© 2018 Deutscher Bundestag WD 9 - 3000 - 060/17 Einzelfragen zum Verhältnis von gesetzlicher und privater Krankenversicherung Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 - 060/17 Seite 2 Einzelfragen zum Verhältnis von gesetzlicher und privater Krankenversicherung Aktenzeichen: WD 9 - 3000 - 060/17 Abschluss der Arbeit: 15. Januar 2018 Fachbereich: WD 9: Gesundheit, Familie, Senioren, Frauen und Jugend Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 - 060/17 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Gesetzliche Grundlagen für einen Wechsel zwischen privater und gesetzlicher Krankenversicherung 4 1.1. Wechsel aus der GKV in die PKV 4 1.2. Wechsel aus der PKV in die GKV 4 2. Wechselmöglichkeit innerhalb der PKV für ältere Menschen 5 3. Verbesserung des Wettbewerbs um PKV-Bestandskunden 6 4. Prämienentwicklung der PKV in den letzten zehn Jahren 8 5. Rechtsfolgen der Einführung eines einheitlichen Krankenversicherungssystems 9 5.1. Grundrechte der Versicherungsunternehmen 9 5.2. Grundrechte der Versicherten 11 6. Umfang der Leistungskataloge und innovative Behandlungen 12 7. Zur Frage eines „Subventionierungseffekts“ der PKV zugunsten der GKV 13 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 - 060/17 Seite 4 1. Gesetzliche Grundlagen für einen Wechsel zwischen privater und gesetzlicher Krankenversicherung 1.1. Wechsel aus der GKV in die PKV Ein Wechsel aus der gesetzlichen in die private Krankenversicherung ist für Arbeiter und Angestellte nur möglich, wenn sie die Versicherungspflichtgrenze bzw. Jahresarbeitsentgeltgrenze (JAEG) gem. § 6 Abs. 6 und 7 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V)1 überschreiten. Die JAEG lag 2017 bei 57.600 Euro (4.800,00 Euro pro Monat) und wurde von der Bundesregierung für 2018 auf 59.400 Euro (4.950,00 Euro pro Monat) festgesetzt.2 Der Versicherte wird mit Ablauf des Jahres versicherungsfrei i.S.v. § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB V, in dem erstmals die JAEG im laufenden Jahr überschritten wird und wenn angenommen werden kann, dass auch im Folgejahr das Entgelt des Versicherten die JAEG überschreiten wird. Nach § 8 Abs. 1 SGB V besteht die Möglichkeit, unter bestimmten Bedingungen einen Antrag auf Befreiung von der Versicherungspflicht zu stellen. In diesem Fall kann der Versicherte einen privaten Krankenversicherungsvertrag nach den allgemeinen zivilrechtlichen Regeln im Rahmen des Gesetzes über den Versicherungsvertrag (VVG)3 und des Gesetzes über die Beaufsichtigung der Versicherungsunternehmen (VAG)4 schließen und so aus der GKV in die PKV wechseln. Für freiwillig in der GKV Versicherte wie Selbstständige oder Beamte ist ein Wechsel in die private Krankenversicherung jederzeit möglich. Eine Altersgrenze ist nicht normiert. 1.2. Wechsel aus der PKV in die GKV Eine Rückkehrmöglichkeit aus der privaten in die gesetzliche Krankenversicherung besteht für Angestellte dann, wenn die JAEG unterschritten wird, womit die Versicherungspflicht i.S.v. § 5 SGB V wieder greift. Dies ist jedoch ausgeschlossen, wenn der Angestellte das 55. Lebensjahr vollendet hat, wenn in den letzten fünf Jahren keine gesetzliche Krankenversicherung bestand und wenn der Angestellte mindestens die Hälfte dieser Zeit versicherungsfrei, von der Versicherungspflicht befreit oder hauptberuflich selbstständig war, vgl. § 6 Abs. 3a SGB V. Dies dient dem 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Krankenversicherung – (Artikel 1 des Gesetzes vom 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477, 2482), zuletzt geändert durch Artikel 4 des Gesetzes vom 17. August 2017 (BGBl. I S. 3214), im Internet abrufbar unter https://www.gesetze-im-internet.de/sgb_5/BJNR024820988.html. 2 Sozialversicherungs-Rechengrößenverordnung 2017 vom 28. November 2016 (BGBl. I S. 2665), im Internet abrufbar unter https://www.gesetze-im-internet.de/svbezgrv_2017/BJNR266500016.html; Sozialversicherungs- Rechengrößenverordnung 2018 vom 16. November 2017 (BGBl. I S. 3778), abrufbar unter https://www.gesetzeim -internet.de/svbezgrv_2018/BJNR377800017.html. 3 Versicherungsvertragsgesetz vom 23. November 2007 (BGBl. I S. 2631), zuletzt geändert durch Artikel 15 des Gesetzes vom 17. August 2017 (BGBl. I S. 3214), abrufbar unter https://www.gesetze-im-internet .de/vvg_2008/BJNR263110007.html,. 4 Versicherungsaufsichtsgesetz vom 1. April 2015 (BGBl. I S. 434), zuletzt geändert durch Artikel 6 des Gesetzes vom 17. August 2017 (BGBl I S. 3214), abrufbar unter https://www.gesetze-im-internet .de/vag_2016/BJNR043410015.html. