Einzelfragen zu Ansprüchen aus der sozialen Pflegeversicherung bei Aufenthalt in einem Mitgliedsstaat der Europäischen Union - Sachstand - © 2008 Deutscher Bundestag WD 9 - 3000 - 052/08 Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages Einzelfragen zu Ansprüchen aus der sozialen Pflegeversicherung bei Aufenthalt in einem Mitgliedsstaat der Europäischen Union Sachstand WD 9 - 3000 - 052/08 Abschluss der Arbeit: 16. Juni 2008 Fachbereich WD 9: Gesundheit, Familie, Senioren, Frauen und Jugend Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Die Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste sind dazu bestimmt, Mitglieder des Deutschen Bundestages bei der Wahrnehmung des Mandats zu unterstützen. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W. Inhalt 1. Einzelfragen zu Ansprüchen aus der sozialen Pflegeversicherung bei Aufenthalt in einem Mitgliedsstaat der Europäischen Union 4 1.1. Einleitung 4 1.2. Ansprüche nach dem SGB XI im Rahmen eines ständigen Aufenthaltes in einem Mitgliedsstaat der Europäischen Union 4 1.2.1. Der Anspruch auf Pflegeberatung gemäß § 7a SGB XI (neu) bei Anspruchsberechtigung auf Pflegegeld gemäß § 37 SGB XI (neu) 4 1.2.2. Der Anspruch auf zusätzliche Betreuungsleistungen gemäß § 45b SGB XI (neu) seitens Pflegebedürftiger mit erheblichem Betreuungsbedarf im Sinne des § 45a SGB XI (neu) 8 1.2.3. Die Ansprüche von Personen mit der zukünftigen „Pflegestufe 0“ 10 1.3. Ansprüche nach dem SGB XI im Rahmen eines vorübergehenden Aufenthaltes in einem Mitgliedsstaat der Europäischen Union 11 1.3.1. Der Anspruch auf Pflegeberatung gemäß § 7a SGB XI (neu) sowie auf Pflegesachleistungen 11 1.3.2. Die Möglichkeit der Mitnahme der Pflegefachkraft in das Ausland bzw. Bestehen eines Anspruchs auf Leistungen der Kurzzeitpflege gemäß § 42 SGB XI als Alternative 13 1.3.3. Die Ansprüche auf Leistungen bei Bezug im Rahmen des § 36 Abs. 1 Satz 5 SGB XI (neu) bzw. bei Beschäftigung einer Einzelpflegekraft im Sinne des § 77 Abs. 1 SGB XI 14 1.3.4. Der Anspruch auf zusätzliche Betreuungsleistungen gemäß § 45b SGB XI (neu) seitens Pflegebedürftiger mit erheblichem Betreuungsbedarf im Sinne des § 45a SGB (neu) 15 1.3.5. Die Ansprüche von Personen mit der zukünftigen „Pflegestufe 0“ 15 2. Haben deutsche Staatsbürger, die einen Anspruch auf ein trägerübergreifendes persönliches Budget nach § 17 SGB IX besitzen auch das Recht, diese Leistungen 16 2.1. Bei einem ständigen Aufenthalt im europäischen Ausland in Anspruch zu nehmen? 16 2.2. Bei einem vorübergehenden Auslandsaufenthalt in Anspruch zu nehmen? 16 2.3. Können persönliche Assistenten mitgenommen oder Leistungen im Ausland eingekauft werden? 16 16 3. Müsste die Bundesregierung im Falle der Verletzung der UN- Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen auf dem Wege der Verordnung oder der Gesetzesänderung tätig werden? 17 4. Literaturverzeichnis 17 - 4 - 1. Einzelfragen zu Ansprüchen aus der sozialen Pflegeversicherung bei Aufenthalt in einem Mitgliedsstaat der Europäischen Union 1.1. Einleitung Die soziale Pflegeversicherung in Deutschland soll das Risiko der Pflegebedürftigkeit und die entsprechend hiermit verbundenen persönlichen Lasten durch die Gewährung von Hilfen in Form von Sachleistungen und/oder finanzieller Unterstützung bei Eintritt der Bedürftigkeit solidarisch verteilen. Dieses nationale System der sozialen Sicherung ist auf den Regelfall ausgerichtet, dass ein Versicherter entsprechend im Inland auf Leistungen angewiesen ist und diese bezieht. In diesem Fall erbringt der zuständige Träger die Leistungen nach den Vorschriften des Elften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XI)1. Tritt die Leistungsbedürftigkeit jedoch in einem Zeitraum auf, da sich der Berechtigte nicht in dem Land befindet, in dem der Träger der Leistungen, bei dem er versichert ist (zuständiger Träger), seinen Sitz hat, sei es, dass der Berechtigte nur einen vorübergehenden Aufenthalt nimmt, sei es, dass er sogar seinen Wohnsitz verlegt hat, ist zu klären, wie sodann die Leistungsberechtigung ausgestaltet ist, also welcher Träger , nach welchem Recht, welche Leistungen zu erbringen hat. Zur Regelung derartiger Fälle existieren Normen sowohl auf nationaler Ebene als auch im Zuge der europäischen Einigung auf supranationaler Ebene. Dieser Sachstand behandelt nach Maßgabe konkreter Fragestellungen die Berechtigung bestimmter Ansprüche nach dem SGB XI in Abhängigkeit vom Aufenthaltsort und der Aufenthaltsart in einem anderen Mitgliedsstaat der Europäischen Union (EU). 1.2. Ansprüche nach dem SGB XI im Rahmen eines ständigen Aufenthaltes in einem Mitgliedsstaat der Europäischen Union 1.2.1. Der Anspruch auf Pflegeberatung gemäß § 7a SGB XI (neu)2 bei Anspruchsberechtigung auf Pflegegeld gemäß § 37 SGB XI (neu) Im Rahmen des Gesetzes zur strukturellen Weiterentwicklung der Pflegeversicherung (Pflege-Weiterentwicklungsgesetz)3 wird den Leistungsberechtigten nach den Vorschriften des SGB XI ab dem 1. Januar 2009 durch den einzufügenden § 7a SGB XI (neu) ein subjektiv-rechtlicher Anspruch gegenüber dem entsprechenden Träger auf 1 Sozialgesetzbuch (SGB) Elftes Buch (XI) – Soziale Pflegeversicherung vom 26.5.1994 (BGBl. I S. 1014), zuletzt geändert durch Art. 5a G v. 19.12.2007 (BGBl. I S. 3024). 