© 2017 Deutscher Bundestag WD 9 - 3000 - 052/17 „Rote Gentechnik“ Rechtslage und Positionen der Parteien Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 052/17 Seite 2 „Rote Gentechnik“ Rechtslage und Positionen der Parteien Aktenzeichen: WD 9 - 3000 - 052/17 Abschluss der Arbeit: 6. Dezember 2017 Fachbereich: WD 9: Gesundheit, Familie, Senioren, Frauen und Jugend Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 052/17 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Vorbemerkung 4 2. Gentechnisch hergestellte Arzneimittel 4 2.1. Gentechnikgesetz 5 2.2. Arzneimittelgesetz 6 3. Gendiagnostik 6 3.1. Gendiagnostikgesetz 6 3.2. Pränataldiagnostik und Präimplantationsdiagnostik 7 4. Gentherapie 10 5. Positionen der Parteien zur „roten Gentechnik“ 11 5.1. Grundsatzprogramm der CDU von 2007 13 5.2. Grundsatzprogramm der SPD von 2007 13 5.3. Grundsatzprogramm von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN von 2002 13 5.4. Grundsatzprogramm der AfD von 2016 14 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 052/17 Seite 4 1. Vorbemerkung Die „rote Gentechnik“ ist ein Bestandteil der Humangenetik, die sich mit Struktur, Weitergabe und Funktion der Erbinformation des Menschen befasst1. Unter „roter Gentechnik“ versteht man die „Entschlüsselung oder Veränderung von Erbmaterial in der Medizin und der biomedizinischen Forschung.“2 Sie umfasst insbesondere - gentechnisch hergestellte Arzneimittel - Gendiagnostik und - Gentherapie Der Sachstand gibt einen Überblick über die Rechtslage hinsichtlich dieser Verfahren. Ferner werden einige politische Positionen zur „roten Gentechnik“ dargestellt. 2. Gentechnisch hergestellte Arzneimittel Eine Vielzahl von Arzneimitteln und Impfstoffen wird mithilfe gentechnologischer Verfahren hergestellt. Dies geschieht vorwiegend durch genetische Veränderung von Bakterien oder Pilzen.3 Nach Recherchen des Verbands Forschender Arzneimittelhersteller (vfa) sind aktuell in Deutschland 235 Arzneimittel mit gentechnisch hergestellten Wirkstoffen zugelassen. Insgesamt werden 9 Prozent aller zugelassenen Wirkstoffe gentechnisch produziert; bei den jährlich neu zugelassenen Wirkstoffen sind es bereits 30 Prozent.4 2015 betrug der Umsatz mit diesen Medikamenten bereits 7,2 Mrd. Euro, was 20 Prozent des Umsatzes des GKV-Fertigarzneimittelmarktes entspricht .5 1 Froster, Das Gendiagnostikgesetz – aus der Sicht eines Humangenetikers, in: Kern (Hrsg.), Das Gendiagnostikgesetz – Rechtsfragen der Humangenetik, 2013, S. 17 ff. (17). 2 Bundeszentrale für politische Bildung, Dossier Bioethik, Rote Gentechnologie, abrufbar unter http://www.bpb.de/gesellschaft/umwelt/bioethik/33747/rote-gentechnik (Stand: 30. November 2017). Dort ist auch die folgende Aufzählung entnommen. 3 Bundeszentrale für politische Bildung, Dossier Bioethik, Rote Gentechnologie, abrufbar unter http://www.bpb.de/gesellschaft/umwelt/bioethik/33747/rote-gentechnik (Stand: 30. November 2017). 4 Vfa, Zugelassene gentechnische Arzneimittel in Deutschland, abrufbar unter https://www.vfa.de/de/arzneimittel -forschung/datenbanken-zu-arzneimitteln/amzulassungen-gentec.html (Stand: 1. Dezember 2017). 5 Bundeszentrale für politische Bildung, Dossier Bioethik, Rote Gentechnologie, abrufbar unter http://www.bpb.de/gesellschaft/umwelt/bioethik/33747/rote-gentechnik (Stand: 30. November 2017). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 052/17 Seite 5 Bei der gentechnologischen Herstellung von Arzneimitteln sind die Vorschriften des Gentechnikgesetzes (GenTG)6 und des Arzneimittelgesetzes (AMG)7 zu beachten. 2.1. Gentechnikgesetz Die Durchführung der Arbeiten, die der eigentlichen Herstellung des Arzneimittelwirkstoffs vorausgehen , richtet sich nach dem Gentechnikgesetz, das für alle gentechnischen Anlagen und Arbeiten einschlägig ist.8 Auf dem GenTG beruhen zudem eine Reihe von Rechtsverordnungen, etwa die Gentechnik-Sicherheitsverordnung.9 Gentechnische Arbeiten sind gemäß § 3 Nr. 2 GenTG die Erzeugung, Vermehrung, Lagerung, Zerstörung oder Entsorgung gentechnisch veränderter Organismen, der innerbetriebliche Transport gentechnisch veränderter Organismen sowie deren Verwendung in anderer Weise, soweit noch keine Genehmigung für die Freisetzung oder das Inverkehrbringen zum Zweck des späteren Ausbringens in die Umwelt erteilt wurde. Gentechnische Arbeiten dürfen nach § 8 Abs. 1 Satz 1 GenTG nur in gentechnischen Anlagen durchgeführt werden. Unter welchen Voraussetzungen Errichtung und Betrieb einer solchen Anlage möglich sind, richtet sich gemäß § 8 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 GenTG nach der Sicherheitsstufe der dort durchzuführenden Arbeiten. Nach § 7 Abs. 1 GenTG