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 - 060/17 Seite 5 Schutz der Versichertengemeinschaft der GKV vor einer Abwanderung sog. „schlechter Risiken“ aus der PKV in die GKV.5 Selbstständige können nur in die GKV zurückwechseln, wenn sie ein sozialversicherungspflichtiges Angestelltenverhältnis eingehen oder im Alter von über 55 Jahren unter Aufgabe ihrer hauptberuflich selbstständigen Tätigkeit in die Familienversicherung des Ehe- oder eingetragenen Lebenspartners wechseln, § 10 Abs. 1 Nr. 5 SGB V. 2. Wechselmöglichkeit innerhalb der PKV für ältere Menschen Innerhalb des Tarifangebots eines Versicherers steht dem Versicherungsnehmer ein Anspruch aus § 204 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 VVG auf den Wechsel in einen anderen Tarif zu. Voraussetzung ist die Gleichartigkeit der Tarife. Bei gleichem Leistungsumfang des anvisierten Tarifs dürfen aufgrund des aktuellen Gesundheitszustandes keine individuellen Leistungsausschlüsse oder Risikozuschläge erfolgen, da mit dem Eintritt in den ursprünglichen Vertrag Rechte auf entsprechende Leistungen erworben wurden. Der Basistarif gemäß § 152 VAG soll privat Versicherten die Möglichkeit bieten, bezahlbaren Versicherungsschutz , welcher mit den Leistungen nach dem Dritten Kapitel des SGB V vergleichbar ist, zu erlangen. Alle PKV-Unternehmen sind verpflichtet, ihn anzubieten und unterliegen dabei einem Kontrahierungszwang, vgl. § 193 Abs. 5 VVG.6 Sieht der anvisierte Tarif jedoch Mehrleistungen im Vergleich zum Ursprungstarif vor, so darf der Versicherer eine neuerliche Gesundheitsprüfung und auf deren Grundlage entsprechende Leistungsausschlüsse, Risikozuschläge oder eine Wartezeit verlangen. Dies gilt jedoch nur für den Umfang der Mehrleistungen. Nach § 205 Abs. 1 VVG steht es jedem Versicherungsnehmer frei, seinen Krankenversicherungsvertrag zum Ende des ersten Versicherungsjahres mit dreimonatiger Frist vorbehaltlich vertraglicher Regelungen zu kündigen und einen neuen Vertrag mit einem anderen Unternehmen abzuschließen , wobei insbesondere § 205 Abs. 6 VVG zu beachten ist, wonach der kündigende Versicherungsnehmer den Abschluss eines anschließenden Krankenversicherungsvertrags nachweisen muss. Für ältere Menschen, die den privaten Krankenversicherer wechseln möchten, stellt die gemäß § 19 Abs. 1 S. 1 VVG obligatorische Gesundheitsprüfung die entscheidende Hürde dar. Gemäß § 203 Abs. 1 S. 2 VVG kann der Versicherer dem Risiko entsprechend einen angemessenen Risikozuschlag oder einen Leistungsausschluss verlangen. Da ältere Menschen in der Regel ein be- 5 Peters, in Kasseler Kommentar Sozialversicherungsrecht, Stand: September 2017, § 6 SGB V, Rn. 2. 6 Both/Laars, Nomos-BR/Laars VAG, 4. Online-Auflage 2017, § 152, Rn. 1-4. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 - 060/17 Seite 6 sonders hohes Kostenrisiko für die Versicherer darstellen, sind die Prämien bei einem Neuabschluss im Alter oft derartig hoch, dass diese den Wechsel letztendlich verhindert. Niedrigere Prämien lassen sich lediglich durch höhere Selbstbehalte oder Leistungsausschlüsse erreichen.7 Ein weiteres Problem ist die Frage der Mitnahme von Altersrückstellungen, die sog. „Portierung“. § 204 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 VVG erlaubt eine Portierung zwar grundsätzlich, räumt damit aber keineswegs ein Recht dazu ein. Nach § 204 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 a) VVG ist lediglich eine Mitnahme von Altersrückstellungen im Basistarif möglich. Darüber hinaus gibt es für sog. Altverträge aus der Zeit vor dem Jahre 2009 weitere Einschränkungen (§ 204 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 b) VVG). Da also die Mitnahme von Altersrückstellungen zu einem anderen Versicherungsunternehmen nur teilweise möglich ist, können auch durch eine Portierung die Prämien nicht wesentlich gemindert werden. Vielmehr müssen nach einem Wechsel im neuen Tarif die Altersrückstellungen neu aufgebaut werden, was im Ergebnis zu einer Erhöhung der Prämien führt. 3. Verbesserung des Wettbewerbs um PKV-Bestandskunden Der Wettbewerb zwischen den privaten Krankenversicherern beschränkt sich zum großen Teil auf neu zu Versichernde, die nicht unter die Versicherungspflicht fallen8 und damit hauptsächlich um junge, gesunde Personen.9 Dies resultiert unter anderem aus den gesetzlichen Rahmenbedingungen bezüglich der Tarifgestaltung und insbesondere ihrer Kalkulation nach der Krankenversichungsaufsichtsverordnung 10 (KVAV).11 Die Kalkulation eines Krankenversicherungsvertrags bezieht sich im Regelfall auf die gesamte Lebenszeit des Versicherten.12 Ältere Versicherte haben aufgrund dessen faktisch kaum eine Wechselmöglichkeit, weswegen kaum ein Wettbewerb 7 Reiners, Jobkiller Bürgerversicherung, in: G+G Wissenschaft, 2014, Heft 1, S. 7 (9). 