© 2021 Deutscher Bundestag WD 9 - 3000 - 056/21 Informationen zu Selbsttests an Schulen unter Einbeziehung aktueller Rechtsprechung Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 - 056/21 Seite 2 Informationen zu Selbsttests an Schulen unter Einbeziehung aktueller Rechtsprechung Aktenzeichen: WD 9 - 3000 - 056/21 Abschluss der Arbeit: 21. Mai 2021 Fachbereich: WD 9: Gesundheit, Familie, Senioren, Frauen und Jugend Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 - 056/21 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Ausgangslage 4 2. Zulassungskriterien der Selbsttests einschließlich Gebrauchsanweisungen 4 3. Haftungsfragen 6 4. Alternative Testmethoden und Ausnahmen vom Testverfahren 7 5. Rechtsprechungsübersicht 8 5.1. Prozessualer Hintergrund 8 5.2. Kontext der beanstandeten Regelungen 10 5.3. Erwägungen mit Bezug auf den Bildungsauftrag 10 5.3.1. Keine Testpflicht im Rechtssinne 10 5.3.2. Milderes Mittel im Vergleich zu Schulschließungen 11 5.4. Kein Ausschluss vom Unterrichtsangebot 12 5.5. Recht auf schulische Bildung 13 5.6. Zusammenfassung 15 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 - 056/21 Seite 4 1. Ausgangslage Gemäß § 28b des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) 1 gelten derzeit bundesweit einheitliche Schutzmaßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung der Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19) bei besonderem Infektionsgeschehen. Nach § 28b Abs. 3 und 9 IfSG ist die Teilnahme am Präsenzunterricht nur für Schüler2 sowie für Lehrkräfte zulässig, die zweimal in der Woche mittels eines anerkannten Tests auf eine Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 getestet werden. Generell kommen in Schulen nur Antigen-Tests zur Eigenanwendung (Selbsttests) zur Anwendung, die für Laien vom Paul-Ehrlich-Institut (PEI) geprüft wurden3 und sich auf der Liste des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) befinden.4 Der vorliegende Sachstand beschäftigt sich mit den Zulassungskriterien der Selbsttests zur Verwendung durch Laien einschließlich der Verständlichkeit für die Zielgruppe Kinder und Jugendliche , sowie Haftungsfragen und Alternativen zu der Durchführung der Selbsttests in Schulen. Daran schließt sich ein Überblick über die aktuelle Rechtsprechung im Hinblick auf die testabhängige Teilnahme am Unterricht an. 2. Zulassungskriterien der Selbsttests einschließlich Gebrauchsanweisungen Die Selbsttests wurden vom BfArM nach § 11 Abs. 1 Medizinproduktegesetz (MPG)5 ohne CE- Kennzeichnung6 im Rahmen einer Sonderzulassung befristet zugelassen.7 1 Infektionsschutzgesetz vom 20. Juli 2000 (BGBl. I S. 1045), zuletzt geändert durch Artikel 6 des Gesetzes vom 7. Juli 2021 (BGBl. I S. 850). 2 Aus Gründen der einfacheren Lesbarkeit wird bei Personenbezeichnungen die männliche Form gewählt. Gemeint sind immer alle Geschlechter. 3 PEI, Coronavirus und COVID-19, abrufbar unter: https://www.pei.de/DE/newsroom/dossier/coronavirus /coronavirus-inhalt.html;jsessionid=4B6AA4FF5FE3A80A809082FC7602A0FD.intranet242?cms_pos=7. 4 BfArM, Antigen-Tests auf SARS-CoV-2, abrufbar unter: https://www.bfarm.de/DE/Medizinprodukte/Antigentests /_node.html. 5 Gesetz über Medizinprodukte vom 2. Februar 1994 (BGBl. I S. 1963), zuletzt geändert durch Art. 223 Elfte Zuständigkeitsanpassungs VO vom 19. Juni 2020 (BGBl. I S. 1328). 6 Bundesregierung, Erste Zulassungen für Selbsttests, abrufbar unter: https://www.bundesregierung.de/bregde /themen/coronavirus/zulassung-schnell-test-1861354: "Das CE-Zeichen bedeutet: Durch ein festgelegtes Bewertungsverfahren muss ein Hersteller nachweisen, dass sein Produkt alle EU-weiten Anforderungen an Sicherheit , Gesundheitsschutz und Umweltschutz erfüllt. Dies ist Voraussetzung um Produkte in der EU zu vermarkten "; BfArM, Im Überblick: Inverkehrbringen von Medizinprodukten, abrufbar unter: https://www.bfarm.de/DE/Medizinprodukte/RechtlicherRahmen/inverk/_node.html: „Medizinprodukte dürfen nur dann in Verkehr gebracht oder in Betrieb genommen werden, wenn sie mit der CE-Kennzeichnung versehen sind. Die CE-Kennzeichnung darf angebracht werden, wenn die Produkte die Grundlegenden Anforderungen erfüllen und das vorgeschriebene Konformitätsbewertungsverfahren durchgeführt wurde.“; siehe weiter § 9 MPG. 7 BfArM, Antigen-Tests auf SARS-CoV-2, abrufbar unter: https://www.bfarm.de/DE/Medizinprodukte/Antigentests /_node.html. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 - 056/21 Seite 5 Gem. § 6 Abs. 1 und 2 MPG dürfen Medizinprodukte im Regelfall in Deutschland nur in den Verkehr gebracht oder in Betrieb genommen werden, wenn sie mit einer CE-Kennzeichnung versehen sind.8 Gemäß § 11 Abs. 1 MPG kann die zuständige Bundesoberbehörde abweichend von den Vorschriften des § 6 Abs. 1 und 2 MPG auf begründeten Antrag das erstmalige Inverkehrbringen oder die Inbetriebnahme einzelner In-vitro-Diagnostika, bei denen die Verfahren nach Maßgabe der Rechtsverordnung nach § 37 Abs. 1 MPG nicht durchgeführt wurden, in Deutschland befristet zulassen, wenn deren Anwendung im Interesse des Gesundheitsschutzes liegt. Bei den Selbsttests handelt es sich um In-vitro-Diagnostika gem. § 3 Nr. 4 MPG. Die Voraussetzung des Gesundheitsschutzinteresses beruht auf Artikel 11 Abs. 13 der Richtlinie 93/42/EWG über Medizinprodukte . Gemäß Artikel 11 Abs. 13 können die zuständigen Behörden auf ordnungsgemäß begründeten Antrag im Hoheitsgebiet des betreffenden Mitgliedstaats das Inverkehrbringen und die Inbetriebnahme einzelner Produkte, bei denen die Verfahren gemäß den Absätzen 1 bis 6 nicht durchgeführt wurde, zulassen, wenn deren Verwendung im Interesse des Gesundheitsschutzes liegt.9 Dies kann dann der Fall sein, wenn eine alternativlose Bedarfssituation vorliegt, der entsprechend dringende medizinische Bedarf also nicht anderweitig gedeckt und insofern aus Sicht des Gesundheitsschutzes der Abschluss eines regulären Konformitätsbewertungsverfahrens für das Medizinprodukt nicht abgewartet werden kann.10 Im Falle einer Antragstellung auf Sonderzulassung für einen in-vitro-diagnostischen Test zur Eigenanwendung , z. B. auf das Coronavirus SARS-CoV-2, muss der Antragsteller nachweisen, dass die Produkte zur Eigenanwendung so ausgelegt und hergestellt sind, dass gewährleistet ist, dass das Produkt für den nicht medizinisch ausgebildeten Anwender in allen Bedienungsphasen einfach anzuwenden ist und die Gefahr einer falschen Handhabung des Produkts oder einer falschen Interpretation der Ergebnisse durch den Anwender so gering wie möglich gehalten wird.11 Darüber hinaus wird die positive Evaluierung des Produktes für professionelle Anwender durch das PEI, sowie die Erfüllung der aktuellen Mindestkriterien des PEI vorausgesetzt. Das BfArM überprüft zudem die vom Hersteller eingereichte Gebrauchstauglichkeitsstudie nach IEC 6236612 8 BfArM, Im Überblick: Inverkehrbringen von Medizinprodukten, abrufbar unter: https://www.bfarm.de/DE/Medizinprodukte /RechtlicherRahmen/inverk/_node.html. 9 Richtlinie 93/42/EWG des Rates vom 14. Juni 1993 über Medizinprodukte, ABl. L 169 vom 12. Juli 1993, S. 1, abrufbar unter: https://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=CONS- LEG:1993L0042:20071011:de:PDF. 10 BfArM, Hinweise zur Sonderzulassung von Antigen-Tests durch das BfArM, abrufbar unter: https://www.bfarm.de/DE/Medizinprodukte/Antigentests/Hinweise_zur_Sonderzulassung.html;jsessionid =07A3339886050867DEE541435C851778.1_cid507. 11 Ebenda; das BfArM verweist hier auf Anhang I Nr. 7 der Richtlinie 98/79/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. Oktober 1998 über In-vitro-Diagnostika, ABl. L 331 vom 7. Dezember 1998, S. 1, abrufbar unter : https://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=CONSLEG:1998L0079:20090807:DE:PDF. 12 Johner Institut, Usability & IEC 62366, abrufbar unter: https://www.johner-institut.de/blog/category/iec-62366- usability/: „Die Norm beschreibt v.a. einen ‚gebrauchstauglichkeitsorientierten Entwicklungsprozess‘, auf Englisch ‚Usability Engineering Process‘." Im Rahmen dieses Prozesses müssen die Hersteller u. a. den Nutzungskontext und die Patienten beschreiben, sowie die Gebrauchstauglichkeit verifizieren und validieren. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 - 056/21 Seite 6 und eine aktuelle Risikoanalyse. Der Hersteller soll die Risiken, die sich aus der Eigenanwendung ergeben, hervorheben.13 Gem. § 11 Abs. 2 S. 1 MPG dürfen Medizinprodukte grundsätzlich nur an den Anwender abgegeben werden, wenn die für ihn bestimmten Informationen in deutscher Sprache abgefasst sind. Die Anleitungen der zugelassenen Selbsttests z. B. der Hersteller Roche, Siemens, MEDICE, nal von minden und Lepu Medical Technology sind in deutscher Sprache verfasst und werden zudem durch beschreibende Bilder ergänzt, die das Verständnis erleichtern.14 Das Vorliegen sämtlicher Voraussetzungen der Sonderzulassungen wurde vom BfArM bejaht.15 Verschiedene Bundesländer veröffentlichten zusätzlich erklärende Videos zur Durchführung der Selbsttests an Schulen .16 3. Haftungsfragen Im Vorfeld der flächendeckenden Einsetzung in Schulen äußerten sich Lehrer zum Teil besorgt, mit der Umsetzung der Testpflicht der Schüler überfordert zu sein.17 In den Medien wurde vereinzelt die mögliche Verletzungsgefahr für Kinder und damit auch die etwaige Haftung der Schule thematisiert.18 Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, inwieweit die Durchführung von Antigen-Schnelltests in Schulen unter den Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung nach 13 BfArM, Hinweise zur Sonderzulassung von Antigen-Tests durch das BfArM, abrufbar unter: https://www.bfarm.de/DE/Medizinprodukte/Antigentests/Hinweise_zur_Sonderzulassung.html;jsessionid =07A3339886050867DEE541435C851778.1_cid507. 14 Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie, Einfach Testen, abrufbar unter: https://www.berlin .de/sen/bjf/corona/tests/#schultest1. 