2 Ist das Elfte Buch Sozialgesetzbuch im Folgenden derart gekennzeichnet, ist stets die ab dem 1. Juli 2008 geltende Fassung gemeint. 3 Gesetz zur strukturellen Weiterentwicklung der Pflegeversicherung (Pflege- Weiterentwicklungsgesetz) v. 14. März 2008, vgl. BT-Drs. 16/7439 und 16/8525 bzw. BR-Drs. 210/07. - 5 - Pflegeberatung zustehen.4 Ausgehend vom Wortlaut des § 7a SGB XI (neu) steht dieser in Abhängigkeit vom Bezug von Leistungen nach anderen Vorschriften des SGB XI bzw. von einer entsprechenden Antragstellung bei erkennbarem Hilfebedarf; hierdurch solle die unbegründete Inanspruchnahme von Pflegeberatung vermieden werden.5 (Im Folgenden wird unterstellt, der Anspruch auf Pflegegeld gemäß § 37 SGB XI (neu) laut Fragestellung bestehe dem Grunde nach wirksam und könne somit Grundlage für einen Anspruch nach § 7a SGB XI (neu) sein.) Befindet sich der Leistungsbedürftige im Rahmen seines gewöhnlichen Aufenthaltes ständig im EU-Ausland, stellt sich seine Leistungsberechtigung differenziert dar. Auf nationaler Ebene existiert die Vorschrift des § 34 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 SGB XI, welche grundsätzlich die Ansprüche auf Leistungen nach dem SGB XI zum Ruhen bringt. Dem Territorialprinzip in § 30 Abs. 1 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I)6 folgend, hat der Gesetzgeber hiermit ein grundsätzliches Verbot für den Export von Leistungen der sozialen Pflegeversicherung ins Ausland formuliert. Hintergrund dieser Regelung ist die Annahme, dass die Leistungen im Ausland nicht effektiv erbracht und das kontinuierliche Vorliegen der Voraussetzungen der Leistungsberechtigung nicht ausreichend kontrolliert werden könnten.7 Nimmt der Pflegebedürftige jedoch ständigen Aufenthalt in einem Mitgliedsstaat der EU, so kann infolge des Anwendungsvorrangs des europäischen Rechts Abweichendes gelten. Diesen Anwendungsvorrang über- und zwischenstaatlichen Rechts kodifizieren zudem die Kollisionsnormen gemäß § 30 Abs. 2 SGB I und gemäß § 6 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV)8. Von maßgeblicher Bedeutung sind hierbei die so genannte „Wanderarbeiterverordnung“ VO (EWG) Nr. 1408/719 sowie deren Durchführungsverordnung VO (EWG) Nr. 4 Vgl. Gesetzentwurf zum Pflege-Weiterentwicklungsgesetz, BT-Drs. 16/7439 S. 46. 5 Vgl. Gesetzentwurf zum Pflege-Weiterentwicklungsgesetz, BT-Drs. 16/7439 S. 47. 6 Sozialgesetzbuch (SGB) Erstes Buch (I) – Allgemeiner Teil v. 11.12.1975 (BGBl. I S. 3015); zuletzt geändert durch Art. 2 G v. 19.12 .2007 (BGBl. I S. 3024). 7 Vgl. Baumeister (2008). Kommentierung zu § 34 SGB XI, Rn 1. In: Beck`scher Online-Kommentar Sozialgesetzbuch XI. 8 Sozialgesetzbuch (SGB) Viertes Buch (VI) – Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung v. 23.12.1976 (BGBl. I S. 3645); neugefasst durch Bekanntmachung v. 23.01.2006 (BGBl. I Nr. 86 S. 466; zuletzt geändert durch Art. 3 G v. 8.04.2008 (BGBl. I S. 681). 9 Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates v. 14. Juni 1971 über die Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbstständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern (Wanderarbeitnehmerverordnung) – ABl. L 149 v. 5.7.1971; zuletzt geändert durch VO (EG) Nr. 631/2004 v. 1.6.2004 – Abl. L 100 v 6.4.2004. Durch die Verordnung (EG) Nr. 883/2004 werden die VO (EWG) Nr. 1408/71 und VO (EWG) Nr. 574/72 zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der neuen Durchführungsverordnung teilweise ersetzt werden (voraussichtlich Ende 2009). - 6 - 574/7210. Die Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 wurde am 14. Juni 1971 vom Rat der Europäischen Union erlassen, um die Freizügigkeit der Arbeitnehmer in der Europäischen Union im Sinne des Art. 39 EG (früher Art. 48 EGV) durch Beseitigung etwaiger Hindernisse aufgrund unterschiedlich ausgestalteter Sozialsysteme der einzelnen Nationalstaaten zu fördern. Dies soll durch die Koordinierung der einzelnen innerstaatlichen Rechtsvorschriften mittels der Entterritorialisierung des nationalen Sozialrechts geschehen ; hierbei handelt es sich allerdings nicht um eine Harmonisierung im Wege einer materiellen Rechtsvereinheitlichung.11 Als EG-Verordnung gilt diese in den einzelnen Mitgliedsstaaten allgemein und unmittelbar verbindlich („Durchgriffswirkung“), vgl. Art. 249 Abs. 2 EG12 (früher Art. 189 EGV). Der persönliche Geltungsbereich ist nach Art. 2 VO (EWG) Nr. 1408/71 grundsätzlich für die dem Recht eines Mitgliedsstaates unterworfenen Arbeitnehmer und Selbstständige , für bestimmte Studierende, für Staatenlose und Flüchtlinge mit Wohnsitz in der EU sowie jeweils für deren Angehörige und Hinterbliebene eröffnet. Seit der Verordnung (EG) Nr. 1606/9813 sind auch Beamte in den persönlichen Anwendungsbereich miteinbezogen. Den sachlichen Geltungsbereich der Verordnung beschreibt Art. 4 VO (EWG) Nr. 1408/71. Dieser ist für nationale Vorschriften eröffnet, die die Zweige der sozialen Sicherheit betreffen; dies sind die Leistungen bei Krankheit und Mutterschaft, Invalidität , Alter, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, Arbeitslosigkeit, Tod sowie Familienleistungen . Ausdrücklich benannt sind die