Deutscher Bundestag Zur rechtlichen Qualifizierung der Vergabe von Fördermitteln an Einrichtungen zur Verbraucher- und Patientenberatung nach § 65 b SGB V Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste WD 9 – 3000 – 054/13 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 – 3000 – 054/13 Seite 2 Zur rechtlichen Qualifizierung der Vergabe von Fördermitteln an Einrichtungen zur Verbraucher- und Patientenberatung nach § 65 b SGB V Aktenzeichen: WD 9 – 3000 – 054/13 Abschluss der Arbeit: 8. August 2013 Fachbereich: WD 9: Gesundheit, Familie, Senioren, Frauen und Jugend Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 – 3000 – 054/13 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Erfordert die Vergabe von Fördermitteln nach § 65b Absatz 1 SGB V ein kartellvergaberechtliches Verfahren? 4 1.1. Vorbemerkung 4 1.2. Vergaberechtliche Voraussetzungen für die Anwendbarkeit der §§ 97 ff. GWB 5 1.3. Die Vergabe von Fördermitteln nach § 65b Absatz 1 SGB V als Zuwendung 8 1.4. Hinweise aus dem Gesetzgebungsverfahren zum AMNOG 9 1.5. § 65b SGB V und § 69 SGB V 10 1.6. Ergebnis 10 2. Zum Inhalt des Einflussnahmeverbots nach § 65b Absatz 1 Satz 2 SGB V: Welche Art der Einflussnahme ist dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen erlaubt? 10 3. Wer hätte die Pflicht zu handeln, wenn es um Einhaltung der Gesetze geht? 11 4. Anwendbarkeit von § 17 oder § 22 der Verordnung über das Haushaltswesen in der Sozialversicherung (SVHV) im Rahmen des § 65b SGB V 11 5. Literaturverzeichnis 12 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 – 3000 – 054/13 Seite 4 1. Erfordert die Vergabe von Fördermitteln nach § 65b Absatz 1 SGB V ein kartellvergaberechtliches Verfahren? 1.1. Vorbemerkung Nach § 65b Absatz 1 Satz 1 SGB V1 fördert der Spitzenverband Bund der Krankenkassen Einrichtungen , die Verbraucherinnen und Verbraucher sowie Patientinnen und Patienten in gesundheitlichen und gesundheitsrechtlichen Fragen qualitätsgesichert und kostenfrei informieren und beraten , mit dem Ziel, die Patientenorientierung im Gesundheitswesen zu stärken und Problemlagen im Gesundheitssystem aufzuzeigen. Die Entscheidung über die Vergabe der Fördermittel trifft gemäß § 65b Absatz 1 Satz 4 SGB V der Spitzenverband im Einvernehmen mit der oder dem Beauftragten der Bundesregierung für die Belange der Patientinnen und Patienten für eine Laufzeit von jeweils fünf Jahren. Die Regelung wurde mit dem Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz (AMNOG)2 mit Wirkung vom 1. Januar 2011 grundlegend umgestaltet. Dabei wurde die zuvor als Modellversuch konzipierte Patientenberatung als Regelförderung weitergeführt. Auf der Grundlage der neugefassten Vorschrift vergab der Spitzenverband Bund der Krankenkassen am 24. Januar 2011 „nach einem europaweiten Ausschreibungsverfahren“ 3 die gesetzlich vorgesehenen Fördergelder an einen Verbund unabhängiger Beratungsstellen, die Unabhängige Patientenberatung Deutschland (UPD) gGmbH. Zu der im Zentrum des Auftrags stehenden Frage, ob es sich bei der Vergabe von Fördermitteln nach § 65b Absatz 1 SGB V um ein Vergabeverfahren im Sinne von §§ 97 ff. GWB4 handelt, ergeben sich aus der veröffentlichten Rechtsprechung – soweit ersichtlich – keine Hinweise. In der Fachliteratur werden demgegenüber unterschiedliche Auffassungen vertreten: Einerseits wird angenommen, das Gesetz sehe ein Vergabeverfahren vor und folge damit europarechtlichen Vorgaben . Dementsprechend sei der aktuelle Zuschlag „denn auch nach einer europarechtlichen