Deutscher Bundestag Inhobhutnahme von Kinder und Jugendlichen durch die Jugendämter Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste © 2011 Deutscher Bundestag WD 9 – 3000/053/11 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 – 3000/053/11 Seite 2 Inhobhutnahme von Kindern und Jugendlichen durch die Jugendämter Aktenzeichen: WD 9 – 3000/053/11 Abschluss der Arbeit: 6. Mai 2011 Fachbereich: WD 9: Gesundheit, Familie, Senioren, Frauen und Jugend Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 – 3000/053/11 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Unter welchen rechtlichen Voraussetzungen können Kinder gegen den Willen ihrer Eltern in Obhut genommen werden? 5 2.1. Selbstmelder (§ 42 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB VIII) 5 2.2. Kindeswohlgefährdung (§ 42 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGB VIII) 5 2.3. Unbegleitete Einreise ausländischer Kinder und Jugendlicher (§ 42 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 SGB VIII) 6 3. Welche rechtlichen Schritte können Eltern gegen eine Inobhutnahme nach § 42 SGB VIII unternehmen? 6 4. Wie hat sich die Zahl der Inobhutnahmen in den letzten zehn Jahren in absoluten und relativen Zahlen entwickelt? 8 5. Wer trägt die Kosten der Inobhutnahmen? 10 6. Wie haben sich die Kosten in absoluten und relativen Zahlen in den letzten zehn Jahren entwickelt? 11 7. Literatur 12 8. Anlagen 13 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 – 3000/053/11 Seite 4 1. Einleitung Das Recht – und die Pflicht – zur Pflege und Erziehung der Kinder liegt nach Art. 6 Abs. 2 S. 1 Grundgesetz (GG1) bei den Eltern. Der Staat überwacht gemäß Art. 6 Abs. 2 S. 2 GG lediglich die Erfüllung dieser elterlichen Aufgabe. Dieses sog. Wächteramt2 wird im Sozialrecht – speziell im Achten Buch Sozialgesetzbuch (SGB VIII3) – aufgegriffen4 und weiter ausgestaltet. So hat nach § 1 Abs. 1 SGB VIII jeder junge Mensch das Recht zur Förderung seiner Entwicklung und auf Erziehung zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit. Zur Verwirklichung dieses Rechtes soll die Kinder- und Jugendhilfe nach § 1 Abs. 3 Nr. 3 SGB VIII Kinder5 und Jugendliche6 insbesondere vor Gefahren für ihr Wohl schützen. In § 8a SGB VIII ist für das Jugendamt explizit ein Schutzauftrag bei Kindeswohlgefährdung festgelegt. Nach Absatz 3 dieser Vorschrift muss das Jugendamt bei dringender Gefahr für das Wohl eines Kindes oder Jugendlichen , das gefährdete Kind bzw. den gefährdeten Jugendlichen in Obhut nehmen.7 Einzelheiten zur Inobhutnahme von Kindern und Jugendlichen durch das Jugendamt8 sind in § 42 SGB VIII festgeschrieben.9 Die Inobhutnahme umfasst nach § 42 Abs. 1 S. 2 SGB VIII die Befugnis, ein Kind oder einen Jugendlichen bei einer geeigneten Person, in einer geeigneten Einrichtung oder in einer sonstigen Wohnform vorläufig unterzubringen. Während der Inobhutnahme hat das Jugendamt nach § 42 Abs. 2 S. 1 SGB VIII zusammen mit dem Kind oder dem Jugendlichen die Situation, die zur Inobhutnahme geführt hat, zu klären. Dem Kind oder dem Jugendlichen sind Möglichkeiten der Hilfe und Unterstützung aufzuzeigen. Gemäß § 42 Abs. 2 S. 3 SGB VIII hat das Jugendamt während der Inobhutnahme für das Wohl des Kindes oder des Jugendlichen zu sorgen. Der notwendige Unterhalt und die Krankenhilfe sind während dieser Zeit vom Jugendamt sicherzustellen.10 Während der Inobhutnahme ist das Jugendamt nach § 42 Abs. 2 S. 4 SGB VIII berechtigt, alle zum Wohl des Kindes oder Jugendlichen notwendigen Rechtshandlungen vorzunehmen. Hierbei 1 Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 100- 1, veröffentlichten bereinigten Fassung, zuletzt geändert durch Artikel 1 des Gesetzes vom 21. Juli 2010 (BGBl. I S. 944). 2 Dahm (2008), S. 401. 3 Achtes Buch Sozialgesetzbuch - Kinder und Jugendhilfe - (Artikel 1 des Gesetzes vom 26. Juni 1990, BGBl. I S. 1163) in der Fassung der Bekanntmachung vom 14. Dezember 2006 (BGBl. I S. 3134), zuletzt geändert durch Artikel 3a des Gesetzes vom 24. März 2011 (BGBl. I S. 453). 