Leistungen im Bereich der Pflege in Art. 4 VO (EWG) Nr. 1408/71 nicht. Nach Auffassung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH), dem die Auslegung von Verordnungen des Rates obliegt, vgl. Art. 234 EG (früher Art. 177 EGV), unterfallen die Leistungen der sozialen Pflegeversicherung in Deutschland dem ausdrücklich und abschließend formulierten Geltungsbereich der Verordnung im Sinne des Art. 4 Abs. 1 lit. a VO (EWG) Nr. 1408/71.14 Die Frage, ob eine Leistung eine solche der sozialen Sicherheit ist, hängt nach ständiger Rechtssprechung des EuGH von den Wesensmerkmalen, insbesondere vom Zweck und von den Voraussetzungen 10 Verordnung (EWG) Nr. 574/72 des Rates v. 21. März 1972 über die Durchführung der VO (EWG) Nr. 1408/71 [...] – ABl. V. 27.3.1972 L 74 S. 1; in der konsolidierten Fassung der Verordnung v. 2.12.1996, ABl. 1997 L 28 S. 102, zuletzt geändert durch VO (EG) 307/99 v. 8.2.1999, ABl. 1999 L 38 S. 1. 11 Vgl. Fuchs (2005). In: Sozialversicherungsrecht, § 63, S. 1010. 12 Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft in der Fassung v. 2.10.1997; zuletzt geändert durch den Vertrag über den Beitritt der Republik Bulgarien und Rumäniens zur Europäischen Union (ABl. EG L 157/11) m. W. v. 1.1.2007. 13 Verordnung (EG) Nr. 1606/98 des Rates v. 29. Juni 1998 zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 [...] und der Verordnung (EWG) Nr. 574/72 [...] zwecks Einbeziehung der Sondersysteme für Beamte und ihnen gleichgestellte Personen – ABl. L 209 v. 25.7.1998, S. 1-15. 14 Vgl. Fuchs (2002). Kommentierung zu Art. 4 VO (EWG) Nr. 1408/71 Rn. 8. In: Fuchs (Hrsg.), Europäisches Sozialrecht. - 7 - der Gewährung der Leistung ab.15 Nach Ausführungen des EuGH in der Rechtssache „Moleenar“16 ist die soziale Pflegeversicherung aufgrund ihrer Zwecksetzung im wesentlichen als Ergänzung der Leistungen der Krankenversicherung anzusehen, um den Gesundheitszustand und die Lebensbedingungen der Pflegebedürftigen zu verbessern. Sie fällt „als Leistung bei Krankheit“ in den sachlichen Geltungsbereich gemäß Art. 4 Abs. 1 lit. a VO (EWG) Nr. 1408/71. Somit sind die Regelungen der Leistungen der sozialen Pflegeversicherung an der VO (EWG) Nr. 1408/71 zu messen. Keinen an dieser Stelle relevanten Unterschied macht es, wenn der zuständige Träger der Pflegeleistungen ein privates Versicherungsunternehmen ist.17 Das Prinzip für die Gewährung von Leistungen der sozialen Sicherheit für Personen, die sich nicht beständig in demselben Land, in dem der zuständige Träger seinen Sitz hat, aufhalten, sondern in einem anderen Mitgliedsstaat der EU, beschreibt Art. 19 Abs. 1 VO (EWG) 1408/71. Dieser ist jedoch nur für die Konstellation einschlägig, bei denen der Versicherungsfall erst eintritt, nachdem der Versicherte Wohnsitz in dem anderen als dem Staate des zuständigen Trägers genommen hat.18 Wohnsitz ist in diesem Kontext gemäß der Begriffsbestimmung nach Art. 1 lit. h VO (EWG) Nr. 1408/71 der Ort des gewöhnlichen Aufenthaltes. Nach Art. 19 Abs. 1 VO (EWG) Nr. 1408/71 werden Sachleistungen vom Träger des jeweiligen Wohnortes nach dessen Recht auf Rechnung des zuständigen Trägers erbracht (Sachleistungsaushilfe); Geldleistungen werden nach dem Recht des zuständigen Trägers erbracht, entweder durch denselben oder auf dessen Rechnung durch den Träger des jeweiligen Wohnortes des Berechtigten. Somit wird der Export von Geldleistungen in andere Mitgliedsstaaten der EU ermöglicht, der Export von Sachleistungen jedoch ausgeschlossen; diese werden ausschließlich im Rahmen der Sachleistungsaushilfe gewährt. Sachleistungen werden also derart erbracht, als sei der Berechtigte beim Träger des Wohnortes versichert; allein das Leistungsrecht des Wohnortes ist maßgeblich.19 Die Erbringung der Sachleistungen erfolgt gemäß Art. 17 VO (EWG) Nr. 574/72, der Geldleistungen gemäß Art. 18 VO (EWG) Nr. 574/72. Pflegeberatung ist in ihrer Ausgestaltung als persönliche Betreuung und individuelle Hilfestellung seitens entsprechend ausgebildeter Fachkräfte20 primär als eine Dienstleis- 15 Vgl. EuGH v. 27. März 1985, Rs 249/83 – Höckx - Slg. 1985, 973 Rn. 12-14; vgl. EuGH v. 27. März 1985, Rs. 122/84 – Scrivner – Slg. 1985, I-1027 Rn. 19-21; vgl. EuGH v. 16. Juli 1992, Rs C-78/91 – Hughes – Slg. 1992, I-4839 Rn. 14-15. 16 Vgl. EuGH v. 5.3.1998, Rs C-160/96 – Molenaar – Slg 1998, I-843 Rn. 15-25. 17 Vgl. EuGH v. 8.7.2004, Rs C-502/01, verbunden mit C-31/02 – Gaumain-Cerri – Slg 2004, I-6483 Rn. 22. 18 Vgl. Bieback (2002). In: Fuchs (Hrsg.), Europäisches Sozialrecht, Art. 19 VO (EWG) Nr. 1408/71 Rn. 12. 19 Vgl. Bieback (2002). In: Fuchs (Hrsg.), Europäisches Sozialrecht, Art. 19 VO (EWG) Nr. 1408/71 Rn. 19. 