© 2016 Deutscher Bundestag WD 9 - 3000 - 061/16 Vermeidung der sog. „Doppelverbeitragung“ von Betriebsrenten aus Direktversicherungen und sonstiger Versorgungsbezüge in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung Aktueller Diskussionsstand und Reformpläne Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. 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Gesetzliche Grundlagen der Doppelverbeitragung von Renten der betrieblichen Altersversorgung in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung und betroffene Versicherte 5 2.1. Beitragspflicht zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung in der Leistungsbezugsphase 5 2.2. Beitragspflicht zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung in der Anwartschaftsphase bei Direktversicherungen 6 3. Verfassungsmäßigkeit der doppelten Verbeitragung im Beitragsrecht der gesetzlichen Krankenversicherung 8 4. Der Antrag der Fraktion DIE LINKE. „Gerechte Krankenversicherungsbeiträge für Direktversicherungen und Versorgungsbezüge – Doppelverbeitragung vermeiden“ vom 14. Oktober 2015 9 4.1. Wesentlicher Inhalt des Antrags 9 4.2. Stellungnahmen von sachverständigen Verbänden und Einzelsachverständigen zu dem Antrag anlässlich der öffentlichen Anhörung im Gesundheitsausschuss am 27. Januar 2016 10 4.2.1. Arbeitsgemeinschaft für betriebliche Altersversorgung e. V. 11 4.2.2. Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände e.V. 11 4.2.3. GKV-Spitzenverband 12 4.2.4. Deutscher Gewerkschaftsbund 13 4.2.5. Sozialverband VdK Deutschland e.V. 14 4.2.6. Sozialverband Deutschland 15 4.2.7. Stellungnahme des Einzelsachverständigen Prof. Dr. Klaus Jacobs vom Wissenschaftlichen Institut der AOK 16 4.2.8. Stellungnahme des Einzelsachverständigen Prof. Dr. Eberhard Wille 17 4.3. Die Ablehnung des Antrags der Fraktion DIE LINKE. durch den federführenden Ausschuss für Gesundheit in seiner Beschlussempfehlung vom 26. April 2016 18 4.4. Die Annahme der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Gesundheit im Plenum des Deutschen Bundestages in seiner Sitzung am 28. April 2016 20 5. Maßnahmen der Bunderegierung zur Förderung der betrieblichen Altersversorgung 22 5.1. Die Stärkung der betrieblichen Altersversorgung als Ziel des Koalitionsvertrages zwischen CDU, CSU und SPD für die 18. Legislaturperiode des Deutschen Bundestages 22 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 061/16 Seite 4 5.2. Das vom Bundesministerium der Finanzen Ende 2014 in Auftrag gegebene Forschungsvorhaben „Optimierungsmöglichkeiten bei den bestehenden steuer- und sozialversicherungsrechtlichen Förderregelungen der betrieblichen Altersversorgung“ 22 5.2.1. Forschungsgegenstand und zentrale Untersuchungsergebnisse des Gutachtens 23 5.2.2. Handlungsempfehlungen für den Gesetzgeber 25 5.2.2.1. Einführung einer gesetzlichen Zuschusspflicht des Arbeitgebers bei steuerfreier Entgeltumwandlung und eines „bAV- Abzugsbetrags“ für kleine Unternehmen 25 5.2.2.2. Verbesserung der staatlichen Arbeitnehmerförderung und Abschaffung der Doppelverbeitragung der Riester-geförderten betrieblichen Altersversorgung 27 5.3. Derzeitiger Stand des Gesetzgebungsvorhabens der Bunderegierung zur Stärkung der betrieblichen Altersversorgung 28 5.3.1. Überblick 28 5.3.2. Einführung eines neuen Betriebsrentenmodells in Form sog. reiner Beitragszusagen auf tarifrechtlicher Grundlage im Betriebsrentenrecht 29 5.3.3. Einführung eines neuen steuerlichen Fördermodells für Geringverdiener in Form eines sog. „BAV-Förderbetrags“ 30 5.3.4. Zusammenfassung und Anhebung der Höchstbeträge für steuerfreie Zahlungen an Pensionskassen, Pensionsfonds und Direktversicherungen 31 5.3.5. Schaffung neuer Anreize für den Auf- und Ausbau einer betrieblichen Altersversorgung insbesondere bei Geringverdienern im Sozialrecht 32 5.3.5.1. Abschaffung der Doppelverbeitragung der Riester-geförderten betrieblichen Altersversorgung in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung 32 5.3.5.2. Einführung eines Freibetrags für Einkommen aus einer zusätzlichen Altersvorsorge bei Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung 35 6. Literaturverzeichnis 37 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 061/16 Seite 5 1. Einleitung Gegenstand dieser Ausarbeitung ist das Problem der sog. „Doppelverbeitragung“ von Betriebsrenten aus Direktversicherungen und sonstiger Versorgungsbezüge in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung. Diese Problematik stellt sich immer dann, wenn sowohl während der Anspar - bzw. Anwartschaftsphase als auch während des späteren Leistungsbezugs Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung erhoben werden. Vor dem Hintergrund vielfältiger Gesetzesänderungen im Recht der betrieblichen Altersversorgung und im Beitragsrecht der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung seit dem Jahr 2001 geht es – auftragsgemäß – darum, zu klären, welche Versicherten von der doppelten Beitragspflicht in diesen beiden Sozialversicherungszweigen betroffen sind und welche Gesetzesinitiativen bislang entwickeltet worden sind, um doppelte Beitragszahlungen zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung aus Direktversicherungen und sonstigen Versorgungsbezügen im Rahmen der betrieblichen Altersversorgung zu vermeiden. Nachfolgend werden zunächst in Form eines kurzen Überblicks die gesetzlichen Grundlagen für eine solche doppelte Erhebung von Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträgen in der betrieblichen Altersversorgung erläutert, um in diesem Zusammenhang herauszuarbeiten, welche Versicherten von der Problematik einer derartigen „Doppelverbeitragung“ betroffen sind1. Nach einem kurzen Blick auf die Verfassungsmäßigkeit der doppelten Verbeitragung von Renten der betrieblichen Altersversorgung im Beitragsrecht der gesetzlichen Krankenversicherung aus Sicht des Bundesverfassungsgerichts 2 steht sodann die Frage im Mittelpunkt, ob und gegebenenfalls welche Reformpläne zur Lösung der Problematik der „Doppelverbeitragung“ auf politischer Ebene nach derzeitigem Stand feststellbar sind3. 2. Gesetzliche Grundlagen der Doppelverbeitragung von Renten der betrieblichen Altersversorgung in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung und betroffene Versicherte 2.1. Beitragspflicht zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung in der Leistungsbezugsphase Leistungen der betrieblichen Altersversorgung und sonstige sog. Versorgungsbezüge unterliegen „als der Rente der gesetzlichen Rentenversicherung vergleichbare Einnahmen“ seit langem der Beitragspflicht in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung, soweit sie wegen einer Einschränkung der Erwerbstätigkeit oder zur Alters- oder Hinterbliebenenversorgung erzielt werden und auf eine frühere Erwerbstätigkeit des Versorgungsempfängers zurückzuführen sind. Seit Einführung der Beitragspflicht aus Versorgungsbezügen mit dem Rentenanpassungsgesetz (RAG) vom 1. Dezember 19814 zum 1. Januar 1983 hat der Gesetzgeber durch eine Vielzahl von Ände- 1 Vgl. hierzu Gliederungspunkt 2. 2 Vgl. hierzu Gliederungspunkt 3. 3 Vgl. hierzu die Gliederungspunkte 4. und 5. 4 BGBl. I S. 1205. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 061/16 Seite 6 rungen im Beitragsrecht der gesetzlichen Krankenversicherung Leistungen der betrieblichen Altersversorgung in zunehmend größerem Umfang der Beitragspflicht unterworfen und die Beitragslast der betroffenen Betriebsrentenempfänger dadurch deutlich erhöht. Von besonderer Bedeutung sind in diesem Zusammenhang die mit Wirkung vom 1. Januar 2004 durch das GKV-Modernisierungsgesetz (GMG) vom 14. November 20035 vorgenommenen Änderungen , nach denen seit diesem Zeitpunkt für Renten der betrieblichen Altersversorgung und sonstige Versorgungsbezüge – anders als nach dem bis zum 31. Dezember 2003 geltenden Recht – nicht mehr nur der halbe, sondern der volle allgemeine Beitragssatz zuzüglich des einkommensabhängigen Zusatzbeitrages gilt. Die Bemessung der Beiträge aus Betriebsrenten nach dem vollen allgemeinen Beitragssatz führte faktisch zu einer Verdoppelung der von versicherungspflichtigen und freiwillig versicherten Rentnern aus dem Versorgungsbezug zu zahlenden Beiträge gegenüber dem bis zum 31. Dezember 2003 geltenden Recht, weil die Beiträge weiterhin allein vom Mitglied zu tragen waren bzw. sind. Folge des GMG ist darüber hinaus, dass Kapitalleistungen oder Kapitalabfindungen, die der Alters- oder Hinterbliebenenversorgung oder der Versorgung bei verminderter Erwerbstätigkeit dienen, nunmehr auch dann der Beitragspflicht in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung unterliegen, wenn eine solche Leistung bereits vor Eintritt des Versorgungsfalls vereinbart oder zugesagt worden ist. Seit dem 1. Januar 2004 ist damit jede Kapitalleistung, die als Versorgungsbezug zu werten ist, weil sie anstelle von Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen aus früherer Beschäftigung oder Tätigkeit tritt, beitragspflichtig. Versorgungsleistungen , die auf Beiträgen basieren, die der Versicherte nach Beendigung seines Arbeitsverhältnisses eingezahlt hat, gehören dagegen nicht zu den beitragspflichtigen Versorgungsbezügen. Die derzeit geltenden gesetzlichen Grundlagen für die Verbeitragung von Leistungen der betrieblichen Altersversorgung in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung sind hoch kompliziert und mit vielfältigen rechtlichen und insbesondere verfassungsrechtlichen Problemen verknüpft 6. 2.2. Beitragspflicht zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung in der Anwartschaftsphase bei Direktversicherungen Wird für die betriebliche Altersversorgung eine Lebensversicherung auf das Leben des Arbeitnehmers durch den Arbeitgeber abgeschlossen und sind der Arbeitnehmer oder seine Hinterbliebe- 5 Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Modernisierungsgesetz – GMG) vom 14. November 2003, BGBl. I, S. 2190. 6 Für eine umfassende Darstellung der gegenwärtigen Rechtslage unter Berücksichtigung der rechtshistorischen Entwicklung und der vielfältigen verfassungsrechtlichen Probleme einer Verbeitragung von Leistungen der betrieblichen Altersversorgung wird auf die im Fachbereich WD 9 der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages entstandene Ausarbeitung „Die Beitragspflicht von Leistungen der betrieblichen Altersversorgung in der Krankenversicherung der Rentner und der sozialen Pflegeversicherung – Rechtsgeschichtliche Entwicklung und aktueller Stand“ vom 24. Juli 2014 (WD 9 – 3000 – 50/14) verwiesen; abrufbar im Internet unter: https://www.bundestag.de/blob/410436/fc49cfa58378bd115d0c10bb53cf9a63/wd-9-050-14-pdf-data.pdf. Eine ausführliche Zusammenfassung dieser Ausarbeitung ist als Anlage 1 beigefügt. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 061/16 Seite 7 nen hinsichtlich der Leistungen des Versicherers ganz oder teilweise bezugsberechtigt (sog. Direktversicherung )7, können die Beiträge dazu vom Arbeitgeber oder Arbeitnehmer oder auch von beiden zusammen getragen werden. Zahlen Arbeitnehmer in dieser Anwartschaftsphase selbst in diese betriebliche Altersversorgung ein, handelt es sich häufig um Zahlungen aus dem Nettoeinkommen , das schon der Beitragspflicht zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung unterlag , also bereits verbeitragt worden ist. Wird aus dem so angesparten Vermögen in der Leistungsbezugsphase dann eine Rente gezahlt, unterliegt sie im Alter noch einmal der Beitragspflicht, sodass es zu einer Doppelverbeitragung kommt. Erst mit der stärkeren Förderung der privaten Altersvorsorge durch das Altersvermögensgesetz (AVmG) vom 26. Juni 20018 sind seit dem 1. Januar 2002 Einzahlungen der Arbeitnehmer zur betrieblichen Altersversorgung in Höhe von bis zu 4 Prozent der jeweiligen Beitragsbemessungsgrenze in der allgemeinen Rentenversicherung (2016: 2.976,00 Euro jährlich bzw. 248,00 Euro monatlich) einkommensteuerfrei und in allen Sozialversicherungszweigen – und damit auch in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung – beitragsfrei, wenn sie im Wege der (Brutto-) Entgeltumwandlung erfolgen9. Dies gilt gemäß § 14 Abs. 1 Satz 2 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV)10 nicht nur bei den Durchführungswegen Direktzusage und Unterstützungskasse11, sondern nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 Sozialversicherungsentgeltverordnung (SvEV)12 auch bei den 7 Vgl. die gesetzliche Definition der Direktversicherung in § 1b Abs. 2 Satz 1 des Gesetzes zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung (Betriebsrentengesetz – BetrAVG) vom 19. Dezember 1974 (BGBl. I S. 3610), zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes vom 21. Dezember 2015 (BGBl. I S. 2553). 8 Gesetz zur Reform der gesetzlichen Rentenversicherung und zur Förderung eines kapitalgedeckten Altersvorsorgevermögens (Altersvermögensgesetz – AVmG) vom 26. Juni 2001, BGBl. I S. 1310. 9 Betriebliche Altersversorgung liegt nach § 1 Abs. 2 Nr. 3 BetrAVG auch vor, wenn künftige Entgeltansprüche in eine wertgleiche Anwartschaft auf Versorgungsleistungen umgewandelt werden (Entgeltumwandlung). Auf die Entgeltumwandlung haben die Arbeitnehmer nach Maßgabe des § 1a Betriebsrentengesetz einen Anspruch. Nach § 1a Abs. 1 Satz 1 BetrAVG kann der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber verlangen, dass von seinen künftigen Entgeltansprüchen bis zu 4 vom Hundert der jeweiligen Beitragsbemessungsgrenze in der allgemeinen Rentenversicherung durch Entgeltumwandlung für seine betriebliche Altersversorgung verwendet werden. 10 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) – Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung – in der Fassung der Bekanntmachung vom 12. November 2009 (BGBl. I S. 3710, 3973; 2011 I S. 363, zuletzt geändert durch Art. 6 des Gesetzes vom 21. Oktober 2016 (BGBl. I S. 2372). 11 Nach § 14 Abs. 1 Satz 2 SGB IV sind Arbeitsentgelt auch Entgeltteile, die durch Entgeltumwandlung nach § 1 Abs. 2 Nr. 3 BetrAVG für betriebliche Altersversorgung in den Durchführungswegen Direktzusage oder Unterstützungskasse verwendet werden, soweit sie 4 vom Hundert der jährlichen Beitragsbemessungsgrenze der allgemeinen Rentenversicherung übersteigen. 12 Verordnung über die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung von Zuwendungen des Arbeitgebers als Arbeitsentgelt (Sozialversicherungsentgeltverordnung – SvEV) vom 21. Dezember 2006 (BGBl. I S. 3385), zuletzt geändert durch Art. 1 der Verordnung vom 18. November 2015 (BGBl. I S. 2075). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 061/16 Seite 8 Durchführungswegen Pensionskasse, Pensionsfonds und Direktversicherung13. Eine Beitragspflicht zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung kann in diesem Kontext in der Ansparphase somit erst ab einem Entgelt entstehen, das die 4 Prozent-Grenze überschreitet. Diese Regelung gilt für die arbeitnehmer- und arbeitgeberfinanzierte Altersversorgung gleichermaßen, sodass bei Ausschöpfung dieser Höchstbeträge durch eine arbeitgeberfinanzierte Altersversorgung diese für eine Entgeltumwandlung nicht mehr zur Verfügung stehen. Für den Teil der umgewandelten Entgelte, der oberhalb von 4 Prozent der jeweiligen Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung liegt, besteht in der Anwartschaftsphase die allgemeine Beitragspflicht , sodass bei einer Belastung der daraus resultierenden Versorgungsbezüge in der Leistungsbezugsphase eine Doppelverbeitragung in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung entsteht 14. 3. Verfassungsmäßigkeit der doppelten Verbeitragung im Beitragsrecht der gesetzlichen Krankenversicherung Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Beschluss vom 6. September 201015 ausdrücklich festgestellt, dass es im Beitragsrecht der gesetzlichen Krankenversicherung kein Verbot gebe, Einkommen doppelt mit Beiträgen zu belasten und hierzu wörtlich Folgendes ausgeführt:16. „Zwar hat das Bundesverfassungsgericht für das Steuerrecht den Grundsatz entwickelt, dass steuerbares Einkommen nur beim erstmaligen Zufluss beziehungsweise bei der erstmaligen Realisierung zu versteuern sei17. Für die Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung als eines Versicherungssystems gelten jedoch andere Grundsätze18. Die Beitragserhebung in der gesetzlichen Krankenversicherung ist für die pflichtversicherten Arbeitnehmer auf die berufsbezogenen Einkünfte maximal bis zur Beitragsbemessungsgrenze nach Maßgabe eines einheitlichen Tarifs beschränkt. Dem gezahlten Betrag steht der umfassende und unbegrenzte Versicherungsschutz 13 Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 Halbsatz 1 SvEV sind steuerfreie Zuwendungen an Pensionskassen, Pensionsfonds oder Direktversicherungen nach § 3 Nr. 63 Satz 1 und 2 des Einkommensteuergesetzes im Kalenderjahr bis zur Höhe von insgesamt 4 Prozent der Beitragsbemessungsgrenze in der allgemeinen Rentenversicherung dem Arbeitsentgelt nicht zuzurechnen. Dies gilt gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 Halbsatz 2 SvEV auch für darin enthaltene Beträge, die aus einer Entgeltumwandlung im Sinne des § 1 Abs. 2 Nr. 3 BetrAV stammen. 14 Zur Problematik der doppelten Erhebung von Beiträgen zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung in der betrieblichen Altersversorgung vgl. etwa Giesen, Doppelte Erhebung von Sozialversicherungsbeiträgen in der betrieblichen Altersversorgung (Erster und Zweiter Teil), in: Vierteljahresschrift für Sozialrecht (VSSR), 2005, S. 21 – 44 und 77 – 101 und jüngst Bieback, Der Streit um doppelte Beiträge für Rentner, in: Soziale Sicherheit , Zeitschrift für Arbeit und Soziales, 2016, S. 235 – 238, beigefügt als Anlage 2. 15 Bundesverfassungsgericht, 3. Kammer des Ersten Senats – BvR 739/08; abrufbar im Internet unter: https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen /DE/2010/09/rk20100906_1bvr073908.html. 16 Bundesverfassungsgericht, 3. Kammer des Ersten Senats – BvR 739/08 – Rn. 10 und 11; kritisch zu dieser Entscheidung Bieback, Der Streit um doppelte Beiträge für Rentner, in: Soziale Sicherheit (Zeitschrift), 2016, S. 235 (237 ff.), beigefügt als Anlage 2. 17 1 BvR 739/08 Rn. 10 unter Bezugnahme auf BVerfGE 105, 73 (122). 18 1 BvR 739/08 Rn. 10. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 061/16 Seite 9 der gesetzlichen Krankenversicherung ab dem ersten Tag der Mitgliedschaft gegenüber. Dieser Versicherungsschutz besteht nicht nur während des Erwerbslebens, sondern wird durch die Krankenversicherung der Rentner auch nach dem Eintritt in den Ruhestand zur Verfügung gestellt . Er wird durch Beiträge finanziert, die wiederum nach den erwerbsbezogenen Einkünften bemessen werden. Dies sind bei den Rentnern Renten und der Rente vergleichbare Einnahmen (Versorgungsbezüge). Die Frage, ob diese Versorgungsbezüge ihrerseits aus bereits mit Krankenversicherungsbeiträgen belastetem Arbeitsentgelt finanziert worden sind, ist für die Frage der Beitragspflicht in der Krankenversicherung der Rentner nicht maßgebend. Die Äquivalenz von Beitrag und Risikoabsicherung ist durch einen Beitrag auf berufsbezogene Versorgungsbezüge des Rentners nicht gestört“19. 4. Der Antrag der Fraktion DIE LINKE. „Gerechte Krankenversicherungsbeiträge für Direktversicherungen und Versorgungsbezüge – Doppelverbeitragung vermeiden“ vom 14. Oktober 2015 Mit dem Ziel, doppelte Beitragszahlungen zur gesetzlichen Krankenversicherung auf Direktversicherungen und Versorgungsbezüge im Rahmen der betrieblichen Altersversorgung zu vermeiden, brachten die Abgeordneten Harald Weinberg, Matthias W. Birkwald , Sabine Zimmermann (Zwickau), weitere Abgeordnete und die Fraktion DIE LINKE. am 14. Oktober 2015 den Entschließungsantrag „Gerechte Krankenversicherungsbeiträge für Direktversicherungen und Versorgungsbezüge – Doppelverbeitragung vermeiden“20 in den Deutschen Bundestag ein. 4.1. Wesentlicher Inhalt des Antrags Nach Auffassung der Antragsteller müssen Millionen Versicherungsnehmerinnen und Versicherungsnehmer doppelte Krankenversicherungsbeiträge auf ihre Lebens- oder Rentenversicherungen zahlen. Um den Rückgang des Sicherungsniveaus der gesetzlichen Rentenversicherung aufgrund der Begrenzung des Anstiegs des Beitragssatzes bis zum Jahr 2030 auf höchstens 22 Prozent annähernd kompensieren zu können, bestehe die Notwendigkeit einer zusätzlichen privaten und betrieblichen Vorsorge. Allerdings seien aufgrund der hohen Kostenbelastung unter anderem durch Abschluss- und Bestandsprovisionen Altersvorsorgeprodukte nicht nur ineffizient und intransparent , auch die erhofften Erträge blieben aus. Mit dem GKV-Modernisierungsgesetz sei zwar die Ungerechtigkeit, dass auf regelmäßige Zahlungen aus Lebens- und Rentenversicherungen , nicht aber auf die einmalige Auszahlung einer Kapitalabfindung Beiträge zur Krankenversicherung erhoben wurden, beseitigt worden. Die Gesetzesänderung führe allerdings seit dem Jahr 2004 bei vielen Versicherten auch dazu, dass eine vom Unternehmen zu ihren Gunsten etwa in Form einer Kapitallebensversicherung abgeschlossene Direktversicherung und die daraus resultierenden Versorgungsbezüge im Versicherungsfall auch dann zu verbeitragen seien, wenn bei den erbrachten Versicherungsbeiträgen zuvor bereits Krankenversicherungsbeiträge abzuführen gewesen seien. Die doppelten Krankenversicherungsbeiträge auf Lebens- oder Rentenversicherungen müssten auch dann gezahlt werden, wenn der Vertrag über die Betriebsrente bereits vor Inkrafttreten des GKV-Modernisierungsgesetzes am 1. Januar 2004 abgeschlossen worden sei. 19 1 BvR 739/08 Rn. 11. 20 BT-Drs. 18/6364 vom 14. Oktober 2015. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 061/16 Seite 10 Diese Doppelverbeitragung sei eine „kalte Enteignung“ durch einen ungerechtfertigten Eingriff in die finanzielle Lebensplanung der Betroffenen zu Lasten der von ihrem Gehalt abgeführten Altersvorsorge 21. Die Antragsteller forderten die Vorlage eines Gesetzentwurfs der Bundesregierung, der die doppelte Beitragszahlung auf Direktversicherungen und Versorgungsbezüge beendet. Die Beitragspflicht zur gesetzlichen Krankenversicherung bei Versorgungsbezügen dürfe nur einmal anfallen, so dass entweder auf das Einkommen in der Ansparphase oder auf die Auszahlung der Versicherungsleistungen Beiträge zu zahlen seien. Die Krankenversicherungsbeiträge seien demzufolge nachträglich zu zahlen, wenn die Beiträge für die betriebliche Altersversorgung aus nicht beitragspflichtigem Einkommen aufgebracht worden seien. Die Versicherungsleistung dürfe dagegen nicht erneut verbeitragt werden, wenn die Beiträge aus Einkommen gezahlt worden seien, für das bereits Krankenversicherungsbeiträge abgeführt worden seien. Hier müsse die Bundesregierung „endlich Gerechtigkeit“ herstellen22. Der Antrag der Fraktion DIE LINKE. auf Drucksache 18/6364 wurde im Plenum des Deutschen Bundestages am 6. November 2015 beraten und dem Ausschuss für Gesundheit zur federführenden Beratung sowie zur Mitberatung an den Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz, an den Finanzausschuss sowie an den Ausschuss für Arbeit und Soziales überwiesen23. 4.2. Stellungnahmen von sachverständigen Verbänden und Einzelsachverständigen zu dem Antrag anlässlich der öffentlichen Anhörung im Gesundheitsausschuss am 27. Januar 2016 Der Ausschuss für Gesundheit nahm die Beratung zu dem Antrag auf Drucksache 18/6364 in seiner 60. Sitzung am 2. Dezember 2015 auf und beschloss die Durchführung einer öffentlichen Anhörung , die in der 64. Sitzung am 27. Januar 2016 stattfand. An dieser öffentlichen Anhörung im Gesundheitsausschuss nahmen eine Reihe von sachverständigen Verbänden teil, darunter die Arbeitsgemeinschaft für betriebliche Altersversorgung e.V., die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände e. V., der GKV-Spitzenverband, der Deutsche Gewerkschaftsbund, der Sozialverband VdK Deutschland e. V., der Sozialverband Deutschland e. V. und als Einzelsachverständige unter anderem die Professoren Dr. Klaus Jacobs und Dr. Eberhard Wille. Die von den vorgenannten Verbänden und Einzelsachverständigen in ihren schriftlichen Stellungnahmen zur Problematik der sog. „Doppelverbeitragung“ vertretenen Positionen werden nachfolgend jeweils zusammenfassend wiedergegeben. Ergänzend wird auf die einzelnen – im Internet abrufbaren – 21 BT-Drs. 18/6364, S. 1 f. 22 BT-Drs. 1876364, S. 2 f. 23 Stenografischer Bericht der 134. Sitzung des Deutschen Bundestages am 6. November 2015, in: Deutscher Bundestag , Plenarprotokoll 18/134, S. 13132 (D) - 13133 (A) und S. 13127 (C) – 13132 (D) zu den Wortbeiträgen der Abgeordneten. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 061/16 Seite 11 Stellungnahmen und das Wortprotokoll der öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Gesundheit in seiner 64. Sitzung am 27. Januar 2016 verwiesen24. 4.2.1. Arbeitsgemeinschaft für betriebliche Altersversorgung e. V. Der Antrag der Fraktion DIE LINKE., Betriebsrenten nicht gleichzeitig in der Finanzierungs- und Leistungsphase mit Beiträgen zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung zu belasten, wurde unter anderem von der Arbeitsgemeinschaft für betriebliche Altersversorgung e.V. (aba) unterstützt25. Die Belastung von Versorgungsaufwand und Leistung mit Beiträgen zur Krankenund Pflegeversicherung verhindere eine Ausweitung der betrieblichen Altersversorgung. Das am 1. Januar 2004 in Kraft getretene GKV-Modernisierungsgesetz habe diesbezüglich zu einem „starken Fehlanreiz“ geführt, da seit diesem Zeitpunkt – anders als nach dem bis zum 31. Dezember Dezember 2003 geltenden Recht – Bezieher von Betriebsrenten auf ihre laufenden Versorgungsbezüge und Kapitalzahlungen nunmehr nicht nur den halben, sondern den vollen Beitragssatz zur Kranken- und Pflegeversicherung zu zahlen hätten. Ohne Vertrauensschutz- und Übergangsregelungen seien alle Betriebsrenten in erheblichem Umfang „gekürzt“ worden, was das Vertrauen in verlässliche Rahmenbedingungen der betrieblichen Altersversorgung stark beeinträchtigt habe. Die betriebliche Altersversorgung habe dadurch insbesondere für Gering- und Niedrigverdiener an Attraktivität verloren26. 4.2.2. Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände e.V. Die im Antrag der Bundestagsfraktion DIE LINKE. erhobene Forderung, dass bei betrieblicher Altersversorgung nur einmal Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung erhoben werden dürften , wurde in der öffentlichen Anhörung auch von der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände e. V. (BDA) befürwortet. Nach Auffassung der BDA sollten daher tatsächlich vorliegende Fälle von Doppelverbeitragungen, insbesondere im Rahmen der Riesterförderung bei betrieblicher Altersversorgung, beseitigt werden27. Allerdings sei es nicht einfach, Fälle tatsächlicher Doppelverbeitragungen zu identifizieren. So könne es zwar bei bis zum 31. Dezember 2003 24 Vgl. das Wortprotokoll der 64. Sitzung des Ausschusses für Gesundheit vom 27. Januar 2016 zu dem Antrag der Abgeordneten Harald Weinberg, Matthias W. Birkwald, Sabine Zimmermann (Zwickau), weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Gerechte Krankenversicherungsbeiträge und Versorgungsbezüge für Direktversicherungen und Versorgungsbezüge – Doppelverbeitragung vermeiden (BT-Drs. 18/6364), in: Deutscher Bundestag , Ausschuss für Gesundheit, 18. Wahlperiode, Protokoll-Nr. 18/64; abrufbar im Internet unter: https://www.bundestag.de/blob/416504/4301f50e7c8be5d0532577c4acec7e45/064_27-01-2016-data.pdf. 25 aba, Schriftliche Stellungnahme vom 21. Januar 2016, in: Deutscher Bundestag, Ausschuss für Gesundheit, Ausschussdrucksache 18(14)0152(5) S. 1; abrufbar im Internet unter: https://www.bundestag .de/blob/403584/4c5a21653f6d855166625fe45177dc6e/aba---arbeitsgemeinschaft-fuer-betriebliche-altersversorgung -e--v--data.pdf. 26 aba, Schriftliche Stellungnahme vom 21. Januar 2016, in: Deutscher Bundestag, Ausschuss für Gesundheit, Ausschussdrucksache 18(14)0152(5), S. 2 f. 27 BDA, Schriftliche Stellungnahme vom 21. Januar 2016, in: Deutscher Bundestag, Ausschuss für Gesundheit, Ausschussdrucksache 18(14)0152(3), S. 1; abrufbar im Internet unter: https://www.bundestag .de/blob/403120/ecd188e5e929082b2df088475f9efe7b/bundesvereinigung-der-deutschen-arbeitgeberverbaende --bda--data.pdf. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 061/16 Seite 12 abgeschlossenen Direktversicherungsverträgen zu einer solchen doppelten Verbeitragung in der Anwartschafts- und Leistungsphase kommen, dies sei aber „eher ausnahmsweise als regelmäßig“ der Fall. Belastbare quantitative Daten, wie viele Verträge von doppelten Beitragszahlungen zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung betroffen seien, stünden nicht zur Verfügung. Abschließend wies die BDA in ihrer Stellungnahme darauf hin, dass eine Reform des derzeit geltenden Rechts angesichts der oft jahrzehntelang zurückliegenden Zeiträume, um die es gehe, gesetzgeberisch schwierig umsetzbar sei, da bereits erfolgte Doppelverbeitragungen kaum rückabgewickelt werden könnten. Hinzu komme, dass eine solche – zudem mit Kosten verbundene – gesetzliche Maßnahme lediglich zu einer Verbesserung der Situation bei den „Altfällen“ führen würde ohne einen Beitrag zur weiteren künftigen Verbreitung der betrieblichen Altersvorsorge zu leisten 28. 