bestehen vier Sicherheitsstufen, die sich nach der Höhe des Risikos richten, von dem nach dem Stand der Wissenschaft für die menschliche Gesundheit und die Umwelt auszugehen ist. Errichtung und Betrieb gentechnischer Anlagen der Sicherheitsstufe 3 (mäßiges Risiko) und 4 (hohes Risiko) bedürfen gemäß § 8 Abs. 1 Satz 2 GenTG einer Anlagengenehmigung. Anlagen und erstmalige gentechnische Arbeiten der Sicherheitsstufen 1 (kein Risiko) und 2 (geringes Risiko) müssen nach § 8 Abs. 2 Satz 1 GenTG bei der zuständigen Behörde angezeigt bzw. angemeldet werden. Nach der erstmaligen Genehmigung bzw. Anzeige oder Anmeldung bedürfen die weiteren in der Anlage durchgeführten gentechnischen Arbeiten gemäß § 9 Abs. 1 bis 3 GenTG im Fall der Sicherheitsstufe 1 keiner Anzeige, Arbeiten der Sicherheitsstufe 2 müssen angezeigt werden und Arbeiten der Sicherheitsstufen 3 und 4 bedürfen einer weiteren Genehmigung. Eine Genehmigung nach § 14 GenTG benötigt zudem derjenige, der gentechnisch veränderte Organismen freisetzt oder Produkte in den Verkehr bringt, die gentechnisch veränderte Organismen enthalten oder aus ihnen bestehen. 6 Gentechnikgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 16. Dezember 1993 (BGBl. I S. 2066), zuletzt geändert durch Gesetz vom 17. Juli 2017 (BGBl. I S. 2421), abrufbar unter https://www.gesetze-im-internet.de/gentg/ (Stand: 30. November 2017). 7 Arzneimittelgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 12. Dezember 2005 (BGBl. I S. 3394), zuletzt geändert durch Gesetz vom 18. Juli 2017 (BGBl. I S. 2757), abrufbar unter https://www.gesetze-im-internet .de/amg_1976/ (Stand: 30. November 2017). 8 Zu den Voraussetzungen nach dem GenTG siehe vertiefend Bakhschai, in: Fuhrmann/Klein/Fleischfresser (Hrsg.), Arzneimittelrecht, 2. Aufl. 2014, Teil 8: Stoffe biologischer Herkunft und Arzneimittel aus Stoffen biologischer Herkunft, § 34: Gentechnikrechtliche Besonderheiten Rn. 6 ff. 9 Für eine Aufstellung der Rechtsverordnungen siehe Bakhschai, in: Fuhrmann/Klein/Fleischfresser (Hrsg.), Arzneimittelrecht , 2. Aufl. 2014, Teil 8: Stoffe biologischer Herkunft und Arzneimittel aus Stoffen biologischer Herkunft , § 34: Gentechnikrechtliche Besonderheiten Rn. 6. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 052/17 Seite 6 2.2. Arzneimittelgesetz Für das Inverkehrbringen von gentechnisch hergestellten Arzneimitteln in Deutschland ist – wie für alle Arzneimittel – eine Zulassung nach § 21 AMG oder eine europarechtliche Genehmigung erforderlich. Wer „auf gentechnischem Wege“ hergestellte Wirkstoffe produzieren will, benötigt eine Herstellungserlaubnis gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 4 AMG. Entsprechend bedarf es gemäß § 72 Abs. 1 Nr. 2 AMG einer Erlaubnis, solche Wirkstoffe einzuführen. Die Voraussetzungen der Erlaubnis richten sich nach den §§ 14 ff. AMG. Das AMG enthält nur wenige Sonderregelungen für gentechnisch hergestellte Arzneimittel. So müssen etwa gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 8a Wirkstoff und Bezeichnung des verwendeten gentechnisch veränderten Organismus oder die Zelllinie auf der Verpackung angegeben werden. Besondere Voraussetzungen gelten bei der klinischen Prüfung von gentechnisch hergestellten Medikamenten : Gemäß § 40 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2a darf die Prüfung nur erfolgen, wenn nach dem Stand der Wissenschaft im Verhältnis zum Zweck der klinischen Prüfung unvertretbare schädliche Auswirkungen auf die Gesundheit Dritter oder die Umwelt nicht zu erwarten sind. 3. Gendiagnostik Die Gendiagnostik dient zur Feststellung krankheitsrelevanter Veränderungen der Erbsubstanz.10 3.1. Gendiagnostikgesetz Regelungen für die Durchführung der Gendiagnostik wurden im 2010 in Kraft getretenen Gendiagnostikgesetz (GenDG)11 festgeschrieben.12 Anwendungsbereich des Gesetzes sind „genetische[n] Untersuchungen zu medizinischen Zwecken, zur Klärung der Abstammung sowie im Versicherungsbereich und im Arbeitsleben“ (§ 2 Abs. 1 GenDG). Das Gesetz bestimmt die Voraussetzungen für genetische Untersuchungen und in diesem Rahmen durchgeführte genetische Analysen sowie für die Verwendung der daraus gewonnenen Daten. Die Regelungen sollen dazu dienen, „eine Benachteiligung auf Grund genetischer Eigenschaften zu verhindern“ und „die staatliche Verpflichtung zur Achtung und zum Schutz der Würde des Menschen und des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung zu wahren“ (§ 1 GenDG). Das Gesetz unterscheidet zwischen diagnostischen und prädiktiven genetischen Untersuchungen . Eine diagnostische genetische Untersuchung dient nach § 3 Nr. 7 GenDG zur Abklärung einer bestehenden Krankheit oder gesundheitlichen Störung sowie zur Feststellung von genetischen Eigenschaften, die zusammen mit anderen Einwirkungen den Eintritt einer Krankheit oder Störung auslösen können oder die Wirkung eines Medikaments beeinflussen können oder aber 10 Froster, Das Gendiagnostikgesetz – aus der Sicht eines Humangenetikers, in: Kern (Hrsg.), Das Gendiagnostikgesetz – Rechtsfragen der Humangenetik, 2013, S. 17 ff. (19). 