20 Vgl. Gesetzentwurf zum Pflege-Weiterentwicklungsgesetz, BT-Drs. 16/7439 S. 48. - 8 - tung des SGB XI (neu) zu betrachten. Die in § 4 Abs. 1 Satz 1 SGB XI vorgenommene Differenzierung in Dienst-, Sach- und Geldleistungen ist im Rahmen der europäischen Rechtssetzung jedoch nicht übernommen worden. Grund der Pflegeberatung ist, dass die von Pflegebedürftigkeit Betroffenen frühzeitig über ihre Rechte und über die tatsächlich vorhandenen Möglichkeiten des pflegerischen Angebotes vor Ort durch einen entsprechend fachlich ausgebildeten Pflegeberater informiert werden; dies hat in persönlichen Beratungsgesprächen zu erfolgen. Ist nur zwischen den beiden Kategorien Geldleistung oder Sachleistung zu differenzieren ist diese Beratungsleistung als eine Sachleistung bzw. als eine zumindest sachleistungsähnliche Leistung zu verstehen.21 Im Rahmen der Sachleistungsaushilfe muss sich der Berechtigte beim Träger des Wohnortes einschreiben und diesem seine Berechtigung gegen den zuständigen Träger nachweisen, vgl. Art. 17 Abs. 1 VO (EWG) Nr. 574/72; dieser Berechtigungsnachweis ist bei einem deutschen zuständigen Träger lediglich ein Jahr gültig, muss sodann erneuert werden, vgl. Art. 17 Abs. 2 Satz 2 VO (EWG) Nr. 574/72. Bei einzelnen Antragsstellungen auf Sachleistungen sind die Nachweise nach dem Recht des Wohnortes vorzulegen, vgl. Art. 17 Abs. 5 VO (EWG) Nr. 574/72. Demnach gilt aufgrund europäischen Rechts für die Leistung der Pflegeberatung das Prinzip der Sachleistungsaushilfe; die Ruhensregelung des § 34 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 SGB XI wird jedenfalls auf supranationaler Ebene verdrängt.22 Somit ist maßgeblich, damit einem Pflegebedürftigen mit Aufenthalt in einem Mitgliedsstaat der EU ein Anspruch auf Pflegeberatung vergleichbar dem § 7a SGB XI (neu) zusteht, ob ein solcher Anspruch nach dem Recht des jeweiligen Mitgliedslandes in vergleichbarer Art und Weise, mit vergleichbarer Zielsetzung besteht. Hält sich ein in einem anderen Mitgliedsland der EU wohnender Berechtigter oder ein berechtigter Familienangehöriger jedoch vorübergehend in dem Land des zuständigen Trägers auf, richten sich seine Ansprüche nach dem Recht des zuständigen Trägers, als würde er in diesem Land wohnen, vgl. Art. 21 VO (EWG) Nr. 1408/71. In einem derartigen Fall ist ein Anspruch auf Pflegeberatung gemäß § 7a SGB XI (neu) rechtlich zwar gegeben, in seinem Nutzen entsprechend gemindert. 1.2.2. Der Anspruch auf zusätzliche Betreuungsleistungen gemäß § 45b SGB XI (neu) seitens Pflegebedürftiger mit erheblichem Betreuungsbedarf im Sinne des § 45a SGB XI (neu) § 45b Abs. 1 Satz 1 SGB XI (neu) gibt berechtigten Versicherten einen Anspruch auf zusätzliche Betreuungsleistungen. Ausgestaltet ist der Anspruch als Kostenerstattung; 21 Vgl. Bieback (2002). Kommentierung zu Art. 19 VO (EWG) Nr. 1408/71 Rn. 16. In: Fuchs (Hrsg.), Europäisches Sozialrecht. 22 Vgl. Fuchs (2005). In: Sozialversicherungsrecht § 63, S. 1058. - 9 - nach Inanspruchnahme der zusätzlichen Betreuungsleistungen werden die entstandenen Kosten bis zu einer Höhe von Euro 100,- (Grundbetrag) bzw. 200,- (erhöhter Betrag) monatlich gemäß § 45b Abs. 1 Satz 2 SGB XI (neu) erstattet. Anspruchsberechtigt sind nur Versicherte, die Pflegebedürftige im Sinne des § 45a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB XI (neu) mit einer Pflegestufe I bis III bzw. Hilfsbedürftige im Sinne des § 45a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB XI (neu) mit der zukünftigen „Pflegestufe 0“ sind. § 45b Abs. 2 SGB XI (neu) formuliert in diesem Rahmen die Modalitäten der Wahrnehmung des Anspruchs; so werden ein Antrags- und Nachweiserfordernis sowie die Anspruchsverpflichteten in Form der jeweiligen Pflegekasse, des zuständigen privaten Versicherungsunternehmens oder der Beihilfefestsetzungsstelle bestimmt. § 45b Abs. 2 SGB XI (neu) ist selbst keine Anspruchsgrundlage.23 Maßgeblich dafür, ob auch im EU-Ausland die Kostenerstattung für Betreuungsleistungen in Anspruch genommen werden kann, ist letztlich, der obigen Darstellung folgend, der Umstand, welcher Charakter dem Anspruch gem. § 45b Abs. 1 SGB XI (neu) beizumessen ist. Als Anspruch auf eine Geldleistung unterfiele der Anspruch dem Exportgebot gemäß Art. 19 Abs. 1 lit. b VO (EWG) Nr. 1408/71, andernfalls dem Prinzip der Sachleistungsaushilfe gemäß Art. 19 Abs. 1 lit. a VO (EWG) Nr. 1408/71. Der Anspruch gemäß § 45b Abs. 1 SGB XI (neu) ist zwar formal auf eine Geldleistung gerichtet, der EuGH trifft die entsprechende Abgrenzung jedoch nicht allein nach rein formalen Kriterien, sondern stellt auf den Inhalt und die Funktion der Zahlung ab.24 Besonderheit des Anspruchs aus § 45b Abs. 1 SGB XI (neu) ist, dass dieser zwar in Form einer Geldzahlung gewährt wird, diese jedoch lediglich als Erstattung der tatsächlich angefallenen Kosten einer der Leistungen des abschließenden Kataloges im Sinne des § 45b Abs. 1 Satz 5 SGB XI (neu) dient. Diese Zweckbindung25 ist in § 45b Abs. 1 Satz 4 (SGB XI (neu) ausdrücklich festgeschrieben; zudem bedarf es gemäß § 45b Abs. 2 Satz 1 SGB XI eines entsprechenden quittierenden Beleges über die Kosten. Hierin offenbart sich der strukturelle Unterschied beispielsweise zur Leistung des Pflegegeldes (§ 37 SGB XI), welches seitens des EuGH unter anderem auch wegen der grundsätzlich freien Verfügbarkeit und Einsetzbarkeit (vgl. § 37 Abs. 1 Satz 2 SGB XI) als Geldleistung im Sinne des Art. 19 Abs. 1 lit. b VO (EWG) Nr. 1408/71 charakterisiert wurde26. Durch die Sicherstellung der Kostenerstattung gemäß § 45b SGB XI (neu) 23 Vgl. Gürtner (2007). Kommentierung zu § 45b SGB XI, Rn. 7. In: Kasseler Kommentar Sozialversicherungsrecht – Onlineversion. 