8 Institut für Gesundheits- und Sozialforschung (IGES), Wettbewerb im Bereich der privaten Krankenversicherungen , Berlin 2010, S. 124 f., Studie abrufbar unter: http://www.ges.com/e6/e1621/e10211/e5519/e5715/e8220/e8222/attr_objs12663/IGES_Institut_Wettbewerb _PKV_ger.pdf. Abschlussbericht der Kommission zur Reform des Versicherungsvertragsrechts vom 19. April 2004, S. 146, abrufbar unter http://gesmat.bundesgerichtshof.de/gesetzesmaterialien/16_wp/versvertrg/abschlussbericht .pdf. Jacobs, Schulze, Systemwettbewerb zwischen gesetzlicher und privater Krankenversicherung : Idealbild oder Schimäre?, in: G+G Wissenschaft, 2004, Heft 1, S. 7 (12 f). 9 Jacobs, Vom dualen System zum einheitlichen Krankenversicherungsmarkt, in: Gesundheits- und Sozialpolitik (G+S) 2-3/2013, S. 21 (22). 10 Krankenversicherungsaufsichtsverordnung vom 18. April 2016 (BGBl. I S. 780), zuletzt geändert durch Artikel 3 der Verordnung vom 19. Juli 2017 (BGBl. I S. 3023), abrufbar unter http://www.gesetze-im-internet .de/kvav/BJNR078000016.html 11 Wissenschaftliches Institut der PKV (WIP), Stellungnahme zur IGES Studie, S. 6; abrufbar unter: https://www.pkv.de/politik/positionen/pdfs/stellungnahme-zur-iges-studie.pdf (Stand: 19.12.2017). 12 Abschlussbericht der Kommission zur Reform des Versicherungsvertragsrechts vom 19. April 2004, S. 141. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 - 060/17 Seite 7 um Bestandskunden stattfinden kann.13 Besonders problematisch ist dabei die nur partielle Portabilität der Altersrückstellungen. Das Institut für Gesellschafts- und Sozialforschung (IGES-Institut) schlägt in der Studie „Wettbewerb im Bereich der privaten Krankenversicherungen“ vor, Spielräume bei der Tarif- und Prämiengestaltung für die PKV-Unternehmen zu schaffen. Nach den Ergebnissen dieser Studie sollte es möglich sein, von Anfang an auch teurere Tarife anzubieten, die dafür geringere Prämiensteigerungen verzeichnen.14 Dies wird vom PKV-Verband begrüßt.15 Die Autoren der Studie vertreten die Auffassung, dass für die Versicherten eine Sanktionierung ihres Versicherers ermöglicht werden solle, indem die Wahl- und Wechselfreiheit erhöht und so der Wettbewerb verbessert werde. Dafür sei allerdings eine zumindest weitergehende, wenn nicht vollständige Portabilität der Altersrückstellungen erforderlich. Es müsse eine individualisierte und dem persönlichen Risiko äquivalente Ausgestaltung der Altersrückstellungen möglich sein, um diese mitnehmen und prämienmindernd beim Wechsel einsetzen zu können. Problematisch an einer eingeschränkten Portabilität sei die Möglichkeit der sog. „Risikoselektion“: Derzeit könnten faktisch nur gesunde Versicherte bei einem anderen Versicherer noch einen vergleichbaren Tarif bezahlen, während Kranke und Ältere im Versichertenkollektiv verblieben.16 Das IGES-Institut kommt daher zu dem Schluss, dass die Altersrückstellungen - bei Kalkulation anhand des individuellen Risikos und portabler Gestaltung - eine Funktion ähnlich des Risikostrukturausgleichs der GKV übernehmen könnten, um eine Risikoselektion zwischen den PKV- Unternehmen zu vermeiden.17 Weiterhin wird vorgeschlagen, die Spielräume der privaten Versicherer zu erweitern, um direkte Verhandlungen mit Leistungserbringen zu führen und so das Leistungsspektrum auszudifferenzieren.18 Hierfür seien auch kartellrechtliche Fragen relevant.19 13 Reiners, Jobkiller Bürgerversicherung, in: G+G Wissenschaft, 2014, Heft 1, S. 7 (9). 14 Institut für Gesundheits- und Sozialforschung (IGES), Wettbewerb im Bereich der privaten Krankenversicherungen , Berlin 2010, S. 124 f. 15 Stellungnahme des PKV-Verbands zur IGES-Studie – Wettbewerb im Bereich der privaten Krankenversicherung, abrufbar unter: https://www.pkv.de/politik/positionen/pdfs/stellungnahme-zur-iges-studie.pdf. 16 Abschlussbericht der Kommission zur Reform des Versicherungsvertragsrechts vom 19. April 2004, S. 147. 17 Institut für Gesundheits- und Sozialforschung (IGES), Wettbewerb im Bereich der privaten Krankenversicherungen , Berlin 2010, S. 128 f. 18 Zustimmend Jacobs/Schulze, Systemwettbewerb zwischen gesetzlicher und privater Krankenversicherung - Idealbild oder Schimäre, in: G+G Wissenschaft, Jg. 4 Heft 1 (Januar 2004), S. 7 (14). 