15 Bundesregierung, Erste Zulassungen für Selbsttests, abrufbar unter: https://www.bundesregierung.de/bregde /themen/coronavirus/zulassung-schnell-test-1861354; BfArM, Antigen-Tests auf SARS-CoV-2, abrufbar unter: https://www.bfarm.de/DE/Medizinprodukte/Antigentests/_node.html. 16 So beispielhaft Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie, Einfach Testen, abrufbar unter: https://www.berlin.de/sen/bjf/corona/tests/#schultest1; Corona-Test-Erklärvideo, Hamburg.de, abrufbar unter: https://www.hamburg.de/coronatest-erklaervideo/. 17 Doll, Nikolaus / Kröning, Anna / Menkens, Sabine, Jetzt bricht der große Unmut über die Tests in den Schulen aus, in: Die Welt vom 16. April 2021, abrufbar unter: https://www.welt.de/politik/deutschland/article 230452227/Corona-Tests-in-Schulen-Jetzt-bricht-der-grosse-Unmut-aus.html. 18 Waldmüller, Rupert, Selbsttests an Grundschulen: Bedenken bei Lehrern und Eltern, in: Bayerischer Rundfunk vom 24. März 2021, abrufbar unter: https://www.br.de/nachrichten/bayern/selbsttests-an-grundschulen-bedenken -bei-lehrern-und-eltern,SSZWXpT; Zu negativen psychologischen Auswirkungen siehe: Schamann, Simone, Corona-Massentests in Schulen. „Das darf man den Kindern nicht antun“, in: Nordkurier vom 6. März 2021, abrufbar unter: https://www.nordkurier.de/politik-und-wirtschaft/das-darf-man-den-kindern-nicht-antun- 0642676503.html; Schmoll, Heike, Mit Selbsttests zurück ins Klassenzimmer, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 2. März 2021, abrufbar unter: https://www.faz.net/aktuell/politik/inland/corona-an-schulen-mitschnelltests -zurueck-ins-klassenzimmer-17223810.html. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 - 056/21 Seite 7 den Vorschriften des Siebten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB VII)19 fällt. Nach § 2 Abs. 1 Nr. 8a und b SGB VII sind Kinder und Schüler in die gesetzliche Unfallversicherung eingeschlossen . Der Versicherungsschutz gilt für den Unterricht, sowie grundsätzlich in den Pausen, auf direkten Wegen von und zur Schule und bei schulischen Veranstaltungen. Voraussetzung ist bei allen Veranstaltungen, dass sie im organisatorischen Verantwortungsbereich der Schule liegen.20 Da die Durchführung von Corona-Schnelltests in der Schule – ob zur Eigenanwendung oder durch dafür abgestelltes Schulpersonal – in einem engen sachlichen Zusammenhang mit dem eigentlichen Schulbesuch steht, fallen auch diese Testungen unter den Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung .21 Um eine korrekte Anwendung der Tests sicherzustellen, müssen auf der Grundlage der Gefährdungsbeurteilung Schutzmaßnahmen festgelegt und umgesetzt werden. Die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) hat in diesem Zusammenhang den SARS-CoV-2 Schutzstandard Schule22 ergänzt, um für Schüler ein zur Arbeitswelt gleichwertiges Schutzniveau zu erreichen. Daneben sind die entsprechenden Infektionsschutzmaßnahmenverordnungen des jeweiligen Bundeslandes zu beachten.23 Verletzungen, die bei der Durchführung von Antigen-Schnelltests in der Schule auftreten, sind durch eine Unfallanzeige der Schule an die örtlich zuständige Unfallkasse zu melden. Ob ein Versicherungsfall im Sinne des § 8 SGB VII vorliegt, ist anhand der Umstände des jeweiligen Einzelfalls zu prüfen. 4. Alternative Testmethoden und Ausnahmen vom Testverfahren Sollten Kinder und Schüler nicht an den Selbsttests in der Schule teilnehmen wollen, unterscheiden sich die Vorgaben in den Bundesländern. So können sie im Land Berlin z. B. eine Bescheinigung vorlegen, dass sie einen PCR- oder Point-of-Care (PoC)-Antigen-Tests an einer öffentlichen Teststelle vorgenommen haben und dieser Test negativ ausgefallen ist. Der Test darf nicht älter als 24 Stunden sein.24 Auch in Hessen besteht z. B. neben der Durchführung eines Antigen -Selbsttests in der Schule die Möglichkeit, den Nachweis durch einen negativen Bürgertest 19 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Unfallversicherung – (Artikel 1 des Gesetzes vom 7. August 1996, BGBl. I S. 1254), zuletzt geändert durch Artikel 13 des Gesetzes vom 28. März 2021 (BGBl. I S. 591). 20 Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung e.V., Schülerinnen und Schüler, abrufbar unter: https://www.dguv.de/de/versicherung/versicherte_personen/kinder/schueler/index.jsp, diese und alle weiteren Links wurden zuletzt abgerufen am 21. März 2021. 21 Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung e.V., FAQ zum Schutzstandard Schulen, abrufbar unter: https://www.dguv.de/corona-bildung/schulen/faq/index.jsp. 22 Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung e.V., SARS-CoV-2 – Schutzstandard Schule, abrufbar unter: https://publikationen.dguv.de/praevention/publikationen-zum-coronavirus/allgemeine-publikationen /3850/sars-cov-2-schutzstandard-schule. 23 Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung e.V., FAQ zum Schutzstandard Schulen, abrufbar unter: https://www.dguv.de/corona-bildung/schulen/faq/index.jsp. 24 Zweite Verordnung über erforderliche Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung vor Infektionen mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 vom 4.März 2021, Gesetz- und Verordnungsblatt für Berlin, 6. März 2021, S. 198 ff., abrufbar unter: file:///C:/Users/verwd9ma03/Downloads/ausgabe_nr._18_vom_6.3.2021_s._197-212.pdf. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 - 056/21 Seite 8 zu erbringen. Der Bürgertest ist kostenfrei. Die Schüler können zudem von der Teilnahme am Präsenzunterricht abgemeldet werden. Soweit sie minderjährig sind, kann die Abmeldung nur durch die Eltern erfolgen. Sie nehmen dann am Distanzunterricht teil.25 Gem. § 3 Abs. 2 der Verordnung zur Regelung von Erleichterungen und Ausnahmen von Schutzmaßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 sind abweichend von der Regelung des § 28b Absatz 3 IfSG für die Teilnahme am Präsenzunterricht geimpfte oder genesene Personen im gesamten Bundesgebiet den getesteten Personen gleichgestellt.26 Die Pflicht, sich zweimal in der Woche für den Präsenzunterricht testen zu lassen, gilt für diese Gruppe nicht mehr. Als vollständig geimpft gelten alle Personen ab dem 15. Tag nach der Verabreichung der letzten erforderlichen Dosis der Corona-Schutzimpfung. Als Genesene gelten alle Personen, die eine Corona-Infektion überstanden haben, die mindestens 28 Tage sowie maximal sechs Monate zurückliegt oder die nach der zurückliegenden Infektion mindestens eine Corona-Schutzimpfung erhalten haben. Bei Genesenen ist ein Genesenen-Nachweis erforderlich. Hierbei handelt es sich um eine Bescheinigung, dass eine Infektion mit dem Coronavirus auf Grundlage eines PCR-Tests festgestellt worden ist. Der Nachweis einer Quarantäneanordnung ist nicht ausreichend, wenn daraus nicht eindeutig hervorgeht, dass die Person tatsächlich mit SARS-CoV-2 infiziert war. Der Genesenen-Nachweis kann in deutscher, englischer, französischer, italienischer oder spanischer Sprache in Papier- oder digitaler Form vorgelegt werden.27 5. Rechtsprechungsübersicht Die entsprechenden Regelungen der Infektionsschutzverordnungen der Länder waren Gegenstand von obergerichtlichen Entscheidungen in Baden-Württemberg, Bayern, Bremen, Niedersachsen , Nordrhein-Westfalen, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein sowie des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg. Die Oberverwaltungsgerichte und Verwaltungsgerichtshöfe hielten in ihren Beschlüssen einhellig an den Regelungen zur testabhängigen Teilnahme am Präsenzunterricht fest. 5.1. Prozessualer Hintergrund Prozessual lagen den Verfahren Anträge auf Eilrechtsschutz im Rahmen eines Normenkontrollverfahrens zugrunde. Die Antragstellenden begehrten die vorläufige Aussetzung der jeweiligen Regelungen der Infektionsschutzverordnungen der Bundesländer. Gemäß § 47 Abs. 6 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung erlassen , wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten ist. Dabei nimmt das Gericht eine summarische (d. h. vorläufige/überschlägige) Prüfung der Erfolgsaussichten der Hauptsache vor. 25 Hessisches Kultusministerium, Häufig gestellte Fragen - Testungen, abrufbar unter: https://kultusministerium .hessen.de/schulsystem/umgang-mit-corona-an-schulen/haeufig-gestellte-fragen-testungen. 26 Verordnung zur Regelung von Erleichterungen und Ausnahmen von Schutzmaßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19, Bundestag-Drucksache 19/29257 vom 4. Mai 2021., S. 5 ff., abrufbar unter: https://dserver.bundestag.btg/btd/19/292/1929257.pdf. 27 Ebenda. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 - 056/21 Seite 9 Ergibt diese Prüfung, dass der Normenkontrollantrag in der Hauptsache voraussichtlich unzulässig oder unbegründet sein wird, ist der Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten. Erweist sich dagegen , dass der Antrag zulässig und voraussichtlich begründet sein wird, so ist dies ein wesentliches Indiz dafür, dass der Vollzug bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache ausgesetzt werden muss. Lassen sich die Erfolgsaussichten des Normenkontrollverfahrens zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Eilantrag nicht hinreichend abschätzen, ist über den Erlass einer beantragten einstweiligen Anordnung im Wege einer Folgenabwägung zu entscheiden. Gegenüberzustellen sind dabei die Folgen, die eintreten würden, wenn die begehrte Außervollzugsetzung nicht erginge, der Normenkontrollantrag aber später Erfolg hätte, und die Folgen, die entstünden, wenn die begehrte Außervollzugsetzung erlassen würde, der Normenkontrollantrag aber später erfolglos bliebe. Die für eine einstweilige Außervollzugsetzung sprechenden Erwägungen müssen die gegenläufigen Interessen dabei deutlich überwiegen, also so schwer wiegen, dass sie – trotz offener Erfolgsaussichten der Hauptsache – dringend geboten ist.28 Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, die Oberverwaltungsgerichte der Länder Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein sowie das Oberverwaltungsgericht der Freien Hansestadt Bremen betrachteten die Anträge nach summarischer Prüfung der Erfolgsaussichten der Hauptsache als unbegründet.29 Die jeweiligen Regelungen würden auf einer hinreichenden Ermächtigungsgrundlage beruhen und sich voraussichtlich als formell und materiell rechtmäßig