4 Vergleiche § 1 Abs. 2 SGB VIII. 5 Nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 SGB VIII ist in diesem Zusammenhang Kind, wer das 14. Lebensjahr noch nicht vollendet hat. 6 Jugendlicher ist gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 2 SGB VIII, wer das 14. Lebensjahr vollendet hat, aber noch nicht 18 Jahre alt ist. 7 Einzelheiten zum Schutzauftrag aus § 8a SGB VIII in Trenczek in: Meysen u.a., § 8a SGB VIII. 8 Die Inobhutnahme von Kindern und Jugendlichen durch das Jugendamt nach § 42 SGB VIII stellt gemäß § 2 Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 Nr. 1 SGB VIII eine sog. andere Aufgabe der Jugendhilfe i.S.d. §§ 42ff SGB VIII dar. 9 Vergleiche hierzu die Ausführungen zu Gliederungspunkt 2. 10 Einzelheiten zur Durchführung der Inobhutnahme sowie den Befugnissen und Pflichten des Jugendamtes während der Inobhutnahme in Trenczek in: Meysen u.a., § 42 SGB VIII, Rn. 17 ff., vergleiche auch Bohnert in: Hauck/Noftz, § 42 SGB VIII, Rn. 25ff. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 – 3000/053/11 Seite 5 ist der mutmaßliche Wille der Personensorge- oder Erziehungsberechtigten angemessen zu berücksichtigen . 2. Unter welchen rechtlichen Voraussetzungen können Kinder gegen den Willen ihrer Eltern in Obhut genommen werden? Die Fälle, in denen für das Jugendamt die Berechtigung und Verpflichtung zur Inobhutnahme von Kindern und Jugendlichen besteht, sind in § 42 Abs. 1 SGB VIII geregelt. Danach gibt es drei Sachverhalte, bei deren Vorliegen das Jugendamt zur Inobhutnahme berechtigt und verpflichtet ist. 2.1. Selbstmelder (§ 42 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB VIII) In § 42 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB VIII ist der Fall der sog. Selbstmelder geregelt. Hierbei richtet sich das Kind oder der Jugendliche selbst an das Jugendamt mit der Bitte um Inobhutnahme. Das Jugendamt ist in diesem Fall grundsätzlich dazu verpflichtet, der Bitte des Selbstmelders nachzukommen .11 Die Bitte muss keine formellen oder inhaltlichen Anforderungen erfüllen. Insbesondere ist keine Begründung derselben erforderlich.12 Überwiegend wird die Auffassung vertreten, dass das subjektive Schutzbedürfnis des Selbstmelders ausschlaggebend sei und das Vorliegen eines objektiven Hilfebedarfs nicht erforderlich sei.13 Im Gegensatz dazu wird zum Teil allerdings auch die Auffassung vertreten, dass für die Inobhutnahme nach § 42 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB VIII konkrete Hinweise auf eine Gefährdungssituation vorliegen müssten. Anderenfalls stelle die Inobhutnahme einen unverhältnismäßigen Eingriff in das Personensorgerecht dar.14 2.2. Kindeswohlgefährdung (§ 42 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGB VIII) Der zweite Fall in dem das Jugendamt zu einer Inobhutnahme berechtigt und verpflichtet ist, ist Regelungsgegenstand des § 42 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGB VIII i.V.m. § 8a Abs. 2 S. 3 SGB VIII. Danach hat das Jugendamt ein Kind oder einen Jugendlichen in Obhut zu nehmen, wenn für das Wohl des Kindes bzw. des Jugendlichen eine dringende Gefahr besteht, die die Inobhutnahme erfordert . Dies ist dann der Fall, wenn sich mit relativ hoher Wahrscheinlichkeit voraussagen lässt, dass bei der weiteren Entwicklung der Dinge eine erhebliche Schädigung des körperlichen, geistigen und seelischen Wohls des Kindes bzw. des Jugendlichen eintreten wird. Neben der Gefährdung des Kindeswohls innerhalb der Familie kann dieses auch außerhalb der Familie, z.B. beim nächtlichen Aufenthalt in öffentlichen Anlagen, gefährdet sein.15 Die Anhaltspunkte für eine Gefährdung des Kindeswohls müssen objektiv erkennbar sein und fachgerecht geprüft werden. Nur für den Fall, dass Letzteres zum Zeitpunkt der Inobhutnahme durch das Jugendamt versäumt wurde, ist die Inobhutnahme rechtswidrig, wenn im Nachhinein festgestellt wird, dass eine Gefährdungssituation nicht vorlag.16 Im Fall der Inobhutnahme bei dringender Gefahr für das Kindeswohl ist darüber hinaus nach § 42 Abs. 1 S. 1 Nr. 2a SGB VIII erforderlich, dass die Personen- 11 Dahm (2008), S. 402. 12 So Trenczek in: Meysen u.a., § 42 SGB VIII, Rn. 10, Bohnert in: Hauck/Noftz, § 42 SGB VIII, Rn. 11. 13 So u.a. Trenczek in: Meysen u.a., § 42 SGB VIII, Rn. 10., Wiesner (2006), § 42 SGB VIII, Rn. 7. 14 So Bohnert in: Hauck/Noftz, § 42 SGB VIII, Rn. 11f. 15 Einzelheiten dazu bei Dahm (2008), S. 402. 16 Trenczek in: Meysen u.a., § 42 SGB VIII, Rn. 13. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 – 3000/053/11 Seite 6 sorgeberechtigten der Inobhutnahme nicht widersprechen. Im Hinblick auf eine einvernehmliche Regelung zwischen Jugendamt und Personensorge- oder Erziehungsberechtigten sind Letztere grundsätzlich zu kontaktieren, bevor die Entscheidung über die Inobhutnahme getroffen wird.17 Werden dem Jugendamt gewichtige Anhaltspunkte für eine Gefährdung des Kindeswohls bekannt , muss es nach § 8a Abs. 1 S. 1 SGB VIII im Zusammenwirken mehrerer Fachkräfte das Gefährdungsrisiko abschätzen. Dabei sind gemäß § 8a Abs. 1 S. 2 Halbsatz 1 SGB VIII die Personensorgeberechtigten einzubeziehen. Dies gilt gemäß § 8a Abs. 1 S. 2 Halbsatz 2 SGB VIII allerdings nur, soweit dadurch der Schutz des Kindes oder des Jugendlichen nicht in Frage gestellt wird. Ist eine vorherige Kontaktaufnahme aus dem vorgenannten Grund nicht möglich, muss das Jugendamt nach §§ 8a Abs. 3, 42 Abs. 1 Nr. 2b SGB VIII grundsätzlich versuchen, eine Entscheidung des Familiengerichts einzuholen. Rechtsgrundlage für die Entscheidung des Familiengerichts ist § 1666 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB18)19. Kann aufgrund der Gefahrenlage die familiengerichtliche Entscheidung nicht rechtzeitig eingeholt werden, ist das Jugendamt nach § 42 Abs. 1 S. 1 Nr. 2b SGB VIII auch ohne diese zu einer Inobhutnahme berechtigt und verpflichtet. Da es sich bei der Inobhutnahme um eine sog. „andere Aufgabe“ der Jugendhilfe handelt, tritt das Jugendamt in diesem Fall als „Eingriffsverwaltung“ auf. Daher ist es möglich, auch gegen den Willen der Beteiligten ein Kind oder einen Jugendlichen in Obhut zu nehmen.20 Dies gilt auch, wenn die Inobhutnahme nicht dem Willen des betroffenen Kindes oder Jugendlichen entspricht.21 2.3. Unbegleitete Einreise ausländischer Kinder und Jugendlicher (§ 42 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 SGB VIII) Eine Inobhutnahme durch das Jugendamt erfolgt des Weiteren nach § 42 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 SGB VIII, wenn ein ausländisches Kind oder ein ausländischer Jugendlicher unbegleitet nach Deutschland kommt und sich weder Personensorge- noch Erziehungsberechtigte im Inland aufhalten . In den folgenden Ausführungen wird nur auf die Fälle von § 42 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 und 2 SGB VIII eingegangen. Die Inobhutnahme von unbegleitet nach Deutschland kommenden ausländischen Kindern und Jugendlichen wird im Folgenden nicht betrachtet.22 3. Welche rechtlichen Schritte können Eltern gegen eine Inobhutnahme nach § 42 SGB VIII unternehmen? In den Fällen des § 42 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 und 2 SGB VIII sind die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten gemäß § 42 Abs. 3 S. 1 SGB VIII durch das Jugendamt unverzüglich von der Inobhutnahme zu unterrichten und es ist zusammen mit diesen das Gefährdungsrisiko abzu- 17 Trenczek in: Meysen u.a., § 42 SGB VIII, Rn. 12. 18 Bürgerliches Gesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. Januar 2002 (BGBl. I S. 42, 2909; 2003 I S. 738), zuletzt geändert durch Artikel 1 des Gesetzes vom 17. Januar 2011 (BGBl. I S. 34). 19 Bohnert in: Hauck/Noftz, § 42 SGB VIII, Rn. 47. 20 Im Gegensatz dazu können Jugendhilfeleistungen nach den §§ 11ff SGB VIII in keinem Fall gegen den Willen der Betroffenen erfolgen, vergleiche hierzu Dahm (2008), S. 401. 21 Bohnert in: Hauck/Noftz, § 42 SGB VIII, Rn. 10. 22 Einzelheiten hierzu z.B. bei Wiesner (2006), § 42 SGB VIII, Rn. 16ff und Trenczek in: Meysen u.a., § 42 SGB VIII, Rn. 15f. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 – 3000/053/11 Seite 7 schätzen. Sind die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten nicht mit der Inobhutnahme einverstanden und widersprechen dieser, hat das Jugendamt das Kind oder den Jugendlichen nach § 43 Abs. 3 S. 2 Nr. 1 SGB VIII unverzüglich den Personensorge- oder Erziehungsberechtigten zu übergeben. Dies gilt allerdings nur, sofern nach Einschätzung des Jugendamtes keine Gefährdung des Kindeswohls besteht oder diese durch die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten abgewendet werden kann. Letztere müssen sowohl bereit als auch in der Lage sein, die Gefährdung abzuwenden. Übergibt das Jugendamt das Kind oder den Jugendlichen aufgrund einer Gefährdung des Kindeswohls nicht unverzüglich den Personensorge- und Erziehungsberechtigten, hat es nach § 43 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 SGB VIII unverzüglich eine Entscheidung