durch (§ 9 NuWG). Der Betreiber eines Heims muss u. a. vorweisen, dass er ein Qualitäts- und Beschwerdemanagement betreibt und sicherstellt, dass die Zahl der Beschäftigten und deren persönliche und fachliche Eignung für die zu leistende Tätigkeit ausreicht (§ 5 NuWG). Für pflegebedürftige Bewohner muss die Pflege nach dem allgemein anerkannten Stand medizinisch-pflegerischer Erkenntnisse gewährleistet und die ärztliche und gesundheitliche Betreuung der Bewohner gesichert sein (§ 5 NuWG). Werden durch die Heimaufsichtsbehörde Mängel festgestellt und stellt der Betreiber eines Heims die Mängel nicht ab, so kann die Heimaufsichtsbehörde u. a. die zur Beseitigung der Mängel erforderlichen Anordnungen treffen (§ 11 NuWG). Bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben sind die Heimaufsichtsbehörden verpflichtet, mit den Pflegekassen, deren Landesverbänden, dem MDK und dem Träger der Sozialhilfe eng zusammenzuarbeiten , sodass Doppelprüfungen vermieden werden. Im Rahmen ihrer Zusammenarbeit stimmen sie daher Inhalt, Umfang und Zeitpunkt der Prüfungen ab (§ 15 NuWG). 23 Niedersächsisches Gesetz über unterstützende Wohnformen (NuWG) vom 29. Juni 2011 (Nds. GVBl. S. 196), zuletzt geändert durch Art. 3 des Gesetzes zur Änderung niedersächsischer Rechtsvorschriften aus Anlass der COVID-19-Pandemie vom 15. Juli 2020 ( Nds. GVBl. S. 244). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 - 063/21 Seite 10 3.2.3. Nordrhein-Westfalen Maßgebliche Rechtsgrundlage für die Heimaufsicht in Nordrhein-Westfalen ist das Wohn- und Teilhabegesetz (WTG).24 Das WTG verfolgt den Zweck, die Rechte von pflegebedürftigen und älteren Menschen sowie von Menschen mit Behinderungen, die Wohn- und Betreuungsangebote nutzen, zu schützen. Diese Rechte sind insbesondere in § 1 WTG niedergelegt. Zuständig für die Einhaltung dieser Rechte sind nach § 43 WTG die Kreise und kreisfreien Städte, in deren Bezirk das Leistungsangebot erbracht wird, als Prüfbehörden. Zu den Aufgaben der WTG-Behörden gehört nach § 14 WTG insbesondere eine mindestens jährliche Kontrolle der Betreuungseinrichtungen für pflegebedürftige Menschen, bei der z. B. geprüft wird, ob alle Angebote und Leistungen dem jeweiligen Stand der fachlichen und wissenschaftlichen Erkenntnisse entsprechen, barrierefrei sind und ob die Leistungsanbieter ein Qualitätsmanagement führen (§ 4 WTG). Eine Prüfung kann darüber hinaus nach § 14 WTG anlassbezogen erfolgen, wenn Anhaltspunkte oder Beschwerden vorliegen. Wird festgestellt, dass die Anforderungen des WTG von der Pflegeeinrichtung nicht erfüllt werden , berät die Behörde den Leistungsanbieter über die Möglichkeiten zur Abstellung dieser Mängel und erlässt ggf. Anordnungen, die zur Beseitigung erforderlich sind. Darüber hinaus kann u. a. für einen bestimmten Zeitraum die Aufnahme weiterer Nutzer oder der Betrieb des Wohnund Betreuungsangebotes untersagt werden (§ 15 WTG). Bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben und zur Weiterentwicklung einer angemessenen Betreuungsqualität sind die WTG-Behörden, die Träger der Eingliederungshilfe, die Landesverbände der Pflegekassen, der MDK, der PKV-Prüfdienst sowie die zuständigen Träger der Sozialhilfe verpflichtet , zusammenzuarbeiten und sich gegenseitig zu informieren, um u. a. inhaltliche Doppelprüfungen zu vermeiden (§ 44 WTG). *** 24 Wohn- und Teilhabegesetz (WTG) vom 2. Oktober 2014 (GV. NRW. S. 625, 632), zuletzt geändert durch Art. 7 des Gesetzes zur Errichtung der Pflegekammer Nordrhein-Westfalen vom 30. Juni 2020 (GV. NRW. S. 650).