4.2.3. GKV-Spitzenverband Auch nach Einschätzung des GKV-Spitzenverbandes sind Doppelverbeitragungen bei Versorgungsbezügen selten. Sie könnten zwar angesichts der bestehenden gesetzlichen Rahmenbedingungen nicht gänzlich ausgeschlossen werden, seien jedoch angesichts der geringen Menge „eher zu vernachlässigen“29. Zu einer „Doppelverbeitragung“ könne es in den Fällen kommen, in denen Arbeitnehmer über den maximalen Entgeltumwandlungsbetrag in Höhe von bis zu 4 Prozent der Beitragsbemessungsgrenze der allgemeinen Rentenversicherung hinaus den Aufbau einer kapitalgedeckten betrieblichen Altersversorgung betrieben. Die in der Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zur Rolle der betrieblichen Altersversorgung im Drei-Säulen-Modell vom 2. April 2015 auf der Grundlage der vom Statistischen Bundesamt zur Verfügung gestellten Informationen30 legten jedoch den Schluss nahe, dass diese Problematik „eher theoretischer Natur“ sei. Im Jahr 2010 habe der durchschnittliche Betrag der Entgeltumwandlung in den alten Bundesländern einschließlich Berlin bei jährlich 1.389 Euro bzw. bei 1.004 Euro in den neuen Bundesländern gelegen, während die Arbeitnehmer im Jahr 2010 für ihre betriebliche Altersversorgung jährlich bis zu 2.640 Euro hätten einsetzen können31. Eine „Doppelverbeitragung“ dergestalt, dass sowohl während der Ansparphase einer betrieblichen Altersversorgung als auch während des späteren Leistungsbezugs Beiträge erhoben würden, sei deshalb auf „wenige atypische Sachverhaltskonstellationen“ beschränkt. So sei denkbar, dass sich Arbeitnehmer aus bereits verbeitragtem Arbeitsentgelt (Nettoarbeitsentgelt) an dem Aufbau einer betrieblichen Altersversorgung beteiligt hätten. Erkenntnisse darüber, ob und in welchem 28 BDA, Schriftliche Stellungnahme vom 21. Januar 2016, in: Deutscher Bundestag, Ausschuss für Gesundheit, Ausschussdrucksache 18(14)0152(3), S. 2. 29 GKV-Spitzenverband, Schriftliche Stellungnahme vom 21. Januar 2016, in: Deutscher Bundestag, Ausschuss für Gesundheit, Ausschussdrucksache 18(14)0152(4), S. 2 ; abrufbar im Internet unter: https://www.bundestag .de/blob/403128/1b5e4b61def9ecc363f3fea47bb39373/gkv-spitzenverband-data.pdf. 30 Vgl. die Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Markus Kurth, Brigitte Pothmer , Corinna Rüffer, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – BT-Drs. 18/4364 – Die Rolle der betrieblichen Altersversorgung im Drei-Säulen-Modell, in: BT-Drs. 18/4542 vom 2. April 2015, S. 11. 31 GKV-Spitzenverband, Schriftliche Stellungnahme vom 21. Januar 2016, in: Deutscher Bundestag, Ausschuss für Gesundheit, Ausschussdrucksache 18(14)0152(4), S. 3. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 061/16 Seite 13 Umfang diese angesichts der bestehenden gesetzlichen Rahmenbedingungen „eher unwahrscheinliche Variante“ in der Praxis anzutreffen sei, lägen dem GKV-Spitzenverband nicht vor. Insgesamt sei daher auch festzustellen, dass die Einnahmeausfälle der Krankenversicherung, die aus einer gesetzlichen Anpassung im Sinne des Antrags der Fraktion DIE LINKE. resultieren würden , nicht beziffert werden könnten32. Darüber hinaus betonte der GKV-Spitzenverband, dass das Sozialversicherungsrecht – und damit auch das Beitragsrecht der gesetzlichen Krankenversicherung – ein Verbot der „Doppelverbeitragung “, das die Antragsteller offenbar aus dem Steuerrecht herleiteten, nicht kenne. Eine Übertragung der dort geltenden Grundsätze auf das Beitragsrecht der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung sei nicht möglich. Ein Versorgungsbezug hätte in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung – wie auch das Bundessozialgericht wiederholt entschieden habe – entsprechende Beitragspflichten zur Folge, bemessen nach dem Zahlbetrag der Leistung. Dabei sei unerheblich , wie dieser Versorgungsbezug finanziert worden ist. Die Regelungen zur Heranziehung von Renten und Versorgungsbezügen als der Rente vergleichbare Einnahmen zur Beitragspflicht bezögen sich insgesamt auf einen Begriff der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit, der wiederum allein auf die aktuell zufließenden Einkünfte abstelle. Wenn hier auf alle aktuell zufließenden Einkünfte abgestellt würde, die im Zusammenhang mit der Erwerbstätigkeit stehen, sei dies mit der Struktur der gesetzlichen Krankenversicherung vereinbar33. Sofern der Gesetzgeber der politischen Forderung des Antrags gleichwohl Rechnung tragen wolle, die nach Einschätzung des GKV-Spitzenverbandes wenigen, aber doch möglichen Fälle sog. „Doppelverbeitragung“ gesetzlich auszuschließen, sei damit – so warnte der Spitzenverband – ein nicht unerheblicher zusätzlicher Verwaltungsaufwand verbunden34. 4.2.4. Deutscher Gewerkschaftsbund Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) sprach sich in seiner Stellungnahme „gegen jede Doppelverbeitragung “ aus, da hierdurch Wertungswidersprüche zutage träten. Einerseits sollten – so der DGB – die Beschäftigten die betriebliche Altersversorgung nutzen, um sich gegen das „gewollt sinkende Rentenniveau“ in der gesetzlichen Rentenversicherung abzusichern, andererseits werde die Vorsorgeleistung durch Entgeltumwandlung wesentlich unattraktiver gemacht, wenn die Beitragsleistung aus bereits verbeitragtem Einkommen finanziert werde und die Rentenzahlung nochmals verbeitragt werde35. Nach Auffassung des DGB ist, bezogen auf Direktversicherungen und Pensionskassen, eine Gesetzesänderung an sich notwendig, problematisch sei aber, die 32 GKV-Spitzenverband, Schriftliche Stellungnahme vom 21. Januar 2016, in: Deutscher Bundestag, Ausschuss für Gesundheit, Ausschussdrucksache 18(14)0152(4), S. 4. 33 GKV-Spitzenverband, Schriftliche Stellungnahme vom 21. Januar, in: Deutscher Bundestag, Ausschuss für Gesundheit , Ausschussdrucksache 18(14)0152(4), S. 4. 34 GKV Spitzenverband, Schriftliche Stellungnahme vom 21. Januar 2016, in: Deutscher Bundestag, Ausschuss für Gesundheit, Ausschussdrucksache 18(14)0152(4), S. 4 f. 35 DGB, Schriftliche Stellungnahme vom 21. Januar 2016, in: Deutscher Bundestag, Ausschuss für Gesundheit, Ausschussdrucksache 18(14)0152(7), S. 1; abrufbar im Internet unter: https://www.bundestag .de/blob/403588/584a5e8ba34e6f1d4cc7d9db5f7e6e19/deutscher-gewerkschaftsbund--dgb--data.pdf. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 061/16 Seite 14 richtige Lösung zu finden: „Es dürfte bereits schwerfallen zu erfassen, wer und wie viele überhaupt von der Regelung betroffen sind, das erschwert die Einschätzung der Kosten einer Neuregelung .“ Zudem sei zu bedenken, dass eine gesetzliche Lösung voraussichtlich nur die zukünftigen Verbeitragungen betreffe, während die Betroffenen der letzten zwölf Jahre von einer Neuregelung nicht profitierten. Da Beiträge zur betrieblichen Altersversorgung über einen langen Zeitraum angespart würden, solle der Gesetzgeber sich jedoch nicht auf eine Lösung durch Zeitablauf verlassen36. Bei der im Antrag der Bundestagsfraktion DIE LINKE. genannten Regelung, wonach für Leistungen der betrieblichen Altersversorgung der volle Beitragssatz fällig werde, der von den Rentnern zudem allein zu tragen sei, handele es sich dagegen – so heißt es in der Stellungnahme des DGB – nicht um eine Doppelverbeitragung im strengen Wortsinn, sondern um eine Diskussion über die Höhe des zu tragenden Beitrages. Nach Auffassung des DGB sollte diesbezüglich zu der alten – vor dem Jahr 2004 geltenden – Regelung zurückgekehrt werden. Durch die Verbeitragung mit dem vollen Beitragssatz würden Rentner „übermäßig belastet“, weil der Beitrag nicht paritätisch getragen werden könne. Entgegen dem gesetzgeberischen Ziel, die betriebliche Altersversorgung auszuweiten, würde diese auf Grund des vollen Beitragssatzes unattraktiv37. 4.2.5. Sozialverband VdK Deutschland e.V. Auch der Sozialverband VdK Deutschland e.V. vertrat die Ansicht, dass doppelte Beitragszahlungen auf Direktversicherungen und Versorgungbezüge beendet werden sollten. Seien bereits während der Ansparphase Sozialversicherungsbeiträge abgeführt worden, dürften in der Leistungsphase bzw. für Kapitalabfindungen keine Krankenversicherungsbeiträge mehr fällig werden38. Besonders betroffen von der Gesetzänderung durch das GKV-Modernisierungsgesetz zum 1. Januar 2004 seien die Arbeitnehmer, die ihre Direktversicherung aus dem laufenden Gehalt entrichtet hätten und damit sowohl in der Einzahlungs- als auch der Auszahlungsphase mit der Zahlung von Sozialversicherungsbeiträgen belastet gewesen seien. Der Deutsche Bundestag habe hier die Aufgabe, die „soziale Gerechtigkeit zu wahren“. Der Sozialverband VdK Deutschland e.V. forderte daher für die – aus seiner Sicht relativ kleine – Personengruppe, die auf die Einzahlungen zur Direktversicherung bereits Sozialversicherungsbeiträge gezahlt hätten, eine Ausnahme von der Verbeitragung der Versorgungsbezüge39. 36 DGB, Schriftliche Stellungnahme vom 21. Januar 2016, in: Deutscher Bundestag, Ausschuss für Gesundheit, Ausschussdrucksache 18(14)0152(7), S. 1 f. 37 DGB, Schriftliche Stellungnahme vom 21. Januar 2016, in: Deutscher Bundestag, Ausschuss für Gesundheit, Ausschussdrucksache 18(14)0152(7), S. 3. 38 Sozialverband Vdk Deutschland e.V., Schriftliche Stellungnahme vom 21. Januar 2016, in: Deutscher Bundestag , Ausschuss für Gesundheit, Ausschussdrucksache 18(14)0152(6), S. 3; abrufbar im Internet unter: https://www.bundestag.de/blob/403586/60510e6fe468365c44b8013b5b8319a6/sozialverband-vdk-deutschlande --v--data.pdf. 39 Sozialverband VdK Deutschland e.V., Schriftliche Stellungnahme vom 21. Januar 2016, in: Deutscher Bundestag , Ausschuss für Gesundheit, Ausschussdrucksache 18(14)0152(6), S. 3. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 061/16 Seite 15 4.2.6. Sozialverband Deutschland Der Sozialverband Deutschland (SoVD) wies auf das „beitragsrechtliche Sonderopfer“ hin, das von Rentnerinnen und Rentnern mit Versorgungsbezügen verlangt werde. In Übereinstimmung mit dem Antrag der Bundestagsfraktion DIE LINKE. sieht auch der SoVD hier einen „lange überfälligen gesetzgeberischen Korrekturbedarf“. Das grundlegende Problem liegt aus Sicht des SoVD jedoch nicht in der sog. Doppelverbeitragung der Direktversicherungen und Versorgungsbezüge, sondern vielmehr auf der Ebene der Beitragshöhe und der Beitragstragung40. Zur Begründung seiner Auffassung macht der SoVD in seiner Stellungnahme zunächst geltend, dass es in der gesetzlichen Krankenversicherung – anders als im Steuerrecht – „grundsätzlich kein Verbot der sog. Doppelverbeitragung“ gebe. Der im Steuerrecht maßgebliche Gedanke, eine sog. Doppelversteuerung zu vermeiden, könne nicht problemlos auf das Beitragskonzept der gesetzlichen Krankenversicherung übertragen werden. Im Beitragsrecht würden auch andere Einnahmen „doppelt“ verbeitragt, wie z. B. die Rente der gesetzlichen Rentenversicherung. Die Finanzierung erfolge aus dem bereits verbeitragten Einkommen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer , in der späteren Leistungsphase der gesetzlichen Rente würden dann aber erneut Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung erhoben. Gäbe es ein Verbot der sog. Doppelverbeitragung , müsste auch die gesetzliche Rente in der Leistungsphase von der Verbeitragung freigestellt werden41. Dass den Rentnerinnen und Rentnern mit Versorgungsbezügen aufgrund der speziellen Belastungen auf der Ebene der Beitragshöhe und der Beitragstragung ein beitragsrechtliches „Sonderopfer “ auferlegt werde, zeige ein Vergleich mit der gesetzlichen Rente, bei der die Rentenversicherung die Hälfte des allgemeinen Krankenkassenbeitragssatzes übernehme. Eine solche Entlastung gebe es für die gesetzlich krankenversicherten Empfängerinnen und Empfänger von Versorgungsbezügen nicht. Bis zum Inkrafttreten des GKV-Modernisierungsgesetzes zum 1. Januar 2004 hätten pflichtversicherte Rentnerinnen und Rentner bei der Bemessung der Beiträge aus Versorgungsbezügen nur die Hälfte des jeweils geltenden allgemeinen Beitragssatzes der Krankenkasse zahlen müssen, seither jedoch den vollen allgemeinen Beitragssatz, den sie zudem in vollem Umfang allein zu tragen hätten. Dieses beitragsrechtliche „Sonderopfer“ werde auch nicht durch die Beitragsfreiheit in Höhe von bis zu 4 Prozent der Beitragsbemessungsgrenze der allgemeinen Rentenversicherung in der Ansparphase kompensiert. Nach Ansicht des SoVD kann der jetzige „ Missstand“ durch eine Rückkehr zur hälftigen Beitragspflicht aus den Versorgungsbezügen beseitigt werden, was allerdings mit erheblichen Einnahmeverlusten auf Seiten der Gesetzlichen Krankenversicherung verbunden sei42. 40 SoVD, Schriftliche Stellungnahme vom 20. Januar 2016, in: Deutscher Bundestag, Ausschuss für Gesundheit, Ausschussdrucksache 18(14)0152(1), S. 3; abrufbar im Internet unter: https://www.bundestag .de/blob/403026/9ff33b4434176aac00fa1feb02a2dc49/sozialverband-deutschland-e--v---sovd--data.pdf. 41 SoVD, Schriftliche Stellungnahme vom 20. Januar 2016, in: Deutscher Bundestag, Ausschuss für Gesundheit, Ausschussdrucksache 18(14)0152(1), S. 3. 42 SoVD, Schriftliche Stellungnahme vom 20. Januar 2016, in: Deutscher Bundestag, Ausschuss für Gesundheit, Ausschussdrucksache 18(14)015281), S. 3 f. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 061/16 Seite 16 4.2.7. Stellungnahme des Einzelsachverständigen Prof. Dr. Klaus Jacobs vom Wissenschaftlichen Institut der AOK Der Einzelsachverständige Prof. Dr. Klaus Jacobs vom Wissenschaftlichen Institut der AOK (WIdO) beschränkte sich in seiner Stellungnahme darauf, „drei zentrale Dimensionen“ des Antrags aus einer „dezidiert ordnungspolitischen Perspektive“ der GKV zu betrachten43. Insoweit wies der Sachverständige zunächst darauf hin, dass im Antrag der Fraktion DIE LINKE. überwiegend aus der Perspektive der „Alterssicherungspolitik“ argumentiere werde. Die aktuelle Bedeutung der in Frage stehenden Regelungen zur doppelten Verbeitragung von Renten der betrieblichen Altersversorgung bestehe – zumindest aus Sicht der Antragstellerin – offenbar darin, dass diese Regelungen vor dem Hintergrund des sog. Drei-Säulen-Modells“ der Alterssicherung insbesondere im Hinblick auf die Attraktivität der betrieblichen Altersversorgung zunehmend als problematisch angesehen würden. Die Finanzierung der GKV, die vor allem den Zielen der Stabilität , Nachhaltigkeit und Gerechtigkeit im Hinblick auf den Krankenversicherungsschutz Rechnung zu tragen habe, sei aber ein „denkbar ungeeigneter Anknüpfungspunkt“ zur Kompensation von – tatsächlichen oder vermeintlichen – Defiziten in der Alterssicherungspolitik. Wolle man die Attraktivität der betrieblichen Altersversorgung erhöhen, um – zusammen mit dem Sicherungsniveau der gesetzlichen Rentenversicherung – für den Großteil der Arbeitnehmer ein insgesamt als ausreichend empfundenes Gesamtsicherungsniveau im Alter zu erreichen, dürfe dies jedenfalls nicht zu Lasten der Finanzstabilität der gesetzlichen Krankenversicherung geschehen44. Aus ordnungspolitischer Perspektive sei darüber hinaus zu bedenken, dass bei der Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung das Solidarprinzip maßgeblich sei, demzufolge Krankenkassenbeiträge nach der ökonomischen Leistungsfähigkeit des Versicherten zu bemessen seien. Dies bedeute, dass die aktuell bezogenen Brutto-Erwerbs- und Erwerbsersatzeinkommen bis zur Beitragsbemessungsgrenze verbeitragt würden. Bei der Beitragserhebung und -bemessung in der gesetzlichen Krankenversicherung gebe es derzeit jedoch eine Reihe von „Inkonsistenzen“ und „Ungerechtigkeiten“, sofern eine gleiche bzw. vergleichbare ökonomische Leistungsfähigkeit von Versicherten ungleich behandelt werde. „Dazu zählt auch, wenn Leistungen aus der betrieblichen Direktversicherung beitragsfrei sind, soweit ein Arbeitnehmer die Versicherung nach seinem Ausscheiden aus dem Betrieb privat als Versicherungsnehmer fortgeführt hat, aber beitragspflichtig , wenn die Versicherung nach dem Ausscheiden des Arbeitnehmers formal weiter über die betriebliche Pensionskasse geführt worden ist, denn die ökonomische Leistungsfähigkeit unterscheidet sich in diesen beiden Fällen nicht“45. 