Deutscher Bundestag Der Gesundheitsfonds, - Entstehungsgeschichte, Entwicklung, und Bewertung Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste © 2010 Deutscher Bundestag WD 9 – 3000-060/10 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 – 3000-060/10 Seite 2 Der Gesundheitsfonds, - Entstehungsgeschichte, Entwicklung, und Bewertung Aktenzeichen: WD 9 – 3000-060/10 Abschluss der Arbeit: 19. April 2010 Fachbereich: WD 9: Gesundheit, Familie, Senioren, Frauen und Jugend Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 – 3000-060/10 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Zusammenfassung 4 2. Entstehungsgeschichte 4 3. Die Regelungen des GKV- Wettbewerbsstärkungsgesetzes (GKV- WSG) (20) 7 4. Versicherungsfremde Leistungen 8 5. Risikostrukturausgleich und Finanzielle Entwicklung des Gesundheitsfonds 9 6. Gesichtspunkte für eine Bewertung des Modells Gesundheitsfonds10 7. Anmerkungen 10 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 – 3000-060/10 Seite 4 1. Zusammenfassung Ausgangspunkt für die Neuordnung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) waren die Bestrebungen , die längerfristigen Folgen der demografischen Entwicklung auf die Beitragsentwicklung zu begrenzen. Außerdem sollte es Entlastungen bei den Lohnnebenkosten geben. Dazu wurden verschiedene Modelle vorgelegt. Die Fraktionen der Großen Koalition einigten sich schließlich 2006/2007 auf eine Konzeption, die sich an Vorschläge von Prof. Richter anlehnt. Beiträge von Arbeitgebern und Arbeitnehmern sowie Bundeszuschüsse speisen als Hauptanteile den Gesundheitsfonds. Die Beitragshöhe legt die Bundesregierung durch Rechtsverordnung auf der Grundlage der Vorschläge eines Schätzerkreises fest. Aus dem Fonds erhalten die Krankenkassen nach bestimmten Kriterien (insbesondere Morbiditätsgruppen) vom Bundesversicherungsamt (BVA) Zuweisungen. Kassen, deren Finanzbedarf durch die Zuweisungen nicht gedeckt wird, können Zusatzbeiträge bis zu einem Prozent der Mitgliedsbeiträge erheben. Die Bundeszuschüsse sollen bis zu einem Betrag von 14 Mrd. € jährlich aufgestockt werden und versicherungsfremde Leistungen abdecken. Während der Fonds im Jahr 2009 ein Defizit von 2,482 Mrd. € aufwies , erzielten die Kassen der GKV im gleichen Jahr einen Überschuss von 1,086 Mrd. €. Von der GKV sind Versicherungsfremde Leistungen in erheblicher Höhe zu leisten. So beliefen sich allein die Kosten für die Leistungen bei Schwangerschaft und Mutterschaft 2009 auf 3,288 Mrd. €. In der Bewertung des Gesundheitsfonds werden Vorteile in der erwarteten Reduzierung der Zahl der Kassen sowie in der möglichen Konzentration auf Felder wie Prävention und Integrierte Versorgung gesehen. Nachteilig seien die tendenzielle Unterfinanzierung und die Abhängigkeit von der Ausgestaltung der Bundeszuschüsse zu werten. 2. Entstehungsgeschichte Im November 2002 wurde von der Ministerin für Gesundheit und Soziale Sicherung, Ulla Schmidt, die Kommission für die Nachhaltigkeit in der Finanzierung der Sozialen Sicherungssysteme unter Vorsitz von Prof. Dr. Bert Rürup berufen. Die Kommission legte im August 2003 ihre Vorschläge vor. Ziel der Vorschläge war es, die Finanzierung der Sozialen Sicherungssysteme nachhaltiger zu gestalten, d.h., die Kosten des Faktors Arbeit auch bei steigenden Kosten der sozialen Sicherung nicht weiter ansteigen zu lassen (1). Darüber hinaus sollten die steigenden Kosten der sozialen Sicherung gleichmäßiger zwischen allen Generationen verteilt werden. In der Krankenversicherung sollte die notwendige und ausreichende Versorgung mit medizinischen Leistungen auf einem hohen technischen