Ausschreibung“ erfolgt.5 Eine andere Auffassung geht davon aus, dass der Begriff der Vergabe in § 65b Absatz 1 SGB V nicht auf §§ 97 ff. GWB verweise. Die Vorgaben des Kartellvergaberechts seien nicht einschlägig, da die Vergabe der Fördermittel wegen fehlender Gegenleistung keinen entgeltlichen Auftrag im Sinne des § 99 GWB darstelle. Dennoch sei aber wegen der Grund- 1 Das Fünfte Buch Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Krankenversicherung – (Artikel 1 des Gesetzes vom 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477, 2482), das zuletzt durch Artikel 4 Absatz 3 des Gesetzes vom 20. April 2013 (BGBl. I S. 868) geändert worden ist. 2 Gesetz zur Neuordnung des Arzneimittelmarktes in der gesetzlichen Krankenversicherung (Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz – AMNOG) vom 22. Dezember 2010 (BGBl. I S. 2262). 3 Unterrichtung der Bundesregierung vom 15. April 2013, Bundestagsdrucksache 17/13127, S. 1. 4 Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen in der Fassung der Bekanntmachung vom 15. Juli 2005 (BGBl. I S. 2114; 2009 I S. 3850), das durch Artikel 2 Absatz 13 des Gesetzes vom 6. Juni 2013 (BGBl. I S. 1482) geändert worden ist. 5 Flint, in: Hauck/Noftz, SGB-Kommentar, § 65b SGB V, Rn. 34. Ähnlich Scholz, in: Rolfs/Giesen/Kreikebohm/Udsching (Hrsg.): Beck’scher Online-Kommentar Sozialrecht, § 65b SGB V, Rn. 7, der auf die Notwendigkeit einer „europaweiten Ausschreibung“ hinweist. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 – 3000 – 054/13 Seite 5 rechtsbindung ein transparentes, diskrimierungsfreies und wettbewerbliches „Verfahren eigener Art“ durchzuführen.6 Zur Klärung der Frage, ob es bei § 65b Absatz 1 SGB V eines Vergabeverfahrens im Sinne von §§ 97 ff. GWB bedarf, ist zu prüfen, ob die Vergabe der Fördermittel die im GWB vorgesehenen vergaberechtlichen Tatbestandsvoraussetzungen7 erfüllt. In diesem Fall wären die Regelungen der §§ 97 ff. GWB bei der Fördermittelvergabe unmittelbar anwendbar. 1.2. Vergaberechtliche Voraussetzungen für die Anwendbarkeit der §§ 97 ff. GWB Die kartellrechtlichen Vergabevorschriften der §§ 97 ff. GWB setzen u. a. voraus, dass zum einen der Spitzenverband Bund der Krankenkassen als „öffentlicher Auftraggeber“ im Sinne von § 98 GWB und zum anderen die Vergabe der Fördermittel nach § 65b SGB V als Vergabe eines „öffentlichen Auftrags“ im Sinne von § 99 GWB anzusehen sind. Daneben müsste der einschlägige Schwellenwert überschritten werden (§ 100 GWB). Öffentliche Krankenkassen gelten nach einer Entscheidung des EuGH als öffentliche Auftraggeber im Sinne der europäischen Vergabekoordinierungsrichtlinie.8 Zur Begründung wird vom Gericht auf die überwiegende Finanzierung der Krankenkassen durch den Staat hingewiesen.9 EuGH ist nämlich davon auszugehen, „dass eine Finanzierung eines öffentlichen Krankenversicherungssystems wie die im Ausgangsverfahren fragliche, die durch einen staatlichen Akt eingeführt worden ist, in der Praxis durch die Träger der öffentlichen Gewalt garantiert wird und durch eine öffentlich-rechtlichen Vorschriften unterliegende Art der Erhebung der sich hierauf beziehenden Beiträge sichergestellt wird, die Voraussetzung der überwiegenden Finanzierung durch den Staat für die Anwendung der Gemeinschaftsvorschriften auf dem Gebiet der Vergabe öffentlicher Aufträge erfüllt.