© 2021 Deutscher Bundestag WD 9 - 3000 - 052/21 Erfassung intensivmedizinischer Behandlungskapazitäten und Ausgleichszahlungen für deren Freihaltung während der Corona-Pandemie Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 052/21 Seite 2 Erfassung intensivmedizinischer Behandlungskapazitäten und Ausgleichszahlungen für deren Freihaltung während der Corona-Pandemie Aktenzeichen: WD 9 - 3000 - 052/21 Abschluss der Arbeit: 20. Mai 2021 Fachbereich: WD 9: Gesundheit, Familie, Senioren, Frauen und Jugend Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 052/21 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Erfassung bestehender intensivmedizinischer Behandlungskapazitäten 5 2.1. IntensivRegister 5 2.2. Einflussfaktoren auf die Zahl der verfügbaren intensivmedizinischen Behandlungskapazitäten 7 3. Finanzielle Förderung neuer intensivmedizinischer Behandlungskapazitäten 9 4. Ausgleichszahlungen für Krankenhäuser für die Freihaltung von intensivmedizinischen Behandlungskapazitäten für die Versorgung von Corona- Patienten 10 4.1. Anspruchsvoraussetzungen und Höhe der Leistung bei Einführung der Freihaltepauschale 10 4.2. Überprüfung der Wirksamkeit der Ausgleichszahlung und Entwicklung der Leistungshöhe 11 4.3. Erneute Einführung der Ausgleichszahlung 15 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 052/21 Seite 4 1. Einleitung Im Verlauf der Corona-Pandemie ist die intensivmedizinische Versorgung von COVID-19-Patienten eines der zentralen Themen geworden. So lag die Zahl der intensivmedizinisch betreuten COVID-19-Patienten Anfang des Jahres 2021 bundesweit bei knapp 5800.1 Im April 2021 waren nach aktuellen Pressemeldungen2 bundesweit nur noch 16 Prozent der Intensivbetten frei – allerdings gelten Intensivstationen bereits bei einer Belegung von 80 Prozent als ausgelastet, da 20 Prozent für akute Notfälle, wie etwa Unfallopfer, bereitgehalten werden. Trotz gegenteiliger Befürchtungen konnten in Deutschland bisher sämtliche Corona-Patienten mit entsprechendem Behandlungsbedarf intensivmedizinisch betreut werden. Zu einer Überlastung des deutschen Gesundheitssystems kam es – so auch das Ergebnis eines vom Bundesministerium für Gesundheit (BMG) eingerichteten Expertenbeirats3 – zu keinem Zeitpunkt. Jedoch gab es zum Teil deutliche regionale Unterscheide in der Auslastung der intensivmedizinischen Behandlungskapazitäten, so dass einzelne Krankenhäuser zumindest zeitweise durchaus ihre entsprechenden Kapazitäten vollständig ausgeschöpft hatten und teilweise Patienten in andere Einrichtungen verlegen mussten . Um eine Überlastung rechtzeitig abzuwenden und sicherzustellen, dass auch bei einem starken Anstieg schwerwiegender Corona-Infektionen ausreichend intensivmedizinische Behandlungskapazitäten zur Verfügung stehen, hat der Gesetzgeber verschiedene Maßnahmen zur finanziellen Unterstützung der Krankenhäuser getroffen. So wurde durch das Gesetz zum Ausgleich COVID-19 bedingter finanzieller Belastungen der Krankenhäuser und weiterer Gesundheitseinrichtungen (COVID-19-Krankenhausentlastungsgesetz4) vom 27. März 2020 u. a. die finanzielle Förderung für neu geschaffene Intensivbetten sowie die sog. Freihaltepauschale eingeführt. Letztere stellt einen Ausgleich für die Krankenhäuser für das Verschieben planbarer Operationen und Eingriffe zugunsten der Vorhaltung intensivmedizinischer Kapazitäten zur Behandlung von Corona-Patienten dar. Die vorliegende Arbeit erläutert das Verfahren zur Erfassung vorhandener 1 Vergleiche die Begründung im Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD, Entwurf eines Vierten Gesetzes zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite, BT-Drs. 19/28444, S. 8 (unter Bezug auf die Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin). Dieser und alle weiteren Links wurden zuletzt abgerufen am 18. Mai 2021. 2 https://www.zeit.de/arbeit/2021-04/intensivstationen-corona-pandemie-jens-spahn-rki-warnung-ueberlastung ?utm_referrer=https%3A%2F%2Fwww.google.com%2F. 3 RWI (2021), Analysen zum Leistungsgeschehen der Krankenhäuser und zur Ausgleichspauschale in der Corona- Krise Ergebnisse für den Zeitraum Januar bis Dezember 2020, April 2021, abrufbar unter: https://www.bundesgesundheitsministerium .de/fileadmin/Dateien/3_Downloads/C/Coronavirus/Analyse_Leistungen_Ausgleichszahlungen _2020_Corona-Krise.pdf. Der Expertenbeirat wurde im Zuge der Einführung der Ausgleichspauschale für die Freihaltung von Bettenkapazitäten in den Krankenhäusern zur Evaluierung dieser und anderer Maßnahmen eingesetzt; vergleiche hierzu Gliederungspunkt 4.2. Bisher hat der Beirat als Ergebnis seiner Arbeit drei Berichte veröffentlicht, in denen er sich mit der Wirkung der Maßnahmen zur finanziellen Unterstützung der Krankenhäuser während der Corona-Pandemie auseinandersetzte. 4 Gesetz zum Ausgleich COVID-19 bedingter finanzieller Belastungen der Krankenhäuser und weiterer Gesundheitseinrichtungen (COVID-19-Krankenhausentlastungsgesetz), BGBl. I, S. 580 (Nr. 14), abrufbar unter: https://www.bgbl.de/xaver/bgbl/start.xav?startbk=Bundesanzeiger_BGBl&start=//*[@attr_id=%27bgbl120s0580.- pdf%27]#__bgbl__%2F%2F*%5B%40attr_id%3D%27bgbl120s0580.pdf%27%5D__1620806483844. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 052/21 Seite 5 intensivmedizinischer Behandlungskapazitäten in Deutschland und erläutert, wie sich die Förderung der Schaffung intensivmedizinischer Behandlungskapazitäten seit März 2020 entwickelt hat. 2. Erfassung bestehender intensivmedizinischer Behandlungskapazitäten 2.1. IntensivRegister Anfang April 2020 wurde das Melderegister der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin, das sog. DIVI-IntensivRegister, eingeführt. Damit sollte ermittelt werden, in welchem Ausmaß entsprechende Kapazitäten deutschlandweit zur Verfügung stehen und wie hoch die Auslastung in den Krankenhäusern aufgrund der Corona-Pandemie ist. Vor Beginn der Corona-Pandemie gab es in Deutschland kein entsprechendes zentrales Register zur Erfassung vorhandener intensivmedizinischer Behandlungskapazitäten. Durch die Verordnung zur Aufrechterhaltung und Sicherung intensivmedizinischer Krankenhauskapazitäten (DIVI Intensiv- Register-Verordnung5) vom 8. April 2020 wurden alle zugelassenen Krankenhäuser dazu verpflichtet , sich bis zum 16. April 2020 im IntensivRegister zu registrieren. Um tagesaktuelle Informationen über die Auslastung der intensivmedizinischen Behandlungskapazitäten zu gewinnen, sind alle registrierten Krankenhäuser nach § 1 Abs. 1 DIVI IntensivRegister-Verordnung darüber hinaus zu einer täglichen Meldung6 über die Anzahl der verfügbaren intensivmedizinischen Behandlungskapazitäten an das IntensivRegister verpflichtet. 