darstellen. Nach Auffassung des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg waren die Erfolgsaussichten des Normenkontrollverfahrens in der Hauptsache „allenfalls als offen“ zu bezeichnen. Eine offensichtliche Rechtswidrigkeit der angegriffenen Normen drängte sich dem Gericht nicht auf. Die Folgenabwägung ging zulasten der Antragstellenden aus.30 Das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen, das Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen -Anhalt und das Sächsische Oberverwaltungsgericht nahmen eine ergänzende Folgenabwägung vor, die zulasten der Antragstellenden ausging.31 Die mit dem weiteren Vollzug der von den Antragstellenden angegriffenen Normen verbundenen Grundrechtsbeeinträchtigungen seien 28 BayVGH, Beschluss vom 12. April 2021, 20 NE 21.926, zitiert nach juris - Rn. 10 f. 29 BayVGH, Beschluss vom 12. April 2021, 20 NE 21.926, zitiert nach juris - Rn. 12; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 29. April 2021, 1 S 1204/21, zitiert nach juris - Rn. 151; OVG Bremen, Beschluss vom 20. April 2021, 1 B 180/21, zitiert nach juris - Rn. 33; Niedersächsisches OVG, Beschluss vom 19. April 2021, 13 MN 192/21, zitiert nach juris - Rn. 20; OVG NRW, Beschluss vom 22.April 2021, 13 B 559/21, zitiert nach juris - Rn. 17; OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 16. April 2021, 3 R 94/21, zitiert nach juris - Rn. 32; OVG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 29. April 2021, 3 MR 23/21, zitiert nach juris - Rn. 11; Sächsisches OVG, Beschluss vom 19. März 2021, 3 B 81/21, zitiert nach juris - Rn. 14. 30 OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 12. April 2021, OVG 11 S 48/21, zitiert nach juris - Rn. 17, 29; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 15. April 2021, OVG 11 S 51/21, zitiert nach juris - Rn. 16, 24. 31 OVG NRW, Beschluss vom 22. April 2021, 13 B 559/21, zitiert nach juris - Rn. 112; OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 16. April 2021, 3 R 94/21, zitiert nach juris - Rn. 65; Sächsisches OVG, Beschluss vom 19. März 2021, 3 B 81/21, zitiert nach juris - Rn. 64 f. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 - 056/21 Seite 10 nicht von solchem Gewicht, dass sie das gegenläufige Interesse am Schutz von Leben und Gesundheit einer Vielzahl von Menschen, welche angesichts des derzeitigen Infektionsgeschehens in überaus hohem Maße gefährdet seien, zu überwiegen vermögen und es deshalb angemessen wäre, den Vollzug der streitgegenständlichen Regelung auszusetzen.32 5.2. Kontext der beanstandeten Regelungen Die angegriffenen Regelungen der Infektionsschutzverordnungen der Bundesländer unterschieden sich hinsichtlich der Art des beizubringenden Tests. So bestand zum Zeitpunkt der hier untersuchten Gerichtsentscheidungen in einigen Bundesländern (z.B. Niedersachsen, Schleswig- Holstein) für die Schüler die Möglichkeit, einen Selbsttest in vertrauter häuslicher Umgebung mit Unterstützung der Eltern durchzuführen und das Ergebnis von diesen unterzeichnen zu lassen , in anderen Bundesländern (z.B. Bayern, Nordrhein-Westfalen) hingegen nicht. Die Verordnung des Landes Baden-Württemberg räumte die Möglichkeit der Selbsttestung im häuslichen Umfeld nur Grundschülern ein. Der Verordnungsgeber für den Freistaat Sachsen passte seinen Verordnungsinhalt wiederholt an. Während Grundschulkinder zunächst von der testabhängigen Teilnahme am Präsenzunterricht ausgenommen waren, wurden sie später ebenfalls von dieser erfasst. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof und das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen äußerten in ihren Beschlüssen keine rechtlichen Bedenken gegen den Ausschluss der Selbsttestung von Schülern im häuslichen Umfeld. Die Gerichte vertraten die Auffassung, dass eine solche Selbsttestung voraussichtlich nicht gleich wirksam wäre, weil sie nicht wirksam zu kontrollieren sei. Unabhängig von etwaigen Manipulationsmöglichkeiten, die sich im häuslichen Bereich ergeben könnten, würde der in der Schule durchgeführte Test die bessere Gewähr dafür bieten , dass er tatsächlich, regelmäßig und ordnungsgemäß durchgeführt wird.33 5.3. Erwägungen mit Bezug auf den Bildungsauftrag 5.3.1. Keine Testpflicht im Rechtssinne Die Gerichte betonten, dass Testungen bzw. die Erbringung von Testnachweisen freiwilliger Natur seien.34 Durch die streitgegenständlichen Regelungen werde keine Testpflicht im Rechtssinne statuiert, weil die Erfüllung der Testung nicht erzwungen werden könne. Vielmehr treffe die 32 So beispielhaft OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 16. April 2021, 3 R 94/21, zitiert nach juris - Rn. 65. 33 BayVGH, Beschluss vom 12. April 2021, 20 NE 21.926, zitiert nach juris - Rn. 22; OVG NRW, Beschluss vom 22. April 2021, 13 B 559/21, zitiert nach juris - Rn. 79. 34 OVG Bremen, Beschluss vom 20. April 2021, 1 B 180/21, zitiert nach juris - Rn. 45. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 - 056/21 Seite 11 Schüler die Obliegenheit, ein entsprechendes negatives Testergebnis vorzuweisen, um am Präsenzunterricht teilnehmen zu können.35 Obliegenheiten würden keinen Erfüllungsanspruch begründen ; die Befolgung sei Gebot des eigenen Interesses, da die oder der Betroffene bei ihrer Nichtbefolgung rechtliche Nachteile erleide.36 Eine gänzlich freiwillige Testung stelle zwar ein milderes, aber nicht gleich geeignetes Mittel dar. Bei freiwilligen Testungen sei gerade nicht gewährleistet, dass sich alle auf dem Schulgelände befindlichen Personen einem Schnelltest unterzogen hätten und dieser ein negatives Testergebnis aufweise.37 Darüber hinaus stünden die Kinder und Jugendlichen bei der Anwendung der Tests unter Aufsicht des Lehrpersonals. Das pädagogisch geschulte Personal könne auf den geordneten Testablauf Einfluss nehmen und jüngeren Kindern zu Beginn der Anwendung eine umfangreichere Anleitung leisten. Zudem könne die regelmäßige Anwendung der Selbsttests durch die Kinder den Gebrauch erleichtern.38 5.3.2. Milderes Mittel im Vergleich zu Schulschließungen Durch die Einführung von Zugangsbeschränkungen als gegenüber einer Schließung milderes Mittel solle erreicht werden, den Schülern möglichst weitgehend ein Bildungsangebot in Präsenzform zu ermöglichen, zugleich aber alle betroffenen Schüler sowie an der Schule tätiges Personal bestmöglich vor einer Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 zu schützen. Die Zugangsbeschränkung diene daher gerade der Verwirklichung des Bildungsanspruchs aller Schüler. Schulschließungen könnten zu schwerwiegenden Einschränkungen und Belastungen betroffener Kinder und Familien führen sowie die Bildungsgerechtigkeit erheblich beeinträchtigen. Dies seien nach Auffassung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs tragfähige Erwägungen, um im Rahmen einer Abwägungsentscheidung den besonderen schulischen Bedürfnissen der Schüler sowie 35 BayVGH, Beschluss vom 12. April 2021, 20 NE 21.926, zitiert nach juris - Rn. 14; OVG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 29. April 2021, 3 MR 23/21, zitiert nach juris - Rn. 64. 36 OVG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 30. April 2021, 3 MR 25/21, zitiert nach juris - Rn. 42. 37 OVG Bremen, Beschluss vom 20. April 2021, 1 B 180/21, zitiert nach juris - Rn. 41. 38 OVG Magdeburg, Beschluss vom 21. April 2021, 3 R 97/21, zitiert nach juris - Rn. 62. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 - 056/21 Seite 12 auch des schulischen Personals Rechnung zu tragen.39 Vergleichbare Erwägungen stellten auch andere Oberverwaltungsgerichte in ihren hier untersuchten Entscheidungen an.40 Nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg sei der Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit der Antragstellenden zwar von einigem Gewicht. Es sei ihnen verwehrt, am Präsenzunterricht sowie der Not- und Nachmittagsbetreuung teilzunehmen, wenn sie nicht den Nachweis eines negativen Coronatests erbrächten. Hierdurch entgingen ihnen die für ihre Entwicklung förderlichen direkten Sozialkontakte zu Lehrern und Mitschülern. Auch die Wissensvermittlung durch Fernunterricht könne sich für die Antragstellenden als nachteilig erweisen , wenn ihre Klassenkameraden allesamt im Präsenzunterricht unterrichtet würden. In die Abwägung einzustellen seien aber auch die Interessen der Mitschüler daran, am Präsenzunterricht in einer möglichst sicheren Umgebung teilnehmen zu können. Wenn die Antragstellenden hierzu keinen Beitrag leisten möchten, können sie nach Ansicht des Gerichts ohne Rechtsfehler auf die Inanspruchnahme des Fernunterrichts verwiesen werden.41 5.4. Kein Ausschluss vom Unterrichtsangebot Schüler, welche einen Test nicht durchführen wollen oder können, würden nach Auffassung der Gerichte nicht vom Unterrichtsangebot ausgeschlossen. Vielmehr können sie – und müssen dies zur Erfüllung der Schulpflicht letztlich auch – am Distanzunterricht und Distanzlernen teilnehmen .42 Die Frage, inwieweit und unter welchen Bedingungen Unterrichtsformen aus der Ferne, auch mithilfe digitaler Angebote, insbesondere für jüngere Kinder geeignet sind und zu Lernerfolgen führen können, habe zuvörderst der Verordnungsgeber bzw. der Träger der öffentlichen Bildungsangebote zu beantworten. Es bestehe grundsätzlich kein Anspruch auf bestimmte Lerninhalte . Dass die Fortführung des Distanzunterrichts betreffend diejenigen Schüler, die ihrer Testobliegenheit nicht nachkommen möchten, aufgrund der in den vergangenen Monaten gewonnenen Erfahrungen völlig unvertretbar sein könnte, sei nach Auffassung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs gegenwärtig nicht zu erkennen.43 39 BayVGH, Beschluss vom 13. April 2021, 20 NE 21.1032, zitiert nach juris - Rn. 19 ff. Zur Beibringung eines Tests als gegenüber dem Ausschluss vom Präsenzbetrieb mildere Maßnahme vgl. OVG Berlin Brandenburg, Beschluss vom 12. April 2021, OVG 11 S 48/21, zitiert nach juris - Rn. 24. 