Stand unabhängig von Alter und Einkommen gewährleistet werden(2). Die Kommission erwartete einen Anstieg der Lebenserwartung von 65-Jährigen bis zum Jahr 2030 um 2,6 Jahre bei Männern und um 3,1 Jahre bei Frauen(3). Sie unterstellte wegen des Abbaus von Arbeitslosigkeit und stärkerer Erwerbsbeteiligung von Frauen allerdings nur ein Absinken der Zahl der Beschäftigten um eine Mio. Personen. Um die angestrebten Ziele zu erreichen, seien eine Versicherungspflicht und der Kontrahierungszwang auf der Seite der Krankenversicherun- Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 – 3000-060/10 Seite 5 gen erforderlich. Die Anreize zu einer Selektion nach Gesundheitszustand oder Risikoprognosen müssten durch einen geeigneten Risikostrukturausgleich minimiert werden(4). Die Kommission diskutierte zwei Konzepte: eine die gesamte Bevölkerung umfassende Bürgerversicherung und das Modell pauschaler Gesundheitsprämien(5). Bei der Bürgerversicherung werden der Versichertenkreis und die Beitragsgrundlagen auf alle Bürgerinnen und Bürger und alle Einkommensarten ausgeweitet, die Versicherungspflichtgrenze abgeschafft und die Beitragsbemessungsgrenze angehoben. Langfristiges Ziel ist, dass die gesetzlichen Krankenkassen (GKV) das medizinisch Notwendige absichern und die Privaten Krankenversicherungen (PKV) Zusatzversicherungen anbieten (Anlage 1)(6). Das System pauschaler Gesundheitsprämien orientiert sich am Äquivalenzprinzip und zielt auf die Entkoppelung der Beiträge zur GKV von den Arbeitskosten (7). Der Solidarausgleich würde dadurch hergestellt, dass Versicherte mit geringem Haushaltseinkommen steuerfinanzierte Prämienzuschüsse erhalten. Die PKV könnte als kapitalgedeckte Krankenvollversicherung erhalten bleiben, sollte aber einem schärferen Wettbewerb ausgesetzt werden. Dies erfordere portable Alterungsrückstellungen . Es wurde auch längerfristig von einem einheitlichen Ordnungs- und Regulierungsrahmen für GKV und PKV gesprochen. Der Bundesvorstand der CDU setzte 2003 die Kommission „ Soziale Sicherheit“ unter Vorsitz von Prof. Dr. Roman Herzog ein, um angesichts der demografischen Entwicklung Reformvorschläge zur Sicherung der Zukunftsfähigkeit der sozialen Sicherungssysteme zu erarbeiten. Die Kommission ging davon aus, dass aufgrund der demografischen Entwicklung Handlungsbedarf gegen sei. Sie erwartete bei einer Geburtenrat 1,34 Kindern pro gebärfähiger Frau ein Absinken der Bevölkerungszahl von 82,5 Mio. Einwohner auf 78 Mio. Einwohner im Jahr 2030 und 68 Mio. Einwohner im Jahr 2050 (8). Gleichzeitig wurde eine steigende Lebenserwartung bei Männern um 8,2 Lebensjahre und bei Frauen um 10,3 Lebensjahre bis zum Jahr 2050 angenommen. Die Zahl der über 65-Jährigen werde von 13,7 Mio. auf 20,3 Mio. (2030) und 20,6 Mio. (2050) steigen. Die Zahl der Erwerbsfähigen (20 – 65 Jahre) werde von 52 Mio. bis 2050 auf 37 Mio. sinken . Damit werde der Altersquotient (Relation der 65-Jährigen und Älteren zu den 20 – 64- Jährigen) von 29,2 : 100 auf 59,4 : 100 im Jahr 2050 steigen. Dieser Quotient gibt in etwa die Relation von Rentenbeziehern zu Beitragszahlern wieder. Die Kosten für Gesundheit und Pflege sind für ältere Menschen höher als für jüngere. Als Folge der Alterung der Bevölkerung müsse deshalb mit steigenden Aufwendungen für Gesundheit, Pflege und Rente gerechnet werden. Medizinischer Fortschritt und ineffiziente Strukturen würden zu weiteren Kostensteigerungen führen. Ohne strukturelle Reformen werde die Beitragsquote von 42% der Bruttolöhne und –gehälter auf 54% im Jahr 2030 und 61% im Jahr 2050 steigen (9). Ziel der Kommission war es, die Lohnnebenkosten bei ca. 40%der Bruttolöhne zu stabilisieren. Neben der Verlagerung kleinerer Risiken in die individuelle Eigenverantwortung der Bürger und die Entlastung der Systeme von sozialpolitischen oder allgemeinpolitischen Zielen schlug die Kommission ein kapitalgedecktes, einkommensunabhängiges und demografiefesteres Prämiensystem vor (Anlage 2) (10). Eine Ausweitung des Versichertenkreises im Sinne einer „Bürgerversicherung “ sei nicht sinnvoll, da einer geringfügigen Beitragssteigerung erhebliche zusätzliche Ausgaben gegenüberstehen würden. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 – 3000-060/10 Seite 6 Nach einer Umstellungsphase sei für jeden Versicherten durch eine lebenslange, gleich bleibende monatliche Prämie ein individueller Kapitalstock aufzubauen. Um die Prämie für ältere Versicherte bei max. 264 € deckeln zu können, solle ein kollektiver Kapitalstock in Höhe von ca. 290 Mrd. € gebildet werden. Für Geringverdiener solle ein steuerlicher Ausgleich gezahlt werden. Dafür seien jährlich ca. 27,3 Mrd. € erforderlich (11). In der Übergangsphase sollten bei der Bemessung des Beitrags alle Einkünfte bis zur Beitragsbemessungsgrenze herangezogen werden. Kinder bleiben beitragsfrei versichert. Bei der Versicherung von Ehegatten sollte ein Splitting durchgeführt werden. Dadurch würden höhere Einkommensbezieher stärker belastet, wenn der Ehepartner kein eigenes Einkommen bezieht und keine Kindererziehung oder Pflege von Angehörigen nachweisen kann. In der 10-jährigen Übergangsphase sollte der Beitrag für die Gesetzliche Krankenversicherung (GKV) auf 13,3% festgeschrieben werden. Der Arbeitgeberbeitrag solle bei 6,5% fixiert werden. Dabei sollten 1,1% zur Zahlung des Krankengeldes ab der siebten Krankheitswoche verwendet werden. Damit sollte den Arbeitgebern die alleinige Zuständigkeit für diese Aufgabe übertragen werden. Eine Reihe weiterer Vorschläge (z.B. zur privaten Versicherungspflicht für Zahnersatz) rundete dieses Konzept ab. Auf dem Parteitag der CDU am 1. Dezember 2003 in Leipzig wurde der Antrag des Bundesvorstandes „Deutschland fair ändern. Ein neuer Generationenvertrag für unser Land“ verabschiedet (12). Gegenüber den Vorschlägen der Herzog-Kommission wurden folgende wichtige Änderungen beschlossen. Gesundheitsprämien sollten so schnell wie möglich eingeführt werden. Die Prämie sollte für Erwachsene 200 € betragen und sich aus einem Grundbeitrag von 180 € und einem Vorsorgebeitrag von 20 € zusammensetzen. Die Grundprämie war zur Finanzierung der Ausgaben der Krankenkassen gedacht. Der Leistungskatalog sollte erhalten bleiben. Die Prämie sollte entsprechend der Kostenentwicklung im Gesundheitswesen angepasst werden. Das Krankengeld sollte weiter in der paritätischen Finanzierung verbleiben, die Zahnbehandlung weiter zum Leistungskatalog der GKV gehören. Für Kinder sollte die Kindergeldstelle den halben Grundbeitrag (90 €] zahlen. Damit würde diese Aufgabe ins Steuersystem verlagert. Der Arbeitgeberanteil sollte mit 6,5% gedeckelt, den Arbeitnehmern ausgezahlt und als Lohnbestandteil versteuert werden. Ein sozialer Ausgleich sollte für Alleinstehende mit einem Einkommen bis 1.400 €, für Verheiratete mit einem Verdienenden bis 2.800 € erfolgen. Auch nach einer Übergangsphase von vier Jahren sollte die Belastung der Haushalte durch Prämien 15% des Bruttogesamthaushaltseinkommens nicht überschreiten. Die Vorteile der Vorschläge wurden darin gesehen, dass die Finanzierung der sozialen Sicherungssysteme langfristig gesichert würde (13). Die aufgrund der demographischen Entwicklung zu erwartende Mehrbelastung jüngerer Generationen würde vermieden. Die