des Familiengerichts über die erforderlichen Maßnahmen zum Wohl des Kindes oder des Jugendlichen herbeizuführen . Die Anrufung des Familiengerichts muss gemäß § 43 Abs. 3 S. 3 SGB VIII auch dann erfolgen , wenn die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten nicht erreichbar sind. Bei der Entscheidung , ob das Kind oder der Jugendliche den Personensorge- oder Erziehungsberechtigten übergeben oder das Familiengericht eingeschaltet wird, hat das Jugendamt kein Auswahlermessen . Ausschlaggebend ist die Gefährdung des Kindeswohls, über deren Vorliegen das Jugendamt aufgrund einer prognostischen Beurteilung der Situation entscheidet.23 Nach § 1666 Abs. 1 BGB ist es die Aufgabe des Familiengerichts, notwendige sorgerechtliche Maßnahmen im Anschluss an die Inobhutnahme zu treffen. Somit bezieht sich die Entscheidung des Familiengerichts nicht auf die Rechtmäßigkeit der Inobhutnahme als solche. Es ist auch nicht Aufgabe des Familiengerichts die Fortdauer der Inobhutnahme anzuordnen.24 Vielmehr steht die Beurteilung der fachlichen Voraussetzungen für die Inobhutnahme den Verwaltungsgerichten oder den Strafgerichten zu.25 Widersprechen die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten der Inobhutnahme durch das Jugendamt nicht, ist vom Jugendamt nach § 43 Abs. 3 S. 5 SGB VIII unverzüglich ein Hilfeplanverfahren nach § 36 SGB VIII26 einzuleiten. Die Inobhutnahme eines Kindes oder eines Jugendlichen nach § 42 SGB VIII stellt einen Verwaltungsakt nach § 31 S. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X27) dar, der sich an die Personensorge - oder Erziehungsberechtigten sowie an das Kind oder den Jugendlichen als Adressaten richtet. Der Verwaltungsakt kann nach § 33 Abs. 2 S. 1 SGB X mündlich, schriftlich oder in andere Weise erlassen werden. Allerdings muss der Erlass auf Verlangen schriftlich in Form eines Bescheides mit Rechtsmittelbelehrung erfolgen. Gemäß § 80 Abs. 2 und 3 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO28) ist die Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit des Verwaltungsaktes möglich , die jedoch nach § 80 Abs. 3 S. 1 VwGO schriftlich begründet werden muss. Bezeichnet die 23 Einzelheiten dazu in Mrozynski (2009), S. 318f. 24 Vergleiche hierzu Wiesner (2006), § 42 SGB VIII, Rn. 46. 25 Vergleiche hierzu Trenczek in: Meysen u.a., § 42 SGB VIII, Rn. 39. 26 Auf die Darstellung des Hilfeplanverfahrens nach § 36 SGB VIII wird an dieser Stelle verzichtet. 27 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (Artikel 1 des Gesetzes vom 18. August 1980, BGBl. I S. 1469 und Artikel 1 des Gesetzes vom 4. November 1982, BGBl. I S. 1450) in der Fassung der Bekanntmachung vom 18. Januar 2001 (BGBl. I S. 130), zuletzt geändert durch Artikel 5 des Gesetzes vom 5. August 2010 (BGBl. I S. 1127). 28 Verwaltungsgerichtsordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 19. März 1991 (BGBl. I S. 686), zuletzt geändert durch Artikel 9 des Gesetzes vom 22. Dezember 2010 (BGBl. I S. 2248). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 – 3000/053/11 Seite 8 Behörde den Verwaltungsakt jedoch als Notstandsmaßnahme, so ist gemäß § 80 Abs. 3 S. 2 VwGO keine Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit erforderlich.29 Die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten haben das Recht, die Rechtmäßigkeit der Inobhutnahme überprüfen zu lassen. Sofern noch durch Landesrecht vorgesehen30, kann diese im Rahmen des Widerspruchsverfahrens erfolgen. Es ist sowohl möglich, Widerspruch gegen die Inobhutnahme an sich einzulegen, als auch vorläufigen Rechtschutz gegen die Anordnung der sofortigen Vollziehung zu begehren. In beiden Fällen muss die Inobhutnahme noch andauern. In Anwendung von § 40 VwGO ist die Klage gegen die Inobhutnahme nach § 42 SGB VIII vor dem Verwaltungsgericht möglich. Die Zuständigkeit für diese öffentlich-rechtliche Streitigkeit wurde nicht durch Bundesrecht an ein anderes Gericht verwiesen. Dies gilt auch für die Sozialgerichtsbarkeit , deren Zuständigkeit in § 51 Sozialgerichtsgesetz (SGG31) abschließend geregelt ist. Demnach sind die Sozialgerichte nicht für Angelegenheiten der Kinder- und Jugendhilfe und somit auch nicht für die Inobhutnahme von Kindern und Jugendlichen durch das Jugendamt zuständig. In Abhängigkeit davon, ob die Inobhutnahme bei Klageerhebung noch