40 VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 29. April 2021, 1 S 1204/21, zitiert nach juris - Rn. 158; OVG Bremen, Beschluss vom 20. April 2021, 1 B 180/21, zitiert nach juris - Rn. 34; Niedersächsisches OVG, Beschluss vom 19. April 2021, 13 MN 192/21, zitiert nach juris - Rn. 52; OVG NRW, Beschluss vom 22. April 2021, 13 B 559/21, zitiert nach juris - Rn. 112; OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 16. April 2021, 3 R 94/21, zitiert nach juris - Rn. 61; OVG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 29. April 2021, 3 MR 23/21, zitiert nach juris - Rn. 82; OVG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 30. April 2021, 3 MR 25/21, zitiert nach juris - Rn. 43, 55. 41 VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 29. April 2021, 1 S 1204/21, zitiert nach juris - Rn. 172 ff. 42 Vgl. beispielhaft BayVGH, Beschluss vom 13. April 2021, 20 NE 21.1032, zitiert nach juris - Rn. 24; OVG Sachsen -Anhalt, Beschluss vom 16. April 2021, 3 R 94/21, zitiert nach juris - Rn. 60. 43 BayVGH, Beschluss vom 16. April 2021, 20 NE 21.1036, zitiert nach juris - Rn. 31. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 - 056/21 Seite 13 Dass ein Distanzlernen gerade für Schüler im Grundschulbereich zu einem Präsenzunterricht nicht in jeder Hinsicht qualitativ gleichwertig ist, veranlasse nach Auffassung des Oberverwaltungsgerichts des Landes Sachsen-Anhalt keine andere rechtliche Bewertung hinsichtlich der Verhältnismäßigkeit der Testobliegenheit.44 Dieser Bewertung stehe auch nicht entgegen, dass eine vollumfängliche Betreuung durch Lehrkräfte wie zu Zeiten der Schulschließungen (Notbetreuung , vollständiger Distanzunterricht) nicht erfolge bzw. die Schüler ihre Lernzeit zu Hause verbringen und (nur) mit Lernaufgaben versorgt würden. Dies sei mit Blick auf die begrenzte Kapazität an Lehrkräften weder anders möglich noch stehe zu befürchten, dass die damit verbundenen Nachteile nicht durch konkrete Lernangebote an die Schüler in einem noch hinnehmbaren Maß ausgeglichen werden können.45 Bekannt sei, dass Distanzunterricht angesichts der vorhandenen sachlichen und persönlichen Mittel am jeweiligen Schulort unterschiedlich ausgestaltet werde und sich – gerade auch im Grundschulbereich – in bloßen Lernangeboten (Aufgabenstellungen ) erschöpfen könne.46 5.5. Recht auf schulische Bildung Die Oberverwaltungsgerichte und Verwaltungsgerichtshöfe beleuchteten in ihren Entscheidungen auch das von den Antragstellenden vorgebrachte Recht auf schulische Bildung insbesondere im Hinblick auf dessen Verankerung in den jeweiligen Landesverfassungen. Im Ergebnis erkannte kein Gericht eine Rechtsverletzung aufgrund der testabhängigen Teilnahme am Präsenzunterricht . Es dürfte nach Auffassung des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen schon kein Eingriff in das Recht der Eltern auf Erziehung und Bildung ihrer Kinder in der Schule (Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG; Art. 8 Abs. 1 Satz 2 LV NRW47) und das entsprechende Recht ihrer Kinder (Art. 2 Abs. 1 GG; Art. 8 Abs. 1 Satz 1 LV NRW) vorliegen. Diese Rechte würden lediglich einen Anspruch auf Teilhabe an den vorhandenen öffentlichen Bildungseinrichtungen und -angeboten bzw. auf Zugang zu den öffentlichen Bildungseinrichtungen unter zumutbaren Bedingungen begründen. Die Bestimmung der Voraussetzungen für den Zugang zu den Schulen gehöre hingegen zum staatlichen Gestaltungsbereich.48 44 OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 16. April 2021, 3 R 94/21, zitiert nach juris - Rn. 61. 45 OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 21. April 2021, 3 R 97/21, zitiert nach juris - Rn. 61; OVG Schleswig-Holstein , Beschluss vom 30. April 2021, 3 MR 25/21, zitiert nach juris - Rn. 54. 46 OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 21. April 2021, 3 R 97/21, zitiert nach juris - Rn. 61. 47 Verfassung für das Land Nordrhein-Westfalen (LV NRW) vom 28. April 1950, die zuletzt durch das Gesetz vom 30. April 2020 (GV. NRW. S. 644) geändert worden ist. https://recht.nrw.de/lmi/owa/br_text_anzeigen ?v_id=2320020927105939563. 48 OVG NRW, Beschluss vom 22. April 2021, 13 B 559/21, zitiert nach juris - Rn. 101 ff. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 - 056/21 Seite 14 Auch nach Ansicht des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts liege der gerügte Verstoß gegen das Recht auf Bildung voraussichtlich nicht vor. Die Verfassung des Freistaates Sachsen (SächsVerf)49 erkenne in Art. 7 Abs. 1 das Recht eines jeden Menschen auf Bildung als Staatsziel an, welches subjektive Rechte nicht vermittle. Im Übrigen sei das Recht auf chancengleiche Schulbildung aus Art. 102 Abs. 1 SächsVerf in Verbindung mit Art. 29 Abs. 2 SächsVerf nicht verletzt. Soweit in diesem Zusammenhang auch das Recht auf eine möglichst ungehinderte Entfaltung der Persönlichkeit im Bereich der Schule und damit der Anspruch der Schüler auf eine Entfaltung ihrer Befähigungen im Rahmen schulischer Ausbildung und Erziehung nach Art. 2 Abs. 1 GG angesprochen sei, bestünden ebenfalls keine Anhaltspunkte dafür, dass die angegriffene Norm unwirksam sein könnte. Das angesprochene Recht auf Entfaltung der Persönlichkeit der Schüler bestehe eben nur „im Rahmen“ der