24 Vgl. Huster (1999). Grundfragen zum Export im europäischen Sozialrecht. In: Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht (NZA) 1999, Heft 1, S. 10 [10-17]. 25 Vgl. Gesetzentwurf zum Pflegeleistungs-Ergänzungsgesetz, BT-Drs. 14/6949 S. 15. 26 Vgl. EuGH v. 5.3.1998, Rs C-160/96 – Molenaar – Slg 1998, I-843 Rn. 34. - 10 - wird dem Berechtigten äquivalent die entsprechende (Sach-)Leistung gewährt.27 Somit handelt es sich hierbei um ein echtes Sachleistungssurrogat in Form einer Geldzahlung. Zudem wird in diesem Wege die betreffende pflegerische Infrastruktur gefördert, so dass die jeweiligen Angebote bereitgestellt werden können.28 Auch können nur qualitätsgesicherte Leistungen im Sinne des § 45b Abs. 1 Satz 5 SGB XI (neu) in Anspruch genommen werden.29 Somit ist der Anspruch auf Kostenerstattung im Rahmen des § 45b SGB XI (neu) als Sachleistungsanspruch anzusehen. Für diesen gilt demnach Art. 19 Abs. 1 lit. a VO (EWG) Nr. 1408/71; maßgeblich für die Gewährung ist das Recht des jeweiligen Wohnortes. Bei Wiederkehr in den Staat des zuständigen Trägers gilt gemäß Art. 21 VO (EWG) Nr. 1408/71 wiederum das Recht des zuständigen Trägers (siehe auch unter Gliederungspunkt 2.1.). 1.2.3. Die Ansprüche von Personen mit der zukünftigen „Pflegestufe 0“ Die zukünftige „Pflegestufe 0“ soll Hilfebedürftigen, welche noch nicht die zur Einstufung in die Pflegestufe I im Sinne des § 15 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SGB XI kodifizierten Anforderungen erfüllen, niedrigschwellig entsprechende Hilfsangebote zur Seite stellen.30 Hierbei handelt es sich um Personen in häuslicher Pflege, bei denen ein erheblicher Bedarf an allgemeiner Beaufsichtigung und Betreuung neben einem Hilfebedarf im Bereich der Grundpflege und der hauswirtschaftlichen Versorgung unterhalb der Pflegestufe I gegeben ist, weil sie bedingt durch Krankheit oder Behinderung dauerhaft erhebliche Einschränkung in ihrer Alltagskompetenz aufweisen, vgl. § 45a Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Nr. 2 SGB XI (neu). Personen mit der zukünftigen „Pflegestufe 0“ haben gemäß § 45b Abs. 1 Satz 1 SGB XI (neu) nach Maßgabe des Betreuungsbedarfs Anspruch auf zusätzliche Betreuungsleistungen . Dies umfasst die Kostenerstattung für die in § 45b Abs. 1 Satz 5 SGB XI (neu) aufgeführten Leistungen (siehe auch unter Gliederungspunkt 2.2.). Zudem steht den Personen mit „Pflegestufe 0“ gemäß § 37 Abs. 3 Satz 5 SGB XI (neu) künftig das Recht zu, halbjährlich einen Beratungsbesuch in Anspruch zu nehmen. Hierbei handelt es sich um ein Unterstützungsangebot zur Sicherstellung der Versorgungs - und Lebensqualität; ausgehend von der individuellen Situation des Hilfsbedürftigen sollen Gegenstand der Beratung etwaige zusätzliche Hilfsangebote sein. Eine mögliche Überschneidung mit der Pflegeberatung im Sinne des § 7a SGB XI (neu) kön- 27 Vgl. Eichenhofer (1998). Europäische Wirksamkeit der Pflegeversicherung. In: Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht (NZA) 1998, Heft 14, S. 743 [742-743]. 28 Vgl. Gesetzentwurf zum Pflegeleistungs-Ergänzungsgesetz, BT-Drs. 14/6949 S. 16. 29 Vgl. Gesetzentwurf zum Pflegeleistungs-Ergänzungsgesetz, BT-Drs. 14/6949 S. 15. 30 Vgl. Gesetzentwurf zum Pflege-Weiterentwicklungsgesetz, BT-Drs. 16/7439 S. 63. - 11 - ne hingenommen werden.31 Im Unterschied zu dem Beratungsbesuchen im Rahmen des § 37 Abs. 3 Satz 1 SGB ist der Beratungsbesuch gemäß § 37 Abs. 3 Satz 5 SGB XI (neu) als rein freiwillig wahrnehmbares Angebot ausgestaltet. Für die Beurteilung der Berechtigung des Anspruchs gemäß § 45b SGB XI (neu) im EU-Ausland kann auf den Gliederungspunkt 2.2. verwiesen werden – inhaltlich ergeben sich keine Abweichungen. Der Anspruch gem. § 37 Abs. 3 SGB XI (neu) ist zwar nicht deckungsgleich mit dem auf Pflegeberatung gemäß § 7a SGB XI (neu), gleichwohl handelt es sich bei beiden um Dienstleistungen zur Sicherung der Qualität der Pflege. Im Grunde gilt hier erneut das Prinzip der Sachleistungsaushilfe gemäß Art. 19 Abs. 1 lit. a VO (EWG) Nr. 1408/71. Nach Maßgabe des Leistungsrechts des Wohnortes kann die Beratung durch den Träger des Wohnortes auf Rechnung des zuständigen Trägers durchgeführt werden (siehe auch Gliederungspunkt 2.1.). 1.3. Ansprüche nach dem SGB XI im Rahmen eines vorübergehenden Aufenthaltes in einem Mitgliedsstaat der Europäischen Union 1.3.1. Der Anspruch auf Pflegeberatung gemäß § 7a SGB XI (neu) sowie auf Pflegesachleistungen Nimmt der Leistungsberechtigte lediglich vorübergehend Aufenthalt im Sinne des Art. 1 lit. i VO (EWG) Nr. 1408/71 in einem anderen Mitgliedsstaat der EU, kann je nach Länge des Aufenthaltes der Weiterbezug der Pflegesachleistungen aufgrund der Ausnahmeregelung des § 34 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 SGB XI (neu) in Betracht kommen. Dies ist dann der Fall, wenn ein Zeitraum von sechs Wochen innerhalb eines Kalenderjahres nicht überschritten wird und die entsprechende Pflegekraft den Berechtigten begleitet . Außerhalb dieser engen Voraussetzungen ist Art. 22 VO (EWG) Nr. 1408/71 zur Bestimmung der Leistungsberechtigung einschlägig. Vorübergehender Aufenthalt in diesem Kontext ist ausschließlich als Gegenbegriff zum Wohnort als Ort des gewöhnlichen Aufenthalts im Zusammenhang mit dem persönlichen Lebensmittelpunkt zu verstehen .32 Ist der Geltungsbereich der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 in persönlicher und sachlicher Hinsicht eröffnet (siehe auch unter Gliederungspunkt 2.1.), regelt Art. 22 Abs. 1 VO (EWG) Nr. 1408/71 die entsprechende Leistungsberechtigung. 