5 Verordnung zur Aufrechterhaltung und Sicherung intensivmedizinischer Krankenhauskapazitäten (DIVI Intensiv Register-Verordnung) vom 8. April 2020 (BAnz AT 9. April 2020 V4), zuletzt geändert durch Artikel 10 Absatz 1 des Gesetzes vom 29. März 2021 (BGBl. I S. 370), abrufbar unter: https://www.gesetze-im-internet.de/diviintregv /DIVIIntRegV.pdf. 6 Die Meldung musste zunächst jeweils bis 9:00 Uhr des jeweiligen Tages erfolgen. Seit dem 3. Juni 2020 muss die Meldung bis 12:00 Uhr vorgenommen werden; Erste Verordnung zur Änderung der DIVI IntensivRegister- Verordnung vom 29. Mai 2020, BAnz AT 2. Juni 2020, abrufbar unter: https://www.bundesgesundheitsministerium .de/fileadmin/Dateien/3_Downloads/Gesetze_und_Verordnungen/GuV/D/DIVI_IRAEV_BGBl.pdf. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 052/21 Seite 6 Zu den Angaben gehören die unterschiedliche Behandlungsintensität der Intensivbetten7, die Anzahl der belegten Betten, die Anzahl der belegbaren Betten und seit dem 3. Juni 2020 auch eine Einschätzung der maximalen Kapazität für Neuaufnahmen in dem auf die Übermittlung folgenden Zeitraum von 24 Stunden.8 Zusätzlich hatten die Krankenhäuser einmalig die Zahl ihrer aufgestellten Intensivbetten zum Stand 1. Januar 2020 zu melden.9 Des Weiteren sieht § 1 Abs. 3 DIVI IntensivRegister-Verordnung die Übermittlung der Anzahl der Patienten mit einer SARS- CoV-2-Infektion vor, die intensivmedizinisch behandelt werden, beatmet werden oder seit 1. Januar 2020 entlassen wurden. Anfang August 2020 erfolgte eine Veränderung in der Datenerfassung der intensivmedizinischen Behandlungskapazitäten im Intensivregister. So wird seit dem 4. August 2020 die Anzahl der betreibbaren Intensivbetten in ihrer Gesamtheit als Low- und High-Care Betten erfasst. Der Fokus liegt seitdem verstärkt auf der Erfassung verfügbarer Behandlungskapazitäten, invasiver Beatmungsmöglichkeiten im Rahmen der Akutversorgung und ECMO-Behandlungsmöglichkeiten. Darüber hinaus wird seitdem die sog. Notfallreserve erfasst. Die veränderte Abfrage der intensivmedizinischen Behandlungskapazitäten soll eine differenziertere Einschätzung der verfügbaren Intensivbettenkapazitäten der Akutversorgung sowohl standortbezogen als auch überregional ermöglichen . Im Rahmen der Notfallreserve wird die Anzahl der innerhalb von sieben Tagen aktivierbaren Intensivbetten erfasst. Diese Notfallreservekapazität soll zum Einsatz kommen, wenn die Anzahl der intensivmedizinisch zu betreuenden Patienten die Anzahl der regulär betreibbaren Intensivbetten übersteigt und sich standortbezogen oder überregional eine Überbelastung der aktuell betriebenen Kapazitäten abzeichnet (Notfallszenario). Die Kapazitäten der Notfallreserve können durch eine Umgestaltung des regulären Krankenhausbetriebs aktiviert werden.10 7 So ist zu unterscheiden zwischen Intensivbetten mit nicht-invasiver Beatmungsmöglichkeit (ICU low care), Intensivbetten mit invasiver Beatmungsmöglichkeit (ICU high care) sowie Intensivbetten mit zusätzlicher extrakorporaler Membranoxygenierung (ECMO), vgl. § 1 Abs. 2 DIVI IntensivRegister-Verordnung. 8 Die bereits bei Einführung des IntensivRegisters bestehende Pflicht zur Übermittlung einer Einschätzung der maximalen Kapazität für Neuaufnahmen in dem auf die Übermittlung folgenden Zeitraum von 24 Stunden wurde dahingehend konkretisiert, dass die Einschätzung sich nunmehr auf die maximalen intensivmedizinischen Behandlungskapazitäten für Neuaufnahmen innerhalb eines vom RKI im DIVI IntensivRegister festzulegenden Zeitraums bezieht. Vergleiche hierzu die Erste Verordnung zur Änderung der DIVI IntensivRegister-Verordnung vom 29. Mai 2020, BAnz AT 2. Juni 2020, abrufbar unter: https://www.bundesgesundheitsministerium .de/fileadmin/Dateien/3_Downloads/Gesetze_und_Verordnungen/GuV/D/DIVI_IRAEV_BGBl.pdf. 9 Vgl. hierzu aber auch die Ausführungen des Bundesministerium für Gesundheit (BMG) in seiner Antwort auf die Kleine Anfrage von MdB Klein-Schmeink u.a. und die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Transparenz über die Zahlungen an Krankenhäuser für Ausgleichszahlungen und Intensivbetten, BT-Drs. 19/21742 vom 18. August 2020, abrufbar unter: https://dip21.bundestag.de/dip21/btd/19/217/1921742.pdf. Darin wird darauf hingewiesen, dass der zu diesem Stichtag gemeldete Stand nicht valide gewesen sei, da seinerzeit der Begriff der Intensivbetten von den Ländern noch unterschiedlich definiert worden sei. 10 Vergleiche hierzu: FAQ IntensivRegister, Was bedeutet die Notfallreservekapazität, abrufbar unter: https://www.intensivregister.de/#/faq/7982e64d-b965-479c-8f25-998912c4c9c4. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 052/21 Seite 7 2.2. Einflussfaktoren auf die Zahl der verfügbaren intensivmedizinischen Behandlungskapazitäten Bei den an das IntensivRegister gemeldeten Daten sind im Zeitverlauf Schwankungen hinsichtlich der intensivmedizinischen Behandlungskapazitäten zu beobachten: Nachdem zunächst insgesamt etwa 30.000 betreibbare Betten gemeldet wurden, wurde Anfang August 2020 ein deutlicher Rückgang der gemeldeten intensivmedizinischen Kapazitäten verzeichnet. Nach Angabe des Robert Koch-Institut (RKI) wurden zu diesem Zeitpunkt deutschlandweit insgesamt circa 2.000 Intensivbetten weniger an das IntensivRegister gemeldet als zuvor. Ab Mitte Oktober 2020 sei die Anzahl der freien betreibbaren Betten bis Ende Dezember 2020 gesunken. Seitdem lägen die gemeldeten Zahlen mit circa 3.500 freien Betten und 20.000 belegten Betten auf einem etwa gleichbleibenden Niveau.11 Für den deutlichen Rückgang der gemeldeten Kapazitäten Anfang August 2020 führt das RKI verschiedene Ursachen an. Dieser Rückgang könne zum Teil auf die Änderung in der Datenerfassung zurückzuführen sein.12 Ein wesentlicher Grund hierfür seien aber die sog. Personaluntergrenzen , deren Anwendung bzw. Ausgestaltung im Verlauf des vergangenen Jahres mehrfach geändert wurden.13 Da der Personalbestand einen unmittelbaren Einfluss auf die Zahl der betreibbaren Intensivbetten hat, wirkten sich Änderungen hinsichtlich der Personaluntergrenzen direkt auf die Zahl der gemeldeten Intensivbetten aus. 11 FAQ IntensivRegister, Warum nehmen die freien Kapazitäten ab?, abrufbar unter: https://www.intensivregister .de/#/faq/18af7107-e098-43e7-a9f6-723b167559ba. 12 So seien zuvor neu geschaffene Kapazitäten, die als Reserve vorgehalten wurden, unter den aktuell betreibbaren Kapazitäten angegeben worden, um deren Existenz kenntlich zu machen. Dadurch seien die tagesaktuell tatsächlich betreibbaren Intensivbetten zuvor voraussichtlich überschätzt worden. Die Datenanalysen legen laut RKI nahe, dass ein Teil der zuvor gemeldeten freien betreibbaren Kapazitäten nunmehr als Reservekapazität gemeldet wird und sich dort wiederfindet, vgl. FAQ IntensivRegister, Warum nehmen die freien Kapazitäten ab?, abrufbar unter: https://www.intensivregister.de/#/faq. 13 FAQ IntensivRegister, Warum nehmen die freien Kapazitäten ab?, abrufbar unter: https://www.intensivregister .de/#/faq/18af7107-e098-43e7-a9f6-723b167559ba. In einem aktuell veröffentlichten Thesenpapier von Schrappe, Matthias, Francois-Kettner, Hedwig, u. a., wird darauf hingewiesen, dass eine genaue Analyse der intensivmedizinischen Versorgung auf Grund mangelnder Datenlage schwierig sei. Insbesondere die objektive Datenlage bezüglich der zur Verfügung stehenden Anzahl von Pflegekräften sei nicht belastbar, eine Abnahme der aktiv tätigen Pflegekräfte lasse sich statistisch nicht nachweisen: Ad hoc Stellungnahme, Die Pandemie durch SARS-CoV-2/CoViD-19 – Zur intensivmedizinischen Versorgung in der SARS-2/CoViD-19-Epidemie vom 16. Mai 2021 (S. 4), abrufbar unter: thesenpapier_adhoc3_210516_endfass.doc (schrappe.com). Mit dem Thesenpapier setzen sich mehrere Publikationen kritisch auseinander, so etwa: Thesenpapier bezweifelt Zahlen: Situation der Intensivstationen aufgebauscht? - n-tv.de und #DiviGate: Sind die Daten zu Intensivbetten übertrieben? - ZDFheute. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 052/21 Seite 8 Die Personaluntergrenzen wurden mit der Verordnung zur Festlegung von Pflegepersonaluntergrenzen in pflegesensitiven Bereichen in Krankenhäusern (Pflegepersonaluntergrenzen-Verordnung – PpUGV14) zum 1. Januar 2019 eingeführt. Damit legte der Gesetzgeber erstmalig verbindlich das Verhältnis von Patienten zu Pflegekräften sowie von examinierten Pflegekräften zu Pflegehilfskräften fest. Hierbei wurden die Untergrenzen als maximale Anzahl von Patienten pro Pflegekraft festgelegt. Dadurch sollte eine Unterbesetzung in bestimmten pflegesensitiven Bereichen in Krankenhäusern vermieden werden. Hierzu zählen u. a. intensivmedizinische Behandlungseinheiten , sofern eine bestimmte Fallzahl intensivmedizinischer Behandlungen im Jahr erreicht wird. Zu Beginn der Corona-Pandemie wurde zunächst die Anwendung der Personaluntergrenzen zum 1. März 2020 ausgesetzt.15 Dadurch sollten die Krankenhäuser entlastet werden und es sollte eine kurzfristige Anpassung der Arbeitsabläufe und der personellen Vorgaben ermöglicht werden. In der Folge hatten die Krankenhäuser dadurch die Möglichkeit, auch bei geringerer Personalausstattung als in der PpUGV vorgesehen, eine höhere Anzahl betreibbarer Intensivbetten an das Intensiv Register zu melden. Die Aussetzung der Personaluntergrenzen war zunächst bis zum 31. Dezember 2020 vorgesehen. Da die Kliniken jedoch bereits seit Anfang Mai 2020 schrittweise in den Regelbetrieb zurückkehrten, wurde die Aussetzung der Personaluntergrenzen für einige Bereiche auf den 31. Juli 2020 begrenzt.16 Daher galten ab 1. August 2020 die Personaluntergrenzen u. a. für den pflegesensitiven Bereich der Intensivmedizin wieder, während in anderen pflegesensitiven Bereichen die Aussetzung der Personaluntergrenzen wie zunächst vorgesehen bis Ende 2020 galt. Mit der Wiedereinsetzung der Personaluntergrenzen in der Intensivmedizin mussten wieder mehr Pflegekräfte eingesetzt werden, um die gleiche Anzahl an Intensivbetten melden zu können. Ein gleichbleibender Personalbestand hatte somit zur Folge, dass die Anzahl der betreibbaren und damit der gemeldeten intensivmedizinischen Kapazitäten sank. Nach Angaben des RKI war ab Oktober 2020 ein starker Anstieg der COVID-Belegung zu beobachten , während parallel dazu die Krankenhäuser zunehmend Personalmangel meldeten. Der Anteil der Intensivbereiche, die Einschränkungen durch Personalmangel meldeten, sei von 11 Prozent Anfang Oktober 2020 bis auf 55 Prozent im Januar 2021 angestiegen.17 Ein Mangel an 14 Verordnung zur Festlegung von Pflegepersonaluntergrenzen in pflegesensitiven Bereichen in Krankenhäusern (Pflegepersonaluntergrenzen-Verordnung – PpUGV) vom 5. Oktober 2018, BGBl. I S. 1632 (Nr. 34), abrufbar unter : PpUGV Pflegepersonaluntergrenzen-Verordnung (buzer.de). Die Verordnung wird jährlich durch eine neue Verordnung abgelöst. Derzeit gilt die Verordnung zur Festlegung von Pflegepersonaluntergrenzen in pflegesensitiven Bereichen in Krankenhäusern für das Jahr 2021 (Pflegepersonaluntergrenzen-Verordnung – PpUGV), abrufbar unter: PpUGV.pdf (gesetze-im-internet.de). 15 Die Aussetzung erfolgte durch die Erste Verordnung zur Änderung der Pflegepersonaluntergrenzen-Verordnung vom 25. März 2020, BGBl. I, S. 596 (Nr. 14), abrufbar unter: https://www.bgbl.de/xaver/bgbl/start.xav#__bgbl__- %2F%2F*%5B%40attr_id%3D%27bgbl120s0596.pdf%27%5D__1621176852097. 16 Zweite Verordnung zur Änderung der Pflegepersonaluntergrenzen-Verordnung vom 16. Juli 2020, BGBl. I S. 1701 (Nr. 36), abrufbar unter: https://www.bundesgesundheitsministerium.de/fileadmin/Dateien/3_Downloads /Gesetze_und_Verordnungen/GuV/P/2._VO._Pflegepersonaluntergrenzen.pdf. 17 Vergleiche hierzu: FAQ IntensivRegister, Warum nehmen die freien Kapazitäten ab?, abrufbar unter: https://www.intensivregister.de/#/faq. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 052/21 Seite 9 Personal hat direkte Auswirkungen auf die Betreibbarkeit der intensivmedizinischen Behandlungskapazitäten : Stehen dem jeweiligen Krankenhaus weniger Pflegekräfte für die Intensivstation zur Verfügung, hat dies zwangsläufig eine Reduktion der freien Bettenkapazitäten zur Folge.18 Zum 1. Februar 2021 wurden daher die Personaluntergrenzen in der Intensivmedizin auf zwei Patienten pro Pflegekraft in der Tagschicht bzw. drei Patienten in der Nachschicht reduziert 19. Als weiterer Grund für die zunehmende Auslastung der intensivmedizinischen Behandlungskapazitäten wird auch die steigende Verweildauer der Corona-Patienten auf den Intensivstationen angegeben. Aufgrund der bisher vorrangig bei älteren Personen durchgeführten Impfungen ändere sich die Patientenzusammensetzung auf den Intensivstationen. Es zeichne sich ab, dass zunehmend jüngere COVID-19-Patienten auf den Intensivstationen behandelt würden. Diese würden seltener als ältere Patienten an der Infektion versterben, seien jedoch länger auf die intensivmedizinische Versorgung angewiesen.20 Bei gleichbleibenden Patientenzahlen hätte dies eine höhere Auslastung der vorhandenen Behandlungskapazitäten zur Folge. 3. Finanzielle Förderung neuer intensivmedizinischer Behandlungskapazitäten Um die Anzahl der bestehenden Intensivbetten zu erhöhen und dadurch die Versorgung von Corona-Patienten auch bei dem befürchteten starken Anstieg der Fallzahlen sicherzustellen, wurde zu Beginn der Pandemie die Schaffung neuer Intensivbetten finanziell gefördert. Rechtlich verankert wurde die einmalige Förderung im Gesetz zur wirtschaftlichen Sicherung der Krankenhäuser und zur Regelung der Krankenhauspflegesätze (Krankenhausfinanzierungsgesetz – KHG21). 18 Vergleiche hierzu: z. B.: https://www.focus.de/gesundheit/coronavirus/von-31-000-auf-24-000-warum-in-elfmonaten -7000-deutsche-intensivbetten-verschwunden-sind_id_13167403.html. und Osterloh, Falk (2020), Intensivbetten : Die Kapazitäten schwinden, in: Ärzteblatt 2020; 117(45): A-2151/B-1829, abrufbar unter: https://www.aerzteblatt.de/archiv/216577/Intensivbetten-Die-Kapazitaeten-schwinden. Über den Einfluss eines Personalmangels auf die Verfügbarkeit intensivmedizinischer Behandlungskapazitäten wurde bereits vor der Corona-Pandemie berichtet, vgl. etwa Karagiannidis, C. (u. a.) (2018), Auswirkungen des Pflegepersonalmangels auf die intensivmedizinische Versorgungskapazität in Deutschland, in: Medizinische Klinik – Intensivmedizin und Notfallmedizin, 114, S. 327-333 (2019), abrufbar unter: https://link.springer.com/article/10.1007/s00063- 018-0457-3. 