Lohnnebenkosten würden gesenkt und positive Effekte für Wachstum und Beschäftigung erzielt werden. Im Wahlmanifest der SPD vom 4.7.2005 wurde das Modell einer Bürgerversicherung propagiert, in die Gutverdienende, Beamte, Selbständige und Politiker einbezogen werden sollten (14). Es soll Kontrahierungszwang bestehen. Die Beiträge sollten einkommensbezogen erhoben werden. Dazu sollten auch die Kapitalerträge herangezogen werden. Die beitragsfreie Familienversicherung sollte erhalten bleiben. Der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung stellte in seinem Jahresgutachten 2004/05 das Modell einer Bürgerpauschale vor (Anlage 3)(15). Unter an- Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 – 3000-060/10 Seite 7 derem enthielt es folgende Elemente: die gesamte Wohnbevölkerung sollte versicherungspflichtig sein; die Beiträge werden von den einzelnen Krankenkassen einkommensabhängig nach den durchschnittlichen Gesundheitskosten der Versicherten der jeweiligen Kasse erhoben, die beitragsfreie Mitversicherung von Ehegatten entfällt, ein morbiditätsorientierter Risikostrukturausgleich sichert den Wettbewerb, für Personen mit geringen Einkommen wird ein sozialer Ausgleich installiert. Im Oktober 2005 legte dann der Wissenschaftliche Beirat beim Bundesministerium für Finanzen ein Konsensmodell vor (Anlage 4) (16). Die Beiträge werden an eine zentrale Inkassostelle überwiesen . Jeder Versicherte erhält eine Gutschrift in Höhe des Beitrags, der im Durchschnitt je Versicherten geleistet wird. Es kann zu Zuzahlungen und Rückerstattungen kommen. Private Versicherungen unterliegen dem Kontrahierungszwang. Zur gleichen Zeit wurde von Prof. Wolfram F. Richter ein Kompromissvorschlag vorgelegt (17). Darin wird an der lohnbezogene Beitragserhebung festgehalten. Die Beiträge werden nach einem einheitlichen Durchschnittssatz bemessen und einem Sonderhaushalt GKV zugeführt. Die Einnahmen werden zu gleichen Teilen gutgeschrieben. Die Versicherungen werden verpflichtet, einen Katalog an Mindestleistungen anzubieten und dafür eine vom Unternehmen kalkulierte einkommensunabhängige Pauschalprämie zu verlangen. Differenzen zwischen Pauschalprämie und Zahlungsanspruch aus dem Sonderhaushalt sind vom Versicherten zu tragen oder ihm auszuzahlen . Der Risikostrukturausgleich soll erhalten bleiben. Im Koalitionsvertrag vom November 2005 war zunächst die Grundsatzentscheidung offen gehalten worden. Es war die Rede von einem leistungsfähigen, solidarischen und demografiefesten Gesundheitswesen (18). Der Wechsel zwischen den Krankenversicherungen sollte erleichtert, beim Risikostrukturausgleich die Morbiditätsrisiken besser abgebildet werden. Mit dem Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV- Wettbewerbsstärkungsgesetz- GKV- WSG) im Dezember 2006 und dessen Verabschiedung 2007 wurden die Grundlagen für die Einrichtung des Gesundheitsfonds geschaffen. Nach Auffassung von Beobachtern war, mit diesem Modell, beiden Fraktionen gedient, denn der Fonds könne nach den jeweiligen politischen Zielvorstellungen weiterentwickelt werden. (19). 