vorgesehenen Ausbildung, wonach bei dem geschilderten Infektionsgeschehen Schüler vom Präsenzunterricht ausgeschlossen werden können, die sich nicht auf das Coronavirus testen lassen wollen. Auch soweit die durch die Generalversammlung der Vereinten Nationen am 10. Dezember 1948 verkündete Allgemeine Erklärung der Menschenrechte (AEMR) in Rede stehe, die mit Art. 26 AEMR ein Recht auf Bildung anspricht, gelte nichts anderes.50 Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg prüfte eine Verletzung des Rechts auf Bildung aus Art. 11 Abs. 1 der Verfassung des Landes Baden-Württemberg (LV)51. Es könne nach Auffassung des Gerichts offenbleiben, ob überhaupt ein Eingriff in den Schutzbereich vorliegt. Jedenfalls stehe das aus Art. 11 Abs. 1 LV abgeleitete Teilhaberecht auf Bildung unter dem Vorbehalt der staatlichen Ausgestaltung, dessen Anforderungen nicht höher seien als die Schranken, die Art. 2 Abs. 1 GG52 aufstellt. Die Antragstellenden würden mit ihrer diesbezüglichen Rüge im Ergebnis nicht durchdringen.53 Das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht wies darauf hin, dass die testabhängige Teilnahme am Präsenzunterricht gerade der Verwirklichung des Rechts auf Bildung nach Art. 4 Abs. 1 der Niedersächsischen Verfassung (NV)54 diene, indem Präsenzunterricht bei deutlicher Reduktion 49 Verfassung des Freistaates Sachsen vom 27. Mai 1992 (SächsGVBl. S. 243), die durch das Gesetz vom 11. Juli 2013 (SächsGVBl. S. 502) geändert worden ist. https://www.revosax.sachsen.de/vorschrift/3975- Saechsische-Verfassung#a29. 50 Sächsisches OVG, Beschluss vom 19. März 2021, 3 B 81/21, zitiert nach juris - Rn. 57. 51 Verfassung des Landes Baden-Württemberg (LV) vom 11. November 1953, die zuletzt durch Gesetz vom 26. Mai 2020 (GBl. S. 305) geändert worden ist. http://www.landesrecht-bw.de/jportal /?quelle=jlink&query=Verf+BW&psml=bsbawueprod.psml&max=true&aiz=true-. 52 Das Grundrecht auf allgemeine Handlungsfreiheit aus Art. 2 Abs. 1 GG wird insbesondere durch die verfassungsmäßige Ordnung begrenzt, worunter alle Rechtsnormen fallen, die formell und materiell mit der Verfassung in Einklang stehen. Beschränkungen der allgemeinen Handlungsfreiheit müssen ihrerseits dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechen. 53 VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 29. April 2021, 1 S 1204/21, zitiert nach juris - Rn. 183. 54 Niedersächsische Verfassung vom 19. Mai 1993, die zuletzt durch Gesetz vom 10. Dezember 2020 (Nds. GVBl. S. 464) geändert worden ist. http://www.voris.niedersachsen.de/jportal/portal/page/bsvorisprod.psml?showdoccase =1&doc.id=jlr-VerfNDV3Art57&doc.part=X. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 9 - 3000 - 056/21 Seite 15 des Infektionsrisikos in der Schule überhaupt erst ermöglicht werde.55 Diese Erwägung führte auch das Sächsische Oberverwaltungsgericht im Hinblick auf das Staatsziel aus Art. 7 Abs. 1 SächsVerf an.56 Dass ein Distanzlernen gerade für Schüler im Grundschulbereich zu einem Präsenzunterricht nicht in jeder Hinsicht qualitativ gleichwertig ist, stelle deren Recht auf Bildung nach Ansicht des Oberverwaltungsgerichts des Landes Sachsen-Anhalt nicht in Frage.57 Die Alternative zu der Öffnung der Schulen unter Durchführung regelmäßiger Selbsttestungen wäre die vollständige Schließung der Schulen. In diesem Fall wären sämtliche Schüler auf den Distanzunterricht beschränkt . Gemessen an diesen für die Erfüllung des staatlichen Bildungsauftrags noch gravierenderen Folgen für die Allgemeinheit der Schüler seien die mit einem Ausschluss vom Präsenzunterricht verbundenen Beeinträchtigungen der Beschulungsqualität von denjenigen Schülern, die sich keinen regelmäßigen Selbsttests unterziehen, als zumutbar hinzunehmen.58 5.6. Zusammenfassung Aktuell lagen von neun Oberverwaltungsgerichten bzw. Verwaltungsgerichtshöfen Entscheidungen zur testabhängigen Teilnahme am Präsenzunterricht von Schulen vor. Kein Gericht äußerte durchgreifende Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Regelung in der jeweiligen Landesverordnung. Insbesondere bleibe nach Auffassung der Gerichte die Gewährleistung des Bildungsauftrages auch bei einem Verweis auf Distanzunterricht und Distanzlernen im Kern erhalten. Die damit unweigerlich einhergehenden Beeinträchtigungen seien von den Schülern, welche sich keiner SARS-CoV-2-Testung unterziehen möchten, sowie deren Eltern hinzunehmen. Die auf eine vorläufige Aussetzung der Regelungen gerichteten Eilverfahren hatten allesamt keinen Erfolg. Der Ausgang der Normenkontrollverfahren in der Hauptsache bleibt abzuwarten. Angesichts der bisher eindeutigen und einhelligen Judikatur sind jedoch bislang keine Ansatzpunkte für von den Eilverfahren abweichende Entscheidungen zu erkennen. *** 55 Niedersächsisches OVG, Beschluss vom 19. April 2021, 13 MN 192/21, zitiert nach juris - Rn. 65. 56 Sächsisches OVG, Beschluss vom 19. März 2021, 3 B 81/21, zitiert nach juris - Rn. 62. 57 OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 21. April 2021, 3 R 97/21, zitiert nach juris - Rn. 60. 58 Ebenda.