19 Darüber hinaus wurden weitere pflegesensitive Bereiche festgelegt, für die ab diesem Zeitpunkt ebenfalls Personaluntergrenzen gelten. Hierdurch ist mehr Personal in diesen Bereichen gebunden, wodurch auch die Möglichkeiten zur kurzfristigen Umschichtung des verfügbaren Personals innerhalb des Krankenhauses eingeschränkt werden. 20 Alarmierende Passage im Bund-Länder-Beschluss - Gibt es tatsächlich mehr jüngere Covid-Patienten, die länger krank sind?, in: Der Tagesspiegel vom 24. März 2021, abrufbar unter: https://www.tagesspiegel.de/wissen/alarmierende -passage-im-bund-laender-beschluss-gibt-es-tatsaechlich-mehr-juengere-covid-patienten-die-laengerkrank -sind/27032354.html. 21 Gesetz zur wirtschaftlichen Sicherung der Krankenhäuser und zur Regelung der Krankenhauspflegesätze (Krankenhausfinanzierungsgesetz – KHG), in der Fassung der Bekanntmachung vom 10. April 1991 (BGBl. I S. 886), zuletzt geändert durch Artikel 9c des Gesetzes vom 29. März 2021 (BGBl. I S. 370), abrufbar unter: https://www.gesetze-im-internet.de/khg/BJNR010090972.html. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 052/21 Seite 10 Nach § 21 Abs. 5 KHG erhielten zugelassene Krankenhäuser, die mit Genehmigung der für die Krankenhausplanung zuständigen Landesbehörden zusätzliche intensivmedizinische Behandlungskapazitäten mit maschineller Beatmungsmöglichkeit durch Aufstellung von Betten schufen oder durch Einbeziehung von Betten aus anderen Stationen vorhielten, für jedes bis zum 30. September 2020 zusätzlich aufgestellte oder vorgehaltene Bett einmalig einen Betrag in Höhe von 50.000 Euro. Voraussetzung für die Inanspruchnahme der finanziellen Förderung war nach dem Willen des Gesetzgebers, dass die zusätzlich für die Versorgung von COVID-19-Patientinnen und -Patienten zur Verfügung stehenden Intensivbetten maschinelle Beatmungsmöglichkeiten vorhalten . Auch sollte bei den geförderten Betten ein Monitoring mit gleichzeitiger Anzeige von Elektrokardiogramm , Sauerstoffsättigung und invasiven Drucken sowie Zugriffsmöglichkeiten auf Blutgasanalysegeräte gegeben sein. Zwar konnten die Intensivbetten zusätzlich zum bisherigen Bettenbestand des Krankenhauses geschaffen werden, sie sollten jedoch insbesondere über Betten aus anderen Stationen generiert werden.22 Die Förderung erfolgte aus der Liquiditätsreserve des Gesundheitsfonds und wurde durch das Bundesamt für Soziale Sicherung ausgezahlt. 4. Ausgleichszahlungen für Krankenhäuser für die Freihaltung von intensivmedizinischen Behandlungskapazitäten für die Versorgung von Corona-Patienten Zusätzlich zur Förderung neuer intensivmedizinischer Behandlungskapazitäten wurde am 16. März 2020 eine Ausgleichszahlung für die Versorgung von COVID-19-Patienten eingeführt, die sog. Freihalte- bzw. Bettenpauschale. Diese Leistung wurde ebenfalls im KHG verankert, ihre Ausgestaltung seit der Einführung mehrfach geändert. Für das Jahr 2020 werden die Ausgleichszahlungen , die vom Bundesamt für Soziale Sicherung ausgezahlt wurden, auf insgesamt 10,2 Mrd. Euro beziffert.23 4.1. Anspruchsvoraussetzungen und Höhe der Leistung bei Einführung der Freihaltepauschale Nach § 21 Abs. 1 KHG hatten ab dem 16. März 2020 zugelassene Krankenhäuser einen Anspruch auf Ausgleichszahlungen, wenn sie planbare Aufnahmen, Operationen und Eingriffe verschoben oder ausgesetzt haben, um die Bettenkapazität für die Versorgung von COVID-19-Patienten freizuhalten . Darüber hinaus gab es keine weiteren Voraussetzungen, um die Ausgleichszahlung in Anspruch nehmen zu können - wie etwa das Vorliegen einer bestimmten 7-Tage-Inzidenz oder einer bestimmten Auslastung der Intensivstation des jeweiligen Krankenhauses. Die Ausgleichszahlung erfolgte aus der Liquiditätsreserve des Gesundheitsfonds und wurde aus dem Bundeshaushalt refinanziert. Mit der Einführung dieser Freihaltepauschale wollte der Gesetzgeber einen 22 Vergleiche hierzu: BT-Drs. 19/18112, Entwurf eines Gesetzes zum Ausgleich COVID-19 bedingter finanzieller Belastungen der Krankenhäuser und weiterer Gesundheitseinrichtungen (COVID-19-Krankenhausentlastungsgesetz ) vom 24. März 2020, S. 27, abrufbar unter: http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/19/181/1918112.pdf. 23 Vergleiche hierzu: RWI (2021), Analysen zum Leistungsgeschehen der Krankenhäuser und zur Ausgleichspauschale in der Corona-Krise, Ergebnisse für den Zeitraum Januar bis Dezember 2020, April 2021, S. 5, abrufbar unter: https://www.bundesgesundheitsministerium.de/fileadmin/Dateien/3_Downloads/C/Coronavirus/Analyse _Leistungen_Ausgleichszahlungen_2020_Corona-Krise.pdf. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 052/21 Seite 11 finanziellen Ausgleich für die Krankenhäuser schaffen. Zwar bezog sich dies der Gesetzesbegründung nach insbesondere auf die Intensivmedizin mit entsprechenden Beatmungsmöglichkeiten24, die Regelung des § 21 Abs. 1 KHG sah jedoch keine derartige Einschränkung vor. Insofern bestand der Anspruch auf Ausgleichszahlung für die Freihaltung von Bettenkapazitäten unabhängig davon, ob es sich hierbei um intensivmedizinische Behandlungskapazitäten handelte. Die Höhe der Ausgleichszahlung wurde für jedes Krankenhaus individuell ermittelt und richtete sich nach § 21 Abs. 2 KHG. Danach wurde für jeden Tag die Differenz zwischen der Zahl der im Jahresdurchschnitt 2019 pro Tag voll- oder teilstationär behandelten Patienten (Referenzwert) sowie der am jeweiligen Tag stationär behandelten Patienten gebildet. Sofern dieses Ergebnis größer als Null war, also am jeweiligen Tag weniger Patienten behandelt wurden als durchschnittlich pro Tag im Vorjahr, wurde dieses mit einer tagesbezogenen Pauschale multipliziert. Die Pauschale betrug nach § 21 Abs. 3 KHG zunächst generell 560 Euro; eine Differenzierung zwischen den verschiedenen Krankenhäusern erfolgte dabei nicht. Die Berechnung der Ausgleichszahlung erfolgte gemäß § 21 Abs. 2 S. 4 KHG letztmalig für den 30. September 2020. 4.2. Überprüfung der Wirksamkeit der Ausgleichszahlung und Entwicklung der Leistungshöhe Parallel zur Einführung der Maßnahmen, mit denen die Krankenhäuser von den finanziellen Belastungen durch die Corona-Pandemie entlastet werden sollten, wurde das BMG mit der Einführung von § 24 KHG dazu verpflichtet, die Auswirkungen der in §§ 21 – 23 KHG getroffenen Regelungen auf die wirtschaftliche Lage der Krankenhäuser zu überprüfen. Hierzu war nach § 24 Satz 2 KHG die Einsetzung eines Beirats von Vertretern aus Fachkreisen vorgesehen. In diesen Expertenbeirat wurden neben Vertretern der Krankenhäuser (u. a. der Deutschen Krankenhausgesellschaft ), der Gesetzlichen und der Privaten Krankenversicherung auch Wissenschaftler berufen ; die Zusammensetzung des Beirats wurde am 21. April 2020 veröffentlicht.25 Zu Beginn legte der Expertenbeirat den Schwerpunkt seiner Arbeit auf die Überprüfung der Zielgenauigkeit der Ausgleichspauschale nach § 21 Abs. 1 KHG. Dabei kam er zum Ergebnis, dass die einheitliche Tagespauschale in Höhe von 560 Euro in einigen Krankenhäusern zu einer Überkompensation der Einnahmeverluste führte, bei anderen Krankenhäusern die Pauschale hingegen nicht zur Kompensation derselben ausreichte. Insbesondere für Universitätskliniken und Maximalversorger stellte der Beirat eine Unterfinanzierung fest. Die Unterschiede seien in den unter- 24 Siehe oben, Gliederungspunkt 2.2., vergleiche hierzu BT-Drs. 19/18112, Entwurf eines Gesetzes zum Ausgleich COVID-19 bedingter finanzieller Belastungen der Krankenhäuser und weiterer Gesundheitseinrichtungen (COVID-19-Krankenhausentlastungsgesetz) vom 24. März 2020, S. 27, abrufbar unter: http://dipbt.bundestag .de/dip21/btd/19/181/1918112.pdf. 25 Vergleiche hierzu: Pressemitteilung des BMG vom 21. April 2020, abrufbar unter: https://www.bundesgesundheitsministerium .de/presse/pressemitteilungen/2020/2-quartal/expertenbeirat-24-khg.html. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 052/21 Seite 12 schiedlichen Kostenstrukturen der Krankenhäuser begründet, so dass der Beirat eine Differenzierung der Ausgleichspauschale empfahl. Dadurch sollten die Zielgenauigkeit der Maßnahme erhöht und mögliche Fehlanreize bei der Wiederaufnahme des Regelbetriebs abgemildert werden.26 Der Gesetzgeber griff die Empfehlung des Expertenbeirates mit der Verordnung zur Anpassung der Ausgleichszahlungen an Krankenhäuser aufgrund von Sonderbelastungen durch das Coronavirus SARS-CoV-2 (COVID-19-Ausgleichszahlungs-Anpassungs-Verordnung – AusglZAV27) auf und führte eine mehrstufige Pauschale zur Berechnung der Höhe der Ausgleichszahlung ein. Mit Wirkung vom 13. Juli 2020 betrug die Pauschale für die einzelnen Krankenhäuser nunmehr zwischen 360 Euro und 760 Euro. Die konkrete Höhe richtete sich dabei für Krankenhäuser, deren Leistungen nach dem Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG28) vergütet werden, nach der für das Jahr 2019 ermittelten durchschnittlichen Fallschwere (Casemixindex) und der durchschnittlichen Verweildauer. War eine Ermittlung dieser Werte für das jeweilige Krankenhaus möglich, wurde für dieses Krankenhaus ein konkreter Wert für die Pauschale in der Anlage zur AusglZAV ausgewiesen. Anderenfalls betrug die Pauschale weiterhin 560 Euro. Für Krankenhäuser, die ausschließlich teilstationäre Leistungen erbringen, wurde eine Pauschale in Höhe von 280 Euro für die Berechnung der Ausgleichszahlung festgelegt. Für Krankenhäuser, deren Leistungen nach der Bundespflegesatzverordnung vergütet werden und die vollstationäre oder voll- und teilstationäre Leistungen erbringen , betrug die Pauschale 280 Euro; erbringen diese ausschließlich teilstationäre Leistungen, betrug die Pauschale 190 Euro. Für diese Einrichtungen hatte der Expertenbeirat eine systematische Überkompensation durch die ursprüngliche einheitliche Pauschale ermittelt.29 26 Vergleiche hierzu: Beirat (2020), Abschlussbericht zur Überprüfung der Auswirkungen der Regelungen in den §§ 21 bis 23 auf die wirtschaftliche Lage der Krankenhäuser durch den Beirat gemäß § 24 Krankenhausfinanzierungsgesetz , August 2020, abrufbar unter: https://www.bundesgesundheitsministerium.de/fileadmin/Dateien /3_Downloads/K/200821_Abschlussbericht_des_Beirats_gemaess____24_KHG_Abschlussbericht_.pdf. 27 Verordnung zur Anpassung der Ausgleichszahlungen an Krankenhäuser aufgrund von Sonderbelastungen durch das Coronavirus SARS-CoV-2 (COVID-19-Ausgleichszahlungs-Anpassungs-Verordnung – AusglZAV) vom 3. Juli 2020, BGBl. I S 1556 (Nr. 33), abrufbar unter: https://www.buzer.de/AusglZAV.htm. 28 Gesetz über die Entgelte für voll- und teilstationäre Krankenhausleistungen (Krankenhausentgeltgesetz - KHEntgG) vom 23. April 2002 (BGBl. I S. 1412, 1422), zuletzt geändert durch Artikel 2 des Gesetzes vom 22. Dezember 2020 (BGBl. I S. 3299), abrufbar unter: KHEntgG - Gesetz über die Entgelte für voll- und teilstationäre Krankenhausleistungen (gesetze-im-internet.de). 29 Vergleiche hierzu: Beirat (2020), Abschlussbericht zur Überprüfung der Auswirkungen der Regelungen in den §§ 21 bis 23 auf die wirtschaftliche Lage der Krankenhäuser durch den Beirat gemäß § 24 Krankenhausfinanzierungsgesetz , August 2020, abrufbar unter: https://www.bundesgesundheitsministerium.de/fileadmin/Dateien/- 3_Downloads/K/200821_Abschlussbericht_des_Beirats_gemaess____24_KHG_Abschlussbericht_.pdf. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 052/21 Seite 13 Die Verweildauer stellt die Gesamtzahl der Tage dar, die Patienten im Krankenhaus verbracht haben. Die durchschnittliche Verweildauer eines COVID-19-Patienten betrug der Analyse zufolge 11,2 Tage; bei Intensivpatienten waren es 20,3 Tage, von denen 11,0 Tage auf der Intensivstation verbracht wurden.30 Insgesamt ergab sich so eine Zahl von knapp über zwei Millionen Verweildauertagen von COVID-19-Patienten, was einen Anteil von etwa 2 Prozent an den insgesamt ca. 101 Millionen Verweildauertagen aller Patienten ausmachte.31 Bei den Intensivpatienten standen rund 330.000 Verweildauertage von COVID-19-Patienten einer Gesamtzahl von etwa 6,7 Millionen Verweildauertagen gegenüber (ca. 4,9 Prozent).32. Die Schwankungen in der Auslastung durch COVID-19-Patienten im Jahresverlauf beeinflussten auch die Höhe der Ausgleichszahlungen, da die Zahl der Verweildauertage im Jahresverlauf nicht konstant gewesen ist. So lagen die Aufnahmezahlen von COVID-19-Patienten etwa in Kalenderwoche (KW) 13 und ab KW 44 bei über 2.000 pro Woche, während in den KW 21-37 im Durchschnitt nur etwa 500 Fälle aufgenommen wurden.33 Vor dem Hintergrund, dass während der COVID-19-Pandemie die Aufnahmezahlen aufgrund anderer Krankheiten und Behandlungen ganz besonders in Wochen mit hohen COVID-19-Aufnahmezahlen vergleichsweise niedrig ausfielen 34, ist davon auszugehen, dass auf die Kalenderwoche bezogen jeweils eine hohe Zahl von COVID-19-Patienten einer geringen Zahl anderer Patienten gegenüberstand und umgekehrt. So dürfte der rechnerische Anteil an den Verweildauertagen von COVID-19-Patienten in den Sommermonaten äußerst gering gewesen sein. Umgekehrt dürfte der Anteil insbesondere in KW 13 und 14 sowie ab KW 44 deutlich höher gelegen haben, wie es auch die Daten des DIVI ergeben und wie zu dieser Zeit breit medial berichtet wurde. 