3. Die Regelungen des GKV- Wettbewerbsstärkungsgesetzes (GKV-WSG) (20) Nach §271 SGB V verwaltet das Bundesversicherungsamt (BVA) den Gesundheitsfonds als Sondervermögen . Dazu gehören Arbeitgeberbeiträge, Arbeitnehmerbeiträge, Beiträge aus Rentenzahlungen und Bundesmittel. Nach § 241 SGB V legt die Bundesregierung nach Auswertung der Ergebnisse eines beim BVA gebildeten Schätzerkreises durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates den allgemeinen Beitragssatz in Hundertsteln der beitragspflichtigen Einkommen fest. Schrittweise ist eine Liquiditätsreserve in Höhe von 20% der durchschnittlich auf den Monat entfallenden Ausgaben aufzubauen. Für den Fall, dass die Liquiditätsreserve nicht ausreicht, um alle Zuweisungen zu erfüllen, leistet der Bund ein Liquiditätsdarlehen. Der Beitragssatz ist nach § 220 SGB V zu erhöhen, wenn die voraussichtlichen Einnahmen des Gesundheitsfonds die voraussichtlichen Ausgaben der Krankenkassen einschließlich der für den Aufbau der Liquiditätsreserve erforderlichen Mittel im laufenden und im Folgejahr nicht zu 95% decken. Der Bund zahlt nach 221 SGB V Mittel zur pauschalen Abgeltung der Aufwendungen Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 – 3000-060/10 Seite 8 der Krankenkassen für versicherungsfremde Leistungen. Die Leistungen des Bundes betragen 11,8 Mrd. € im Jahr 2010 und erhöhen sich in den Folgejahren um jährlich 1,5 Mrd. € bis zu einer Gesamtsumme von 14 Mrd. €. Mit der Verabschiedung des Sozialversicherungs- Stabilisierungsgesetzes wurden die Leistungen des Bundes für das Jahr 2010 zusätzlich um 3,9 Mrd. € angehoben (§ 221a SGB V). Die Krankenkassen erhalten nach § 266 SGB V als Zuweisungen aus dem Gesundheitsfonds zur Deckung ihrer Ausgaben eine Grundpauschale, alters- geschlechts- und risikoadjustierte Zu, - und Abschläge zum Ausgleich der unterschiedlichen Risikostrukturen und Zuweisungen für sonstige Ausgaben. Das BVA ermittelt die Höhe der Zuweisungen und weist sie den Krankenkassen zu. Gemäß § 268 SGB V wurde der Risikostrukturausgleich weiterentwickelt. Dabei sollten Morbiditätsgruppen anhand von 50 bis 80 insbesondere kostenintensiven chronischen Krankheiten gebildet werden. Soweit der Finanzbedarf einer Krankenkasse durch die Zuweisungen aus dem Fonds nicht gedeckt ist, hat sie nach § 242 SGB V einen Zusatzbeitrag zu erheben. Der Zusatzbeitrag ist auf 1% der beitragspflichtigen Einnahmen des Mitglieds begrenzt. Die Kasse erhebt den Zusatzbetrag ohne Prüfung der Höhe der Einnahmen des Mitglieds, wenn dieser den Betrag von 8 € nicht überschreitet. Die Mitglieder haben bei Erhebung eines Zusatzbeitrags gemäß § 175 SGB V ein Sonderkündigungsrecht. Sofern die Zuweisungen aus dem Fonds den Finanzbedarf einer Kasse übersteigen, kann diese bestimmen, dass Prämien an ihre Mitglieder ausgezahlt werden. 4. Versicherungsfremde Leistungen Das Prinzip der versicherungstechnischen Äquivalenz geht davon aus, dass im Rahmen einer Versicherung die Beiträge eines jeden einzelnen so kalkuliert sein sollten, dass sie erwartungsgemäß den späteren Versicherungsleistungen entsprechen (21). Der Logik am Äquivalenzprinzip orientierter Beitragsysteme, so Lamping, widerspreche es, Umverteilungsfunktionen größeren Umfangs zu übernehmen (22). Sodan hält versicherungsfremde Leistungen sowohl aus grundrechtlichen als auch kompetenzrechtlichen Gründen für verfassungswidrig. Krankenversicherungsfremde Leistungen hielten sich nicht im Rahmen der Gesetzgebung für die Sozialversicherung (23). Lamping ist dagegen der Auffassung, dass die Sozialversicherung nur als unauflösbare Kombination von Versicherungsleistungen und so genannten versicherungsfremden Leistungen gedacht werden könne (24). Kernvorstellung sei ein politisch gewollter und demokratisch entschiedener Ausgleich sozialer Risiken. Beim Risikoausgleich z.B. würden Beiträge nicht risikobezogen erhoben. In der Familienversicherung werden Nicht-Beitragszahler zu Leistungsempfängern . Durch Bundeszuschüsse werden Steuergelder von Nichtversicherten in das System transferiert . Zu den versicherungsfremden Leistungen gehören die beitragsfreie Versicherung während des Erziehungsurlaubs, Leistungen im Zusammenhang mit Schwangerschaft und Mutterschaft, Leistungen zur Empfängnisverhütung, Betriebs- und Haushalthilfen, Mutterschaftsgeld, Krankengeld zur Betreuung eines kranken Kindes (25). In der Regel sind Grundlage derartiger Leistungen Entscheidungen des Gesetzgebers (so z.B. § 8 Abs. 1 Nr. 2, § 11 Abs. 1 Nr.2, § 24 a, b, § 27 a, § 45 SGB V, § 13 MuSchG). Zu den wichtigsten Punkten gehört jedoch die beitragsfreie Versicherung von Kindern und die beitragsfreie Versicherung von Familienangehörigen nach § 10 SGB V. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 – 3000-060/10 Seite 9 § 221 SGB V spricht davon, dass der Bund zur pauschalen Abgeltung der Aufwendungen der Krankenkassen für versicherungsfremde Leistungen Beiträge an den Gesundheitsfonds leistet. Eine nähere Begründung ist nicht erfolgt, auch wenn K.-D. Henke unterstellt, dass die Ausgaben für die Krankenversicherung von Kindern übernommen werden sollen (26). Falls dies die Zielsetzung ist, ist sie möglicherweise nicht unproblematisch. So hat der Verband der privaten Krankenversicherung in seiner Stellungnahme zum Konjunkturpaket II darauf hingewiesen, dass in diesem Fall eine familienpolitische Ungleichbehandlung nicht statthaft sei (Anlage 5)(27). In den Vorläufigen Rechnungsergebnissen der Gesetzlichen Krankenversicherung für das Jahr 2009 gibt das Bundesministerium für Gesundheit an, dass 269 Mio. € für Empfängnisverhütung, Sterilisation und Schwangerschaftsabbruch und 3,288 Mrd. € für Leistungen bei Schwangerschaft und Mutterschaft aufgewendet wurden (28). Göpffarth/Henke schätzen für das Jahr 2007, dass sich die Ausgaben für 12,9 Mio. Mitversicherte unter 18 Jahren auf 13,4 Mrd. € und für ca. 7,4 Mio. beitragsfrei mitversicherte Familienangehörige ab 18 Jahren auf 10,9 Mrd. € belaufen haben (29). Beske schätzt die Kosten für die beitragsfreie Versicherung von Kindern für das Jahr 2008 auf 14 Mrd. €, für die Mitversicherung von Ehegatten und Lebenspartnern auf 7 – 9 Mrd. € (30). Beske geht darüber hinaus von Kosten in Höhe von 1,4 Mrd. € für die Beitragsbefreiung während des Bezugs von Erziehungs-, Eltern- und Mutterschaftsgeld sowie einen Beitragsausfall von 4,7 Mrd. € durch ALG II Empfänger aus. Die GKV geht davon aus, dass durchschnittliche Ausgaben von 260 € monatlich für diesen Versichertenkreis anfallen (31). Erstattet würden allerdings nur 135 €. Kostendeckende Beiträge für ALG II Empfänger würden danach Mehreinnahmen in Höhe von 4,9 Mrd. € bedeuten. 5. Risikostrukturausgleich und Finanzielle Entwicklung des Gesundheitsfonds Die Mittel des Gesundheitsfonds werden aus den Beiträgen von Arbeitgebern und Arbeitnehmern sowie durch den Zuschuss des Bundes gespeist (vgl. Schaubild Anlage 6). Der Beitragssatz für die GKV wurde durch die Bundesregierung zunächst auf 15,5% festgelegt. Durch die Erhöhung der Bundeszuschüsse im Gesetz zur Sicherung von Beschäftigung und Stabilität (II. Konjunkturprogramm ) wurde eine Senkung des Beitragssatzes auf 14,9% möglich. Dabei werden 14,0% paritätisch finanziert (32). Der Bundeszuschuss nach § 221 und 221a SGB V beläuft sich auf 15,7 Mrd. € im Jahr 2010. Aus den Mitteln des Fonds erhalten die Krankenkassen vom BVA u.a. Zuweisungen zur Deckung von Pflichtleistungen. Diese werden durch den Risikostrukturausgleich angepasst. Er soll dazu dienen, Unterschiede in der Versichertenstruktur der einzelnen Kassen auszugleichen. Jede Kasse erhält zunächst für jeden Versicherten eine Grundpauschale, die nach Alter, Geschlecht, Bezug einer Erwerbsminderungsrente sowie der anhand von 80 ausgewählten Krankheiten gemessenen Krankenlast der Kasse