11 Gendiagnostikgesetz vom 31. Juli 2009 (BGBl. I S. 2529, 3672), zuletzt geändert durch Gesetz vom 4. November 2016 (BGBl. I S. 2460), abrufbar unter https://www.gesetze-im-internet.de/gendg (Stand: Stand: 30. November 2017. 12 Zum Gendiagnostikgesetz siehe vertiefend Kern (Hrsg.), Das Gendiagnostikgesetz – Rechtsfragen der Humangenetik , 2013. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 052/17 Seite 7 den Eintritt einer Krankheit oder Störung verhindern können. Eine prädiktive genetische Untersuchung wird gemäß § 3 Nr. 8 GenDG zur Abklärung einer zukünftig auftretenden Krankheit oder gesundheitlichen Störung oder zur Abklärung einer Anlageträgerschaft für Erkrankungen oder gesundheitliche Störungen bei Nachkommen durchgeführt. Gemäß § 7 Abs. 1 GenDG darf eine diagnostische genetische Untersuchung nur durch Ärzte, eine prädiktive genetische Untersuchung nur durch Fachärzte für Humangenetik oder andere Ärzte, die sich „beim Erwerb einer Facharzt-, Schwerpunkt- oder Zusatzbezeichnung für genetische Untersuchungen im Rahmen ihres Fachgebietes qualifiziert haben“, durchgeführt werden. Die untersuchte Person muss schriftlich in die genetische Untersuchung einwilligen (§ 8 Abs. 1 GenDG). Vor der Einwilligung muss die betroffene Person umfassend über Wesen, Bedeutung und Tragweite der Untersuchung aufgeklärt werden (§ 9 Abs. 1 GenDG). § 10 Abs. 2 GenDG bestimmt, dass im Fall einer prädiktiven Untersuchung eine genetische Beratung durch einen nach § 7 Abs. 1 GenDG qualifizierten Arzt erfolgen muss. Die Beratung ist vor der Untersuchung und nach Vorliegen des Untersuchungsergebnisses durchzuführen. Im Fall einer diagnostischen Untersuchung soll die Beratung nach § 10 Abs. 1 GenDG nur angeboten werden . Die genetische Beratung hat insbesondere „die Erörterung der möglichen medizinischen, psychischen und sozialen Fragen im Zusammenhang mit einer Vornahme oder Nichtvornahme der genetischen Untersuchung und ihren vorliegenden oder möglichen Untersuchungsergebnissen sowie der Möglichkeiten zur Unterstützung bei physischen und psychischen Belastungen der betroffenen Person durch die Untersuchung und ihr Ergebnis“ zu umfassen (§ 10 Abs. 3 Satz 2 GenDG). Sind genetisch Verwandte voraussichtlich ebenfalls Träger der entsprechenden genetischen Eigenschaften, die für eine Erkrankung oder gesundheitliche Störung von Bedeutung sind, so muss der untersuchten Person angeraten werden, den Verwandten ebenfalls eine Beratung zu empfehlen (§ 10 Abs. 3 Satz 4 GenDG). 3.2. Pränataldiagnostik und Präimplantationsdiagnostik Im Bereich der vorgeburtlichen Diagnostik von Embryonen und Föten ist zu unterscheiden zwischen der Untersuchung während der Schwangerschaft (Pränataldiagnostik) und der Untersuchung im Rahmen der Reproduktionsmedizin, also vor einer eventuellen Übertragung eines Embryos in die Gebärmutter (Präimplantationsdiagnostik).13 Die Pränataldiagnostik richtet sich ebenso wie die genetische Untersuchung geborener Menschen nach dem GenDG (§ 2 Abs. 1 GenDG). § 15 Abs. 1 GenDG bestimmt, dass eine Pränataldiagnostik „nur zu medizinischen Zwecken und nur vorgenommen werden [darf], soweit die Untersuchung auf bestimmte genetische Eigenschaften des Embryos oder Fötus abzielt, die nach dem allgemein anerkannten Stand der Wissenschaft und Technik seine Gesundheit während der Schwanger- 13 Zur Pränataldiagnostik siehe auch die Dokumentation WD 9 – 3000 – 056/16, „Informationen zu Risikoschwangerschaften und zur Pränataldiagnostik“, abrufbar unter https://www.bundestag .de/blob/485814/0e49cd9f15133deb377c0cb1a2c1fd3d/wd-9-056-16-pdf-data.pdf (Stand: 27. November 2017) sowie zur Pränataldiagnostik und zur Präimplantationsdiagnostik die Ausarbeitung WD 9 – 3000 – 037/17, „Zur Frage der Erforderlichkeit eines zustimmenden Votums von Ethikkommissionen bei vorgeburtlichen Diagnoseverfahren “, abrufbar unter https://www.bundestag.de/blob/530522/8cd2d08eb19bcb6801505353e63e7140/wd- 9-037-17-pdf-data.pdf (Stand: 27 November 2017). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 052/17 Seite 8 schaft oder nach der Geburt beeinträchtigen, oder wenn eine Behandlung des Embryos oder Fötus mit einem Arzneimittel vorgesehen ist, dessen Wirkung durch bestimmte genetische Eigenschaften beeinflusst wird“. Die Schwangere muss nach § 9 GenDG über die Untersuchung aufgeklärt werden und gemäß § 8 Abs. 1 GenDG schriftlich einwilligen. Eine Untersuchung in Bezug auf eine Krankheit, die nach dem anerkannten Stand der Wissenschaft erst nach Vollendung des 18. Lebensjahrs ausbrechen kann, ist nicht erlaubt (§ 15 Abs. 2 GenDG). Im Gegensatz zur Pränataldiagnostik ist die Präimplantationsdiagnostik (PID) nicht im GenDG geregelt. Lange Zeit wurde die PID trotz Fehlens einer ausdrücklichen Verbotsnorm überwiegend als unzulässig betrachtet. Das Verbot wurde aus verschiedenen Regelungen des Embryonenschutzgesetzes (ESchG)14 hergeleitet.15 Der Bundesgerichtshof entschied 2010 nach einer Selbstanzeige eines Reproduktionsmediziners, dass eine PID an pluripotenten Trophoblastzellen zur Feststellung schwerer genetischer Schäden nicht gegen das ESchG verstoße.16 Das Gericht erachtete eine eindeutige gesetzliche Regelung der PID als wünschenswert.17 Ende 2011 wurde daraufhin nach längerer Diskussion und drei fraktionsübergreifenden Gesetzentwürfen das Gesetz zur Regelung der Präimplantationsdiagnostik erlassen.18 Mit dem Gesetz wurde in das Embryonenschutzgesetz der § 3a eingefügt. Dieser stellt in Absatz 1 die PID ausdrücklich unter Strafe. Gemäß Absatz 2 wird jedoch die PID in eng umgrenzten Ausnahmefällen als nicht rechtswidrig eingestuft. Dies betrifft zum einen Fälle, in denen aufgrund der genetischen Disposition eines oder beider Elternteile für Nachkommen ein hohes Risiko einer schwerwiegenden Erbkrankheit besteht. Eine schwerwiegende Erbkrankheit liegt nach Ansicht des Gesetzgebers vor, wenn sich die Krankheit „durch eine geringe Lebenserwartung oder Schwere des Krankheitsbildes und schlechte Behandelbarkeit von anderen Erbkrankheiten wesentlich unterscheide [t].“19 Ein hohes Risiko einer solchen Erkrankung liege bei einer Wahrscheinlichkeit von 14 Gesetz zum Schutz von Embryonen (Embryonenschutzgesetz - ESchG) vom 13. Dezember 1990 (BGBl. I S. 2746), zuletzt geändert durch Gesetz vom 21. November 2011 (BGBl. I S. 2228), abrufbar unter https://www.gesetze-im-internet.de/eschg/ (Stand: 27. November 2017). 15 Vgl. Lipp, in: Laufs/Katzenmeier/Lipp, Arztrecht, 7. Aufl. 2015, VIII. Fortpflanzungs- und Genmedizin, E. Präimplantationsdiagnostik Rn. 68, mit weiteren Nachweisen zur Diskussion. 16 Bundesgerichtshof, Urteil vom 6. Juli 2010, 5 StR 386/09), abrufbar unter http://juris.bundesgerichtshof.de/cgibin /rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&nr=52897&pos=0&anz=1 (Stand: 27. November 2017). Pluripotente Zellen sind solche, die nicht zu einem lebensfähigen Organismus entwicklungsfähig sind, siehe Rn. 4 des Urteilstextes. Zum Begriff des Trophoblasts siehe Spektrum Akademischer Verlag, Lexikon der Biologie , Trophoblast, abrufbar unter http://www.spektrum.de/lexikon/biologie/trophoblast/67868 (Stand: 27. November 2017). 17 Siehe Rn. 29 des Urteilstextes. 18 Zum parlamentarischen Verfahren siehe die Ausarbeitung WD 8 - 3000 - 002/13, „Parlamentarische Abläufe zur Präimplantationsdiagnostik“, abrufbar unter https://www.bundestag .de/blob/413216/8960f491446f5929ad09d2410ba29225/wd-8-002-13-pdf-data.pdf (Stand: 27. November 2017). 19 Gesetzentwurf der Abgeordneten Flach, Hintze u.a. zur Regelung der Präimplantationsdiagnostik vom 12.4.2011, BT-Drs. 17/5451, abrufbar unter http://dipbt.bundestag.de/doc/btd/17/054/1705451.pdf (Stand: 30. November 2017), S. 8. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 052/17 Seite 9 25 bis 50 Prozent vor. Nicht rechtswidrig ist die PID zudem „zur Feststellung einer schwerwiegenden Schädigung des Embryos […], die mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einer Tot- oder Fehlgeburt führen wird“ (§ 3a Abs. 2 Satz 2 ESchG). Voraussetzung für die Durchführung einer PID ist nach § 3a Abs. 2 und 3 Nr. 1 ESchG eine nach umfassender Aufklärung und Beratung zu den medizinischen, psychischen und sozialen Folgen der Untersuchung abgegebene schriftliche Einwilligung der Frau, von der die Eizelle stammt. Gemäß § 3a Abs. 3 Nr. 2 ESchG darf die PID nur nach Zustimmung einer interdisziplinär zusammengesetzten Ethikkommission an den zugelassenen Zentren für PID durchgeführt werden. Die Untersuchung darf nur durch einen qualifizierten Arzt in einem zugelassenen Zentrum erfolgen. § 3a Abs. 3 Satz 3 ESchG ermächtigt die Bundesregierung, durch Rechtsverordnung die Voraussetzungen für die Zulassung der für die PID zuständigen Zentren und die Qualifikation der dort tätigen Ärzte sowie die Einrichtung, Zusammensetzung, Verfahrensweise und Finanzierung der Ethikkommissionen zu regeln. Die entsprechende Rechtsverordnung zur Regelung der Präimplantationsdiagnostik (PIDV) ist seit dem 1. Februar 2014 