31 Vgl. Gesetzentwurf zum Pflege-Weiterentwicklungsgesetz, BT-Drs. 16/7439 S. 55. 32 Vgl. Eichenhofer (2002). Kommentierung zu Art. 1 VO (EWG) Nr. 1408/71 Rn. 32. In: Fuchs (Hrsg.), Europäisches Sozialrecht. - 12 - Art. 22 Abs. 1 lit. a VO (EWG) Nr. 1408/71 erfasst den Fall, dass eine Leistungsberechtigung erst auftritt, wenn sich der Berechtigte bereits im Ausland aufhält (z. B. als Tourist , Besucher, Durchreisender), Art. 22 Abs. 1 lit. b VO (EWG) Nr. 1408/71 erfasst den Fall, dass ein genehmigter Wohnortwechsel nach Eintritt der Leistungsberechtigung vorgenommen wird, und Art. 22 Abs. 1 lit. c VO (EWG) Nr. 1408/71 erfasst den Fall, dass sich der Berechtigte nach Eintritt des Leistungsfalls (nur) zur Behandlung in einen Mitgliedsstaat begibt. Auch in diesen Konstellationen besteht für die Erbringung der Leistungen weiterhin das Prinzip der Sachleistungsaushilfe durch den Träger des Wohnortes nach dessen Recht auf Kosten des zuständigen Trägers einerseits und das Prinzip des Exportes von Geldleistungen durch den zuständigen Träger andererseits, vgl. Art. 22 Abs. 1 VO (EWG) Nr. 1408/71. Abweichend geregelt ist insbesondere das Verfahren der Leistungserbringung ; die Dauer der Leistungsberechtigung richtet sich abweichend nach dem Recht des zuständigen Trägers. Zudem sind die Ansprüche bei vorübergehendem Aufenthalt teilweise an besondere Voraussetzungen geknüpft: So bedarf es im Rahmen des Art. 22 Abs. 1 lit. a VO (EWG) Nr. 1408/71 der „unverzüglichen“ Erforderlichkeit der entsprechenden Leistung aufgrund des medizinischen Zustands des Betroffenen. Maßgeblich ist das Verhältnis von Gesundheitszustand, erforderlicher Leistung sowie der Dauer des geplanten Aufenthaltes. Ausreichend ist eine Behandlung der Symptome; die Leistung ist jedoch derart zu erbringen, dass keinerlei Druck auf eine leidensbedingte (frühzeitige ) Rückkehr entsteht.33 Die Erteilung einer Genehmigung durch den zuständigen Träger im Rahmen des Art. 22 Abs. 1 lit. b VO (EWG) Nr. 1408/71 richtet sich nach der medizinischen Indikation und kann auch unter Beachtung des Art. 49 EG (früher Art. 59 EGV) einer Ermessensreduzierung auf Null unterliegen, vgl. Art. 22 Abs. 2 Satz 1 VO (EWG) Nr. 1408/71. Keine Ausweitung des Leistungskataloges bewirkt Art. 22 Abs. 1 lit. c VO (EWG) Nr. 1408/71, da die Genehmigung für einen Wechsel des Aufenthaltes in ein Mitgliedsland der EU aus Gründen einer medizinischen Behandlung davon abhängig ist, ob die Leistungen nach dem Recht des Landes des angestrebten Aufenthaltes auch nach dem Recht des Landes des zuständigen Trägers erbracht würden; auch bleiben etwaige Wartefristen für eine entsprechende Behandlung, welche im Heimatland bestehen, erhalten, vgl. Art. 22 Abs. 2 Satz 2 VO (EWG) Nr. 1408/71.34 33 Vgl. Bieback (2002). Kommentierung zu Art. 22 VO (EWG) Nr. 1408/71 Rn. 7-9. In: Fuchs (Hrsg.), Europäisches Sozialrecht. 34 Vgl. Bieback (2002). Kommentierung zu Art. 22 VO (EWG) Nr. 1408/71 Rn. 17, 18. ). In: Fuchs (Hrsg.), Europäisches Sozialrecht. - 13 - Pflegesachleistungen können somit unter den Voraussetzungen nach § 34 Abs. 1 Nr. 1 Sätze 2 und 3 SGB XI sechs Woche weiterbezogen werden. Anschließend gilt grundsätzlich das Prinzip der Sachleistungsaushilfe gemäß Art. 22 Abs. 1 VO (EWG) Nr. 1408/71 mit dem Bezug von Leistungen nach dem Recht des Trägers des Aufenthaltsortes , wobei teilweise erhöhte Anforderungen an den Anspruch gestellt werden, die es rechtfertigen sollen, die Leistungen unter administrativ erschwerten Bedingungen zu gewähren. 1.3.2. Die Möglichkeit der Mitnahme der Pflegefachkraft in das Ausland bzw. Bestehen eines Anspruchs auf Leistungen der Kurzzeitpflege gemäß § 42 SGB XI als Alternative Nach Maßgabe der Aussage des § 3 SGB XI ist die Erbringung von Pflegesachleistungen im Rahmen häuslicher Pflege gemäß § 36 SGB XI (neu) die vom Gesetzgeber maßgeblich gewollte Form der Leistungserbringung.35 Im Rahmen dessen werden die Grundpflege und die hauswirtschaftliche Versorgung in den Räumlichkeiten des Pflegebedürftigen durch eine Pflegefachkraft oder eine Vertragsperson im Sinne des § 77 Abs. 1 SBG XI (neu) durchgeführt. Seitens der Pflegekassen werden diese Leistungen unmittelbar als Sach- bzw. Naturalleistungen erbracht.36 Die Mitnahme von Mitarbeitern eines Pflegedienstes ist im Grunde unter Beachtung der aufenthaltserlaubnisrechtlichen und arbeitserlaubnisrechtlichen Zulässigkeit möglich. Dies kann im Rahmen einer Entsendung geschehen. Der Anspruch gemäß § 42 Abs. 1 Satz 1 SGB XI gewährt dem Pflegebedürftigen, wenn die häusliche Pflege im Sinne §§ 36-40 SGB XI (neu) zeitweise nicht durchführbar ist, die Möglichkeit für den entsprechenden Zeitraum in die vollstationäre Pflege zu wechseln ; somit steht § 42 SGB XI in einem Alternativverhältnis zu der häuslichen Pflege. Die Kurzzeitpflege ist unter anderem dann zulässig, wenn die häusliche Pflege ganz oder teilweise nicht erbracht werden kann oder unzureichend ist. Dies ist der Fall in besonderen Übergangzeiten im Anschluss an eine stationäre Behandlung oder in besonderen Krisenzeiten. Kennzeichen dieser Voraussetzungen ist der Ausschluss der Möglichkeit häuslicher Pflege aufgrund tatsächlicher, insbesondere räumlicher, technischer oder organisatorischer Gegebenheiten oder aber der Eintritt unvorhergesehener Ereignisse , wie kurzzeitiger Ausfall der Pflegeperson oder plötzliche Verschlimmerung der Pflegebedürftigkeit.37 Der Umstand, dass sich die zu pflegende Person entfernt und aus diesem Grunde die häusliche Pflege nicht mehr durchgeführt werden kann, entspricht 35 Vgl. Leitherer (2007). Kommentierung zu § 36 SGB XI, Rn. 6. In: Kasseler Kommentar Sozialversicherungsrecht – Onlineversion. 