differenziert wird (33). Für kranke Versicherte erhalten die Kassen weitere Morbiditätszuschläge für 80 Krankheiten, die die erhöhten Ausgaben widerspiegeln sollen (vgl. Schaubild in Anlage 7). Insgesamt berücksichtigt der Risikostrukturausgleich 152 Risikogruppen . Die Zuweisungen werden regelmäßig gemäß den veränderten Versichertenstrukturen der Kassen angepasst. Aus der Gemeinsamen Erklärung des Schätzerkreises der gesetzlichen Krankenversicherung vom 6.10.2009 geht eine angenommene Lücke bei den Einnahmen von2,3 Mrd. € für das Jahr 2009 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 – 3000-060/10 Seite 10 hervor (Anlage 8) (34). Nach den vom Bundesministerium für Gesundheit betrugen die Ausgaben des Gesundheitsfonds 2009 166,992 Mrd. € (35). Das Defizit betrug 2,482 Mrd. €. Für das Jahr 2009 gibt das BMG einen Überschuss der GKV in Höhe von 1,086 Mrd. € an (36). Die Ausgabenentwicklung 2009 hat im Januar neun Krankenkassen verlasst, einen Zusatzbeitrag in Höhe von 8€ zu erheben (Anlage 9) (37). Die Rückzahlung der Liquiditätshilfen des Bundes zur Abdeckung des Defizits des Gesundheitsfonds wurde bereits mit dem Konjunkturpaket II auf Ende2011 verschoben . Eine Finanzierungslücke des Fonds, die der Schätzerkreis im Oktober für 2010 mit 7,8 Mrd. € angenommen hatte, besteht auch nach der Erhöhung des Bundeszuschusses weiter. 6. Gesichtspunkte für eine Bewertung des Modells Gesundheitsfonds F. Pfister geht davon aus, dass sich die Kassenzahl in der GKV verringern werde (38). Ineffiziente Kassen würden eher Zusatzbeiträge erheben müssen. Ähnlich sehen dies auch andere wie J. Wasem oder W. Richter (39). Der GKV-Spitzenverband gibt die Zahl der Krankenkassen mittlerweile mit Stand 1. März mit 169 an (40). Pfister geht weiter davon aus, dass den Kassen aus dem Fonds ein maximaler Betrag zur Versorgung ihrer Versicherten zur Verfügung steht. Wenn sich die Kassen auf die Gesamtausgaben eines Versicherten fokussierten, könne dies dazu führen, dass Prävention, medizinische Rehabilitation, ambulante Versorgungskonzepte und Integrierte Versorgung attraktiver werden, da ein gut gemanagter Versicherter die Kasse günstiger komme als sie an Zuweisung erhalte (41). Auf der anderen Seite wird die Unterfinanzierung des Fonds befürchtet. Erst bei einer zweijährigen Unterschreitung des Bedarfs um mehr als 5 % ist die Regierung gezwungen, den Beitragssatz zu erhöhen. Analog wird die Gefahr gesehen, dass die Zuschüsse nach bedarfsfremden Kriterien festgelegt werden (42). Pfister ist darüber hinaus der Auffassung, Gutsituierte würden weiter umworben und es werde zu einer Entmischung der Risiken kommen. Langfristdenken bei den Kassen werde bestraft. Insgesamt bringe der Fonds wenig Fortschritte bei der Abkoppelung der Gesundheitsausgaben vom Produktionsfaktor Arbeit. Kritik gibt es am morbiditätsorientierten Risikoausgleich. Hier würden falsche Anreize für die Kassen gesetzt (43). 7. Anmerkungen (1) Bericht der Kommission für die Nachhaltigkeit in der Finanzierung der Sozialen Sicherungssysteme ), Kurzfassung, S 5 (2) Ebenda, S 6 (3) Ebenda (4) Ebenda, S 12 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 – 3000-060/10 Seite 11 (5) Ebenda S 13ff (6) Ebenda S 14 (7) Andrea M Schneider, Der Bericht der Herzog-Kommission und der Beschluss des CDU- Parteitags, Arbeitspapier der Konrad-Adenauer-Stiftung Nr. 119/2003, S 1 (8) Ebenda, S 2 (9) Ebenda, S 2ff (10) Ebenda, S 4 (11) Ebenda, S 14 (12) Ebenda, S 18 (13) Ebenda, S 15 (14) Vertrauen in Deutschland, Das Wahlmanifest der SPD, 4.7.2005, Ziffer 20 (15) Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, Erfolge