andauert, ergibt sich die geeignete Klageart. Dauert die Inobhutnahme noch an, wird Anfechtungsklage gemäߧ 42 Abs. 1 VwGO erhoben. Diese zielt auf die Aufhebung des Verwaltungsaktes und somit auf die Beendigung der Inobhutnahme ab. Wurde die Inobhutnahme bei Klageerhebung bereits beendet und hat sich der angegriffene Verwaltungsakt somit bereits erledigt, wird Fortsetzungsfeststellungsklage gemäß § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO (analog) erhoben. Allerdings stellt sich hierbei die Frage des Rechtschutzinteresses des Klägers an der Feststellung der Rechtswidrigkeit des – bereits erledigten –Verwaltungsaktes. Dieses könnte zum Beispiel bei der beabsichtigten Geltendmachung von Schadenersatz- oder Entschädigungsansprüchen, bei einem Rehabilitationsbedürfnis oder bei einer Wiederholungsgefahr bestehen.32 4. Wie hat sich die Zahl der Inobhutnahmen in den letzten zehn Jahren in absoluten und relativen Zahlen entwickelt? Gemäß § 98 Abs. 1 Nr. 5 SGB VIII sind laufende Erhebungen über vorläufige Schutzmaßnahmen für Kinder und Jugendliche als Bundesstatistik durchzuführen. Die Erhebung erfolgt nach § 101 Abs. 1 S. 1 SGB VIII jährlich. In § 99 Abs. 2 SGB VIII ist festgelegt, welche Merkmale für die Statistik über die vorläufigen Schutzmaßnahmen zu erheben sind. So ist unter anderem die Art der Maßnahme anzugeben. Bei den vorläufigen Schutzmaßnahmen kann es sich zum einen um die Inobhutnahme33 handeln, zum anderen kann eine sog. Herausnahme nach § 42 Abs. 1 S. 2 Halbsatz 2 SGB VIII erfolgen. Bei Letzterer wird das Kind oder der Jugendliche aufgrund einer Gefährdung des körperlichen, geistigen oder seelischen Wohls aus einer Pflegestelle entfernt. Eine Herausnahme ist auch aus Einrichtungen möglich, in denen sich das Kind oder der Jugendliche 29 Dahm (2008), S. 404f. 30 Es liegen keine Informationen darüber vor, inwieweit in einzelnen Bundesländern ein Vorverfahren nicht mehr notwendig ist. 31 Sozialgerichtsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 23. September 1975 (BGBl. I S. 2535), zuletzt geändert durch Artikel 4 des Gesetzes vom 24. März 2011 (BGBl. I S. 453). 32 Dahm (2008), S. 404f. 33 Vergleiche hierzu Ausführungen zu den Gliederungspunkten 1-3. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 – 3000/053/11 Seite 9 mit Erlaubnis des Personensorgeberechtigten aufhält.34 Neben der Art der Maßnahme werden auch die Form der Unterbringung während der Maßnahme, der Anlass und die Dauer der Maßnahme sowie weitere Merkmale erfasst. Darüber hinaus werden das Geschlecht und die Staatsangehörigkeit ebenso wie das Alter des in Obhut genommenen Kindes oder Jugendlichen erfasst. Auch die Art des Aufenthalts vor Beginn der Maßnahme wird statistisch erhoben. Die ermittelten Daten werden in den „Statistiken der Kinder- und Jugendhilfe – Vorläufige Schutzmaßnahmen“ veröffentlicht.35 Die aktuellste Veröffentlichung bezieht sich auf das Jahr 2009 und enthält neben den aktuellen Zahlen Zeitreihen zu den erhobenen Daten seit dem Jahr 1995. Die Veröffentlichung der Statistik für das Jahr 2010 ist Mitte 2011 zu erwarten. Im Jahr 2009 wurden insgesamt 33.710 Schutzmaßnahmen für Kinder und Jugendliche durchgeführt . 33.400 dieser vorläufigen Schutzmaßnahmen waren Inobhutnahmen, bei den übrigen 310 Maßnahmen handelte es sich um Herausnahmen. Von den insgesamt 33.400 Inobhutnahmen waren in 13.643 Fällen Kinder36 betroffen. Die verbleibenden 19.757 Fälle betrafen Jugendliche37. Betrachtet man die vergangenen zehn Jahre, ist festzustellen, dass die Zahl der Inobhutnahmen innerhalb dieses Zeitraums zum Teil erheblich schwankt. Während in den Jahren 1999 bis 2001 jeweils über 31.000 Kinder und Jugendliche vom Jugendamt in Obhut genommen wurden, lag der Wert für das Jahr 2002 bei 28.727 Inobhutnahmen. In den darauffolgenden Jahren sanken die Werte weiter kontinuierlich. Der Tiefststand innerhalb des Zehnjahreszeitraums war im Jahr 2005 mit 25.442 Inobhutnahmen erreicht. Danach stieg die Zahl stetig bis zu dem Wert des Jahres 2009 an. Im Vergleich zum Jahr 1999 mit 31.431 Inobhutnahmen betrug der Anstieg bis zum Jahr 2009 circa 6,3 Prozent. Vergleicht man allerdings die Zahl der Inobhutnahmen im Jahr 2009 mit denen im Jahr 2005, ist ein Anstieg um circa 31,3 Prozent festzustellen. Im Vergleich zum Jahr 2008 ist die Anzahl der Inobhutnahmen im Jahr 2009 