in Kraft.20 Sie bestimmt unter anderem die Einsetzung der Ethikkommissionen durch die Länder. Die Kommissionen setzen sich aus jeweils „vier Sachverständigen der Fachrichtung Medizin, jeweils einem oder einer Sachverständigen der Fachrichtungen Ethik und Recht sowie jeweils einem Vertreter der für die Wahrnehmung der Interessen der Patientinnen und Patienten und der Selbsthilfe behinderter Menschen auf Landesebene maßgeblichen Organisationen zusammen“ (§ 4 Abs. 1 PIDV). Das Bundessozialgericht entschied 2014, dass die PID keine Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung sei.21 Die PID stelle keine Krankenbehandlung gemäß § 27 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V)22 dar, da sie nicht zur Heilung eines vorhandenen Leidens beim Versicherten durchgeführt werde, sondern eine zukünftige Erkrankung eines anderen Menschen verhindern solle. Auch aus anderen Normen des SGB V ergebe sich keine Erstattungsfähigkeit. Die Kosten der PID müssen somit von gesetzlich Versicherten selbst getragen werden. 20 Verordnung zur Regelung der Präimplantationsdiagnostik (Präimplantationsdiagnostikverordnung - PIDV) vom 21. Februar 2013 (BGBl. I S. 323), abrufbar unter http://www.gesetze-im-internet.de/pidv/ (Stand: 29. November 2017). 21 Bundessozialgericht, Urteil vom 18. November 2014, B 1 KR 19/13 R, BSGE 117, 212 ff., abrufbar unter https://sozialgerichtsbarkeit.de/sgb/esgb/show.php?modul=esgb&id=176197 (Stand: 1. Dezember 2017). 22 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) – Gesetzliche Krankenversicherung vom 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477, 2482), zuletzt geändert durch Gesetz vom 17. August 2017 (BGBl. I S. 3214), abrufbar unter https://www.gesetze-im-internet.de/sgb_5/ (Stand: 1. Dezember 2017). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 052/17 Seite 10 4. Gentherapie Als Gentherapie wird das Einbringen von Genen in den Körper zur Behandlung oder Prävention von Krankheiten bezeichnet.23 Gestattet ist nur die Gentherapie an somatischen Zellen. Dies sind Zellen, die – zumindest beim Menschen – nicht der Fortpflanzung dienen.24 Eine neuere Form der Gentherapie ist das sogenannte Genome Editing. Der Begriff umfasst das Entfernen, Einfügen oder Umschreiben von Gen-Abschnitten.25 Bereits 1985 kam die vom Bundesminister der Justiz und dem Bundesminister für Forschung eingesetzte Arbeitsgruppe „In-vitro-Fertilisation, Genomanalyse und Gentherapie“ in ihrem Abschlussbericht zu dem Ergebnis, das Einfügen von Genen in somatische Zellen unterscheide sich in der ethischen Bewertung grundsätzlich nicht von der Organtransplantation. Besondere verfassungsrechtliche Probleme stellten sich daher nicht.26 Die Bundesärztekammer kam in ihren 1989 veröffentlichten Richtlinien zur Gentherapie zum gleichen Schluss.27 Einer anderen Bewertung unterliegt die an Keimbahnzellen vorgenommene Therapie. Keimbahnzellen sind in § 8 Abs. 3 Embryonenschutzgesetz definiert als „alle Zellen, die in einer Zell-Linie von der befruchteten Eizelle bis zu den Ei- und Samenzellen des aus ihr hervorgegangenen Menschen führen, ferner die Eizelle vom Einbringen oder Eindringen der Samenzelle an bis zu der mit der Kernverschmelzung abgeschlossenen Befruchtung“. Die Gentherapie von Keimbahnzellen ist nach § 5 ESchG als „künstliche Veränderung der Erbinformation menschlicher Keimbahnzellen“ verboten. Zur Begründung wurde im Gesetzentwurf zum ESchG ausgeführt, dass Methoden zur Keimbahntherapie nur durch vorherige Versuche am Menschen entwickelt werden könnten. Solche Versuche seien jedoch wegen des hohen Schädigungsrisikos nach derzeitigem Erkenntnisstand nicht zu verantworten .28 Ausnahmen zum Verbot, die insbesondere die Therapie von Keimbahnzellen zu Forschungszwecken betreffen, sind in § 5 Abs. 4 ESchG aufgeführt. Im Gegensatz zur Gendiagnostik besteht für die Gentherapie kein eigenes Gesetz. Der Abschlussbericht der Arbeitsgruppe „In-vitro-Fertilisation, Genomanalyse und Gentherapie“ hatte bereits 1985 keinen rechtlichen Handlungsbedarf gesehen.29 Auch die Bund-Länder-Arbeitsgruppe „Somatische Gentherapie“ kam 1997 zu dem Ergebnis, dass „ein spezielles Gentherapiegesetz nicht 23 Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG), Pressemitteilung vom 19. Dezember 2006, Entwicklung der Gentherapie , abrufbar unter http://www.dfg.de/service/presse/pressemitteilungen/2006/pressemitteilung_nr_71/index .html (Stand: 28. November 2017). 24 Spektrum Akademischer Verlag, Kompaktlexikon der Biologie, somatische Zelle, abrufbar unter: http://www.spektrum.de/lexikon/biologie-kompakt/somatische-zelle/10912 (Stand: 28. November 2017. 25 Eberbach, Genom-Editing und Keimbahntherapie, Medizinrecht 2016, S. 758 ff (760). 