36 Vgl. Leitherer (2007). Kommentierung zu § 36 SGB XI, Rn. 15. In: Kasseler Kommentar Sozialversicherungsrecht – Onlineversion. 37 Vgl. Udsching (2000). Kommentierung zu § 42 SGB XI, Rn. 5. In: Udsching (Hrsg.), Soziale Pflegeversicherung , SGB XI. - 14 - nicht den Voraussetzungen des § 42 SGB XI (neu).38 Auch besteht hierfür grundsätzlich kein Bedarf, da ein zuvor bestehender Anspruch auf häusliche Pflege nach dem Sachleistungsaushilfeprinzip über Art. 22 Abs. 1 VO (EWG) Nr. 1408/71 gewährt werden kann. 1.3.3. Die Ansprüche auf Leistungen bei Bezug im Rahmen des § 36 Abs. 1 Satz 5 SGB XI (neu) bzw. bei Beschäftigung einer Einzelpflegekraft im Sinne des § 77 Abs. 1 SGB XI Die Regelung des § 36 Abs. 1 SGB XI (neu) umfasst zum einen die Zulässigkeit einer besonderen Ausgestaltung der Erbringung von Pflegeleistungen: Zukünftig können Pflegesachleistungen freiwillig von Pflegebedürftigen gemeinsam in Anspruch genommen und von den ambulanten Pflegediensten entsprechend konzentriert erbracht werden („Poolen“). Zum anderen werden den teilnehmenden Berechtigten zusätzliche Betreuungsleistungen gewährt. Als Folgen des „Poolens“ und der konzentrierten Erbringung sollen Wirtschaftlichkeitsreserven frei werden; die Pflegeleistungen sollen effizienter, kostengünstiger und mit weniger Zeitaufwand erbracht werden können.39 Die hierdurch entstehenden zeitlichen und finanziellen Einsparungen sollen den jeweils beteiligten Pflegebedürftigen in Form von besonderen Betreuungsleistungen zugute kommen. Diese sind vergleichbar mit denen im Sinne des § 45b Abs. 1 Satz 6 Nr. 3 SGB XI (neu) für Pflegebedürftige der Pflegestufen I-III bzw. der „Pflegestufe 0“; in Abweichung ist die Erbringung der Leistung im Rahmen des § 36 Abs. 1 SGB (neu) jedoch nicht als Kostenerstattung ausgestaltet. Über die Ausnahmeregelung des § 34 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 SGB XI (neu) hinaus werden die Leistungen auf Grundlage des Art. 22 Abs.1 VO (EWG) Nr. 1408/71 gewährt. Die Leistungen im Rahmen des § 36 Abs.1 Sätze 1 und 4 SGB XI (neu) sowie die zusätzlichen Betreuungsleistungen im Sinne des § 36 Abs. 1 Satz 5 SGB XI (neu) sind als Pflegesachleistung zu typisieren. Dies entspricht der gesetzgeberischen Intention40 sowie auch der systematischen Stellung. Somit können die zusätzlichen Betreuungsleistungen bei einer Aufenthaltsdauer von über sechs Wochen stets nur nach Maßgabe des Rechts des Aufenthaltsortes gemäß Art. 22 Abs.1 VO (EWG) Nr. 1408/71 in Anspruch genommen werden (Prinzip der Sachleistungsaushilfe, siehe unter Gliederungspunkt 3.1.). 38 Vgl. Gesetzentwurf zum Pflege-Versicherungsgesetz, BT-Drs. 12/5262 S. 115. 39 Vgl. Gesetzentwurf zum Pflege-Weiterentwicklungsgesetz, BT-Drs. 16/7439 S. 54. 40 Vgl. Gesetzentwurf zum Pflege-Weiterentwicklungsgesetz, BT-Drs. 16/7439 S. 55. - 15 - 1.3.4. Der Anspruch auf zusätzliche Betreuungsleistungen gemäß § 45b SGB XI (neu) seitens Pflegebedürftiger mit erheblichem Betreuungsbedarf im Sinne des § 45a SGB (neu) Der Anspruch für Pflegebedürftige auf zusätzliche Betreuungsleistungen gemäß § 45b Abs. 1 Satz 1 SGB XI (neu), der in Form der Kostenerstattung gemäß § 45b Abs. 1 Satz 2 SGB XI gewährt wird, nachdem eine Leistung im Sinne des § 45b Abs. 1 Satz 6 SGB XI (neu) beansprucht wurde, richtet sich bei nur vorübergehendem Aufenthalt in einem Mitgliedsstaat der EU nach der Ausnahmeregelung vom Ruhensprinzip gemäß § 34 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 und Satz 3 SGB XI. Nach der dort genannten Frist von sechs Wochen bzw. bei Nichtbegleitung durch die Pflegefachkraft kommt Art. 22 Abs. 1 VO (EWG) Nr. 1408/71 zur Geltung. Zwar wird die Leistung gemäß § 45b Abs. 1 SGB XI (neu) als Kostenerstattung in Form einer Geldzahlung gewährt, gleichwohl handelt es sich hierbei um ein Sachleistungssurrogat (siehe unter Gliederungspunkt 2.2.). Demnach gilt das Prinzip der Sachleistungsaushilfe unter den genannten zusätzlichen Bedingungen (siehe unter Gliederungspunkt 3.1.). 