um circa 4,5 Prozent gestiegen. Die Statistik zu den vorläufigen Schutzmaßnahmen durch das Jugendamt enthält keine Angaben darüber, ob die betroffenen Kinder und Jugendlichen in Bereitschaftspflegefamilien oder Heimeinrichtungen untergebracht wurden. Auch wenn sich die Art der Beendigung der Inobhutnahme 34 Destatis (2010b). Einzelheiten zur Herausnahme in Trenczek in: Meysen u.a., § 42 SGB VIII, Rn. 18, Bohnert in: Hauck/Noftz, § 42 SGB VIII, Rn. 18b. 35 Diese sind auf der Internetseite des Statistischen Bundesamt Deutschlands unter http://www.destatis.de/jetspeed/portal/cms/Sites/destatis/Internet/DE/Content/Publikationen/Fachveroeffentlic hungen/Sozialleistungen/KinderJugendhilfe/VorlaeufigeSchutzmassnahmen5225203097004,property=file.pdf abrufbar, beigefügt als Anlage 1. 36 In Anlehnung an die Altersdefinition eines Kindes nach § 7 SGB VIII (vergleiche hierzu die Ausführungen unter Gliederungspunkt 1) werden hierunter alle Personen, die das 14. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, gefasst . Die ersten fünf der im Rahmen der Bundesstatistik gebildeten Altersgruppen werden daher für die Auswertung in dieser Ausarbeitung zusammengefasst. Insofern ergeben sich die oben genannten Zahlen aus der Addition der Daten für die Altersgruppen bis einschließlich der der 12- bis 14-Jährigen. Inwieweit es sich hierbei um Personen handelt, die das 14. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, ist nicht eindeutig festzustellen. Die nächste Altersgruppe innerhalb der Bundesstatistik ist jedoch die der 14- bis 16-Jährigen. Daher ist davon auszugehen, dass Personen ab Vollendung des 14. Lebensjahres in Letztere eingruppiert werden. Die genauen Zahlen für die einzelnen Altersgruppen können der Tabelle 1 der Statistiken der Kinder- und Jugendhilfe 2009 entnommen werden, in Destatis (2010b). 37 Als Jugendlicher wird im Kinder- und Jugendhilferecht entsprechend § 7 SGB VIII jede Person bezeichnet, die zwar das 14. Lebensjahr bereits vollendet hat, aber noch keine 18 Jahre alt ist. Die Bundesstatistik unterscheidet hierbei zwischen den 14- bis 16-Jährigen sowie den 16- bis 18-Jährigen. Die entsprechenden Zahlen wurden im Rahmen dieser Ausarbeitung zusammengefasst. Die genauen Zahlen für die einzelnen Altersgruppen können der Tabelle 1 der Statistiken der Kinder- und Jugendhilfe 2009 entnommen werden, in Destatis (2010b). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 – 3000/053/11 Seite 10 dieser Statistik entnehmen lässt, trifft sie keine Aussage darüber, wie viele Kinder und Jugendliche nach der Inobhutnahme in Bereitschaftspflegefamilien oder Heimeinrichtungen untergebracht wurden. Lediglich die Anzahl der Kinder und Jugendlichen, für die nach der Inobhutnahme erzieherische Hilfen außerhalb des Elternhauses eingeleitet wurden, wird statistisch erfasst.38 5. Wer trägt die Kosten der Inobhutnahmen? Nach § 87 SGB VIII ist für die Inobhutnahme eines Kindes oder eines Jugendlichen der örtliche Träger zuständig, in dessen Bereich sich das Kind oder der Jugendliche vor Beginn der Maßnahme tatsächlich aufhält. Sind einem örtlichen Träger der Jugendhilfe Kosten im Rahmen der Inobhutnahme entstanden, sind diese gemäß § 89b Abs. 1 SGB VIII von dem örtlichen Träger zu erstatten, dessen Zuständigkeit durch den gewöhnlichen Aufenthalt der Eltern nach § 86 SGB VIII begründet wird.39 Dabei sind nach § 89f Abs. 1 SGB VIII die aufgewendeten Kosten zu erstatten , die im Rahmen der Erfüllung der Aufgaben nach den Vorschriften des SGB VIII entstanden sind. Grundsätzlich werden die Kosten gemäß § 89f Abs. 2 S. 1 SGB VIII erst ab einem Betrag von 1.000 Euro erstattet, wovon unter anderem die Kosten für vorläufige Schutzmaßnahmen entsprechend dieser Vorschrift davon ausgenommen sind. Daher werden die durch die Inobhutnahme entstandenen Kosten auch dann erstattet, wenn sie einen Betrag von 1.000 Euro nicht erreichen.40 Bei bestimmten vollstationären Leistungen und vorläufigen Maßnahmen werden Kostenbeiträge erhoben. Dies ist gemäß § 91 Abs. 1 Nr. 7 SGB VIII auch bei der Inobhutnahme von Kindern und Jugendlichen nach § 42 SGB VIII der Fall. In die Kosten werden nach § 91 Abs. 3 SGB VIII auch Aufwendungen für den notwendigen Unterhalt und die Krankenhilfe eingerechnet. Verwaltungskosten bleiben hingegen nach § 91 Abs. 4 SGB VIII dabei außer Betracht. Unabhängig