26 Bericht der Arbeitsgruppe In-vitro-Fertilisation, Genomanalyse und Gentherapie, 1985, S. 44. 27 Bundesärztekammer, Richtlinien zur Gentherapie beim Menschen, Deutsches Ärzteblatt 1989; 86(41): A-2957. 28 Gesetzentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes zum Schutz von Embryonen (Embryonenschutzgesetz – ESchG) vom 15. Oktober 1989, BT-Drs. 11/5460, S. 11. 29 Bericht der Arbeitsgruppe In-vitro-Fertilisation, Genomanalyse und Gentherapie, 1985, S. 45. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 052/17 Seite 11 erforderlich“ sei.30 Die Gentherapie richtet sich daher insbesondere nach dem AMG, dem ESchG, dem ärztlichen Berufsrecht sowie den allgemeinen Regelungen des Zivil- und Strafrechts.31 Im AMG sind Gentherapeutika als „Arzneimittel für neuartige Therapien“ in § 4 Abs. 9 aufgeführt. Diese können nicht über das nationale Zulassungsverfahren nach dem AMG zugelassen werden. Stattdessen muss das zentrale EU-weite Zulassungsverfahren durchgeführt werden.32 Davon ausgenommen sind gemäß § 4b AMG Gentherapeutika, die individuell für einzelne Patienten zubereitet werden. Diese müssen nach § 4b Abs. 3 Satz 1 AMG von der zuständigen Bundesoberbehörde genehmigt werden.33 Das Büro für Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag (TAB) hat 2017 zwei Gutachten zur Gentherapie in Auftrag gegeben. Das erste Gutachten soll sich mit der Keimbahntherapie befassen und „Fragen nach der medizinischen Begründbarkeit, den potenziellen Risiken und der ethischen Vertretbarkeit, der Notwendigkeit einer Überprüfung und Revision der rechtlichen Vorgaben in Deutschland und von Regulierungsmöglichkeiten auf internationaler Ebene“ untersuchen . Das zweite Gutachten soll einen „Überblick über die wichtigsten Forschungsansätze und -ziele der somatischen Gentherapie mithilfe von Genome-Editing-Verfahren einschließlich der damit verbundenen Sicherheitsfragen und des hieraus resultierenden Forschungsbedarfs“ verschaffen . Die Gutachten sollen 2018 vorliegen.34 5. Positionen der Parteien zur „roten Gentechnik“ Aktuelle Positionen der Parteien zur „roten Gentechnik“ sind nur vereinzelt zu finden. Daher können an dieser Stelle nur wenige Beispiele angeführt werden. So hielt die Arbeitsgruppe Biotechnologie & Bioethik der Bundestagsfraktion von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 2017 fest: 30 Abschlussbericht der Bund-Länder-Arbeitsgruppe „Somatische Gentherapie“, Bundesanzeiger Nr. 80 a vom 29. April 1998, S. 3. 31 Eberbach, Genom-Editing und Keimbahntherapie, Medizinrecht 2016, S. 758 ff (760). 32 Maßgeblich für die Zulassung ist die Verordnung (EG) Nr. 1394/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. November 2007 über Arzneimittel für neuartige Therapien und zur Änderung der Richtlinie 2001/83/EG und der Verordnung (EG) Nr. 726/2004 (ABl. Nr. L 324 S. 121, ber. ABl. 2009 Nr. L 87 S. 174) Celex-Nr. 3 2007 R 1394 geändert durch Art. 2 ÄndVO (EU) 1235/2010 vom 15. 12. 2010 (ABl. Nr. L 348 S. 1), abrufbar unter: http://eur-lex.europa.eu/legal-content/de/ALL/?uri=CELEX%3A32007R1394 (Stand 28. November 2017). 33 Zum Zulassungsverfahren für Gentherapeutika siehe vertiefend Paul-Ehrlich-Institut, Arzneimittel für neuartige Therapien, Regulatorische Anforderungen und praktische Hinweise, Langen 2012, abrufbar unter: https://www.pei.de/SharedDocs/Downloads/pu/innovationsbuero/broschuere-atmp-anforderungen-hinweise .pdf?__blob=publicationFile&v=1 (Stand: 30. November 2017). 34 Büro für Technikfolgenabschätzung beim Deutschen Bundestag, Genome Editing am Menschen, abrufbar unter http://www.tab-beim-bundestag.de/de/untersuchungen/u30900.html (Stand: 5. Dezember 2017). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 052/17 Seite 12 „Eingriffe in die menschliche Keimbahn, die sich auch auf nachfolgende Generationen auswirken würden, lehnen wir ab.“35 Auf ihrer Internetseite äußert sich die Bundestagsfraktion von BÜNDNIS 90/DIE zudem kritisch gegenüber dem Genome Editing: „Die Entdeckung natürlicher Gen-Scheren, die eine relativ gezielte Manipulation des Erbguts von Tieren, Pflanzen, Mikroorganismen und Menschen erlauben (Genome Editing, CRISPR/Cas), hat die biologische Grundlagenforschung revolutioniert. Doch nicht alles, was theoretisch oder im Forschungslabor möglich ist, sollte auch tatsächlich zur Anwendung kommen. Wir betrachten mit Sorge die Tendenz, Genome Editing als naturidentische Genveränderung zu verharmlosen. Unter dem Motto: Deren Eingriffstiefe und Auswirkungen seien so gering, dass sich eine Regulierung erübrige. Schon eine einzige Genänderung kann schwerste Krankheiten auslösen. Je mehr Gene beteiligt sind, desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit, mit Genome Editing das gewünschte Ziel zu erreichen – während gleichzeitig das Risiko für unerwünschte Nebenwirkungen steigt. Je ausgeprägter der experimentelle Charakter einer geplanten gentechnischen Intervention ist, umso mehr stellt sich die Frage, ob der Einsatz gegenüber dem betroffenen Lebewesen zu verantworten ist.