im Ausland- Herausforderungen im Inland, Jahresgutachten 2004/05 S 398f (16) Wissenschaftlicher Beirat beim Bundesministerium der Finanzen, Zur Reform der Gesetzlichen Krankenversicherung: Ein Konsensmodell, 8.10.2005, S 1f (17) Wolfram F. Richter, Gesundheitsprämie oder Bürgerversicherung? Ein Kompromissvorschlag , in Wirtschaftsdienst 2005, S 693 ff (18) Gemeinsam für Deutschland- mit Mut und Menschlichkeit, Koalitionsvertrag zwischen CDU/CSU und SPD vom 11.11.2005 , Ziffer 7.2. (19) So z.B. Klaus-Dirk Henke, Der Gesundheitsfonds: Politökonomische Aspekte und seine Rolle als Wettbewerbsinstrument, Diskussionspapier 2007, S 4f (20) GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz (GKV-WSG), BGBl I 2007, S 378ff, SGB V zuletzt geändert 30.7.2009, BGBl I S 2495 (21) Gert Wagner, Leistungsgerechtigkeit, in: Lexikon des Sozial- und Gesundheitswesens, Hrsg. Rudolf Bauer, München, S 1292 (22) Wolfram Lamping„Versicherungsfremde Leistungen“ – Historisch- systematisierende Anmerkungen zu einem sozialpolitischen Schlüsselbegriff, in: Zeitschrift für Sozialreform 1997, Heft 1, 53 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 – 3000-060/10 Seite 12 (23) Helge Sodan, Freie Berufe als Leistungserbringer im Recht des gesetzlichen Sozialversicherung 1997, Ein verfassungs- und verwaltungsrechtlicher Beitrag zum Umbau des Sozialstaats , Tübingen 1997, S 338 (24) Lamping, a.a.O., S 56 (25) Bundesministerium für Gesundheit, Versicherungsfremde Leistungen (26) Henke, a.a.O., S 6f (27) Verband der Privaten Krankenversicherung, Stellungnahme zum „Entwurf eines Gesetzes zur Sicherung von Beschäftigung und Stabilität in Deutschland“ (BT-Drs.16/11740), Deutscher Bundestag, Ausschussdrucksache 16(14)0481(3), S 3f (28) Bundesministerium für Gesundheit, Gesetzliche Krankenversicherung, Vorläufige Rechnungsergebnisse 4. Quartal 2009, S 13 f (29) Henke, a.a.O., S 7 (30) Fritz Beske Institut für Gesundheits-System-Forschung, Kiel Politische Entscheidungen belasten Krankenversicherung erheblich, Pressemitteilung 16.10.2008, S 6 (31) GKV Spitzenverband, Positionen für ein zukunftsfestes Gesundheitswesen, Pressemitteilung , 26.11.2009 (32) Verordnung zur Festlegung der Beitragsätze in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-BSV), § 1 (33) Bundesversicherungsamt, So funktioniert der neue Risikostrukturausgleich im Gesundheitsfonds , 2008, S 4 (34) Bundesversicherungsamt, Gemeinsame Erklärung des Schätzerkreises der gesetzlichen Krankenversicherung vom 6. Oktober 2009, Pressemitteilung (35) Bundesministerium für Gesundheit, Gesetzliche Krankenversicherung, a.a.O., S 2 (36) Ebenda (37) Bundesversicherungsamt, Bundesversicherungsamt teilt Bedenken des Bundeskartellamtes in Sachen Zusatzbeitrag nicht, Pressemitteilung 2/2010 (38) Florian Pfister, Pro und Contra Gesundheitsfonds, eine balancierte Abwägung, in: Gesellschaftspolitische Kommentare, Nr. 8, 2009, S 53 (39) Jürgen Wasem, „Ein Wettbewerb über Zusatzbeitrag kommt“, Interview Z-Systems 9.2.2009, Wolfram F. Richter „Gesundheitsfonds ist keine Fehlkonstruktion“, Interview tagesschau .de 7.10.2009 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 – 3000-060/10 Seite 13 (40) GKV-Spitzenverband, Kennzahlen der gesetzlichen Krankenversicherung, Stand 10.3.2010, S 19 (41) Pfister, a.a.O., S 54 (42) Ebenda, ähnlich Rolf-Ulrich Schlenker, Gesundheitsfonds und Morbi-RSA werden die Kassenlandschaft gründlich verändern, in: Recht und Politik im Gesundheitswesen, Heft 3,2008, S 73 (43) Deutscher Bundestag, Wissenschaftliche Dienste, Der Gesundheitsfonds: Funktionsweise, Erwartungen und Kritik, S. 1f. (Anlage 10)