von der Erhebung eines Kostenbeitrags tragen die Träger der öffentlichen Jugendhilfe nach § 91 Abs. 5 SGB VIII die Kosten der Maßnahme. Dieser Grundsatz der Vorleistungspflicht soll verhindern, dass Leistungen an junge Menschen nicht erbracht werden, wenn die Eltern die Tragung der Kosten verweigern.41 Zu den Kosten der Inobhutnahme sind gemäß § 92 Abs. 1 Nr. 1 SGB VIII das Kind oder der Jugendliche sowie dessen Elternteile nach § 92 Abs. 1 Nr. 5 SGB VIII heranzuziehen. Die Heranziehung erfolgt nach § 92 Abs. 2 SGB VIII durch Erhebung eines Kostenbeitrags, der durch Leistungsbescheid festgesetzt wird. Im Einzelfall soll gemäß § 92 Abs. 5 S. 1 SGB VIII von der Heranziehung abgesehen werden, wenn sich daraus eine besondere Härte ergäbe. § 92 Abs. 5 S. 2 SGB VIII bestimmt, dass von der Heranziehung abgesehen werden kann, wenn der damit verbundene Verwaltungsaufwand in keinem angemessenen Verhältnis zum Kostenbeitrag stehen wird. Für die Berechnung des Kostenbeitrags findet § 94 SGB VIII Anwendung. Nach § 94 Abs. 1 S. 1 SGB VIII sind die Kostenbeitragspflichtigen aus ihrem Einkommen in angemessenem Umfang zu den Kosten heranzuziehen, wobei nach Satz 2 dieser Vorschrift die Kostenbeiträge die tatsächlichen Aufwendungen nicht übersteigen dürfen. Für die Bestimmung des Umfangs der Heranziehung ist 38 Die entsprechenden Zahlen können der Tabelle 3 des Statistik zu den vorläufigen Schutzmaßnahmen entnommen werden, Destatis (2010a). 39 Vergleiche hierzu Schindler in: Meysen u.a., § 89b SGB VIII, Rn. 1. 40 Vergleiche hierzu Schindler in: Meysen u.a., § 89f SGB VIII. 41 Schindler in: Frankfurter Kommentar zum SGB VIII, § 91 SGB VIII, Rn. 21. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 – 3000/053/11 Seite 11 nach § 94 Abs. 2 SGB VIII das nach § 93 SGB VIII ermittelte Einkommen maßgeblich.42 Über diese Bestimmung im SGB VIII hinaus kann es auf Landesebene Empfehlungen für die Jugendämter zur Ermittlung der Kostenbeiträge geben. Derartige Empfehlungen hat zum Beispiel in Bayern das Bayerische Landesjugendamt herausgegeben. Danach wird den Jugendämtern im Falle der Inobhutnahme nach § 42 SGB VIII bei einer Dauer bis zu sieben Tagen empfohlen, von einer Heranziehung der Eltern zu den Kosten abzusehen. Darüber hinaus wird die Prüfung empfohlen, ob auch bei einer längeren Inobhutnahme aus pädagogischen Gründen zur Vermeidung von Spannungen zwischen den Eltern und dem Kind oder Jugendlichen ein Verzicht auf die Heranziehung zu den Kosten erfolgen könne.43 Inwieweit es auch in anderen Bundesländern entsprechende Empfehlungen an die Jugendämter gibt, ist nicht bekannt. 6. Wie haben sich die Kosten in absoluten und relativen Zahlen in den letzten zehn Jahren entwickelt? Auch bezüglich der Ausgaben und Einnahmen der öffentlichen Jugendhilfe besteht eine bundesrechtliche Verpflichtung zur laufenden Erhebung als Bundesstatistik. Diese ergibt sich aus § 98 Abs. 1 Nr. 12 SGB VIII. Die zu erhebenden Merkmale sind in § 99 Abs. 10 SGB VIII festgelegt. Danach müssen die Ausgaben unter anderem gegliedert nach Ausgabe- und Hilfe- sowie Einrichtungsart erfasst werden. Die erhobenen Daten werden jährlich in den „Statistiken der Kinderund Jugendhilfe – Ausgaben und Einnahmen veröffentlicht“.44 Die Entwicklung der Ausgaben und Einnahmen in den letzten Jahren wird – beginnend beim Jahr 1991 – in Zeitreihen ebenfalls in dieser Statistik veröffentlicht. Im Jahr 2009 haben die Träger der öffentlichen Jugendhilfe für vorläufige Maßnahmen zum Schutz von Kindern und Jugendlichen insgesamt 145.360.000 Euro ausgegeben. Eine Unterscheidung zwischen Maßnahmen zur Inobhutnahme sowie der Herausnahme erfolgt an dieser Stelle nicht. Allerdings kann aufgrund der Tatsache, dass es sich bei der überwiegenden Zahl der vorläufigen Schutzmaßnahmen um Inobhutnahmen gehandelt hat45, davon ausgegangen werden, dass der größte Teil der Ausgaben auf Inobhutnahmen entfallen ist. Im Jahr 1999 wurden für vorläufige Schutzmaßnahmen der Jugendhilfe 68.997.000 Euro ausgegeben. Dieser Betrag stieg bis zum Jahr 2001 auf 89.807.000 Euro an und sank in den beiden Folgejahren auf circa 84.000.000 Euro, um danach weiter zu sinken und im Jahr 2005 mit circa 76.200.000 Euro seinen Tiefststand zu erreichen. Seit dem Jahr 2006 ist der Wert kontinuierlich angestiegen, wobei der Betrag im Jahr 2008 mit circa 118.000.000 Euro um mehr als 28.000.000 Euro angestiegen ist. Ein ähnlich starker Anstieg wurde mit circa 22.000.000 Euro lediglich zwischen den Jahren 2007 und 2008 42 Auf die Einzelheiten der Einkommensberechnung wird an dieser Stelle nicht eingegangen. 