30 Vergleiche hierzu: RWI (2021), Analysen zum Leistungsgeschehen der Krankenhäuser und zur Ausgleichspauschale in der Corona-Krise, Ergebnisse für den Zeitraum Januar bis Dezember 2020, April 2021, Tabelle 3, S. 13, abrufbar unter: https://www.bundesgesundheitsministerium.de/fileadmin/Dateien/3_Downloads/C/Coronavirus /Analyse_Leistungen_Ausgleichszahlungen_2020_Corona-Krise.pdf. 31 Vergleiche hierzu: RWI (2021), Analysen zum Leistungsgeschehen der Krankenhäuser und zur Ausgleichspauschale in der Corona-Krise, Ergebnisse für den Zeitraum Januar bis Dezember 2020, April 2021, S. 12., abrufbar unter: https://www.bundesgesundheitsministerium.de/fileadmin/Dateien/3_Downloads/C/Coronavirus/Analyse _Leistungen_Ausgleichszahlungen_2020_Corona-Krise.pdf. 32 Vergleiche hierzu: RWI (2021), Analysen zum Leistungsgeschehen der Krankenhäuser und zur Ausgleichspauschale in der Corona-Krise, Ergebnisse für den Zeitraum Januar bis Dezember 2020, April 2021, S. 13, abrufbar unter: https://www.bundesgesundheitsministerium.de/fileadmin/Dateien/3_Downloads/C/Coronavirus/Analyse _Leistungen_Ausgleichszahlungen_2020_Corona-Krise.pdf. 33 Vergleiche hierzu: RWI (2021), Analysen zum Leistungsgeschehen der Krankenhäuser und zur Ausgleichspauschale in der Corona-Krise, Ergebnisse für den Zeitraum Januar bis Dezember 2020, April 2021, S. 14f., insbesondere Schaubilder 4 und 5, abrufbar unter: https://www.bundesgesundheitsministerium.de/fileadmin/Dateien /3_Downloads/C/Coronavirus/Analyse_Leistungen_Ausgleichszahlungen_2020_Corona-Krise.pdf. 34 Vergleiche etwa: Schaubild 21 auf S. 30 für Hüft-oder Knieprothesenerstimplantationen, RWI (2021), Analysen zum Leistungsgeschehen der Krankenhäuser und zur Ausgleichspauschale in der Corona-Krise, Ergebnisse für den Zeitraum Januar bis Dezember 2020, April 2021, abrufbar unter: https://www.bundesgesundheitsministerium .de/fileadmin/Dateien/3_Downloads/C/Coronavirus/Analyse_Leistungen_Ausgleichszahlungen _2020_Corona-Krise.pdf. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 052/21 Seite 14 Ein weiterer Schwerpunkt bei der Arbeit des Expertenbeirats lag auf der Überprüfung, ob eine Verlängerung der Ausgleichszahlung für die Freihaltung intensivmedizinischer Behandlungskapazitäten über den 30. September 2020 hinaus erforderlich sei. In diesem Zusammenhang wertete der Beirat Abrechnungsdaten der Krankenhäuser für den Zeitraum 1. Januar bis 31. Mai 2020 aus.35 Die Analyse ergab, dass sich die Erlössituation der Krankenhäuser unter Berücksichtigung der Ausgleichszahlungen nach § 21 KHG im Durchschnitt nicht verschlechtert hatte, sondern durch die Freihaltepauschale im Durchschnitt sogar leichte Erlöszuwächse gegenüber dem Vorjahreszeitraum in Höhe von 2 Prozent verzeichnet werden konnten. Nach Angabe des Beirats konnte durch die pauschalen Ausgleichszahlungen rund die Hälfte der somatischen Krankenhäuser ihre Erlössituation verbessern. Psychiatrische und psychosomatische Einrichtungen konnten im Durchschnitt Erlöszuwächse von 8 bis 9 Prozent verzeichnen, wobei insgesamt zwei Drittel der psychiatrischen und psychosomatischen Einrichtungen ihre Erlössituation verbessern konnten . Dabei waren die Erlöszuwächse bei den kleineren Krankenhäusern am höchsten, sanken jedoch mit zunehmender Größe des Krankenhauses. Krankenhäuser mit mehr als 800 Betten verzeichneten hingegen Erlösrückgänge, Universitätskliniken in Höhe von 6 Prozent. Für den betrachteten Zeitraum wurden für somatische Krankenhäuser Leistungsrückgänge bei den stationären Fällen in Höhe von 15 Prozent, im psychiatrischen und psychosomatischen Bereich in Höhe von 8 Prozent beobachtet.36 Die Versorgung von COVID- 19-Fällen soll nach Angaben des Expertenbeirats im Zeitraum Januar bis Mai 2020 im Durchschnitt weniger als 2 Prozent der gesamten Betten und 4 Prozent der sog. Verweildauertage betragen haben. Es seien jedoch keine differenzierten Aussagen zur regionalen oder zeitlichen Auslastung möglich. 37 Auch eine Analyse der Daten von Januar bis Dezember 2020 kam übereinstimmend zu dem Ergebnis, dass die stationäre Versorgung zu keinem Zeitpunkt an ihre Grenzen gelangt sei.38 35 Die Krankenhäuser wurden zu einer zusätzlichen Datenübermittlung an das Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus (InEK) verpflichtet; Rechtsgrundlage hierfür war das Zweite Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite vom 19. Mai 2020, BGBl. I S. 1018 (Nr. 23), abrufbar unter : https://www.bgbl.de/xaver/bgbl/text.xav?SID=&tf=xaver.component.Text_0&tocf=&qmf=&hlf=xaver.component .Hitlist_0&bk=bgbl&start=%2F%2F*%5B%40node_id%3D%27818053%27%5D&skin=pdf&tlevel=-2&nohist =1. 36 Ausführlicher hierzu: Beirat (2020), Abschlussbericht zur Überprüfung der Auswirkungen der Regelungen in den §§ 21 bis 23 auf die wirtschaftliche Lage der Krankenhäuser durch den Beirat gemäß § 24 Krankenhausfinanzierungsgesetz , August 2020, abrufbar unter: https://www.bundesgesundheitsministerium.de/fileadmin/Dateien /3_Downloads/K/200821_Abschlussbericht_des_Beirats_gemaess____24_KHG_Abschlussbericht_.pdf. 37 Vergleiche hierzu: RWI (2021), Analysen zum Leistungsgeschehen der Krankenhäuser und zur Ausgleichspauschale in der Corona-Krise, Ergebnisse für den Zeitraum Januar bis Dezember 2020, April 2021, S. 12f., abrufbar unter https://www.bundesgesundheitsministerium.de/fileadmin/Dateien/3_Downloads/C/Coronavirus/Analyse _Leistungen_Ausgleichszahlungen_2020_Corona-Krise.pdf. 38 BMG, Beirat diskutiert und verabschiedet Analyse von Prof. Augurzky und Prof. Busse zum Leistungsgeschehen der Krankenhäuser und zur Ausgleichspauschale in der Corona-Krise, Pressemitteilung vom 30. April 2021, abrufbar unter: https://www.bundesgesundheitsministerium.de/presse/pressemitteilungen/2021/2-quartal/coronagutachten -beirat-bmg.html. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 052/21 Seite 15 Im Ergebnis stellte der Beirat in seinem Abschlussbericht im August 2020 fest, dass Auswirkungen des Coronavirus SARS-CoV-2 auf die Krankenhäuser über den 30. September 2020 hinweg – und damit über den Zeitpunkt hinaus, bis zu dem ein Anspruch auf die Ausgleichszahlung nach § 21 KHG existiert – bestehen bleiben werden. Eine flächendeckende Freihaltung von Bettenkapazitäten wie auch der Aufbau von Kapazitäten für die intensivmedizinische Behandlung sei jedoch nicht mehr erforderlich, da von deutlich verbesserten Rahmenbedingungen als im März 2020 ausgegangen werden könne. Der Beirat kam daher zu dem Ergebnis, dass eine Verlängerung der Freihaltepauschalen sowie der Pauschale für zusätzliche Intensivbetten nach § 21 KHG über den 30. September 2020 hinaus in der bis dahin geltenden Form nicht erforderlich sei.39 4.3. Erneute Einführung der Ausgleichszahlung Mit dem Ansteigen der Auslastung der Intensivstationen im Herbst 2020 wurde der Anspruch auf eine Ausgleichszahlung bei der Freihaltung von intensivmedizinischen Kapazitäten für Corona- Patienten auf Empfehlung des Expertenbeirats erneut eingeführt.40 Der seit dem 18. November 2020 nach § 21 Abs. 1a KHG bestehende Anspruch auf Ausgleichszahlungen ist nunmehr jedoch an deutlich umfassendere Voraussetzungen geknüpft, als dies bei der erstmaligen Einführung der Leistung im Frühjahr 2020 der Fall war. Der Anspruch nach § 21 Abs. 1a KHG war zunächst bis zum 31. Januar 2021 befristet, wurde durch entsprechende Verordnungen jedoch zunächst bis zum 28. Februar41 und dann bis zum 31. Mai 202142 verlängert. Um einen Anspruch auf Ausgleichszahlung nach § 21 Abs. 1a KHG zu begründen, muss das jeweilige Krankenhaus nunmehr planbare Aufnahmen, Operationen oder Eingriffe zur Erhöhung der Verfügbarkeit von betreibbaren intensivmedizinischen Behandlungskapazitäten verschieben 39 Vergleiche hierzu: Beirat (2020), Abschlussbericht zur Überprüfung der Auswirkungen der Regelungen in den §§ 21 bis 23 auf die wirtschaftliche Lage der Krankenhäuser durch den Beirat gemäß § 24 Krankenhausfinanzierungsgesetz , August 2020, abrufbar unter: https://www.bundesgesundheitsministerium.de/fileadmin/Dateien/- 3_Downloads/K/200821_Abschlussbericht_des_Beirats_gemaess____24_KHG_Abschlussbericht_.pdf. 40 Vergleiche hierzu: https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/118334/Finanzhilfen-fuer-Krankenhaeuser-mit-vielen -COVID-19-Patienten-geplant sowie 2020-11-18_Anlage_PM_Bevoelkerungsschutzgesetz.pdf (dkgev.de). Die Empfehlung des Beirats zur erneuten Einführung der Freihaltepauschale ist im Laufe des Gesetzgebungsverfahren in das Dritte Bevölkerungsschutzgesetz eingeflossen, vergleiche hierzu: https://www.faz.net/aktuell/wirtschaft /mehr-wirtschaft/f-a-z-exklusiv-kliniken-koennen-mit-neuem-rettungsschirm-rechnen- 17050177.html?printPagedArticle=true#pageIndex_2. 