19 Institut für Gesundheits- und Sozialforschung (IGES), Wettbewerb im Bereich der privaten Krankenversicherungen , Berlin 2010, S. 130 f. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 - 060/17 Seite 8 4. Prämienentwicklung der PKV in den letzten zehn Jahren Zur Entwicklung der Prämien bzw. deren Stabilität lassen sich keine allgemeinen Angaben machen . Zum einen gibt es eine Vielzahl von Tarifen, deren Prämien sich in der Höhe signifikant unterscheiden. Zum anderen ist die Prämie auch von den individuellen Merkmalen der versicherten Person abhängig - wie Alter, Vorerkrankungen etc.20 Es existieren nur wenige unabhängige Untersuchungen zum Thema Prämienentwicklung. Die aktuellste ist eine Studie des IGES-Instituts auf Grundlage von Daten des Versicherers Debeka. Die Autoren kommen zu dem Ergebnis, dass im Zeitraum 1995 bis 2015 das Spektrum der Prämienveränderungen von – 11,7 Prozent bis + 16,9 Prozent reichte. Die Prämien hätten sich in diesem Zeitraum durchschnittlich jährlich um mindestens 1,1 Prozent bzw. um maximal 8,0 Prozent erhöht .21 Laut einer zusätzlichen Untersuchung im Rahmen dieser Studie verminderten sich im Jahr 2016 die Prämien für Beihilfeversicherte durchschnittlich um 1,5 Prozent, wohingegen sie im Jahr 2017 um durchschnittlich 6,4 Prozent zunahmen. Die Prämien der Versicherten ohne Beihilfeanspruch erhöhten sich danach im Jahr 2016 durchschnittlich um 1,8 Prozent, im Jahr 2017 stiegen sie im Durchschnitt um 11,7 Prozent.22 Darüber hinaus führt IGES an, dass Arbeitnehmer, Selbstständige und Statuswechsler häufiger von „stärkeren oder sprunghaften Beitragsentwicklungen“ betroffen seien als Beihilfeversicherte.23 Nach dem Ergebnis einer Kurzanalyse des Wissenschaftlichen Instituts der PKV (WIP) sind die Prämieneinnahmen in der PKV im Zeitraum von 2007 bis 2017 insgesamt um 35 Prozent gestiegen . Nach den Berechnungen der Studie bedeutet dies eine jährliche Durchschnittssteigerung der 20 Institut für Gesundheits- und Sozialforschung (IGES), Beitragsentwicklung in der PKV, Studie zur Entwicklung der Beiträge im Bestand und ihren wesentlichen Bestimmungsfaktoren, Berlin 2017, S. 101 f., abrufbar unter: http://www.iges.com/e6/e1621/e10211/e15829/e20723/e20724/e20725/attr_objs20726/IGES_Publikation_Beitragsentwicklung _PKV_ger.pdf. 21 Institut für Gesundheits- und Sozialforschung (IGES), Beitragsentwicklung in der PKV, Studie zur Entwicklung der Beiträge im Bestand und ihren wesentlichen Bestimmungsfaktoren, Berlin 2017, S. 100. 22 Institut für Gesundheits- und Sozialforschung (IGES), Beitragsentwicklung in der PKV, Studie zur Entwicklung der Beiträge im Bestand und ihren wesentlichen Bestimmungsfaktoren, Berlin 2017, S. 103. 23 Institut für Gesundheits- und Sozialforschung (IGES), Beitragsentwicklung in der PKV, Studie zur Entwicklung der Beiträge im Bestand und ihren wesentlichen Bestimmungsfaktoren, Berlin 2017, S. 101, 103. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 - 060/17 Seite 9 Prämienbelastung von 3 Prozent pro Versichertem.24 Aus einer weiteren Statistik des „map-reports “ ergibt sich, dass in den Jahren 2001 – 2012 die Prämien durchschnittlich relativ zum Vorjahr mindestens um 1,23 Prozent, höchstens um 6,97 Prozent gestiegen sind.25 5. Rechtsfolgen der Einführung eines einheitlichen Krankenversicherungssystems Im Rahmen der politischen Diskussion um die Einführung eines einheitlichen Krankenversicherungssystems (sog. „Bürgerversicherung“) werden regelmäßig auch verfassungsrechtliche Bedenken geäußert.26 Den Versicherungsgesellschaften und den Versicherten stünde in diesem Fall der Weg zum Bundesverfassungsgericht in Form einer Verfassungsbeschwerde gem. Art. 93 Abs. 1 Nr. 4 a GG27, §§ 13 Nr. 8a, 90 ff. BVerfGG28 offen. 5.1. Grundrechte der Versicherungsunternehmen Nach dem Zahlenbericht des Verbandes der Privaten Krankenversicherung machte die Krankenvollversicherung im Jahr 2015 einen Anteil von 70,19 Prozent der Beitragseinnahmen der PKV aus.29 Die Einführung einer zwingenden Einheitsversicherung unter Beschränkung der PKV auf Zusatzversicherungen wird in Folge dessen teilweise als existenzbedrohend für die PKV eingeschätzt .30 Die Frage, ob die Einführung einer Bürgerversicherung in die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsfreiheit der privaten Versicherungsunternehmen eingreift oder diese sogar verletzt, ist sehr 24 Wissenschaftliches Institut der PKV (WIP), Entwicklung der Beitragseinnahmen in PKV und GKV, Kurzanalyse, Köln 2016, S. 7 f., abrufbar unter: file://parlament/daten/DP_wd9-pc-01-ma01/Buero/WIP-Kurzanalyse _02_2016_BeitragseinnahmenPKV_GKV.pdf. 25 map-report, Statista, Beitragssteigerung der privaten Krankenversicherung von 2001 bis 2012 (gegenüber dem Vorjahr), abrufbar unter: https://de.statista.com/statistik/daten/studie/218987/umfrage/beitragssteigerung-derprivaten -krankenversicherung-pkv/ (Stand: 19.12.2017). 