“10 Aufgrund dieser Rechtsprechung gilt nunmehr als geklärt, dass Krankenkassen öffentliche Auftraggeber im Sinne des § 98 Nr. 2 GWB sind. Die überwiegend staatliche Finanzierung im Sinne des § 98 Nr. 2 GWB folgt danach aus der gesetzlichen Festlegung des Beitragssatzes (§ 241 Absatz 2 SGB V) sowie aus der Tatsache, dass Krankenkassen nach § 270 Absatz 1 SGB V Zuweisungen aus dem Gesundheitsfond erhalten.11 Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen wird aus den Krankenkassen gebildet und ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts (§ 217a SGB V). Er finanziert sich durch Beiträge seiner Mitglieder, die als Umlage erhoben werden, sowie durch sonstige Einnahmen.12 Auch die Mittel für die Vergabe der Fördergelder nach § 65b SGB V werden durch Umlage der Krankenkassen 6 Kaempfe, in: Becker/Kingreen, SGB V, 3. Auflage 2012, § 65b SGB V, Rn. 8. 7 Dazu nachfolgend unter 1.2. 8 EuGH, Urteil vom 11. Juni 2009, Rs. C-300/07, NJW 2009, 2427, 2429. 9 Kaltenborn, GesundheitsRecht 2011, 1. 10 EuGH, Urteil vom 11. Juni 2009, Rs. C-300/07, NJW 2009, 2427, 2429. 11 Butzer, in: Becker/Kingreen, SGB V, 3. Auflage 2012, § 65b SGB V, Rn. 14. 12 Mühlhausen, in: Becker/Kingreen, SGB V, 3. Auflage 2012, § 65b SGB V, Rn. 6. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 – 3000 – 054/13 Seite 6 erbracht (§ 65b Absatz 2 Satz 3 SGB V). Daher spricht vieles dafür, dass auch die Finanzierung des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen als „überwiegend staatlich“ im Sinne der Rechtsprechung des EuGH anzusehen ist und der Verband daher ebenfalls als öffentlicher Auftraggeber im Sinne des § 98 Nr. 2 GWB zu gelten hat. Daneben sieht § 98 Nr. 3 GWB vor, dass Verbände, deren Mitglieder öffentliche Auftraggeber nach § 98 Nr. 2 GWB sind, ebenfalls als öffentliche Auftraggeber im Sinne der §§ 97 ff. GWB anzusehen sind. Daher ergibt sich auch aus § 98 Nr. 3 GWB, dass der Spitzenverband Bund der Krankenkassen aufgrund seiner Eigenschaft als Zusammenschluss gesetzlicher Krankenkassen als öffentlicher Auftraggeber zu gelten hat. Mit dem Begriff „öffentlicher Auftrag“ werden gemäß § 99 Absatz 1 GWB entgeltliche Verträge zwischen öffentlichen Auftraggebern und Unternehmen erfasst, die Lieferungen von Waren (Absatz 2), Bauleistungen (Absatz 3) oder Dienstleistungen (Absatz 4) zum Gegenstand haben, sowie Auslobungsverfahren, die zu Dienstleistungsaufträgen führen sollen (Absatz 5 ). Auf diese Weise werden somit sämtliche Beschaffungsvorgänge in den sachlichen Anwendungsbereich des Kartellvergaberechts einbezogen, wenn sie nur durch zwei unterschiedliche Rechtspersonen vorgenommen werden und der Auftragnehmer vom Auftraggeber ein Entgelt erhält.13 Der Begriff des „entgeltlichen Vertrags“ ist dabei weit auszulegen. Die Gegenleistung des öffentlichen Auftraggebers muss nicht notwendig in Geld bestehen. Vielmehr wird jede Art von Vergütung , die einen Geldwert haben kann, erfasst.14 Kein Entgelt im Sinne des § 99 Absatz 1 GWB stellt allerdings dar, wenn der Auftragnehmer zur Durchführung der Vertragsaufgaben Haushaltsmittel nach den Vorschriften für die Verwendung von Zuwendungen des Bundes gemäß §§ 23 und 44 Bundeshaushaltsordnung (BHO)15 sowie den Verwaltungsvorschriften(VV) zu diesen Paragraphen16 erhält. Zuwendungen sind gemäß § 23 BHO Leistungen an Stellen außerhalb der Bundesverwaltung zur Erfüllung bestimmter Zwecke, zu denen zweckgebundene Zuschüsse, Zuweisungen, Schuldendiensthilfen und andere nicht rückzahlbare Leistungen sowie zweckgebundene Darlehen und andere bedingt oder unbedingt rückzahlbare Leistungen gehören (VV 1.1 zu § 23 BHO). Sie werden ausgegeben zur Deckung von Ausgaben des Zuwendungsempfängers für einzelne abgegrenzte Vorhaben (Projektförderung) oder zur Deckung der gesamten Ausgaben oder eines nicht abgegrenzten Teils der Ausgaben des Zuwendungsempfängers (institutionelle Förderung). (VV 2. zu § 23 BHO). 