43 Jacobs, Klaus, Schriftliche Stellungnahme vom 26. Januar 2016, in: Deutscher Bundestag, Ausschuss für Gesundheit , Ausschussdrucksache 18(14)0152(11), S. 1; abrufbar im Internet unter: https://www.bundestag .de/blob/403832/1909c61e4122e0515b88fea8ce442ba4/prof--dr--klaus-jacobs-data.pdf. 44 Jacobs, Klaus, Schriftliche Stellungnahme vom 26. Januar 2016, in: Deutscher Bundestag, Ausschuss für Gesundheit , Ausschussdrucksache 18(14)0152(11), S. 1 f. 45 Jacobs, Klaus, Schriftliche Stellungnahme vom 26. Januar 2016, in: Deutscher Bundestag, Ausschuss für Gesundheit , Ausschussdrucksache 18(14)0152(11), S. 2. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 061/16 Seite 17 Abschließend wies Prof. Dr. Klaus Jacobs darauf hin, dass die in dem Antrag der Fraktion DIE LINKE. thematisierte Frage der Verbeitragung von Leistungen aus Direktversicherungen im Rahmen der betrieblichen Alterssicherung insgesamt nur einen „kleinen Ausschnitt“ aus einem „sehr viel größeren Gesamtspektrum von Inkonsistenzen bei den bestehenden Beitragsregularien“ der gesetzlichen Krankenversicherung betreffe. Zu prüfen sei. wie die „ökonomische Leistungsfähigkeit “ der Versicherten als Grundlage der Beitragsbemessung im Hinblick auf eine stabile, nachhaltige und gerechte Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung zeitgemäß „operationalisiert “ werden könnte. Nicht sicher sei, ob damit eine „konsistente Revision“ der bestehenden Beitragsregularien erreicht werden könne. Ein umfassender Leistungskatalog könne vor dem Hintergrund der Kosten der gesetzlichen Krankenversicherung nur dann in Zukunft „einigermaßen beitragssatzstabil finanziert werden, wenn die Beitragsgrundlagen der Versicherten im Sinne eines erweiterten Verständnisses von „ökonomischer Leistungsfähigkeit“ tendenziell ausgeweitet und nicht etwa eingeschränkt, wie in dem Antrag gefordert46. 4.2.8. Stellungnahme des Einzelsachverständigen Prof. Dr. Eberhard Wille Der Einzelsachverständige Prof. Dr. Eberhard Wille beschränkte sich in seiner schriftlichen Stellungnahme auf eine Beurteilung der Doppelverbeitragung unter „zeitlich horizontalen und vertikalen Aspekten“47. Die im Antrag der Fraktion DIE LINKE. erhobene Forderung nach einer Beseitigung der Doppelverbeitragung in der gesetzlichen Krankenversicherung erscheine bei „isolierter Betrachtung der Problematik“ zwar „nachvollziehbar“ und bei den hierzu im Antrag unterbreiteten Vorschlägen handele es sich insoweit um „zielkonforme Maßnahmen“. Es stelle sich in diesem Zusammenhang jedoch die Frage, ob und inwieweit sie auch im Vergleich zu anderen Regelungen in das System der Beitragsgestaltung passten und welche „intertemporalen Effekte“ sie entfalteten. In Übereinstimmung mit den diesbezüglichen Ausführungen in den Stellungnahmen der BDA48, des GKV-Spitzenverbandes49 und des DGB50 wies auch Prof. Dr. Eberhard Wille insoweit zunächst darauf hin, dass „keine belastbare Datenbasis“ über die Zahl der von der Doppelverbeitragung betroffenen Versicherten und ihrer finanziellen Belastung existiere und sich deshalb auch die Beitragsausfälle im Falle einer Abschaffung der Doppelverbeitragung kaum abschätzen ließen . Sofern diese Mindereinnahmen quantitativ ins Gewicht fallen sollten, beträfen diese die heutigen Beitragszahler. Diese seien aber wegen der demografischen Entwicklung bereits mit einem größeren Solidarbeitrag für die heute älteren Versicherten belastet als die vorangegangene 46 Jacobs, Klaus, Schriftliche Stellungnahme vom 26. Januar 2016, in: Deutscher Bundestag, Ausschuss für Gesundheit , Ausschussdrucksache 18(14)0152(11), S. 3. 47 Wille, Eberhard, Schriftliche Stellungnahme vom 24. Januar 2016, in: Deutscher Bundestag, Ausschuss für Gesundheit , Ausschussdrucksache 18(14)0152(8), S. 2 f.; abrufbar im Internet unter: https://www.bundestag .de/blob/403590/1869f33a9046e4709b9076a734658c46/esv-prof--dr--eberhard-wille-data.pdf. 48 Vgl. hierzu die Stellungnahme der BDA oben unter Gliederungspunkt 4.3.2. 49 Vgl. hierzu die Stellungnahme des GKV-Spitzenverbandes oben unter Gliederungspunkt 4.3.3. 50 Vgl. hierzu die Stellungnahme des DGB oben unter Gliederungspunkt 4.3.4. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 061/16 Seite 18 Generation. Dies gelte vor allem für jene Versicherten, die sich schon vor Inkrafttreten des Betriebsrentengesetzes an der Finanzierung der betrieblichen Altersversorgung beteiligt hätten. Zudem erhielten diese Versicherten heute und zukünftig infolge des medizinischen Fortschritts eine spürbar qualifiziertere Gesundheitsversorgung51. Ebenso wie der GKV-Spitzenverband52 machte auch der Einzelsachverständige Prof. Dr. Eberhard Wille darauf aufmerksam, dass sich die Beitragsbemessungsgrundlage in der gesetzlichen Krankenversicherung an der Leistungsfähigkeit orientiere, die der Versicherte gemessen an seinen beitragspflichtigen Einnahmen „zum Zeitpunkt der Verbeitragung“ besitze. „Die Beitragsgestaltung stellt damit ausschließlich auf eine zeitlich horizontale Betrachtung der Leistungsfähigkeit ab und fragt nicht nach dem Zustandekommen dieser Einnahmen in der Vergangenheit“. Die Beseitigung der Doppelverbeitragung passe deshalb nicht in das geltende System der Beitragsgestaltung . Sie berge zudem die Gefahr einer Präjudizierung hinsichtlich anderer Einkunftsarten. Darüber hinaus sei aber auch zu berücksichtigen, dass auch die Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung , die in der Leistungsphase der Verbeitragung unterlägen, in ihrer Entstehungsphase aus Bruttoarbeitsentgelten stammten, die in die Beitragsbemessungsgrundlage der Krankenversicherungsbeiträge eingingen. Insofern sei es „äußerst problematisch“, die im Antrag angesprochenen Versorgungsbezüge gegenüber Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung zu bevorzugen . Hinzu kämen erhebliche Umsetzungsprobleme53. 4.3. Die Ablehnung des Antrags der Fraktion DIE LINKE. durch den federführenden Ausschuss für Gesundheit in seiner Beschlussempfehlung vom 26. April 2016 Der Ausschuss für Gesundheit setze seine Beratungen zu dem Antrag auf Drucksache 18/6364 in seiner 71. Sitzung am 13. April 2016 fort und schloss sie ab. Als Ergebnis dieser Beratungen empfahl der Ausschuss mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktion DIE LINKE. bei Stimmenthaltung der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN dem Plenum des Deutschen Bundestages, den Antrag auf Drucksache 18/6364 abzulehnen54. Nach der Beschlussempfehlung und dem Bericht des Ausschusses für Gesundheit haben die Fraktionen ihr jeweiliges Votum im Wesentlichen wie folgt begründet: 51 Wille, Eberhard, Schriftliche Stellungnahme vom 24. Januar 2016, in: Deutscher Bundestag, Ausschuss für Gesundheit , Ausschussdrucksache 18(14)0152(8), S. 2. 52 Vgl. hierzu die Stellungnahme des GKV-Spitzenverbandes oben unter Gliederungspunkt 4.3.3. 53 Wille, Eberhard, Schriftliche Stellungnahme vom 24. Januar 2016, in: Deutscher Bundestag, Ausschuss für Gesundheit , Ausschussdrucksache 18(14)0152(8), S. 3. 54 Auch der Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz, der Finanzausschuss und der Ausschuss für Arbeit und Soziales als mitberatende Ausschüsse beschlossen jeweils mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktion DIE LINKE. bei Stimmenthaltung der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN, dem Plenum des Deutschen Bundestages die Ablehnung des Antrags auf Drucksache 18/6364 zu empfehlen ; vgl. die Beschlussempfehlung und den Bericht des Ausschusses für Gesundheit zu dem Antrag der Abgeordneten Harald Weinberg, Matthias W. Birkwald, Sabine Zimmermann (Zwickau), weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. (BT-Drs. 18/6364), in: BT-Drs. 18/8222 vom 26. April 2016, S. 1 f und 3 f. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 061/16 Seite 19 Die Fraktion der CDU/CSU lehnte den Antrag der Fraktion DIE LINKE. zwar ab, machte in den Ausschussberatungen aber deutlich, dass man vor dem Hintergrund des demografischen Wandels und des anhaltend niedrigen Zinsniveaus über die künftige Gestaltung der Altersvorsorge nachdenke . Die gesetzliche Krankenversicherung sei allerdings kein geeigneter Anknüpfungspunkt zur Lösung dieser Problematik. Im Hinblick auf die sog. „Doppelverbeitragung“ von Renten der betrieblichen Altersversorgung bestehe kein rechtlicher Handlungsbedarf, da das Beitragsrecht der gesetzlichen Krankenversicherung – wie auch das Bundesverfassungsgericht mehrfach festgestellt habe – nicht danach frage, wann die beitragspflichtigen Einnahmen entstanden seien, sondern allein auf Zeitpunkt der Verbeitragung abstelle55. Die Fraktion der SPD vertrat die Auffassung, dass man bei dem Thema der „Doppelverbeitragung “ zwischen der politischen und rechtlichen Ebene unterscheiden müsse. Auf rechtlicher Ebene sei bei den Beitragssätzen und der Doppelverbeitragung kein Unrecht erkennbar. In diesem Sinne entsprächen auch gerichtliche Entscheidungen nicht dem Antrag der Fraktion DIE LINKE. Deshalb lehne man den Antrag ab. Die SPD habe es mitgetragen, dass die Beitragssätze in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung durch gesetzliche Maßnahmen stabilisiert worden seien. Unter politischen Vorzeichen sehe man bei der Doppelverbeitragung aber durchaus einen Handlungsbedarf56. Die Fraktion DIE LINKE. führte in den Ausschussberatungen aus, dass sie das sog. „Drei-Säulen- Modell“ der Alterssicherung aus gesetzlicher Rente, Riesterrente und betrieblicher Altersversorgung als gescheitert ansehe. Mit dem GKV-Modernisierungsgesetz sei zwar die Ungerechtigkeit beseitigt worden, bei einem vertraglich vereinbarten Kapitalwahlrecht Krankenversicherungsbeiträge auf Versicherungsleistungen zu umgehen. Die Neuregelung habe seit dem Jahre 2004 aber zu der „neuen Ungerechtigkeit“ einer doppelten Verbeitragung geführt, wenn die in der Ansparphase erbrachten Versicherungsbeiträge aus Einkommen gezahlt worden seien, für das zuvor bereits Krankenversicherungsbeiträge hätten abgeführt werden müssen. Dies führe nicht selten dazu, dass die Netto-Auszahlung niedriger ausfalle als die Summe der eingezahlten Versicherungsbeiträge . Die Versicherungsleistung dürfe nicht erneut verbeitragt werden, wenn die Beiträge aus Einkommen gezahlt worden seien, für das das bereits Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung erhoben worden seien57. Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN räumte ein, dass der Antrag ein wichtiges Problem aufwerfe . Gleichwohl werde man sich enthalten, da der Ansatz des Antrages insofern unzulänglich sei, als versucht werde, ein rentenpolitisches Problem mit den Mitteln des Krankenversicherungsrechts zu lösen. Es bestehe allerdings Handlungsbedarf, weil die völlig unterschiedliche 55 Vgl. die Beschlussempfehlung und den Bericht des Ausschusses für Gesundheit zu dem Antrag auf Drucksache 18/6364, in: BT-Drs. 18/8222 vom 26. April 2016, S. 4. 56 Vgl. die Beschlussempfehlung und den Bericht des Ausschusses für Gesundheit zu dem Antrag auf Drucksache 18/6364, in: BT-Drs. 18/8222 vom 26. April 2016, S. 4. 57 Vgl. die Beschlussempfehlung und den Bericht des Ausschusses für Gesundheit zu dem Antrag auf Drucksache 18/6364, in: BT-Drs. 18/8222 vom 26. April 2016, S. 4 f. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 061/16 Seite 20 beitragsrechtliche Behandlung von beispielsweise Kapitalerträgen und Versorgungsbezügen „Akzeptanzprobleme “ aufwerfe58. 4.4. Die Annahme der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Gesundheit im Plenum des Deutschen Bundestages in seiner Sitzung am 28. April 2016 Die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Gesundheit zu dem Antrag der Fraktion DIE LINKE. mit dem Titel“ Gerechte Krankenversicherungsbeiträge für Direktversicherungen und Versorgungsbezüge – Doppelverbeitragung vermeiden“59 wurde im Plenum des Deutschen Bundestages am 28. April 2016 beraten und mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der Fraktion DIE LINKE. bei Enthaltung von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN angenommen 60. In dieser Plenardebatte äußerten sich die Abgeordneten Maria Michalk, Erich Irlstorfer, Hilde Mattheis, Matthias W. Birkwald und Markus Kurth ausweislich des Stenografischen Berichts der 167. Sitzung des Deutschen Bundestages zu dem Antrag der Fraktion DIE LINKE. für ihre jeweilige Fraktion61 im Wesentlichen wie folgt: Die Abgeordnete Maria Michalk (CDU/CSU-Fraktion) gab in der Beratung zu bedenken, eine Rückkehr zu der alten Regelung würde für die gesetzliche Krankenversicherung zu Kosten in Höhe von 2,6 Milliarden Euro führen62. Der Abgeordnete Erich Irlstorfer (CDU/CSU-Fraktion) führte aus, wenn der Gesetzgeber die Bürger dazu ermuntern wolle, privat und betrieblich für ihren Lebensabend vorzusorgen, müssten die betriebliche Altersvorsorge und die private Vorsorge attraktiver werden. Dieses Ziel könne jedoch nicht auf Kosten der heutigen und zukünftigen Beitragszahler der Krankenversicherung erreicht werden. Erforderlich seien deshalb „klare Verhältnisse “, in denen die Ausgaben der Krankenversicherung für Rentner in einem „einigermaßen vernünftigen Verhältnis“ zu deren Beitragszahlungen stünden. Eine „schwerwiegende Änderung der Gesetzeslage“ im Sinne der Bezieher von Betriebsrenten sei unrealistisch, weil „schlicht nicht auf die hohen Summen der Verbeitragung von Versorgungsbezügen“ verzichtet werden könne. Dies sei eine „harte und bittere Wahrheit“63. 58 Vgl. die Beschlussempfehlung und den Bericht des Ausschusses für Gesundheit zu dem Antrag auf Drucksache 18/6364, in: BT-Drs. 18/8222 vom 26. April 2016, S. 5. 59 BT-Drs. 18/8222. 60 Vgl. den Stenografischen Bericht der 167. Sitzung des Deutschen Bundestages am 28. April 2016, in: Deutscher Bundestag, Plenarprotokoll 18/167, S. 16474 (D). 61 Hinsichtlich der Wortbeiträge der Abgeordneten im Einzelheiten wird auf den Stenografischen Bericht der 167. Sitzung des Deutschen Bundestages am 28. April 2016 verwiesen; vgl. Deutscher Bundestag, Plenarprotokoll 18/167, S. 16467 (D) bis 16474 (D). 62 Vgl. den Stenografischen Bericht der 167. Sitzung des Deutschen Bundestages am 28. April 2016, in: Deutscher Bundestag, Plenarprotokoll 18/167, S. 16468 (C). 63 Vgl. den Stenografischen Bericht der 167. Sitzung des Deutschen Bundestages am 28. April 2016, in: Deutscher Bundestag, Plenarprotokoll 18/167, S. 16474 (D). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 061/16 Seite 21 Die Abgeordnete Hilde Mattheis (SPD-Fraktion) vertrat in der Debatte die Auffassung, die Problemlösung müsse im Bereich der Alterssicherung angesiedelt werden64. Ein schlichtes Verbot der doppelten Verbeitragung von betrieblichen Altersbezügen reiche nicht aus65. Die gesetzliche Kranken- und Pflegeversicherung sei nur im Zusammenhang mit der Einführung einer Bürgerversicherung ein geeigneter Anknüpfungspunkt für eine Lösung des Problems66. Für die Fraktion DIE LINKE. wies der Abgeordnete Matthias W. Birkwald darauf hin, anlässlich der öffentlichen Anhörung im Gesundheitsausschuss des Deutschen Bundestages hätten sich fast alle sachverständigen Verbände für eine Abschaffung der Doppelverbeitragung in der Krankenund Pflegeversicherung ausgesprochen67. Neben dem Deutschen Gewerkschaftsbund, dem Sozialverband VdK Deutschland e. V., dem Sozialverband Deutschland e. V. und der Verbraucherzentrale Bundesverband habe sogar die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände e. V. die im Antrag der Bundestagsfraktion DIE LINKE. erhobene Forderung, dass bei betrieblicher Altersversorgung nur einmal Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung erhoben werden dürften , befürwortet68. Wenn die von der Union und der SPD angekündigte Reform der betrieblichen Altersversorgung nicht vollständig unglaubwürdig starten solle, müssten die Koalitionsfraktionen dem Antrag zustimmen. Die „unfaire“ doppelte Verbeitragung von Direktversicherungen mit Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträgen müsse „dringend“ umgehend abgeschafft werden69. Der Abgeordnete Markus Kurth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) wies in der Debatte zunächst darauf hin, dass es sich bei denjenigen, die Direktversicherungen über den Arbeitgeber aus ihrem bereits verbeitragten Einkommen bezahlt hätten, um einen „besonderen Spezialfall“ handele, bei dem es tatsächlich ein Problem gebe. Es gehe dagegen nicht um eine „ganz allgemeine Doppelverbeitragung “. Wenn es hierum ginge, sei festzustellen, dass auch die Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung insofern doppelt verbeitragt würden, als die Rentenbeiträge und die Krankenversicherungsbeiträge auf das gesamte Bruttoeinkommen erhoben würden, bei Auszahlung der Rente aber gleichwohl noch der Krankenversicherungsbeitrag fällig werde70. Aus Sicht der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN müsse für die beschriebene spezielle Gruppe allerdings tatsächlich 64 Vgl. den Stenografischen Bericht der 167. Sitzung des Deutschen Bundestages am 28. April 2016, in: Deutscher Bundestag, Plenarprotokoll 18/167, S. 16470 (C). 65 Vgl. den Stenografischen Bericht der 167. Sitzung des Deutschen Bundestages am 28. April 2016, in: Deutscher Bundestag, Plenarprotokoll 18/167, S. 16470 (D). 66 Vgl. den Stenografischen Bericht der 167. Sitzung des Deutschen Bundestages am 28. April 2016, in: Deutscher Bundestag, Plenarprotokoll 18/167, S. 16471 (A). 67 Vgl. den Stenografischen Bericht der 167. Sitzung des Deutschen Bundestages am 28. April 2016, in: Deutscher Bundestag, Plenarprotokoll 18/167, S. 16469 (C). 68 Vgl. den Stenografischen Bericht der 167. Sitzung des Deutschen Bundestages am 28. April 2016, in: Deutscher Bundestag, Plenarprotokoll 18/167, S.16469 (D). 69 Vgl. den Stenografischen Bericht der 167. Sitzung des Deutschen Bundestages am 28. April 2016, in: Deutscher Bundestag, Plenarprotokoll 18/167, S. 16469 (D). 70 Vgl. den Stenografischen Bericht der 167. Sitzung des Deutschen Bundestages am 28. April 2016, in: Deutscher Bundestag, Plenarprotokoll 18/167, S. 16472 (C) und (D). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 061/16 Seite 22 eine Lösung überlegt und geprüft werden, wie sich die Beitragslast bei Direktversicherungen verringern lasse. Insoweit komme – wie etwa auch vom Sozialverband Deutschland e. V. in der öffentlichen Anhörung im Gesundheitsausschuss des Deutschen Bundestages vorgeschlagen – eine Rückkehr zu hälftigen Verbeitragung in Betracht. Allerdings müsse sichergestellt werden, dass dies nicht zu Lasten der Beitragszahlerinnen und Beitragszahler in der gesetzlichen Krankenversicherung gehe71. 5. Maßnahmen der Bunderegierung zur Förderung der betrieblichen Altersversorgung 5.1. Die Stärkung der betrieblichen Altersversorgung als Ziel des Koalitionsvertrages zwischen CDU, CSU und SPD für die 18. Legislaturperiode des Deutschen Bundestages Angesichts der Herausforderungen des demografischen Wandels setzt die Bundesregierung zur Schließung der drohenden Rentenlücke unter anderem auch auf den Ausbau der betrieblichen Altersversorgung. In dem Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD für die 18. Legislaturperiode des Deutschen Bundestages vom 16. Dezember 201372 wird hierzu festgestellt, dass die Alterssicherung im demografischen Wandel „stabiler“ stehe, wenn sie sich auf „mehrere starke Säulen“ stütze73. Vor diesem Hintergrund gibt der Koalitionsvertrag deshalb das Ziel vor, die betriebliche Altersvorsorge zu stärken74. Sie müsse auch für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Klein- und Mittelbetrieben selbstverständlich werden. Daher sollen die Voraussetzungen geschaffen werden, damit Betriebsrenten auch in kleinen Unternehmen hohe Verbreitung finden und geprüft werden, inwieweit mögliche Hemmnisse bei den kleinen und mittleren Unternehmen abgebaut werden können75. 5.2. Das vom Bundesministerium der Finanzen Ende 2014 in Auftrag gegebene Forschungsvorhaben „Optimierungsmöglichkeiten bei den bestehenden steuer- und sozialversicherungsrechtlichen Förderregelungen der betrieblichen Altersversorgung“ In Umsetzung der vorgenannten Koalitionsvereinbarung gab das Bundesministerium der Finanzen (BMF) Ende 2014 in Abstimmung mit dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) das Forschungsvorhaben „Optimierungsmöglichkeiten bei den bestehenden steuer- und sozialversicherungsrechtlichen Förderregelungen der betrieblichen Altersversorgung“ in Auftrag. 71 Vgl. den Stenografischen Bericht der 167. Sitzung des Deutschen Bundestages am 28. April 2016, in: Deutscher Bundestag, Plenarprotokoll 18/167, S. 16473 (B). 72 Deutschlands Zukunft gestalten, Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD für die 18. Legislaturperiode des Deutschen Bundestages, abrufbar im Internet unter: https://www.bundesregierung.de/Content/DE/_Anlagen /2013/2013-12-17-koalitionsvertrag.pdf. 73 Vgl. den Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD für die 18. Legislaturperiode des Deutschen Bundestages vom 16. Dezember 2013, S. 72. 74 Vgl. den Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD für die 18. Legislaturperiode des Deutschen Bundestages vom 16. Dezember 2013, S. 72. 75 Vgl. den Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD für die 18. Legislaturperiode des Deutschen Bundestages vom 16. Dezember 2013, S. 72. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 061/16 Seite 23 Mit der Erstellung des Gutachtens wurde die Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät der Julius- Maximilians-Universität Würzburg beauftragt, die den von ihr erarbeiteten Abschlussbericht zu diesem Forschungsvorhaben am 14. April 2016 in Form einer Lang- und Kurzfassung der Öffentlichkeit zugänglich machte76. 5.2.1. Forschungsgegenstand und zentrale Untersuchungsergebnisse des Gutachtens Vor dem Hintergrund einer Stagnation des Verbreitungsgrades der betrieblichen Altersversorgung bei sozialversicherungspflichtig beschäftigten Arbeitnehmern seit 2009 auf dem konstanten Niveau von derzeit ca. 60 Prozent77 geht das Gutachten der Frage nach, ob und inwieweit die geltenden steuer- und sozialversicherungsrechtlichen Rahmenbedingungen einer weiteren Verbreitung der betrieblichen Altersversorgung bei kleinen und mittleren Unternehmen sowie bei Geringverdienern entgegenstehen. Darüber hinaus wird untersucht, welche anderweitigen Faktoren für die Stagnation des Verbreitungsgrades infrage kommen und ob diese durch steuer- und sozialversicherungsrechtliche Modifikationen beseitigt werden können. Zu diesem Zweck wird in Kapitel 3 des Forschungsgutachtens zunächst eine Bestandsaufnahme der Forschungs- und Fachliteratur vorgenommen, aus der zu Beginn der Untersuchung erste Anhaltspunkte zu bestehenden Hemmnissen bei der betrieblichen Altersversorgung sowohl aus Arbeitgeber - als auch aus Arbeitnehmersicht gewonnen werden. Besondere Aufmerksamkeit galt dabei Studien, die Hemmnisse auf der Grundlage empirischer Untersuchungen ermitteln konnten . Neben den Ergebnissen der Literaturauswertung enthält Kapitel 3 des Gutachtens umfangreiche Erkenntnisse zu 13 geführten Experteninterviews, die durchgeführt wurden, um eine möglichst vollständige Erfassung potenzieller Hemmnisse bei der betrieblichen Altersversorgung zu gewährleisten. Ein zusammenfassender Überblick der in der Literaturanalyse und den Experteninterviews identifizierten Hemmnisse findet sich in Abschnitt 3.3. des Forschungsgutachtens. Die in Kapitel 3 identifizierten Hemmnisse wurden anschließend im Rahmen einer empirischen Untersuchung – dargestellt in Kapitel 4 des Gutachtens – auf ihre Praxisrelevanz untersucht. Diese empirische Untersuchung umfasste leitfadengestützte Interviews mit Arbeitgebern aus der Zielgruppe der kleinen und mittleren Unternehmen sowie der gering- bzw. niedrigverdienenden Arbeitnehmer. Von Bedeutung war diese Untersuchung vor allem für die in der Literatur postulierten Hemmnisse, die bislang noch keiner empirischen Untersuchung unterzogen wurden, was 76 Kiesewetter/Grom/Menzel/Tschinkl, Optimierungsmöglichkeiten bei den bestehenden steuer- und sozialversicherungsrechtlichen Förderregelungen der betrieblichen Altersversorgung, Gutachten im Auftrag des Bundesministeriums der Finanzen (BMF), durchgeführt von der Julius-Maximilians- Universität Würzburg, Würzburg 2016 (Langfassung); abrufbar im Internet unter: https://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Standardartikel /Themen/Steuern/Weitere_Steuerthemen/Altersvorsorge/2016-04-15-Optimierungsmoeglichkeiten- Foerderregelungen-betriebliche-Altersversorgung-Gutachten.html. Die Kurzfassung dieses Gutachtens findet sich im Internet unter: https://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Standardartikel/Themen/Steuern /Weitere_Steuerthemen/Altersvorsorge/2016-04-15-Optimierungsmoeglichkeiten-Foerderregelungen-betriebliche -Altersversorgung-Kurzfassung-Gutachten.pdf. 77 Vgl. Kiesewetter/Grom/Menzel/Tschinkl, Optimierungsmöglichkeiten bei den bestehenden steuer- und sozialversicherungsrechtlichen Förderregelungen der betrieblichen Altersversorgung, Gutachten im Auftrag des BMF (Langfassung), 2016, S. 1. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 061/16 Seite 24 hauptsächlich für die Hemmnisse zutrifft, die sich aus den steuer- und sozialversicherungsrechtlichen Rahmenbedingungen der betrieblichen Altersversorgung ergeben. Neben der Validierung der bereits identifizierten Hemmnisse sollten durch diese Interviews zudem weitere Hemmnisse identifiziert werden. Eine zusammenfassende Darstellung, welche Hemmnisse einer weiteren Verbreitung der betrieblichen Altersversorgung in den Zielgruppen der kleinen und mittleren Unternehmen sowie der gering- bzw. niedrigverdienenden Arbeitnehmer im Rahmen dieser empirischen Untersuchung identifiziert werden konnten, findet sich in Abschnitt 4.3 des Gutachtens . Auf der Grundlage der zu Beginn der Untersuchung erfolgten Analyse der maßgeblichen Fachund Forschungsliteratur sowie der durchgeführten Experten-, Arbeitgeber- und Arbeitnehmerinterviews lassen sich nach den Erkenntnissen des Forschungsgutachtens die einer weiteren Verbreitung der betrieblichen Altersversorgung in Deutschland entgegenstehenden Hemmnisse im Wesentlichen wie folgt zusammen:78 Für die Arbeitgeberseite gelangt das Gutachten insoweit zu folgenden Erkenntnissen: - geringer Kenntnisstand von Arbeitgebern in kleinen und mittleren Unternehmen zur Thematik der betrieblichen Altersversorgung - kein Hemmnis bei der Einführungsentscheidung einer betrieblichen Altersversorgung auf Grund des Steuer- und Sozialversicherungsrechts. - Einsparung von Lohnnebenkosten in Folge der Sozialversicherungsersparnis des Arbeitgebers in der Anwartschaftsphase ist kein ausreichender Anreiz für kleine und mittlere Unternehmen sein, eine betriebliche Altersversorgung aktiv anzubieten. - kein klarer Vorteil der betrieblichen Altersversorgung für Arbeitnehmer aus Sicht des Arbeitgebers Für die Seite der gering- bzw. niedrigverdienenden Arbeitnehmer werden als wichtigste Ergebnisse der Untersuchung die folgenden Aspekte genannt: - kein ausreichender finanzieller Spielraum für Gering- und Niedrigverdiener bei der betrieblichen Altersversorgung - Belastung von Leistungen aus der betrieblichen Altersversorgung in der Rentenphase mit dem vollen Beitragssatz in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung der Rentner als Hemmnis zu sehen, dessen Wahrnehmung auch über eine entsprechende Presseberichterstattung übertragen und verstärkt wird. - Nicht systemgerechte Doppelbelastung durch doppelte Verbeitragung in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung bei der Riester-geförderten betrieblichen Altersversorgung , steht einer sinnvollen Integration der Riester-Förderung in der System der betrieblichen Altersversorgung entgegen. 78 Vgl. hierzu Kiesewetter/Grom/ Menzel/Tschinkl, Optimierungsmöglichkeiten bei den bestehenden steuer- und sozialversicherungsrechtlichen Förderregelungen der betrieblichen Altersversorgung, Gutachten im Auftrag des BMF (Kurzfassung), 2016, S. 2 f. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 061/16 Seite 25 Auf der Basis der identifizierten Hemmnisse der betrieblichen Altersversorgung, die sich aus dem Literaturüberblick (Kapitel 3), den Experteninterviews (Kapitel 4) und der empirischen Untersuchung (Kapitel 4) ergeben, werden in Kapitel 5 insgesamt zehn Reformüberlegungen entwickelt , die aus Sicht der Gutachter dazu geeignet sein könnten, insbesondere die steuer- und sozialversicherungsrechtlichen Hemmnisse abzumildern bzw. zu beseitigen. In diesem Zusammenhang wird in Abschnitt 5.1.1.3. des Gutachtens auch das Problem der Doppelverbeitragung bei der Riester-geförderten betrieblichen Altersversorgung aufgegriffen und in Abschnitt 5.1.4. sodann die Abschaffung der Doppelbelastung der Arbeitnehmer mit Sozialversicherungsbeiträgen in der Anwartschafts- und Rentenphase als Reformoption zur Verbesserung der Riester-Förderung in der betrieblichen Altersversorgung ausführlich diskutiert. Um zu überprüfen, ob durch Umsetzung der entwickelten Reformüberlegungen in geltendes Recht eine weitere Verbreitung der betrieblichen Altersversorgung bei den Zielgruppen des Gutachtens erreicht werden kann, wurden die Reformüberlegungen anschließend durch zwei weitere empirische Untersuchungen auf ihre Wirksamkeit hin überprüft, die Gegenstand von Kapitel 6 des Gutachtens sind. Dies erfolgte zum einen durch Interviews mit Steuerberatern als sachkundigen und vertrauenswürdigen Beratern der Arbeitgeber und zum anderen durch Interviews mit gering- und niedrigverdienenden Arbeitnehmern. Die Reformüberlegungen konnten so auf ihre Eignung, die Verbreitung der betrieblichen Altersversorgung in den Zielgruppen des Gutachtens zu erhöhen, überprüft werden . 