26 Ausführlich behandelt in: Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages, Verfassung und Verwaltung: Verfassungsmäßigkeit einer Bürgerversicherung, WD 3-486/10, abrufbar unter: https://www.bundestag .de/blob/423772/24fbcf9aa538acbc2da3cdd13a6e58df/wd-3-48 6-10-pdf-data.pdf. 27 Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 100- 1, veröffentlichten bereinigten Fassung, zuletzt geändert durch Artikel 1 des Gesetzes vom 13. Juli 2017 (BGBl. I S. 2347), im Internet abrufbar unter https://www.gesetze-im-internet.de/gg/BJNR000010949.html. 28 Bundesverfassungsgerichtsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993, zuletzt geändert durch Artikel 2 des Gesetzes vom 8. Oktober 2017 (BGBl. I S. 3546), abrufbar unter https://www.gesetze-im-internet .de/bverfgg/BJNR002430951.html; Ausführlich behandelt in: Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages , Argumente für und gegen eine „Bürgerversicherung“, WD 9 – 58/17. 29 Verband der Privaten Krankenversicherung (PKV), Zahlenbericht 2015, abrufbar unter https://www.pkv.de/service /zahlen-und-fakten/archiv-pkv-zahlenbericht/zahlenbericht-2015.pdf, S. 25. 30 So Sodan, Stellungnahme zu dem von der Fraktion DIE LINKE. In den Deutschen Bundestageingebrachten Antrag „Solidarische und gerechte Finanzierung von Gesundheit und Pflege“ (BT-Drs. 18/11722), in: Deutscher Bundestag, Ausschuss für Gesundheit, Ausschussdrucksache 18(14)0267(11), S. 10, abrufbar unter: http://www.digr.de/files/stellungnahme.pdf. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 - 060/17 Seite 10 umstritten.31 Dass Versicherungsunternehmen den Schutz der Berufsfreiheit für sich in Anspruch nehmen können, wird ganz überwiegend nicht angezweifelt.32 Ebenfalls unumstritten ist, dass die Einführung einer Bürgerversicherung als zumindest mittelbarer Eingriff in die Berufsfreiheit der privaten Versicherungsunternehmen anzusehen ist. Die Ansichten zu der Frage, ob ein solcher Eingriff gerechtfertigt wäre, sind allerdings geteilt.33 Befürworter der Bürgerversicherung benennen etwa die Stabilität, Funktionsfähigkeit und Finanzierbarkeit des Gesundheitswesens als überragend wichtige Gemeinwohlbelange, die die Grundrechte der Versicherungsunternehmen zurücktreten ließen.34 Darüber hinaus wird auch vertreten, dass die Bürgerversicherung einen Eingriff in den Schutzbereich von Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG darstelle, der den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb unter Schutz stellt. So wird teilweise davon ausgegangen, dass sich die Einführung der Bürgerversicherung für die privaten Versicherungsunternehmen als enteignende oder enteignungsgleiche Maßnahme auswirke, sodass Entschädigungspflichten aus Art. 14 Abs. 3 GG begründet würden.35 Zu beachten ist aber, dass sich der Schutz von Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG nur auf bestehende Rechtspositionen bezieht. Zukünftige Betätigungsmöglichkeiten werden nicht geschützt.36 Unbedenklich in Bezug auf Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG wäre daher wohl eine Ausgestaltung der Bürgerversicherung, die einen Bestandsschutz für die bestehenden privaten Versicherungsverhältnisse vorsieht.37 31 Eine Übersicht über den Meinungsstand findet sich bei Brandt, Bürgerversicherung: Europa- und verfassungsrechtliche Rahmenbedingungen, 2014, S. 26. 32 So aber Fisahn, Eine Bürgerversicherung ist rechtens – Eine Untersuchung zu den verfassungsrechtlichen und europarechtlichen Problemen bei der Einführung einer Bürgerversicherung in Deutschland, Hugo Sinzheimer Institut für Arbeitsrecht, 2013, S. 26 ff. 33 Dafür Fisahn, Eine Bürgerversicherung ist rechtens – Eine Untersuchung zu den verfassungsrechtlichen und europarechtlichen Problemen bei der Einführung einer Bürgerversicherung in Deutschland, Hugo Sinzheimer Institut für Arbeitsrecht, 2013, S. 46 ff.; Schräder, Bürgerversicherung und Grundgesetz, 2008, S. 299 ff.; dagegen Brall/Voges, Modell Bürgerversicherung – Verfassungsrechtliche und europarechtliche Fragen, 2004, 19 ff.; Brandt, Bürgerversicherung: Europa- und verfassungsrechtliche Rahmenbedingungen, 2014, S. 29 ff. 34 So Fisahn, Eine Bürgerversicherung ist rechtens – Eine Untersuchung zu den verfassungsrechtlichen und europarechtlichen Problemen bei der Einführung einer Bürgerversicherung in Deutschland, Hugo Sinzheimer Institut für Arbeitsrecht, 2013, S. 55; Schräder, Bürgerversicherung und Grundgesetz, 2008, S. 305 ff. 35 So etwa Scholz, Grundgesetzwidrig, Die Welt, 5. Dezember 2017. 