13 Otting/Sormani-Bastian, Die Anwendbarkeit des Vergaberechts im Gesundheitsbereich, Zeitschrift für das gesamte Medizin- und Gesundheitsrecht (ZMGR) 2005, S. 246. 14 Zeiss, in: Heiermann/Zeiss, juris Praxiskommentar Vergaberecht (jurisPK-VergR), 4. Aufl. 2013, § 99 GWB Rn. 105. 15 Bundeshaushaltsordnung vom 19. August 1969 (BGBl. I S. 1284), zuletzt geändert durch Artikel 2 des Gesetzes vom 15. Juli 2013 (BGBl. I S. 2395). 16 Allgemeine Verwaltungsvorschriften zur Bundeshaushaltsordnung (VV-BHO) vom 14. März 2001 (GMBl 2001, S. 307). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 – 3000 – 054/13 Seite 7 Maßgaben für die Abgrenzung von Zuwendungen und Entgelten auf Grund von Verträgen, die unmittelbar den Preisvorschriften für öffentliche Aufträge unterliegen, setzt die Anlage zu VV 1.2.4 zu § 23 BHO, deren Text im folgenden wiedergegeben wird: „Anlage zur VV Nr. 1.2.4 zu § 23 BHO Abgrenzung der Zuwendungen von den Entgelten auf Grund von Verträgen, die unmittelbar den Preisvorschriften für öffentliche Aufträge unterliegen 1. Verträge, die unmittelbar den Preisvorschriften für öffentliche Aufträge unterliegen, sind alle gegenseitigen Verträge, in denen die Erbringung von Leistungen gegen Entgelt vereinbart wird. 1.1 Zu den Verträgen zählen insbesondere Kauf-, Miet-, Pacht-, Werk- und Werklieferungsverträge sowie sonstige gegenseitige Verträge, sofern der Entgeltsverpflichtung des Bundes eine für dieses Entgelt zu erbringende Leistung des Vertragspartners gegenübersteht. 1.2 Leistungen sind alle Lieferungen und sonstigen Leistungen einschließlich Dienstleistungen . 1.3 Die Leistung kann unmittelbar gegenüber dem Bund oder in dessen Auftrag gegenüber einem Dritten erbracht werden. 1.4 Die Leistung muss dem Bund oder dem Dritten grundsätzlich zur vollen Verfügung überlassen werden. 2. Aus Nr. 1 folgt, dass Zuwendungen im Sinne des § 23 BHO insbesondere alle Geldleistungen des Bundes sind, 2.1 die dem Empfänger zur Erfüllung seiner eigenen Aufgaben, an deren Förderung der Bund ein erhebliches Interesse hat, gewährt werden und 2.2 die dem Empfänger mit bestimmten Bedingungen und Auflagen für die Mittelverwendung zur Verfügung gestellt werden, ohne dass die Geldleistung ein Entgelt für eine Leistung im Sinne der Nr. 1 ist, und 2.3 bei denen der Empfänger dem Bund oder dem Dritten nicht die Verfügungsbefugnis im Sinne von Nr. 1.4 einräumt; unschädlich ist die Einräumung von Benutzungsrechten an Schutzrechten und die Übertragung von Schutzrechten auf den Bund im Sinne der W Nr. 5.6.3 zu 5 44.“ Der in § 23 BHO verwendete Begriff der Zuwendung „als Leistung an Stellen außerhalb der Bundesverwaltung zur Erfüllung bestimmter Zwecke“ findet sich in fast wortgleicher Formulierung in § 17 der Verordnung über das Haushaltswesen in der Sozialversicherung (SVHV)17. Danach sind Zuwendungen „Leistungen an Stellen außerhalb des Versicherungsträgers zur Erfüllung bestimmter Zwecke“. Die SVHV wurde auf der Grundlage des § 78 Satz 1 SGB IV18 erlassen und gilt in entsprechender Weise für den Spitzenverband Bund der Krankenkassen (§ 34 SVHV, vgl. hierzu § 217d in Verbindung mit § 208 Absatz 2 Satz 2 SGB V). 