41 Zweite Verordnung zur Änderung der Verordnung zur Anpassung der Voraussetzungen für die Anspruchsberechtigung der Krankenhäuser nach § 21 Absatz 1a des Krankenhausfinanzierungsgesetzes, vom 26. Februar 2021, BAnz AT, 27. Januar 2021 V1, abrufbar unter: Anspruchsberechtigung_der_Krankenhaeuser _BAnz_27.01.2021_V1.pdf (bundesgesundheitsministerium.de). 42 Verordnung zur Regelung weiterer Maßnahmen zur wirtschaftlichen Sicherung der Krankenhäuser, vom 7. April 2021, BAnz AT 8. April 2021 V1, abrufbar unter: Krankenhaeuser_wirtschaftliche_Sicherung_VO_BAnz- _AT_08.04.2021_V1.pdf (bundesgesundheitsministerium.de). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 052/21 Seite 16 oder aussetzen. Anders als bei der erstmaligen Einführung der Ausgleichspauschale erhält nicht jedes Krankenhaus die Ausgleichszahlung; vielmehr müssen Krankenhäuser dafür von der für die Krankenhausplanung zuständigen Landesbehörde benannt werden.43 Für eine entsprechende Benennung müssen neben der Freihaltung intensivmedizinischer Kapazitäten weitere Voraussetzungen erfüllt sein. So muss zum einen die 7-Tage-Inzidenz der Coronavirus-SARS-CoV-2-Fälle im Landkreis bzw. der kreisfreien Stadt je 100.000 Einwohner über 70 liegen. Zum anderen muss eine bestimmte prozentuale Auslastung der intensivmedizinischen Behandlungskapazitäten vorliegen und das jeweilige Krankenhaus einer bestimmten Stufe der Notfallversorgung zugeordnet sein. Der Anteil freier betreibbarer intensivmedizinischer Behandlungskapazitäten im jeweiligen Landkreis bzw. der kreisfreien Stadt muss in einem ununterbrochenen Zeitraum von sieben Tagen durchschnittlich unter 25 Prozent liegen. Sofern die Auslastung der Intensivstationen im Landkreis bzw. der kreisfreien Stadt mehr als 75 Prozent beträgt, kann die für die Krankenhausplanung zuständige Landesbehörde Krankenhäuser im Landkreis bzw. der kreisfreien Stadt benennen, die Ausgleichszahlungen für die Freihaltung von intensivmedizinischen Behandlungskapazitäten für die Versorgung von COVID-19-Patienten erhalten. Nach dem Willen des Gesetzgeber sind die Krankenhäuser von den für die Krankenhausplanung zuständigen Landesbehörden schrittweise und dem Bedarf angepasst zu bestimmen, und zwar unter Berücksichtigung regionaler Gegebenheiten und ihrer Erfahrung in der intensivmedizinischen Behandlung - gemessen anhand der Anzahl der intensivmedizinischen Behandlungskapazitäten mit invasiver Beatmungsmöglichkeit oder der Erfahrung bei der Behandlung von Beatmungsfällen , insbesondere COVID-19-Fällen. Die bevorzugte Berücksichtigung von Krankenhäusern , die an Stufe drei bzw. zwei der Notfallversorgung teilnehmen, wurde vom Gesetzgeber damit begründet, dass diese eine besondere intensivmedizinische Versorgungsstruktur vorhielten. Anders als bei der erstmaligen Einführung der Freihaltepauschale definierte der Gesetzgeber nun, unter welchen Voraussetzungen ein intensivmedizinischer Behandlungsplatz als betreibbar gilt. Nach der Gesetzesbegründung ist dies der Fall, wenn entsprechend der Versorgungsstufe (Lowcare , High-care, ECMO) jeweils ein vorgesehener Raum, funktionsfähige Geräte und Material pro Bettenplatz, Betten und personelle Besetzung mit pflegerischem und ärztlichem Fachpersonal vorhanden sind und eingesetzt werden können. Zum Ausgleich kurzfristiger Schwankungen 43 Nach § 21 Abs. 1a S. 2 Nr. 1 KHG dürfen nur solche Krankenhäuser benannt werden, die für die umfassende oder erweiterte Notfallversorgung für die Jahre 2019 oder 2020 einen Zuschlag vereinbart haben oder die keine Zu- oder Abschläge für die Teilnahme oder Nichtteilnahme an der Notfallversorgung vereinbart und eine Versorgungsstruktur aufweisen, die der Teilnahme an der erweiterter Notfallversorgung entspricht. In Krankenhäusern , die einen Zuschlag für die Teilnahme an der Basisnotfallversorgung für die Jahre 2019 und 2020 vereinbart haben, muss der Anteil freier betreibbarer intensivmedizinischer Behandlungskapazitäten im Landkreis bzw. der kreisfreien Stadt durchschnittlich unter 15 Prozent und damit die Auslastung der Intensivstationen bei über 85 Prozent liegen (§ 21 Abs. 1a S. 2 Nr. 2 KHG). Ist dies der Fall, können diese Krankenhäuser nachrangig zu den zuvor genannten Krankenhäusern von der zuständigen Landesbehörde benannt werden. Krankenhäuser, die nicht an der Notfallversorgung teilnehmen bzw. keine entsprechende Versorgungsstruktur aufweisen, können nach § 21 Abs. 1a KHG keine Ausgleichszahlungen beanspruchen. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 052/21 Seite 17 wird der Anteil freier betreibbarer intensivmedizinischer Behandlungskapazitäten über sieben Tage gemittelt.44 Insgesamt wurde die erneute Einführung der Ausgleichszahlung mit den zusätzlichen Voraussetzungen für deren Inanspruchnahme von Vertretern der Krankenhäuser begrüßt. Kritisiert wurde jedoch die Koppelung des Anspruchs an die Notfallversorgung.45 Dadurch würden insbesondere Fachkliniken und kleinere Krankenhäuser, unabhängig von einer tatsächlichen Versorgung von COVID-19-Patienten, nicht berücksichtigt.46 So hätten etwa zwei Drittel der Krankenhäuser, die in Nordrhein-Westfalen Covid-19-Patienten behandeln, keinen Anspruch auf die Ausgleichszahlung , wodurch Engpässe bei der Behandlung von Corona-Patienten befürchtet wurden.47 Im weiteren Verlauf der Corona-Pandemie wurden die rechtlichen Grundlagen der Freihaltepauschale dahingehend geändert, dass nunmehr beim Vorliegen besonders hoher 7-Tages-Inzidenzwerte im jeweiligen Landkreis bzw. der kreisfreien Stadt die Benennung von Krankenhäusern unabhängig von dem Anteil freier betreibbarer intensivmedizinischer Behandlungskapazitäten erfolgen konnte. Darüber hinaus konnten unter bestimmten zusätzlichen Voraussetzungen weitere Krankenhäuser von der für die Krankenhausplanung zuständigen Landesbehörde für die Inanspruchnahme der Ausgleichszahlung benannt werden. Die Sonderregelungen zur Benennung von Krankenhäusern bei besonders hoher Inzidenz fand seit dem 17. Dezember 2020 Anwendung, wenn die 7-Tages-Inzidenz je 100.000 Einwohner im jeweiligen Landkreis bzw. der kreisfreien Stadt über 200 lag. Die Voraussetzungen an das jeweilige Krankenhaus für die Inanspruchnahme nach § 21 Abs. 1a Satz 2 Nr. 1 KHG blieben unabhängig davon bestehen.48 Der Kreis der Krankenhäuser, die nach § 21 Abs. 1a Satz 2 Nr. 2 KHG für die Ausgleichszahlungen benannt werden können, wurde ebenfalls zum 17. Dezember 2020 erweitert . So können seitdem auch Krankenhäuser, die noch keine Zuschläge für die Teilnahme an der Notfallversorgung vereinbart haben, jedoch eine der Basisnotfallversorgung entsprechende 44 BT-Drs. 19/24334, Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit zu dem Entwurf eines Dritten Gesetzes zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite, 16. November 2020, S. 76ff., abrufbar unter: Drucksache 19/24334 (bundestag.de). 