1.3.5. Die Ansprüche von Personen mit der zukünftigen „Pflegestufe 0“ Wie unter Gliederungspunkt 2.3. dargestellt, haben Personen mit der „Pflegestufe 0“ künftig gemäß § 45b Abs. 1 Satz 1 SGB XI (neu) nach Maßgabe des Betreuungsbedarfes Anspruch auf zusätzliche Betreuungsleistungen im Sinne des § 45b Abs. 1 Satz 6 SGB XI (neu), welcher gemäß § 45b Abs. 1 Satz 2 SGB XI (neu) in Form einer Kostenerstattung realisiert wird. Zudem besteht gemäß § 37 Abs. 3 Satz 5 SGB XI (neu) künftig das Recht, halbjährlich einen Beratungsbesuch in Anspruch zu nehmen. Auch hierbei handelt es sich um Sachleistungen bzw. sachleistungsähnliche Leistungen (siehe unter Gliederungspunkt 2.3.). Bei vorübergehendem Aufenthalt ist Art. 22 Abs. 1 VO (EWG) Nr. 1408/71 einschlägig. Es verbleibt bei dem Prinzip der Sachleistungsaushilfe unter den genannten zusätzlichen Bedingungen (siehe unter Gliederungspunkt 3.1.). - 16 - WD 6-- 2. Haben deutsche Staatsbürger, die einen Anspruch auf ein trägerübergreifendes persönliches Budget nach § 17 SGB IX besitzen auch das Recht, diese Leistungen 2.1. Bei einem ständigen Aufenthalt im europäischen Ausland in Anspruch zu nehmen? Der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg hat als Modellregion stellvertretend für Berlin an der wissenschaftlichen Begleitforschung zur Einführung des Persönlichen Budgets teilgenommen . Nach Aussage der Projektverantwortlichen wird in der Praxis nach § 24 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) gehandelt. Danach erhalten Deutsche, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland haben, keine Leistungen. § 24 SGB XII ist insofern anzuwenden, als nach dem Bericht der Bundesregierung über die Ausführung der Leistungen des Persönlichen Budgets nach § 17 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch (BT-Drs. 16/3983, S. 46) überwiegend der Sozialhilfeträger für die Bewilligung der Persönlichen Budgets zuständig ist. 2.2. Bei einem vorübergehenden Auslandsaufenthalt in Anspruch zu nehmen? Bei einem vorübergehenden Auslandsaufenthalt kann eine individuelle Regelung zwischen dem Leistungsträger und dem Leistungsbezieher vereinbart werden. Insbesondere dann, wenn der Auslandaufenthalt positive Auswirkungen auf die Gesundheit des Leistungsempfängers hat, kann das Persönliche Budget gezahlt werden. Deutlich zu betonen ist hier die Einzelfalllösung. 2.3. Können persönliche Assistenten mitgenommen oder Leistungen im Ausland eingekauft werden? Das persönliche Budget ist eine neue Leistungsform, aber keine neue Leistung. Das heißt, dass der Betrag, der bisher vom Leistungsträger, meistens vom Sozialamt, direkt an den Leistungserbringer, den ambulanten Dienst, überwiesen wurde, im Rahmen des persönlichen Budgets an die behinderte Person als Leistungsempfänger selbst ausgezahlt wird, damit diese die erforderliche Assistenz bezahlen kann. Es gelten daher die Ausführungen zu a) und b). WD 6 -- - 17 - WD 6-- 3. Müsste die Bundesregierung im Falle der Verletzung der UN- Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen auf dem Wege der Verordnung oder der Gesetzesänderung tätig werden? Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) teilte dem Wissenschaftlichen Dienst dazu mit, dass das Gesetz zur Ratifizierung voraussichtlich zum 1. Januar 2009 in Kraft treten wird. Derzeit werden die Bundesländer, andere Ressorts sowie Verbände durch das BMAS mit der Bitte um Stellungnahme angeschrieben. Nach der parlamentarischen Sommerpause soll das Gesetzgebungsverfahren beginnen. In der nächsten Legislaturperiode soll eine Überprüfung ggf. Anpassung der nationalen Gesetze gemäß Artikel 4 der Konvention (Allgemeine Verpflichtungen) erfolgen. Rechte aus der Konvention selbst können Betroffene nicht einklagen. 4. Literaturverzeichnis Baumeister, Peter (2008). Kommentierung zu § 34 SGB V. In: Beck`scher Online- Kommentar Sozialgesetzbuch XI. Stand: 9. Edition, 1.03.2008. München 2008. Bieback, Karl-Jürgen (2002). Kommentierung zu Art. 19 VO (EWG) Nr. 1408/71, zu Art. 20 VO (EWG) Nr. 1408/71 und zu Art. 22 VO (EWG) Nr. 1408/71. In: Fuchs (Hrsg.). Kommentar zum Europäischen Sozialrecht. Stand: 3. Auflage, 2002. Baden-Baden 2002. [M 572666.]41 Eichenhofer, Eberhard (1998). Europäische Wirksamkeit der Pflegeversicherung. In: Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht (NZA) 1998, Heft 14, S. 742-743. Verlag: Beck, München 1998. Eichenhofer, Eberhard (2002). Kommentierung zu Art. 1 VO (EWG) Nr. 1408/71. In: Fuchs (Hrsg.). Kommentar zum Europäischen Sozialrecht. Stand: 3. Auflage, 2002. Baden-Baden 2002. [M 572666.] Fuchs, Maximilian (2002). Kommentierung zu Art. 4 VO (EWG) Nr. 1408/71. In: Fuchs (Hrsg.). Kommentar zum Europäischen Sozialrecht. Stand: 3. Auflage, 2002. Baden-Baden 2002. [M 572666.] Fuchs, Maximilian; Preis, Ulrich (2005). Sozialversicherungsrecht. Praxis-Lehrbuch. Stand: 2005. Köln 2005. [P 5111787.] Gürtner, Klaus (2007). Kommentierung zu § 45b SGB XI. In: Kasseler Kommentar Sozialversicherungsrecht – Onlineversion. Stand: 56. Ergänzungslieferung, 1. Dezember 2007. München 2007. 41 Hierbei handelt es sich um die Signatur der Bibliothek des Deutschen Bundestages. - 18 - Huster, Stefan (1999). Grundfragen zum Export im europäischen Sozialrecht. In: Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht (NZA) 1999, Heft 1, S. 10-17. Verlag: Beck, München 1999. Leitherer, Stephan (2007). Kommentierung zu § 36 SGB XI. In: Kasseler Kommentar Sozialversicherungsrecht – Onlineversion. Stand: 56. Ergänzungslieferung, 1. Dezember 2007. München 2007. Udsching, Peter (2000). Kommentierung zu § 42 SGB XI, Rn. 5. In: Udsching (Hrsg.), SGB XI – Soziale Pflegeversicherung, Kommentar. Stand: 2. Auflage, 2000. Verlag: Beck, München 2000.