17 Verordnung über das Haushaltswesen in der Sozialversicherung vom 21. Dezember 1977 (BGBl. I S. 3147), die zuletzt durch Artikel 13 Absatz 18 des Gesetzes vom 12. April 2012 (BGBl. I S. 579) geändert worden ist. 18 Das Vierte Buch Sozialgesetzbuch – Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung – in der Fassung der Bekanntmachung vom 12. November 2009 (BGBl. I S. 3710, 3973; 2011 I S. 363), das zuletzt durch Artikel 4 Absatz 2 des Gesetzes vom 20. April 2013 (BGBl. I S. 868) geändert worden ist. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 – 3000 – 054/13 Seite 8 Die in den oben genannten Verwaltungsvorschriften enthaltenen Abgrenzungskriterien zwischen einem entgeltlichen Vertrag und einer Zuwendung können im Anwendungsbereich des § 17 SVHV in entsprechender Weise herangezogen werden. Stellt danach die Vergabe der Fördergelder nach § 65b Absatz 1 SGB V eine Zuwendung dar, so liegt kein öffentlicher Auftrag im Sinne des § 99 GWB vor. 1.3. Die Vergabe von Fördermitteln nach § 65b Absatz 1 SGB V als Zuwendung Aus dem Wortlaut des § 65b Absatz 1 SGB V ergibt sich, dass Gegenstand der Vorschrift die „Förderung von Einrichtungen“ ist, die ihrerseits kostenfreie Beratung anbieten und ihre Neutralität und Unabhängigkeit nachweisen können. Das Gesetz sieht ausdrücklich vor, dass der Spitzenverband Bund der Krankenkassen auf den Inhalt oder den Umfang der Beratungstätigkeit keinen Einfluss nehmen darf (§ 65b Absatz 1 Satz 2 SGB V). In der Vorschrift wird der Terminus „Fördermittel“ verwendet. Deren Vergabe ist nur im Einvernehmen mit der oder dem Beauftragten der Bundesregierung für die Belange der Patientinnen und Patienten zulässig ist (§ 65b Absatz 1 Satz 4 SGB V). Erforderlich ist also dessen Einverständnis.19 Weiterhin ist eine die Vergabe begleitende Beratung durch einen Beirat (bestehend u. a. aus Vertretern der Wissenschaften, von Patientenorganisationen sowie verschiedener Bundesministerien) vorgeschrieben (§ 65b Absatz 1 Sätze 5 und 6 SGB V) . Weder die Wortwahl (Förderung von Einrichtungen, Fördermittel etc.) noch die Ausgestaltung des Verfahrens nach § 65b Absatz 1 SGB V deuten auf einen öffentlichen (entgeltlichen) Auftrag im Sinne des § 99 GWB hin. Die Bezeichnung als Fördermittel unterstreicht den Zuwendungscharakter (vgl. hierzu VV 2. zu § 23 BHO). Das Verbot der Einflussnahme des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen auf den Inhalt oder den Umfang der Beratungstätigkeit lässt ebenfalls erkennen, dass es sich nicht um eine Leistung handelt, die dem Spitzenverband „zur vollen Verfügung überlassen wird“, wie dies für einen entgeltlichen Vertrag erforderlich wäre (vgl. Anlage zur VV Nr. 1.2.4 zu § 23 BHO). Die Vorgaben für das Vergabeverfahren nach § 65b Absatz 1 SGB V – Zustimmungsvorbehalt einer anderen Stelle (Beauftragter der Bundesregierung für die Belange der Patientinnen und Patienten ) und die verpflichtende Hinzuziehung eines Beirates u. a. mit Vertretern verschiedener gesellschaftlicher Akteure – machen deutlich, dass es sich in der Sache nicht um einen wettbewerblichen Auswahlprozess des wirtschaftlichsten Angebotes im Sinne des § 97 Absatz 5 GWB, sondern um eine Auswahlentscheidung eines Zuwendungsempfängers nach sozialrechtlichen Kriterien handelt. In der Sache geht es nicht um eine Auftragsvergabe im Beschaffungsbereich, sondern um eine öffentliche Zuwendung. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Begriff der „Vergabe“ in § 65b Absatz 1 Satz 4 SGB V, der auch außerhalb des Vergaberechts beispielsweise im Zusammenhang mit der Zuteilung von Stipendien oder Subventionen verwendet wird. Im Übrigen sah schon die Vorgängervorschrift eine „Vergabe der Fördermittel“ vor. Um eine angemessene Förderung von Einrichtungen zur Verbraucher- und Patientenberatung im Rahmen von Modellvorhaben sicherzustellen20, 19 Roters, in: Kasseler Kommentar Sozialversicherungsrecht, 77. Ergänzungslieferung 2013, § 65b SGB V, Rn. 10. 20 Bundestagsdrucksache 14/1977, S. 162. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 – 3000 – 054/13 Seite 9 schrieb der Gesetzgeber erstmals mit dem GKV-Gesundheitsreformgesetz 200021 die Vergabe bestimmter Fördermittel durch die Spitzenverbände der Krankenkassen vor. Für § 65b Absatz 1 SGB V a. F. ist – soweit ersichtlich – eine Anwendung der Vergabevorschriften nach § 97 ff. GWB auch in der Literatur nicht in Erwägung gezogen worden.22 1.4. Hinweise aus dem Gesetzgebungsverfahren zum AMNOG In der Begründung des Gesetzesentwurfs zum AMNOG geht der Gesetzgeber zwar davon aus, dass die Vergabe im Wege einer „Ausschreibung“ erfolgt, an die sich eine Beauftragung anschließt 23, nimmt jedoch hierbei nicht auf das GWB Bezug. Hierbei ist zu beachten, dass im Bereich des SGB V auch der Begriff einer sozialrechtlichen Ausschreibung geläufig ist, der keinen Verweis auf das GWB beinhaltet.24 Auch sonst enthalten die Gesetzgebungsmaterialien keine Indizien dafür, dass der Gesetzgeber die Vergabe nach § 65b Absatz 1 SGB V in Form eines öffentlichen Auftrags im Sinne des § 99 GWB vorgesehen hat. Der Hinweis in der Gesetzesbegründung, dass die „geförderte Beratungseinrichtung “ jährlich über ihre Ausgaben „Rechenschaft“ abzulegen habe25, verweist vielmehr auf das Gegenteil. Zielsetzung der Neuregelung des § 65b SGB V im AMNOG war es, die Förderung unabhängiger Einrichtungen „von der Modell- zur Regelförderung“ zu überführen26. In der Sache handelt es sich also unverändert um die Förderung bestimmter Einrichtungen, die jedoch dem Spitzenverband Bund nunmehr als regelhafte Verpflichtung auferlegt ist.27 Aus den Gesetzgebungsmaterialien ergibt sich nicht, dass der Gesetzgeber von dieser grundsätzlichen Konzeption (d. h. der finanziellen Förderung unabhängiger Einrichtungen) abweichen wollte, etwa in Richtung einer Bereitstellung der Beratung als weitere Versicherungsleistung der gesetzlichen Krankenkassen bzw. eines eigenen Beratungsangebotes der GKV, das dann möglicherweise im Wege der kartellrechtlichen Vergabe an Dritte zu erfüllen wäre. Formulierungen außerhalb des Gesetzgebungsverfahrens, die von einer Überführung der Beratung in die „Regelversorgung“28 ausgehen, gehen daher möglicherweise zu weit. Auch die optio- 21 Gesetz zur Reform der gesetzlichen Krankenversicherung ab dem Jahr 2000 (BGBl. 1999 I S. 2626). 22 Vgl. hierzu Flint, in: Hauck/Noftz, SGB-Kommentar, § 65b SGB V, Rn. 34. 23 Bundestagsdrucksache 17/2413, S. 26. 24 Vgl. etwa Huster, in: Becker/Kingreen, SGB V, 3. Auflage 2012, § 73b SGB V, Rn. 20; vgl. auch Kaltenborn, GesundheitsRecht 2011, 1. 6 (§ 73b Absatz 4 Satz 5, 2. Halbsatz SGB V beinhalte eine „sozialrechtsspezifische Ausschreibungspflicht). 25 Bundestagsdrucksache 17/2413, S. 26. 26 Bundestagsdrucksache 17/2413, S. 2, 3. 27 Bundestagsdrucksache 17/2413, S. 16. 28 Vgl. etwa das Sondergutachten 2012 des Sachverständigenrates zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen , Bundestagsdrucksache 17/10323, S. 110 und 116. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 – 3000 – 054/13 Seite 10 nale Kostenbeteiligung der privaten Krankenversicherung (§ 65b Absatz 1 Satz 6 SGB V) spricht eher dagegen, dass hier mehr als eine Förderung unabhängiger Einrichtungen beabsichtigt ist. Insofern handelt es sich bei § 65b SGB V in der Fassung des AMNOG unverändert um einen Fördertatbestand , der mangels Gegenleistung nicht als öffentlicher Auftrag im Sinne der §§ 97 ff. GWB anzusehen ist. 1.5. § 65b SGB V und § 69 SGB V Im Gegensatz zu § 65b Absatz SGB V wird die Anwendbarkeit der kartellrechtlichen Vergabevorschriften des Vierten Teils des GWB (§§ 97 ff. GWB) in § 69 Absatz 2 Satz 4 SGB V für die Rechtsbeziehungen zwischen den Krankenkassen bzw. ihren Verbänden einerseits und den Leistungserbringern andererseits explizit vorgeschrieben. Demnach sind die Vorschriften der §§ 97 ff. GWB etwa auf Vereinbarungen über Modellvorhaben nach § 64 SGB V anwendbar. Da es sich bei der Regelförderung nach § 65b SGB V nicht um eine Versicherungsleistung handelt und die geförderten Einrichtungen auch nicht als Leistungserbringer im Sinne des § 69 SGB V anzusehen sind, gilt für die Vergabe von Fördermitteln nach § 65b SGB V die Vorschrift des § 69 SGB V nicht. Eine Anwendbarkeit der kartellrechtlichen Vergabevorschriften ergibt sich daher auch nicht aus § 69 SGB V. 1.6. Ergebnis Im Ergebnis ist daher festzustellen, dass es sich bei der Vergabe nach § 65 b Absatz 1 SGB V nicht um einen öffentlichen Auftrag im Sinne von § 99 GW handelt. Ein kartellrechtliches Vergabeverfahren nach §§ 97 ff. ist somit nicht erforderlich. 2. Zum Inhalt des Einflussnahmeverbots nach § 65b Absatz 1 Satz 2 SGB V: Welche Art der Einflussnahme ist dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen erlaubt? Das Verbot der Einflussnahme des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen „auf den Inhalt oder den Umfang der Beratungstätigkeit“ (§ 65b Absatz 1 Satz 2 SGB V) wurde erst im Laufe der parlamentarischen Beratung des AMNOG in die Regelung eingefügt. In der Beschlussempfehlung und dem Bericht des 14. Ausschusses wird zur Begründung ausgeführt: „Die Änderung dient der Klarstellung der Unabhängigkeit der Beratungseinrichtung vom Spitzenverband Bund der Krankenkassen (GKV-Spitzenverband). Der GKV-Spitzenverband legt, durch eine entsprechende Vertragsgestaltung im Rahmen des gesetzlichen Auftrags, den generellen Beratungsumfang fest um den Aufbau evtl. Doppelstrukturen zu verhindern und sicherzustellen , dass sich die Patientenberatung in die bestehende Beratungslandschaft einfügt und im Sinne der Lotsenfunktion auf andere qualifizierte Beratungs- und Informationsmöglichkeiten verweist. Dem Sinn und Zweck einer unabhängigen Patientenberatung steht jedoch entgegen, wenn der GKV-Spitzenverband als Vertreter der gesetzlichen Krankenkassen Einfluss auf die konkrete Beratungstätigkeit ausübt.“ 29 Der Gesetzgeber geht also davon aus, dass der Spitzenverband im Rahmen der Auftragsvergabe Rahmenbedingungen vorgibt (genereller Beratungsumfang usw.). 29 Bundestagsdrucksache 17/3698, S. 51. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 – 3000 – 054/13 Seite 11 Das Einflussnahmeverbot bezieht sich hingegen ausdrücklich nur auf die konkrete Beratungstätigkeit . Aus der Begründung des Gesetzesentwurfs ergeben sich zudem Hinweise auf die notwendige Ausgestaltung der Beratung: „Information und Beratung sind so zu strukturieren, dass sie zu einer Orientierung der Ratsuchenden und Klärung ihrer Anliegen führen, sich jedoch von der anwaltlichen sowie der ärztlichen Tätigkeit abgrenzen. Die unabhängige Verbraucher- und Patientenberatung ist als ein niedrig schwelliges, thematisch breit aufgestelltes Angebot einzurichten, das sich in die bestehende Beratungslandschaft einfügt. Zur Vermeidung von Doppelstrukturen soll die unabhängige Verbraucher- und Patientenberatung im Einzelfall auf andere qualifizierte Beratungs- und Informationsmöglichkeiten verweisen. […] Die Beratungstätigkeit einer unabhängigen Verbraucher- und Patientenberatung muss einer dauerhaften Verpflichtung zur Evaluation und Prozessoptimierung unterliegen.