“36 Dagegen beschloss der Bundesfachausschuss Bildung, Forschung und Innovation der CDU 2017 in einem Positionspapier: „Auf dem Forschungsfeld der Gentherapie sind große Erfolge zu verzeichnen, die neue Perspektiven für die Behandlung von schweren und schwersten Erkrankungen eröffnen können. Insbesondere die Verknüpfung der Gentherapie mit den revolutionären Innovationen in der Genom-Chirurgie / Genome Editing erlauben nun ganz neue Therapieansätze zur Behandlung bisher nicht heilbarer Erkrankungen. Es ist nun Aufgabe der Politik, den bahnbrechenden wissenschaftlichen Erkenntnissen in der Medizin zu ihrem Durchbruch in der Anwendung und damit zum Nutzen für die Patienten zu verhelfen. Deshalb wollen wir Studien und Forschungsvorhaben in diesem Bereich mit einem speziellen Fonds fördern. Zu diesem Zwecke statten wir den ,Impulsfonds für mit 500 Millionen Euro aus.“37 Die politischen Debatten der letzten Jahre im Bereich der „roten Gentechnik“ betrafen hauptsächlich die PID. Zurzeit ist die „rote Gentechnik“ im Gegensatz zur stark umstrittenen „grünen Gen- 35 BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Bundestagsfraktion, „Kommt der genetisch optimierte Mensch?“, abrufbar unter https://www.gruene-bundestag.de/bioethik/kommt-der-genetisch-optimierte-mensch-21-08-2017.html (Stand: 4. Dezember 2017). 36 BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Bundestagsfraktion, Bioethik, abrufbar unter https://www.gruene-bundestag.de/bioethik .html (Stand: 4. Dezember 2017). 37 Beschluss des Bundesfachausschusses Bildung, Forschung und Innovation der CDU Deutschlands, „Leitbild für eine zukunftsfähige Hochschul- und Forschungslandschaft in Deutschland“, abrufbar unter https://www.cdu.de/system/tdf/media/dokumente/170116-bfa-bildung-hochschule-forschung .pdf?file=1&utm_source=Newsletter&utm_medium=email&utm_content=&utm_campaign=email-campaign (Stand: 4. Dezember 2017). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 052/17 Seite 13 technik“ in der politischen Diskussion kaum präsent. Die Wahlprogramme der aktuell im Bundestag vertretenen Parteien für die Bundestagswahl 2017 enthielten keine Positionen zur „roten Gentechnik“. Grundlegende Positionen zu dieser Thematik haben die folgenden Parteien in ihren – noch immer geltenden – Grundsatzprogrammen aufgeführt. 5.1. Grundsatzprogramm der CDU von 2007 „Die biomedizinische Forschung bietet Lösungen für Zukunftsprobleme und trägt wesentlich zur Heilung von Krankheiten und Linderung von Leid bei. Chancen und Risiken sind gewissenhaft abzuwägen. Die Achtung der unantastbaren Würde des Menschen hat für uns Vorrang vor der Freiheit der Forschung und der Sicherung von Wettbewerbsfähigkeit. Wir wollen die Beibehaltung des konsequenten Embryonenschutzes und wenden uns gegen verbrauchende Embryonenforschung . Dafür setzen wir uns auch auf europäischer und internationaler Ebene ein. Das Klonen von Menschen lehnen wir ab.“38 5.2. Grundsatzprogramm der SPD von 2007 „Nicht jede Erfindung dient dem Fortschritt. Darum prüfen wir sie darauf, ob sie der freien Entfaltung , der Würde, der Sicherheit und dem Miteinander der Menschen nutzt. Dies gilt auch für die Bio- und Gentechnologie und die neuen Möglichkeiten der Medizin. Sie führen uns in einigen Bereichen in ethische Grenzbereiche. Ihre Erforschung und Anwendung erfordern deshalb eine ethische Reflexion und breite Diskussion. Wir suchen das Gespräch darüber mit der Wissenschaft ebenso wie mit den Kirchen und Glaubensgemeinschaften. Die Würde des menschlichen Lebens darf in all seinen Phasen nicht angetastet werden. Am Verbot des gezielten genetischen Eingriffs in die menschliche Keimbahn halten wir fest.“39 5.3. Grundsatzprogramm von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN von 2002 „Wir wollen die realistischen Chancen für die Heilung von Menschen nutzen und fördern. Aber wir lehnen die Zielsetzung ab, mit Hilfe der Gentechnik den ‚perfekten Menschen zu erschaffen. Unser Maßstab ist die Individualität jedes Menschen, nicht seine Angepasstheit an vermeintliche Normen der körperlichen ‚Gesundheit , ‚Fitness oder ‚Schönheit . Jede Form von Forschung und Anwendung der Gentechnik messen wir am Menschenwürdebegriff des Grundgesetzes, für den das menschliche Leben von Anfang an schützenswert ist und nicht instrumentalisiert werden darf. Verbrauchende Embryonenforschung lehnen wir ab. Gesundheitsforschung und Biotechnologie gehen weit über die Gentechnik hinaus und bieten auch außerhalb der Gentechnik große Chancen, die genutzt werden sollten. Die Nutzung vielfältiger Ansätze gewährleistet zudem, dass keine einseitigen Abhängigkeiten von einer bestimmten Technologie entstehen. Forschungsviel- 38 Grundsatzprogramm der CDU, „Freiheit und Sicherheit. Grundsätze für Deutschland.