5.2.2. Handlungsempfehlungen für den Gesetzgeber Aus Sicht der Gutachter ergeben sich unter gesamter Abwägung der erwarteten Auswirkungen und der empirischen Untersuchungen zwei konkrete Handlungsempfehlungen für den Gesetzgeber . Diese beiden Reformoptionen haben sich nach Auffassung der Gutachter im Rahmen der empirischen Untersuchungen als besonders wirksam erwiesen, die betriebliche Altersversorgung in den Zielgruppen des Gutachtens weiter zu verbreiten, ohne erhebliche Ausgaben bzw. Einnahmeausfälle auf Seiten des Staates zu verursachen. Diese Reformempfehlungen, die ausführlich in Kapitel 7 des Gutachtens79 dargestellt werden, sollen nachfolgend kurz erläutert werden. 5.2.2.1. Einführung einer gesetzlichen Zuschusspflicht des Arbeitgebers bei steuerfreier Entgeltumwandlung und eines „bAV-Abzugsbetrags“ für kleine Unternehmen Mit der ersten Reformempfehlung80 sollen Hemmnisse bei der weiteren Verbreitung der betrieblichen Altersversorgung sowohl auf Arbeitnehmer- als auch auf Arbeitgeberseite beseitigt werden. Die Gutachter führen hierzu aus, empirische Untersuchungen im Rahmen des Gutachtens hätten gezeigt, dass die Verbeitragung von Leistungen aus der betrieblichen Altersversorgung mit dem vollen Beitragssatz der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung ein „wenn nicht immer ra- 79 Vgl. Kiesewetter/Grom/Menzel/Tschinkl, Optimierungsmöglichkeiten bei den bestehenden steuer- und sozialversicherungsrechtlichen Förderregelungen der betrieblichen Altersversorgung, Gutachten im Auftrag des BMF, 2016 ( Langfassung), S. 219 ff. 80 Vgl. hierzu im Einzelnen Kiesewetter/Grom/Menzel/Tschinkl, Optimierungsmöglichkeiten bei den bestehenden steuer- und sozialversicherungsrechtlichen Förderregelungen der betrieblichen Altersversorgung, Gutachten im Auftrag des BMF (Langfassung), 2016, S. 219 – 237. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 061/16 Seite 26 tional nachvollziehbares“, so doch „psychologisches“ Hemmnis bei der Verbreitung der betrieblichen Altersversorgung in den Zielgruppen des Gutachtens darstelle. Zugleich seien die bei der Entgeltumwandlung eingesparten Arbeitgeberbeiträge zur Sozialversicherung bei kleinen Unternehmen schon aufgrund des dort geringen Volumens kein hinreichender Anreiz für diese Arbeitgeber , sich mit der Materie der betrieblichen Altersversorgung zu befassen81. Die Gutachter empfehlen daher unter Abwägung aller Vor- und Nachteile, eine gesetzliche Verpflichtung zu einem Arbeitgeberzuschuss (Neuzusagen) bei steuerfreier Entgeltumwandlung zu schaffen82. Durch den Zuschuss werde der Arbeitnehmer vorab für seine Abgabenlast in der Leistungsphase entschädigt. Darüber hinaus würden die durch die Entgeltumwandlung reduzierten Ansprüche in der gesetzlichen Rentenversicherung kompensiert83. Zusätzlich zu dieser Fördermaßnahme für Arbeitnehmer wird die Einführung eines neuen Anreizes für kleine Unternehmen mit weniger als 20 Mitarbeitern im Jahresdurchschnitt empfohlen, da in diesen die Verbreitung der betrieblichen Altersversorgung am geringsten sei. Es soll daher ein Abzugsbetrag für Beiträge zur betrieblichen Altersversorgung („bAV-Abzugsbetrag“) im Stile des Investitionsabzugsbetrags gemäß § 7g EStG eingeführt werden84. Neben dem Betriebsausgabenabzug von Beiträgen zur betrieblichen Altersversorgung werde es kleinen Unternehmen dadurch ermöglicht, zusätzlich jährlich 50 Prozent dieser Beiträge außerbilanziell gewinnmindernd von der steuerlichen Bemessungsgrundlage abzuziehen. Der „bAV-Abzugsbetrag“ soll für Zuwendungen nach § 3 Nr. 63 Einkommensteuergesetz (EStG) an externe Versorgungsträger und unabhängig davon gewährt werden , ob es sich um arbeitgeber- oder arbeitnehmerfinanzierte Beiträge handelt85. Nach Auffassung der Gutachter sollte auch der „bAV-Abzugsbetrag“ auf Neuzusagen begrenzt werden, um Steuerausfälle erheblichen Ausmaßes zu vermeiden. 81 Vgl. Kiesewetter/Grom/Menzel/Tschinkl, Optimierungsmöglichkeiten bei den bestehenden steuer- und sozialversicherungsrechtlichen Förderregelungen der betrieblichen Altersversorgung, Gutachten im Auftrag des BMF (Langfassung), 2016, S. 219. 82 Vgl. hierzu im Einzelnen Kiesewetter/Grom/Menzel/Tschinkl, Optimierungsmöglichkeiten bei den bestehenden steuer- und sozialversicherungsrechtlichen Förderregelungen der betrieblichen Altersversorgung, Gutachten im Auftrag des BMF (Langfassung), 2016, S. 219 – 223. 83 Vgl. Kiesewetter/Grom/Menzel/Tschinkl, Optimierungsmöglichkeiten bei den bestehenden steuer- und sozialversicherungsrechtlichen Förderregelungen der betrieblichen Altersversorgung, Gutachten im Auftrag des BMF (Langfassung), 2016, S. 220. 84 Vgl. hierzu im Einzelnen Kiesewetter/Grom/ Menzel/Tschinkl, Optimierungsmöglichkeiten bei den bestehenden steuer- und sozialversicherungsrechtlichen Förderregelungen der betrieblichen Altersversorgung, Gutachten im Auftrag des BMF (Langfassung), 2016, S. 223 – 237. 85 Vgl. Kiesewetter/Grom/Menzel/Tschinkl, Optimierungsmöglichkeiten bei den bestehenden steuer- und sozialversicherungsrechtlichen Förderregelungen der betrieblichen Altersversorgung, Gutachten im Auftrag des BMF (Langfassung),2016, S. 223 f. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 061/16 Seite 27 5.2.2.2. Verbesserung der staatlichen Arbeitnehmerförderung und Abschaffung der Doppelverbeitragung der Riester-geförderten betrieblichen Altersversorgung Mit der zweiten Reformempfehlung wird vorgeschlagen, die staatliche Förderung von Geringund Niedrigverdienern im Rahmen der betrieblichen Altersversorgung zu verbessern86. Die Gutachter machen in diesem Zusammenhang geltend, eine weitere zentrale Erkenntnis ihrer empirischen Untersuchungen bestätige Aussagen aus früheren Studien, dass Gering- und Niedrigverdiener sich häufig nicht in der Lage sähen, ausreichende Mittel für die eigene Altersvorsorge aufzuwenden . Eine „großzügige fiskalische Förderung“ sei für diesen Personenkreis daher „unumgänglich “87. Hierzu werden von den Gutachtern zwei Alternativen vorgeschlagen: Soweit dies politisch gewünscht sei, komme zum einen eine verbesserte Integration der Riester- Förderung in das System der betrieblichen Altersversorgung in Betracht88. Eine verbesserte und leichter zu administrierende Riester-Förderung ermögliche eine gezielte, bedarfsorientierte Förderung von Gering- und Niedrigverdienern in der betrieblichen Altersversorgung. Die von der Kinderzahl abhängige und mit dem Sonderausgabenabzug verzahnte Zulagenförderung ermögliche eine großzügige und zielgenaue Förderung von Gering- und Niedrigverdienern. Hierzu müsse jedoch zunächst die „ökonomisch nicht zu rechtfertigende“ Doppelverbeitragung der Riester-geförderten betrieblichen Altersversorgung beseitigt werden89. Wenn Arbeitnehmer derzeit eine Riester-Förderung über das System der Betriebsrente in Anspruch nehmen wollten, gehe das nur über Entgeltbestandteile, die schon versteuert und mit Sozialversicherungsbeiträgen belastet worden seien. Werde die Riester-Rente später ausgezahlt, würden ein zweites Mal Sozialversicherungsbeiträge für die gesetzliche Kranken- und Pflegeversicherung der Rentner fällig. Die Gutachter schlagen deshalb vor, diese Doppelverbeitragung abzuschaffen. Wie bereits in der Reformüberlegung 3 ausführlich diskutiert90, biete sich als Lösung dieses Problems der Doppelverbeitragung eine reine vor- oder nachgelagerte Verbeitragung an. Falls man daran festhalten wolle, die Leistungen der betrieblichen Altersversorgung auch zukünftig einheitlich zu behandeln, seien die Beiträge zu einer Riester-geförderten Maßnahme der betrieblichen Altersversorgung in der Anwartschaftsphase sozialversicherungsfrei zu stellen und damit nachgelagert zu verbeitragen. 86 Vgl. hierzu im Einzelnen Kiesewetter/Grom/Menzel/Tschinkl, Optimierungsmöglichkeiten bei den bestehenden steuer- und sozialversicherungsrechtlichen Förderregelungen der betrieblichen Altersversorgung, Gutachten im Auftrag BMF (Langfassung), 2016, S. 238 – 254. 87 Vgl. Kiesewetter/Grom/Menzel/Tschinkl, Optimierungsmöglichkeiten bei den bestehenden steuer- und sozialversicherungsrechtlichen Förderregelungen der betrieblichen Altersversorgung, Gutachten im Auftrag des BMF (Langfassung), 2016, S. 238. 88 Vgl. hierzu im Einzelnen Kiesewetter/Grom/Menzel/Tschinkl, Optimierungsmöglichkeiten bei den bestehenden steuer- und sozialversicherungsrechtlichen Förderregelungen der betrieblichen Altersversorgung, Gutachten im Auftrag des BMF (Langfassung), 2016, S. 238 – 251. 89 Vgl. Kiesewetter/Grom/ Menzel/Tschinkl, Optimierungsmöglichkeiten bei den bestehenden steuer- und sozialversicherungsrechtlichen Förderregelungen der betrieblichen Altersversorgung, Gutachten im Auftrag des BMF (Langfassung), 2016, S. 238. 90 Vgl. hierzu Kiesewetter/Grom/ Menzel/Tschinkl, Optimierungsmöglichkeiten bei den bestehenden steuer- und sozialversicherungsrechtlichen Förderregelungen der betrieblichen Altersversorgung, Gutachten im Auftrag des BMBF (Langfassung), 2016, S. 153 – 158. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 061/16 Seite 28 Wolle man eine Riester-geförderte betriebliche Altersversorgung hingegen an die Verbeitragung der privaten Riester-Förderung angleichen, biete sich eine vorgelagerte Verbeitragung an91. Alternativ zu der verbesserten Integration der Riester-Förderung in das System der betrieblichen Altersversorgung wird von den Gutachtern mit dem sog. „bAV-Förderbetrag“ die Einführung eines neuen Fördermodells vorgeschlagen92, das eine einfachere und kostengünstigere staatliche Arbeitnehmerförderung ermögliche. Der neue „bAV-Förderbetrag“ soll der Höhe nach der Riester -Grundzulage von 154 Euro entsprechen und an Arbeitgeber gezahlt werden, die für einen Arbeitnehmer mindestens den Mindestbetrag nach § 1a Abs. 1 Satz 4 BetrAVG (in 2015: 212,63 Euro) jährlich als Arbeitgeberbeitrag in eine betriebliche Altersversorgung einzahlen. Der „bAV- Förderbetrag“ soll auf die Altersvorsorgezulage des Arbeitnehmers angerechnet werden. Das Modell des „bAV-Förderbetrags“ zeichnet sich nach Auffassung der Gutachter insbesondere durch zwei Vorteile aus. Zum einen sei es für Arbeitgeber einfach zu administrieren, da eine Abwicklung über das weitestgehend automatisierte Lohnsteuerabzugsverfahren möglich sei. Zum anderen werde der zur Erlangung der Zulage erforderliche Eigenbeitrag nicht vom Arbeitnehmer, sondern in Form eines Arbeitgeberzuschusses erbracht. Weder das Steueraufkommen noch die Einnahmen der Sozialversicherungsträger würden durch den Vorschlag merklich beeinträchtigt93. 5.3. Derzeitiger Stand des Gesetzgebungsvorhabens der Bunderegierung zur Stärkung der betrieblichen Altersversorgung 5.3.1. Überblick Anfang November 2016 haben das BMAS und das BMF den gemeinsam erarbeiteten Referentenentwurf eines Gesetzes zur Stärkung der betrieblichen Altersversorgung und zur Änderung anderer Gesetze (Betriebsrentenstärkungsgesetz) vorgelegt, der sich seit dem 4. November 2016 in der Ressortabstimmung sowie der Länder- und Verbändebeteiligung befindet94. Das Gesetz, das im Wesentlichen am 1. Januar 2018 in Kraft treten soll95, verfolgt das Ziel, die Verbreitung der be- 91 Vgl. Kiesewetter/Grom/Menzel/Tschinkl, Optimierungsmöglichkeiten bei den bestehenden steuer- und sozialversicherungsrechtlichen Förderregelungen der betrieblichen Altersversorgung, Gutachten im Auftrag des BMF (Langfassung), 2016, S. 238. 92 Vgl. hierzu im Einzelnen Kiesewetter/Grom/Menzel/Tschinkl, Optimierungsmöglichkeiten bei den bestehenden steuer- und sozialversicherungsrechtlichen Förderregelungen der betrieblichen Altersversorgung, Gutachten im Auftrag des BMF (Langfassung), 2016, S. 251 – 253. 93 Vgl. Kiesewetter/Grom/Menzel/Tschinkl, Optimierungsmöglichkeiten bei den bestehenden steuer- und sozialversicherungsrechtlichen Förderregelungen der betrieblichen Altersversorgung, Gutachten im Auftrag des BMF (Langfassung), 2016, S. 251. 94 BMF, Referentenentwürfe, Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der betrieblichen Altersversorgung und zur Änderung anderer Gesetze (Betriebsrentenstärkungsgesetz), abrufbar im Internet unter: http://www.bundesfinanzministerium .de/Content/DE/Gesetzestexte/Referentenentwuerfe/2016-11-04-Betriebsrentenstaerkungsgesetz .html. 95 Vgl. hierzu Art. 15 des Referentenentwurfs eines Betriebsrentenstärkungsgesetzes. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 061/16 Seite 29 trieblichen Altersvorsorge insbesondere in kleinen und mittleren Unternehmen und bei Beschäftigten mit niedrigem Einkommen zu stärken96 und dient damit der Umsetzung der diesbezüglichen Vorgabe im Koalitionsvertrag für die 18. Legislaturperiode des Deutschen Bundestages97. Um eine möglichst hohe Abdeckung der betrieblichen Altersversorgung und damit verbunden ein höheres Versorgungsniveau der Beschäftigten durch kapitalgedeckte Zusatzrenten zu erreichen , sieht der Referentenentwurf eine Reihe von Neuregelungen im Arbeits- und Steuerrecht der betrieblichen Altersversorgung sowie im Versicherungsaufsichts- und Sozialrecht vor98. Gestärkt werden soll die betriebliche Altersversorgung zum einen durch ein neues Betriebsrentenmodell, das den Sozialpartnern die Möglichkeit eröffnet, auf tariflicher Grundlage sog. reine Beitragszusagen einzuführen sowie Modelle der automatischen Entgeltumwandlung zu vereinbaren99. Darüber hinaus soll ein neues steuerliches Fördermodell spezifisch für Geringverdiener in Form eines sog. „BAV-Förderbetrages“ eingeführt100 und die steuerliche Förderung der betrieblichen Altersversorgung durch Anhebung der Höchstbeträge für steuerfreie Zahlungen an Pensionskassen, Pensionsfonds und Direktversicherungen verbessert werden101. Schließlich sollen auch im Sozialrecht neue Anreize für den Auf- und Ausbau der betrieblichen Altersversorgung insbesondere bei Geringverdienern gesetzt werden102. Hierzu zählen die Abschaffung der Doppelverbeitragung der Riester-geförderten Altersversorgung in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung103 sowie die Einführung eines Freibetrags für Einkommen aus einer zusätzlichen Altersvorsorge bei Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung104. Im Einzelnen sind folgende gesetzgeberische Maßnahmen vorgesehen: 5.3.2. Einführung eines neuen Betriebsrentenmodells in Form sog. reiner Beitragszusagen auf tarifrechtlicher Grundlage im Betriebsrentenrecht Mit der Änderung zentraler Vorschriftendes des Betriebsrentengesetzes105 sollen die Möglichkeiten für die Sozialpartner, über Tarifverträge einfache, effiziente, kostensichere und damit gezielt 96 Vgl. hierzu die Begründung im Referentenentwurf eines Betriebsrentenstärkungsgesetzes, S. 1 und 25. 