36 BVerfG, Beschluss vom 4. Februar 2004, 1 BvR 1103/03, abrufbar unter http://www.bverfg.de/entscheidungen /rk20040204_1bvr110303 (Stand: 27. Dezember 2017), Rn. 40. 37 So bereits in: Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages, Verfassung und Verwaltung: Verfassungsmäßigkeit einer Bürgerversicherung, WD 3-486/10, S. 15. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 - 060/17 Seite 11 Eine Stichtags- bzw. Zwangsregelung wird aufgrund der verfassungsrechtlichen Bedenken zum Teil auch von den Befürwortern der Bürgerversicherung als zweifelhaft angesehen.38 Diese plädieren deshalb für ein Wahlrecht der bisher privat Versicherten.39 5.2. Grundrechte der Versicherten In Bezug auf die Grundrechte der bislang privat Versicherten wird argumentiert, dass die Ansprüche gegen ihre jeweiligen Versicherer durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützt seien.40 Dies könnte insbesondere die Altersrückstellungen betreffen, die privat Versicherte zur Abdeckung der Mehrkosten im Alter anlegen. Die Frage, ob die Altersrückstellungen überhaupt Eigentumspositionen sind und daher dem Schutz von Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG unterfallen und wenn ja, wem diese Positionen zustehen, war lange Zeit umstritten. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat dazu jedoch 2009 in einem obiter dictum ausgeführt, die Altersrückstellungen hätten „nicht den Charakter eines konkreten, dem Inhaber nach Art eines Ausschließlichkeitsrechts zugeordneten Eigentumsrechts.“ Sie seien lediglich Kalkulationsposten .41 Dementsprechend kam das Gericht 2013 in einem Verfahren über die Portabilität von Altersrückstellungen zu dem Ergebnis, dass diese nicht unter dem Schutz von Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG stünden.42 38 So Greß, Stellungnahme zum Antrag der Fraktion DIE LINKE. „Solidarische und gerechte Finanzierung von Gesundheit und Pflege“ (BT-Drs. 18/11722), in: Deutscher Bundestag, Ausschuss für Gesundheit, Ausschussdrucksache 18(14)0267(5), S. 2, abrufbar unter: https://www.hs-fulda.de/fileadmin/user_upload/FB_Pflege_und_Gesundheit /Meldungen/Anhoerung_Prof._Dr._Stefan_Gress_im_Deutschen_Bundestag.pdf. 39 So Greß, Stellungnahme zum Antrag der Fraktion DIE LINKE. „Solidarische und gerechte Finanzierung von Gesundheit und Pflege“ (BT-Drs. 18/11722), in: Deutscher Bundestag, Ausschuss für Gesundheit, Ausschussdrucksache 18(14)0267(5), S. 3, abrufbar unter: https://www.hs-fulda.de/fileadmin/user_upload/FB_Pflege_und_Gesundheit /Meldungen/Anhoerung_Prof._Dr._Stefan_Gress_im_Deutschen_Bundestag.pdf; Sozialverband Deutschland (SoVD), Stellungnahme zum Antrag der Fraktion DIE LINKE. „Solidarische und gerechte Finanzierung von Gesundheit und Pflege“ (BT-Drs. 18/11722), in: Deutscher Bundestag, Ausschuss für Gesundheit, Ausschussdrucksache 18(14)0267(2), S. 4, abrufbar unter: https://www.sovd.de/fileadmin//downloads/sozpoldok /pdf/2017-06-15_SoVD_StN_Buergerversicherung.pdf. 40 So etwa Sodan, Stellungnahme zu dem von der Fraktion DIE LINKE. In den Deutschen Bundestageingebrachten Antrag „Solidarische und gerechte Finanzierung von Gesundheit und Pflege“ (BT-Drs. 18/11722), in Deutscher Bundestag, Ausschuss für Gesundheit, Ausschussdrucksache 18(14)0267(11), S. 8, abrufbar unter: http://www.digr.de/files/stellungnahme.pdf. 41 BVerfG, Urteil vom 10. Juni 2009, 1 BvR 706/08 u.a., abrufbar unter http://www.bundesverfassungsgericht .de/SharedDocs/Downloads/DE/2009/06/rs20090610_1bvr070608.pdf?__blob=publicationFile&v=1 (Stand: 28. Dezember 2017), Rn. 202. 42 BVerfG, Beschluss vom 26. Juni 2013, 1 BvR 1148/13, Rn 9, abrufbar unter http://www.bundesverfassungsgericht .de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2013/06/rk20130626_1bvr114813.html (Stand: 28. Dezember 2017). Ablehnend gegenüber dieser Auffassung Depenheuer, „Bürgerversicherung“ und Grundgesetz – Auf dem Weg zu einer Totalisierung des sozialen Sicherheitsdenkens, in: Neue Zeitschrift für Sozialrecht, 2014 S. 201 ff. sowie Boetius, Aufbau und rechtliche Struktur der Alterungsrückstellung – zur Diskussion um den Eigentumscharakter der Alterungsrückstellung in der privaten Krankenversicherung (PKV), in: Versicherungsrecht 2014, S. 140 ff. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 - 060/17 Seite 12 Unabhängig von dieser Entscheidung wird überwiegend dafür plädiert, den bisherigen Versicherten der PKV einen Bestandsschutz43 oder die Möglichkeit zur Mitnahme der Altersrückstellungen 44 zu gewähren. 6. Umfang der Leistungskataloge und innovative Behandlungen Die Leistungen der GKV werden innerhalb des Rahmens, den das SGB V steckt, durch die Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA) konkretisiert. Das Leistungsspektrum der PKV entspricht nach den Musterbedingungen MB/KK 200945 zwar in etwa dem des sog. Leistungskataloges der GKV, ein abschließender Vergleich ist aber schwerlich zu vollziehen, da der private Krankenversicherungsvertrag im Rahmen der vom Versicherer angebotenen Tarifstruktur individuell ausgehandelt wird und je nach Tarif stark unterschiedlich gestaltet sein kann. Neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden sind im Rahmen der GKV dann umfasst, wenn der GBA gemäß § 135 Abs. 1 SGB V i.V.m. § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 SGB V per Richtlinie darüber entschieden hat, dass diese den gesetzlichen und medizinischen Anforderungen genügen. Bei lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankungen, für die eine allgemein anerkannte und dem medizinischen Standard entsprechende Leistung nicht zur Verfügung steht, hat der Versicherte einen Anspruch auf innovative Untersuchungs- und Behandlungsmethoden, die noch nicht vom GBA anerkannt wurden. Voraussetzung hierfür ist eine „auf Indizien gestützte, nicht ganz fernliegende Aussicht auf Heilung“ oder zumindest ein positiver Einfluss auf den Krankheitsverlauf der innovativen Methode. Dieser Anspruch des Versicherten wurde in Folge einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts46 in § 2 Abs. 1a SGB V gesetzlich verankert. In der PKV sind Diagnose- und Behandlungsmethoden dann grundsätzlich vom Leistungsspektrum umfasst, wenn sie medizinisch notwendig und im Versicherungsvertrag vereinbart sind. Neben schulmedizinisch anerkannten Behandlungen fallen hierunter innovative Methoden, die sich 43 Sodan, Stellungnahme zu dem von der Fraktion DIE LINKE. In den Deutschen Bundestageingebrachten Antrag „Solidarische und gerechte Finanzierung von Gesundheit und Pflege“ (BT-Drs. 18/11722), in Deutscher Bundestag , Ausschuss für Gesundheit, Ausschussdrucksache 18(14)0267(11), S. 8, abrufbar unter: http://www.digr.de/files/stellungnahme.pdf. 44 Greß, Stellungnahme zum Antrag der Fraktion DIE LINKE. „Solidarische und gerechte Finanzierung von Gesundheit und Pflege“ (BT-Drs. 18/11722), in: Deutscher Bundestag, Ausschuss für Gesundheit, Ausschussdrucksache 18(14)0267(5), S. 3, abrufbar unter: https://www.hs-fulda.de/fileadmin/user_upload/FB_Pflege_und_Gesundheit /Meldungen/Anhoerung_Prof._Dr._Stefan_Gress_im_Deutschen_Bundestag.pdf; Greß/Lüngen, Die Einführung einer Bürgerversicherung, in : Gesundheits- und Sozialpolitik, Heft 3-4 2017, S. 68 (71); Sozialverband Deutschland (SoVD), Stellungnahme zum Antrag der Fraktion DIE LINKE. „Solidarische und gerechte Finanzierung von Gesundheit und Pflege“ (BT-Drs. 18/11722), in: Deutscher Bundestag, Ausschuss für Gesundheit, Ausschussdrucksache 18(14)0267(2), S. 4, abrufbar unter: https://www.sovd.de/fileadmin//downloads/sozpoldok /pdf/2017-06-15_SoVD_StN_Buergerversicherung.pdf Für eine Portabilität zwischen PKV und GKV auch Kingreen, Niemals geht man so ganz: Die Altersrückstellungen in der PKV, in: Gesundheit und Gesellschaft, Sonderbeilage G+G Wissenschaft, Heft 1, S. 16 ff. 45 https://www.pkv.de/service/broschueren/musterbedingungen/mb-kk-2009.pdb.pdf?dl=1, Musterbedingungen 2009 für die Krankheitskosten- und Krankenhaustagegeldversicherung, Stand: Januar 2017. 46 BVerfGE 115, 25 (49). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 - 060/17 Seite 13 „in der Praxis als ebenso erfolgversprechend bewährt haben“ oder gleichsam erfolgsversprechend sind, vgl. § 4 Abs. 6 MB/KK 2009. 