“ 30 Obwohl auch diese gesetzgeberischen Vorgaben Inhalt und Umfang der Beratungstätigkeit betreffen , wäre ihre Übernahme in ein Ausschreibungsverfahren sicherlich als zulässig anzusehen. Vor diesem Hintergrund ist nicht ersichtlich, dass mit der Durchführung einer (sozialrechtlichen) Ausschreibung notwendigerweise gegen das Verbot der Einflussnahme auf die konkrete Beratungstätigkeit verstoßen würde. Ob sich aus dem Ablauf des konkreten Verfahrens oder Bestimmungen der spezifischen Fördervereinbarung ein Verstoß gegen das Einflussnahmeverbot ergibt, ist jeweils im Einzelfall zu prüfen . 3. Wer hätte die Pflicht zu handeln, wenn es um Einhaltung der Gesetze geht? Adressat der Regelung des § 65b SGB V ist der Spitzenverband Bund der Krankenkassen. Die Rechtsaufsicht liegt nach § 217d SGB V beim Bundesministerium für Gesundheit. 4. Anwendbarkeit von § 17 oder § 22 der Verordnung über das Haushaltswesen in der Sozialversicherung (SVHV) im Rahmen des § 65b SGB V Nach § 22 SVHV ist beim Abschluss von Verträgen über Lieferungen und Leistungen, die nicht der Erbringung gesetzlicher oder satzungsmäßiger Versicherungsleistungen dienen, eine öffentliche Ausschreibung durchzuführen. Die Vergabe nach § 65 b Absatz 1 SGB V stellt wie dargelegt keinen öffentlichen Auftrag im Sinne von § 99 GWB dar. § 22 SVHV ist nicht einschlägig. Da es sich vielmehr um eine Zuwendung handelt, sind die Vorgaben des § 17 SVHV zu beachten. Danach dürfen Zuwendungen nur im Rahmen der gesetzlich vorgeschriebenen oder zugelassenen Aufgaben (§ 30 Absatz 1 SGB IV) gewährt werden dürfen. Bei der Gewährung ist zu bestimmen, wie die zweckentsprechende Leistung nachzuweisen ist. Außerdem ist ein Prüfungsrecht des Versicherungsträgers oder seines Beauftragten festzulegen. Danach darf der Spitzenverband Bund der Krankenkassen im Rahmen des § 65b SGB V im Wege der Zuwendung Fördermittel vergeben; hierbei sind Verwendungsnachweise und ein Prüfungsrecht vorzusehen. 30 Bundestagsdrucksache 17/2413, S. 25. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 – 3000 – 054/13 Seite 12 5. Literaturverzeichnis Becker, Ulrich; Kingreen, Thorsten (Hrsg.). SGB V: Gesetzliche Krankenversicherung. Kommentar. 3. Auflage 2012. München: Verlag C. H. Beck. Hauck, Karl; Noftz, Wolfgang; Luth, Ernst-Wilhelm (Hrsg.). Sozialgesetzbuch. Kommentar. Loseblattausgabe . Stand 09/2012. Berlin: Erich Schmidt Verlag. Heiermann, Wolfgang; Zeiss, Christopher (Hrsg.). juris Praxiskommentar Vergaberecht (jurisPK- VergR), 4. Aufl. 2013. Kaltenborn, Markus. Der kartellvergaberechtliche Auftragsbegriff im Vertragswettbewerb des SGB V. In: GesundheitsRecht 2011, 1-8. Leitherer, Stephan (Hrsg.). Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, 77. Ergänzungslieferung 2013, München: Beck-Online. Otting, Olaf; Sormani-Bastian, Laura. Die Anwendbarkeit des Vergaberechts im Gesundheitsbereich , Zeitschrift für das gesamte Medizin- und Gesundheitsrecht (ZMGR) 2005, S. 246. Rolfs, Christina; Giesen, Richard; Kreikebohm, Ralf; Udsching, Peter (Hrsg.). Beck’scher Online- Kommentar Sozialrecht, Stand: 1. März 2013. München: Beck-Online.