43 Zentrum Bayern Familie und Soziales (2011), abrufbar unter . http://www.blja.bayern.de/themen/waechteramt/inobhutnahme/TextOffice_Empfehlungen_LJHA.html. 44 Diese sind auf der Internetseite des Statistischen Bundesamt Deutschlands unter http://www.destatis.de/jetspeed/portal/cms/Sites/destatis/Internet/DE/Content/Publikationen/Fachveroeffentlic hungen/Sozialleistungen/KinderJugendhilfe/AusgabenEinnahmenJugendhilfe5225501097004,property=file.pdf abrufbar, beigefügt als Anlage 2. 45 Vergleiche Ausführungen zu Gliederungspunkt 4. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 – 3000/053/11 Seite 12 verzeichnet.46 Im Vergleich zum Jahr 1999 haben sich die Ausgaben für vorläufige Schutzmaßnahmen für Kinder und Jugendliche somit mehr als verdoppelt. Der Bundesstatistik ist nicht zu entnehmen, welcher Kostenanteil für die vorläufigen Schutzmaßnahmen auf Kinder einerseits und Jugendliche andererseits entfällt. Neben der Differenzierung entsprechend den Aufgaben der Jugendämter nach dem SGB VIII erfolgt eine Differenzierung nach Einrichtungsarten, für die Kosten angefallen sind. Allerdings werden die Kosten für Inobhutnahmen nach diesem Differenzierungskriterium zusammen mit denen der Einrichtungen für die Hilfe zur Erziehung und die Hilfe für junge Volljährige erfasst. In den ermittelten Gesamtkosten für diese Einrichtungsart sind die Kosten für die Inobhutnahme enthalten. Es erfolgt keine Differenzierung innerhalb des Ausgabebetrages für die Durchführung vorläufiger Schutzmaßnahmen . Nach Auskunft des Statistischen Bundesamtes werden keine Daten darüber erhoben, welcher Anteil der Kosten auf der Unterbringung der Kinder und Jugendlichen im Rahmen der Inobhutnahmen nach § 42 SGB VIII in Bereitschaftspflegefamilien einerseits sowie in Heimeinrichtungen andererseits beruht. 7. Literatur Dahm, Sabine (2008), Die Inobhutnahme eines Kindes oder Jugendlichen durch das Jugendamt gemäß § 42 SGB VIII – ein Überblick, in: Verwaltungsrundschau 2008, S. 400 – 405, 2008. Destatis (2010a), Statistiken der Kinder- und Jugendhilfe - Ausgaben und Einnahmen 2009, Wiesbaden 2010, im Internet abrufbar unter http://www.destatis.de/jetspeed/portal/cms/Sites/destatis/Internet/DE/Content/Publikationen/Fa chveroeffentlichungen/Sozialleistungen/KinderJugendhilfe/AusgabenEinnahmenJugendhilfe5225 501097004,property=file.pdf. Destatis (2010b), Statistiken der Kinder- und Jugendhilfe – Vorläufige Schutzmaßnahmen 2009, Wiesbaden 2010, im Internet abrufbar unter http://www.destatis.de/jetspeed/portal/cms/Sites/destatis/Internet/DE/Content/Publikationen/Fa chveroeffentlichungen/Sozialleistungen/KinderJugendhilfe/VorlaeufigeSchutzmassnahmen52252 03097004,property=file.pdf. Meysen, Thomas/Münder, Johannes/Trenczek, Thomas (2009), Frankfurter Kommentar zum SGB VIII – Kinder- und Jugendhilfe, 6. Auflage, Baden-Baden 2009, Nomos, [JUR 10.42 10]. Mryzynski, Peter (2009), SGB VIII: Kinder- und Jugendhilfe Kommentar, 5. Auflage, München 2009, C. H. Beck, [P 327246]. Hauck, Karl/Noftz, Wolfgang (2011), Sozialgesetzbuch (SGB) VIII: Kinder- und Jugendhilfe Kommentar , Loseblattwerk, Stand der Kommentierung zu § 42 SGB VIII: Dezember 2009, Berlin, Erich Schmidt Verlag. Wiesner, Reinhard (2006), SGB VIII: Kinder- und Jugendhilfe, Kommentar, 3. Auflage, München 2006, C. H. Beck, [M 312919]. 46 Die genauen Zahlen können der Zeitreihe 1.1 sowie 1.2 der Statistik zu den Ausgaben und Einnahmen der öffentlichen Jugendhilfe entnommen werden, Destatis (2010a), S. 35ff. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 – 3000/053/11 Seite 13 Zentrum Bayern Familie und Soziales –Bayerisches Landesjugendamt (2011), Empfehlungen zur Anwendung der §§ 91 bis 95 SGB VIII. Kostenbeiträge für stationäre und teilstationäre Leistungen sowie vorläufige Maßnahmen und die Überleitung von Ansprüchen, abrufbar unter: http://www.blja.bayern.de/themen/waechteramt/inobhutnahme/TextOffice_Empfehlungen_LJHA .html. 8. Anlagen Statistiken der Kinder- und Jugendhilfe – Vorläufige Schutzmaßnahmen 2009 Anlage 1 Statistiken der Kinder- und Jugendhilfe – Ausgaben und Einnahmen 2009 Anlage 2