45 So z. B. von der Deutschen Krankenhausgesellschaft in ihrer Stellungnahme zum 3. Bevölkerungsschutzgesetz und zur erneuten Einführung der Ausgleichszahlung, Stand: 18. November 2020, abrufbar unter: https://www.dkgev.de/fileadmin/default/Mediapool/1_DKG/1.7_Presse/1.7.1_Pressemitteilungen/2020/2020- 11-18_Anlage_PM_Bevoelkerungsschutzgesetz.pdf. 46 Vergleiche hierzu z. B.: https://www.vitos.de/gesellschaften/vitos-weil-lahn/pressekontakt/pressemitteilungen- 1/detailseite-news-wel/neuer-rettungsschirm-hat-loecher-politik-laesst-viele-kliniken-im-regen-stehen sowie https://soziales.hessen.de/presse/pressemitteilung/zum-neuen-system-der-freihaltepauschalen-fuer-krankenhaeuser . 47 So fordert z. B. die Krankenhausgesellschaft Nordrhein-Westfalen eine Ausweitung des Anspruchs auf die Freihaltepauschale auf alle Kliniken, die zur stationären Behandlung von Corona-Patienten benötigt würden, vergleiche hierzu: https://www.kgnw.de/presse/pressemitteilungen/2020-11-27-freihaltepauschale. 48 § 1 Verordnung zur Anpassung der Voraussetzungen für die Anspruchsberechtigung der Krankenhäuser nach § 21 Absatz 1a des Krankenhausfinanzierungsgesetzes, vom 22. Dezember 2020, BAnz AT 24. Dezember 2020 V1, abrufbar unter: BAnz_VO__Anspruchsberechtigung_der_Krankenhaeuser.pdf (bundesgesundheitsministerium .de). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 052/21 Seite 18 Versorgungsstruktur aufweisen, von der zuständigen Landesbehörde für die Ausgleichszahlung benannt werden.49 Der geltende Grenzwert für die Sonderregelung bei besonders hoher 7-Tages- Inzidenz wurde zum 15. Januar 2021 von 200 auf 150 Corona-Infektionen je 100.000 Einwohner im Landkreis bzw. der kreisfreien Stadt gesenkt. Darüber hinaus können seit dem 15. Januar 2021 unter bestimmten Voraussetzungen auch Spezialversorger wie z. B. Lungenkliniken von der für die Krankenhausplanung zuständigen Landesbehörde benannt werden.50 Mittlerweile wurde auch der grundsätzlich geltende Grenzwert der 7-Tages-Inzidenz je 100.000 Einwohner im Landkreis bzw. der kreisfreien Stadt, ab dem eine Benennung von Krankenhäusern für die Ausgleichszahlung möglich ist, gesenkt. Während dafür zunächst ein Grenzwert in Höhe von 70 galt, kann seit dem 5. April 2021 eine Benennung bereits ab einer 7-Tages-Inzidenz von über 50 erfolgen. Zuvor war teilweise Kritik geäußert worden, dass die Ausgleichszahlung nach § 21 Abs. 1a KHG an den Inzidenzwert und die Auslastung auf den Intensivstationen gekoppelt sei, die Werte im Durchschnitt in Deutschland aber mittlerweile unterschritten seien, so dass in immer mehr Regionen die Krankenhäuser keine Ausgleichszahlungen mehr bekämen.51 Die Höhe der Ausgleichszahlung wird nach § 21 Abs. 2 S. 1 KHG ermittelt, die Berechnung erfolgt dabei im Wesentlichen wie bei der erstmaligen Einführung der Leistung.52 Anders als zuvor, werden seit der erneuten Einführung der Freihaltepauschale jedoch lediglich 90 Prozent des ermittelten Differenzwertes mit der Pauschale multipliziert. Die Leistungshöhe ist somit geringer als während des ersten Anspruchszeitraums bis Ende September 2020. Durch die Begrenzung des Ausgleichsbetrags auf 90 Prozent sollte eine Steuerungswirkung dahingehend erzielt werden, dass stationäre Behandlungskapazitäten möglichst nur in bedarfsgerechtem Umfang freigehalten werden. Auch sind die Länder seit der erneuten Einführung der Freihaltepauschale nach § 21 Abs. 2a Satz 3 KHG zur Prüfung der von den Krankenhäusern ermittelten Beträge verpflichtet. 49 § 2 Verordnung zur Anpassung der Voraussetzungen für die Anspruchsberechtigung der Krankenhäuser nach § 21 Absatz 1a des Krankenhausfinanzierungsgesetzes, vom 22. Dezember 2020, BAnz AT 24. Dezember 2020 V1, abrufbar unter: BAnz_VO__Anspruchsberechtigung_der_Krankenhaeuser.pdf (bundesgesundheitsministerium .de). Vergleiche hierzu auch: Bundesverband Deutscher Privatkliniken e.V. (BDPK), Finanzielle Regelungen für Kliniken in Zeiten der Sars-CoV-2-Pandemie, abrufbar unter: https://www.bdpk.de/fileadmin/user_upload /BDPK/Themen/Sonstiges/2021-03-01_Finanzielle_Ausgleiche_fuer_KH_und_Reha.pdf. 50 Artikel 1 der Ersten Verordnung zur Änderung der Verordnung zur Anpassung der Voraussetzungen für die Anspruchsberechtigung der Krankenhäuser nach § 21 Absatz 1a des Krankenhausfinanzierungsgesetzes, vom 26. Februar 2021, BAnz AT 27. Januar 2021 V1, abrufbar unter: https://www.bundesgesundheitsministerium .de/fileadmin/Dateien/3_Downloads/Gesetze_und_Verordnungen/GuV/A/Anspruchsberechtigung _der_Krankenhaeuser_BAnz_27.01.2021_V1.pdf. Vergleiche hierzu auch: Bundesverband Deutscher Privatkliniken e.V. (BDPK), Finanzielle Regelungen für Kliniken in Zeiten der Sars-CoV-2-Pandemie, abrufbar unter: https://www.bdpk.de/fileadmin/user_upload/BDPK/Themen/Sonstiges/2021-03-01_Finanzielle_Ausgleiche _fuer_KH_und_Reha.pdf. 51 So z. B. der Hauptgeschäftsführer der DKG, vergleiche hierzu: https://www.kma-online.de/aktuelles/politik/detail /verlaengerung-der-ausgleichszahlungen-fuer-kliniken-greift-zu-kurz-a-45087. 52 Verordnung zur Anpassung der Ausgleichszahlungen an Krankenhäuser aufgrund von Sonderbelastungen durch das Coronavirus SARS-CoV-2 (COVID-19-Ausgleichszahlungs-Anpassungs-Verordnung – AusglZAV) Anlage – Höhe der tagesbezogenen Pauschale nach § 1 Absatz 1 Nummer 1, abrufbar unter: https://www.gesetzeim -internet.de/ausglzav/anlage.html. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 052/21 Seite 19 Dadurch soll ausgeschlossen werden, dass unplausible oder unbegründete Meldungen an das Bundesamt für Soziale Sicherung weitergegeben werden.53 Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Freihaltepauschalen durch mehrere gesetzliche Änderungen weiterentwickelt und differenziert worden sind: Die Höhe der Zahlungen wurde angepasst , ihre Inanspruchnahme ist auch, aber nicht mehr ausschließlich an die Auslastung der intensivmedizinischen Behandlungskapazitäten gebunden. Vor allem bei besonders hohen Inzidenzwerten ist eine Benennung von Krankenhäusern mit der entsprechenden Notfallversorgungsstufe unabhängig von der Auslastung intensivmedizinischer Behandlungskapazitäten möglich. *** 53 Vergleiche hierzu: BT-Drs. 19/24334, Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit zu dem Entwurf eines Dritten Gesetzes zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite, 16. November 2020, S. 77, abrufbar unter: Drucksache 19/24334 (bundestag.de).