“, beschlossen vom 21. Parteitag Hannover, 3. bis 4. Dezember 2007, abrufbar unter https://www.cdu.de/system/tdf/media/dokumente /071203-beschluss-grundsatzprogramm-6-navigierbar_1.pdf?file=1&type=field_collection_item&id=1918 (Stand: 4. Dezember 2017), S. 74, Punkt 233. 39 Grundsatzprogramm der SPD, „Hamburger Programm“, beschlossen auf dem Hamburger Bundesparteitag am 28. Oktober 2007, abrufbar unter https://www.spd.de/fileadmin/Dokumente/Beschluesse/Grundsatzprogramme /hamburger_programm.pdf (Stand: 4. Dezember 2017), S. 48. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 9 - 3000 - 052/17 Seite 14 falt stellt daher einen Wert an sich dar. Das muss sich auch in der Forschungsförderung niederschlagen . Um die Risiken der Gentechnologie zu begrenzen und ihre Protagonisten in die Verantwortung für ihr Handeln zu nehmen, fordern wir wirksame haftungsrechtliche Regeln und die Pflicht zur Deckungsvorsorge für Unternehmen und Forschungsinstitute, die grüne oder rote Gentechnologie betreiben. Individuelle genetische Daten müssen geschützt werden. Mit dem Wunsch, genetische Informationen über sich selbst zu erhalten, muss ein Recht auf Nichtwissen korrespondieren . Die Freiwilligkeit der Genomanalyse und der Schutz der Vertraulichkeit müssen Vorrang vor etwaigen wirtschaftlichen Interessen haben. Auch bei der Privatisierung und Kommerzialisierung des genetischen Erbes müssen strikte Grenzen gezogen werden. Wir lehnen Patentrechte auf Gene, genetisch manipulierte Pflanzen und Tiere oder gar auf Teile des menschlichen Körpers ab. Patente soll es ausschließlich für gentechnische Forschungsverfahren und anwendungsbezogene Gentechniken geben. Weder bei arbeitsvertraglichen noch bei versicherungsvertraglichen Beziehungen dürfen Gentests durchgeführt oder das Wissen aus bereits durchgeführten Tests genutzt werden.“40 5.4. Grundsatzprogramm der AfD von 2016 „Schon heute kann diese Technologie [die Gentechnologie – Anmerkung der Verfasserin] international Erfolge in der Medizin vorweisen: die Genomsequenzierung erlaubte die Entwicklung von Medikamenten und Impfstoffen gegen den in Westafrika grassierenden Ebola-Virenstamm 2014, sie erlaubte die schnellere Bekämpfung des EHEC-Ausbruchs im Jahr 2011 und sie kommt in der personalisierten Krebstherapie zum Einsatz und erlaubt dort zielgerichtetere, damit effektivere und schonendere Therapien. Die Bundesrepublik Deutschland als Hochtechnologiestandort und Medizintechnikstandort darf den Anschluss an die internationale Forschung und Entwicklung in diesem Bereich nicht verlieren und ihren Bewohnern den Zugang zu innovativen Therapieformen nicht verschließen. Gleichzeitig aber ist das komplexe Zusammenspiel von Genom, Stoffwechsel und Umgebung momentan noch unzureichend bekannt, so dass die Risiken des Einsatzes von gentechnischen Veränderungen auf Organismen wie Mensch, Flora und Fauna nur sehr schwer abzuschätzen sind. Ebenso sind die Risiken des Einsatzes von gentechnisch veränderten Organismen im komplexen Ökosystem schwer vorherzusagen. Aus diesem Grunde öffnet sich die AfD der Forschung und Entwicklung im Bereich der Gentechnik. Der Einsatz in Medizintechnik und Landwirtschaft ist nur nach sorgfältigster Prüfung durch benannte Stellen in klar definiertem Rahmen zu genehmigen. Auf einer vorherigen praktischen Erprobung in abgeschlossener Umgebung ist dabei zu bestehen. Die entsprechenden Zulassungsverfahren können ähnlich dem Medizinproduktegesetz (MPG), dem Arzneimittelgesetz (APG) [sic] und dem Lebens- und Futtermittelgesetzbuch (LFGB) entworfen werden.“41 *** 40 Grundsatzprogramm von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, „Die Zukunft ist grün.“, beschlossen auf der Bundesdelegiertenkonferenz in Berlin vom 15. bis 17. März 2002, abrufbar unter https://www.gruene.de/fileadmin/user _upload/Dokumente/Grundsatzprogramm-2002.pdf (Stand: 4. Dezember 2017), S. 86 f. 41 Grundsatzprogramm der Alternative für Deutschland, „Programm für Deutschland“, beschlossen auf dem Bundesparteitag in Stuttgart vom 30. April bis 1. Mai 2016, abrufbar unter https://www.afd.de/wp-content/uploads /sites/111/2017/01/2016-06-27_afd-grundsatzprogramm_web-version.pdf (Stand: 4. Dezember 2017), S. 87, Punkt 13.5.