7. Zur Frage eines „Subventionierungseffekts“ der PKV zugunsten der GKV Bedingt durch die unterschiedliche Abrechnungsweise von GKV und PKV kommen für Leistungserbringer andere Vergütungen zustande, je nachdem, ob der Patient gesetzlich oder privat versichert ist. Für gesetzlich Versicherte gilt der einheitliche Bewerbungsmaßstab (EBM) im Rahmen eines vereinbarten Ausgabenvolumens 47. Die PKV rechnet dagegen nach den Gebührenordnungen für Ärzte (GOÄ)48 und Zahnärzte (GOZ)49 ab, was höhere Einnahmen für Ärzte bedeuten kann, da sie zu höheren Sätzen und insgesamt mehr Leistungen abrechnen können.50 Nach Angaben des WIP-Instituts der PKV machten die so generierten Mehrausgaben im Jahr 2015 insgesamt ca. 12,6 Mrd. Euro aus, im ambulanten Bereich ca. 6,06 Mrd. Euro. Danach machte jede Praxis durchschnittlich ca. 50.000 Euro mehr Umsatz, als wenn auch die Privatpatienten nach dem Standard der GKV abgerechnet würden. Laut PKV-Verband wird mit diesen Mehreinnahmen das GKV-System quersubventioniert und insgesamt die medizinische Versorgungsinfrastruktur gestützt bzw. verbessert.51 Nach anderer Ansicht52 gilt es keineswegs als gesichert, dass die durch die PKV generierten Mehreinnahmen letztlich allen – also auch den gesetzlich versicherten Patienten - zu Gute kommen . Verlässliche Zahlen darüber, wie die Mehreinnahmen verwendet werden, gibt es nicht. Laut einer Analyse des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WidO) entzieht die PKV aufgrund 47 Einheitlicher Bewertungsmaßstab (EBM), Stand: 3. Quartal 2017, hrsg. von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung , erstellt am 04.10.2017, abrufbar unter http://www.kbv.de/media/sp/EBM_Gesamt___Stand_3._Quartal _2017.pdf. 48 Gebührenordnung für Ärzte in der Fassung der Bekanntmachung vom 9. Februar 1996 (BGBl. I S. 210), zuletzt geändert durch Artikel 7 des Gesetzes vom 27. Juni 2017 (BGBl. I S. 1966), im Internet abrufbar unter https://www.gesetze-im-internet.de/go__1982/BJNR015220982.html. 49 Gebührenordnung für Zahnärzte vom 22. Oktober 1987 (BGBl. I S. 2316), zuletzt geändert durch Artikel 1 der Verordnung vom 5. Dezember 2011 (BGBl. I S. 2661), im Internet abrufbar unter http://www.gesetze-im-internet .de/goz_1987/BJNR023160987.html. 50 Walendzik et al., Vergütungsunterschiede im ärztlichen Bereich zwischen PKV und GKV auf Basis des standardisierten Leistungsniveaus der GKV und Modelle der Vergütungsangleichung, 2008, S. 4, abrufbar unter: https://www.wiwi.uni-due.de/fileadmin/fileupload/WIWI/pdf/165.pdf (Stand 03.01.2018). 51 Wissenschaftliches Institut der PKV (WIP), Mehrumsatz und Leistungsausgaben in der PKV, Jahresbericht 2017, S. 10; abrufbar unter: http://www.wip-pkv.de/fileadmin/user_upload/WIP-Diskussionspapier_1_2017_Mehrumsatz .pdf. 52 Leinert, Einkommensselektion und ihre Folgen, in: Fairer Wettbewerb oder Risikoselektion? Analysen zur gesetzlichen und privaten Krankenversicherung, hrsg. vom Wissenschaftlichen Institut der AOK, 2006, S. 47 f. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 - 060/17 Seite 14 von Effekten einer Einkommensselektion der GKV ein „überproportional hohes Beitragsaufkommen .“53 Durch die Leistungen der PKV für privat Versicherte und die Beihilfeleistungen für Beamte flössen diese Mittel derzeit allerdings nicht vollständig in das Gesundheitssystem zurück. Nach Einführung einer Bürgerversicherung stehe dem Gesundheitssystem daher insgesamt mehr Geld zur Verfügung als im derzeitigen dualen System.54 Ebenso kommt die IGES-Studie zu dem Ergebnis, dass durch von der PKV gezahlte höhere Vergütungen sowie Ausweitung der Leistungsmengen zwar „Überzahlungen“ entstünden. Daraus lasse sich aber eine sog. „Quersubventionierung“ der medizinischen Infrastruktur zu Gunsten der GKV nicht ableiten.55 Die Überzahlungen entstünden zum Teil durch eine „Überbehandlung“ der privat Versicherten, was hier insgesamt zu einer „Überversorgung“ führe. Es bestehe eine regionale Korrelation zwischen Ärztedichte und Anteil der privat krankenversicherten Bevölkerung. Gerade im ländlichen Raum, wo wenige privat Versicherte konzentriert seien, sei es eher die GKV, die die medizinische Versorgung (auch für die dort ansässigen PKV-Kunden) überhaupt aufrechterhalte .56 *** 53 Leinert, Einkommensselektion und ihre Folgen, in: Fairer Wettbewerb oder Risikoselektion? Analysen zur gesetzlichen und privaten Krankenversicherung, hrsg. vom Wissenschaftlichen Institut der AOK, 2006, S. 47. 54 Leinert, Einkommensselektion und ihre Folgen, in: Fairer Wettbewerb oder Risikoselektion? Analysen zur gesetzlichen und privaten Krankenversicherung, hrsg. vom Wissenschaftlichen Institut der AOK, 2006, S. 47. 55 Institut für Gesundheits- und Sozialforschung (IGES), Wettbewerb im Bereich der privaten Krankenversicherungen , Berlin 2010, S. 95 ff. 56 Jacobs, Vom dualen System zum einheitlichen Krankenversicherungsmarkt, in: Gesundheits- und Sozialpolitik (G+S) 2-3/2013, S. 21 (24).