97 Zur Stärkung der betrieblichen Altersversorgung als Ziel des Koalitionsvertrages zwischen CDU, CSU und SPD für die 18. Legislaturperiode des Deutschen Bundestages vgl. näher oben zu Gliederungspunkt 5.1. 98 Vgl. hierzu näher die Begründung im Referentenentwurf eines Betriebsrentenstärkungsgesetzes, S. 25 f. 99 Vgl. hierzu näher unten zu Gliederungspunkt 5.3.2. 100 Vgl. hierzu näher unten zu Gliederungspunkt 5.3.3. 101 Vgl. hierzu näher unten zu Gliederungspunkt 5.3.4. 102 Vgl. hierzu näher unten zu Gliederungspunkt 5.3.5. 103 Vgl. hierzu näher unten zu Gliederungspunkt 5.3.5.1. 104 Vgl. hierzu näher unten zu Gliederungspunkt 5.3.5.2. 105 Vgl. insoweit Art. 1 des Referentenentwurfs eines Betriebsrentenstärkungsgesetzes. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 061/16 Seite 30 auf die Bedürfnisse der Unternehmen und Beschäftigten zugeschnittene betriebliche Versorgungssysteme zu gestalten, erweitert werden106. So können die Tarifvertragsparteien künftig auch sog. reine Beitragszusagen vereinbaren, über Leistungen der durchführenden Einrichtungen entscheiden und rechtssicher Modelle der automatischen Entgeltumwandlung („Options- bzw. Opting -Out-Modelle“) in den Unternehmen und Betrieben einführen. Arbeitgeber und Gewerkschaften haben damit die Möglichkeit, die Alterssicherung der Beschäftigten noch mehr als bisher zum Gegenstand von Tarifverhandlungen zu machen und somit die Grundlage für eine weitere Verbreitung der betrieblichen Altersversorgung zu legen107. Bei der reinen Beitragszusage beschränkt sich die Zusage des Arbeitgebers auf die Zahlung der Beiträge, während sich die Leistungsansprüche der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ausschließlich gegen den Pensionsfonds , die Pensionskasse oder die Direktversicherung richten. Die Leistungen sind dabei an die Vermögensentwicklung dieser Einrichtungen gekoppelt. Mindest- bzw. Garantieleistungen versprechen die durchführenden Einrichtungen nicht108. Mit der Möglichkeit der reinen Beitragszusage findet eine jahrzehntelange Diskussion, welche zentralen arbeitsrechtlichen Grundlagen erforderlich , damit die betriebliche Altersversorgung möglichst flächendeckend verbreitet werden kann, ihren vorläufigen Abschluss109. Diese neue Form der Betriebsrente soll im Versicherungsaufsichtsgesetz 110 durch spezifische Finanzaufsichtsregelungen flankiert werden111. 5.3.3. Einführung eines neuen steuerlichen Fördermodells für Geringverdiener in Form eines sog. „BAV-Förderbetrags“ Die Einführung des neuen steuerlichen Fördermodells spezifisch für Geringverdiener in Form eines Förderbetrags zur betrieblichen Altersversorgung (der sog. „BAV-Förderbetrag“) zum 1. Januar 2018 soll in der Neuregelung des § 100 Einkommensteuergesetz (EStG)112 verankert werden. Die grundlegenden Voraussetzungen für den BAV-Förderbetrag und das Verfahren werden § 100 Abs. 1 Satz 1 und 2 EStG geregelt. Danach dürfen Arbeitgeber, die zum Lohnsteuerabzug verpflichtet sind, vom Gesamtbetrag der einzubehaltenden Lohnsteuer für jeden Arbeitnehmer mit einem ersten Dienstverhältnis einen Teilbetrag des Arbeitgeberbeitrags zur kapitalgedeckten betrieblichen Altersversorgung (Förderbetrag) entnehmen und bei der nächsten Lohnsteuer-Anmeldung gesondert absetzen. Übersteigt der insgesamt zu gewährende Förderbetrag den Betrag, der 106 Vgl. hierzu näher die Begründung im Referentenentwurf eines Betriebsrentenstärkungsgesetzes, S. 1 und 26. 107 Vgl. die Begründung im Referentenentwurf eines Betriebsrentenstärkungsgesetzes, S. 26. 108 Vgl. die Begründung im Referentenentwurf eines Betriebsrentenstärkungsgesetzes, S. 25 f. 109 Zu den einzelnen Vor- und Nachteilen der reinen Beitragszusage gegenüber den bisherigen Formen der betrieblichen Altersversorgung vgl. eingehend die Begründung im Referentenentwurf eines Betriebsrentenstärkungsgesetzes , S. 26 ff. u S. 36 f. 110 Gesetz über die Beaufsichtigung der Versicherungsunternehmen (Versicherungsaufsichtsgesetz – VAG) vom 1. April 2015 (BGBl. I S. 434), zuletzt geändert durch Art. 3 Abs. 6 des Gesetzes vom 26. Juli 2016 (BGBl. I S. 1824). 111 Zu den in Art. 6 des Referentenentwurfs eines Betriebsrentenstärkungsgesetzes vorgesehenen Änderungen des Versicherungsaufsichtsgesetzes vgl. im Einzelnen die Begründung, S. 47 ff. 112 Einkommensteuergesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 8. Oktober 2009 (BGBl. I S. 3366, 3862), zuletzt geändert durch Art. 7 des Gesetzes vom 31. Juli 2016 (BGBl. I S. 1914). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 061/16 Seite 31 insgesamt an die Lohnsteuer abzuführen ist, so wird der übersteigende Betrag dem Arbeitgeber auf Antrag von dem Finanzamt, an das die Lohnsteuer abzuführen ist, aus denen Einnahmen der Lohnsteuer ersetzt. Der Förderbetrag soll im Kalenderjahr 30 Prozent des zusätzlichen Arbeitgeberbeitrags nach § 100 Abs. 3, höchstens jedoch 144 Euro betragen. In Fällen, in denen der Arbeitgeber bereits im Jahr 2017 einen zusätzlichen Arbeitgeberbeitrag an einen Pensionsfonds, eine Pensionskasse oder für eine Direktversicherung leistet, ist der jeweilige Förderbetrag auf den Betrag beschränkt, den der Arbeitgeber darüber hinaus leistet (§ 100 Abs. 2 Satz 1 und 2 EStG in der Fassung des Referentenentwurfs). Weitere Einzelheiten zu den Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Förderbetrags nach den Absätzen 1 und 2 werden in § 100 Abs. 3 EStG geregelt. Nach § 100 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 EStG in der Fassung des Referentenentwurfs ist Voraussetzung für den BAV-Förderbetrag ein vom Arbeitgeber für den Arbeitnehmer zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn erbrachter Beitrag zur betrieblichen Altersversorgung in Höhe von mindestens 240 Euro im Kalenderjahr an einen Pensionsfonds, eine Pensionskasse oder für eine Direktversicherung. Beiträge, die aus einer Entgeltumwandlung stammen, sollen dagegen nicht begünstigt werden. Die Festlegung eines Mindestbetrags in Höhe von 240 Euro, der sich am Mindestbetrag des § 1a Abs. 1 Satz 3 BetrAVG orientiert, soll das Entstehen von Mini-Anwartschaften verhindern. Auf eine dynamische Grenze wurde aus verwaltungsökonomischen Gründen verzichtet113. Für die Inanspruchnahme des Förderbetrags sind die Verhältnisse im Zeitpunkt der Beitragsleistung maßgeblich; spätere Änderungen der Verhältnisse sind unbeachtlich (§ 100 Abs. 3 Satz 2 EStG in der Fassung des Referentenentwurfs ). Stellt sich später unerwartet heraus, dass der jährliche Mindestbetrag nicht erreicht wurde – beispielsweise weil der Arbeitgeber einen Monatsbetrag leistet, der Arbeitnehmer aber unerwartet aus dem Unternehmen ausgeschieden ist –, ist der BAV-Förderbetrag also nicht rückgängig zu machen114. Der BAV-Förderbetrag soll den Verbreitungsgrad der betrieblichen Altersversorgung von Arbeitnehmern mit unterdurchschnittlichen Einkommen erhöhen, denn der Arbeitgeber werde – so heißt es in der Begründung des Referentenentwurfes eines Betriebsrentenstärkungsgesetzes – durch die staatliche Förderung motiviert, zusätzliche Mittel für die betriebliche Altersversorgung seiner Arbeitnehmer aufzubringen. Vom BAV-Förderbetrag profitierten Geringverdiener, denen keine ausreichenden eigenen Mittel zur Verfügung stünden bzw. für die sich eine auf Entgeltumwandlung basierende betriebliche Altersversorgung aufgrund der niedrigen und nicht vorhandenen Lohnsteuerentlastung nicht rechne115. 5.3.4. Zusammenfassung und Anhebung der Höchstbeträge für steuerfreie Zahlungen an Pensionskassen, Pensionsfonds und Direktversicherungen Über die Einführung eines BAV-Förderbetrags hinaus sollen im EStG die Höchstbeträge für steuerfreie Zahlungen an Pensionskassen, Pensionsfonds und Direktversicherungen zu einer einheit- 113 Vgl. die Begründung zu Art. 9 Nr. 17 des Referentenentwurfs, S. 63. 114 Vgl. auch insoweit die Begründung zu Art. 9 Nr. 17 des Referentenentwurfs, S. 63. 115 Vgl. die Begründung zu Art. 9 Nr. 17 des Referentenentwurfs, S. 61. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 061/16 Seite 32 lichen prozentualen Grenze zusammengefasst und angehoben werden und verschiedene Flexibilisierungen sowie Vereinfachungen des steuerlichen Verwaltungsverfahrens umgesetzt werden. Der Referentenentwurf sieht insoweit vor, den steuerfreien Höchstbetrag in der kapitalgedeckten betrieblichen Altersversorgung von 4 Prozent auf 7 Prozent der Beitragsbemessungsgrenze in der allgemeinen Rentenversicherung anzuheben. Im Gegenzug soll der zusätzliche Höchstbetrag von 1800 Euro aufgehoben werden116. Die Zusammenfassung der steuerfreien Höchstbeträge zu einer einheitlichen prozentualen Grenze von 7 Prozent führt nach der Begründung des Referentenentwurfs zu einer wesentlichen Vereinfachung im Lohnsteuerabzugsverfahren und ist danach mit einer Anhebung des insgesamt zustehenden steuerfreien Volumens verbunden. Darüber hinaus sei zu berücksichtigen, dass der neue Höchstbetrag vollständig dynamisch sei und künftig mit der Beitragsbemessungsgrenze mitwachse117. 5.3.5. Schaffung neuer Anreize für den Auf- und Ausbau einer betrieblichen Altersversorgung insbesondere bei Geringverdienern im Sozialrecht Neben den neuen und verbesserten steuerlichen Fördermöglichkeiten bei der betrieblichen Altersversorgung sollen auch im Sozialrecht neue Anreize für den Auf- und Ausbau einer betrieblichen Altersversorgung insbesondere bei Geringverdienern gesetzt werden. Rentner, die Zahlungen aus einer betrieblichen Altersvorsorge beziehen, sollen künftig bei den Beiträgen zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung entlastet werden, sofern sie Rentenleistungen aus einer Riester-geförderten Altersversorgung erhalten118. Auch für Rentner, die im Alter oder bei Erwerbsminderung auf eine Grundsicherung angewiesen sind, sollen flankierend zu den arbeitsund steuerrechtlichen Maßnahmen durch die Einführung eines Freibetrags für Einkommen aus einer zusätzlichen Altersvorsorge Verbesserungen in der Auszahlungsphase erzielt werden119. Im Einzelnen sind im Sozialrecht folgende Neuregelungen vorgesehen: 5.3.5.1. Abschaffung der Doppelverbeitragung der Riester-geförderten betrieblichen Altersversorgung in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung Der Aufbau einer Betriebsrente mit eigenen Mitteln der Beschäftigten wird seitens des Staates – wie oben näher dargelegt120 – seit dem 1. Januar 2002 zum einen dadurch gefördert, dass Zahlungen der Beschäftigten im Rahmen einer Entgeltumwandlung an eine Pensionskasse, einen Pensionsfonds oder eine Direktversicherung bis zu einer Höhe von 4 Prozent der Beitragsbemessungsgrenze in der allgemeinen Rentenversicherung einkommensteuer- und darüber hinaus auch beitragsfrei in der Sozialversicherung sind. Diese Förderung kommt wegen der steuerlichen Progressionswirkung insbesondere Beschäftigten zugute, die eine hohe bzw. höhere Steuerbelastung haben , während Geringverdiener je nach Fallgestaltung steuerlich kaum oder gar nicht von dieser 116 Vgl. hierzu Art. 9 Nr. 2 Buchstabe e), Doppelbuchstaben aa) und bb) des Referentenentwurfs, die entsprechende Änderungen in § 3 Nr. 63 Satz 1 und 3 EStG vorsehen. 117 Vgl. hierzu näher die Begründung im Referentenentwurf, S. 54. 118 Vgl. hierzu nachfolgend zu Gliederungspunkt 5.3.5.1. 119 Vgl. hierzu näher nachfolgend zu Gliederungspunkt 5.3.5.2. 120 Vgl. hierzu näher die Ausführungen zu Gliederungspunkt 2.2. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 061/16 Seite 33 Förderung profitieren. Vor diesem Hintergrund wurde im Jahr 2002 zum anderen außerdem die Möglichkeit geschaffen, im Rahmen des Aufbaus einer betrieblichen Altersversorgung auch die Riester-Förderung in Anspruch zu nehmen. Diese Förderung zeichnet sich dadurch aus, dass – über den Arbeitgeber organisiert – Zahlungen aus dem Nettoeinkommen der Beschäftigten an eine Pensionskasse, einen Pensionsfonds oder eine Direktversicherung erfolgen, die mit den staatlichen Zulagen gefördert werden. Damit sollte insbesondere Geringverdienern eine effiziente Möglichkeit zum Aufbau einer zusätzlichen Altersversorgung eröffnet werden. Insbesondere die in der Riester-geförderten betrieblichen Altersversorgung bestehende Förderung durch Kinderzulagen bedeutet eine noch gezieltere Förderung von Geringverdienern mit Familie, da eine auf Kinder bezogene Förderung in der übrigen betrieblichen Altersversorgung nicht in gleichem Maße besteht. In der Auszahlungsphase waren solche betrieblichen Riester-Renten nach dem bis zum 31. Dezember 2003 geltenden Recht in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung beitragsfrei, sofern es sich um Kapitaleinmalzahlungen handelte. Aufgrund der durch das GKV-Modernisierungsgesetz vorgenommenen Änderungen sind seit dem 1. Januar 2004 – wie oben näher ausgeführt 121 – Versorgungsbezüge aus betrieblicher Altersversorgung im Sinne des § 229 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 SGB V und damit auch betriebliche Riester-Renten in der Auszahlungsphase nunmehr mit dem vollen allgemeinen Beitragssatz der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung zu verbeitragen . Vor dem Hintergrund dieser Rechtsentwicklung gelangt der Referentenentwurf eines Betriebsrentenstärkungsgesetzes zu der Schlussfolgerung, dass betriebliche Riester-Renten gegenüber privat abgeschlossenen Riester-Renten aufgrund der Beitragsabführung zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung sowohl in der Anspar- als auch in der Auszahlungsphase bei ökonomischer Betrachtung nach derzeitiger Rechtslage nicht mehr zu empfehlen seien122. Betriebliche Riester- Renten würden deshalb praktisch kaum mehr genutzt. So habe der Anteil der Anwartschaften mit Riester-Förderung bei Direktversicherungen Ende 2013 lediglich bei ca. 0,1 Prozent gelegen und Ende 2015 hätten immer noch knapp 47 Prozent der Beschäftigten mit weniger als 1500 Euro Erwerbseinkommen im Monat weder eine Betriebs- noch eine Riester-Rente gehabt. Der Referentenentwurf sieht in Art. 4 deshalb eine Änderung des § 229 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V)123 vor, die das Ziel verfolgt, den mit der Beitragszahlung zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung in der Auszahlungsphase verbundenen Fehlanreiz bei der Förderung betrieblicher Riester-Renten zu beseitigen. Dies soll dadurch erreicht werden, dass solche betrieblichen Riester-Renten in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung systematisch künftig wie private Riester-Renten behandelt werden. 121 Vgl. hierzu die Ausführungen zu Gliederungspunkt 2.1. 122 Vgl. hierzu die Ausführungen im Referentenentwurf , S. 45 f. 123 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Krankenversicherung – (Art. 1 des Gesetzes vom 20. Dezember 1988, BGBl I. S. 2477, 2482), zuletzt geändert durch Art. 2 des Gesetzes vom 11. Oktober 2016 (BGBl. I S. 2233). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 061/16 Seite 34 In der Begründung des Referentenentwurfs zu der in Art. 4 vorgesehenen Änderung des § 229 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 SGB V124 wird erläuternd ausgeführt, damit würden betriebliche Riester-Renten zukünftig zwar anders behandelt als sonstige Versorgungsbezüge aus betrieblicher Altersversorgung . Jedoch falle die betriebliche Riester-Rente aufgrund ihrer steuerlichen Förderung nach § 10a/Abschnitt XI des EStG aus der Systematik der betrieblichen Altersversorgung heraus. Die Förderung erfolge gemäß § 82 Abs. 2 EStG auf die gleiche Weise und unterliege den gleichen subjektiven Voraussetzungen wie bei einem privaten Riester-Vertrag. Beitragsrechtlich werde die Riester-geförderte betriebliche Altersversorgung bereits in der Ansparphase anders als die sonstigen Produkte der betrieblichen Altersvorsorge behandelt: Bei den externen Durchführungswegen, d. h. der Pensionskasse, dem Pensionsfonds und der Direktversicherung, und in Fällen der Entgeltumwandlung bei den internen Durchführungswegen bestehe eine Sozialabgabenfreiheit für Beiträge in Höhe von bis zu 4 Prozent der jeweiligen Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung. Eine Verbeitragung erfolge bei diesen Produkten in der Ansparphase also nur dann, wenn und insoweit diese Obergrenze überschritten worden sei. Die Beiträge in eine Riester-geförderte betriebliche Altersversorgung stammten dagegen aus dem sozialversicherungspflichtigen Entgelt. Dies bedeute, dass auch sozialversicherungsrechtlich in der Ansparphase eine Gleichbehandlung der Riester-geförderten betrieblichen Altersversorgung mit der privaten Altersvorsorge erfolge. Diese Behandlung müsse damit auch in der Auszahlungsphase nachvollzogen werden. Die beitragsrechtliche Gleichbehandlung mit den privaten Riester-Verträgen sei darüber hinaus auch erforderlich, um Geringverdienern eine effiziente Möglichkeit im Hinblick auf eine zusätzliche Altersvorsorge zu verschaffen125. Die mit Riester-Zulagen geförderte betriebliche Altersversorgung unterscheide sich von den sonstigen Betriebsrentensystemen im Übrigen auch regelmäßig dadurch, dass der Arbeitnehmer nach § 1a Abs. 3 BetrAVG – soweit er einen Anspruch auf Entgeltumwandlung für betriebliche Altersversorgung gemäß § 1a Abs. 1 BetrAVG habe – verlangen könne, dass die Voraussetzungen für eine Riester-Förderung nach den §§ 10a,82 Abs. 2 EStG erfüllt werden, wenn die betriebliche Altersversorgung über einen Pensionsfonds, eine Pensionskasse oder eine Direktversicherung durchgeführt werde126. Damit könne die Gestaltung durch den Beschäftigten und die Anbieterseite ermöglicht werden. Aus Sicht des Referentenentwurfs sprechen die vor genannten Gründe für eine besondere Regelung in der Auszahlungsphase. Durch die erhöhte Attraktivität der betrieblichen Riester-Rente für den Personenkreis der Geringverdiener werde – so heißt es in der Begründung127 – eine effizientere Möglichkeit geschaffen, die Absenkung ihres Rentenniveaus zu kompensieren, auch um zu verhindern, dass dieser Personenkreis in die durch Bundesmittel finanzierte Grundsicherung im 124 Vgl. hierzu die Ausführungen im Referentenentwurf, S. 46. 125 So die Begründung im Referentenentwurf , S. 46. 126 Vgl. auch insoweit die Ausführungen im Referentenentwurf, S. 46. 127 Vgl. hierzu die Ausführungen im Referentenentwurf, S. 46 f. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 061/16 Seite 35 Alter falle. Zusammen mit dem ebenfalls auf Geringverdiener zugeschnittenen neuen steuerlichen Fördermittel in Form des BAV-Förderbetrags128, der parallel zur Riester-Förderung in Anspruch genommen werden könne, soll so der Auf- und Ausbau der betrieblichen Altersversorgung innerhalb dieses Personenkreises vorangebracht werden. Durch die Änderung des § 229 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 SGB V werde nicht nur eine Ungleichbehandlung der betrieblichen Riester- Rente mit der konzeptionell vergleichbaren privaten Riester-Rente beseitigt, sondern auch zu anderen Formen der betrieblichen Altersversorgung. Mit der Beschränkung der Beitragspflicht von betrieblichen Riester-Renten auf die Einzahlungsphase würden künftig alle Formen der betrieblichen Altersversorgung zukünftig insoweit gleich behandelt, als sie einheitlich nur einmal zu verbeitragen seien, nämlich entweder in der Einzahlungs- oder in der Auszahlungsphase. 5.3.5.2. Einführung eines Freibetrags für Einkommen aus einer zusätzlichen Altersvorsorge bei Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung Neben einer Abschaffung der Doppelverbeitragung der Riester-geförderten betrieblichen Altersversorgung in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung sieht der Referentenentwurf in Art. 2 Nr. 1 Änderungen des § 82 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XII)129 vor, mit denen ein neuer Freibetrag für Einkommen aus einer zusätzlichen Altersvorsorge bei Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung eingeführt werden soll. Die Einführung eines solchen Einkommensfreibetrags verfolgt das Ziel, einen weiteren Anreiz zu schaffen, zusätzliche Altersvorsorge zu betreiben, um eine höhere Verbreitung der betrieblichen Altersversorgung vor allem bei Geringverdienern zu erreichen. Damit werde ein gesamtgesellschaftliches Signal gesetzt, dass sich freiwillige Altersvorsorge in jedem Fall lohne. Dieses Signal soll es insbesondere den Sozialpartnern erleichtern, Tarifverträge über betriebliche Altersversorgung mit Breitenwirkung auch für Geringverdiener zu vereinbaren130. Die Einführung des Einkommensfreibetrags für zusätzliche Altersvorsorge wird in der neuen Vorschrift des § 82 Abs. 4 SGB XII geregelt. Danach bleibt bei der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung ein Sockelbetrag von 100 Euro monatlich aus einer zusätzlichen Altersvorsorge der Leistungsberechtigten zuzüglich 30 Prozent des diesen Betrag übersteigenden Einkommens aus einer zusätzlichen Altersvorsorge der Leistungsberechtigten, höchstens jedoch 50 Prozent der Regelbedarfsstufe 1 nach der Anlage zu § 28 SGB XII, außer Betracht. Der Begründung im Referentenentwurf zufolge könnte ein Leistungsberechtigter nach gegenwärtigen Stand (2016) damit einen Freibetrag in einer Höhe von bis zu ca. 202 Euro geltend machen131. 128 Zur Einführung dieses neuen steuerlichen Fördermodells für Geringverdiener in Form eines sog. BAV-Förderbetrags durch Art. 9 Nr. 17 (§ 100 EStG neu) vgl. die Ausführungen oben zu Gliederungspunkt 5.3.3. 129 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch – Sozialhilfe – (Art. 1 des Gesetzes vom 27. Dezember 2003, BGBl. I S. 3022, 3023), zuletzt geändert durch Art. 3 des Gesetzes vom 31. Juli 2016 (BGBl. I S. 1939). 130 Vgl. hierzu die Ausführungen im Referentenentwurf, S. 29 und 42 zu Art. 2 Nr. 1. 131 Vgl. hierzu den Referentenentwurf, S. 42. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 061/16 Seite 36 Welche Formen der zusätzlichen Altersvorsorge von dem Einkommensfreibetrag nach § 82 Abs. 4 SGB XII umfasst sind, regelt § 82 Abs. 5 SGB XII. Einkommen aus einer zusätzlichen Altersvorsorge im Sinne des § 82 Abs. 4 SGB XII ist nach der Definition des § 82 Abs. 5 Satz 1 SGB XII jedes monatlich bis zum Lebensende ausgezahlte Einkommen, auf das der Leistungsberechtigte vor Erreichen der Regelaltersgrenze auf freiwilliger Grundlage Ansprüche erworben hat, und das dazu bestimmt und geeignet ist, die Einkommenssituation des Leistungsberechtigten gegenüber möglichen Ansprüchen aus Zeiten einer Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung nach den §§ 1 bis 4 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI)132, nach § 1 des Gesetzes über die Alterssicherung der Landwirte (ALG)133, aus beamtenrechtlichen Versorgungsansprüchen und aus Ansprüchen aus Zeiten einer Versicherungspflicht in einer Versicherungs- und Versorgungseinrichtung, die für Angehörige bestimmter Berufe errichtet ist, zu verbessern. Mit dieser Regelung sollen Leistungen auf freiwilliger Grundlage zur Reduzierung der Bedürftigkeit nach Erreichen der Regelaltersgrenze, unabhängig von ihrer Zugehörigkeit zu einem bestimmten Alterssicherungssystem und unabhängig von einer etwaigen staatlichen Förderung, privilegiert werden134. Hierzu zählen beispielsweise auch Rentenzahlungen, die aus Zeiten einer freiwilligen Versicherung nach § 7 SGB VI beruhen. Von dem Einkommensfreibetrag nach § 82 Abs. 4 SGB XII nicht umfasst sind hingegen alle Einnahmen, die der Leistungsberechtigte aus Zeiten einer Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung und vergleichbaren Versicherungspflichtsystemen sowie aus der Beamtenversorgung erzielt, da gerade vor Erreichen der Regelaltersgrenze auf freiwilliger Grundlage erworbene Ansprüche des Leistungsberechtigten honoriert werden sollen, unabhängig davon, ob für den Leistungsberechtigten vor Erreichen der Altersgrenze eine Versicherungspflicht bestand oder nicht. Nach § 82 Abs. 5 Satz 1 SGB XII sind grundsätzlich allerdings nur solche Einkommen vom Freibetrag umfasst, die als monatliche Leistungen bis zum Lebensende ausgezahlt werden. Im Referentenentwurf wird diese Voraussetzung damit begründet, nur bei solchen Auszahlungsformen sei gewährleistet, dass die Hilfsbedürftigkeit nach Überschreiten der Regelaltersgrenze dauerhaft bis zum Lebensende reduziert sei135. Der Leistungsberechtigte darf nach dieser Regelung während des Leistungsbezugs deshalb grundsätzlich keine Kapitalabfindung des verbleibenden Rentenanspruchs verlangen können. Bei Bestehen eines solchen Kapitalwahlrechts sei das gesamte vorhandene Kapital zunächst als vorhandenes und verwertbares Vermögen einzusetzen, soweit es nicht als geschütztes Vermögen im Sinne des § 90 Abs. 2 und 3 SGB XII anzusehen sei. Sofern ein Kapitalwahlrecht bei privaten, steuerlich nicht geförderten Verträgen zur Absicherung des Altersrisikos bestehe, seien die Voraussetzungen des § 82 Abs. 5 Satz 1 SGB XII jedoch dann er- 132 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) – Gesetzliche Rentenversicherung – in der Fassung der Bekanntmachung vom 19. Februar 2002 (BGBl. I S. 754, 1404, 3384), zuletzt geändert durch Art. 4 des Gesetzes vom 11. November 2016 (BGBl. I S. 2500). 133 Gesetz über die Alterssicherung der Landwirte (ALG) vom 29. Juli 1994 (BGBl. I S. 1890, 1891), zuletzt geändert durch Art. 8 des Gesetzes vom 11. November 2016 (BGBl. I S. 2500). 134 So die Begründung im Referentenentwurf, S. 42. 135 Vgl. die Begründung im Referentenentwurf, S. 43. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 061/16 Seite 37 füllt, wenn vor Bezug von Leistungen nach dem SGB XII auf das Recht zur Kapitalisierung zugunsten einer lebenslangen Auszahlung verzichtet werde136. Eine Ausnahme von dem Grundsatz der monatlichen Auszahlung regelt § 82 Abs. 5 Satz 3 SGB XII. Hiernach ist in Fällen, in denen bis zu zwölf Monatsleistungen aus einer zusätzlichen Altersvorsorge zusammengefasst werden, das Einkommen gleichmäßig auf den Zeitraum aufzuteilen, für den die Auszahlung erfolgte. Mit dieser Regelung soll erreicht werden, dass es bei solchen Zusammenfassungen, auf die der Leistungsbezieher zum Teil keine Einwirkungsmöglichkeit hat, in der Anwendung des Einkommensfreibetrags nicht zu nachteiligen Auswirkungen für ihn kommt137. Nach § 82 Abs. 5 Satz 2 Nr. 1 bis 3 SGB XII umfasst der Freibetrag für zusätzliche Altersvorsorge auch Bezüge aus einer betrieblichen Altersversorgung im Sinne des BetrAVG, Bezüge aus einem nach § 5 des Altersvorsorgeverträge-Zertifizierungsgesetzes138 zertifizierten Altersvorsorgevertrag (Riester-Renten) und Bezüge aus einem nach § 5a des Altersvorsorgeverträge-Zertifizierungsgesetzes zertifizierten Basisrentenvertrag (sog. Basis Renten), soweit sie grundsätzlich die Anforderung einer lebenslangen Zahlung erfüllen. Mit dieser Regelung wird das Ziel verfolgt, die zusätzliche Altersvorsorge insbesondere für Geringverdiener weiter zu stärken, da diese staatlich geförderten Formen der Altersvorsorge nach gegenwärtiger Rechtslage bislang nur in der Ansparphase im Rahmen eines Freibetrags berücksichtigt werden. Zusammen mit dem neuen Freibetrag für die Auszahlungsphase soll damit ein deutliches Signal gesetzt werden, dass sich insbesondere die staatlich geförderten Formen der zusätzlichen Altersvorsorge in jedem Falle im Alter auszahlen 139. Korrespondierend zur Einführung eines Einkommensfreibetrags für zusätzliche Altersvorsorge in § 82 Abs. 4 und 5 SGB XII sieht der Referentenentwurf in Art. 2 Nr. 2 eine teilweise redaktionelle Neufassung und Ergänzung des § 90 Abs. 2 Nr. 2 SGB XII vor. Danach darf die Gewährung von Sozialhilfe künftig nicht abhängig gemacht werden vom Einsatz oder der Verwertung eines nach § 10a oder Abschnitts XI EStG geförderten Altersvorsorgevermögens im Sinne des § 92 EStG. Dies soll auch für das in der Auszahlungsphase insgesamt zur Verfügung stehende Kapital gelten, soweit die Auszahlung als monatliche oder sonstige regelmäßige Leistung im Sinne von § 82 Abs. 5 Satz 3 SGB XII erfolgt. 6. Literaturverzeichnis Bieback, Karl-Jürgen, Der Streit um doppelte Beiträge für Rentner: in: Soziale Sicherheit (SOZ), Zeitschrift für Arbeit und Soziales, 2016, S. 235 – 238. Deutscher Bundestag, Wissenschaftliche Dienste, Fachbereich WD 9, Die Beitragspflicht von Leistungen der betrieblichen Altersversorgung in der Krankenversicherung der Rentner und der 136 Vgl. die Begründung im Referentenentwurf, S. 43. 137 So die Begründung im Referentenentwurf, S. 43. 138 Gesetz über die Zertifizierung von Altersvorsorge- und Basisrentenverträgen (Altersvorsorgeverträge- Zertifizierungsgesetz – AltZertG) vom 26. Juni 2001 (BGBl. I S. 1310, 1322), zuletzt geändert durch Art. 450 der Verordnung vom 31. August 2015 (BGBl. I S. 1474). 139 So die Begründung im Referentenentwurf, S. 43. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 061/16 Seite 38 sozialen Pflegeversicherung – Rechtsgeschichtliche Entwicklung und aktueller Stand, Ausarbeitung vom 25. Juli 2014 (WD 9 – 3000 – 50/14), abrufbar im Internet unter: https://www.bundestag .de/blob/410436/fc49cfa58378bd115d0c10bb53cf9a63/wd-9-050-14-pdf-data.pdf. Giesen, Richard, Doppelte Erhebung von Sozialversicherungsbeiträgen in der betrieblichen Altersversorgung (Erster und Zweiter Teil), in: Vierteljahresschrift für Sozialrecht (VSSR), 2005, S. 21 – 44 und 77 – 101. Kiesewetter, Dirk/Grom, Michael/Menzel, Moritz/Tschinkl, Dominik, Optimierungsmöglichkeiten bei den bestehenden steuer- und sozialversicherungsrechtlichen Förderregelungen der betrieblichen Altersversorgung, Gutachten im Auftrag des Bundesministeriums der Finanzen, durchgeführt von der Julius-Maximilians-Universität Würzburg, Berlin 2016, abrufbar im Internet unter: https://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Standardartikel/Themen/Steuern /Weitere_Steuerthemen/Altersvorsorge/2016-04-15-Optimierungsmoeglichkeiten-Foerderregelungen -betriebliche-Altersversorgung-Gutachten.html. ***